Das Thema Testing wächst
Transcription
Das Thema Testing wächst
BUSINESS & BEST PRACTICE INTERVIEW Interview mit Chang-Hun Jo, Geschäftsführer InBody Deutschland Das Thema Testing wächst Fitnessanlagen entwickeln sich immer mehr hin zum Gesundheitsdienstleister. Daher sind entsprechende Angebote und Betreuungskonzepte von Bedeutung. Im Rahmen dieser Konzepte nimmt das Thema Testing eine bedeutende Rolle ein. Inwiefern Fitnessanlagen von Testingsystemen profitieren können und welche Rolle dieser Bereich in Zukunft spielen wird, verrät Chang-Hun Jo im body LIFE-Interview. body LIFE: Warum ist der Einsatz von Testingmethoden gerade auch für Fitnessstudios und deren Mitglieder von so großer Bedeutung? Chang-Hun Jo: Es geht ganz klar um Qualität. Qualitätsorientierte Fitnessstudios haben ein natürliches Interesse am Erfolg ihrer Mitglieder. Über effektive Testingsysteme las- 54 l body LIFE 7 I 2014 sen sich gesundheitlich relevante Risiken, aber auch bereits bestehende positive Voraussetzungen für den Erhalt der Gesundheit darstellen. Auf der Basis der Testings können Maßnahmen getroffen werden, die die Lebensqualität effektiv und nachhaltig erhalten oder sogar verbessern. Über ein Qualitätsmanagement werden die Trainingserfolge dokumentiert und ständig verfolgt. Für die Mitglieder entsteht dadurch eine größere Bindung zu ihrem Fitnessstudio, da hier ihre gesundheitliche Relevanz des Trainings im Vordergrund steht und sichtbar gemacht wird. Ohne ein solches Qualitätsmanagement wird es schwierig werden, sich am Markt als Gesundheitsdienstleister zu positionieren. body LIFE: Was schätzen Sie, wie viele deutsche Fitnessanlagen setzen Testingverfahren ein? Wie hat sich das Thema Testing und dessen Akzeptanz in den vergangenen Jahren in der Fitnessbranche entwickelt? Chang-Hun Jo: Es gibt wohl kaum eine Fitnessanlage mehr, die überhaupt keine Testings anbietet. Ich glaube, jedes Studio besitzt zumindest eine Körperwaage, welche durchaus auch als rudimentäres Testingverfahren durchgeht. Die interessante Frage ist allerdings nicht, wie viele Anlagen ein Testingverfahren einsetzen, sondern ob Testingsysteme tatsächlich dem Mitglied und der Anlage einen Nutzen stiften. Testingsysteme müssen dem qualitativen Anspruch des Studios gerecht werden und dabei in den betrieblichen Alltag noch integrierbar sein. Die Akzeptanz des Themas Testing wächst zwar zunehmend, obwohl in den letzten Jahren viele Betreiber sich mit allerlei Testingsystemen keinen Gefallen getan www.facebook.com/bodylife INTERVIEW BUSINESS & BEST PRACTICE haben. Es wurde einfach zu wenig hinterfragt, wie valide einzelne Technologien sind, und oft genug entstanden dann Erklärungsnöte am Kunden, wenn die Messungen offensichtlich unrealistische Ergebnisse hervorbrachten. Heute haben wir weitaus besser ausgebildete Betreiber und Trainer, die – erfreulicherweise – sehr skeptisch und vorsichtig an die Thematik herantreten. Wir wissen alle, dass gute Testingsysteme eine enorme Bereicherung für eine Fitnessanlage darstellen können. Nur, was ist „gut“? Hier merken wir eindeutig, dass aus den Erfahrungen der letzten Jahre vieles gelernt wurde. body LIFE: Die Bioelektronische Impedanzanalyse (BIA) ist eine Technologie im Bereich der Testings. Wie funktioniert diese Methode und welche Ergebnisse liefert sie? Chang-Hun Jo: Die BIA-Technologie ist eine Methode, um die Körperzusammensetzung zu ermitteln. Mit Körperzusammensetzung meinen wir: Wasser, Proteine, Mineralien und Fett. Sie funktioniert über die elektrische Leitfähigkeit des Körperwassers, denn darüber kann der elektrische Widerstand gemessen werden. Haben Sie sich aber mal gefragt, warum bei herkömmlichen BIA-Messgeräten die unterschiedliche Eingabe von Alter oder Geschlecht unterschiedliche Ergebnisse hervorbringt? Es liegt an der Verwendung von statistischen Durchschnittswerten, da die herkömmliche BIA-Technologie diese verwenden muss, weil die einzelnen Bereiche des Körpers unterschiedliche Widerstände aufweisen, aber diese nicht alle erfasst werden können. Mit der Eingabe eines höheren Alters führt dies zur Steigerung der Fettwerte und sinkenden Muskelwerten. Das ist ein Problem der meisten BIA-Technologie-Anbieter. Denn es geht ja gerade darum, die Werte zu verbessern, auch im zunehmenden Alter, und diese Erfolge auch sichtbar zu machen. Daher bin ich sehr stolz darauf, dass wir bei InBody keine solchen statistischen Durchschnittswerte nach Alter und Geschlecht verwenden und somit valide und verlässliche Werte der Körperzusammensetzung wiedergeben können. body LIFE: Welche weiteren Testingverfahren haben sich bisher am Markt etabliert und worin unterscheiden sie sich im Detail? Chang-Hun Jo: Neben dem BIA-Messverfahren treffen wir häufig auf die Infrarot-Messung, eine Messung der Lichtdurchlässigkeit am Oberarm, woraus dann Rückschlüsse auf die Körperzusammensetzung getroffen werden. Eine sehr einfache und günstige Variante, die jedoch auch einige Schwachstellen mitbringt, da hier neben den statistischen Durchschnittswerten auch die Reproduzierbarkeit der Messung, d.h. die Wiederholbarkeit unter den gleichen Bedingungen, Probleme darstellt. Es gibt noch viele weitere Messsysteme, welche in den Fitnessstudios eingesetzt werden; die alle hier aufzuzählen würde den Rahmen sprengen: Spiroergometrie, HerzKreislauf-Tests, Pulsfrequenzmessungen etc. Sie alle machen Sinn, denn sie sind darauf ausgerichtet, dem Mitglied sinnvolle Informationen für ein zielgerichtetes Training zu liefern. body LIFE: Werden Ihrer Meinung nach in Zukunft weitere wissenschaftlich fundierte Verfahren auf den Markt drän쑺 gen die in Fitnessclubs eingesetzt werden? www.bodylife.com body LIFE 7 I 2014 l 55 BUSINESS & BEST PRACTICE INTERVIEW Michael Bocksch führt im Extrafit den InBody Check-Up bei Susanne Haas durch Chang-Hun Jo: Ich denke, dass es ein unausweichlicher Trend ist. Die qualitätsorientierten Fitnessstudios legen sehr viel Wert darauf, dass die eingesetzten Technologien auch wissenschaftlich valide sind. Jedoch sind nicht alle wissenschaftlich validierten Messtechnologien geeignet für die Fitnessanlagen. Sie dürfen nicht zu viel Zeit und Personal in Anspruch nehmen und müssen relevante Daten liefern. Es ist ja klar, dass in den Fitnessstudios keine medizinische Diagnose stattfindet, sondern eine gesundheitliche Beratung, in der keine Heilung versprochen werden darf und soll, sondern es um die nachhaltige Erhaltung der Lebensqualität geht. Hierfür sollte der Betreiber stets hinterfragen, ob die Investition in eine Messtechnologie für diese Zielsetzung seinem Kunden tatsächlich einen Nutzen stiftet und dabei sein Team auch mit dieser Technologie gerne arbeitet. body LIFE: Wie können Studiobetreiber das Thema Testing gewinnbringend in ihrem Studio einsetzen? Welche unterschiedlichen Möglichkeiten sind denkbar? Chang-Hun Jo: Nur das Thema Testing(s) ins Studio zu integrieren wird nicht ausreichen, um eine Investition zu rechtfertigen. Es sollte vielmehr um ein gesamtes Betreuungs- 56 l body LIFE 7 I 2014 system gehen, in dem die Testingsysteme ein wesentlicher Bestandteil sind. Nur in einem effizienten Betreuungssystem werden solche Testingsysteme auch gewinnbringend sein, denn das Mitglied wird „abgeholt“ und von dort an kompetent und professionell zielführend betreut. Ist so ein Betreuungssystem bereits etabliert, kann das Testingsystem sehr effektiv als Kundenbindungstool wirken, da das Mitglied regelmäßig die Möglichkeit erhält, die Zielerreichung zu überprüfen und zu erreichen, denn erfolgreiche Mitglieder sind treue Mitglieder. Aber auch im Verkauf dient ein Testing dazu, zu sensibilisieren, auf gesundheitliche Risiken aufmerksam zu machen und daraufhin eine individuelle Lösung aufzuzeigen. Weitere Zusatzmodule können effizient vermarket werden, da diese speziellen Lösungen gezielt auf der Basis des Testergebnisses angeboten werden können. Besonders hervorzuheben ist die Effektivität von Testings auf Messen für die Promotion und in der Firmenkooperation. body LIFE: Ist der deutsche Fitnessmarkt im europäischen – weltweiten – Vergleich eher ein Vorreiter in Sachen Testings oder können wir uns an anderen Ländern ein Beispiel nehmen? Was gilt es zu verbessern? Chang-Hun Jo, Geschäftsführer InBody Deutschland Chang-Hun Jo: Im internationalen Ver- gleich muss sich der deutsche Fitnessmarkt nicht verstecken. Auch in Sachen Testing nicht. Aber auch hier findet ein Kampf um den Markt statt. Auf dem gesamten Gesundheitsmarkt befinden sich unter anderem Mediziner, Pharmakonzerne, Technologieanbieter, Vereine usw. Alle kämpfen um die Vorreiterrolle beim Thema Prävention und Gesundheit mit ihren Produkten. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass die deutsche Fitnessbranche heute in dieser Hinsicht allen anderen eine Nase voraus ist. Diese Position muss unbedingt weiter ausgebaut werden und in der Kommunikation klar bei der gesamten Bevölkerung ankommen. Es liegt aber vor allem auch an Versäumnissen der deutschen Mediziner selbst, dass sie derzeit keine nennenswerte Rolle im Präventionsmarkt spielen. Diese werden sich aber auch neu formieren und verschiedene Wege suchen, die aktuelle Position der Fitnessbranche für sich zu beanspruchen. Deswegen muss die Fitnessbranche noch konsequenter das Thema Gesundheit und Prävention integrieren und sich auch sich inhaltlich professioneller aufstellen. body LIFE: Welchen Stellenwert wird das Thema Testing Ihrer Meinung nach zukünftig in der Branche einnehmen? Wird das Thema an Bedeutung gewinnen? Chang-Hun Jo: Das Thema Testing wächst parallel zum Trend der Branche hin zum Gesundheitsdienstleister. In der heutigen medizinischen Fachwelt ist es mittlerweile unumstritten, dass gezieltes Krafttraining die effektivste Methode ist, Lebensqualität bis ins hohe Alter aufrecht zu erhalten. Darin liegt genau die Kernkompetenz der Fitnessbranche und auch die Chance, sich strategisch zu positionieren. Um als seriöser Gesundheitsdienstleister wahrgenommen zu werden, wird auch die Differenzierung gegenüber klassischen Fitnessstudios gerade über solche qualitativen Betreuungssysteme notwendig. body LIFE: Vielen herzlichen Dank für das Interview. www.facebook.com/bodylife 쑺