4 Ideologie und Propaganda der frühen NSDAP

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4 Ideologie und Propaganda der frühen NSDAP
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Ideologie und Propaganda der frühen NSDAP
Die Weltanschauung des Nationalsozialismus war ein eklektizistischer Abklatsch von nationalistischen, antisemitischen, rassistischen Vorstellungen,
die sich im Laufe des »langen« 19. Jahrhunderts ausgeformt hatten. Die
Nationalsozialisten nahmen in den meisten Punkten die jeweils extremste
Position ein, aber sie fügten keinerlei neue Ideen hinzu. Hitler dachte, was
andere vor ihm gedacht, und sagte, was andere vor ihm gesagt hatten. Nichts
wäre verfehlter als die Vorstellung eines geschlossenen, in sich kongruenten,
durchdachten und widerspruchsfreien Gedankengebäudes. Die enorme Anziehungskraft des Nationalsozialismus beruhte definitiv nicht auf einer innovativen und dadurch überzeugenden Programmatik, sondern auf seiner
suggestiven Propaganda, auf seiner Fähigkeit zur Beeinflussung und Mobilisierung der Massen.
Das 25-Punkte-Programm
Das Programm der NSDAP wurde am 24. Februar 1920 auf der ersten großen Massenveranstaltung im Münchner Hofbräuhaus von Hitler verkündet.
In der offiziellen Parteigeschichte galt dieses Ereignis als Gründungsdatum
der NSDAP, weil sie mit diesem Tag den Namen von Deutscher Arbeiterpartei (DAP) auf Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei änderte
(NSDAP). Die Urheberschaft des Programms ist umstritten. Als federführend gilt der damalige Parteivorsitzende Anton Drexler, der nach Eigenangaben das Programm der ideologisch verwandten DSP als Vorlage benützt
hatte; weiteren maßgeblichen Einfluss nahmen vermutlich Gottfried Feder
und Dietrich Eckart. Heinrich Claß’ Buch aus 1912 »Wenn ich der Kaiser
wär’« dürfte ebenfalls für eine Reihe von Punkten Pate gestanden haben.
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Hitler selbst war an der inhaltlichen Ausgestaltung nicht oder bestenfalls
am Rande beteiligt und alles andere als glücklich über das Dokument. Trotzdem hielt er nach außen hin eisern daran fest und schmetterte alle Versuche
zur Revision ab. Bereits in seinem Ultimatum zur Übernahme des Parteivorsitzes vom Juli 1921 verlangte er, jede weitere Änderung »ein für allemal
zunächst auf die Dauer von sechs Jahre« zu vermeiden. 1926 wurde das 25Punkte-Programm schließlich unverändert wiederverkündet und für »unabänderlich« erklärt.
Inhaltlich entsprach es ganz dem Standardrepertoire der Völkischen Bewegung und enthielt die üblichen Forderungen nach einem Zusammenschluss
aller Deutschen (»Groß-Deutschland«), nach Aufhebung der Friedensverträge, nach Land in Form von Kolonien sowie die obligaten Antisemitismen.
Wirtschaftlich trat ein deutlicher Antikapitalismus zutage, der Hitler später
erhebliche Probleme bereitet haben dürfte, denn 1928 sah er sich zu der Klarstellung veranlasst, dass die NSDAP selbstverständlich auf dem »Boden des
Privateigentums« stünde. Die restlichen Punkte, unter denen die Forderung
nach einem »positiven Christentum« hervorsticht, waren auch bei Nationalkonservativen konsensfähig. Auffallend sind die höchst verschwommenen
Vorstellungen von der anzustrebenden Staatsform und das Fehlen jeder antimarxistischen Stoßrichtung. Alles in allem muss dieses Programm selbst für
völkische Begriffe als intellektuell auffallend dürftig und fantasielos bezeichnet werden. Es gingen davon bestimmt keine Impulse aus, die den rasanten
Aufstieg der NSDAP in den kommenden Jahren erklären würden.
»Mein Kampf«
Von ungleich größerer Bedeutung als ideologisches Grundsatzdokument war
Hitlers in der Festungshaft begonnenes und im Laufe des Jahres 1925 fertiggestelltes Buch, das in zwei Teilen Mitte 1925 und Ende 1926 im NS-Zentralverlag Franz Eher Nachfolger erschien. Der Verkaufserfolg war vorerst eher
gering, die Kritiken meist schlecht. Erst mit dem Aufstieg der NSDAP ab
1930 zog der Absatz kräftig an. Bis zur Machtübernahme Anfang 1933 waren
gut 300.000 Stk. verkauft; danach wurde »Mein Kampf« von Staats wegen
»Mein Kampf«
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gepusht und bei Eheschließungen, zum
Schulabschluss oder zur Aufnahme in
die Partei verschenkt. Bis 1945 erreichte
der Titel eine Gesamtauflage von rund
zehn Millionen Stück und machte seinen Autor zum reichen Mann.
Man muss das Buch aus der Situation
der Jahre 1924/25 verstehen, als es Hitler
vor allem darum zu tun war, die eigene
Position als Führer der Völkischen Bewegung zu etablieren und zu festigen.
Von der Konzeption her ist der erste Teil
der Biografie Hitlers und der zweite Teil
der Entwicklung der Partei gewidmet.
Tatsächlich sind viele lebensgeschichtliche Details erlogen oder verdreht, und
Titelseite der Erstausgabe des zweiten
ausufernde Reflexionen zu allen erBandes von »Mein Kampf«.
denklichen politisch-weltanschaulichen
Themen ziehen sich relativ strukturlos durch das Buch. Letztlich handelt es
sich bei »Mein Kampf« um eine halbgebildete, im apodiktischen Brustton
vorgetragene ermüdende Suada, die hin und wieder sogar von den engsten
Kampfgefährten belächelt wurde.
Zwei inhaltliche Schwerpunkte lassen sich herausschälen: erstens Hitlers
manische Fixierung auf die Rassenfrage und zweitens seine Überlegungen
zur »Vergrößerung des Lebensraumes« des deutschen Volkes in Europa.
Hitler ging von der Schädlichkeit jeder »Vermischung« zwischen höheren
und niedrigeren Rassen aus. Im Judentum sah er nicht nur die »minderwertige« Rasse schlechthin, sondern darüber hinaus den größten Feind der
rassischen Gesundung des deutschen Volkes. Konsequenterweise forderte er
offen die Tötung des »unerbittlichen Weltjuden«: »Kein Volk entfernt diese Faust anders von seiner Gurgel als durch das Schwert.« Außenpolitisch
wollte er Italien und Großbritannien als Verbündete gewinnen, um dann
mit dem Sieg über Frankreich die Voraussetzungen zu schaffen, im Osten
»Lebensraum« für das deutsche Volk zu erobern. In einem 1928 entstandenen
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unveröffentlichten Manuskript, das 1945 entdeckt wurde und als »Hitlers
Zweites Buch« bekannt ist, präzisierte er seinen außenpolitischen Stufenplan, der starke Ähnlichkeit mit dem tatsächlichen Kriegsverlauf hatte. Allerdings konnte Hitler nie die »arische Bruderrasse« der Engländer auf seine
Seite ziehen, und er unterschätzte sträflich die entscheidende Rolle, die die
USA in einer solchen Auseinandersetzung spielen würden.
Die Frage, ob Hitler bereits in »Mein Kampf« ein Programm für den Holocaust und den Krieg gegen die Sowjetunion skizziert hatte, ist Gegenstand
einer jahrzehntelangen wissenschaftlichen Diskussion. Intentionalisten gehen, vereinfacht gesagt, davon aus, dass die Nationalsozialisten in der Judenvernichtung und der Kriegsvorbereitung und -durchführung konsequent
einem durchdachten Plan folgten. Funktionalisten hingegen wollen, ebenso
vereinfacht, in Hitlers Buch nur relativ unverbindliche Propagandaslogans
erkennen, die erst nach und nach durch den Gang der Ereignisse zu konkreten Zielen wurden.
Weitere NS-Ideologen
1930 erschien Alfred Rosenbergs Buch »Der Mythus des 20. Jahrhunderts«,
das auf Chamberlains »Grundlagen des 19. Jahrhunderts« aufbaute und
neben der radikal rassistischen und antisemitischen noch eine bemerkenswerte antichristliche Schlagseite hatte. Dieses vom »Führer« nicht gerne
gesehene Buch etablierte sich als zweites Standardwerk der NS-Literatur.
Bereits zuvor war Rosenberg durch eine Reihe von obskuren Schriften hervorgetreten, die sich mit der »jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung«
auseinandergesetzt hatten; unter anderem verfasste er 1923 einen erfolgreichen Kommentar zu den »Protokollen der Weisen von Zion«. 1934 machte Hitler Rosenberg zum »Beauftragten des Führers für die Überwachung
der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der
NSDAP« und damit zu einer Art Chefideologen; sein tatsächlicher Einfluss
war aber gering.
Ebenfalls als Parteiideologe gab sich Gottfried Feder, der 1918 die Wirtschaftstheorie der »Brechung der Zinsknechtschaft« entwickelt hatte (weit-
Wichtige Elemente der nationalsozialistischen Ideologie
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gehendes Verbot aller Bank- und Kreditgeschäfte). Es gelang ihm, seine
Forderung in das 25-Punkte-Programm der NSDAP hineinzureklamieren,
ohne dass dieser Programmpunkt im NS-Staat tatsächlich je irgendeine reale
Bedeutung bekommen hätte. Auf der Bamberger Führertagung 1926 wandte
sich Hitler entschieden gegen alle Versuche der nationalbolschewistischen
Gruppe um Gregor Strasser, das 25-Punkte-Programm zu revidieren, und
übertrug Feder die »letzte Entscheidung« über alle Programmfragen. 1927
gründete Feder die »Nationalsozialistische Bibliothek« und verfasste als
Band 1 dieser Reihe einen hunderttausendfach verkauften Kommentar zum
NS-Parteiprogramm. Nach der NS-Machtübernahme ließ Hitler ihn auf unbedeutende Positionen abschieben.
Wichtige Elemente der nationalsozialistischen Ideologie
Grundlegend für das nationalsozialistische Denken und Handeln waren die
drei Eckpunkte expansionistischer Nationalismus, Rassenantisemitismus
und sozialer Appell. Über allen politischen, sozialen und wirtschaftlichen
Fragen stand das unbedingte Primat des Rassismus. Die Nationalsozialisten strebten eine rassische Sozialutopie an, die Utopie einer rassisch reinen,
arisch-germanischen Volksgemeinschaft in dem von Deutschland beherrschten euroasiatischen Raum. Nicht zufällig lautete die in den Schlussworten
von »Mein Kampf« vermittelte Kernbotschaft Hitlers: »Ein Staat, der im
Zeitalter der Rassenvergiftung sich der Pflege seiner besten rassischen Elemente widmet, muss eines Tages zum Herren der Erde werden.« Der Weg
zur Weltherrschaft führte für die Nationalsozialisten über die Reinhaltung
und Hochzüchtung der eigenen Herrenrasse und die Ausmerzung fremder,
minderer Rassen. – Sehen wir uns die wichtigsten Ideologeme dieses rassenutopischen Weltentwurfs im Detail an:
1. Fest verankert war die Zwangsvorstellung, die Deutschen würden einer
germanisch-nordischen Herrenrasse (Arier) angehören. Nach der nationalsozialistischen Rassenlehre stand der Ausdruck »arisch« für die »Gesamtheit der im deutschen Volke unter dem bestimmenden Einfluss der
Nordischen Rasse vereinigten eigenrassigen Bestandteile«. Als rassenfremd
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Doppelseite aus einer während des Zweiten Weltkrieges herausgegebenen SS-Broschüre. Bildtext:
»Sollte in diesen verschiedenen Körpern die gleiche Seele, der gleiche Geist wohnen?«
galten neben den Juden noch Zigeuner (Sinti und Roma) und alle eingeborenen Rassen fremder Erdteile. »Arier« war ursprünglich eine an sich
neutrale wissenschaftliche Bezeichnung für die Sprecher der indogermanischen Ursprache. Die Idee einer arischen als höchster aller Rassen war
vom französischen Diplomaten Arthur de Gobineau um 1850 entwickelt
und in der Folge von zahllosen rassistischen Pseudowissenschaftlern und
völkischen Esoterikern aufgegriffen worden, die die Herkunft der arischen
Herrenrasse für gewöhnlich in Norddeutschland, in Skandinavien oder
gar auf der sagenhaften Insel Thule im hohen Norden verorteten.
2. Im Gegensatz zur arischen stand die semitische Rasse. Juden, auch wenn
sie seit langem assimiliert waren und eine indogermanische Muttersprache hatten, waren als Nachkommen des biblischen Volkes der Israeliten
Semiten und demnach Angehörige einer minderwertigen, parasitären
Rasse. Die Nationalsozialisten machten »die« Juden buchstäblich für
alle negativen Erscheinungen der modernen Welt, für alle erdenklichen
Wichtige Elemente der nationalsozialistischen Ideologie
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Missstände und Übel verantwortlich. Dieser maßlose Judenhass war, wie
gezeigt wurde, keineswegs ein genuin nationalsozialistisches Phänomen,
sondern lange vor Hitler und seinen Anhängern entstanden. Mehr oder
weniger verschleierte Hinweise, dass eine »Lösung der Judenfrage« in der
Vertreibung oder gar Vernichtung der Juden bestehen könnte, finden sich
im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn bei antisemitischen Demagogen seit den 1870er Jahren (siehe Seite 31 ff.). Die Nationalsozialisten
machten diesen Vertreibungs- und Vernichtungs-Antisemitismus zum
Wesenskern ihrer rassenutopischen Erlösungsbotschaft.
3. Mit der Rassenhygiene (Eugenik) übernahmen die Nationalsozialisten
ein weiteres Versatzstück aus dem rassistischen Ideenfundus des 19. Jahrhunderts. Im Rahmen ihrer Rassenutopie waren sie davon überzeugt, soziale Probleme durch die denkbar radikalsten medizinischen Maßnahmen
lösen zu können. Kranke und erblich Belastete seien im Sinne der Reinerhaltung der Rasse zeugungsunfähig zu machen (Sterilisation) und unheilbar geistig Behinderte zu beseitigen (Euthanasie). Im Gegenzug sollte
die Fruchtbarkeit der »gesündesten Träger des Volkstums« planmäßig gefördert und das deutsche »Rassengut« auf diese Art hochgezüchtet werden.
4. Die Nationalsozialisten standen der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterbewegung in Todfeindschaft gegenüber. Judentum
und Marxismus waren für sie ein und dasselbe, der russische Bolschewismus der Versuch des Judentums, die Weltherrschaft zu übernehmen und
die arische Rasse zu unterjochen. Auf diese Art wurde die internationale
Arbeiterbewegung für Hitler in einer kühnen Volte zur »bolschewistischen
Kampftruppe des internationalen Weltfinanzjudentums«. Den Gegensatz
zwischen Kapital und Arbeit hoben die Nationalsozialisten in der rassenexklusiven Volksgemeinschaft auf, dehnten den Arbeiterbegriff auf alle
»schaffenden Deutschen der Stirn und der Faust« aus – egal, ob Fließbandarbeiter oder Generaldirektor – und setzten an die Stelle des Klassenkampfes den Rassenkampf zwischen Ariern und Juden. Die Utopie
der klassenlosen wurde durch die der rassenreinen Gesellschaft ersetzt.
Heinrich Himmler prägte dafür den Begriff vom »Sozialismus des guten
Blutes«.
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5. Die Haltung der »Arbeiterpartei« NSDAP zum Kapitalismus war in der
»Kampfzeit« (also der Epoche bis zur Machtübernahme 1933) problematisch, weil in der Partei einerseits bedeutende linksnationale, nationalbolschewistische Strömungen existierten und eine gewisse antikapitalistische
Rhetorik nötig war, um Arbeiter in größerer Zahl an die NSDAP zu binden. Andererseits war die Partei, die sich ausdrücklich zum Privateigentum bekannte, im bürgerlich/kleinbürgerlichen Mittelstand verankert,
und Hitler wusste nur zu gut, dass die NS-Bewegung ohne Unterstützung
der nationalkonservativen Eliten nicht reüssieren konnte. Die nationalsozialistischen Ideologen unterschieden daher »raffendes« und »schaffendes« Kapital, womit sie frühsozialistische Vorstellungen übernahmen.
Hinter dem auf Zinserträgen basierenden »raffenden« Kapital verbarg sich
– wie konnte es anders sein – das internationale Börsen- und Finanzjudentum; das produzierende, also »schaffende« Kapital hingegen wurde als
arisch postuliert. Auf diese Art gelang es, den Antagonismus zwischen Kapitalismus und Sozialismus in den Rassengegensatz zwischen Juden und
Ariern umzuwandeln.
6. Die Nationalsozialisten lehnten Pluralismus, Majoritätsbeschlüsse, Parlamentarismus und Demokratie grundsätzlich ab und setzten an deren
Stelle das unumschränkte Führerprinzip. Alle Autorität in Partei und
Staat sollte von einer zentralen, von den Volksmassen per Akklamation
bestätigten Führerpersönlichkeit ausgehen und sich pyramidenförmig
nach unten ausbreiten. Die Einsetzung jeder untergeordneten Instanz war
Sache des übergeordneten Führers, die untergeordnete Gruppe konnte
darauf keinen Einfluss nehmen. Das Führerprinzip entsprach der absoluten Hegemonie des Militärischen im inneren und äußeren Aufbau der
NSDAP. Es bekam in weiterer Folge in Form der sich daraus entwickelnden charismatischen Herrschaft Hitlers überragende Bedeutung im nationalsozialistischen Machtgefüge.
7. Für Hitler, dem überzeugten Sozialdarwinisten, war der Kampf der Vater
aller Dinge. Nur im Kampf um Lebensraum waren jene Siedlungsflächen
zu erobern, die die nationalsozialistische Rassenutopie als »Rohstoff- und
Ernährungsbasis« brauchte. Diese Flächen lagen im Osten, in Russland
und seinen Randstaaten. Die dort siedelnden slawischen Völker waren
Wichtige Elemente der nationalsozialistischen Ideologie
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in der Rassendoktrin der Nationalsozialisten minderwertige Untermenschen, die »entfernt« werden sollten oder bestenfalls als Arbeitssklaven gut
waren. Mit diesem zentralen Element ihrer Weltanschauung knüpften die
Nationalsozialisten an alldeutsche Weltmachtträume der Wilhelminischen
Ära, an die Lehren Karl Haushofers und an die Pläne zur Germanisierung
der nach dem deutschen Sieg über Russland 1918 kurzzeitig besetzten Gebiete an. Dazu kamen Bestrebungen zur Schaffung eines autarken Wirtschaftsraumes als Konsequenz aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges.
8. Derartige imperiale Siedlungsfantasien waren Ausdruck der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie, die auf der Vorstellung basierte,
»dass ein gesunder Staat im eigenen Volk (Blut) und im eigenen Boden
seinen Schwerpunkt haben muss« (Meyers Lexikon, 1936). Der Begriff
war vor allem vom späteren Reichsbauernführer Richard Walther Darré
mit seiner 1930 veröffentlichten Schrift »Neuadel aus Blut und Boden«
popularisiert worden. Ein heroisiertes, idealisiertes Bauerntum, das für die
Lebensgrundlagen des Volkes sorgte, sollte ein Gegengewicht zur urbanen, modernen Welt bilden, der viele Völkische und Nationalsozialisten
mit Widerwillen und Ablehnung gegenüberstanden. Es gehört zur wohlkalkulierten Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit des Nationalsozialismus, dass er unter Einsatz modernster technischer und psychologischer
Propagandamethoden archaische Bauernmythologie inszenieren konnte,
ohne bei seinen Anhängern an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
9. Zu den christlichen Kirchen, zur Religion schlechthin, nahmen die Nationalsozialisten keine einheitliche Haltung ein, sondern bedienten sich
einer Art Doppelstrategie aus Anziehung und Abstoßung. Grundsätzlich
stand der deutsche, lutherische Protestantismus dem Nationalsozialismus
wesentlich näher als der universelle, ultramontane Katholizismus. Im
Kern war die nationalsozialistische Rassenideologie freilich fundamental
antichristlich, sowohl antikatholisch als auch in letzter Konsequenz antiprotestantisch. Zum einen stellten kirchenfeindliche esoterische, okkulte,
neuheidnische Lehren einen wichtigen Bestandteil der völkischen und
damit nationalsozialistischen Ideologie dar. Zum anderen konnte eine
Weltanschauung mit totalem Anspruch wie der Nationalsozialismus eine
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abweichende Weltsicht, die zudem wesentlich auf Werten wie Mitleid,
Barmherzigkeit und allumfassender Nächstenliebe aufbaute, auf lange
Sicht schwerlich akzeptieren. Hitler, der aus den Fehlern der SchönererBewegung im alten Österreich gelernt hatte (siehe Seite 43 f.), propagierte
in Konfessionsfragen allerdings Neutralität, die von seinen Gefolgsleuten
keineswegs immer eingehalten wurde.
Die frühe NS-Propaganda
Hitler war alles andere als ein begabter politischer Denker oder Theoretiker,
auch wenn er sich über seine politisch-ideologischen Zwangsvorstellungen
und Verschwörungstheorien stundenlang mit fanatischer Leidenschaft verbreiten konnte. Was ihn aus der Menge völkischer Prediger heraushob, war
sein modernes Verständnis für wirksame politische Agitation. Politik war für
Hitler gleichbedeutend mit Propaganda, mit ständiger Mobilisierung der
Massen. In »Mein Kampf« ergeht er sich in unverhülltem Zynismus und mit
bemerkenswerter psychologischer Einsicht über das Thema: »Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein,
dafür jedoch die Vergesslichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich
jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken
und diese schlagwortartig so lange zu verwerten, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag.«
Ob Hitler das 1908 auf Deutsch erschienene Werk »Psychologie der
Massen« (»Psychologie des foules«, 1895) des französischen Mediziners und
Sozialpsychologen Gustave Le Bon aus eigenem Studium kannte, wird vermutet, ist aber nicht nachweisbar. Es ist gut möglich, dass Hitler Le Bons
Thesen über die 1919 herausgekommene populärwissenschaftliche Broschüre
»Die Massenseele« des Münchner Nervenarztes Julius Roßbach kennenlernte. Wahrscheinlich unbekannt dürfte Hitler das 1920 erschienene Buch »The
Group Mind« des englischen Psychologen William McDougall geblieben
sein. Jedenfalls finden sich die weitgehend übereinstimmenden Überlegungen dieser drei durchwegs rassistisch und sozialdarwinistisch eingestellten
Autoren bei Hitler wieder: Das Individuum verliert in der Masse seine Per-
Die frühe NS-Propaganda
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sönlichkeit und Kritikfähigkeit, wird leichtgläubig, lässt sich von anderen
mitreißen, ist durch Gewalt und unbedingten Glauben zu beeindrucken
und von starken Führern leicht zu steuern. Zudem ist es naheliegend, dass
Hitler sich von der modernen kommerziellen Reklame inspirieren ließ, die
nach 1918 einen Aufschwung erlebte. Vieles schaute er nach eigenen Angaben
dem politischen Gegner ab: den Wiener Sozialdemokraten und Christlichsozialen, den Berliner Kommunisten. Das allermeiste hatte er aber wohl aus
seinen eigenen Erfahrungen als Versammlungsredner gelernt.
Seinen persönlichen Aufstieg verdankte Hitler seiner außergewöhnlichen
Rednerbegabung und seinem instinktiven Sinn für effektive Inszenierungen. Heute mutet seine dem Stil der Zeit entsprechende Theatralik (Hitler
war begeisterter Opern- und Theaterbesucher) vielfach komisch-grotesk an.
Auch Zeitgenossen wie der bayrische Dichter Oskar Maria Graf machten
sich über ihn lustig. Graf erlebte Hitler in dessen Münchner Frühzeit als
»totalen Hysteriker« und als »Geisteskranken, der reden und reden muss,
bis er nicht mehr kann«. Von vielen Menschen wurden seine Auftritte in der
trüben Nachkriegszeit als eine Art billiges Volksvergnügen und sportliche
Sensation gesehen. Aber zum grobschlächtigen volkstümlichen Demagogen
kam, wie Martin Broszat feststellte, der feierliche Gestus des politischen Missionars. Die sorgsame Inszenierung seiner Auftritte, die ausgewogene Mischung von Spektakel und Ernst und ein feinfühliges Hineinhören in die
Stimmung des Publikums machten seinen Erfolg aus. Alles war darauf angelegt, die Zuschauer mit einer Fülle von Sinneseindrücken zu überwältigen
und aufnahmebereit für die politische Botschaft der Nationalsozialisten zu
machen: militärischer Einmarsch, Flaggenparade, donnernde Marschmusik,
bewusst verspätetes Eintreffen des Hauptredners Hitler. Dazu kam der kalkulierte Einsatz von Gewalt, das ebenso einschüchternde wie imponierende
Drohpotenzial, das von der Präsenz hunderter uniformierter SA-Leute ausging, die sich nicht scheuten, brutal gegen Unruhestifter vorzugehen und
wüste Schlägereien, Straßen- und Saalschlachten mit politischen Gegnern
vom Zaum zu brechen. In der Weltuntergangsstimmung nach dem Ersten
Weltkrieg fand einer wie Hitler ein immer größer werdendes Publikum, das
bereit war, ihm willig Gehör zu schenken und zu folgen.
Frühe Nationalsozialisten stellen den ersten Besuch eines Hitler-Auftrittes
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häufig als pseudoreligiöses Erweckungserlebnis dar. »Er sprach sich alles von
der Seele und uns allen aus der Seele«, schrieb Hans Frank, der Hitler schon
im Januar 1920 zum ersten Mal reden gehört hatte. Oder Kurt Lüdecke:
»Durch seine bloße Überzeugungskraft hielt er die Massen und mich mit
ihnen gleich einem Hypnotiker in Bann. […] Mich durchfuhr eine Begeisterung, die nur mit einem religiösen Bekehrungserlebnis verglichen werden
kann.« Hitler vermochte es, ein Publikum zur Raserei zu bringen und einen
Versammlungssaal in einen Hexenkessel zu verwandeln.
Neben Hitler verfügte die NSDAP über weitere begabte Agitatoren und
Organisatoren, die sukzessive einen schlagkräftigen Propagandaapparat aufbauten. In den Anfangsjahren kam Hermann Esser als Propagandaleiter
und ebenso wirkungsvollem wie vulgärem Redner besondere Bedeutung zu.
Nach ihrer Wiederzulassung (Februar 1925) riefen die Nationalsozialisten
die Reichspropagandaleitung unter Gregor Strasser ins Leben, der seinen
Adjutanten Heinrich Himmler mit der Führung der Geschäfte betraute.
Der für den Aufbau der NS-Bewegung in Norddeutschland verantwortliche
Strasser vertrat ein wesentlich subtileres, auf »Aufklärung« bedachtes Propagandakonzept – konnte sich damit aber à la longue nicht durchsetzen. Die
Propagandaarbeit wurde nun auf eine professionelle Basis gestellt, krankte allerdings am Mangel an finanziellen Mitteln und Eigenmächtigkeiten der lokalen und regionalen Führer. Eine wichtige Innovation war die Einrichtung
von Fernkursen für Parteiredner (»Rednerschule«). Himmler entwickelte die
Strategie von regional und zeitlich eingeschränkten intensiven Propagandaoffensiven, die besondere Aufmerksamkeit erregen sollten.
Auf Strasser folgte nach einem Interregnum im April 1930 Joseph Goebbels
in der Funktion des Reichspropagandaleiters, der zum Synonym für demagogische, skrupellose Politpropaganda schlechthin werden sollte. Goebbels hatte sich als Berliner Gauleiter aus unmittelbarer Anschauung die modernsten
technischen und sozialpsychologischen Mittel großstädtischer Propaganda
zu eigen gemacht und – in erster Linie durch das bewusste Provozieren von
Schlägereien mit politischen Gegnern – für stete öffentliche Aufmerksamkeit
gesorgt. Nach dem frühen Hitler-Biografen Konrad Heiden war es Goebbels,
der »die von Hitler erfundenen Grundsätze der Propaganda auf den ganzen
Parteiapparat übertragen und ihnen Massengeltung verschafft hat«.
Der Führerkult
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Der Führerkult
Die ab 1924 zunehmend dichter werdende pseudoreligiöse Aura um Hitler
(»Führer des kommenden Deutschland«) erwies sich als denkbar wirkungsvollste Propaganda für den Nationalsozialismus. Ian Kershaw, Verfasser des
Standardwerks über den »Hitler-Mythos«, bezeichnet den Führerkult als
»Dreh- und Angelpunkt der NS-Bewegung« seit Mitte der 1920er Jahre.
Die säkulare, gleichwohl religiös aufgeladene Verherrlichung von nationalen Führern, Heroen, Märtyrern und sonstigen großen Männern begann
mit dem Aufkommen des modernen Nationalismus Anfang des 19. Jahrhunderts. Gerade für »junge« Nationen erfüllten derartige Führerfiguren eine
nicht zu unterschätzende identifikationsstiftende Funktion. In Deutschland
spielte in dieser Hinsicht der um 1900 aufkeimende Bismarckkult der »nationalen Opposition« rund um den Alldeutschen Verband eine wichtige Rolle, nachdem sich Wilhelm II. nur schwer als »Heldenkaiser« und nationaler
Sinnstifter vermarkten ließ. Nach dem Krieg wurde der Bismarckkult zur Integrationsideologie aller gegen die Republik gerichteten völkischen, rechten
bis rechtsextremen Kräfte. Für Hitler persönlich dürfte zudem die kultische
Verehrung der österreichischen Alldeutschen für Georg von Schönerer beispielgebend gewirkt haben (siehe Seite 42 f.).
Im Deutschen Reich äußerten die Alldeutschen und ideologisch verwandte Vereinigungen in den letzten Jahren vor dem Krieg mit zunehmender Vehemenz den Wunsch nach einer starken Führerfigur, einem »Volkskaiser«,
der dem Deutschen Reich die Weltstellung geben sollte, die ihm nach ihrer
Meinung zustand. »Das Bedürfnis lebt heute noch in den Besten unseres
Volkes, einem starken tüchtigen Führer zu folgen«, schrieb der ADV-Vorsitzende Heinrich Claß 1912. Gerade die bürgerliche Jugendbewegung wurde
ganz von diesem nationalromantisch verklärten Ideal von Führertum und
Gefolgschaft beherrscht. Und es waren zu einem großen Teil ehemalige Jugendbewegte, die – mittlerweile zutiefst geprägt von »Schützengrabengeist«
und »Fronterlebnis« – nach der Niederlage im Krieg, nach dem Zusammenbruch der Monarchie und der Gründung der innerlich nie akzeptierten demokratischen Republik ein Objekt für ihre ungestillte Sehnsucht nach einem
starken Führer und nationalen Erlöser suchten.
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Hitler sah sich in seiner ersten Zeit als Agitator der DAP/NSDAP nur als
»Trommler«, als Künder des kommenden großen Führers. Mehrmals lehnte
er die Übernahme des Parteivorsitzes explizit ab, erwies sich aber schließlich
im Sommer 1921 doch als äußerst machtbewusst. Die endgültige Wendung
im Selbstbild trat mit dem faschistischen »Marsch auf Rom« Ende Oktober
1922 ein. Bereits wenige Tage nach den Ereignissen in Italien, am 3. November 1922, ließ Hitler sich von Hermann Esser zum »deutschen Mussolini«
ausrufen, und im Dezember bezeichnete der »Völkische Beobachter« ihn
erstmals als Deutschlands kommenden Führer. Der nationalsozialistische
Führerkult entstand analog zum faschistischen Duce-Kult.
Einen neuerlichen Dreh erfuhr der Hitler-Mythos durch die Ereignisse
des 8./9. November 1923, den anschließenden Prozess im Frühjahr 1924,
bei dem sich Hitler groß in Szene setzen konnte, und der Festungshaft in
Landsberg, die ihm das Fluidum eines nationalen Märtyrers verschaffte. Die
Lobeshymnen seiner Umgebung verstärkten vermutlich die innere Überzeugung Hitlers, er selbst und nur er sei der auserwählte Führer, der sein Volk
zu neuer nationaler Größe und Weltherrschaft führen könne und müsse. Zu
allem Propagandagetöse kamen pragmatische Überlegungen für die Positionierung Hitlers als nationaler Messias – war es doch dringend notwendig,
die nach dem gescheiterten Putsch deutlich werdende Zerstrittenheit des
völkischen Lagers zu beenden und alle zersplitterten Gruppen hinter Hitler
als unbestrittenem, quasi gottgesandtem Führer zu einen. Ein nächster wichtiger Schritt zur Durchsetzung des Führerkultes und damit zur Stärkung der
inneren Stabilität war der Hitlergruß, der seit 1923 sporadisch verwendet
wurde und ab 1926 für Parteimitglieder obligatorisch war.
Die wichtigsten Symbole des Nationalsozialismus
Signifikant für die öffentliche Wahrnehmung des Nationalsozialismus war
der dramaturgisch wirkungsvolle, hoch redundante Einsatz von Symbolen
aller Art – Zeichen, Farben, Gesten. So gelang es, der Bewegung jenseits
ihrer inkongruenten Programmatik ein starkes, einheitliches Erscheinungsbild zu geben. Ideologische Linien- und Grundsatztreue waren im National-
Die wichtigsten Symbole des Nationalsozialismus
Titelzeichnung eines 1908 erschienenen Buches
des völkischen Esoterikers Guido von List. Auf
ihn geht möglicherweise die Verwendung der
Swastika als völkisches Symbol zurück.
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Emblem der Münchner Thule-Gesellschaft.
sozialismus, im Unterschied zum Kommunismus, von geringer Bedeutung.
Durch machtvolles, geschlossenes Auftreten und massive Symbolik, die
ganz allgemein für die »Ideen Adolf Hitlers« stand, konnte gerade die SA ihr
»ideologisches Vakuum« (Conan J. Fischer) und große inhaltliche und ideologische Auffassungsunterschiede übertünchen.
Hitler bewies auch visuell Gespür für effektive Propaganda. Die optisch
starke Akzente setzende Parteifahne (»Sturmfahne«) mit der gerade auf Linke provokant wirkenden roten Grundfarbe und dem schwarzen Hakenkreuz
im weißen Kreis entwarf er Mitte 1920 nach eigener Aussage persönlich (was
umstritten ist). Mit Schwarz, Weiß und Rot übernahmen die Nationalsozialisten die Farben des Deutschen Kaiserreichs, die in Opposition zu der
bei Monarchisten, Nationalisten und Völkischen verhassten Kombination
Schwarz-Rot-Gold, den Farben der Weimarer Republik und der Achtundvierziger Revolution, standen. Hitler selbst gab der Parteifahne die folgende
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4 Ideologie und Propaganda der frühen NSDAP
Deutung: »Als nationale Sozialisten sehen wir in unserer Flagge unser Programm. Im Rot sehen wir den sozialen Gedanken der Bewegung, im Weiß
den nationalistischen, im Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg
des arischen Menschen und zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens
der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und antisemitisch
sein wird.«
Das Hakenkreuz, die Swastika, ein uraltes Zeichen ungesicherter, jedenfalls
östlicher Herkunft, das sich in vielen Kulturen nachweisen lässt und häufig für
die Sonne oder das Leben schlechthin stand, galt ungefähr seit 1910 als Symbol
völkischer, antisemitischer Gesinnung und wurde von zahlreichen Vereinigungen verwendet. Im Emblem der Thule-Gesellschaft fand sich das Hakenkreuz,
um 1919/20 tauchte es als Zeichen der Gegenrevolution auf Hauswänden und
Straßen auf, und die Soldaten der Brigade Ehrhardt malten es sich beim KappPutsch auf ihre Stahlhelme. Die Übernahme dieses Zeichens durch die Nationalsozialisten war naheliegend und erwies sich als extrem wirkungsvoll. Sie
schufen sich damit eine eindringliche Marke mit hohem Wiedererkennungswert, die leicht und rasch zu reproduzieren war, was sich beispielsweise für das
Anbringen von Graffiti als äußerst nützlich erwies.
Versammlungsordner und alle sich im Dienst befindlichen Parteimitglieder sollten durch das Anlegen von roten Armbinden mit weißer Scheibe und
schwarzem Hakenkreuz (»Sturmbinden«) erkenntlich sein, um das Solidaritätsgefühl und den inneren Zusammenhalt zu stärken. Eine ähnliche Funktion kam dem Parteiabzeichen zu, das die Mitglieder »überall und jederzeit«
zu tragen hatten. »Juden, die daran Anstoß nehmen, sind sofort rücksichtslos
anzufassen«, hieß es in dem entsprechenden parteiamtlichen Rundschreiben.
Die Anrede unter Parteimitgliedern lautete – durchaus in Anlehnung
an die Tradition der Sozialdemokraten und Kommunisten – »Parteigenosse« oder »Parteigenossin« (Kürzel »Pg.«). Als »Volksgenossen« wurden alle
Deutschen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zur NSDAP angeredet,
soweit sie dem Rassendogma der Nationalsozialisten entsprachen. Der Begriff, der an die Zugehörigkeit zu einer »Volksgemeinschaft« ohne Klassenschranken und sozialen Unterschiede appellierte, wurde bereits im 25-Punkte
Programm von 1920 verwendet: »Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen
Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession.«
Die wichtigsten Symbole des Nationalsozialismus
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Die SA-Standarten mit der Parole »Deutschland erwache« aus Dietrich
Eckarts »Sturmlied« will Hitler 1922 ebenfalls selbst entworfen haben. Diese
Feldzeichen nach altrömischem Vorbild wurden Ende Januar 1923 auf dem
ersten Reichsparteitag der NSDAP auf dem Münchner Marsfeld präsentiert. Die hellbraune Uniformierung der SA (Braunhemden) geht angeblich
auf das »Lettowhemd« der deutschen Schutztruppen in Ostafrika zurück.
Erstmals trugen Teile der SA 1921 die Uniform; die allgemeine einheitliche
Uniformierung erfolgte 1923; 1926 erhielt das Braunhemd den Status einer
Parteiuniform. Braun galt als Parteifarbe der NSDAP und wurde als Erdfarbe mit dem Blut-und-Boden-Mythos in Zusammenhang gebracht; der
Parteizentrale in München und anderen regionalen Parteiquartieren gaben
die Nationalsozialisten den Namen »Braunes Haus«.
Der altgermanische »Heil«-Gruß oder Deutsche Gruß war in der völkischen Szene und bürgerlichen Jugendbewegung bereits um die Jahrhundertwende geläufig. Die österreichischen Alldeutschen hatten um Hitlers Jugendidol, Georg von Schönerer, einen beachtlichen Personenkult entwickelt.
So trug eine Huldigungsschrift an Schönerer den Titel »Heil dem Führer«.
Im niederösterreichischen Waldviertel, wo Schönerer den Volkstribunen gab
und überaus populär war, begrüßte man ihn mit den Rufen »Heil Schönerer«. Die reichsdeutschen Alldeutschen zeichneten gerne mit »Heil dem
deutschen Volke« oder »Mit deutschem Gruß«. Die Mitglieder der ThuleGesellschaft grüßten sich mit »Heil und Sieg«. Und so wurde »Heil« auch
in der NSDAP in den verschiedensten Varianten und Kombinationen angewendet, bis sich schließlich ab 1925 das »Heil Hitler« unter Parteigenossen
und nach 1933 in der gesamten deutschen Öffentlichkeit etablierte. Die zum
Hitlergruß gehörige Geste des mit flacher Hand schräg in Augenhöhe nach
oben gereckten rechten Armes war eine Kopie des »römischen Grußes« der
italienischen Faschisten, die sich dafür wiederum auf altrömische Vorbilder
beriefen. Auf dem Weimarer Reichsparteitag im Sommer 1926 ließ Hitler
sich erstmals auf diese Art huldigen.