testete 20 große Krankenkassen: Nasenspray ist Quatsch

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testete 20 große Krankenkassen: Nasenspray ist Quatsch
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Verschiedenes
KV-Blatt 07.2014
„Finanztest“ testete 20 große Krankenkassen
Nasenspray ist Quatsch – wie gut
die Beratungen der Kassen sind
Ärzte werden meist von Krankenkassen
dafür angezählt, ihre Patienten schlecht
oder falsch zu beraten. Doch jetzt geraten Krankenkassen selbst ins Visier
von Kritikern. Die Zeitschrift „Finanztest“ der Stiftung Warentest wirft einigen von ihnen Mängel bei der Beratung
ihrer Versicherten, etwa über den Sinn
medizinischer Leistungen oder über
eigene Kassenleistungen, vor. Antworten auf medizinische Fragen „fielen (…)
oft laien­haft aus, wie etwa auf unsere
Fragen zur Grippeimpfung“, schreibt
„Finanztest“.
So soll einer
der Tester
von „Finanz­
test“ bei seiner
Krankenkasse
nachgefragt
haben, für
wen Grippe­
impfungen
sinnvoll seien.
Die Mitarbei­
terin einer
großen regio­
nalen AOK in der Osthälfte Deutsch­
lands habe ihm daraufhin zwar gesagt,
dass sie sich selbst habe impfen las­
sen, blieb dem Tester aber die Ant­
wort nach dem Warum schuldig. „Hilf­
reicher“, so „Finanztest“, „wäre ein
Hinweis auf die Empfehlungen der
Ständigen Impfkommission gewesen,
die zum Beispiel Älteren und Menschen
mit geschwächtem Immunsystem zur
Impfung rät“. Die Mitarbeiterin einer
anderen AOK soll zum Thema ­Impfen
behauptet haben: „Nasenspray ist
Quatsch, wie soll denn damit der ganze
Körper immunisiert werden?“ Tatsäch­
lich aber könnten, so die Zeitschrift,
„Kinder und Jugendliche auf diesem Weg
mit einem abgeschwächten Impfstoff
immunisiert werden“.
Bemängelt wurde, dass viele Kassen
offenbar nur unzureichend über eigene
Kassenleistungen informierten und
selbst Mitarbeiter darüber nicht oder
nicht ausreichend Bescheid wüssten:
„Ob Geschäftsstelle oder Telefon –
schüchtern dürfen Kunden nicht sein.
Sie müssen schon nachfragen, um von
zahlreichen Leistungen und Extras der
Kassen zu erfahren.“
Sogar Einsicht in fremde Patientendaten war möglich
In jeder fünften Kassengeschäfts­
stelle, in der Tester vorsprachen, fehlte
es nach Angaben von „Finanztest“ an
der notwendigen Diskretion: „Testge­
spräche konnten von anderen Kunden
mitgehört werden oder unsere Tester
hatten sogar Einsicht in andere Patien­
tendaten. Das“, so die Redakteure, „darf
nicht sein“.
Testsieger von 20 in „Finanztest“ vorge­
stellten Krankenkassen war die Techni­
ker Kasse (TK), gefolgt von Mobil Oil.
Der ganze Test ist nachzulesen in
„Finanztest“, Ausgabe 6/2014, Seiten
79 bis 84. „Finanztest“, die „Schwester“
von „test“ der Stiftung Warentest, ist
am Kiosk für 4,90 Euro erhältlich oder
zu bestellen unter: www.test.de
-litt/red
Das neue Wohnraumzweckentfremdungsverbot
oder: Es lebe der Zentralfriedhof
Geht die Welt unter, dann geh’ nach
Wien. Hier dauert alles zwanzig Jahre länger. Wien-Liebhaber kennen ­diesen und
ähnliche Sprüche über die liebens­werte
Behäbigkeit der österreichischen Hauptstadt. Aber manchmal sind die Wiener
schneller als der Rest der Welt. Vor einigen Wochen beispielsweise berichtete
das Deutsche Ärzteblatt darüber, dass
ein Arzt seine ­Praxis in einer Tankstelle in
Wien eröffnet hat. Volltanken bitte und
zwischendurch mal eben zum Doktor
reinspringen und ein Rezept abholen? Der
Herr Stellvertretender Kurienobmann von
der Wiener Ärztekammer hat das sogleich
als Marketing-Gag eingestuft, aber das
lassen wir mal so stehen, denn: Mit diesem Beispiel lässt sich gedanklich eine
schöne Brücke zu einer „Tagesspiegel“Meldung schlagen.
Das Hauptstadt-Leitmedium (nennt sich
selbst so) hatte kürzlich über das Inkrafttreten eines Landesgesetzes zum Wohnraum-Zweckentfremdungsverbot berichtet
und darauf verwiesen, dass das auch Arztpraxen beträfe. Blöd. In einer Zeit, in der
sich alle Welt um die Niederlassung weiterer Ärzte bemüht, kommt ein solches
Gesetz gar nicht gut an. Doch gemach,
denn es gibt ja Alternativen zur Wohnung,
wie das Tankstellenbeispiel aus Wien zeigt.
Bekanntlich hat auch Berlin die eine oder
andere moderne Tankstellenlandschaft
zu bieten, in die sich auch eine Arztpraxis
integrieren ließe. Und wenn der Arzt dann
mit dem Tankstellenpächter gut kann,
eröffnen sich ihm bestimmt auch Kooperationsmöglichkeiten, etwa über den
Tankstellenshop. Die Zapfsäule bleibt aber
bitte außen vor, denn Kraftstoffrabatte
würden aus Sicht der Krankenkassen den
Tatbestand der Bestechung erfüllen.
Also – nur Mut! Schließlich haben schon
ganz andere Ideen für Furore gesorgt.
Man denke nur an das Fachperiodikum
„arznei-telegramm“, dessen Redaktion auf
einem Friedhof residiert. Nein, nicht auf
dem Wiener Zentralfriedhof, sondern in
Berlin, in einem stillgelegten Wasserturm
auf dem Friedhof Bergstraße in Steglitz.
Wie inspirierend die Friedhofsruhe für die
Kollegen der arznei-telegramm-Redaktion ist, wissen wir freilich nicht. Wir
ahnen nur, dass der Wiener Liedermacher
­Wolfgang Ambros („Es lebe der Zentral­
friedhof – und alle seine Toten“) seine
helle Freude an dieser lebensbejahen­den
Lokalität hätte.
Reinhold Schlitt