Kolloquium Literatur und Schule, 20.01.2004 Maja Hjertzell

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Kolloquium Literatur und Schule, 20.01.2004 Maja Hjertzell
Kolloquium Literatur und Schule, 20.01.2004
Maja Hjertzell: Preiselbeersommer mit Oskar. Hamburg: Carlsen, 2003. € 7.90
Im Anschluss an die Vorleserunde sind die Äußerungen im Blitzlicht wohlwollend: eine
Sommergeschichte, nett, leicht, unbeschwert. Ein Buch, gegen das man nur schwer etwas
Böses sagen könne; vielleicht sei es ein bisschen pädagogisch.
Josefin, 10 Jahre alt, lebt bei ihrem Vater, einem alleinerziehenden Busfahrer. Sie hat guten
Kontakt zu dessen Freunden, einem alternativen, kinderlosen Paar. Als die Sommerferien
beginnen, geht es Josefin nicht besonders gut. Ihre ehemals beste Freundin Janna hat sich mit
Klara angefreundet; Josefin fühlt sich alleingelassen. Sie fürchtet schon, die Ferien alleine zu
Hause verbringen zu müssen, als der etwa gleichaltrige Oskar auftaucht. Er verbringt die
Sommerferien bei seiner Großmutter Signe. Josefin und Oskar verstehen sich gut. Oskar hat
nur ein Problem, er ist ausgesprochen schüchtern und wagt sich kaum, mit fremden Menschen
zu sprechen. Das muss sich natürlich ändern, überlegt Josefin, und denkt sich eine Reihe
Mutproben für ihn aus.
Uns schien die Kindheit einer Mittelschichtfamilie in diesem Text ganz gut eingefangen. Die
Themen Freundschaft und Ängste, auch die kleine Liebesgeschichte zwischen Josefin und
Oskar, sind gut getroffen und vor allem gut beobachtet. Die Erwachsenen in diesem Text sind
den Kindern zugewandt. Probleme bleiben nicht außen vor - Scheidung etwa – aber unter der
Last von Problemen oder offenen Fragen bricht hier niemand zusammen, auch wenn es nicht
für alles eine Lösung gibt. Das Buch sei politisch korrekt, wird angemerkt, und wir waren
immer versucht ein „zu“ hinzuzufügen: zu korrekt, zu nett ... Das Buch zeige, wie Kindheit
formatiert sei, was auch für die Illustrationen gelte, die Konventionen folgten, wie sie sich
aktuell auf dem Kinderbuchmarkt durchgesetzt hätten. Das literarische Programm sei das des
Realismus. Sehr genau werde in dem Text beobachtet, die Dialoge seien gelungen, insgesamt
sei das Buch handwerklich wirklich gut gemacht. Wir fragten uns aber, weshalb Kinder das
lesen sollten. Es passiere wenig, dabei setze die Lektüre, dem realistischen Paradigma
folgend, bei den jungen LeserInnen viel voraus und der Text entwickle keinen Sog. Mädchen,
so wurde vermutet, würden sich wohl eher darauf einlassen als Jungen. Die Gratifikation
könne schon darin liegen, in eine Geschichte abzutauchen, in der man vieles kenne und
nachvollziehen könne, so ein Argument.
Unter motivationalen Aspekten hatten wir Schwierigkeiten, uns das Buch in der Schule
vorzustellen. In einer lesestarken Klasse, in der viel gelesen werde, könne man den Text
sicher anbieten. Zum Einführen in die realistische Literatur sei er geeignet, aber das sei eher
kein Gegenstand des Literaturunterrichts der Grundschule. Unter der Perspektive, dass ein
engagierter Literaturunterricht aktuell kaum mehr als die Lektüre von ein bis zwei kinderoder jugendliterarischen Texten im Schuljahr bedeute, wurde empfohlen, eher Texte zu
wählen, die mehr Gratifikationen zu bieten haben. Das spricht freilich weniger gegen das
Buch als vielmehr gegen eine unbefriedigende Praxis des Literaturunterrichts.
hw