Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter

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Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Klinische und radiologische
Untersuchung der Schulter
A. Hedtmann, G. Heers
Klinik Fleetinsel Hamburg, Abteilung Orthopädie II
Die klinische Untersuchung der Schulter wird als Funk−
tionsuntersuchung der Beweglichkeit, Kraft und Stabi−
lität durchgeführt. Mit Provokationstests werden ge−
zielt schmerzhafte Strukturen und gestörte Funktionen
identifiziert. Dies führt zu einer klinischen Diagnose,
die einerseits die gestörte Funktion und andererseits
auch die betroffene Struktur begrifflich fasst.
In Fällen unklarer Befunde oder funktionell bzw.
strukturell überlappender Ergebnisse sind ablative
Injektionstests mit Lokalanästhetika indiziert.
Einleitung
Das Ergebnis der klinischen Diagnose ist die Grundlage
der Wahl adäquater bildgebender Untersuchungsme−
thoden.
Bei der konventionell−radiologischen Untersuchung
ist der Standard die Projektion in 3 Raumebenen (a.−p.,
lateral−axial (sog. Y− oder Outlet−Aufnahme) und trans−
axillär.
Bei besonderen Fragestellungen sind erweiterte Pro−
jektionen oder Aufnahmen unter Belastungsprovoka−
tion indiziert.
Definition
Die Basis jeder Diagnostik bilden Anamnese und klini−
sche Untersuchung. Die dabei erhaltenen Informationen
und erhobenen Befunde führen zu einer klinischen Ver−
dachtsdiagnose. Um diese zu bestätigen oder aber auch,
um konkurrierende Diagnosen auszuschließen, werden
bildgebende Verfahren eingesetzt. Die Indikation zu
bildgebenden Verfahren ist somit diagnose− und lokali−
sationsabhängig.
Der diagnostisch interessierende Schulterkomplex
besteht aus dem Glenohumeralgelenk (GH−Gelenk) und
Akromioklavikulargelenk (AC−Gelenk) sowie der latera−
len Klavikula und den zugehörigen Weichteilstrukturen.
Die Funktion der Schulter ist immer im Verbund mit
der Gesamtheit des Schultergürtels und der Halswir−
belsäule zu sehen. Die funktionelle Einheit aus Skapu−
labeweglichkeit und glenohumeraler Bewegung kop−
pelt die Halswirbelsäule, an der das Schulterblatt
muskulär aufgehängt ist, eng mit dem Schultergürtel.
Aber auch die Wirbelsäule mit Becken−Lenden−Region
ist über den M. latissimus dorsi mit dem Humerus ver−
knüpft, der wiederum über den M. teres major eine
weitere muskuläre Verbindung mit dem Schulterblatt
eingeht.
Die Untersuchung bei Beschwerden der Schulterre−
gion beinhaltet also immer auch eine Betrachtung und
funktionelle Evaluation der Wirbelsäule und vor allem
der Skapulafunktion, die sich im sog. skapulohumeralen
Rhythmus äußert.
Skapulohumeraler Rhythmus
Unter dem skapulohumeralen
ca. 20 %), um dann bei weiterer
Rhythmus versteht man das Ver−
Armhebung kontinuierlich zuzu−
hältnis von skapulohumeraler Be−
nehmen. Bei hoher Abduktion über
weglichkeit zu skapulothorakaler
1208 nimmt der skapulothorakale
Beweglichkeit. Nach Inman u. Mit−
Gleitweg überproportional zu. Da
arb. (1944) beträgt dieser Wert für
eine Schulter nur einwandfrei funk−
die Gesamtabduktion ca. 2 : 1, d. h.
tioniert, wenn unter allen Bedin−
bei 1708 Abduktion resultieren ca.
gungen die Resultierende aller
1108 aus dem Glenohumeralgelenk
Muskelkräfte dazu führt, dass der
und ca. 608 aus der Skapulabeweg−
Humeruskopf in die Pfanne ge−
lichkeit. Der Anteil des Schulter−
drückt wird, ist eine korrekte Ein−
blattes ist dabei nicht konstant,
stellbewegung der Skapula sehr
sondern ist in einer initialen Ein−
wichtig.
stellphase bis etwa 308 gering (nur
" Der skapulohumerale Rhythmus ist bei allen ein−
steifenden Schultererkrankungen wie auch bei vielen
Rotatorenmanschettendefekten trotz erhaltener Glo−
balbeweglichkeit und auch bei Lähmungen verändert.
Auch einfache Subskromialsyndrome mit erhaltener
Beweglichkeit zeigen oft einen gestörten Rhythmus.
Gröbere und vor allem atraumatische Instabilitäten
zeigen ebenfalls einen veränderten skapulohumeralen
Rhythmus. Er sollte deshalb immer erfasst werden.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302 ê DOI 10.1055/s−2006−925444
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Schultergürtel und obere Extremität
Die beste Beurteilung gelingt bei palpatorischer und
optischer Erfassung der Bewegungen des unteren Ska−
pulawinkels und des Akromions bei Sicht von hinten
und gleichzeitiger Bewegung beider Arme. Dies verhin−
dert zudem zuverlässig Rumpfausweichbewegungen.
Die Skapulastellung sollte erfasst werden, um sta−
tisch−posturale Faktoren zu erfassen (z. B. vermehrte
Rotation um den Thorax, vermehrte Kippung bei thora−
kaler Kyphose, einseitiger Hochstand bei Skoliosen oder
besonderer einseitiger Handdominanz usw.).
Störungen der Halswirbelsäule können zu einer er−
heblichen Beeinträchtigung der Skapulasteuerung füh−
ren: Zum Beispiel ist bei einer einseitigen Verkürzung
des M. levator scapulae die Rotation des Kopfes zur
Gegenseite beeinträchtigt. Nur wenn auf der verkürzten
Seite das Schulterblatt gehoben wird, normalisiert sich
die Kopfrotation. Damit ist aber die natürliche Einstell−
bewegung des Schulterblattes beeinträchtigt. Muskulä−
re Dysbalancen sind dabei klinisch einfacher an den
verkürzten tonischen Muskeln erkennbar als an den
schwieriger funktionell in ihrer Schwäche zu erfassen−
den phasischen Muskeln.
An der Schulterbewegung für die Armhebung sind
immer gemeinsam beteiligt:
n
Glenohumeralgelenk,
n
subakromiales Nebengelenk,
n
AC−Gelenk,
n
SC−Gelenk,
n
Skapulothorakalgelenk.
Eine isolierte Bewegung in einem dieser Gelenke ist nur
artifiziell möglich, z. B. bei manueller Fixierung der
Skapula, um die passive glenohumerale Beweglichkeit
zu testen. Dies ist sinnvoll, um auch leichte glenohu−
merale Bewegungseinschränkungen zu erfassen: Da bei
passiven Bewegungen die aktive (und u. U. kompensa−
torisch veränderte) Einstellung der Skapula fehlt, sind
diese besser geeignet, kapsuläre glenohumerale Bewe−
gungseinschränkungen festzustellen.
Die Rotation am hängenden Arm ist eine weitgehend
glenohumeral bestimmte Funktion und nur endgradig
von Skapulamitbewegungen beeinflusst. Sie kann des−
halb besser als die Hebebewegungen Aufschluss über
die möglichen artikulären oder extra− bzw. periartiku−
lären Ursachen einer Bewegungseinschränkung geben.
Die Untersuchung sollte einem reproduzierbaren,
möglichst einfachen System folgen, das auch in der Pra−
xis noch sinnvoll genutzt werden kann. Wenn zusätz−
lich wissenschaftliche Fragen beantwortet werden sol−
len, kann ein erweitertes Untersuchungsprogramm
ablaufen.
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Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
Klinische Untersuchung
Ziel der klinischen Untersuchung ist es, sowohl eine
funktionelle Diagnose (z. B. Impingement oder Instabili−
tät) wie eine strukturelle Diagnose befallener Elemente
zu stellen. Die strukturelle Diagnose ergibt sich aus dem
strukturellen Befund und der strukturierten Anamnese.
Der strukturbezogene Befund wird erhoben durch be−
stimmte Untersuchungsmanöver, mit denen bevorzugt
einzelne Strukturen belastet oder gedehnt oder palpiert
werden. Zusätzlich werden dynamische Prozesse struk−
turbezogen gedeutet wie bei den sog. Impingementzei−
chen.
Die strukturierte Anamnese (Tab. 1 ) ist integraler
Bestandteil der klinischen Untersuchung. Dabei werden
berücksichtigt:
n
Alter,
n
akutes oder graduelles und traumatisches oder
spontanes Auftreten der Beschwerden,
n
Funktionsabhängigkeit der Beschwerden,
n
Ruheschmerz.
Die strukturierte Anamnese führt bereits zu einer Ver−
dachtsdiagnose: Subakromiale Erkrankungen gehen fast
immer mit einem deutlichen Nachtschmerz einher, vor
allem beim Liegen auf der betroffenen Schulter. Beim
Tragen schwerer Gegenstände am hängenden Arm ver−
ursachen sie nur sehr selten Beschwerden. Dies findet
sich hingegen oft bei Affektionen des AC−Gelenkes. Auch
Instabilitäten verursachen üblicherweise keinen Nacht−
schmerz.
" Das Auftreten eines Nachtschmerzes ist hinweisend
auf ein subakromiales Impingement, eine reaktive
Tendinitis oder eine begleitende Bursitis subacromia−
lis.
Das Standardprogramm beinhaltet:
n
Inspektion:
in Ruhe: Wirbelsäule inkl. Statik (Beckenstand, Wir−
belsäulenform in sagittaler und frontaler Ebene),
Schultergürtel (symmetrischer Schulterstand; Ska−
pulastellung: normal/protrahiert), betroffene Schul−
ter im Vergleich zur Nichtbetroffenen,
in Funktion: skapulothorakaler und skapulohumera−
ler Rhythmus. Bei subakromialen Affektionen ist
häufig das Schulterblatt hochgezogen und die Schul−
terkulisse verkürzt. Aus dieser Stellung fällt die
Armhebung mit einem höheren skapulothorakalen
Anteil leichter, zudem wird der subakromiale Raum
durch die unwillkürliche Medialrotation und ggf.
Retraktion des Schulterblattes weiter.
n
Orientierende Untersuchung der Hals− und
Rumpfwirbelsäule inkl. Statik: An der Halswirbel−
säule bewährt sich als Schnelltest vor allem die Fest−
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Tabelle 1
Strukturierte Anamnese
Abb. 1
n
Quadrantentest (Quelle: s. S. 296).
stellung der globalen Beweglichkeit inklusive Rota−
tion aus Flexion zur differenzierten Beurteilung der
oberen Halswirbelsäule in Verbindung mit dem sog.
Quadrantentest (Abb. 1 ): Dabei wird der Kopf passiv
extendiert und zur selben Seite rotiert. Dadurch ver−
engen sich die Foramina intervertebralia und es
werden die Wirbelgelenkfacetten belastet und die
Wirbelgelenkkapseln torquiert. Der Test ist unspezi−
fisch, gibt aber eine zuverlässige Reproduktion so−
wohl arthrogener, pseudoradikulärer wie diskogen
und/oder ossär bedingter, radikulär ausstrahlender
Beschwerden. Bei negativem Ausfall und freier
HWS−Beweglichkeit ist die zervikogene Ursache ei−
nes Schulterschmerzes weitgehend ausgeschlossen.
Praktischer Untersuchungsgang
Am stehenden Patienten wird die Wirbelsäulenform in
der Sagittal− und Frontalebene registriert. Die passive
Mobilität der Schulterblätter wird durch Untergreifen
des medialen Randes und Abheben sowie Lateral− und
Medialverkippung getestet. Bei sehr stark muskulär fi−
xierten Schulterblättern muss der Arm u. U. in die
Schürzengriffposition gebracht werden, um das Schul−
terblatt unterfassen zu können.
Es wird die aktive Beweglichkeit in Einzel− und
Kombinationsebenen geprüft, bei Einschränkung auch
die passive Beweglichkeit.
Es folgen die Stabilitätstests und die isometrischen
Anspannungstests sowie die Kraftprüfung.
Frage
Hinweis auf z. B.
Beschwerden wie lange?
degenerative oder rheumatische Erkrankung
Trauma?
posttraumatische Veränderungen
graduelles Auftreten?
degenerative Ursache
Arthropathie
akutes Auftreten ohne Trauma
oder besondere Belastung?
Subakromialsyndrom bei Tendinosis calcarea
adhäsive Kapsulitis
neuralgische Schulteramyotrophie
nächtlicher Ruheschmerz?
subakromiale Erkrankung
adhäsive Kapsulitis
AC−Gelenkaffektion
Omarthrose
HWS−Affektion
zervikale Radikulitis
nur beim Liegen auf der Schulter?
subakromiale Erkrankung
(AC−Gelenkaffektion)
(Omarthrose)
Schmerz bei welcher
Bewegung/Belastung?
Instabilität
Impingement
AC−Gelenk
posterosuperiores (internes) Impingement
Schmerz beim Sport?
Instabilität
Impingement
AC−Gelenk
Beschwerden beim Tragen
am hängenden Arm?
AC−Gelenk
untere Instabilität, ggf. Mehrfachinstabilität
Kraftverlust bei bestimmten
Bewegungen?
Rotatorenmanschettendefekt
Lähmung
schmerzhafter unterer Bogen?
umgekehrter schmerzhafter Bogen?
Impingement
hoher schmerzhafter Bogen?
Schmerz bei horizontaler Arm−
bewegung über die Körper−
mittellinie?
AC−Gelenk, ggf. oberes Impingement
bei Luxation:
spontane Reposition
n ärztliche Reposition,
ggf. in Narkose
n
n
n
atraumatische Instabilität
traumatische Instabilität
Erst zum Schluss erfolgen die oft recht schmerzhafte
Palpation und die Prüfung der Impingementzeichen.
Es sind für die Schulter in der Literatur eine Vielzahl
von Tests und Untersuchungsmanövern beschrieben
worden. Selbst in jüngster Zeit kommen immer noch
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Schultergürtel und obere Extremität
n
n
Abb. 2 n Kombinierte Außenrotation
und Abduktion (Quelle: s. S. 296).
Abb. 3 n Kombinierte Innenrotation und
Extension (Quelle: s. S. 296).
neue Tests hinzu. Es soll deshalb im Folgenden einer−
seits zwar eine weitgehend vollständige Darstellung der
gebräuchlichen klinischen Untersuchungsmethoden er−
folgen. Andererseits werden einige apokryphe Tests
oder solche mit sehr unspezifischer Aussage bewusst
nicht aufgeführt.
Kombinierte Abduktion und Außenrotation (Abb. 2 ):
Wichtig ist dabei die Registrierung der Ellenbogen−
stellung. Zum Beispiel reicht für den sog. Nackengriff
eine ausschließliche Flexion von ca. 60 ± 708, sofern
die Rotations−Neutral−Stellung erreicht werden
kann. Volle Beweglichkeit liegt aber nur vor, wenn
der Ellenbogen zur Seite zeigt. Dokumentation der
erreichten Region:
± HWS ± Ellenbogen vorn,
± HWS ± Ellenbogen seitlich,
± Hinterkopf ± Ellenbogen vorn,
± Hinterkopf ± Ellenbogen seitlich,
± Scheitel ± Ellenbogen vorn,
± Scheitel ± Ellenbogen seitlich,
± volle Hebung der Hand über den Kopf mit Ellen−
bogen seitlich (gewichtet stärker die Abduktions−
komponente; Maßstab im Constant−Score),
± Nackengriff bis obere BWS mit Ellenbogen seitlich
(gewichtet stärker die Außenrotations− und
horizontale Abduktionskomponente).
Kombinierte Innenrotation und Extension (Abb. 3 ):
Erreichte Körperregionen:
± Trochanter major,
± Glutäen,
± Sakrum,
± untere, mittlere, obere LWS,
± untere und mittlere BWS.
Für wissenschaftliche und gutachtliche Zwecke sollte
der mit dem Daumen erreichte Dornfortsatz bezeichnet
werden.
Aktive Bewegungsmessung
Passive Bewegungsmessung
Schultergürtelbeweglichkeit. Der Patient hebt beide
Schultern, sowohl ohne wie gegen Widerstand. Damit
werden sowohl die Funktion des M. trapezius als auch
die der Schlüsselbeingelenke, vor allem der SC−Gelenke,
getestet.
Aktive Globalbeweglichkeit. Sie wird in Flexion/Exten−
sion ebenso dokumentiert wie die Innen−/Außenrota−
tion am hängenden Arm, Elevation/Adduktion (in bzw.
vor der Frontalebene), Abduktion (in Schulterblattebe−
ne), horizontale Abduktion und Adduktion (aus 908 Fle−
xion gemessen, bezogen auf die Sagittalebene oder aus
908 Abduktion in Schulterblattebene) und die Außen−
und Innenrotation aus 908 Abduktion. Unterer und/oder
oberer schmerzhafter Bogen (Sektor des Auftretens und
Verschwindens dokumentieren), ggf. umgekehrter und
auch belasteteter schmerzhafter Bogen werden doku−
mentiert.
Untersuchung der Kombinationsbewegungen. Für die
klinische Praxis wird die Orientierung an erreichten
Körperreferenzstellen vorgenommen:
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Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
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Passive Globalbeweglichkeit (nur bei aktiv bewegungs−
eingeschränkten Schultern erforderlich). Es werden
dieselben Bewegungen wie bei der aktiven Prüfung
durchgeführt, nur passiv vom Untersucher und damit
unter Ausschluss der Schwerkraft. Wenn die verbliebe−
ne glenohumerale Beweglichkeit interessiert, wird die
skapulare Einstellbewegung durch manuelle Fixierung
ausgeschaltet. Damit wird sowohl teilweise der
schmerzreflektorische Effekt ausgeschaltet als auch das
tatsächliche, kapsulär mögliche Bewegungsmuster
festgestellt.
" Wichtig ist, dass abrupte, Schmerz und damit re−
flektorische Anspannung verursachende Bewegungen
vermieden werden.
Bei Rotatorenmanschettendefekten oder Axillarispare−
sen und sonstigen Paresen stellt man die sog. Pseudo−
paralyse bzw. die echte Paralyse fest, wobei die passive
Beweglichkeit meist nicht beeinträchtigt ist.
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Selektive Muskeltests
Die Tests werden eingesetzt, um die Kraft zu prüfen und
ggf. tendomyopathische Anspannungsschmerzen zu
provozieren. Die isolierte Aktivierung eines Muskels
und damit seine selektive Testung ist aufgrund der
menschlichen neuromuskulären Organisation nicht
möglich. Die Tests sind so aufgebaut, dass sie möglichst
weitgehend nur einzelne Muskelfunktionen ansprechen
(Tab. 2 ).
Die in Tab. 2 genannten Tests stellen einerseits iso−
metrische Anspannungstests aus der Gelenkneutral−
oder Mittelstellung dar, andererseits Tests aus verkürz−
ten Muskelpositionen heraus. Ein Beispiel für eine mitt−
lere Verkürzung stellt der Supraspinatustest nach Jobe
dar, für eine endgradige Verkürzung der Lift−off−Test.
Für die Kraftmessung sind sicher Tests aus mittlerer
oder sogar höhergradiger Verkürzung sensibler, wie sie
z. B. auch in der sog. Applied Kinesiology propagiert
werden (Walther 1988). Dabei kann man z. B. auch
ARO/IRO aus jeweils 308 oder sogar aus noch höhergra−
diger Verkürzung heraus testen. Tests aus muskelver−
kürzten Positionen nahe der Gelenkendstellung heraus
werden auch als sog. ¹Lag Signs“ bezeichnet (Abb. 14 ,
15 ). Dabei werden bei passiver Durchführung die Ge−
lenke in die entsprechende endstellungsnahe Position
gebracht und können dort nicht gehalten werden. Für
die Außenrotatoren kann man beide Arme aus Adduk−
tion wie Abduktion in die endgradige Außenrotation
überführen und stellt bei Rotatorenmanschettendefek−
ten fest, dass diese auf der betroffenen Seite nicht
gehalten werden kann. Für den M. subscapularis kann
man analog verfahren in Extension/Innenrotation.
Kraftmessung
Gemessen werden sollte auf jeden Fall die Abduktion
und Außenrotation als Minimalprogramm.
Die Kraftmessung kann einerseits manuell mit gro−
ber Orientierung an der Gegenseite erfolgen: Gleich;
leicht abgeschwächt (ca. 2/3 der Gegenseite), deutlich
abgeschwächt (< 2/3 ± 1/3 der Gegenseite), weitgehend
abgeschwächt (< 1/3 der Gegenseite). Sie kann in einem
Arbeitsgang bei den isometrischen Anspannungstests
erhoben werden. Besser ist allerdings eine instrumen−
telle Kraftmessung, wie sie auch für den Constant−Score
gefordert wird. Hierzu kann man entweder eine Feder−
waage benutzen oder besser ein elektronisches Mess−
gerät wie z. B. den Isobex−Apparat. Mit dem Isobex wer−
den elektronisch integriert isometrische Kräfte gemes−
sen, wobei auch die während einer einstellbaren Mess−
zeit von 3 oder 5 Sekunden auftretenden Oszillationen
erfasst werden und in Form eines Minimal− und Maxi−
malkraftwertes während der Messzeit ausgegeben
werden.
Es hat sich bewährt, die Kraft bei isometrischer An−
spannung im Seitenvergleich und auch in Relation zu
den Antagonisten abzuschätzen. Es liegen Referenz−
werte in der Literatur vor (Magee 1997). Für die grobe
Abschätzung der Kraft kann man davon ausgehen, dass
bei isometrischer Testung die Abduktion ca. 50 ± 70 %
der Adduktionskraft erreichen muss. Die Flexionskraft
sollte etwa 50 ± 60 % der Abduktions− und Extensions−
kraft erreichen. Die Außenrotation sollte etwa 65 ± 70 %
der Innenrotation erreichen. Die horizontale Abduktion
sollte etwa 70 ± 80 % der horizontalen Adduktion betra−
gen, gemessen mit der Skapulalängsachse als Referenz−
ebene.
Impingementzeichen
Es muss berücksichtigt werden, dass durch das Fehlen
der skapulären Einstellbewegung die Bewegungsaus−
maße, bei denen Schmerzen auftreten, geringer sind als
sie bei aktiver Bewegung zu erwarten wären. So ent−
spricht ein positives Neer−Impingementzeichen bei ca.
60 ± 708 Flexion einer Gelenkstellung bei aktiver Flexion
von ca. 80 ± 908.
Impingementzeichen nach Neer (Abb. 16 ). Der hängen−
de Arm wird vom Untersucher in leichter Innenrotati−
onsstellung abrupt flektierend gehoben. Dabei wird in
einem Sektor wie beim schmerzhaften Bogen ein
Schmerz angegeben. Ein Schmerz unterhalb von etwa
458 entspricht dabei einer kapsulären Schmerzursache
und kann nicht als Impingement klassifiziert werden. Es
reicht die Flexion bis ca. 1208.
Der Arm sollte dabei nicht über 1508 hochgerissen
werden, um einen Endanschlags− oder Dehnungs−
schmerz intra− oder extraartikulärer Ursache nicht
fälschlich als Impingement zu identifizieren. Es wird in
der Literatur vereinzelt versucht, den Test durch Aus−
führung in unterschiedlichen Innenrotationsstellungen
des Armes und in skapularer Abduktion oder frontaler
Elevation weiter zu differenzieren. Wissenschaftliche
Daten hierzu liegen allerdings nicht vor.
Definition
Impingementzeichen
Die Impingementzeichen sind pas−
mialen Bogen ausgelöst werden.
sive Untersuchungsmanöver, bei
Da sie passiv erfolgen, fehlt die
denen das Schultergelenk mit ra−
zentrierende Kraft der Rotatoren−
scher Bewegung in eine Stellung
manschette und es wird leichter ein
gebracht wird, in der die Kon−
Irritationsphänomen durch krania−
taktphänomene am korakoakro−
le Dezentrierung ausgelöst.
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Schultergürtel und obere Extremität
Tabelle 2
Selektive Muskeltests
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Test
Geprüfte Funktion
Bewertung von
Neutral−Abduktions−Test
(Abb. 4)
M. supraspinatus
M. deltoideus
induzierter Schmerz und
Kraftminderung
Neutral−Außenrotations−
Test (Abb. 5)
M. infraspinatus
M. supraspinatus
ggf. M. teres minor
induzierter Schmerz und
Kraftminderung
Neutral−Innenrotations−
Test (Abb. 6)
M. subscapularis
M. latissimus dorsi
M. teres major
induzierter Schmerz und
Kraftminderung
Lift−off−Test (Abb. 7)
M. subscapularis
M. latissimus dorsi
M. teres major
Teil− oder Komplettrisse bzw.
Defekt der Subskapularissehne
Napoleon−Zeichen
(Abb. 8)
M. subscapularis
Innenrotation durch
M. subscapularis
Belly−Press−Test
(modifiziertes
Napoleon−Zeichen)
M. subscapularis
Innenrotationsfunktion durch
M. subscapularis. Nach Burkhart
(2002) ist der entstehende Winkel
Hand ± Unterarm ein Maß für
den Grad der Subskapularis−
schädigung
Abduktions−
Außenrotations−Test
(Abb. 9)
M. infraspinatus
M. teres minor
Außenrotationskraft
Trompeterzeichen
(¹hornblower sign“,
¹signe de clairon“)
(Abb. 10)
Supra− und
Infraspinatussehne
Supraspinatustest
nach Jobe (Abb. 11)
M. supraspinatus
Palm−up−Test/Speed−Test
(Abb. 12)
lange Bizepssehne und
M. supraspinatus
RM−Läsionen:
Sens.: 38 ± 68,5 % (Park 2005, Calis 2000)
Yergason−Test
lange Bizepssehne
Bizepspathologie zusammen mit
RM−Läsionen:
Sens.: 43 %; Spez.: 79 % (Holtby 2004)
O’Brien−Test (Abb. 13)
Armhebung aus
Vorhalte in Innen−
und Außenrotation
Adduktions−Widerstands−
Test
Widerstand gegen forcierte AC−Gelenkaffektionen
horizontale Adduktion
durch den Untersucher
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ê 2006 ê 271 ± 302
Aussagekraft
bei passiv freier Beweglichkeit liegt bei
isolierter Ruptur der Subskapularissehne
immer ein positiver Lift−off−Test vor
(Gerber 1991)
Infraspinatusläsion:
Sens.: 70,5 %; Spez.: 90 %
Kompl. Infraspinatusdefekt:
Sens.: 36 %; Spez.: 95 % (Naredo 2002)
bei positivem Test liegt mit einer Sensiti−
vität von 100 % und einer Spezifität von
93 % eine irreversible Muskelatrophie des
M. teres minor vor (Walch 1998)
tendopathischer/impinge−
mentbedingter Schmerz bei
RM−Läsionen
SLAP−Läsionen,
AC−Gelenkaffektionen
Partialdefekte:
Sens.: 32,1 %; Spez.: 67,8 %
Kompl. Defekte:
Sens: 52,6 %; Spez.: 82,4 % (Park 2005)
Für SLAP−Läsionen
Sens.: 47 %; Spez.: 55 % (McFarland 2002)
Für ACG−Affektionen
Sens.: 16 %; Spez.: 90 % (Walton 2004)
Für ACG−Läsionen:
Sens.: 72 %; Spez.: 85 %
(Chronopoulos 2004)
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Abb. 4 n Neutral−Abduk−
tions−Test (Quelle: s.
S. 296). Der in Neutralstel−
lung herabhängende Arm
wird gegen den Widerstand
des Untersuchers isome−
trisch abduziert. Symmetri−
sche Durchführung des
Tests.
Abb. 7 n
Aktiver Lift−off−
Test (Quelle:
s. S. 296).
Der hinter dem Körper im sog. Schürzengriff befindliche Arm soll mit
der Hand weiter nach dorsal vom Rücken entfernt werden. Voraus−
setzung: freie passive kombinierte Extension/Innenrotation.
Abb. 8 n
Napoleon−Zei−
chen (Quelle:
s. S. 296).
Abb. 5 n Neutral−Außenrotations−Test (Quelle: s. S. 296). Der in
Neutralstellung herabhängende Arm wird mit 908 gebeugtem Ellen−
bogen gegen den Widerstand des Untersuchers isometrisch außen−
rotiert. Symmetrische Durchführung des Tests.
Der Unterarm liegt bei gebeugtem Ellenbogen dem Bauch auf. Der
Patient versucht, den Arm weiter kräftig gegen den Bauch zu drü−
cken.
" Der Test setzt zur Beurteilung eine aktive Flexions−
fähigkeit von mindestens 1208 voraus. Anderenfalls ist
er wertlos.
Abb. 6 n Neutral−Innenrotations−Test (Quelle: s. S. 296). Der in
Neutralstellung herabhängende Arm wird mit 908 gebeugtem Ellen−
bogen gegen den Widerstand des Untersuchers innenrotiert. Sym−
metrische Durchführung des Tests.
Impingementzeichen nach Hawkins/Kennedy
(Abb. 17 ). Der Test wird in der Literatur in unterschied−
lichen Versionen präsentiert: Einerseits in Flexion des
Armes von ca. 908 und in Neutral−Rotations−Stellung
mit gebeugtem Ellenbogen. Aus dieser Stellung heraus
wird ein rasches, passives Innenrotationsmanöver vor−
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Schultergürtel und obere Extremität
Abb. 9 n
Abduktions−
Außenrotations−
Test (Patte−Test)
(Quelle: s. S. 296).
Der Arm wird in
Schulterblattebe−
ne ca. 908 ange−
hoben und aus
Neutralrotations−
stellung gegen
Widerstand des
Untersuchers
weiter außen−
rotiert.
Abb. 12 n Palm−up−Test/
Speed−Test (Quelle: s.
S. 296). Der im Ellenbogen
fast gestreckte und supi−
nierte Arm wird in reiner
Flexionsrichtung (oder in
Schulterblattebene) aus ca.
608 (908) gegen zunehmen−
den Widerstand des Unter−
suchers isometrisch geho−
ben.
Abb. 10 n
Trompeter−
zeichen (signe
du clairon)
(Quelle: s. S. 296).
Bei leicht abdu−
ziertem Arm ist
keine Außenrota−
tion möglich;
zum Heben der
Hand muss im−
mer auch der
Ellenbogen geho−
ben und gebeugt
werden.
genommen. Die zweite Variante ist die Abduktion in
Schulterblattebene, aus der heraus die Innenrotation
vorgenommen wird.
Der Test fällt (vor allem im Schmerzgrad) häufig dis−
krepant zum Neer−Zeichen aus, woraus manche Unter−
sucher ableiten, dass sie bestimmte Lokalisationen des
Impingements am korakoakromialen Bogen (mehr
akromial bzw. mehr ligamentär oder korakoidal) oder
an bestimmten Sektoren der Rotatorenmanschetten−
oberfläche besser differenzieren können. Wissenschaft−
liche Daten hierzu liegen nicht vor.
Verbeugungstest nach Kölbel . Der Test dient dazu, un−
spezifisch positive von tatsächlich positiven Neer−Zei−
chen zu differenzieren: Der Patient beugt sich mit dem
Oberkörper weit vor und lässt die Arme hängen. Dabei
wird unter Schwerkraftzug eine Flexion von ca. 608 oder
höher erreicht. Ein kapsulärer Dehnungsschmerz wird
persistieren, ein Impingementzeichen wird verschwin−
den oder deutlich schwächer ausfallen, da die subakro−
mialen Strukturen durch den Schwerkraftzug am Arm
entlastet sind.
Abb. 11 n Supraspinatustest nach Jobe
(Quelle: s. S. 296). Der Arm wird in Schul−
terblattebene um ca. 908 angehoben und
mit gestrecktem Ellenbogen innenrotiert,
sodass der Daumen nach unten zeigt (wie
278
beim Ausschütten einer Getränkedose =
empty can). Es erfolgt eine weitere isomet−
rische Hebung gegen den Widerstand des
Untersuchers.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
Schmerzhafter Bogen (Abb. 18 ). Der schmerzhafte
Bogen ist das aktive Äquivalent zu den Impingement−
zeichen. Da sowohl eine aktive Zugbelastung der Seh−
nen vorliegt wie ein Passieren des Impingementsektors,
kann davon ausgegangen werden, dass dabei sowohl
Tendopathie− wie Impingementkomponenten über−
prüft werden. Klassischerweise wird der schmerzhafte
Bogen in der Frontalebene überprüft. Sinnvollerweise
sollte er in der Skapulaebene und ggf. auch in der Sagit−
talebene überprüft werden. Als positiv können dabei
Schmerzen etwa zwischen 508 und 1208 Armhebung
gewertet werden. Bei stark eingesteiften Schultern ist
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
90°
10°
90°
a
Abb. 13 n
O’Brien−Test
(Quelle: s. S. 296).
Aus ca. 908 Fle−
xion und leichter
Adduktion wird
der innenrotierte
Arm gegen
Widerstand zu
heben versucht.
a In maximaler
Innenrotation.
b In maximaler
Außenrotation.
10°
b
Abb. 14 n
Außenrotations−
Lag−Zeichen.
Der dem Körper
anliegende Arm
wird passiv maxi−
mal außenrotiert
und der Patient
zum Halten auf−
gefordert. Bei
positivem Lag−
Zeichen schnellt
der Arm in Innen−
rotationsrichtung
zurück. Angabe
in Grad.
der Test wertlos. Der Test weist nach Park u. Mitarb.
(2005) eine Sensitivität zwischen 67,4 und 75,8 % für
verschiedene Stadien der Rotatorenmanschettenläsion
auf.
Armfalltest und umgekehrter schmerzhafter Bogen
(Abb. 19 ). Der passiv durch den Untersucher in Schul−
terblattebene auf etwa 1508 erhobene Arm wird aktiv
vom Patienten heruntergelassen. Bei großen, biome−
chanisch relevanten Rotatorenmanschettendefekten
tritt dann ein abruptes Herabfallen des Armes in einem
bestimmten Sektor auf, wenn die Funktionseinheit von
Deltamuskel und Rotatorenmanschette nicht mehr in
der Lage ist, den Arm zu stabilisieren. Bei intakter Rota−
torenmanschette oder nur kleinen Defekten tritt dabei
sektoriell ein Schmerz auf. Es handelt sich prinzipiell
um dasselbe Manöver. Da es Situationen gibt, wo die
isometrischen Anspannungstests noch ausreichende
Kraft nahe legen, trotzdem aber der Armfalltest positiv
ist, sollte der Untersucher sicherstellen, dass er den Arm
auffangen kann, da das abrupte Herunterfallen des Ar−
mes sehr schmerzhaft sein kann.
Die exzentrische Belastung beim Herablassen des
Armes ist eine stärkere Gewebeprovokation als die
konzentrische bei der Armhebung. Deshalb fällt der
umgekehrte schmerzhafte Bogen oft auch positiv aus,
wenn der klassische schmerzhafte Bogen negativ ist.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
279
Schultergürtel und obere Extremität
Abb. 15 n
Innenrotations−
Lag−Zeichen
(passiver Lift−
off−Test).
Der hinter dem Körper befindliche Arm wird passiv maximal innenrotiert und soll vom Patienten gehalten werden. Bei positivem Lag−Zeichen
schnellt die Hand zum Rücken zurück.
Abb. 16 n
Impingement−
zeichen nach
Neer (Quelle:
s. S. 296).
180°
170¡
„akromioklavikulärer“
Bogen
120°
„subakromialer“ Bogen
Abb. 17 n
Impingement−
zeichen nach
Hawkins/Ken−
nedy (Quelle:
s. S. 296).
45°
Abb. 18 n Schmerzhafter unterer (subakromialer) und oberer
(akromioklavikulärer) Bogen (Quelle: s. S. 296).
280
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Gelenkspiel
Das sog. Gelenkspiel wird mit den Translationstests
geprüft. Die Translationstests dienen sowohl dazu, ver−
ringertes Gelenkspiel bei bewegungseingeschränkten
Schultern festzustellen als auch der Dokumentation
gerichteter oder allgemeiner Laxizität.
Vordere Translation (auch vorderer Schubladentest
oder Leffert−Test genannt) (Abb. 20 ). Es wird von dorsal
ein anterior gerichteter Druck ausgeübt und die ventra−
le Translation beurteilt. Das Schulterblatt muss gegen
eine Rotation um den Thorax gesichert werden.
Hintere Translation (auch hinterer Schubladentest oder
Fukuda−Test genannt) (Abb. 21). Es wird von ventral ein
dorsal gerichteter Druck ausgeübt und die dorsale
Translation beurteilt.
Die dorsale Translation ist normalerweise immer
größer als die ventrale. Nach dorsal kann der Kopf um
bis zu ca. 50 % des Durchmessers verschoben werden,
nach ventral um weniger als 25 %. Die dorsale Transla−
tion ist bei subakromialen Affektionen mit Bewegungs−
einschränkung und Verkürzung von Außenrotatoren
und hinterer Kapsel in der Regel eingeschränkt.
a
b
Abb. 19 n Armfalltest und umgekehrter
schmerzhafter Bogen (Quelle: s. S. 296).
Beim positiven Armfalltest kann der aktiv
oder passiv erhobene Arm beim Absenken
in einem bestimmten Sektor nicht mehr
gehalten werden. Beim umgekehrten
schmerzhaften subakromialen Bogen gibt
der Patient beim Durchlaufen des Sektors
von ca. 1208 bis ca. 45 ± 608 einen Schmerz
an.
Untere Translation und Sulkus−Zeichen
Untere Translation (Abb. 22 ). Aus der Ausgangsstel−
lung von laterokranial über dem proximalen Hume−
rus wird eine kaudal−medial gerichtete Kraft ausge−
übt und dabei die inferiore Translation beurteilt. Sie
ist bei stark eingesteiften Schultern jeglicher Ätiolo−
gie in der Regel stark vermindert oder aufgehoben.
Bei allgemeiner Gelenklaxität oder unterer Instabili−
tät tritt u. U. dabei das sog. Sulkus−Zeichen (s. u.) auf,
eine Einsenkung im Relief des Deltamuskels neben
n
Definition
Abb. 20 n Vordere Translation
(Leffert−Test, Quelle: s. S. 296).
Gelenkspiel
Es handelt sich dabei um die in der manuellen Medizin
als Gelenkspiel bezeichneten, nicht willkürlich durch−
zuführenden Bewegungen parallel zu den Gelenkflä−
chen. Gelenkphysiologisch handelt es sich dabei um
ein Gleiten ohne angulären Bewegungsausschlag. Die−
se Untersuchungen werden in der Entspannungsposi−
tion des Gelenkes durchgeführt, in der die Bänder die
geringste Spannung zeigen und die damit nichtver−
wrungene Kapsel das größte Volumen aufweist. Diese
Stellung beträgt am Schultergelenk etwa 558 Abduk−
tion in Skapulaebene bei Neutralrotation.
n
Abb. 21 n Hintere Translation
(Fukuda−Test, Quelle: s. S. 296).
und unter dem Akromion durch den tiefer tretenden
Humeruskopf.
Sulkus−Zeichen (Abb. 23 ). Der Test wird am stehen−
den oder sitzenden Patienten ausgeführt. Unter
Fixation der Skapula durch aufgelegte Hand, die eine
Lateralkippung hemmen soll, wird ein dosierter Zug
am hängenden Arm (z. B. am Ellenbogen) ausgelöst,
der nicht zu abrupt erfolgen darf. Sonst wird der
Deltamuskel aktiviert und der Test u. U. falsch nega−
tiv. Bei positivem Ausfall durch erhöhte untere
Translatierbarkeit zeigt sich prä− und paraakromial
eine rinnenartige Gewebeeinziehung. Deshalb der
Name Sulkus−Test, der nichts mit dem Sulcus bicipi−
talis zu tun hat. Falls der Patient nicht gut entspannt
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
281
Schultergürtel und obere Extremität
Abb. 22 n Untere Translation
(Quelle: s. S. 296).
Abb. 23
n
Sulkus−Zeichen (Quelle: s. S. 296).
Abb. 24
n
Vorderer Apprehensiontest (Quelle: s. S. 296).
Instabilitätszeichen
Tabelle 3
Instabilitätstests
Test
Aussagekraft
vorderer Apprehensiontest
(Abb. 25)
bei vorderer Instabilität: Sens.: 63 %
(Speer 1994) bzw. 52,8 % (Lo 2004)
modifizierter vorderer Apprehension−
test (Abb. 26)
hinterer Apprehensiontest (Abb. 27)
Sens.: 42 %, Spez.: 99 % (McFarland 2005)
Fulcrum−Test (Abb. 28)
bei vorderer Labrumpathologie:
Sens.: 69 % (Holovacs 2000)
Load−and−Shift−Test nach Hawkins
(Abb. 29)
Repositionstest (relocation test
nach Jobe u. Moynes) (Abb. 30)
bei vorderer Instabilität: 60 % (Lo 2004)
Hyperabduktionstest nach Gagey
(Abb. 31)
der Test war bei 85 % der Patienten mit
rezidiv. vorderen Luxationen mit > 1058
positiv, während die Gegenseite immer
< 908 blieb
und der Verdacht auf einen falsch negativen Test−
ausfall vorliegt, kann der Test aus Vorneigung des
Rumpfes wiederholt werden. Ein Schmerz beim Sul−
kus−Test ist ein Hinweis auf eine Labrum−Kapsel−
Läsion.
282
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
Da die glenohumerale Stabilität beurteilt werden soll,
ist bei allen Tests darauf zu achten, dass eine adäquate
Stabilisierung oder zumindest Lagekontrolle des Schul−
terblattes erfolgt. Dies geschieht durch manuelle Fixie−
rung bei Untersuchung im Sitzen, ggf. auch durch Un−
tersuchung im Liegen bei einigen Tests. Die entspre−
chenden Tests sind bereits in Orthopädie und Unfallchi−
rurgie up2date, Heft 2, März 2006 ausführlich erläutert
und werden deshalb hier nur tabellarisch dargestellt
(Tab. 3 ).
" Der Load−and−Shift−Test kann noch weiter differen−
ziert werden durch Einnahme von Rotationsstellun−
gen: In Innenrotation sollte die posteriore Translation
sehr gering werden, in Außenrotation die anteriore.
Der Load−and−Shift−Test ist auch als Narkoseunter−
suchung sehr aufschlussreich und gibt dann wertvolle
Informationen über den Anteil der kapsulären Laxizi−
tät am Ausmaß der Instabilität.
Instabilitätszeichen des AC−Gelenkes. Es wird dabei die
relative Verschiebung der lateralen Klavikula gegen die
Skapula beurteilt, wobei als Skapulareferenzstruktur
das Akromion dient.
Die vertikale Klavikulaverschieblichkeit prüft man
durch Fingerdruck auf die laterale Klavikula. Wenn ein
deutlich hochstehendes laterales Klavikulaende mit
diesem Manöver reponiert werden kann, spricht man
vom Klaviertastenphänomen (Abb. 31 ). Sehr viel leichter
auszulösen ist allerdings das umgekehrte Klaviertas−
tenphänomen: Man hebt am Ellenbogen den gesamten
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Hintergrund
Grad der Translation, bezogen auf den Load−and−Shift−Test nach Hawkins
n
Grad 0: keine oder minimale Ver−
schieblichkeit des Humeruskopfes
n
Grad 1: Verschieblichkeit bis an den
Rand des Glenoids, aber nicht darü−
ber; bis 25 % des Humeruskopfdurch−
messers
n
Grad 2: Verschieblichkeit bis zu 50 %
des Humeruskopfdurchmessers, aber
nicht darüber; spontane Reposition
bei nachlassender Vorkompression
n
Grad 3: Verschieblichkeit des Hume−
ruskopfes über den Glenoidrand hi−
naus mit spontaner Reposition bei
nachlassender Vorkompression
n
Grad 4: kann erweitert angegeben
werden für die beim Test erfolgende
Luxation, die der ärztlichen Repositi−
on bedarf
Abb. 27 n
Fulcrum−Test
(Quelle:
s. S. 296).
Abb. 25 n Modifizierter vorderer Apprehensiontest (Quelle:
s. S. 296). Der ventral gerichtete Schub wird mit der flachen Hand
unmittelbar distal des Humeruskopfes aufgebracht.
Abb. 28 n
Load−and−Shift−
Test nach Haw−
kins (Quelle:
s. S. 296). Die
Translation wird
unter manueller
lateraler Vor−
kompression
durchgeführt.
Abb. 26
n
Hinterer Apprehensiontest (Quelle: s. S. 296).
Schulterarmkomplex an, reponiert damit das Schulter−
eckgelenk und erreicht zusätzlich eine schmerzlindern−
de mechanische Entlastung bei diesem Manöver
(Abb. 32 ).
Zur Prüfung der horizontalen Klavikulaverschieb−
lichkeit wird mit einer Hand das Akromion so umfasst,
dass der Zeigefinger die laterale Kontur umgreift und
der Daumen auf der Spina scapulae liegt. Die Handflä−
che mit den restlichen Langfingern kommt dabei auf
dem Deltamuskel zu liegen. Mit Daumen und Zeigefin−
ger der anderen Hand wird die laterale Klavikula hori−
zontal verschoben. Normalerweise ist nur ein geringes
Gelenkspiel von wenigen mm möglich.
Instabilitätszeichen des SC−Gelenkes. Bei Instabilität
des SC−Gelenkes ist meist schon in Ruhe eine ventrale
Prominenz der medialen Klavikula gegenüber dem
Sternum sichtbar. Je nach Art und Ausmaß der Instabi−
lität gelingt oft eine Reposition oder Verstärkung der
Subluxationsstellung bei verschiedenen Manövern des
Schultergürtels, z. B. aktive oder passive direkte Retrak−
tion des Schulterblattes oder indirekte Retraktion durch
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
283
Schultergürtel und obere Extremität
a
Abb. 29
b
n
Repositionstest (relocation test nach Jobe und Moynes, Quelle: s. S. 296).
Abb. 30 n
Hyperabduk−
tionstest nach
Gagey (Quelle:
s. S. 296).
Abb. 31
n
Klaviertastenphänomen (Quelle: s. S. 296).
Abb. 32 n Umgekehrtes Klaviertastenphänomen
(Quelle: s. S. 296).
horizontale Abduktion des Armes aus 908 skapularer
Abduktion.
Zeichen der AC−Gelenkirritation
Das erkrankte oder verletzte AC−Gelenk zeigt fast im−
mer einen lokalen und eng umschriebenen Palpations−
schmerz über dem Gelenk.
Horizontaler Adduktionstest (Kompressionstest, Cross−
over−Test) (Abb. 33 ). Er ist mit passiver, forcierter hori−
zontaler Adduktion sehr sensibel, aber nicht sehr spezi−
fisch: Er fällt falsch positiv aus bei Verkürzung der
Außenrotatoren und/oder der hinteren Kapsel sowie bei
korakoidal und medial−ligamentär betontem Impinge−
ment.
284
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
Adduktions−Widerstands−Test (Abb. 34 ). Er hat sich
nach Jacob u. Sallay (1997) als sensitiver als der hori−
zontale Adduktionstest erwiesen. Seine Spezifität ist
nicht untersucht. Dabei drückt der Untersucher forciert
den um 908 flektierten Arm gegen den Widerstand des
Untersuchten in die Adduktion.
ACG−Differenzierungstest. Nach Buchberger (1999) ist
dieser Test besonders geeignet, AC−Gelenkaffektionen
von subakromialem Impingement zu differenzieren:
Der Untersucher drückt im lateralen Klavikuladrittel
nach kaudal. Mit der anderen Hand wird der adduzierte
und leicht außenrotierte Arm forciert flektiert. Ein
dabei auftretender Schmerz soll spezifisch für das ACG
sein.
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Abb. 33 n Horizontaler Adduktionstest (¹Cross−over−Test, Quelle:
s. S. 296).
Abb. 34
n
Adduktions−Widerstands−Test (Quelle: s. S. 296).
Palpationszeichen
Horizontaler Extensionstest. Neben der Kompression
kann auch die Distension des Gelenkes als Provokation
benutzt werden. Hierzu dient der horizontale Exten−
sionstest: Der in Schulterblattebene 908 erhobene Arm
wird passiv weiter nach dorsal gezogen. Es ist dabei auf
eine leichte Innenrotation der Schulter zu achten, um
nicht einen Pectoralis−major−Dehnungsschmerz auszu−
lösen.
Auch die aktive horizontale Adduktion ist als sog.
horizontaler schmerzhafter Bogen betroffen.
Hoher schmerzhafter Bogen (aktiv und passiv)
(s. Abb. 18 ): Jenseits von ca. 120 ± 1508 Armhebung
kommt es zur zunehmenden Kraftübertragung im AC−
Gelenk. Hierdurch wird bei AC−Gelenkaffektionen
Schmerz provoziert. Der Test ist aktiv wie passiv aus−
führbar. Bei passiver Ausführung wird er oft erst bei
forcierter Abduktion von > 1708 positiv.
Eine hypertrophe AC−Arthrose mit kaudalen Spornen
kann in dieser endstellungsnahen Position des Schul−
terhauptgelenkes auch zu einem sog. oberen Impinge−
ment führen, sodass zur Differenzierung ggf. neben ei−
ner intraartikulären ACG−Injektion und der klassischen
subakromialen Injektion auch eine subartikuläre Injek−
tion unter das AC−Gelenk erforderlich ist (s. u.).
Zeichen der SC−Gelenkirritation
Ein irritiertes SC−Gelenk ist fast immer bei lokaler Pal−
pation schmerzhaft. Oft tritt ein lokaler Schmerz bei
aktiver Hebung des Schultergürtels und Bewegung im
SC−Gelenk auf. Analog zum AC−Gelenk kann ein hori−
zontaler Adduktionstest als Kompressionstest und ein
horizontaler Abduktionstest als Distensionstest des Ge−
lenkes durchgeführt werden.
Es wird mit zunächst sanftem Druck eine zunehmende
Gewebeirritation durch ansteigenden Fingerdruck mit
leichten Rotations− und Friktionsbewegungen des Fin−
gers ausgeübt (Abb. 35). Irritierte Strukturen reagieren
dabei regelmäßig mit einer Schmerzreaktion.
An Muskeln werden dabei der Grundtonus wie eine
evtl. Druckschmerzhaftigkeit registriert. Standardmä−
ßig sollten der M. trapezius und M. sternocleidomastoi−
deus sowie der M. pectoralis major untersucht werden.
Triggerpunkte in den Mm. supra− und infraspinatus
sind häufig, in der Mehrzahl aber nicht hinweisend
auf lokale Schulterproblematik, sondern vielmehr auf
HWS−Affektion. Bei Kompressionssyndromen des N.
suprascapularis fällt oft eine besondere Druckschmerz−
haftigkeit der Spinatimuskeln auf.
An der Rotatorenmanschette werden die Insertions−
zonen sequenziell palpiert.
Bei Rotationsneutralstellung und leichter Extension
des Gelenkes trifft man präakromial−ventral auf die
Supraspinatussehne, weiter medial davon auf die Inter−
vallzone mit der langen Bizepssehne. Ein Druckschmerz
paraakromial−lateral findet sich bei Infraspinatusseh−
nenbeteiligung.
Durch zunehmende Innenrotation kann man den
Infraspinatusansatz auch präakromial eindrehen und
an der Stelle palpieren, wo sich der Supraspinatusansatz
in der Neutralrotation unter dem Deltamuskel befand.
Der Effekt wird noch verstärkt durch Extension des
Gelenkes. Anstelle der Palpation an verschiedenen prä−
und paraakromialen Punkten hat es sich deshalb be−
währt, am selben präakromialen Punkt zu palpieren
und dabei die Rotationsstellung zu variieren. Bei Au−
ßenrotation kann man dann auch die lange Bizepssehne
und den Oberrand des M. subscapularis erreichen.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
285
Schultergürtel und obere Extremität
Untersuchung auf neurovaskuläre
Irritations− und Kompressionsphänomene
(sog. Thoracic−Outlet−Syndrome)
Von proximal nach distal werden diese Syndrome in
verschiedenen anatomisch−topographischen Ebenen
hervorgerufen:
n
Als Halsrippensyndrom,
n
als Skalenus−anterior− oder Skalenus−minimus−
Syndrom,
n
als kostoklavikuläres Syndrom,
n
als Hyperabduktionssyndrom (Pectoralis−minor−
Syndrom).
Abb. 35 n Palpation der Schulter (Quelle:
s. S. 296). a Mit dem Griff nach Codman
können die Sehnenansätze der Rotatoren−
manschette orientierend mit den Fingern
einer Hand erfasst werden. b Die Palpation
sollte neben der Rotatorenmanschette auch
die weiteren Strukturen des Schultergürtels
erfassen (1 = AC−Gelenk, 2 = kritische Zone
der Supraspinatussehne präakromial vent−
ral, 3 = Insertionszone der Supraspinatus−
sehne am Tub. majus, 4 = lange Bizepssehne
im Sulkus, 5 = Insertion der Subskapularis−
sehne, 6 = SC−Gelenk. c Dorsal sollten die
Mm. supra− und infraspinatus (7 und 8) pal−
piert werden. d Bei der 1−Finger−Palpation
können durch Drehen des Armes die ver−
schiedenen Rotatorenmanschettenanteile
präakromial sequenziell getastet werden.
Alternativ ertastet man das Tuberculum minus und fin−
det unmittelbar medial davon den Subskapularisansatz.
Dorsal−infraakromialer Druckschmerz über Infraspi−
natusansatz und Kapsel findet sich oft als unspezifi−
sches Zeichen bei vorderen Instabilitäten.
An der langen Bizepssehne sollte palpatorisch auf
Druckschmerz intraartikulär (supratuberkulär) und im
Sulcus bicipitalis untersucht werden.
Ein Druckschmerz der Subskapularissehne wird
medial des gut tastbaren Tuberculum minus ausgelöst.
Am AC−Gelenk wird von kranial sowie an den Vor−
der− und Hinterkanten des Gelenkspaltes palpiert. Vor
allem der hintere Gelenkspalt ist bei AC−Gelenkaffek−
tionen oft schmerzhaft. Zudem wird der AC−Gelenkver−
schiebeschmerz bei horizontaler Verschiebung der
lateralen Klavikula unter gleichzeitiger Fixierung des
Schulterblattes geprüft. Dabei erhält man zusätzlich In−
formationen über die horizontale Translatierbarkeit.
Am SC−Gelenk wird ebenfalls auf Schmerz bei Druck
von ventral auf Kapsel und Gelenkspalt untersucht,
weiterhin ein evtl. provozierbarer SC−Gelenkverschie−
beschmerz (schräg kraniokaudale Verschiebung der
medialen Klavikula; eine Fixierung des Sternums ist in
der Regel nicht erforderlich) registriert.
286
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
Die Untersuchungsgänge beruhen alle darauf, dass mit
bestimmten Kopf− und Armhaltungen versucht wird,
eine Irritation/Kompression hervorzurufen und die ent−
sprechenden Beschwerden zu provozieren.
Es gibt in der Literatur immer wieder Angaben, dass
die Kompression oder Irritation in einer bestimmten
Etage spezifisch mit einem bestimmten Test verifiziert
werden könne. Harte Daten von Vergleichsuntersu−
chungen, die mit dem Ergebnis neurologischer und an−
giologischer Untersuchungen und Operationsbefunden
korreliert sind, findet man jedoch kaum. Insofern reicht
es für die klinische Routine, ein bestimmtes Spektrum
an Untersuchungsmanövern anzuwenden, um einen
klinischen Verdacht zu erhärten. Die Lokalisationsdiag−
nostik erfolgt dann durch bildgebende, neurologische
und angiologische Zusatzuntersuchungen.
" Da bei den verschiedenen Untersuchungsmanövern
auch bei symptomlosen Patienten Pulsdifferenzen
oder −absenzen auftreten können, sollte immer die
Gegenseite mituntersucht werden.
Adson−Test (Abb. 36 ). Der Radialispuls wird beim sit−
zenden Patienten palpiert. Der Kopf des Patienten wird
zur Untersuchungsseite gedreht. Während der Unter−
sucher den im Ellenbogen gestreckten Arm extendiert
und außenrotiert, soll der Patient tief einatmen und den
Atem anhalten. Der Test ist positiv, wenn der Radialis−
puls dabei verschwindet.
Allen−Test (Abb. 37 ). Der Arm des Patienten wird mit
gebeugtem Ellenbogen in die 908/908−Abduktions−Au−
ßenrotations−Position im Schultergelenk gebracht und
anschließend horizontal extendiert. Der Patient dreht
dabei den Kopf zur Gegenseite. Wenn der Radialispuls
dabei verschwindet, ist der Test positiv.
Halstead−Test. Der Untersucher tastet den Radialispuls.
Während der Kopf extendiert und zur Gegenseite ge−
dreht wird, erfolgt ein distal gerichteter Zug am Arm.
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Abb. 36
n
Adson−Test (Quelle: s. S. 296).
Abb. 38
n
Roos−Test (Quelle: s. S. 296).
Ischämieschmerz verspürt, wird der Test als positiv an−
gesehen.
Abb. 37
n
Allen−Test (Quelle: s. S. 296).
Verschwinden des Pulses wird als positiver Test ge−
wertet.
Kostoklavikular−Syndrom−Test . Der Radialispuls wird
palpiert. Durch kaudal und dorsal gerichteten Zug am
herabhängenden Arm und ggf. gleichzeitigen Druck auf
die Schulter von oben verschwindet der Radialispuls.
Der Test wird auch als sog. Military−Brace−Test in der
englischen Literatur bezeichnet, da ein ähnlicher Me−
chanismus wirkt, wenn beim Tragen von Tornistern
oder Rucksäcken Symptome auftreten. Zum Teil wird
auch der Geisel−Test (symmetrische Abduktion/Außen−
rotation beider Arme bis ca. 908) als kostoklavikulärer
Test bezeichnet.
Roos−Test (Abb. 38 ). Bei stehendem Patienten wird der
Arm in die 908/908−Abduktions−Außenrotations−Posi−
tion und leichte zusätzliche horizontale Extension ge−
bracht. Die Hände werden dann langsam über 3 Minu−
ten geöffnet und wieder zur Faust geschlossen. Wenn
der Patient die Armposition nicht über 3 Minuten ein−
halten kann, Schwäche, Sensibilitätsstörungen oder
Wright−Test . Der Arm wird mit gestrecktem Ellenbogen
maximal abduziert, ggf. der Kopf zusätzlich rotiert und
extendiert. Verschwinden oder Abschwächung des Ra−
dialispulses werden als positiver Test gewertet. Der Test
wurde für die kostoklavikuläre Enge beschrieben.
Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Tests wie den
Naffziger−Test, den Geisel−Test, den passiven Schultergür−
telhebetest, Modifikationen des Roos−Tests wie den Ab−
duktions−Provokations−Test. Es liegt kein Datenmaterial
vor, aus dem sich eine diagnostisch besonders sichere
und zuverlässige Testkombination ableiten ließe.
Vieldeutigkeit einzelner Untersuchungs−
befunde und Tests
Bei entzündlichen (synovialitischen) Affektionen wie
z. B. der adhäsiven Kapsulitis oder bei rheumatoider
Arthritis findet sich an vielen Lokalisationen ein Druck−
schmerz. Es ist deshalb wichtig, vollständig zu untersu−
chen, um nicht bei verkürztem Untersuchungsschema
eine falsche lokalisatorische Zuordnung zu treffen,
wenn man z. B. ausschließlich den Supraspinatusansatz
präakromial ventral als häufigste Lokalisation eines
Druckschmerzes untersucht hat. Auch die sog. Im−
pingementzeichen sind in diesen Fällen positiv, aber
bereits bei einem Bewegungsausmaß, das man als
kapsulären Sektor bezeichnet.
Schmerz bei forcierter horizontaler Adduktion (sog.
Überkreuzungstest oder Cross−over−Test) ist zwar vor
allem ein Zeichen der AC−Gelenksaffektion. Der Test
kann aber auch positiv sein beim sog. korakoidalen Im−
pingement oder bei einer Verkürzung dorsaler Struktu−
ren wie des M. infraspinatus, M. teres minor und der
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
287
Schultergürtel und obere Extremität
dorsalen Kapsel. Auch an einen Dehnungsschmerz des
dorsalen Deltamuskelanteiles ist zu denken. Wenn ein
bestätigender Untersuchungsbefund wie z. B. lokaler
Druckschmerz am AC−Gelenk fehlt, ist ein unspezifi−
scher Befund in Erwägung zu ziehen, der durch weitere
Tests und ggf. die diagnostische lokale Injektion zu be−
stätigen oder auszuschließen ist.
Der lokale Druckschmerz an den Sehneninsertionen
der Mm. supra− und infraspinatus ist gleichfalls zu fin−
den bei den Fällen isolierter Bursitis subacromialis, wie
sie z. B. nach extremen und ungewohnten Schulterbe−
lastungen und auch als harmlose Nacherkrankung
infolge von Virusinfekten gefunden wird. Auch bei ent−
zündlich−rheumatischem Befall der Bursa subacromia−
lis werden die lokalisationsspezifischen Palpationstests
unspezifisch positiv ausfallen.
Vom klinischen Befund zur klinischen
Diagnose
Die Mosaiksteine des Befundes müssen sinnvoll zu
einer Diagnose zusammengesetzt werden. Gegebenen−
falls sind zur weiteren Klärung diagnostische Injektio−
nen erforderlich. Es gibt dabei klassische Konstella−
tionen von Anamnese und Befund, die unproblematisch
eine Diagnose ermöglichen, und überlappende an−
amnestische Angaben und z. T. unscharfe oder diskre−
pante Befunde der klinischen Untersuchung. In solchen
Fällen liegen in der Regel Überschneidungen klar defi−
nierter klinischer Entitäten vor wie z. B. beim sog. In−
stabilitätsimpingement, d. h. einer zugrunde liegenden
Instabilität mit sekundär entwickelter Impingement−
symptomatik oder aber 2 parallel entwickelte, unab−
hängig voneinander bestehende Affektionen wie eine
Erkrankung des Subakromialraumes in Verbindung mit
einer Arthrose des AC−Gelenkes. Dabei kann z. B. das
AC−Gelenk selbständig symptomatisch sein oder aber
durch kaudale Osteophyten an den Impingementpro−
zessen teilnehmen. In solchen Situationen ist oft die
diagnostische Lokalanästhesie sehr hilfreich: Der
Schmerz durch Arthrose des AC−Gelenkes kann durch
die intraartikuläre Injektion blockiert werden. Die Im−
pingementsymptomatik durch kaudale ACG−Osteophy−
ten lässt sich durch eine solche Injektion nicht beein−
flussen.
Ein lokaler Druckschmerz am AC−Gelenk und u. U.
auch positiver Überkreuzungstest kann auch bei ster−
naler Belastungshaltung durch Kapselstress im AC−Ge−
lenk auftreten. Eine Untersuchung in habitueller Hal−
tung und aufgerichteter Haltung hilft hier weiter.
Ein Apprehensiontest kann gelegentlich durch kra−
niale Kapsel− und Sehnenverwringung und/oder Auslö−
sung eines Impingements falsch positiv sein. Dabei tritt
dann meist neben der für die Bewertung des Apprehen−
siontests wichtigen muskulären Anspannung auch ein
288
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
diffuser oder vorwiegend ventraler Schmerz auf, der
nicht dem für ein positives Apprehensionphänomen er−
warteten dorsalen Schmerz entspricht. Bei erheblicher
Tendinitis der Rotatorensehnen und Impingmentphä−
nomenen wird die gereizte Rotatorensehne gegen den
korakoakromialen Bogen gedrückt. In diesen Fällen ist
der Schmerz beim Apprehensiontest ein Äquivalent zu
den Impingementzeichen.
Sowohl Druckschmerz der langen Bizepssehne wie
auch ein positiver Palm−up−Test/Speed−Test können
nicht nur vorliegen bei einer Affektion der langen Bi−
zepssehne, sondern auch bei Befall der Intervallzonen−
region der Rotatorenmanschette zwischen M. supraspi−
natus und M. subscapularis und der unmittelbar
benachbarten Rotatorenmanschettenanteile.
Bedeutsam ist auch die Altersgruppe des Patienten,
da z. B. neu aufgetretene Instabilitäten ohne Trauma
jenseits des 50. Lebensjahres fast nicht mehr gefunden
werden, wenn keine massiven Rotatorenmanschetten−
defekte vorliegen. Umgekehrt sind Rotatorenmanschet−
tendefekte vor dem 40. Lebensjahr selten.
n
Injektionstests
Punktionen und Injektionen können als sog. Provoka−
tions− oder Suppressionstests durchgeführt werden.
Klassisches Beispiel für Provokationstests sind Punktio−
nen der lumbalen Wirbelgelenksfacetten zur Identifi−
zierung des Schmerzgenerators bei pseudoradikulären
Lumbalsyndromen. An der Schulter sind provokative
Punktionen und Injektionen nicht gebräuchlich. Hier
finden vielmehr ausschließlich suppressive bzw. ablati−
ve diagnostische Injektionen Anwendung: Gemeinsa−
mes Prinzip ist die gezielte Injektion eines Lokalanäs−
thetikums in ein möglichst geschlossenes Gewebe−
kompartiment zur Blockade von dort vermutlich aus−
gelösten Schmerzreaktionen. Der Effekt kann dann
wiederum mit Provokationsmanövern der klinischen
Untersuchung überprüft werden.
Die Tests sollten grundsätzlich mit kleinen Mengen
hochkonzentrierter Lokalanästhetika durchgeführt
werden, um möglichst die benachbarten Strukturen
nicht durch Diffusion mitzubeeinträchtigen.
Impingementtest nach Neer
Indikation. Bestätigung oder Ausschluss von subakro−
mialen Impingementsymptomen. Differenzierung des
subakromialen Schmerzanteiles bei kombinierter
Pathologie, z. B. gleichzeitiger AC−Arthrose oder Omar−
throse.
Prinzip. Subakromiale, möglichst intrabursale Injektion
blockiert die Nozizeption der kranialen Rotatorenman−
schette. Ein zuvor positives Impingementzeichen wird
negativ. Eine ausschließlich schmerzinduzierte Schwä−
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Durchführung (blind). Von lateral, dorsal, anterior oder
anterolateral wird auf den Subakromialraum gezielt,
nachdem zuvor die Unterkante des Akromions palpiert
wurde. Die Injektion sollte in spitzem, möglichst gerin−
gem Winkel zur Sehnenoberfläche erfolgen. Bei Injek−
tion von dorsal wird auf die anterolaterale Akromion−
kante gezielt. Die Sehne kann angestochen werden. Der
Stempeldruck bei versuchter Injektion ist dabei sehr
hoch, die Injektion u. U. überhaupt nicht möglich. Die
Nadel wird dann langsam zurückgezogen (meist nur
1 ± 2 mm), bis die Injektion leicht erfolgt. In der Regel ist
man dann in der Bursa. Es werden 2 bis max. 5 ml eines
1 ± 2 %igen Lokalanästhetikums benutzt (Bupivacain:
0,5 ± 0,75 %).
Abb. 39 n Subakromiale Injektion von anterolateral
(Quelle: s. S. 296).
Glenohumeraler Injektionstest
Indikation. Bestätigung oder Ausschluss artikulärer Pa−
thologie, z. B. bei Omarthrosen, Differenzierung adhäsi−
ver Subakromialsyndrome von adhäsiven Kapsulitiden,
auch bei Instabilitäten, da ein positiver Apprehension−
test dadurch unterdrückt wird.
Prinzip. Hilft in Kombination mit Apprehension− und
Repositionstest, das instabilitätsassoziierte Impinge−
ment zu differenzieren. Blockiert auch die Symptomatik
von SLAP−Läsionen. Bei kompletten Rotatorenman−
schettendefekten nur hilfreich zur Differenzierung ei−
ner schmerzinduzierten Schwäche, nicht jedoch lokali−
satorisch, da dabei Austritt des Lokalanästhetikums in
den Subakromialraum.
Durchführung
Injektion von dorsal: ca. 1 ± 2 cm (abhängig von der
Größe des Patienten) jeweils unterhalb und medial
der posterolateralen Akromionecke Einstechen der
Nadel in Richtung auf den Processus coracoideus.
Das Gelenk sollte sich dabei zur Anspannung der
dorsalen Strukturen in leichter Innenrotation befin−
den. So spürt man besser die Perforation der Gelenk−
kapsel. Injektion von 10 ml eines 1 %igen Lokalanäs−
thetikums (Bupivacain: 0,5 %).
n
Injektion von ventral: Unmittelbar lateral des Proces−
sus coracoideus wird mit ca. 208 nach medial gerich−
teter Nadel eingestochen. Eine zusätzliche kaudale
Inklination der Nadel ist meist nicht erforderlich.
Man perforiert hier entweder die Intervallzone
(Durchtritt oft nicht zu fühlen) oder den sehr kräfti−
gen Kranialrand der Subskapularissehne. Hier ist
eine Injektion meist nicht möglich. Es tritt ein deut−
liches Widerstandsverlustphänomen auf bei weite−
rem Vorschieben der Nadel mit plötzlich stark abfal−
lendem Injektionswiderstand ähnlich einer epidu−
ralen Injektion nach Perforation des Lig. flavum. Die
Injektion sollte in Außenrotation erfolgen, damit
einerseits die ventralen Strukturen angespannt sind,
n
Abb. 40
n
Subakromiale Injektion von dorsal (Quelle: s. S. 296).
che der Armhebung oder Außenrotation verschwindet.
Die Injektion kann von lateral, dorsal, anterior oder von
anterolateral (von den Autoren bevorzugt) durchgeführt
werden (Abb. 39 u. 40 ).
Sie kann auch unter sonographischer Kontrolle er−
folgen, was die Präzision wesentlich verbessert, da nach
eigenen Untersuchungen mindestens 30 % der blinden
subakromialen Injektionen nicht korrekt den Bursa−
raum treffen.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
289
Schultergürtel und obere Extremität
Diese können ± falls nicht erkannt ± für die Fehlschläge
von subakromialen Dekompressionsoperationen ver−
antwortlich sein.
Abb. 41 n
ACG−Injektion
(Quelle:
s. S. 296).
Bildgebung an der Schulter
wodurch die Perforation der Kapsel besser zu spüren
ist. Andererseits verhütet die Außenrotation, dass die
Nadelspitze auf das Tuberculum minus aufläuft.
ACG−Injektionstest
Indikation. Identifizierung des AC−Gelenkes als
Schmerzgenerator. Auch bei Operation von Rotatoren−
manschettendefekten wichtig, um das ACG als wesent−
lichen, begleitenden Schmerzgenerator zu identifizie−
ren und ggf. mitzubehandeln, da in der typischen
Altersgruppe mit RM−Defekten radiologisch apparente
AC−Arthrosen sehr häufig sind. Da die Inklination des
Eckgelenkes stark variabel ist zwischen vertikaler Aus−
richtung und bis zu ca. 708 Neigung nach lateral, sollte
man sich zuvor am Röntgenbild orientieren (Abb. 41).
Subartikulärer ACG−Injektionstest
Indikation. Zur Differenzierung des seltenen Impinge−
ments durch kaudale Osteophyten des AC−Gelenkes.
Hintergrund
Die häufigsten (Verdachts)Diagnosen
am Schulterhauptgelenk und den
periartikulären Strukturen der Rota−
torenmanschette, langen Bizeps−
sehne und Bursa subacromialis/sub−
deltoidea:
n
Subakromialsyndrome mit und ohne
Rotatorenmanschettenrupturen/
−defekte
n
Instabilitäten und Luxationen des
GH−Gelenkes
n
artikuläre Erkrankungen des Gleno−
humeralgelenkes (GH−Gelenk)
(Arthrose, rheumatoide Arthritis und
andere entzündlich−rheumatische
Gelenkerkrankungen)
290
n
Humeruskopfnekrose
n
Frakturen von Humeruskopf, Glenoid,
Akromion oder Processus coracoi−
deus
am Schultereckgelenk:
n
posttraumatische frische oder veral−
tete Instabilitäten und (Sub)Luxatio−
nen des Schultereckgelenkes (AC−Ge−
lenk)
n
artikuläre Erkrankungen des AC−Ge−
lenkes (idiopathische oder posttrau−
matische Arthrose, laterale Klaviku−
laosteolyse, entzündlich−rheumati−
sche Erkrankungen)
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
Die darzustellenden, diagnostisch relevanten Struktu−
ren sind ossär der Humeruskopf und die Skapula mit
dem Glenoid sowie die knöchernen Anteile des kora−
koakromialen Bogens (Akromion und Processus cora−
coideus) und die laterale Klavikula.
Weichteilig ± und damit der konventionellen Rönt−
gendiagnostik nicht mehr direkt zugänglich ± interes−
sieren die Rotatorenmanschette mit den 4 Sehnen und
der Kapsel, das Labrum glenoidale, die lange Bizepsseh−
ne, die Bursae subacromiales und subdeltoidea sowie
am AC−Gelenk die Kapsel und der Discus articularis, die
korakoklavikulären Bänder und die Deltotrapezoidfas−
zie mit den Insertionen von Delta− und Trapeziusmuskel
an lateraler Klavikula und Akromion. Diese Darstellun−
gen sind die Domäne der Sonographie und MRT.
In der klinischen Praxis kommen neben der konven−
tionellen Röntgendiagnostik die Sonographie, die Ar−
thrographie, die (Arthro−)Computertomographie (CT),
die (Arthro−)Magnetresonanztomographie (MRT) und
die Szintigraphie zum Einsatz.
Konventionelle Röntgendiagnostik
Die konventionelle Röntgendiagnostik stellt die Kno−
chenkonturen, die Stellungsrelationen der Knochen zu−
einander, die von der Knorpeldicke abhängige radiolo−
gische Distanz der Gelenkpartner (den sog. Gelenk−
spalt), die Knochenstruktur und den Kalksalzgehalt dar.
Die Hauptindikationen sind in Tab. 4 aufgeführt. Im
Folgenden sind sinnvolle Standardprojektionen aufge−
führt.
n
Echte a.−p. Projektion
Bei der sog. echten a.−p. Projektion (true a.−p. Projek−
tion) (Abb. 42 , Abb. 43 ) liegt das Schulterblatt annä−
hernd parallel zum Film. Somit wird der Körper des
Patienten gegenüber einer a.−p. Aufnahme in der Kör−
perfrontalebene um ca. 30 ± 458 zur Richtung der dar−
zustellenden Schulter gedreht. Das Ausmaß richtet sich
nach der Stellung der Schulterblätter. In dieser Projek−
tion wird der Gelenkspalt frei dargestellt. Um die verti−
kale Zentrierung des Humeruskopfes gegenüber der
Pfanne beurteilen zu können, muss eine Aufnahme bei
stehendem oder sitzendem Patienten mit herabhän−
gendem, nichtunterstütztem Arm erfolgen. Der Strah−
lengang ist dabei gering absteigend (ca. 108).
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Tabelle 4
Hauptindikationen zur konventionellen Röntgendiagnostik
atraumatische Anamnese:
n
n
n
n
Erfassung von Arthrosen und Arthritiden des Glenohumeralgelenkes und
AC−Gelenkes durch Veränderungen des Gelenkspaltes und knöcherne Sekundär−
veränderungen der artikulierenden Knochen
Darstellung der korrekten Zentrierung der Gelenkpartner von Schulterhaupt− und
−eckgelenk zueinander
Darstellung von rheumatischen Veränderungen
Abbildung von Sekundärveränderungen am korakoakromialen Bogen und
Humeruskopf bei subakromialen Syndromen
Traumaanamnese:
n
Frakturen und (Sub)Luxationen des GH−Gelenkes und AC−Gelenkes
Abb. 42 n Positionierung zur echten a.−p. Projektion
(Quelle: s. S. 296).
Der Humeruskopf steht in Neutral− und Außenrotation
des Gelenkes so der Pfanne gegenüber, dass eine fiktive
Linie als Analogie zur MØnard−Shenton−Linie an der
Hüfte nicht unterbrochen ist. Dies ist ein Maß für die
vertikale Zentrierung. Diese Linie, von Bandi (1981) als
Halslinie beschrieben, wird gelegentlich auch als Malo−
ney−Linie bezeichnet (Abb. 44 ). Sie darf nicht verwech−
selt werden mit dem Maloney−Bogen in der transthora−
kalen Aufnahme, einem Hinweis auf Schulterluxation
(Dorgan 1955). Eine unterbrochene Maloney−Linie ist
ein Hinweis auf kraniale Dezentrierung. In Innenrota−
tion ist diese Linie durch die birnenförmige Kopfdar−
stellung nicht so gut beurteilbar.
Es gibt zur a.−p. Aufnahme verschiedene Empfehlun−
gen zur Rotationsstellung des Armes. Am besten erfolgt
sie in Neutral−Rotations−Stellung des Armes, da so so−
wohl die vertikale Gelenkzentrierung wie das Tubercu−
lum majus besser zu beurteilen sind. Bei besonderen
Fragestellungen, vor allem nach Traumen, kann sie als
Aufnahme in Innenrotation und/oder Außenrotation
angefertigt werden.
n
Abb. 43 n Röntgenbild der Schulter in
echter a.−p. Projektion.
Abb. 44 n Hals− oder Maloney−Linie der
Schulter.
Abb. 45 n
Röntgenbild in
transaxillärer
Projektion.
Transaxilläre Aufnahme
Sie kann sowohl bei liegendem wie bei sitzendem Pa−
tienten angefertigt werden. Sie kann in skapularer Ebe−
ne wie in Frontalebene bei ca. 80 ± 1008 abduziertem
Arm angefertigt werden. Sie ist bei frisch verletzten Ge−
lenken auch in geringerer Abduktion möglich. Sie stellt
gut die horizontale Zentrierung sowohl des Humerus−
kopfes gegenüber der Pfanne wie auch der lateralen
Klavikula auf das Akromion dar (Abb. 45 ). Auch Läsio−
nen des vorderen und hinteren Pfannenrandes sowie
des Tuberculum minus sind gut beurteilbar. Weiterhin
sind am Akromion in dieser Aufnahme gut die evtl.
offenen Fugen der akromialen Apophysen darstellbar,
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
291
Schultergürtel und obere Extremität
gedreht, dass die Längsachse des Schulterblattes etwa
parallel zum Strahlengang läuft. Der Strahlengang ist
dabei etwas abwärts gerichtet (ca. 10 ± 158, ggf. bei stark
hängendem oder hochgezogenem Schulterblatt adap−
tiert). Diese Aufnahme bildet mit der gegabelten Dar−
stellung von Spina scapulae und Akromion dorsal und
dem Processus coracoideus ventral die obere Hälfte
eines Y dar. Die untere Hälfte bildet der Skapulakörper.
Sie stellt einerseits ebenfalls die horizontale Zentrie−
rung von Humeruskopf und Pfanne dar. Zum anderen
bildet sie die knöchernen Begrenzungen des korakoa−
kromialen Bogens und damit den Supraspinatusaus−
gangskanal ab. Diese Aufnahme wird deshalb in der
englischen Literatur auch als sog. Outlet−View bezeich−
net. Die ± nicht unumstrittene ± Klassifizierung der
Akromionformen nach Bigliani u. Mitarb. (1986) wird
anhand dieser Aufnahme vorgenommen (Abb. 47 ). Eine
Variante ist die funktionelle laterale Aufnahme nach
Alexander (1949) zur Beurteilung von (Sub)Luxationen
im AC−Gelenk (s. u.).
Abb. 46 n
A.−p. Aufnahme
in Abduktion
und Außenrota−
tion.
n
Abb. 47 n Röntgenbild in Y−Projektion. a Mit sog. Typ−I−Akromion. b Mit sog. Typ−II−
Akromion mit zusätzlichem Sporn.
A.−p.−Aufnahme in Abduktion und
Außenrotation
Sie projiziert den bei der sog. echten a.−p.−Aufnahme
des GH−Gelenkes meist nichteinsehbaren Gelenkspalt
des AC−Gelenkes. Sie erlaubt neben der transaxillären
Aufnahme (Abb. 48 ) ebenfalls eine Beurteilung des
Akromions hinsichtlich nichtverknöcherter Apophy−
senfugen (Abb. 46 ). Zudem wird durch die Außenrota−
tion das Tuberculum minus randbildend und beurteil−
bar.
n
AC−Gelenk−Zielaufnahme nach Zanca (1971)
Sie erfolgt als a.−p. Aufnahme (Körperquerachse parallel
zum Film) mit ansteigendem Strahlengang. Dadurch
wird der Gelenkspalt frei projiziert (Abb. 49 ).
n
Abb. 48 n Transaxilläre Aufnahmen. a Straffe, offene metamesoakromiale Apophysen−
fuge. b Mobile, offene metamesoakromiale Apophysenfuge.
die auch in a.−p. Aufnahmen in Abduktion, Außenrota−
tion sichtbar sind (Abb. 46).
n
Axiale laterale Skapulaaufnahme
(sog. Y−Aufnahme)
Sie geht auf die sog. Cavitas−en−Face−Aufnahme von
Wijnbladh (1933) zurück. Bei dieser Aufnahme wird der
Patient mit der lateralen Schulterkontur so vor den Film
292
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
Belastungsaufnahmen
In der Diagnostik der AC−Gelenkinstabilitäten werden
Belastungsaufnahmen eingesetzt. Die herabhängenden
Arme werden dabei mit Gewichten von 5 ± 15 kp belas−
tet (wir halten 5 kp für ausreichend), die möglichst
nicht mit den Händen gehalten werden sollen, sondern
über Schlaufen o. ä. am Unterarm hängen, um keine re−
aktive Muskeltonuserhöhung zu induzieren. Gemessen
und beurteilt wird der Höhenstand der Klavikula in Re−
lation zum Akromion nach den Schemata von Tossy u.
Mitarb. (1963), Allman (1967) und Rockwood (1984)
sowie der korakoklavikuläre Abstand. So genannte Pa−
noramaaufnahmen des Schultergürtels mit gleichzeiti−
ger Darstellung beider Schultereckgelenke erlauben den
Seitenvergleich.
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
Abb. 49 n Unter−
schiedliche Darstel−
lung des Schulter−
eckgelenkes.
a In echter a.−p. Pro−
jektion. b AC−Gelenk−
Projektion nach
Zanca.
Abb. 50
n
Darstellung der dynamischen Instabilität des AC−Gelenkes nach Alexander.
Hintergrund
Spezialprojektionen (für die Darstellung anteroinferiorer Glenoidschäden)
n
Die funktionelle axiale Darstellung des AC−Gelenkes
gelingt mit der Aufnahme nach Alexander (1949)
(Abb. 50 ).
n
n
Weitere Röntgentechniken
Frakturen des Glenoids und insbesondere dessen Ran−
des (knöcherne Bankartläsion) sind oft in der konven−
tionellen Diagnostik nur zu vermuten und kleine Gle−
noidfrakturen bzw. knöcherne Bankartdefekte entgehen
der konventionellen Diagnostik vielfach. Wenn Spezial−
aufnahmen z. B. nach Bernageau (1976) keine sichere
Klärung bringen, sollte bei entsprechendem Verdacht
eine CT− oder ggf. MRT−Untersuchung erfolgen.
Daneben werden noch die sog. West−Point−Aufnahme
und die Stryker−Notch−Aufnahme zur Beurteilung des
vorderen Pfannenrandes und des Hill−Sachs−Defektes
eingesetzt, die aber heute gegenüber CT und MRT in den
Hintergrund treten.
Hintere Luxationen werden häufig primär überse−
hen, da das a.−p. Röntgenbild oft nicht eindeutig die
Luxation zeigt. Hinweise sind neben der klinisch auffäl−
ligen, fixierten Innenrotationsstellung die sog. Trough−
Line im Röntgenbild (Abb. 51 ), eine vertikal verlaufende
Kerbe im Humeruskopf, die der Begrenzung des
Die Aufnahme nach Bernageau
u. Mitarb. (1976) ist eine standardi−
sierte transaxilläre Aufnahme mit
dem Ziel, exakt das Pfannenprofil
einzustellen und damit auch kleinste
Pfannenrandläsionen zu erkennen.
Nach Lugger und Resch (1987) ist die
Aufnahme, die bei liegendem Patien−
ten in ca. 808 Abduktion und 308 Au−
ßenrotation mit Zentralstrahl durch
die Achsel durchgeführt wird, mit
einer zuvorigen a.−p. Orientierungs−
aufnahme in dieser Gelenkstellung
besser zu standardisieren. Der Ein−
schwenkwinkel der Röhre kann damit
besser festgelegt werden.
Bei der West−Point−Aufnahme, einer
modifizierten transaxillären Aufnah−
me in Bauchlage (Roukus et al. 1972),
wird der Arm um 908 abduziert, der
Ellenbogen ist ebenfalls 908 gebeugt,
der Unterarm hängt vom Tisch herab.
Die Kassette befindet sich über der
Schulter, die Strahlrichtung ist krani−
al−medial mit dem Zentralstrahl un−
terhalb und medial des AC−Gelenkes.
Die Aufnahme ist besonders geeignet
zur Darstellung kleiner knöcherner
Bankart−Läsionen.
n
Die Stryker−Aufnahme wird in Rü−
ckenlage mit abduziert−außenrotier−
tem Arm und der Hand hinter dem
Kopf durchgeführt und ist neben der
Darstellung des unteren Pfannenran−
des besonders geeignet, Hermods−
son−Hill−Sachs−Defekte abzubilden.
McLaughlin−Defektes entspricht. Weitere Zeichen sind
die Birnenform des Humeruskopfes durch die fixierte
Innenrotation, das sog. Rim−Sign nach Arndt und Sears
mit einer Distanzierung von Kopfrand und vorderem
Glenoidrand von > 6 mm sowie ein unterbrochener Ma−
loney−Bogen.
Die Diagnose springt sofort ins Auge, wenn man eine
transaxilläre Röntgenaufnahme (Abb. 52 ) oder ± falls
dies in seltenen Fällen nicht möglich sein sollte ± eine
lateral−axiale Projektion (Y−Aufnahme) durchführt.
Die Velpeau−Aufnahme wird mit zurück geneigtem
Oberkörper durchgeführt, sodass die Schulter den
Röntgentisch mit dem Film überragt. Sie ist auch für im
Gilchrist− oder Desault−Verband immobilisierte Patien−
ten geeignet.
Es werden in der Literatur verschiedentlich sog.
Traumaserien erwähnt und von Aufnahmeserien bei de−
generativen oder rheumatischen Erkrankungen unter−
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
293
Schultergürtel und obere Extremität
Abb. 51 n
Hintere Luxa−
tion im a.−p.
Röntgenbild.
Tabelle 5
Hauptindikationen der Schultersonographie
Abb. 52 n
Hintere Luxa−
tion im trans−
axillären Rönt−
genbild.
n
posttraumatische oder degenerative Veränderungen der
Rotatorenmanschette (einschließlich der Tendinosis calcarea),
der langen Bizepssehne sowie der Bursae subacromialis et
subdeltoidea
n
Darstellung von rheumatischen Synovitiden, Bursitiden und
Rotatorenmanschetten− und Bizepssehnenschäden
n
Darstellungen von Humeruskopfkortikalisdefekten, haupt−
sächlich der Hermodsson−Hill−Sachs−Defekte bzw. der
McLaughlin−Defekte nach vorderer bzw. hinterer Schulter−
luxation sowie von Usuren bei rheumatischen Erkrankungen
und prätuberkulären Erosionen bei Erkrankungen der Rota−
torenmanschetteninsertion. Auch können Veränderungen
der subchondralen Kortikalis bei Osteonekrosen des
Humeruskopfes und bei Arthrosen abgebildet werden
n
Darstellung von Kapselverdickungen und Stellungsverände−
rungen am AC−Gelenk sowie die posttraumatischen Schäden
der Deltotrapezoidfaszie bei höhergradigen AC−Gelenk−
sprengungen. Analoge Veränderungen am SC−Gelenk sind
ebenfalls nachweisbar
n
Nachweis von Gelenkergüssen. Ergüsse von mehr als 30 ml
Volumen führen regelmäßig zu einer Füllung der Sehnen−
scheide der langen Bizepssehne mit Ausbildung eines sog.
Halo−Phänomens (Rupp et al. 1999)
n
Nachweis von Labrum−Kapsel−Ablösungen (z. B. nach
Schulterluxation)
Sonographie
schieden. Wir halten dies für überholt. Eine Serie mit
echter a.−p. Aufnahme des Schultergelenkes, axial−late−
raler Aufnahme (Y−Aufnahme) und mit transaxillärer
Projektion stellt alle relevanten Strukturen in 3 Ebenen
dar. Bei klinischem Verdacht und nach Traumen kann
sie ggf. durch Rotationsaufnahmen, Pfannenprofilauf−
nahmen und Ziel− sowie Belastungsaufnahmen des AC−
Gelenkes ergänzt werden.
Die immer noch üblichen transthorakalen Aufnah−
men nach Lawrence (1918) sind durch die Überlagerung
mit den Rippen und den Thoraxorganen nur mühsam zu
interpretieren, kontrastarm und von oft zweifelhaftem
Informationsgehalt. Sie sind bei Einsatz der 3 genann−
ten Projektionen obsolet, da sie keine relevanten Zu−
satzinformationen erbringen.
294
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 271 ± 302
Die Domäne der Ultraschalldiagnostik sind Weichteil−
veränderungen, die an der Schulter vor allem an der
Rotatorenmanschette, der langen Bizepssehne und der
Bursa subacromialis/subdeltoidea zu erwarten sind.
Knöcherne Konturdarstellungen sind sehr zuverlässig,
wohingegen durch die Totalreflexion am kortikalen
Knochen das Innere der Knochen der Sonographie ver−
borgen bleibt. Zudem sind Stellungsrelationen von
Knochen einfach zu erfassen, wie zum Beispiel bei
(Sub)Luxationen des AC− oder SC−Gelenkes. Standard ist
heute die Untersuchung mit 7,5− bis ca. 12−MHz−Linear−
Schallköpfen. Bei der Untersuchung muss die Schall−
kopfpositionierung die Überlagerung von Teilen der
Rotatorenmanschette durch das Akromion berücksich−
tigen und durch geeignete Technik umgehen (Hedt−
mann u. Fett 1991). Bei Untersuchung nach den Emp−
fehlungen des Arbeitskreises ¹Stütz− und Bewegungs−
organe“ der DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultra−
schall in der Medizin) können alle relevanten Anteile
der Rotatorenmanschette, langen Bizepssehne und der
Klinische und radiologische Untersuchung der Schulter
periartikulären Schleimbeutel dargestellt werden. Die
Darstellung des hinteren Labrums ist gut, die des vor−
deren Labrums nur schwierig möglich. Eine Beurteilung
des Kapselvolumens gelingt nicht, hingegen sind Er−
güsse gut und reproduzierbar zu erfassen.
SLAP−Läsionen sind aus anatomischen Gründen we−
gen der Akromionüberlagerung nicht darstellbar. Auch
das AC−Gelenk ist darstellbar. Der Diskus ist nicht re−
produzierbar zu beurteilen.
Die Hauptindikationen der Schultersonographie sind
der Tab. 5 zu entnehmen.
Nur die Sonographie bietet die Möglichkeit, im Echt−
zeitverfahren am bewegten Gelenk zu untersuchen.
Auch die modernen Bewegungsstudien in offenen
MRT−Geräten sind tatsächlich bislang nur pseudodyna−
mische Abbildungen.
Weitere Indikationen sind bei dynamischen Unter−
suchungen die Darstellung von Translationen in der
Instabilitätsdiagnostik des Glenohumeral− und AC−Ge−
lenkes.
Computertomographie
Die Computertomographie stellt gut die knöchernen
Relationen dar, insbesondere auch die Stellung von Kopf
und Pfanne zueinander in der Transversalebene. Die
Auflösung ist ± vor allem mit den Spiral−CT−Geräten der
neuesten Generation ± wesentlich besser als diejenige
des MRT und die Aufnahmezeiten sind kürzer.
Mit keinem anderen Verfahren können in gleicher
Informationsfülle und Präzision die biometrischen
Parameter der Pfanne wie Größe, Krümmung und Ver−
sion dargestellt werden. Bei zusätzlicher Durchführung
eines Ellenbogenschnittes durch die (Epi)Kondylen des
distalen Humerus und unveränderter Stellung des Ar−
mes kann aus dem CT auch die Torsion des Humerus−
kopfes berechnet werden.
Hermodsson−Hill−Sachs−Defekte nach vorderer und
McLaughlin−Defekte nach hinterer Luxation sind sehr
gut darstellbar.
Kleine, ausschließlich kortikale Pfannenrandläsio−
nen (knöcherne Bankart−Defekte) sind mit der CT sofort
zu entdecken, entgehen hingegen leicht der MRT.
Auch für die Diagnostik offener metamesoakromia−
ler Apophysenfugen am Akromion ist die CT gut geeig−
net.
Für die Diagnostik von Schäden des Kapsel−Labrum−
Komplexes ist die native CT nicht geeignet. Hierfür wird
die Arthro−CT benötigt.
In der Rotatorenmanschettendarstellung ist die CT
eindeutig der MRT und der Sonographie unterlegen. In−
formationen über die Trophik der Rotatorenmuskulatur
und damit die Prognose von Rotatorenmanschettenre−
konstruktionsoperationen sind nach dem von Goutallier
u. Mitarb. (1989) erarbeiteten Schema zu gewinnen. Für
diese Fragestellung sollte heute jedoch besser ein MRT
benutzt werden, das CT hilfsweise nur noch, wenn kein
MRT verfügbar ist, oder nicht durchgeführt werden
kann (z. B. Herzschrittmacherträger).
Magnetresonanztomographie
Die MRT kann multiplanar in allen Raumebenen erfol−
gen. Die MRT ist prinzipiell in der Lage, alle pathologi−
schen Veränderungen an Schulterhaupt− und −eckge−
lenk sowie den umgebenden Weichteilen abzubilden
mit einer gewissen Einschränkung der kortikalen Ver−
änderungen und der Tendinosis calcarea, da der Kalk in
allen Untersuchungssequenzen des MRT kein Signal
gibt.
Auf die technischen Grundlagen kann im Rahmen
dieses Artikels nicht eingegangen werden, sie sollten
aber dem Orthopäden, der derartige Bilder beurteilt,
vertraut sein.
Die häufigste Indikation zur MRT an der Schulter
stellen Rotatorenmanschettenerkrankungen oder −ver−
letzungen sowie Instabilitäten und Luxationen dar.
Ohne auf technische Details weiter eingehen zu kön−
nen, sollen kurz die Vor− und Nachteile gebräuchlicher
Signalsequenzen erörtert werden.
Schnelle Spin−Echo−Bilder als Alternative zu konven−
tionellen T2−gewichteten Aufnahmen verkürzen die
Untersuchungszeit und sind weniger anfällig für metal−
lische Suszeptibilitätsartefakte. Sie haben neben einer
oft gesehenen Unschärfe (¹blurring“) auch den Nachteil,
dass das Fettsignal im T2−Bild hoch bleibt und so z. B.
die Abgrenzung des feinen subakromialen Fettstreifens,
der Rotatorenmanschette und Bursa einerseits und
Akromion andererseits trennt, nicht gelingt.
Fettunterdrückende Sequenzen (sog. fat sat Sequen−
zen) sind T2−gewichtete Bilder mit sehr langer TE−Zeit,
wodurch ein extrem hoher Fett/Wasser−Kontrast resul−
tiert.
Gradienten−Echo−Sequenzen sind eine schnelle Un−
tersuchungs−Alternative zu T2−Bildern. Die Gradienten−
Echo−Bilder sind aber anfällig für den sog. Magic−
Angle−Effekt und damit an der gewölbten Rotatoren−
manschette artefaktanfällig. Auch treten Suszeptibili−
tätsartefakte durch Metallabrieb, z. B. nach Operatio−
nen, leichter störend hervor.
" MRT−Untersuchungen sollten mit klaren Fragestel−
lungen erfolgen. Ein Einsatz als Screeningmethode ist
aufgrund der hohen Kosten nicht zu verantworten. Bei
unklarer klinischer Situation oder Fragestellung wie
Schulterschmerz ist das Ergebnis der MRT in der Regel
enttäuschend (Torstensen u. Hollingshead 1999).
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Schultergürtel und obere Extremität
Literatur
Szintigraphie
Die Knochenszintigraphie stellt unspezifisch die Verän−
derungen des Knochenstoffwechsels dar, sodass ihr
Einsatz im Wesentlichen auf Arthritiden und Knochen−
nekrosen beschränkt bleibt, wobei sie zunehmend auch
mit dem MRT konkurriert. Bei Arthrosen des Glenohu−
meral− wie des Akromioklavikulargelenkes finden sich
unspezifische Anreicherungen. Ein Einsatzgebiet der
Szintigraphie ist auch bei bakteriellen Infektionen und
in der Tumordiagnostik.
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