Ein Bericht über Bollywood in der Schweiz

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Ein Bericht über Bollywood in der Schweiz
Wirtschaft
sonntagszeitung.ch | 7. September 2014
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Bollywood-Schweiz bietet Indern Ferien wie im Film
Höhepunkt: Die Altafs stellen auf der Brücke über die Saane eine Filmszene nach
Zweisimmen: Amina posiert
auf dem Perron, der
auch Schauplatz von DDLJ ist
«Dreistellige Millionenbeträge an
Tourismuseinnahmen generiert»
Das Tourenangebot kommt etwas
spät, denn schon Mitte der 90er-Jahre entdeckte Bollywood die Schweiz
als Drehort. Seitdem wurden Dutzende Filme in unseren Alpen gedreht.
DDLJ – eine Liebeskomödie mit Happy End – ist der Klassiker, der den
Boom begründete. Nicht zuletzt, weil
der berühmte Produzent Yash Chopra ein Faible für die Schweiz hatte,
kam die Eidgenossenschaft bei fast jedem Film zum Zug. Sie profitierte
auch vom Kashmirkonflikt, denn die
Filmproduzenten konnten dort nicht
mehr drehen und brauchten Ersatzberge für ihre Szenen im Schnee.
Dann gab es noch den legendären Busunternehmer namens Jakob Tritten,
der die Filmcrews scharenweise ins
Berner Oberland brachte. Er las ihnen
die Wünsche von den Augen ab, zeigte Drehorte, organisierte Equipment
und Genehmigungen. In den folgenden Jahren stieg die Anzahl indischer
Besucher in der Schweiz. 1995 kamen
sie für rund 90 000 Logiernächte auf.
2013 waren es knapp 470 000.
Die Wirkung von Marketing lässt
sich schwer exakt beziffern. «Doch Bol-
Trotzdem schlugen Touristiker aus
der Schweiz-Begeisterung der Inder
bislang kein grosses Kapital. Erst diesen Frühling kam auch Gstaad-Saanenland Tourismus auf die Idee, Bollywoodtouren anzubieten. Sie werden
in Zusammenarbeit mit dem indischen Reiseveranstalter Travel Oyster
India vermarktet. Der Inhaber der Firma schulte fünf Gstaader Guides und
brachte ihnen die wichtigsten Szenen
von Klassikern nahe. Zweimal pro
Woche konnten Touristen im Mai
und Juni auf den Spuren der indischen Stars wandeln. Der GoldenPass-Zug, der zwischen Montreux
und Zweisimmen pendelt, transportierte sie durch die Berglandschaft . Im
ersten Jahr kamen nur wenige Touren
zustande. «Das Angebot muss erst
einmal Fuss fassen», sagt Pressesprecherin Kerstin Sonnekalb. Das Interesse sei aber definitiv da, denn «wir
haben festgestellt, dass die Inder immer diese speziellen Orte aufsuchen.
Zum Beispiel diese Brücke.»
«Diese Brücke» führt über die Saane, sie ist aus Beton, mit einem unscheinbaren Metallgeländer. Dieses
Mal bilden die Gartenzwerge und Blumenrabatten des Bahnhofshäuschens
Saanen den Hintergrund der Fotos, die
Fässler von Amira und Yahya Altaf
schiesst. «Wir würden gern eine Szene
nachspielen», sagt Yahya und bittet um
Unterstützung beim Filmdreh mit dem
Handy. Es geht um den Moment, in
dem Raj Simran seine Liebe erklärt.
Während Yahya und Amira zu Raj und
Simran werden, rauscht der Durchgangsverkehr vorbei. Ausgerechnet
heute werden die Fahrzeuge wegen einer Baustelle über die kleine Brücke
geleitet. Das Londoner Pärchen lässt
sich davon nicht stören, diese Lieblingsszene kann es im Schlaf rezitieren.
Dass Fässler und Gstaad Tourismus
nun mit Bollywoodtouren punkten
wollen, findet Eberhard von Schweiz
Tourismus nur recht und billig. «Es ist
innovativ, sich auf Interessengruppen
auszurichten und da ist keine Nische
zu klein.» Trotzdem bleibt ein bitterer
Nachgeschmack. Denn jetzt, da die
Touren auf dem Markt sind, bleiben
die indischen Produktionen in der
Schweiz aus. Gab es in den letzten 20
Jahren acht bis zehn Produktionen im
Jahr, sind es heute nur noch vereinzel-
Schweizer Tourismus profitiert von Gästen aus Indien
Tourguide: Erwin Fässler führt die Gäste aus London durch die malerische Bergwelt
Die neusten Zahlen für den Schweizer Tourismus sind düster. Die Hotels verzeichneten im Juli 3,9 Millionen Logiernächte – ein Minus von 2,7 Prozent im Vergleich
zum Vorjahr. Hauptgrund für den Rückgang sind die Schweizer, da viele von ihnen
aufgrund des Wetters auf Ferien in ihrer Heimat verzichteten, wie die Zahlen des
Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen. Bei den ausländischen Gästen gab es zwar
ebenfalls einen Rückgang. Als Stütze erwiesen sich aber Gäste aus Asien: Bei den
indischen Gästen stieg die Anzahl Logiernächte im Juli um über 6 Prozent. (mju)
Gstaad: Der Bollywoodklassiker Dilwale Dulhania Le Jayenge wurde 2001 teilweise in der Schweiz gedreht
Zürich Film Office betreut jährlich
rund 90 Produktionen, davon die Hälfte aus dem Ausland. Die regionalen
Organisationen sind eine Anlaufstelle, helfen aber primär mit Papierkram,
etwa dem Beantragen von Drehgenehmigungen oder der Vermittlung von
Behördenkontakten. In Ländern wie
Österreich, Italien oder Singapur sieht
Filmförderung anders aus. Dort spannten Kultur, Wirtschaft und Tourismus
zusammen, sagt Neuburger. Filmemachern würden Steuern erlassen oder
gar Teile des Films finanziert. «Hier-
zulande fehlt die politische Lobby, man
schiebt sich nur gegenseitig den
schwarzen Peter zu.»
«Swiss Made Challenge»: Käsen
und Milchkannen tragen
In Konsequenz werden so manche Filme, die in der Schweiz spielen, gar
nicht mehr in der Schweiz gedreht.
Mit den Produzenten einer geplanten
Hollywoodverfilmung von Wilhelm
Tell musste Eberhard beispielsweise
heftig diskutieren. «Ich habe den Filmemachern versucht zu erklären, dass
eine derart dramatische Landschaft
nur in der Schweiz zu finden ist, aber
das sahen die anders.» Wäre der Film
tatsächlich gedreht worden, hätte Tell
in Rumänien für die Freiheit gekämpft.
Schwer einzuschätzen ist, inwiefern
sich das Ausbleiben der indischen Filmemacher auf die Logiernächte auswirken wird. Schweiz Tourismus hat
entschieden, künftig vor allem die junge Generation indischer Gäste anzusprechen. Das gehe am besten über soziale Medien wie Facebook und das
Fernsehen, glaubt Eberhard. Deswegen werden vermehrt TV-Produktionen unterstützt. «Ausserdem ist Fernsehen günstiger, und wir können mit
unseren geringen Mitteln mehr bewirken.» Gedreht wurden bereits zwei
Staffeln einer Realityshow namens
«Swiss Made Challenge». Sechs Kandidaten müssen hierzulande bestimmte Aufgaben erfüllen, um Ferien in der
Schweiz zu gewinnen. Zum Beispiel
Milchkannen tragen, Bungee-Jumping,
Holz hacken und Käsen.
Schweiz Tourismus hält Fernsehproduktionen auch für besser steuerbar. Mit den Filmen sei das immer so
eine Sache, findet Eberhard. Schliesslich wolle man die Schweiz vor allem
als Tourismusland verkaufen. Gewollt
sind also Bilder von grünen Wiesen
und schneebedeckten Bergen, nicht
etwa Krimis, in denen Schweizer Banker Schwarzgeld wegschaffen.
Da wird es mit den Filmen immer
schwieriger, denn das indische Publikum erwartet heutzutage mehr Action, Gewalt und mehr Aktualität. Die
Schweiz müsste sich also anders verkaufen als bislang. Neuburger von
Film Location Switzerland unterstützte etwa ein indisches Team bei einemDreh an der Street-Parade. «Das ging
auch. Es ist ja nicht so, dass wir ausser
Bergen und grünen Wiesen nichts zu
bieten hätten», sagt er.
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Liebesferien: Das pakistanische Ehepaar Amina und Yahya Altaf an einem Drehort ihrer Lieblingsromanze DDLJ
Auf der Brücke über die Saane
erklärt Raj Simran seine Liebe
te, wie Eberhard feststellt. Der Rückgang war fliessend. Erst verstarb der
Unternehmer Tritten, 2012 dann der
Produzent Chopra. «Irgendwie haben
sich die Inder wohl auch ein wenig sattgesehen an den Szenen auf den grünen Schweizer Wiesen», vermutet
Eberhard.
Für ihn stellt sich die Frage, ob man
gegensteuern könnte oder müsste.
Doch hierzulande ist Filmförderung
kompliziert. Schweiz Tourismus gibt
zur Unterstützung von Film- und Fernsehproduktionen nur etwa 50 000 bis
100 000 Franken im Jahr aus. Primär
werden sie eingesetzt, um den Crews
ein wenig unter die Arme zu greifen,
zum Beispiel um Helikopterflüge zu
sponsern oder die Unterkunft. Das
Geld kommt aus dem Marketingbudget, einen gesonderten Posten gibt
es nicht. Film Location Switzerland,
ursprünglich als landesweite Organisation zur Unterstützung ausländischer
Filmemacher gedacht, dümpelt seit einigen Jahren mehr oder minder mittellos vor sich hin. Der Bund sieht sich
nur in der Pflicht, Schweizer Produktionen oder Co-Produktionen zu fördern. Ab 2016 sind dafür jährlich sechs
Millionen Franken vorgesehen.
Zwar haben einzelne Städte in Zusammenarbeit mit den Tourismusorganisationen eigene Filmbüros gegründet, etwa Genf oder Zürich. Das
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gen zusammen und schaut prüfend in
die Ferne: «Da ist der Betonpfeiler,
dort sieht man einen Teil des Hausdachs, ja, das ist es, genau hier hat
Simran ihrem Schwarm Raj gestanden, dass sie schon verlobt ist!»
Fässler steht in Saanen BE nicht
etwa vor dem hübschen Bahnhofshäuschen, geschmückt mit Blumenrabatten und Gartenzwergen, sondern weiter hinten, an der Einfahrt zu einer
unspektakulären Strasse. Nun dirigiert
er seine Gäste zur Betonmauer nahe
den Gleisen fürs Fotoshooting. Yahya
Altaf, dessen Frau Amina und die fünfjährige Qiran sind für fünf Tage aus
London in die Schweiz gereist. Sie sind
pakistanischer Herkunft und kommen
mit einer besonderen Mission. Es geht
ihnen nicht ums Matterhorn oder den
Vierwaldstättersee, sondern um einen
bestimmten Perron am Bahnhof von
Zweisimmen, eine Bäckerei in Gstaad
und die Betonmauer in Saanen. »Hier
sind wir unseren Stars ganz nahe, man
spürt eine ganz enge Verbindung zu
ihnen», sagt Yahya Altaf in bestem British English. Er meint die Bollywoodstars Shah Rukh Khan und Kajol.
Die Altafs haben ihre Reise gut vorbereitet, schon Wochen vorher schickten sie Fässler Szenen des Klassikers
«Dilwale Dulhania Le Jayenge» (kurz
DDLJ) mit der Bitte, beim Aufenthalt
die entsprechenden Drehorte zu besuchen. «Erwin Tours of Switzerland» ist
ein Ein-Mann-Unternehmen. Fässler,
54 und Bollywood-Nerd, hat sein
Hobby zum Beruf gemacht. Seit diesem Sommer bietet er neben Touren
zu historischen Themen und Brauchtum mehrtägige Drehortreisen an – je
nach Kundenwunsch auch massgeschneidert. Die Drehorte hat er sich
mühevoll zusammengesucht, manch
wichtige Brücke erst nach stundenlanger Wanderung entdeckt.
lywood hat sicher dreistellige Millionenbeträge an Tourismuseinnahmen
generiert. Mit kleinem Einsatz lässt
sich ein enormer Gewinn einfahren»,
sagt Roger Neuburger von der Film
Location Switzerland. Er hat diverse
indische Crews begleitet und ihnen bei
ihren Anliegen wie Locationscouting
oder Transport geholfen. Auch bei
Schweiz Tourismus wird der Beitrag
der Bollywoodindustrie zum Standortmarketing gewürdigt. In Indien
rührt die Organisation besonders kräftig die Werbetrommel. Die wachsende Mittelschicht, die das Reisen entdeckt, nährt die Hoffnung auf weiter
steigende Logiernachtzahlen. «Doch
die Filme weckten bei den Indern Begehrlichkeiten, die wir mit unserem
Budget nie hätten auslösen können»,
sagt Vizedirektor Urs Eberhard.
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Gstaad Erwin Fässler kneift die Au-
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Cornelia Krause (Text)
und Ruben Hollinger (Fotos)
Foto: Keystone
Das Berner Oberland will aus Touren an Drehorte beliebter Filmklassiker Kapital schlagen. Schweiz Tourismus denkt bereits an künftige Generationen und setzt auf Realityshows und soziale Medien