Kleines ABC des filmischen Küssens Easy Tiger
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Kleines ABC des filmischen Küssens Easy Tiger
Kleines ABC des filmischen Küssens Easy Tiger, Tanz ins Glück und 510. M. ü. Meer - 3 Schweizer Kurzfilme, die Ende April am Pink Apple Filmfestival ins Rennen um den goldenen Apfel steigen. Die Fraz hat die Regisseurinnen und frischgeschlüpften HdKZ-Absolventinnen Kerstin Polte, Alkmini Boura und Barbara Seiler getroffen und wollte wissen, wie man einen lesbischen Kuss zwischen zwei Heteras denn nun am Besten inszeniert. blablaa Synopsis bitte! Was erwartet uns in den drei Wettbewerbsfilmen? Kerstin: Ok, Alkmini Boura, „Easy Tiger“: Ein Copyshop-Western, eine Begegnung in der Nacht zwischen zwei fremden Frauen. Eine sehr lange, schöne, liebevolle Nacht voller Möglichkeiten. Barbara: Eine Frau, mit griechischen Wurzeln, die in Zürich hängen geblieben ist und nicht so richtig weiss, was sie da macht. Kerstin: Viele kleine Geschichten, die sich um sie und den 24-h-Copyshop, in dem sie arbeitet, spinnen. Barbara: Da kommen immer ganz komische Leute rein... Kerstin: ...reale poetische Figuren. Und eine geheimnisvolle Frau, die aus dem Nichts auftaucht, die sie... – öhm, das darf man eigentlich nicht verraten. Am nächsten Morgen ist etwas anders... Barbara: Und ein Mann ist wütend. „510 Meter über dem Meer“? Alkmini: Ein Film von Kerstin Polte. Ein Flughafen. Ein Transit-Ort, wo man sich aufhält, um schnell wieder weg zu fahren. Aber eine Frau bleibt hängen. Barbara: Der tote Vater spielt eine grosse Rolle. Und eine andere Frau kommt dazu, die da auch hängen geblieben ist... die irgendwie im Flughafen wohnt. Es ist eine Annäherung von zwei Frauen in einer Nacht und dabei spielt dann noch eine Krabbe eine grosse Rolle und wie sie da hingekommen ist. Es gibt dieses wunderschöne Bild in einer Art Aussichts-Kuppel neben dem Rollfeld und da sind die beiden bei Sonnenuntergang. Das ist sehr poetisch. Ein schöner Film... Alkmini: ...der mit einem ganz guten Gefühl aufhört und der einem - ohne auszuweichen - offen lässt, wie man die Begegnung lesen möchte. Und zum Schluss Barbaras Film... Kerstin: „Tanz ins Glück“. Ein modernes Märchen. Alkmini: Sehr bunt mit viel Bewegung. Kerstin: Ein Tanzfilm mit zwei ganz unterschiedlichen Charakteren: die Putzfrau und die Chefin, die sich im Salsa-Kurs finden. Alkmini: Ein verspielter Film... Kerstin: ...mit starken Überhöhungen und klaren Pointen, mit einer expressiven Kameraführung und einer starken Farblichkeit. Man schaut gerne. 1/5 Alkmini: Feel good. Kerstin: Ein Bürogebäude, die eine bewohnt es tagsüber, die andere nachts. Normalerweise würden sie sich nie treffen, nie miteinander reden, sich nie küssen. Beide brechen aus ihren Welten aus. Ein wunderschönes Happyend mit einem sehr schönen Kuss (alle lachen) und einer allgemeinen Versöhnung: Arm und Reich, Börsenbrokerin und Putzfrau,... Alkmini: Kurz und Langhaarig Eure Kurzfilme laufen alle am Pink Apple. Sind sie typische Vertreter des schwullesbischen Genres? Alkmini: Für mich war es wichtig, keine Coming-out-Story zu machen, denn das wurde schon genug erzählt. Ich wollte eine lesbische Liebe als selbstverständlich darstellen. Kerstin: Auch bei mir geht es um etwas, was ich als normal erachte: um die Menschen, um gegensätzliche Menschen, die sich finden. In meinen Filmen werden noch viele Frauen Frauen lieben, aber es wird deswegen kein Hauptthema sein. Toll ist, dass mein Film sowohl an Homowie an Hetero-Festivals gezeigt wird. Ich finde die herkömmlichen Abgrenzungen schwierig und die Öffnung von beiden Seiten gut. Barbara: Mein Film ist da schon eindeutiger und läuft vor allem an den schwullesbischen Festivals. Allerdings habe ich ihn hauptsächlich dort hingeschickt, weil sich das anbot. Trotzdem steht auch bei mir nicht nur das Lesbischsein im Zentrum. Es geht um Klassenunterschiede, um den kleinen Klassenkampf zwischen den Putzfrauen und der Chefin. Ok, ihr macht die lesbische Beziehung nicht zum Hauptthema, trotzdem finden in allen Filmen zwei Frauen zusammen. Was hat euch zu dieser Darstellung motiviert? Barbara: Mir war es wichtig, dass zwei Frauen die Hauptrollen spielen. Wenn ich als Regisseurin schon einen Film machen kann, dann will ich nicht eine heterosexuelle Paarsituation abbilden, die mich nicht so interessiert. Zudem habe ich mich schon lange gefragt, wieso es im Märchen keine Prinzessin gibt, die das Aschenputtel küsst und auf das weisse Ross hebt. Kerstin: Das ist ja auch die Chance, die wir jetzt als Regisseurinnen haben: wir können ein anderes Frauenbild und Beziehungsmuster prägen. Das ist unser Privileg und unsere Aufgabe. Deswegen finde ich es schön, dass mein Film auch auf Hetero-Festivals läuft. Ihr bildet also ein Stück eurer eigenen Realität ab. Ist das etwas, was ihr in der Filmgeschichte vermisst? Alkmini: Meinen kleinen Auftrag für die Filmgeschichte, sehe ich darin, etwas Neues zu erzählen oder auszuprobieren. Kathrin: Ich denke, alle grossen Filmemachenden haben immer sehr persönlich erzählt. Es ist wohl eine Frage der Epoche, des Landes, der Zeit, des Alters, was zum Thema wird. Daher gab es im schwullesbischen Bereich vor zwanzig Jahren noch ganz andere Themen als heute. Aber ich vermisse eigentlich nichts. Barbara: Ich kann mich schon an eine Zeit, so mit 18 erinnern, als lesbische Filme dünn gesät waren. Es gab vielleicht „Desert Hearts“ aber sonst... 2/5 Alkmini: Hallo, „Desert Hearts“ ist nicht der Film, mit dem wir aufgewachsen sind. Kerstin: Naja, du nicht. Alkmini: „Two Girls in Love“, „Aimée und Jaguar“, ich finde schon, dass wir mit reichlich Stoff aufgewachsen sind, oder nicht? Barbara: Du bist einfach ein bisschen jünger, würde ich sagen (alle lachen). 1990 gab es noch nicht viel. Das hat sich sehr geändert in den letzten zwanzig Jahren. Alkmini: Es sollte natürlich noch viel mehr geben. Barbara: Früher war es wichtiger, das Lesbischsein und die damit verbundenen Probleme abzubilden. Heute kann das nicht mehr einziges Thema sein. Kerstin: Wobei auf dem Festival in Südkorea so ein Film lief. Dort kamen bis vor drei Jahren auch noch Schwule ins Gefängnis, weshalb es eine ganz andere Prägnanz hat. Alkmini: Vielleicht sind wir etwas unpolitisch mit unseren Filmen. Kerstin und Barbara: Ja (alle schmunzeln). Kerstin: Das ist generell so im aktuellen Film hier: es geht eher um das Private, Persönliche als um das Politische. Barbara: Obwohl ich in meinem Film natürlich schon den Börsensturz voraus gesehen hab. Fallende Aktienkurse und hochschnellende Liebesbarometer... Wie lief es eigentlich mit den Schauspielerinnen und diesen Liebesgeschichten, gab es da Schwierigkeiten? Alkmini: Bei Easy Tiger war es so, dass die beiden Schauspielerinnen Mühe hatten, sich zu küssen. Beides sind Theaterfrauen, die auch nackt auf der Bühne stehen. Aber beim Kuss gab es eine Befangenheit, die ich nicht erwartet hatte. Keine Ahnung, ob es damit zusammenhing, dass die beiden Hetis sind – ich glaube eigentlich nicht. Doch der Kuss wurde nicht so toll und dann haben wir halt einen Fast-Kuss daraus gemacht. Das hat mehr Spannung, als wenn sie sich küssen und es nicht wirklich leidenschaftlich aussieht. Kathrin: Bei mir war es schwierig, weil sich die zwei Schauspielerinnen nicht besonders gut leiden konnten. Ich hatte vor dem Dreh offen gelassen, was mit den Figuren genau passiert, wollte Raum für Improvisation geben. Ein Kuss war für mich denk- und wünschbar, hätte aber mit diesen zwei Darstellerinnen nie funktioniert. Barbara: Meine beiden Schauspielerinnen waren auch hetero. Die eine war gerade Mutter geworden und wir haben das Kind sogar zum Salsa-Unterricht mitgenommen. Die Kuss-Szene wurde am letzten Tag aufgenommen, da kannten sich die Darstellerinnen schon recht gut. Ich hab mich total auf die Szene gefreut und wir haben sie ganz oft gedreht. Nicht, weil sie schlecht, sondern weil es so schön war. Ich dachte einfach: jetzt machen wir es grad noch mal und noch mal. K: Wir sind ganz neidisch auf deinen Kuss, Barbara! Stichwort Filmemacherinnen: Ist ja immer noch nicht so der Frauenberuf, oder? Barbara: Ich glaube, es gibt viel mehr Filmstudentinnen. Alkmini: Also bei uns war das Verhältnis 3: 8 für die Männer. Barbara: Aber die Zukunft ist weiblich: 80 % der für den Oscar nominierten Kurzfilme sind von Frauen. 3/5 Kerstin: Die Quote der Frauen, die als Regisseurinnen arbeiten, ist immer noch sehr tief. Es werden vielleicht mehr ausgebildet, aber sie müssen stärker kämpfen, um zu bestehen. Deshalb glaube ich, dass die Qualität der Filme von Frauen höher ist, weil die sich mehr Druck machen und perfekte Arbeiten liefern wollen. Alkmini: Im technischen Bereich sind es auch viel weniger Frauen. Barbara: Kamerafrauen etwa. Eine Kamera rumzuschleppen ist körperlich anstrengend und wenn du die Kilos nicht tragen kannst, wirst du das kein Jahr machen. Ein Grund ist sicher auch, dass es ein enorm technischer Beruf ist. Ja, jetzt kommt das blöde Klischee: Buben interessieren sich für Autos und Mädchen für Puppen. Scheint aber tatsächlich so zu sein. Haben es Männer denn leichter, sich an der Spitze – als Regisseure und Projektverantwortliche – zu behaupten? Kerstin: Das hängt auch mit der Erziehung zusammen. Sie haben weniger Zweifel und weniger Schwierigkeiten den Chef vor vierzig Leuten zu markieren. Barbara: Das ist echt schwierig, sich vor eine Crew hinzustellen, sie dort hinzuführen, wo man den Film haben will. Ich bin eher konfliktscheu, die Vorstellung, mir auf einem Set Feinde zu machen, wenn wir noch zehn Tage zusammen drehen müssen... Kerstin: Wir tun mehr für unser Team. Wenn da Disharmonie herrscht, kriege ich quere Eierstöcke, dann kann ich gar nichts mehr. Alkmini: Ich habe aber das Gefühl, dass Männer und Frauen gleich bereit sind, unter einer Regisseurin zu arbeiten. Auch gestandene machomässige Oberbeleuchter, die schon mal einen Spruch loslassen. Wahrscheinlich machen sich Frauen mehr Gedanken, was hinter ihrem Rücken gesagt wird, da haben Männer schon eine Lockerheit, da gebe ich Kerstin Recht. Kerstin: Frauen spüren manchmal mehr, das kann definitiv ein Vorteil sein. Alkmini: Aber auch ein Nachteil. Wenn jemandem der Eierstock quer steht, kommt das ganze Team nicht weiter. Barbara: Es fängt ja eigentlich viel früher an, nämlich dort, wo man sagt: Ich werde Regisseurin. Zu dem Punkt kommen Mädchen meist gar nicht. Ich selbst habe es mir lange nicht zugetraut. Das hat schon viel mit Vorbildern zu tun. Wenn du die Geschichte anschaust, dann fallen dir viele männliche Regisseure ein, aber kaum weibliche. Kerstin: Es gibt eine einzige Frau, die im Buch „Hundert berühmteste Regisseure“ aufgeführt ist: Agnès Varda, voilà. Und Schlusswort bitte! Alkmini: Kerstin und ich machen zusammen den Trailer für’s Pink Apple. Er wird bunt und lustig. Kerstin: Eigentlich ein Trailer und zwei Teaser, die in unterschiedlichen Programmen laufen werden. Es lohnt sich daher in mehrere Filme zu gehen, am besten in alle und natürlich in die Kurzfilme. Was man schon verraten kann: Miss Dragqueen Schweiz – „Jazzmin“ – ist ein extremer Knüller. Und die Orgasmusszene auch. Werdet ihr am Pink Apple eure Filme persönlich vorstellen? 4/5 Alle: Aber klar, auf jeden Fall! Kerstin: Und danach sind wir immer an der Bar zu finden... Alkmini: ...und trinken gern Gin-Tonic. 5/5