Luigi Zingales - The University of Chicago Booth School of Business

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Luigi Zingales - The University of Chicago Booth School of Business
BILD : ASH LEY GILBERTSON/VII
Text DANIEL BINSWANGER
«Ich liebe die amerikanischen Grundwerte: die Freiheit und die Chance, sein
eigenes Glück zu machen», meint Luigi Zingales bei unserem Treffen in
einem Mailänder Luxushotel. Der gut aussehende Endvierziger wirkt selber
wie die perfekte Verkörperung des amerikanischen Traums. Selbstbewusst,
elegant, voller Energie. Kein Zweifel: Der italienische Professor für Betriebswirtschaft hat in den USA sein Glück gemacht.
Als Student ist Zingales in die USA gegangen. Heute lehrt er an der Booth
School of Business in Chicago, einer der besten Business-Schulen der Welt.
Seine Auswanderung aus Italien beschreibt der Ökonom als eigentliche Flucht.
In Italien würden Talent und Fleiss nicht belohnt. Nur wer Beziehungen habe,
Protektion geniesse und sich den Mächtigen andiene, dürfe in Italien hoffen,
Karriere zu machen. In Amerika, sagt Zingales, habe er eine faire Chance be­
kommen und sich mit seinen Leistungen einen Platz erobern können.
An der Booth School of Business weht der Geist von Milton Friedman,
dem wichtigsten Theoretiker des Neoliberalismus. Auch Zingales glaubt felsen­
fest an die Tugenden der Marktwirtschaft. Aber, so ist er überzeugt, die USA
entfernen sich heute von ihrem eigenen Ideal der freien Konkurrenz. Protektion in Washington wird immer wichtiger. Unter George W. Bush hat sich
der «Crony-Kapitalismus», die US-Version von Filz, immer weiter ausgebreitet. Die reichsten Wohngemeinden Amerikas liegen seit der Jahrtausendwende
nicht mehr im Silicon Valley, wo Computer erfunden werden, sondern in den
Vororten von Washington, wo die Lobbyisten residieren. Mächtige Konzerne
können sich immer einfacher politische Protektion erkaufen und den Wettbewerb behindern. In der Finanzkrise wurden die Verantwortlichen nicht zur
Verantwortung gezogen, sondern von ihren Freunden in der Regierung vor
Verlusten bewahrt. In einem Buch mit dem Titel «A Capitalism for the People» beschreibt Zingales, worin das ursprüngliche Genie der Marktwirtschaft
besteht. Und warum es heute bedroht ist.
DIE LETZTE HOFFNUNG:
KAPITALISMUS
Luigi Zingales glaubt an die Marktwirtschaft und den American Dream.
Aber heute, sagt der Ökonomieprofessor, sind beide in Gefahr.
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Occupy-Wall-Street-Protest
gegen Banken und Grossunternehmen
Das Magazin: Sie sind ein marktliberaler
Ökonom. Nun kritisieren Sie die Macht von
Grossunternehmen. Das ist doch ein Wider­
spruch.
Luigi Zingales: Nein, nicht unbedingt. Es gibt einen
natürlichen Gegensatz zwischen der Marktordnung
und den unmittelbaren Interessen der Unternehmer. Ein Unternehmer ist für offene Märkte, wenn
er sein Geschäft lanciert und Zugang sucht zu einem
Markt. Sobald er sich aber etabliert hat, ist es für ihn
von Vorteil, wenn der Marktzutritt der Konkurrenz
behindert wird.
Ein Unternehmer kann sein «Monopol»
verteidigen, indem er innovativ bleibt und
so die Konkurrenz auf Distanz hält.
Wenn ein Unternehmen seine Konkurrenten vom
Markt fernhält, indem es seinen Technologievorsprung verteidigt, ist das legitim und gesamtwirtschaftlich sehr nützlich. Es gibt aber auch andere
Optionen: Wenn ein Unternehmen seine Position
verteidigt, indem es die Regierung dazu bringt,
durch Regulierungen den Marktzugang der anderen zu behindern, ist das schädlich und gegen das
Prinzip der freien Konkurrenz. Oftmals sind Ge­
setze, die Regierungen «im Interesse der Wirtschaft» er­lassen haben, in Tat und Wahrheit marktfeindlich. Sie dienen lediglich dazu, bestimmten
Firmen auf Kosten der Konkurrenz einen Vorteil
zu verschaffen.
Unternehmen sind also immer der Versuchung
ausgesetzt, sich eine künstliche Monopol­
stellung zu verschaffen und die Konkurrenz
zu behindern?
Unbestreitbar. In der Chicago-Schule, der ich an­
gehöre, war man lange der Ansicht, es sei zwecklos,
mit Anti-Kartellgesetzen gegen die Monopolbildung vorzugehen. Man fürchtete, dass Anti-Kartellgesetze politisch missbraucht werden können,
was sicher nicht falsch ist. Jedes Gesetz kann politisch missbraucht werden. Heute sehen wir jedoch,
dass wir einen zu hohen Preis bezahlen, wenn wir
gegen Kartelle nicht gesetzlich vorgehen. Marktwirtschaft funktioniert genau dann, wenn sie Konkurrenz erzeugt. Märkte ohne Konkurrenz dagegen
nützen nur denjenigen, die sie kontrollieren — und
richten ansonsten immensen Schaden an.
In den USA gibt es seit 1890 den sogenannten
Sherman Antitrust Act, also ein Anti-Kartell­
gesetz gegen Monopole und Trusts.
Noch wichtiger als der Sherman Act war Präsident
Roosevelt, der 1906 den politischen Mut aufbrachte,
gegen Rockefeller vorzugehen und dessen Ölmonopol zu zerschlagen. Das war ein Gründungsakt
des modernen amerikanischen Kapitalismus. Roosevelt war Republikaner und gewiss kein Feind der
Wirtschaft. Das Genie des amerikanischen Kapitalismus besteht darin, dass in der amerikanischen
Be­völkerung zwei Überzeugungen tief verwurzelt
sind: Einerseits glaubt man an Gewerbefreiheit und
den freien Markt. Andererseits misstraut man dem
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Warnt vor Wirtschaftsmonopolen: Luigi Zingales,
Professor an der Chicago Booth School of Business,
einem der wichtigsten Zentren neoliberaler Wirt­
schaftswissenschaft.
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BILD : DAN DRY
Big Business. Die allgemeine Marktfreundlichkeit
und die Antitrust-Gesetze erzeugten ein gutes
Gleichgewicht. Heute ist dieses Gleichgewicht allerdings bedroht.
Woran denken Sie?
Zunächst natürlich an die viel zu grosse Konzentration von Macht in der Finanzwirtschaft. Ich denke
dabei nicht nur an Marktmacht, sondern auch an
politische Macht. In der Regel ist die Kartelldiskussion zu sehr auf den rein ökonomischen Aspekt konzentriert. Es wird analysiert, ob eine Fusion Effizienzgewinne bringt, ob auf Konsumenten- und
Pro­duzentenseite ein Mehrwert entsteht. Die Frage,
ob Megabanken auch deshalb problematisch sind,
weil sie die Möglichkeit erlangen, selber die Banken­
regulierung zu diktieren, wird zu wenig diskutiert.
Dabei gründete auch historisch die Antitrust-Gesetzgebung weniger auf ökonomischen als auf politischen Argumenten. Man hatte Angst, dass das Big
Business zu viel Einfluss im Staat erringt und un­
kontrollierbar wird.
Wenn das Problem darin liegt, dass die
Grossbanken zu viel politischen Einfluss
haben und zu viel Protektion geniessen
— worauf soll dann die Gegenmacht gegen
diese Entwicklung gründen?
Die amerikanische Geschichte ist diesbezüglich
aufschlussreich. Die Antitrust-Politik wurde zwar
von Roosevelt durchgesetzt, aber er wäre kaum dazu
imstande gewesen, wenn es im späten neunzehnten Jahrhundert nicht die sehr verbreitete Bewegung
der sogenannten amerikanischen «Volkspartei» ge­
geben hätte. Die Volkspartei war eine populistische
Bewegung. Es ist ihr nie gelungen, eine Präsidentschaftswahl zu gewinnen, aber sie hatte grossen Ein­
fluss auf die Agenda Roosevelts. Deshalb glaube ich,
dass wir auch heute wieder einen «guten Populismus» brauchen, um die überproportionale Macht
der Wirtschaftseliten auszugleichen.
Glauben Sie im Ernst, dass die Tradition
eines marktliberalen Populismus in den USA
reaktiviert werden kann? Wenn man sich
die Tea Party anschaut — sie brilliert ja nicht
durch wirtschaftspolitische Vernunft.
Da mögen Sie recht haben, aber ich bin trotzdem
optimistisch. Auch was die Bewegung Occupy Wall
Street betrifft, die viel gemeinsam hat mit der Tea
Party. Beide Bewegungen treten an gegen einen
übermächtigen Leviathan. Die Tea Party glaubt,
dieser Leviathan sei die übermächtige Regierung
mit ihrem stets wachsenden Budget. Occupy Wall
Street glaubt, die Gefahr seien die übermächtigen
Konzerne. Im Grunde sind das aber zwei Seiten
derselben Medaille, denn das eigentliche Problem
liegt darin, dass die mächtige Regierung zu den
mächtigen Konzernen eine inzestuöse Beziehung
unterhält. Grosse Konzerne sind nicht per se ein
Übel, solange sie nicht ihre politische Macht ausnutzen, um den Markt zu beherrschen. Und grosse
Regierungen sind auch nicht notwendigerweise
schädlich, solange sie nicht die Wirtschaftsfreiheit
beschneiden.
Sie reden, als wären die rechte und die linke
Systemkritik fast austauschbar. Doch die
politische Landschaft in den USA war noch
nie so polarisiert wie heute.
Das behaupten alle Kommentatoren, und auf den
ersten Blick stimmt es auch. Es wird heute so heftig gestritten in Washington wie kaum je — um das
Budget, die Steuern, die Krankenversicherung. Im
Grunde aber sind das beinahe Nebenschauplätze,
auf denen nur deshalb so blutig gekämpft wird, weil
Demokraten und Republikaner beweisen wollen,
dass sie sich noch voneinander unterscheiden. Beide
Parteien betreiben aber weitgehend dieselbe Wirtschaftspolitik. Sowohl die Demokraten als auch die
Republikaner sind dermassen abhängig vom Sponsoring durch das Wirtschaftsestablishment, dass sie
wenig Manövrierraum haben, um eine unterschiedliche Politik zu betreiben. Das beste Beispiel ist der
Bailout der Banken in der Finanzkrise. Er wurde
in die Wege geleitet von der Bush-Administration
und ohne den geringsten Strategiewechsel weitergeführt von Barack Obama und dessen Finanzminister Timothy Geithner. Natürlich hat Obama
mehr Sympathien für die Gewerkschaften als Bush,
und dieser hatte dafür mehr Freunde in der
Ölindustrie. Ein grundsätzlicher Wandel in der
Haltung ge­genüber dem Big Business hat jedoch
sicher nicht stattgefunden.
Und deshalb erleben jetzt populistische
Protestbewegungen eine Renaissance?
Die Tea Party ist eine Revolte gegen das Establishment, und die republikanische Parteielite hat panische Angst vor ihr. Natürlich sind die Tea-PartyLeader, die sich bisher profilieren konnten, ein
seltsames Sammelsurium von Freaks und Borderline-Typen. Aber exzentrisches Personal gehört zu
allen populistischen Bewegungen.
Sie klingen, als ob das ein Naturgesetz wäre.
Bis zu einem gewissen Grad ist es das. Populistische
Bewegungen werden dann dynamisch und mächtig, wenn sie eine richtige Idee aufgreifen, welche
die Geschäftsgrundlage des Establishments infrage
stellt und die deshalb von den etablierten Parteien
niemand aufgreifen will. Erfolgreiche populistische
Politiker müssen dieselben Talente besitzen wie
normale Politiker. Zusätzlich müssen sie aber auch
noch den Willen mitbringen, sich mit der gesellschaftlichen Elite anzulegen, obwohl sie sicherlich
komfortable Karrieren machen könnten, wenn sie
sich einreihen würden. Auf so etwas lassen sich in
der Regel nur Leute mit einer angeknacksten Persönlichkeit ein. Es gibt eine Art von natürlicher
Selektion, die dazu führt, dass populistische Bewegungen in der Regel von Borderline-Charakteren
angeführt werden.
Sie glauben aber, dass die Tea Party im Kern
ein richtiges Anliegen vertritt.
Das ist einer der Gründe, weshalb ich mein Buch
geschrieben habe. Die Tea-Party-Bewegung gründet, wenigstens teilweise, auf einer legitimen Wut
der Bürger. Nun kommt es darauf an, diese Wut in
die richtige Richtung zu kanalisieren.
Das könnte auch schiefgehen.
Sicher. Ein gutes Beispiel für eine populistische Be­
wegung, die ursprünglich vernünftige Anliegen
hatte, aber entgleist ist, bildet die italienische Lega.
Als sie 1992 gegründet wurde, richtete sie sich gegen
die Transferunion mit Süditalien und die Bürokratie des römischen Zentralstaates, zwei völlig legitime Anliegen, wie man auch schon vor der italienischen Schuldenkrise wissen musste. Die Lega
hätte die Partei der marktliberalen Reformen werden können. Stattdessen bestimmen heute Rassismus, Protektionismus und regionalistische Folklore
ihr Programm.
Was steht denn im Zentrum Ihrer Vision
eines fairen Kapitalismus?
Die heutige Vertrauenskrise wurde ausgelöst vom
Finanzsektor, und natürlich ist eine neue Regulierung des Finanzsektors am dringendsten. Die Art
und Weise, wie der Banken-Bailout in den USA und
auch in anderen Ländern vollzogen wurde, war un­
gerecht und schädlich. Die Steuerzahler mussten
geradestehen für Aktionäre und Kreditgeber der
Grossbanken. Natürlich hatte man keine andere
Alternative, als die Banken zu retten. Man hätte den
Bailout jedoch so gestalten sollen, dass nicht nur
die Aktionäre ihr Kapital verlieren, sondern dass
auch die Gläubiger der Banken bestraft werden.
Die Re­gierung hat solche Massnahmen allerdings
tunlichst vermieden, weil die Wall Street ihre Interessen durchzusetzen wusste.
Sie haben 2008 ein eigenes Modell der
Bankenrettung vorgeschlagen.
Am wichtigsten ist für Sie, dass die Kredit­
geber einer Bank bei einer Pleite nicht un­­
geschoren davonkommen.
D A S M A G A Z I N 2 9/2 0 1 2
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Das ist zentral. Systemrelevante Banken geniessen
eine staatliche Bailout-Garantie und kommen deshalb viel zu billig an Geld. Diese Kreditverbilligung
ist wirtschaftlich schädlich. Erstens stellt sie eine
Sub­vention des Bankensektors dar, aus der sich mindestens teilweise die überhöhten Löhne in der
Finanzbranche erklären. Wie alle Subventionen
führt sie zu Marktverzerrungen und Ineffizienz.
Zweitens macht die Bailout-Garantie die Kreditanalyse überflüssig. Wer die staatliche Garantie hat,
dass er sein Darlehen zurückbekommt, muss sich
nicht mehr darum kümmern, wo er sein Geld investiert. Die Kreditgeber müssen zur Kasse gebeten
werden, wenn eine Bank insolvent wird.
Seit der Finanzkrise hat es doch Verbesse­
rungen gegeben. In der neuen Schweizer
Grossbankenregulierung etwa müssen Kre­
ditgeber jetzt verstärkt haften.
«Häufig sind Gesetze ‹im Interesse der Wirtschaft›
in Wahrheit marktfeindlich.»
Das ist erfreulich. Als ich im Herbst 2008 den Vorschlag machte, dass die Gläubiger an der Bankenrettung beteiligt werden müssen, löste das einen
Auf­schrei aus. Die Leute hielten mich für verrückt.
Jetzt werden solche Schuldtitel von einer Bank wie
der Credit Suisse am Markt platziert. In gewissen
Bereichen haben wir Fortschritte gemacht.
Sie sprechen sich auch für eine Trennung von
Investmentbanking und Geschäftsbanken
aus, das heisst, Sie plädieren für eine Wieder­
einführung des Glass-Steagall-Gesetzes.
Ich glaube, dies ist die einzig praktikable Lösung — auch wenn mein Instinkt vor einem so starken
Markteingriff eigentlich zurückschreckt und auch
wenn es rein theoretisch nicht die optimale Lösung
ist. Aber Regulierungen müssen durchsetzbar sein.
Das funktioniert nur, wenn sie klar und einfach
ausgestaltet sind. Das wäre der Vorteil, wenn man
die Investmentbanken abspalten würde: Es wäre
einfach und sehr wirkungsvoll.
Sie betonen die demokratischen
Tugenden der Marktwirtschaft. Was sagen
Sie zur Aktionärsdemokratie?
Das ist eine grosse Baustelle. Es sind prinzipielle
Reformen des Aktienrechtes nötig. Heutige Verwaltungsratswahlen sehen meist aus wie Parlamentswahlen in der alten Sowjetunion: Pro Sitz gibts genau
einen Kandidaten. Verwaltungsräte sind de facto
weniger den Interessen der Aktionäre verpflichtet als den Interessen der CEOs, die sie theoretisch
beaufsichtigen sollten. Es hat sich ein wu­cherndes
Ökosystem hochbezahlter Mandatsträger gebildet,
deren reale Nützlichkeit gegen null tendiert. Ich bin
für die Einführung einer Quote von Verwaltungsräten, für die nur Aktionäre vorschlagsberechtigt
sind. So könnte ein Markt wirklich unabhängiger
Verwaltungsräte entstehen, die effektiv die Aktionäre vertreten und der Geschäftsleitung gegenüber
ihre Aufsichtsfunktion tatsächlich kritisch ausüben.
In Ihrem Buch analysieren Sie eine funda­
mentale Fehlentwicklung des amerika­
nischen Kapitalismus: die immer grösseren
Einkommensunterschiede.
Das ist ein grosses Problem. Zwischen 1945 und
1973 entwickelten sich die Arbeiterlöhne in den USA
etwa im Gleichschritt mit der Arbeitsproduktivität.
Dann fangen die beiden Kurven an auseinanderzulaufen. Die Produktivität steigt weiter an, aber
die Reallöhne stagnieren praktisch. Das stellt eine
ernsthafte politische Herausforderung dar für eine
Demokratie.
Bisher war die Kritik an den Einkommens­
unterschieden vor allem von linken Ökono­
men wie Joseph Stiglitz zu hören.
Es geht zunächst darum, die Tatsache festzustellen,
dass die Unterschiede stark zugenommen haben.
Wer die Daten seriös anschaut, kann das nicht
bestreiten. Es hat auch keinen Zweck, so zu tun,
als schaffe die wachsende Ungleichheit keine Probleme. Allerdings bin ich mit Stiglitz nur in der
Diagnose einig, nicht in der Methode der Therapie.
Aus meiner Sicht ist Hauptgrund für die zu­nehmende Ungleichheit die Globalisierung. Die können und dürfen wir nicht rückgängig machen. Ein
Land, das in den Protektionismus flüchtet, würde
dafür einen zu hohen Preis bezahlen.
Und wie soll der bedrängten Mittelschicht
geholfen werden?
Wir können nicht mit einem Zaubertrick in die
Sechzigerjahre zurückkehren. Damals herrschten
die westlichen Wohlfahrtsstaaten konkurrenzfrei
über die Weltwirtschaft. Das ist vorbei. Wir können
aber Massnahmen ergreifen, um das Los der Mittel- und Unterschicht zu verbessern.
Was liesse sich tun?
Ein weiteres zentrales Feld sind die Gesundheitskosten in den USA und vielen anderen westlichen
Ländern. Sie müssen unbedingt unter Kontrolle ge­
en
Die besten Seit
rs
des Somme
bracht werden, da sie extrem hoch sind, schneller
wachsen als die Wirtschaftsleistung und einen
immer grösseren Teil der Einkommen der Mittelschicht aufzehren. Der Kampf für die Kaufkraft der
mittleren und unteren Einkommen muss auch ein
Kampf gegen die Gesundheitskosten sein.
Diese Vorschläge klingen vernünftig.
Aber werden sie ausreichen, um die Einkommensentwicklung wieder ins Gleich­
gewicht zu bringen?
Wahrscheinlich nicht. Aber was wir tun können, das
sollten wir auch tun. Es ist nun einmal so, dass die
westlichen Demokratien nicht mehr die globale De­
finitionsmacht darüber haben, wie die Einkommensverteilung auszusehen hat. Das macht es
schwieriger, unser Gesellschaftsmodell zu erhalten.
Müssten in den USA die Steuern für Reiche
erhöht werden?
Diese Frage wird heute sehr heftig diskutiert, aber
ich glaube, sie ist nicht entscheidend. Was wir vor
allem bräuchten, ist ein viel einfacheres Steuersystem mit einer viel breiteren Steuerbasis, ohne
Schlupflöcher und mit generell tieferen Steuersätzen. Ob dann insgesamt die Steuereinnahmen steigen sollen und wo die Spitzensteuersätze liegen sollen, darüber kann man diskutieren, aber viel wichtiger ist es, das System transparent, fair und einfach
zu gestalten. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir auf
alle Fälle eine progressive Besteuerung aufrecht­
erhalten sollten. Ich bin ein Gegner der Flat Tax.
Schon Adam Smith war für progressive Steuern.
Die Republikaner wehren sich mit Händen
und Füssen gegen Steuererhöhungen
zur Sanierung des US-Haushaltes. Ist das
vernünftig?
Ich glaube, dass der rechte Flügel der Republikaner heute zu obsessiv auf Steuersenkungen fixiert
ist. Natürlich ist das Anliegen richtig, mit Staatsmitteln möglichst haushälterisch umzugehen und
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die Ausgaben möglichst gering zu halten. Aber die
heutigen Republikaner gehen zu weit. Das Gegenmodell dazu ist Italien. Hier wurde auf jeden Finanzierungsengpass mit Steuererhöhungen reagiert.
Die Reaktion darauf war, dass die Bürger und die
Unternehmen die Steuern immer systematischer
hinterzogen haben. Aufgrund der heutigen Budgetkrise sollen nun die Steuern plötzlich tatsächlich
eingetrieben werden. Ich fürchte, das Land wird da­
durch an den Rand eines ökonomischen Kollapses
geraten. Das italienische Steuersystem war gar nie
darauf ausgelegt, tatsächlich umgesetzt zu werden.
«Ich plädiere für die Einführung einer
Quote von Verwaltungsräten, für die nur Aktionäre
vorschlagsberechtigt sind.»
2 1
Steht zu fürchten, dass Berlusconi mit
einer Kampagne gegen den Euro zurück
an die Macht will?
Sicherlich, das ist voraussehbar. Die italienischen
Wirtschaftseliten haben ein grosses Interesse daran,
sich vor der Konkurrenz im EU-Raum zu schützen.
Berlusconi ist nur das extremste Beispiel. Er hat
Italien über Jahrzehnte ausschliesslich in seinem
Eigeninteresse regiert und den Niedergang der
heimischen Wirtschaft achselzuckend hingenommen. Wenn der Heimmarkt wieder von der Regierung in Rom kontrolliert würde, hätten die lokalen
Eliten wieder alles unter Kontrolle — auch wenn
ein Euro-Ausstieg für die Entwicklung Italiens insgesamt sehr schädlich wäre. Ich glaube an die europäische Idee, aber die gemeinsame Währung kam
zu früh. Deshalb provoziert sie jetzt eine politische
Gegenreaktion, die gefährlich ist.
Der Euro wird auseinanderbrechen?
Damit muss man rechnen. Italien versucht jetzt zwar
den Haushalt zu sanieren und Reformen durchzuführen, aber die Reformen kommen wahrscheinlich zu spät, als dass sie die Glaubwürdigkeit wieder­
herstellen könnten. Ich hoffe allerdings, dass
Deutschland und die übrigen Nordländer den Euro
verlassen werden und dass die Südländer gemeinsam den Euro fortführen. Dann würde wenigstens
ein gewisses Mass an wirtschaftlicher Offenheit im
Süden erhalten bleiben.
1.–
CHF
In Ihrem Buch geben Sie viele Beispiele dafür,
wie mächtige Firmen die Regierung mani­
pulieren, um sich Vorteile zu verschaffen. Am
weitaus aktivsten sind demnach in diesem
Geschäftsfeld die Finanz- und die Pharma­
industrie. Für einen Schweizer ist das depri­
mierend.
Wieso? Die Schweizer sind doch ein sehr marktwirtschaftlich orientiertes Volk.
Wir haben aber eine sehr grosse Banken- und
eine sehr grosse Pharmaindustrie, die über
entsprechend grosse politische Macht verfügen.
Ein Beispiel: Die Pharma hat verhindert,
dass patentgeschützte Medikamente aus dem
Ausland in die Schweiz eingeführt werden
dürfen. Obwohl es eine protektionistische
Massnahme ist, haben die «wirtschafts­
freundlichen» Parteien das Verbot der Paral­
lelimporte durchgesetzt.
Aber der Schweizer Markt ist doch so klein, dass
er praktisch irrelevant sein muss für die Schweizer
Pharmafirmen. Das ergibt keinen Sinn.
Ich versichere Ihnen: Parallelimporte sind in
der Schweiz verboten.
Dann ist dies ein perfektes Beispiel für die Fehlentwicklungen, welche die freie Marktwirtschaft be­
drohen. Ungerechtfertigte Privilegien für Grossfirmen, die faire Konkurrenz verhindern, sind eine
Steilvorlage für alle politischen Kräfte, die die
Marktwirtschaft als solche bekämpfen. Der Kapitalismus insgesamt wird dadurch in seiner Glaubwürdigkeit beschädigt. Solches Verhalten erzeugt
genau den Backlash, den wir heute überall beobachten.
•
«A Capitalism for the People. Recapturing the Lost Genius
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