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Bern, 2. Juli 2002
Pressemitteilung zur Sommerserie
„50 Jahre Schweizerischer Nationalfonds“
Als das Mittelmeer zur Wüste wurde
Vor fünfeinhalb Millionen Jahren schloss sich wegen Kontinentalverschiebungen die Meerenge von Gibraltar. Mit dramatischen Folgen: Das vom Atlantik abgeschnittene Mittelmeer
verdunstete und wurde zur Wüste. Mit dieser auch für die
menschliche Entwicklung interessanten Beobachtung sorgten
Ozeanforscher 1970 für Schlagzeilen. Ihre damals angezweifelte Theorie ist heute Schulbuchwissen.
Die Zeiten ändern sich. Vor fünfeinhalb Millionen Jahren
erstreckte sich zwischen Europa und Afrika kein Meer, sondern eine riesige Wüste. Das rund 2000 Meter tiefe Becken
des Mittelmeers lag auf dem Trockenen. An dessen Rändern
bildeten die einstigen Küstengebiete steil abfallende Hochplateaus, in welche Flüsse gewaltig tiefe Schluchten frassen.
Aus solchen Cãnons entstanden später, als im Mittelmeer
wieder Wasser war und Sedimente sich in den Cãnons ablagerten, unter anderem die Seen des Tessins.
Ein urzeitlicher Staudamm
Nach heutigem Wissensstand gab es zwischen fünfeinhalb
und fünf Millionen Jahren mindestens zwei solche Trockenperioden im Mittelmeerbecken. Ausgelöst wurden sie durch
kontinentale Verschiebungen; Afrika rückte näher zu Europa, was dazu führte, dass die Meerenge von Gibraltar sich
schloss. Abgeschnitten vom Atlantik verdunstete das Mittelmeer innerhalb von 2000 bis 3000 Jahren vollständig. Die
maritimen Trockenzeiten dauerten jeweils 100'000 bis
200'000 Jahre, solange, bis der „Staudamm“ bei Gibraltar
sich wieder öffnete und die Fluten des Atlantik sich erneut
ins Mittelmeerbecken ergossen. Es scheint, dass diese einschneidende Landschaftsveränderung auch die Entwicklung
des Menschen beeinflusste. Vor 5.5 Millionen Jahren trennte
sich seine Entwicklungslinie von jener des Affen. Laut dem
Geologen Kenneth Hsü führte das wüstenhafte Klima im Mittelmeerraum dazu, dass die Urwälder Nord- und Ostafrikas
zur Savanne wurden. Nicht kletternde Vierbeiner, sondern
Zweibeiner, die ihre Intelligenz und ihre Hände bzw. Werkzeuge und Waffen benutzten, hatten in der Savanne die besten Überlebenschancen.
Der gebürtige Chinese Kenneth Hsü war 1967 bis zu seiner
Emeritierung 1994 Professor der ETH Zürich und gilt als der
führende Kopf einer auch vom SNF unterstützten internationalen Ozeanforschergruppe, welche die Theorie vom ausgetrockneten Mittelmeer 1970 an vielbeachteten Medienkonferenzen in New York und Paris erstmals veröffentlichte. Zu
ihren Ergebnissen hatten Tiefseebohrungen der 13. Expedition des Forschungsschiffs „Glomar Challenger“ geführt. Bei
Bohrungen bis 6000 Meter unter dem Meeresspiegel und bis
750 Meter unter dem Meeresboden war die Gruppe auf riesige Salzablagerungen gestossen, die nur durch vollständige
Verdunstung entstanden sein konnten. Nebst der Menge der
Salzablagerungen sprach unter anderem die Verteilung der
verschiedenen Salztypen für die Verdunstungsthese: Salze,
die sich beim Verdunstungsprozess jeweils zuerst ablagern,
fanden sich in den seichteren Teilen des Mittelmeers, jene
mit der grössten Löslichkeit an den tiefsten Stellen im Ionischen Meer.
Die „These“ wird zum Massstab
In den 70er-Jahren muteten die Forschungsresultate der 13.
„Glomar Challenger“-Crew so exotisch an, dass sie zunächst
als „These“ galten. Später wurden sie in weiteren Expeditionen überprüft – und bestätigt. „Man kann mit dieser Theorie
alles über die Geologie im Mittelmeer erklären, sie geht auf“,
stellt Hsü im Jahr 2002 fest. Die Geschichte vom ausgetrockneten Mittelmeer ist mittlerweile in Schulbüchern nachzulesen, sie wurde verfilmt und auch durch Hsüs vielzitierte
Publikation „The Mediterranean was a Desert“ international
bekannt. Heute gehören die Untersuchungen zur abenteuerlichen Vergangenheit des Mittelmeers zu jenen Projekten,
denen „Glomar Challenger“ den Ruf verdankt, die Erdwissenschaften insgesamt revolutioniert zu haben.
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Weitere Auskünfte:
Kenneth Hsü
Froburgstrasse 96
CH-8006 Zürich
Tel. +41 (01) 362 14 62
Der Text dieser Medieninformation kann auf der Nationalfonds-Homepage in
Deutsch und Französisch abgerufen werden:
http://www.snf.ch/de/com/fai/fai.asp#4
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