Kolde Hans-Jürgen: Biomarker der Artherosklerose

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Kolde Hans-Jürgen: Biomarker der Artherosklerose
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Koronare Herzkrankheit
Biomarker der Atherosklerose
Dr. Hans-Jürgen Kolde promovierte nach dem Studium der Lebensmittelchemie an der LMU
München in Biochemie und war danach bei verschiedenen internationalen Firmen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Scientific Affairs, Marketing und Geschäftsleitung tätig.
Seine thematischen Schwerpunkte bilden Hämostase, Immundiagnostik und Immunhämatologie. Er publizierte in verschiedenen internationalen Fachzeitschriften und verfasste Bücher über
Hämostase. Seit 2013 ist er Mitglied der Redaktion von Trillium-Diagnostik.
In westlichen Ländern ist die Atherosklerose („Arterienverkalkung“) mit ihren Folgeerscheinungen für
rund die Hälfte aller Todesfälle verantwortlich. Auslöser sind unterschiedliche Noxen, die eine chronische
Entzündung der Arterieninnenwand (Endothel) bewirken, gefolgt von einer Vielzahl reaktiver Prozesse, die
letztlich zur Verhärtung und zum Verschluss des Gefäßes führen. Reichhaltig wie die Pathomechanismen
ist auch die Palette der Biomarker, mit denen dieser Prozess verfolgt und klinisch bewertet werden kann.
Viele befinden sich allerdings noch im Erprobungsstadium.
Arteriosklerose ist ein Sammelbegriff für meist chronisch degenerative Erkrankungen der Arterien. Atherosklerose (AS), oft synonym
gebraucht, beschreibt den Krankheitsverlauf durch Schädigung,
Lipideinlagerungen und degenerative Veränderungen in den Wänden der großen und mittleren Arterien. Die WHO definiert AS als
„variable Kombination von Veränderungen der Intima, bestehend
aus einer herdförmigen Ansammlung von Fettsubstanzen, komplexen Kohlenhydraten, Blut und Blutbestandteilen, Bindegewebe und
Kalziumablagerungen, verbunden mit Veränderungen der Arterienmedia“. Wesentliche Mechanismen sind schon lange bekannt,
aber es hat in den letzten Jahren viele neue Ergebnisse gegeben,
die Diagnostik und Therapie verändern können. Wichtige Risikofaktoren der AS sind Bewegungsmangel, Rauchen, Bluthochdruck,
Diabetes mellitus und Ernährung. Durch eigenes Verhalten ist das
Risiko zwar beeinflussbar, doch auch genetische Gründe spielen
eine Rolle. Siehe Winston Churchill: Raucher, „no sports“, und
trotzdem 90 Jahre alt geworden. Aber das ist eher die Ausnahme.
Endothel: Ein wenig bekanntes Organ
Endothelzellen kleiden luminal alle Blutgefäße aus. Sie bilden
nicht nur eine schützende Barriere zwischen Gefäßwand und zirkulierendem Blut, sondern synthetisieren viele wichtige Biomoleküle
wie Wachstumsfaktoren, Chemokine (chemotaktische Proteine),
Angiogenese fördernde Wachstumsfaktoren, zellständige Adhäsionsmoleküle für Leukozyten (VCAM-1/ CD106, E-selectin/ CD62E),
Proteoglykane, von Willebrand Faktor (VWF), Gewebe-Plasminogen- Aktivator (t-PA), dessen Inhibitor (PAI-1), Vasokonstriktoren
(Angiotensin II, Endothelin, Thromboxan A2) sowie die Vasodila-
tatoren Stickstoffmonoxid (NO) und Prostazyklin. NO moduliert
die Adhäsion und Aggregation der Thrombozyten, das Wachstum
von glatten Muskelzellen sowie die Adhäsion und Infiltration von
Leukozyten und Monozyten.
Schädigung des Endothels
Durch Schädigung von Endothelzellen (response to injury) beginnt der Prozess der AS. Ursachen dafür sind Verletzungen durch
das Strömungsverhalten des Blutes bei Hypertonie und oft hohem
Fibrinogenspiegel (erhöht die Viskosität des Bluts), Schädigungen
durch Nikotin und andere Substanzen aus Tabakrauch, Rußpartikel
(z. B. aus Dieselabgasen), Cholesterin, durch bakterielle Toxine,
Viren, Entzündungs- oder Autoimmunprozesse. Es kommt u. a.
durch Myeloperoxidase (MPO, s. u.) zu einer Abnahme der Bildung der dilatierenden und Thrombozytenaggregation hemmenden
gasförmigen Modulatoren NO und H2S. Die normalerweise geschlossene Endothelschicht wird durchlässig. Daran beteiligt ist
vermutlich auch das Enzym Heparanase, welches Proteoglykane
spaltet und auch die Gerinnung beschleunigen kann. Leukozyten
und Lipoproteine wie LDL und damit auch Cholesterin können in
den subendothelialen Raum einwandern. Bei Diabetes erzeugen
erhöhte Konzentrationen freier Fettsäuren oxidativen Stress. Apoptotische und inflammatorische Prozesse inhibieren die Wirkungen
von Insulin. Leukozyten lösen durch verschiedene Cytokine wie
TNF-α, IL-1, IL-6 eine inflammatorische Reaktion aus. Unter deren
Einfluss bildet das geschädigte Endothel verstärkt Adhäsivproteine, die zur Rekrutierung von Plättchen, T-Lymphozyten und
Monozyten führen.
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Aktivierung von Plättchen und Gerinnung
An der Oberfläche von geschädigtem Endothel sowie auf Monozyten kommt es zur Expression des Gerinnungsaktivators Tissue
Factor, der die Bildung von Thrombin induzieren kann. Thrombin
ist nicht nur dazu befähigt, Plättchen zu aktivieren, sondern auch
inflammatorische Prozesse im Endothel oder in Leukozyten auszulösen und damit das inflammatorische Geschehen weiter anzuheizen. Proteaseinhibitoren im Blut wie TFPI (Tissue Factor Pathway
Inhibitor) und Antithrombin können das nur begrenzt eindämmen.
Aktivierte Endothelzellen bilden verstärkt den
Fibrinolyse-Inhibitor PAI-1, während die Bildung
des Fibrinolyse-Aktivators t-PA unterdrückt wird.
Insgesamt führt das zu einer Verschiebung hin zu
einer gesteigerten Gerinnungsfähigkeit. Dieses wurde auch bei Patienten mit Antiphospholipidsyndrom
beobachtet, und es gibt Anzeichen, dass auch weitere
autoimmunologische Prozesse an der Entstehung
von AS beteiligt sind.
kristallinem Cholesterin, abgestorbenen Schaumzellen und Verkalkungen befindet. Das Gefäß stenosiert. Im finalen Stadium werden
die geschädigten Arterien brüchig und instabil. Es können sich Teile
ablösen und in die Blutbahn gelangen. Bindegewebe kann bei Verletzungen des Plaques mit VWF die Adhäsion und Aggregation von
Plättchen und Aktivierung der Gerinnung auslösen. Die Folge sind
dann Herzrhythmusstörungen, Verschlusserkrankungen wie Angina
pectoris, akuter Myokardinfarkt, Koronarinsuffizienz, plötzlicher
Herztod oder Schlaganfall.
Oxidationsvorgänge
Lipoproteine und andere Substanzen werden durch
reaktive Sauerstoffverbindung aus Granulozyten oxidiert. Auch die in Plaques gefundenen pathogenen
und Parodontose verursachenden Bakterien können
Lipoproteine oxidieren. MPO erzeugt reaktives Hypochlorit und aus dem dilatierenden NO reaktives
Nitrit, nachweisbar über sein Folgeprodukt Nitrotyrosin in Proteinen. Dieses oxidiert wahrscheinlich
die Mangan-Superoxiddismutase und hemmt somit
deren antioxidative Eigenschaften. MPO oxidiert ver- Die Atherosklerose steht im Zentrum verschiedener Pathomechanismen, die sich durch eine
mutlich auch das gefäßschützende H2S und reduziert Vielzahl von Biomarkern im peripheren Blut widerspiegeln.
dadurch lokal deren Konzentration. Oxidiertes LDL
erzeugt die Bildung von Autoantikörpern. Die entstehenden Immunkomplexe aktivieren das Komplementsys-tem. In Plaques finden Neuere Biomarker für Atherosklerose bei koronaren
sich daher auch erhöhte Konzentrationen des terminalen Komple- Herzerkrankungen
mentkomplexes C5b-9.
Risiko-Scores (z. B. PROCAM, TIMI-II, u. a.) zur Bestimmung
des individuellen Risikos sind alleine wenig zuverlässig. Labortests
Verfestigung und Sauerstoffmangel
mit geeigneten Biomarkern haben daher bei AS große Bedeutung,
Monozyten wandern in die subendotheliale Intima, differenzie- insbesondere zur Risikostratifizierung und Verlaufskontrolle bei
ren sich zu Makrophagen und wandeln sich durch Aufnahme von bereits bestehender oder drohender KHK, und zum Therapiemonitooxidiertem LDL und freien Fettsäuren in Schaumzellen um. Diese ring bei Medikamenten wie z. B. Statinen. In den USA hat die FDA
produzieren Cytokine und Wachstumsfaktoren und lösen Wuche- C-reaktives Protein (CRP), Lipoprotein-assoziierte Phospholipase
rungen von glatten Muskelzellen und Makrophagen in die Intima A2 (Lp-PLA2) und Myeloperoxidase (MPO) zugelassen. Neben
aus. Es kommt zu Gewebeveränderungen, den für AS charakteris- traditionellen Parametern sind viele neue Marker u. a. aus den Betischen Plaques. Diese lagern Lipide und Mineralien ein, wachsen reichen Inflammation, Fettstoffwechsel, Gerinnung oder oxidativer
weiter und verengen die Gefäße, was sukzessive den Scherstress auf Stress dazu gekommen. Die folgende Auswahl ist subjektiv und
Zellen und Plasmaproteine erhöht. Dieses noch reversible Stadium erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die bekannten kardiin den Gefäßen wird Artheromatose genannt. Glatte Muskelzellen alen Marker (Troponin, BNP-Familie usw.) und flowzytometrische
verlieren durch Cytokine und Wachstumsfaktoren von Schaumzellen, Verfahren werden nicht besprochen.
Leukozyten und Zellen der Gefäßwand ihre Kontraktionsfähigkeit.
Sie synthetisieren verstärkt Bindegewebsproteine wie Kollagen und
CRP und auch andere Proteine des Komplementsystems werden
Elastin, die Schaumzellen und Lipide und die Muskelzellen selbst u. a. von arteriosklerotischen Plaques synthetisiert und freigesetzt.
einkapseln und die Elastizität der Arterie einschränken. Dieses wird Daher ist CRP direkt am arteriothrombotischen Prozess beteiligt.
aber noch nicht vom Patienten bemerkt.
Es hat sich als starker unabhängiger KHK-Risikofaktor erwiesen
und dient in der hochsensitiven (HS) Variante als Marker für Gabe
Brüchige Plaques: Der Weg zum Gefäßverschluss und das Ansprechen auf eine Statintherapie. Der CRP-Spiegel
Zunehmende Inflammation führt zur Apoptose und zum Abbau der korreliert eng mit der Plaquebelastung der Gefäße. Ein erhöhter
Matrix durch Proteasen wie z. B. Matrixmetalloproteasen (MMP). So CRP-Wert steigert das Risiko auf Schlaganfall und Herzinfarkt. Ein
kommt es zur Akkumulation von nekrotischem Material, steigendem Nachteil des CRP liegt darin, dass es unspezifisch bei systemischen
Sauerstoffbedarf und einer Minderversorgung mit Sauerstoff. Durch Entzündungen erhöht ist, z. B. bei Patienten mit Infektionen oder
angiogenetische Prozesse und Wachstumsfaktoren bilden sich aus chronisch entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis.
stimulierten Endothelzellen Mikrogefäße, die Plaques aber durch Auch die Bestimmung von IL-6, TNF-α und IL-18 hat eine gewisse
Hämorraghien eher destabilisieren. In der Arterie bildet sich eine Bedeutung bei AS.
bindegewebsreiche Kappe, unter der sich der Lipidkern mit z. T.
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Lp-PLA2 wird von verschiedenen Leukozyten gebildet. Zirkulierende Lp-PLA2 ist vorwiegend an kleinere LDL-Moleküle und
in Plaques an Makrophagen gebunden. Es setzt aus oxidiertem
LDL proinflammatorische Lipide frei, darunter freie Fettsäuren und
Lysophosphatidylcholin. Erhöhte Werte von Lp-PLA2 in Plaques
der Carotis begünstigen deren Ablösung und stehen im Zusammenhang mit dem Auftreten von Komplikationen. Lp-PLA2 ist ein
Marker für das KHK-Risiko sowie die Stabilität atherosklerotischer
Plaques und hilft, das individuelle Risiko zu stratifizieren, um ggf.
eine aggressivere Therapie zu wählen. Eine lipidsenkende Therapie
verringert Lp-PLA2, möglicherweise indirekt über die Absenkung
von LDL. Verschiedene Leitlinien, darunter auch die European
Guidelines on CVD Prevention in Clinical Practice der European
Society of Cardiology von 2012, empfehlen die Bestimmung von
Lp-PLA2. Lp-PLA2 ist auch ein therapeutisches Ziel. Der Inhibitor
Darapladib befindet sich z. Z. in einer Phase 3-Studie.
Myeloperoxidase (MPO), ein Enzym aus azurophilen Granula von neutrophilen Granulozyten und anderen Zellen, spielt bei
der Endothelschädigung eine wichtige Rolle, insbesondere auch
in Plaques. Stark oxidierende Hypochloritionen oxidieren auch
Cholesterin und LDL, was die Elimination von Cholesterin aus der
Zirkulation stört. Erhöhte Blutwerte von MPO bei Patienten mit
KHK gehen mit einer schlechten Prognose einher, insbesondere
auch bei simultaner chronischer obstruktiver Lungenerkrankung.
Der MPO-Spiegel korreliert mit dem Ausmaß der Endothelschädigung und kann möglicherweise das Risiko einer Plaqueruptur besser
als andere Biomarker wie Troponine anzeigen. Die Kombination
mit hsCRP scheint Vorteile bei der Risikostratifizierung zu bringen.
MPO ist aber kein spezifischer Marker der KHK. Als Bestandteil des
innaten Immunsystems kann MPO auch bei anderen Erkrankungen
und durch Heparingabe erhöht sein.
CD40 Ligand. CD40 ist ein Rezeptor auf der Oberfläche von
B-Lymphozyten, Makrophagen, dendritischen und Endothelzellen,
der u. a. durch IL-1 oder TNF-α stimuliert wird. Der Ligand von
CD40 ist CD 40L (sCD 40L, CD154). CD40 ist an der Aktivierung
von B-Lymphozyten und der Stimulierung der Cytokinproduktion
bei Makrophagen und dendritischen Zellen beteiligt. CD40 und
CD40L sind entscheidend an der Bildung und Ruptur von Plaques
involviert. CD40L im Blut stammt überwiegend von Plättchen. Es
fördert die Bildung von Plättchen-Leukozyten-Aggregaten, aktiviert Plättchen, stimuliert die Expression von Adhäsivproteinen
und TF auf Endothelzellen und beeinflusst dadurch die Plaquebildung. Erhöhte CD40L-Werte wirken proinflammatorisch und
prothrombotisch. Sie führen zu einer gesteigerten Bildung von
Aktivierungsmarkern von Gerinnung und Plättchen bei Patienten
mit Hypercholesterinämie. Statine oder auch eine Änderung des
Lebensstils können die Konzentration von CD40L sowie die von
CD40 in Plaques senken. Rauchen und erhöhte Konzentrationen
von oxLDL erhöhen die Konzentration von CD 40, CD40L und
die Zahl der Plättchen-Leukozyten-Aggregate. Erhöhte Spiegel
von CD40L findet man bei Patienten mit Diabetes, metabolischem
Syndrom und systemischem Hochdruck. Bei Diabetes korreliert
CD40L mit IL-6 und TF. Die Plasmaspiegel von CD40L sind höher
bei Patienten mit instabiler als bei stabiler Koronarerkrankung.
Sie zeigen auch ein gesteigertes Schlaganfallrisiko an und sind
prädiktiv für zukünftige kardiovaskuläre Ereignisse, unabhängig
vom Troponin-Spiegel, allerdings nicht in allen Studien.
P-Selectin (CD 62P) ist ein Adhäsionsmolekül, das von Endothelzellen und von Plättchen synthetisiert wird und bei Aktivierung
an die Oberfläche gelangt und daher in der Flowzytometrie zum
Nachweis der Thrombozytenaktivierung und zur Charakterisierung
von Mikropartikeln eingesetzt wird. Atherosklerotische Plaques sind
reich an p-Selectin. Die lösliche Form von P-Selectin ist ein Indikator einer erhöhten Thrombozytenaggregation. Man findet erhöhte
Spiegel bei verschiedenen kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen und bei Hypertension. Insgesamt sind aber die Selectine
oder andere Adhäsivproteine diagnostisch nur von begrenztem Wert.
Adiponectin (APN) ist ein hauptsächlich von Adipozyten, aber
auch durch Leber-oder Muskelzellen sezerniertes Peptidhormon mit
vielfältigen Wirkungen auf den Lipid- und Glukosestoffwechsel. Die
Spiegel von APN fallen bereits mehrere Jahre vor dem Auftreten von
Diabetes ab. Es gibt Indizien für die Bedeutung einer APN-Störung
bei Adipositas und oxidativem Stress. Entzündungshemmende und
antiatherogene Effekte von APN wurden beschrieben. APN inhibiert
die Proliferation von glatten Muskelzellen und die Bildung von
Schaumzellen, fördert die Bildung antiinflammatorischer Cytokine
wie IL-10 oder IL-1RA, und schützt vor atherosklerotischen Veränderungen der Gefäßwand. Studien zur Messung von APN-Spiegeln
liefern widersprüchliche Ergebnisse. Höhere APN-Spiegel sind nach
einer aktuellen Metanalyse assoziiert mit einem erhöhten Risiko
für Schlaganfall, nicht aber KHK. Sport, eine mediterrane Diät
und Gewichtsreduktion helfen, den APN-Spiegel zu verbessern.
Medikamente, die den Spiegel von APN beeinflussen sollen, sind
in der Entwicklung.
Leptin (LEP), ebenfalls ein Peptidhormon aus Adipozyten, ist
an der Steuerung von Hunger- und Sättigungsgefühl beteiligt. Mutationen von LEP bzw. im LEP-Rezeptor führen zu Fettleibigkeit
und anderen endokrinen Störungen. LEP spielt eine wichtige Rolle
in der Regulation von immunologischen und inflammatorischen
Prozessen. Erhöhte Spiegel von LEP findet man bei Adipositas, wobei allerdings aufgrund einer LEP-Resistenz die appetithemmende
Wirkung ausbleibt, was in der Folge zu einer Insulinresistenz führen
kann. APN- und LEP-Spiegel verhalten sich invers zueinander.
Erhöhte LEP-Spiegel induzieren oxidativen Stress auf Endothelzellen und wirken atherogen, u. a. über die Steigerung der Produktion
von MMP-2 (involviert in die Ruptur von Plaques) oder von PAI-1.
Erhöhte LEP-Werte sind ein unabhängiger Risikomarker für AMI
und Schlaganfall. Eine Gewichtsreduktion und die Therapie mit
Glitazonen („Insulin-Sensitizer“) senken den Leptinspiegel. Die
Verlaufskontrolle von APN und LEP kann daher den Erfolg von
Maßnahmen zur Prävention (Diät, Bewegung) dokumentieren.
Fetuin-A (α-2-HS-Glykoprotein) wird in einer verfetteten Leber,
z. B. bei Patienten mit Übergewicht und bei Diabetes Typ2 vermehrt
gebildet. Es hemmt APN, erhöht den Spiegel des proinflammatorischen Cytokins TNF-α, bindet und inhibiert den Insulinrezeptor.
Fetuin-A ist somit kausal an der Entwicklung einer Insulinresistenz beteiligt. Erhöhte Fetuin-A-Werte deuten auf ein erheblich
erhöhtes Schlaganfall- und KHK-Risiko hin. Daher gilt Fetuin-A
als unabhängiger Risikomarker für ein metabolisches Syndrom
und Diabetes. Nach aktuellen Daten (Stefan et al, 2013) sagen hohe
Fettsäurewerte im Blut nur dann eine Insulinresistenz voraus, wenn
dort gleichzeitig hohe Werte von Fetuin-A vorliegen.
PAI-1 (Plasminogen Activator Inhibitor-1) ist ein Serpin aus
Endothelzellen mit multiplen Funktionen. Durch Hemmung des
MMP-2 und MMP-9-aktivierenden Plasmins reguliert PAI-1 indirekt diese an Angiogenese und AS beteiligten Proteasen. IL-1,
TNF-α, Insulin, Leptin und very low density-Lipoproteine (VLDL)
sowie eine akute Phasenreaktion steigern die PAI-1-Bildung. PAI-1
ist bei Diabetes ursächlich an der Entstehung vom AS beteiligt
und gilt daher als Risikofaktor, der unabhängig mit verschiedenen
Risikofaktoren wie Insulinresistenz bzw. der Hyperinsulinämie
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korreliert. Ein erhöhter PAI-1-Spiegel ist mit dem Entstehen von
AMI und anderen Thromboseereignissen assoziiert. PAI-1 stimuliert die Muskelzell-Migration und verringert deren Apoptose. Das
Fettgewebe von adipösen Personen produziert erheblich mehr PAI-1
als das schlanker Personen. Raucher und Frauen mit oraler Antikonzeption zeigen erhöhte Spiegel. Das 4G-Allel in der Promotorregion
des Gens ist mit Adipositas assoziiert und auch mit dem Risiko, an
Thrombose, Fibrose, Parodontitis, AS und an Veränderungen der
Herzkranzgefäße zu erkranken.
Osteopontin (OPN) ist ein multifunktionelles Glykoprotein, das
an der Mineralisierung von Knochen und verschiedenen Immunprozessen beteiligt ist. Es wird in Knochen, aber auch anderen Zellen
synthetisiert, darunter auch in weißen Blut- und Endothelzellen.
Die Spiegel von OPN (wie auch von Osteoprotegerin, OPG, einem
Cytokin-Rezeptor der Tumor Nekrose Faktor (TNF) Rezeptor Familie) korrelieren mit der Steifheit von Arterien. OPN-Plasmaspiegel
sind bei verschiedenen Erkrankungen erhöht, darunter auch bei AS
und bei KHK. Das N-terminale Bruchstück von OPM (erzeugt durch
Thrombin oder MMPs) korreliert mit dem Ausmaß der Plaqueinflammation bei Hypertension. Bei Patienten mit STEMI-Infarkten
erwies sich ein hoher OPN-Spiegel, insbesondere in Kombination
mit erhöhtem CRP, als Risikomarker für Wiederverschlüsse. Hohe
OPN-Spiegel bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom zeigen
eine enge Korrelation mit Plaqueprogression und -rupturen. Nach
Bypasschirurgie sinkt der OPN-Spiegel zunächst, um dann wieder
anzusteigen.
Im Rahmen der aktuellen CLARICOR-Studie bei mehr als 4000
Patienten mit stabiler KHK (Bjerre M et al, Scand J Clin Lab Invest 2014) fand man eine deutliche Erhöhung von OPG bei den
Nichtüberlebenden. OPG erwies sich in Kombination mit anderen
Markern sowohl als prädiktiv für kardiovaskuläre Ereignisse wie
auch für die Gesamtmortalität. OPG zeigte sich aber auch alleine
als unabhängiger prädiktiver Biomarker.
ADMA (asymmetrisches Dimethylarginin) ist ein natürlicher
Bestandteil des Bluts. Es inhibiert die wichtige endotheliale NOSynthase und spielt daher eine Rolle in der Entstehung und Progression von AS. Hohe ADMA-Spiegel korrelieren mit einer reduzierten
NO-Synthese. Daher kann die ADMA-Konzentration als Marker
für eine Dysfunktion des Endothels gelten und als unabhängiger
Risikomarker für eine KHK. Der ADMA-Spiegel korreliert mit der
Dicke von Intima und Media der A. carotis, und diese wiederum mit
der Häufigkeit schwerwiegender koronarer Ereignisse. In einer Studie hatten Männer mit hohen ADMA-Konzentrationen ein deutlich
erhöhtes Risiko für eine KHK. Auch die Aminosäure Homoarginin,
deren Konzentration mit der Nierenfunktion verknüpft ist, erwies
sich als Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse.
Homocystein (HCYS) ist eine Aminosäure, die beim Abbau
von Methionin gebildet wird. Bei genetisch bedingten Ursachen
(z. B. Risikoallel der Methylentetrahydrofolatreduktase, MTHFR)
oder bei zu geringer Konzentration der für den HCYS-Stoffwechsel
erforderlichen Vitamine B6, B12 und Folsäure findet man erhöhte
HCYS-Werte. Selbst moderat erhöhte Werte steigern die Gefahr für
AS und KHK. Eine etwaige genetische Ursache sollte durch einen
entsprechenden Gentest abgeklärt werden. Durch Gabe der entsprechenden Vitamine kann der Spiegel von HCYS gesenkt werden.
Micro-RNAs (miRNA), kleine und sehr stabile Nukleinsäuren,
spielen bei sehr vielen Erkrankungen, darunter auch bei AS eine
Rolle. Sie treten im Blut in unterschiedlichen „Verpackunsformen“
(Mikrovesikel, HDL-gebunden) auf und sind sowohl an der Regulation der intrazellulären Genexpression, als auch an der interzellulären Kommunikation beteiligt. Das Spektrum der miRNAs
kann bei AS und kardiovaskulären Erkrankungen wie AMI in
charakteristischer Weise verändert sein (z. B. miR 208a). Über
PCR- oder NGS-Techniken sind sie nachweisbar. Allerdings sind
noch methodische Probleme zu lösen und die Studien stehen erst
am Anfang. MiRNAs werden sicher sehr bald das Spektrum der
Biomarker ergänzen.
Fazit: Durch die multifaktorielle Natur von AS als Erkrankung
unter Mitbeteiligung von Lipiden, innatem Immunsystem und Inflammation, Gerinnung und anderen proteolytischen Prozessen,
durch oxidativen Stress und vielen weiteren Mechanismen hat
man bisher nicht DEN spezifischen Marker für AS identifiziert.
Vermutlich wird das auch nicht möglich sein. Jedoch sind die Ergebnisse einiger neuer Marker vielversprechend und liefern neue
und genauere Informationen. Daher wird man eine Kombination
verschiedener Biomarker benötigen, um das Risiko von AS und
deren Folgeerkrankungen sowie den Erfolg einer dagegen gerichteten Therapie besser beurteilen zu können.
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