Untitled

Transcription

Untitled
1
Dieses Buch ist all denen gewidmet, die mich in
meiner musikalischen Laufbahn begleitet
haben, die mir mit ihren wertvollen Tipps zur Seite
gestanden haben und immer an mich geglaubt haben.
Ohne diese Menschen, ohne meine Fans und ohne die
Erfahrungen, die ich als Musiker und Künstler sammeln durfte,
wäre dieses Buch wohl niemals entstanden.
All diesen Menschen möchte ich aus tiefstem Herzen danken.
Ebenso möchte ich dieses Buch allen jungen Talenten
widmen und hoffe, ihnen mit meinen Tipps und
Erfahrungen bei einem erfolgreichen Start Ihrer
Karriere behilflich sein zu können.
Euer Michael
Unna im Jahre 2015
2
Michael Ulm
Ein Leben für die Musik
Die musikalische Biografie
3
© 2015 Michael Ulm
Autor: Michael Ulm
Layout, Illustration: Michael Ulm
© Copyright der verwendeten Fotografien:
Marc Carretta, Herbert Felix, Heidi Gesche, Dirk Kernspecht, Ute Brüning,
Manuela Kossatz-Loebb, Markus Thurau, Herbert Schulz und André Fels
Published in Germany 2015
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig.
Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung,
Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
4
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Wie alles begann
Die frühen Jahre
Aller Anfang ist schwer
Madhouse - Die erste eigene Band
Kapitel 4.1
Die menschliche Stimme
Kapitel 5
Vom Rock zum Schlager
Kapitel 5.1
Kapitel 5.2
Kapitel 5.3
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
oder: Vocal-Coaching für Anfänger
Peter Sebastian und "Adios Amor"
Wenn Gutgläubigkeit ausgenutzt wird
Schick mir einen Engel - Neue Idee und ein neuer Freund
Jetzt geht´s los
Willkommen auf dem Schlagerkarussell
Eine Nacht mit Freunden
Freunde - Ein seltenes Gut im Schlager
Das verlorene Instrument
Tipps und Tricks für Sänger / Sängerinnen und solche, die es mal werden
wollen
Schlusswort
5
Kapitel 1 - Wie alles begann
Wir reisen zurück in das Jahr 1968. Am 06. Juni dieses Jahres (es war ein Donnerstag) erblickte ich in
einem Krankenhaus in Lünen zum ersten Mal das Licht dieser großen, weiten Welt. Wenn ich den
Worten meiner Mutter Glauben schenken darf, muss ich wohl ein ziemlicher Wonneproppen gewesen
sein. Zumindest erklärt das den Umstand des Kaiserschnitts mit dem ich zur Welt gekommen bin.
Doch schon die ersten Tage meines Lebens waren von Missgunst geprägt. Nachdem ich meiner Mutter
beim ersten Still-Versuch in die Brust gebissen hatte, wurde ich zum „Flaschenkind“ degradiert.
So blieben mir bereits in frühen Jahren die schönen Seiten des Mannseins verborgen. Nach den ersten 2
Lebensjahren hat es meine Eltern dann beruflich ins benachbarte Dortmund gezogen. Mein Vater hatte
eine Stelle in einer kleinen Bäckerei in Dortmund-Brackel angenommen, und glücklicherweise lag unsere
Wohnung nur zwei Etagen über Papas Arbeitsplatz.
Noch besser war die Tatsache, dass nur 200 Meter weiter die Reichshof-Grundschule lag, in die ich 1974
eingeschult wurde. Ich vermute, dass genau hier der Grundstein zu meiner Leidenschaft zur Musik gelegt
wurde, denn schon damals wurde in der Schule rechtzeitig die musikalische Früherziehung praktiziert.
An den genauen Tag kann ich mich nicht mehr so richtig erinnern, aber ich muss zum Zeitpunkt, zu dem
ich zum ersten Mal eine Blockflöte in der Hand gehalten habe, ungefähr 7 Jahre alt gewesen sein.
Ich kann mich daran erinnern, dass mir meine Eltern für die Schule ein Heft kaufen mussten, mit dessen
Hilfe ich in die hohe Kunst des Flötenspielens eingeweiht wurde. Ich hatte ja gehofft, dass dieser Zustand
nur von kurzer Dauer war, da man zum damaligen Zeitpunkt als Flöte spielender Junge nicht gerade zum
Club der „coolen Jungs“ zählte.
Doch weit gefehlt.
Meine Mutter, deren musikalisches Talent bereits in ihren „jungen Jahren“ heraus brach, entpuppte sich
zu meinem Leidwesen als eine wahre „Flöten-Queen“. Sie konnte nicht nur Blockflöte spielen, sondern
auch noch Alt-Flöte. Für mich bedeutete dies nun, mit meiner Mutter zusammen zweistimmig uncoole
Kirchenlieder auf der Flöte zu spielen. Und damit das erlernte auch schnell hängen bleibt am besten
täglich. Einen Vorteil hatte das Ganze allerdings: Ich musste Noten lesen lernen. Eine Tatsache, die ich
leider im Laufe der Jahre wieder verlernt habe, was ich heute sehr bedauere. Beim mehrstimmigen Spiel
spielen die Instrumente ja nicht die gleichen, sondern unterschiedliche Notensätze. Hört sich schwierig
an, ist es auch. Man muss sich unheimlich auf sein eigenes Spiel konzentrieren, um nicht die Noten des
anderen zu spielen. Im Nachhinein muss ich meiner Mutter dafür eigentlich noch danken, denn diese
Übungen haben mein Verständnis für mehrstimmige Musik weitestgehend geprägt und kommen mir
heute noch sehr zugute. Doch dazu später mehr.
Es muss kurz nach meinem achten Geburtstag gewesen sein. Viele meiner damaligen Klassenkameraden
haben zu dem Zeitpunkt schon die BRAVO gelesen, eine Jugendzeitschrift die damals in regelmäßigen
Abständen nachgedruckte Autogrammkarten von verschiedenen Stars der internationalen Musikszene
zum Sammeln in ihren Heften publizierte. Zum damaligen Zeitpunkt hörte ich noch Kinderkassetten und
hatte mit internationaler Musik wirklich gar keinen Kontakt.
Ein Schulfreund hat mir dann eines Tages gesagt, ich solle mir mal eine Schallplatte von Elvis Presley
kaufen, da dieser Typ auf der Sammelautogrammkarte abgelichtet war.
Für all diejenigen von euch, die bereits mit CDs aufgewachsen sind: Schallplatten waren früher (und sind
es heute wieder) Vinyl-Scheiben, die mit einem so genannten Schallplattenspieler abgespielt wurden.
6
Durch Zufall entdeckte ich beim wöchentlichen Großeinkauf im Supermarkt unseres Vertrauens damals
eine so genannte „Doppel-LP“, also 2 Schallplatten in einer Doppelhülle von Elvis Presley im Regal der
Musikabteilung. Also ging ich zu meinem Vater und bat ihn, mir diese Schallplatte zu kaufen. Er schaute
mich mit großen Augen an und hinterfragte freundlich aber bestimmt den Grund meines Anliegens. Ich
sagte ihm, dass mir ein Schulfreund den Kauf eines Albums dieses Künstlers empfohlen hatte.
Ich glaube nicht, dass mein Vater zum damaligen Zeitpunkt wusste, was er mit dem Kauf dieses Albums
„Elvis Presley – 32 Greatest Hits“ bei mir auslösen sollte.
Wieder zu Hause angekommen hatte ich natürlich nichts Besseres zu tun, als die Musiktruhe meiner
Eltern zu öffnen und die Platte auf den Plattenteller zu legen. Doch was ich dann zu hören bekam, hat
kurze Zeit später wie von Geisterhand Besitz von mir ergriffen.
Die ersten Takte von „My Baby left me“ ertönten aus den Lautsprechern und ich fing instinktiv an, mit
den Füßen im Takt zu wippen.
Der Teufel des Rock and Roll hatte Besitz von meiner Seele ergriffen (und für meine Eltern, die sich
schon damals zu eher volkstümlichen Klängen hingezogen fühlten, muss es teuflische Musik gewesen
sein). Das war meine musikalische Geburtsstunde. Ich bekam gar nicht genug davon und saugte alle
32 Songs auf wie ein Schwamm.
Ein paar Wochen später fand ich dann die eingepackte Wandergitarre meiner Mutter unter ihrem Bett.
Ohne vorher zu fragen nahm ich sie aus ihrer Hülle und fing an, darauf herum zu klimpern. Planlos, aber
laut. Aber auch nicht zu lange. Es wäre natürlich schöner gewesen, wenn die Gitarre damals gestimmt
gewesen wäre, aber für den Erstkontakt hatte es damals gereicht.
Intuitiv weitete ich meine „Jam-Sessions“ auf mehrmals in der Woche aus. Zumindest war das damals
der Plan. Allerdings hatte ich da die Rechnung ohne meine Mutter gemacht. Ich glaube, nach vier
Wochen sinnlosem Geplänkel auf ihrem damaligen besten Stück kam sie dann mal zu mir und sagte:
„Wenn du damit spielen möchtest, nimm Unterricht.“ Es war ja nicht nur das Geschrammel auf der
Gitarre das meine Mutter damals genervt hat. Ich entwickelte zum gleichen Zeitpunkt ja auch schon meine erste „Bühnenshow“, indem ich stehend vor dem großen Spiegel meiner Eltern stand, und in
Kinderenglisch versucht habe, die Songs nachzusingen. Und jeder, der selber Kinder hat, weiß auch wie
nervend das sein kann.
Glücklicherweise wurde damals in unserem Jugendheim ein Gitarrenkurs für Anfänger angeboten.
Ich habe also den Rat meiner Mutter (oder besser gesagt die Bitte) befolgt und habe mich zu einem dieser
Kurse angeboten. Damit war also der Grundstein meines musikalischen Seins gelegt.
Es folgten sechs Monate intensiven Trainings, in denen ich die Grundakkorde sowie das Stimmen des
Instrumentes beigebracht bekam. Leider fehlte mir zum damaligen Zeitpunkt eine Fähigkeit, die ich auch
heute noch nicht so wirklich beherrsche: Geduld.
Es konnte mir einfach nicht schnell genug gehen mit dem Spielen. Erschwerend kam noch hinzu, dass die
junge Frau die den Kurs damals leitete, in freudiger Erwartung ihres ersten Kindes war, und somit kurze
Zeit später in den wohlverdienten Mutterschutz ging. Doch da hatte man die Rechnung ohne den kleinen
Michael gemacht. Was mir an Geduld fehlte, machte ich mit etwas anderem wieder gut:
Durchhaltevermögen.
Nun hatte ich bereits Wochen und Monate damit verbracht, mir mit schmerzenden Fingern die
Grundlagen des Gitarrespielens beizubringen, nun wollte ich auch den Rest lernen.
Kurzum: Meine Eltern waren dazu verdammt, mir Bücher zum Selbststudium zu kaufen. Rückblickend
betrachtet kann ich mich für die Geduld meiner Eltern eigentlich heute nur bedanken.
Heute kann ich mir bildlich vorstellen, was sie damals durchlebt haben müssen.
7
Kapitel 2 - Die frühen Jahre
Es sollte noch weitere zwei Jahre dauern, bis ich die Chance bekam, anderen Menschen meine
Fähigkeiten darbieten zu können. Parallel zu meinem Gitarrespiel habe ich damals natürlich weiterhin
fleißig zusammen mit meiner Mutter Blockflöte gespielt. Und natürlich habe ich auch weiterhin gesungen
(zumindest hielt ich es damals für Singen). 1978 sollte es dann endlich passieren. Im Rahmen des
Musikunterrichts sollten wir damals alle ein Musikstück vor der ganzen Klasse darbieten.
Dabei war es unerheblich, ob es mit einem Instrument oder gesanglicher Natur war. Ich weiß nicht mehr,
was mich damals geritten hat, aber ich entschied mich einen Titel zu singen, den wohl die wenigstens in
dem Alter gesungen hätten.
Im Rahmen der damaligen Fußball-Weltmeisterschaft hatte der Schlagersänger Udo Jürgens zusammen
mit den Spielern der deutschen Nationalmannschaft den Titel "Buenos Dias Argentina" aufgenommen.
Und ausgerechnet diesen Titel wollte ich meiner Klasse vorsingen. Also besorgte ich mir den Titel in
Form einer Musik-Kassette und übte den Titel so lange, bis ich ihn auswendig konnte. Es war vielleicht
auch besser, dass ich mir damals einen deutschen Titel ausgesucht habe, denn Englisch-Unterricht kam
ich ja erst in der 5. Klasse auf der Realschule.
Der Tag der Entscheidung nahte mit großen Schritten. Und dann war es soweit. Alles war vorbereitet.
Der Kassettenrekorder stand auf dem Lehrertisch, und kein anderer Schüler wusste, mit was ich gleich
um die Ecke kommen würde. Ich sang also den Song im Vollplayback (quasi im Duett mit Udo Jürgens)
und hatte die deutsche Nationalmannschaft als Chor dabei.
Was bei dem einen oder anderen Mitschüler an Ratlosigkeit im Gesicht geschrieben stand, entpuppte sich
bei meiner Klassenlehrerin wiederum als freudiges Entzücken.
Damals flossen die Beurteilungen dieser Schulprojekte mit in die Benotung des jeweiligen Fachs mit ein,
und ich erntete für meine Darbietung im Schulfach Musik ein "sehr gut". Der Grundstein für ein musikalisches Weitermachen war also gelegt und was noch viel wichtiger ist: Ich hatte Blut geleckt.
Ich war sogar erstaunt, dass meine erste Performance so locker von statten ging.
Natürlich war ich nervös. Erhöhter Puls, dieses unwohle Gefühl in der Magengegend, alles war da.
Aber es war ein schönes Gefühl.
Ich verließ also 1976 die Grundschule und wechselte (gegen meinen Wunsch) zur Realschule.
Eigentlich wollte ich damals auf das Gymnasium wechseln, doch meine Eltern und auch meine
Klassenlehrerin waren der Auffassung, dass ich auf einer Realschule besser aufgehoben wäre.
Und manchmal sollte man als junger Mensch auch mal auf die Ratschläge anderer hören. Die ersten zwei
Jahre auf der neuen Schule sollten sich als relativ unspektakulär erweisen. Ich erwies mich als ein
mittelmäßiger Schüler, der nur in den Fächern auflebte, auf die er Lust hatte. Englisch, Musik, Sport, das
alles waren Fächer die meine Lust auf gesteigerte Unterrichtsaktivität entfachten.
Mein Musiklehrer leitete damals auch den Schulchor, von dem ich bis dato noch nichts wusste. Erst als
mich eine gute Klassenkameradin ansprach, ob ich nicht Lust hätte im Schulchor mitzusingen, wurde
mein Interesse geweckt. Mit 12 Jahren wurde mir also die Ehre zuteil, als einziger Junge im Schulchor
singen zu dürfen. Nach eingehender Überprüfung meiner stimmlichen Fähigkeiten hatte mich mein
Musiklehrer dann zu den "Mezzosopran" singenden Mädchen gestellt.
Diese Stimmlage vertritt in der Regel die Frauenstimmen die in einer mittleren Stimmlage singen.
Jetzt wird sich der ein oder andere bestimmt fragen, warum ich in dieser "Abteilung" des Chors gesungen
habe. Ganz einfach.
Zum damaligen Zeitpunkt hatte bei mir der Stimmbruch noch nicht eingesetzt, und ich konnte mit meiner
"Bruststimme" locker mit den Mädels mithalten. Durch einen wirklich ganz dummen Zufall entdeckte ich
eines Tages dann, dass man als Junge mit Hilfe seiner "Kopfstimme" ja auch viel höher singen kann.
8
Für alle, die sich jetzt erst einmal gar nichts unter dem Begriff Kopfstimme vorstellen können, gebe ich
hier mal ein gutes Beispiel: Die Bee Gees. Eine Popgruppe aus England, die 1977 ihren größten Erfolg
mit dem Soundtrack zum Film "Saturday Night Fever" mit dem US-Schauspieler John Travolta lieferten.
Zugegeben, ich war etwas überrascht. War mit mir alles in Ordnung? Bin ich krank? Ich war irritiert und
etwas ratlos. Und mit 12 Jahren fragst du nicht deine Eltern "Mama, was ist Falsett-Gesang?". Du fragst
auch nicht deine Freunde "Könnt ihr das auch?". Ich beschloss also, diese Entdeckung erst einmal für
mich zu behalten. Etwa ein Jahr später sprach mich unser Musiklehrer an, ob ich nicht Lust hätte auch in
der Schülerband zu singen, dort wäre eine vakante Stelle zu besetzen. Er gab mir die Namen der anderen
Bandmitglieder und meinte, ich solle doch mal Kontakt mit den Jungs aufnehmen. Gesagt, getan. In der
großen Pause ging ich zu Marc, dem Drummer und stellte mich vor. Wir kamen schnell ins Gespräch und
wir verabredeten uns zu einem "Probetermin". Also meinem ersten Casting, wie man in der heutigen Zeit
sagen würde. Im Keller der Schule hatte die Band einen Bereich, der als "Proberaum" genutzt wurde.
Da mir damals das Geld für eine eigene Gesangsanlage fehlte, nutze ich einen kleinen Verstärker, der
einen eigenen Mikrofon-Eingang hatte.
Ursprünglich war das Gerät damals als Verstärker für Sprachveranstaltungen von der Schule angeschafft
worden, doch mein Musiklehrer erlaubte mir die Zweckentfremdung als Gesangsverstärker (schließlich
war die Band ja auch eine Schulinstitution). Wir probten damals Songs, die wir auf diversen
Schulveranstaltungen zum Besten gaben. Natürlich hat die Band auch die musikalische Untermalung bei
Darbietungen des Chors geliefert. Zur gleichen Zeit hatten fast alle, die in der Schulband spielten, auch
noch eine eigene Band. Diese hatte ihren Proberaum in einem Keller eines Mietshauses in der
Dortmunder Innenstadt. Marc fragte mich eines Tages, ob ich nicht auch mal zum Singen in dieser Band
vorbeischauen wolle.
Ich bin dann eines Nachmittags einfach mal mitgegangen und habe mir das Ganze mal angeschaut. Die
Band bestand aus zwei Gitarristen, Ray dem Bassisten, Marc am Schlagzeug, Frank am Keyboard und
meiner Person. Wir spielten Songs von Elvis, Prince, Level 42 und vielen anderen Interpreten, also die
klassische Coverband. Was ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht wusste war die Tatsache, dass
Marcs Stiefvater der Manager einer Deutschrock-Band war, die sich die "Dschungelband" nannte. Diese
hatte sich bereits schon einen guten Namen im Ruhrgebiet gemacht und überzeugte mit gutem,
handgemachten Rock mit deutschen Texten. Was diese Jungs wirklich richtig gut konnten, und was mich
damals schon fasziniert hat, war ihr unglaublicher mehrstimmiger Satzgesang.
Ende 1983 muss es gewesen sein, als sich herauskristallisierte, dass die Dschungelband mit einem
anderem Projekt, nämlich als "Die Strandjungs" mehr Aussicht auf Erfolg hatte als mit ihren eigenen
Songs.
Die Strandjungs waren die deutsche Ausgabe der amerikanischen Beach Boys, sie spielten in der gleichen
Besetzung wie in der Dschungelband, aber sie spielten die Songs der Beach Boys mit deutschen Texten.
Hits wie "Surfing U.S.A." oder "Help me Ronda" wurden also zu "Surfen auf dem Baggersee" und "Hilf
mir Sonja". Und das mit so großem Erfolg, das die Jungs es 1984 sogar nach Berlin in die legendäre
Hitparade von Dieter Thomas Heck geschafft haben.
Was lag also näher, als das Ende der "Dschungelband" einzuläuten und auf der Erfolgswelle der
"Strandjungs" weiterzumachen? Es wurde ein großes Abschluss-Konzert in Planung gegeben, und Marcs
Stiefvater hatte eine Idee. Er wusste, dass wir mit der Schülerband gute Songs spielen konnten und fragte
uns, ob wir nicht bei dem Abschlusskonzert als "Opener" (also als Einheizer) auftreten wollten.
Natürlich wollten wir, was für eine Frage. Wir überlegten uns also, was wir an dem Abend für Songs
spielen wollten. Das Zeitfenster zum Proben war recht klein, und zum Einüben neuer Songs blieb uns
einfach kaum Zeit. Wir beschlossen also, unsere fünf stärksten Songs zu bringen.
Diese waren: „Don´t you forget about me” von den Simple Minds, “Johnny B. Goode” von Chuck Berry,
“Blue Suede Shoes” von Elvis Presley, “Living it up“ von Level 42 und “Purple Rain” von Prince.
9
Was wir in der Aufregung allerdings total vergaßen war die Tatsache, dass jede Band natürlich auch
einen Namen braucht. Ungünstig war, dass uns diese kleine, aber nicht ganz unbedeutende Tatsache 30
Minuten vor unserem Auftritt klar wurde. Wir haben uns dann kurzerhand "Simple" genannt, ohne dabei
jedoch an die Simple Minds zu denken.
Wir wurden also planmäßig um 20 Uhr im ausverkauften Fritz-Henßler-Haus in Dortmund von Marcs
Stiefvater Dieter angekündigt und gingen auf die Bühne.
Ich weiß nicht mehr, wie viele Leute an diesem Abend dort waren, aber es müssen so gefühlt um die tausend gewesen sein. Zumindest kam es mir so vor.
Wir spielten also unsere fünf Songs, und ich sang als wenn der Teufel hinter meiner Seele her wäre.
Die Leute im Saal habe ich gar nicht so richtig wahrgenommen, sondern ich war hochkonzentriert um
meine Texte nicht zu vergessen. Für den Schluss hatten wir uns Purple Rain aufgehoben. Nicht nur weil
es der längste Song war, sondern weil wir bei diesem Song dann auch einen kleinen Instrumenten-Tausch
eingebaut hatten. Ray übergab seinen Bass an Thorsten, der wiederum seine Gitarre Ray gab. Das sieht
man ja nun auch nicht alle Tage. Ray war nicht nur ein super Bassist, der damals schon Songs von
Level 42 nachspielte, sondern entpuppte sich an der Gitarre ebenfalls nicht weniger ungeschickt.
Das Ende vom Lied läutete auch gleichzeitig unsere Nachspielzeit ein, denn so wollten die Leute uns
einfach nicht von der Bühne lassen.
Beim Vernehmen der Zugabe-Rufe hat es dann auch den ein oder anderen Profi der anderen Bands an
den seitlichen Bühnenrand gezogen, denn so langsam fragte man sich wohl, wer denn diese 14-jährigen
Knirpse sind, nach denen die Zuschauer riefen. Nach unserer Zugabe verneigten wir uns brav und gingen
dann von der Bühne. 5 Songs, die nicht nur mein Leben geprägt haben, sondern mir auch einen 200er
Puls beschert haben. Was mir besondern im Gedächtnis hängen geblieben ist sind die Worte eines
Mannes, der als Sänger der Band "Geier Sturzflug" in die deutsche Musikgeschichte eingehen sollte:
Friedel Geratsch.
Nach unserem Auftritt kam er zu mir hin, klopfte mir väterlich auf die Schulter und sagte:
"Das war richtig gut, Junge. Aus dir wird noch mal was."
In den Wochen nach diesem Auftritt versuchte ich zu verstehen, was da überhaupt passiert ist. Wenn ich
etwas aus diesem Auftritt mitgenommen habe dann die Erkenntnis, dass den Leuten mein Gesang
gefallen haben muss.
Mittlerweile war mein Gitarrenspiel auch schon so weit fortgeschritten, dass ich verschiedene Songs von
Elvis Presley fehlerfrei nachspielen und singen konnte. Was lag also näher, als die erworbenen
Fertigkeiten vor einem neuen, unbekannten Publikum zu präsentieren? In dem Stadtteil, in dem ich
damals mit meinen Eltern und meinem jüngeren Bruder lebte, gab es einen gut besuchten englischen Pub,
in dem sich immer englische Soldaten trafen, die in Dortmund stationiert waren. Eines Tages ging ich
also mit meiner Gitarre bewaffnet in den Nachmittagsstunden nach der Schule in diesem Pub und fragte
den Inhaber (der zum Glück sehr gut Deutsch sprach): "Ich würde gerne mal Songs von Elvis singen und
hier gerne öfters auftreten." Er schaute zu mir herunter und sagte: "Und ich möchte erst einmal hören, ob
du das überhaupt kannst."
Er drehte die Musik aus und erzählte den Gästen irgendwas auf Englisch. Auf einmal schauten mich alle
an und warteten wohl auf meinen Einsatz. Der Besitzer schaute mich ebenfalls fragend an und sagte:
"Worauf wartest du?" Ich schnallte mir die Gitarre um die Schulter und begann "That´s all right Mama"
zu singen. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Gäste ihre Füße im Takt bewegten und dann auch
lauthals mitsangen. Nach meiner Hörprobe sagte mir der Besitzer, dass ich jederzeit wiederkommen darf,
und es sollte auch nicht umsonst sein. Er versprach mir, dass er mir für jeden Gast, der nach meinen
Auftritten noch im Pub ist, eine deutsche Mark in die Hand gibt.
Er hat immer sein Wort gehalten.
10
Kapitel 3 - Aller Anfang ist schwer
Es muss so um 1982 herum gewesen sein, als ich während einer Freistunde in der Klasse saß, und
meine Schulfreundin Kirsten, die mit mir zusammen im Schulchor sang, zu mir sagte: "Lass uns doch
mal einen eigenen Song machen." Wie jetzt? Selber komponieren und eigene Texte schreiben?
Das hatte ich doch noch nie gemacht. Aber wie sagte schon der alte Konfuzius: "Auch der weiteste Weg
beginnt mit dem ersten Schritt". Also haben wir uns gemeinschaftlich überlegt, was wir für einen Song
machen wollten.
Wir entschieden uns für einen englischen Titel, aus welchen Gründen ist für mich heute allerdings nicht
mehr nachvollziehbar. Ich schrieb mir die Akkordfolge auf einen Zettel und so nach und nach nahm das
Lied dann auch eine Form an.
Durch meine Sängertätigkeit in der Schulband hatte ich mir von meinen Bandkollegen die Grundlagen
der anderen Instrumente zeigen lassen können. Das war in sofern ganz praktisch, dass man während der
Proben auch mal ein anderes Instrument spielen konnte, wenn mal ein Kollege zeitlich an der Probe nicht
teilnehmen konnte. Und ich zeigte immenses Interesse an anderen Instrumenten. Dabei hat es mir
immer das Schlagzeug und die Keyboards besonders angetan. Die Tatsache, dass man durch das
Drücken von 3 Tasten auf dem Keyboard ein komplettes Symphonieorchester hören konnte, hat mich
damals schwer beeindruckt. In diesem Jahr sollte ich allerdings mit einem Mann Bekanntschaft machen,
der eine ganz andere musikalische Seite an mir fördern sollte. Doch dazu später mehr.
1983 habe ich eine mir bis dahin völlig unbekannte Musikrichtung kennen gelernt: Den Rockabilly.
Ein guter Freund von mir hatte mir die Platte einer Band empfohlen, die stilistisch eng an den
Rock and Roll angelehnt war. Die Rede ist von der Band „The Stray Cats.“ Wiederum kam mir auch hier
der Zufall zugute. Im WDR-Fernsehprogramm gab es damals eine Sendung namens "Rockpalast".
Dort wurden immer Konzerte und Interviews von großen Künstlern gezeigt. Im August 1983 traten die
Stray Cats im Rahmen eines Open-Air-Konzertes auf der Freilichtbühne Loreley auf und so habe ich
diese Band, die lediglich aus E-Gitarre, Kontrabass und einem minimalistischen Drum-Set bestand,
erstmals am Fernseher verfolgen können. Was ich dort zu sehen bekam, hat mir wirklich die Sprache
verschlagen.
Brian Setzer zeigte Sachen an der Gitarre, die ich vorher eigentlich nur von Prince kannte.
Ein Bassist, der während des Spielens auf seinem Instrument lag und einen stehenden Drummer, der
lediglich mit einer Bass-Drum, Snare, Hi-Hat und einem Becken ausgestattet war, erzeugten einen
wahnsinnigen Sound, den ich vorher noch nie gehört hatte.
Ich wurde unweigerlich an den Tag erinnert, an dem ich den ersten Elvis-Song hörte.
Zu diesem Zeitpunkt war ich stilistisch der Fraktion Ted zuzuordnen. Einer Gruppierung von
Jugendlichen, die durch das besondere Tragen ihrer Haare (der berühmten Elvis-Tolle), ihren Schuhen
und ihrer James Dean- oder Lederjacken auffielen. Jeder war in dieser Zeit irgendwie gruppiert.
Sei es Popper, Punk, Skin, Ted oder halt die Normalos. Und jede Gruppierung hatte auch ihren
persönlichen Musikstil. Bei den Teds war es halt der Rock and Roll, die Musik der 50er und 60er Jahre,
die Oldies. Die Teds haben sich jeden Sonntag in verschiedenen Tanzschulen in Dortmund getroffen und
haben dort ihre Tanzkünste präsentiert, sei es solo oder mit Partner. Auch ich war so einer.
Mein Tanzstil erinnerte stark an Shakin´ Stevens, gemischt mit ein paar Moves von Elvis.
Und dann traf ich ihn: Rio, the Voice of Elvis.
Rio (der eigentlich Mario heißt) war mit der älteste in unserer Clique, fuhr damals einen alten
Ford Granada und war wohl mit Abstand der größte Elvis-Fan auf Gottes Erdboden.
Irgendwann kamen wir dann mal ins Gespräch und er sagte mir, dass er eine Band gründen wolle. Ihm
würde lediglich noch ein Drummer fehlen.
11
Ich sagte ihm, dass ich zwar spielen könne, aber dass ich kein eigenes Instrument habe.
Das reichte ihm zumindest schon mal, dass ich zu einer seiner Proben kommen durfte. Ich erzählte
meinen Eltern von dem Vorhaben, Drummer einer Elvis-Coverband werden zu können und dass ich es
begrüßen würde, wenn sie mir ein gebrauchtes Schlagzeug kaufen könnten. Meine Mutter wollte sich Rio
erst einmal genauer anschauen, bevor es in dieser Angelegenheit zu einem Ergebnis kommen sollte.
Ich nahm sie also zu unserer nächsten Probe mit und stellte sie Rio vor. Die beiden haben sich länger
unterhalten und natürlich wurden auch anstehende Auftritte besprochen. Da ich zu dem Zeitpunkt noch
15 Jahre alt war, waren Auftritte nicht immer einfach. Ich erinnere mich noch an einen Auftritt in den
Niederlanden, bei dem wir auf einer Veranstaltung des hiesigen Elvis Presley-Fanclubs einen Song
spielen sollten. Ganz minimalistisches Besteck, nur Snare-Drum und Hi-Hat (die ich mir vorher bei
einem Bekannten ausgeliehen hatte). Rio musste meiner Mutter versprechen, mich nach dem Auftritt
persönlich wieder zu Hause abzuliefern, sonst hätte ich gar nicht mitfahren dürfen. Gott sei Dank war der
Termin ein Sonntagnachmittag.
Mein Gastspiel als Drummer bei Rio war auf Grund meines damaligen Alters daher auch nur von kurzer
Dauer. Ich verließ die Band kurze Zeit später und widmete mich wieder intensiver meinem Gesang.
In den folgenden zwei Jahren habe ich dann angefangen, das „Song-writing“ etwas auszubauen.
Das Ende meiner schulischen Laufbahn war mittlerweile in greifbare Nähe gerückt und mein
Musiklehrer trat mit dem Wunsch an mich heran, er würde es ganz toll finden, wenn ich auf der
bevorstehenden Abschlussfeier, begleitet von der Schulband, "My Way" in der Version von Elvis singen
würde.
My Way…… Ein Titel, der eigentlich besser zu einem Künstler passt, der gerade seine musikalische
Laufbahn beenden möchte, anstatt sie zu beginnen. Ein Titel, der mich wahrscheinlich bis zum Ende
meines musikalischen Seins verfolgen wird. Ich weiß nicht, wie oft ich ihn schon gesungen habe, aber es
müssen mehrere hundert Mal gewesen sein. Ein Titel, der mir in der Fassung von Frank Sinatra nie
gefallen hat, obwohl Sinatra mit Sicherheit in die Kategorie "Jahrhundertkünstler" einzuordnen ist. Und
ein Titel, der vom gesanglichen Schwierigkeitsgrad nicht unterschätzt werden sollte.
Wir probten den Titel also während der Bandproben, teilweise auch zusammen mit unserem Musiklehrer
bis zum Erbrechen.
Der Tag des Abschieds konnte also kommen. In einer großen Schul-Aula in Dortmund-Asseln haben sich
an diesem Tag Schüler aus fünf Abschlussklassen zusammen mit ihren Eltern, Geschwistern Freunden
und Lehrern getroffen, um das Ende der Schule und den Beginn des „richtigen Lebens“ einzuläuten.
Natürlich waren auch meine Eltern an diesem Tag dort. Bewaffnet mit einem Fotoapparat (Handys mit
Kamera gab es ja zu dieser Zeit noch nicht) und mehreren Filmen nahmen sie im vorderen Teil des Saales
Platz.
Ich hielt mich zu diesem Zeitpunkt mit meinen Bandkollegen hinter der Bühne auf. Nach dem
Rahmenprogramm sagte unser Musiklehrer dann den Abschluss-Song des Nachmittags an und die Jungs
rückten ihre Instrumente auf die vorgesehenen Positionen. Als alle fertig waren, sagte mir mein
Musiklehrer ich solle mich schon mal auf meine Position begeben.
Und dann..... ja dann ging auf einmal das Licht aus, die Band fing an zu spielen und ich stand alleine in
einem Lichtkegel und habe nichts, aber auch wirklich nichts mehr gesehen. Wenigstens habe ich damals
den Einsatz nicht verpasst. Dann passierte allerdings etwas während der zweiten Strophe, was mir vorher
noch nie passiert ist.
Ich musste beim Singen schlucken.
12
Vor lauter Nervosität hatte ich soviel Speichel im Mund, dass ich einfach schlucken musste. Demnach
kam es während der Darbietung auch zu einer kleinen Pause beim Singen. Ich grinste kurz, sang weiter
und blickte nach Beendigung des Songs in einen mittlerweile wieder hellen Saal mit stehendem
Publikum, in die verheulten Augen meiner Eltern und lauschte den lautstarken Zugabe-Rufen der Leute.
Oder um es mit den Worten der bekannten Düsseldorfer Punk-Band „Die toten Hosen“ zu sagen:
"An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit......"
Im August 1985 begann ich meine Ausbildung als Bäcker in Dortmund-Scharnhorst. Da mein Vater
bereits diesen Job ausübte, und ich ja während meiner Kindheit oft genug in der Backstube anzutreffen
war, fiel mir die Entscheidung relativ einfach. Sehr zum Leidwesen meiner Mutter, die mich immer gerne
in einem Büro gesehen hätte begleitet von ihren Weisheiten "... für die Backstube hättest du nicht auf die
Realschule gehen müssen." Letztendlich habe ich mich durchgesetzt, nun galt es auch in diesem Bereich
zu zeigen, was in mir steckt. Musikalisch gesehen war meine Berufsausbildung faktisch eine kleine
Auszeit. Ich machte zwar hin und wieder noch Auftritte, aber in der Regel nur noch als Gastmusiker oder
als Krankenersatz.
Ich schrieb auch weiter Songs, überwiegend in Englisch, hatte allerdings nur die Zeit diese als Demos
aufzunehmen. Ich hatte mir zu diesem Zweck einen gebrauchten Atari-Computer zugelegt.
Winzig kleiner Bildschirm (allerdings damals schon in Farbe), mit einem 3,5" Diskettenlaufwerk, aber:
mit einem eingebauten Midi-Interface.
Dieses brauchte man, um Daten vom Keyboard zum Rechner zu schicken. Und Atari war damals der
einzige Hersteller, der dieses System überhaupt anbot. Um meine Songs aufzunehmen, hatte ich mir ein
so genanntes Multitrack-Aufnahmegerät gekauft.
Einen Yamaha MT-8.
Das Ding sah aus wie ein Mischpult, wurde mit einer Musikkassette befüllt und war in der Lage, mehrere
Tonspuren auf einer Kassettenseite aufzunehmen, nämlich: 8!
Für das Einspielen der Drums hatte ich einen Alesis SR-16, einer der ersten Drum-Computer, mit denen
sich die Drums auch nach Schlagzeug anhörten. Das Ding hatte nicht nur für jeden Sound ein eigenes Pad
(das sind so kleine gummierte Felder, die einen Ton von sich geben, wenn man draufhaute), sondern auch
vorgefertigte Rhythmus-Tracks. Schon damals komponierte ich meine Songs erst mit der Gitarre, und
habe mir erst während des Arrangierens Gedanken darüber gemacht, welches Instrument wohl hinterher
welchen Part im Song spielt.
Ich nutze also die Zeit meiner Ausbildung, um mich im Gebrauch und der Bedienung meiner MusikHardware zu üben und um meine Fertigkeiten an den verschiedenen Instrumenten zu verbessern. Die
Grundlagen dazu wurden mir ja in der Schule ausreichend vermittelt. Auch nach meiner Ausbildung hatte
sich an diesem Zustand nicht viel verändert. Diverse Bands, diverse Musik, aber immer noch fehlte das
gewisse Etwas bei diesen Leuten. Klar hat es Spaß gemacht mit so vielen verschiedenen Leuten Musik zu
machen, aber auch damals schon stellte ich fest:
Jemand, der sein Instrument gut beherrscht, kann auch dazu neigen sich als menschliches Arschloch zu
outen. Frei nach dem Motto: Seht her und lernt von mir, aber bitte erwartet keine Hilfe von mir. Ich fand
das damals ganz schlimm und habe mir relativ schnell geschworen, nie zu einer "Diva" zu werden.
Im Oktober 1989 wurde dann ein neuer Lebensabschnitt bei mir eingeläutet: Vater Staat brauchte meine
Hilfe (oder um es anders auszudrücken: Ich wurde zum Wehrdienst in der 4. Kompanie des Jägerbataillons 66 einberufen.) Anfangs wollte ich gar nicht, doch nach den ersten drei Monaten fand ich plötzlich
Gefallen an der „Firma“. Hamburg wurde meine neue Heimat, die Kaserne lag damals in Wentorf
(das liegt etwas unterhalb von Hamburg-Bergedorf), und ich liebte die ausgedehnten Spaziergänge mit
meinen neuen Kameraden, ständig an der frischen Luft zu sein und regelmäßig kostenlos verpflegt zu
werden. Was lag also näher, diese Vorzüge durch ein regelmäßiges Einkommen zu verbessern?
Ich entschloss mich also, die Laufbahn eines Unteroffiziers für die Dauer von vier Jahren einzuschlagen.
Meine militärische Laufbahn nahm also seinen Lauf.
13
Nach der Grundausbildung ging es zum Unteroffizierslehrgang an die Kampftruppenschule in
Hammelburg (Bayern), und anschließend wieder zurück nach Hamburg.
Nach meinem bestandenen Unteroffiziers-Lehrgang wurde ich dann in das Unteroffiziers-Korps der
Kompanie aufgenommen und musste hierzu vorher eine Aufgabe bewältigen. Diese Aufgabe dachte sich
in der Regel immer der Kompanie-Feldwebel (Spieß) aus. Das Desaster nahm also seinen Lauf.
Eines Tages bestellte mich der Spieß in sein Dienstzimmer und teilte mir folgende Aufgabe mit: Besorge
eine Parkuhr und installiere diese vor dem Kompaniegebäude auf. Das war Teil 1 der Aufgabe.
Was jetzt folgte war der Teil 2. Es sei ihm zu Ohren gekommen, dass ich musikalisch ein wenig
bewandert sei, und er wünsche sich auf dem kommenden Unteroffiziersabend einen Titel von
Tina Turner von mir. Live gesungen und gespielt, und natürlich standesgemäß im richtigen Outfit.
Autsch... das hatte gesessen.
Das ist dann so ein Moment in deinem Leben wo du dich ernsthaft fragst: Was habe ich getan, damit der
liebe Gott auf mich geschissen hat? Ich meldete mich vorschriftsmäßig beim Spieß ab und ging
schnurstracks zu einem Rekruten durch, von dem ich wusste dass er bei den Hamburger Stadtwerken
arbeitete. Ich führte ein eingehendes Vier-Augen-Gespräch mit ihm und teilte ihm mit, dass ich innerhalb
der kommenden 3 Tage eine Parkuhr benötigte, egal ob funktionstüchtig oder nicht. Der Rekrut nickte
kurz und teilte mir mit, er könne "da was drehen". Ich teilte ihm auch mit, dass die ganze Aktion "legal"
abzulaufen habe. Als Belohnung stellte ich die ausreichende Flüssigversorgung eines hopfenhaltigen
Kaltgetränkes für den nächsten Zugabend in Aussicht. Er schmunzelte kurz und teilte mir mit, dass das
Objekt meiner Begierde in 2 Tagen vor dem Kompanieblock stehen würde.
Gut war, dass unser Spieß die kommenden 3 Tage auf einer Weiterbildung war, und genau an diesem Tag
wiederkommen würde. Der Rekrut hielt Wort, und am Tage der Rückkehr unseres Kompanie-Feldwebels
stand vor dem Gebäude eine Parkuhr. Ich habe es mir natürlich nicht nehmen lassen, bei seiner Ankunft
vor dem Gebäude zu stehen und tat so, als wenn ich die Dienstaufsicht beim Fegen des Kasernengeländes
hätte. Er kam, sah die Parkuhr, sah mich und sagte: Das sollte eigentlich ein Scherz sein und er hätte
nicht gedacht, dass ich das wirklich schaffe.
Ich antwortete nur kurz und knapp: "Auftrag bekommen heißt Auftrag erfüllen Herr Hauptfeldwebel."
Danach hörte ich dann nur noch von ihm:" Dann freue ich mich jetzt schon auf Tina Turner."
Ach ja, da war ja noch was. Ich überlegte mir, welchen Song ich denn an dem Abend der Aufnahme
singen sollte und entschied mich spontan für "Addicted to Love". Der Song stammte zwar im Original
von Robert Palmer, aber ich hatte den Song in einer Live-Fassung auf einer ihrer Langspielplatten gehört.
Der Song als solches stellte nicht das größte Problem dar. Das wiederum war die Transformation meines
Geschlechts zur Frau. Ich überlegte fieberhaft wo ich eine Perücke her bekomme, die ungefähr so
aussieht wie Tinas Haarpracht.
Also ab ins Kaufhaus nach Bergedorf und nach der Schaufenster-Gestalterin gefragt. Ich teilte ihr mein
Anliegen mit, dass ich mir eine Perücke bei ihr ausleihen wolle und auch für welchen Zweck. Sie fing
laut an zu lachen (Frauen können manchmal echt grausam sein), ging kurz weg und kam wirklich mit
einer Perücke wieder, die fast wie das Original aussah. Ich bedankte mich und versprach, die Perücke am
darauf folgenden Montag wieder zurückzubringen.
"Ich würde mich auch sehr über ein Foto in der Totalverkleidung von Ihnen freuen" sagte sie noch zu
mir.
Atze Schröder hätte damals wohl geantwortet: "Ja nee... is´ klar". Gedacht habe ich das allerdings auch
damals. Die restlichen Utensilien besorgte ich mir von meiner damaligen Freundin. Minirock,
Strumpfhose, Pumps, Nagellack.
"Lasset die Transformation beginnen" dachte ich am Tag X. Ich verabschiedete mich beim Spieß genau
eine Stunde vor meinem Auftritt mit den Worten, ich würde mich dann jetzt gerne auf meine zweite
Aufgabe vorbereiten. Er nickte und grinste kurz. Genau eine Stunde später betrat ich verkleidet als Tina
Turner den Raum, schnappte mir meine E-Gitarre, drehte den Verstärker auf und drückte Play am
CD-Spieler. Der Spieß wollte es sehen, und ich lieferte ab. Und zwar richtig.
14
Bei der nachfolgenden Abstimmung im Kreise der altgedienten Kameraden, ob ich denn meine Aufgabe
für alle erfüllt hätte, gab es keine Gegenstimmen und alle hatten ihren Spaß. Ein Abend, der sich in
meinem Kopf so festgesetzt hat, dass ich auch heute noch herzlich darüber lachen kann.
15
Kapitel 4 - Madhouse - Die erste eigene Band
Nachdem ich 1997 aus dem aktiven militärischen Dienst ausschied (ich hatte mir zwischenzeitlich noch
einmal vier Jahre "Nachschlag" gegönnt), und ich meine Umschulung im Rahmen einer geförderten
schulischen Aus- und Weiterbildung zur IHK-Geprüften Werkschutzfachkraft erfolgreich absolviert
hatte, war ich 2000 beim Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn in Dortmund beschäftigt.
Musikalisch gesehen trat ich irgendwie auf der Stelle und ich erinnerte mich an die guten alten Tage zurück, als ich noch mit anderen Musikern Live-Musik spielte.
Dahin wollte ich gerne wieder zurück, allerdings nicht die klassische "Top 40-Geschichte", sondern etwas, was es zum damaligen Zeitpunkt nicht so wirklich gab. Es gab gute Coverbands zu der Zeit, aber
irgendwie spielten alle die gleichen Songs. Es war keine Band dabei, die z.B. nur Pop- oder Rocksongs
spielten. Entweder gab es Bands, die nur Songs von speziellen Künstlern nachspielten, oder halt die, die
alles quer Beet nachgespielt haben. Das wollte ich ändern. Ich wollte Rocksongs spielen, ich wollte
Songs von Bands spielen, an die sich andere nicht herangetraut haben, weil sie zu schwer zum
Nachspielen sind. Ich wollte eine Rock-Coverband. Das stellte mich vor die erste Herausforderung:
Suche einen bezahlbaren Proberaum in günstiger Lage mit Toilette und freier Lautstärkenwahl.
In der Gneisenaustrasse in Dormund hinter dem Hauptbahnhof wurde ich fündig. Dort stand ein alter
Bunker (bzw. er steht immer noch dort), der von einem Vermieter aus Oberhausen zu genau diesem
Zwecks vermietet wurde. 4 Etagen mit insgesamt über 30 Proberäumen,
Generalschließanlage mit jeweils eigenem Zugang nur für die betreffende Etage, wo der Raum liegt und
Toiletten.
Jeder Raum hatte einen eigenen Stromzähler mit Sicherungskasten. Also genau das, was ich suchte. Da es
immer ungünstig ist, wenn man einen solchen Raum alleine finanzieren muss, suchte ich parallel über ein
Anzeigen-Magazin interessierte Mitmusiker. Es dauerte auch nicht lange, bis sich die ersten Interessenten
telefonisch bei mir meldeten: Konrad und Olaf.
Sie hätten meine Anzeige gelesen und würden stilistisch schon gerne die Art von Musik machen, die mir
so vorschwebte. Wir verabredeten uns also, um uns mal gegenseitig zu beschnuppern und mal die Songs
zu besprechen, die sich jeder einzelne so vorstellte. Bei den Songs waren wir uns relativ schnell einig, da
waren genügend Gemeinsamkeiten erkennbar. Auch die Verteilung der Proberaum-Miete war für jeden
akzeptabel. Es fehlten also nur noch ein Keyboarder und der passende Bassist zur Vollzähligkeit.
Die ersten Proben machten wir zu dritt.
Konrad war ein ausgezeichneter Lead-Gitarrist, spielte Solos in einer äußerst ansprechenden Art und
Weise, mit dem notwendigen Maß an Sauberkeit und das Ganze, ohne dabei arrogant zu wirken. Ich hatte
also das Gegenstück zu vorherigen Gitarristen gefunden. Olaf war mehr so von der ruhigen Sorte.
Drummer halt. Ein paar Wochen später sollte sich die Band zur Vollendung finden. Zwischenzeitlich
stieß Dirk zu uns, unser neuer Bassist. Etwas reiferer Jahrgang, Abteilung Krautrock / Pink Floyd, aber:
Nicht minder begabt. Es war mehr so der Typ "konzentriertes Arbeiten", sprich: Die Augen immer schön
am Textblatt und die Akkordfolgen nicht aus den Augen lassen.
Was dem Gesamtergebnis ja keinen Abbruch tat, im Gegenteil. Was ich sehr an ihm geschätzt habe war,
dass er sich auch mal Sachen hat zeigen lassen. Das trifft man ja auch eher selten bei Instrumentalisten.
Fehlte also nur noch jemand, der die Tasten am Keyboard drückt.
Diesen jemand trafen wir während eines gemeinsamen Bandausflugs im "Riff" im Bochumer
Bermuda-Dreieck. Mittwochs abends ist dort ab 22 Uhr die New Yorker Sängerin Pamela Falcon mit
ihrer Band zu sehen. Was einen Besuch dort wirklich lohnenswert macht ist das Konzept der
Veranstaltung. Sie singt dort nicht nur eigene Songs, sondern auch Covertitel und hat immer Gastsänger
und -sängerinnen dabei. Und genau diese Spezies war auch an diesem Abend dort vertreten. Andrea.
16
Sie spielte eine Ballade am Klavier und sang dazu. Ich lauschte mit geschlossenen Augen ihrer Stimme
und dachte erst, da singt die Frontfrau von "The Corrs". Nicht nur dass sie sich den gleichen Vornamen
teilten, nein, sie hatten auch fast identische Stimmen. Ich sprach Andrea nach ihrem Auftritt an, ob sie
sich vorstellen könnte, eventuell auch in einer Rockband zu singen und zu spielen. Das hätte sie zwar
noch nicht gemacht, würde es allerdings gerne mal ausprobieren war ihre Antwort. Wir vereinbarten
einen Probetermin, und ich nannte ihr ein paar Songs auf die sie sich schon einmal vorbereiten sollte.
Gesagt, getan. Ein paar Tage später trafen wir uns in unserem Proberaum und spielten die Songs
nacheinander durch. Es hinkte zwar hier und da noch ein bisschen, aber das war zu dem Zeitpunkt auch
eigentlich egal. Wenn ich zu dem Zeitpunkt gewusst hätte, was ich uns da an Land gezogen hatte, hätte
ich sie wahrscheinlich nach ihrem Auftritt nicht angesprochen. Nach mehreren Monaten des eifrigen
Probens war es dann auch an der Zeit, wo wir uns Gedanken über das Thema Werbung machen mussten.
Denn schließlich wollten wir ja nicht für den Proberaum spielen, sondern uns auch mal auf Bühnen und
einem breiten Publikum präsentieren. Also mussten erst einmal ein paar aussagekräftige Fotos her, aus
denen man dann hinterher auch ein paar Konzertplakate fertigen konnte.
Die Digital-Fotografie war zu diesem Zeitpunkt noch nicht "State of the Art", man knipste immer noch
analog, also mit einem Film. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mein Büro im Dortmunder Harenberg
City-Center, einem hohen Bürokomplex direkt am Hauptbahnhof. Dort haben wir uns an einem späten
Nachmittag alle zu einem Foto-Shooting getroffen und vorher abgemacht, welche Klamotten wir auf den
Fotos anhaben wollten. Alles war besprochen, und dann kam (leider etwas verspätet) Andrea. Bepackt
wie der Nikolaus mit mehreren Tüten, Blusen und Schuhen. Was man halt so braucht für ein Shooting
mit EINEM Outfit. Es dauerte auch nicht lange bis die Frage kam "Wo kann ich mich denn hier
umziehen?". Wir Männer schauten uns an, und jeder konnte glaube ich die Gedanken seines
Nebenmanns aus dessen Gesicht förmlich ablesen.
Ich antwortete: "Auf der Damentoilette." Hoppla... falsche Antwort. Zumindest, wenn ich ihren
Gesichtsausdruck noch einmal vor meinem geistigen Auge Revue passieren lasse.
Lange Rede, kurzer Sinn. Wir brachten das Shooting einigermaßen gut gelaunt über die Bühne und waren
im Anschluss noch in einem kleinen Lokal namens "Penny Lane". Dort verbarg sich im Keller ein kleiner
Saal mit Tanzfläche und einer Bühne. Beim ersten Anblick also durchaus eine Lokalität, in der man
seinen ersten Gig (Auftritt) machen konnte. Nach einem kurzen Gespräch mit der Bedienung in dem wir
uns vorstellten, welche Art von Musik wir machen usw., wurde dann kurzerhand ein Termin für
unseren ersten Auftritt festgelegt. Da der Termin relativ bald anstand, und wir mit unserer neuen
Keyboarderin auch noch einiges zu üben hatten, verbrachten wir die nächste Probe also damit, ein
ansprechendes Programm über zwei Stunden auf eine Liste zu schreiben. Diese sollte uns bei den
kommenden Proben als Leitfaden zur Seite stehen. Der Tag des Auftritts war dann auch schneller da, als
wir schauen konnten.
Wir trafen uns wie verabredet am Proberaum zum Verladen unseres Equipments, die einzige die fehlte
war Andrea. Sie würde sich verspäten und würde direkt zum Penny Lane kommen teilte sie Konrad über
sein Handy mit. Nun gut, dachte ich. Ist halt dumm gelaufen, aber auch nicht mehr zu ändern. Wir fuhren
also zum Auftritt, luden unsere Sachen aus und bauten schon mal die Bühne auf. Pünktlich zum
Soundcheck tauchte dann auch Andrea auf, und fing direkt an über die Art und Weise des Bühnenbildes
herzuziehen. Ich stellte ihr extra für den Auftritt mein E-Piano sowie meinen Yamaha-Synthesizer auf
einem Doppelständer zur Verfügung, da sie über keine eigenen transportierbaren
Instrumente verfügte. Ich hatte sogar einen Keyboard-Doppelständer gekauft, damit sie beide Instrumente
direkt und übereinander vor sich stehen hatte. "Ich kann so, wie die Instrumente jetzt stehen, nicht
spielen" sagte sie, woraufhin sie von mir lediglich die Antwort bekam: "Dann stell dir die Sachen so hin,
wie du sie brauchst, oder bau sie dir beim nächsten Mal selber auf."
In Musikerkreisen ist es eigentlich üblich, dass bei einem Auftritt jeder sein Equipment selber aufbaut.
Nun, vielleicht war Madame diese Tatsache nicht bewusst, aber das war mir zu diesem Zeitpunkt auch
egal.
17
Meine gute Laune war dahin, und ich brauchte wirklich eine ganze Zeit, bis ich wieder gut gelaunt war.
Der Auftritt selber war für das erste Mal ganz in Ordnung. Den einen oder anderen Patzern gab es schon,
aber insgesamt schon mal ein guter Start. Nach dem Auftritt haben wir uns dann erstmal unters Volk
gemischt und mit unseren Freunden und Bekannten ein bisschen gequatscht. Das hat sich in sofern als
positiv herausgestellt, dass der Puls wieder etwas herunterfährt und man wieder "normal" wird. In der
Probe nach unserem ersten Auftritt haben wir das gemacht, was man als Künstler eigentlich immer nach
jedem Auftritt machen sollte. Analyse, Fehlererkennung und besprochen, was wir in Zukunft besser
machen können. Während diesem Gespräch wurde natürlich auch das Verhalten von Andrea
angesprochen. Und während des Gespräches teilte sie uns dann mit, dass sie ihren persönlichen
Schwerpunkt ja auch eigentlich mehr im Gesang sehen würde als hinter einem Instrument.
Das war mein Stichwort. Da die Aufgaben innerhalb der Band von Anfang an klar definiert waren, und
ihr diese auch bekannt waren, war für uns alle klar, dass sie uns als Background-Sängerin (mit einigen
Solo-Parts) und als Keyboarderin unterstützen sollte. Das war der Deal.
Ich teilte ihr mit, dass ich ein derartig unkollegiales Verhalten wie beim Auftritt noch nie erlebt hätte, und
ich war schon in einigen Bands. Letztendlich trennten wir uns von Andrea. Durch ihre Tätigkeit als
Berufschul-Lehrerin war sie in der letzten Zeit so zeitlich eingespannt, dass es ihr auch nicht mehr
möglich war, regelmäßig zu den Proben zu erscheinen. Also mussten wir davon ausgehen, dass sie
letztendlich auch kein richtiges Interesse mehr an der Band hatte. Aber wie heißt es so schön:
Hinter jeder geschlossenen Tür öffnet sich eine neue.
Und da ich mit der Musikersuche über eine Anzeige bereits gute erste Erfahrungen gemacht hatte,
entschied ich mich wieder für diesen Weg. Madhouse, so hieß meine Band damals, brauchte unbedingt
einen fähigen Tastendrücker. Soviel stand fest. Leider wächst diese Art Musiker nicht auf den Bäumen,
sondern ist relativ rar gesät. Zumindest, wenn man als Band den Anspruch hat, dass derjenige auch
menschlich zu einem passen sollte.
Es vergingen knapp drei Wochen, als auf einmal abends mein Telefon klingelte. Ein gewisser Christian
meldete sich bei mir, er hätte meine Anzeige gelesen und er würde gerne unsere Vakanz als Keyboarder
besetzen. Wir unterhielten uns kurz über die Zusammensetzung der Band, welche Songs wir so spielten
und wo wir musikalisch noch gerne hin möchten.
Das Ziel war klar. So viele Auftritte wir möglich zu machen, und auch auf diversen Stadtfesten zu
spielen. Christian studierte genauso wie Konrad und Olaf, und es dauerte auch nicht lange bis ich ihn zu
einem "offenen Casting" bestellt habe. In unserem Telefonat teilte ich ihm schon mal drei Songs mit, die
er zu Hause vorbereiten sollte. Und dann kam er.
Ausgestattet mit einem Alleinunterhalter-Keyboard von Yamaha: einem PSR 9000.
Wir spielten also die besprochenen Songs durch und ich merkte sehr schnell, dass Christian mit den
Songs eher unterfordert als überfordert zu sein schien. Ich fragte ihn also, welche Art von Musik er denn
normalerweise spielen würde. Seine Antwort: Klassik. Da drängt sich dann schon mal die Frage auf, wie
man von der Klassik zum Rock kommt. Er antwortete: "Status Quo ist meine absolute Lieblingsband."
Na dann, Willkommen im Club“ dachten wir uns. Doch unser Glück sollte nicht von langer Dauer sein.
Kurze Zeit später, nachdem wir Christian als festes Mitglied in der Band begrüßen konnten, ließ unser
Schlagzeuger Olaf verlauten, dass er aus privaten Gründen die Band verlassen werde. Ich denke mal, dass
unserem Lead-Gitarristen Konrad dieser Entschluss mehr zu denken gab als mir, zumal die beiden nicht
nur zu den Gründungsmitgliedern von Madhouse zählten, sondern auch noch eng miteinander befreundet
waren.
Andererseits galt auch damals schon der Spruch: Reisende soll man nicht aufhalten. Nicht dass er ein
schlechter Drummer war. Ganz im Gegenteil.
Aber man merkt halt den Unterschied ob jemand aus dem Pop- oder Rockbereich kommt, oder vorher
Jazz gespielt hat. Letztendlich haben wir gar nicht so lange auf einen ansprechenden Ersatz warten
müssen.
18
Der letzte im Bunde war dann Thomas aus Lünen. Er machte schon seit mehreren Jahren aktiv als
Schlagzeuger Musik, und war gesanglich so fit, dass wir nun auch Unterstützung im Background-Bereich
unserer Songs bekamen. Diesen Teil hatte bis dahin immer Konrad gemacht. Aber auch hier gilt der
Grundsatz: Gitarristen sollten Gitarre spielen, und Sänger sollten singen.
In meiner Funktion als Sänger war für mich von Anfang an klar, dass ich lediglich die Funktion des
Rhythmus-Gitarristen übernehmen würde. Das war für mich schon nach der ersten Probe mit Konrad
klar. Sicherlich gibt es hier wie auch anderswo Ausnahmen, aber in der Regel gilt: Mach das, was du am
besten kannst. Wenn du besser singst als Gitarre spielst, dann sing. Und Thomas war diese Ausnahme:
Er konnte richtig gut Schlagzeug spielen, und war sicher im Singen der Harmonien bei unseren Songs.
Jackpot. Wir haben in dieser Zusammenstellung wirklich einige Auftritte gemacht, bei denen die Leute
nicht nur ihren Spaß hatten sondern auch gemerkt haben, dass da fünf Jungs auf der Bühne stehen, denen
das was sie da gerade machen, wirklich etwas bedeutet. Und das ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger
Punkt: Wenn das Publikum merkt, dass du halbherzig an einen Auftritt herangehst, kannst du noch so gut
singen oder spielen.
Der Funke wird niemals überspringen.
Bei dem letzten Auftritt von Madhouse haben wir dieses Gefühl ganz besonders gespürt. Von einem
befreundeten Bassisten hatten wir die Möglichkeit bekommen, für einen Veranstalter in der Sendener
Stadthalle zusammen mit der Band "Birdie" aufzutreten.
Jede Band sollte ca. zwei Stunden spielen, immer im Wechsel von je einer Stunde. Die Halle war an dem
Abend mit etwas über dreitausend Zuschauern komplett ausverkauft, die Bühne riesig groß, Licht und
Soundtechnik war ausreichend vorhanden und man hatte sogar zwei Videoleinwände links und rechts der
Bühne aufgebaut. Also Equipment vom allerfeinsten.
Wir starteten unser erstes Set mit dem obligatorischen "Let me entertain you" von Robbie Williams und
ersten Gäste kamen tanzend auf die Tanzfläche. Für das durchweg gemischte Publikum zwischen 18 und
65 Jahren hatten wir unser Programm so ausgelegt, dass quasi für jede Altersgruppe was dabei war.
Es folgten Songs wie "Davy´s on the Road again" von der Manfred Manns Earth Band, über "Addicted to
Love" von Robert Palmer bis hin zu "Rocking all over the World" von Status Quo.
Die Menge tobte, und je ausgelassener die Leute feierten, desto mehr Spaß hatten wir auf der Bühne. Bei
"Angels" von Robbie Williams entdeckte ich eine der beiden Kameras am linken Bühnenrand. Dort hatte
sich eine nette junge Dame positioniert und filmte unseren Auftritt für die Videowand. Und dann tat ich
etwas, das ich vorher bei noch keinem Auftritt von uns gemacht hatte. Ich winkte sie kurz vor Konrads
Gitarrensolo zu mir herüber, sie kam zu mir und wir tanzten im Takt der Musik bis zum Ende des Solos.
Die Menge tobte.
Ich bedankte mich mit einem Lächeln und sang einfach weiter. Ich weiß nicht mehr woher mir diese
spontane Idee kam, fest stand nur dass ich den Leuten etwas gab, was sie vorher wahrscheinlich noch nie
gesehen haben. Und sie dankten es mir mit einem tosenden Applaus.
19
Der Veranstalter bescheinigte uns nach der Veranstaltung in einem Gespräch, dass unser Auftritt den
Leuten außerordentlich gut gefallen hatte. Dies hätte er in mehreren Gesprächen herausgehört. Was will
man also mehr.
Die Leute hatten Spaß, wir hatten Spaß und darauf kommt es letztendlich doch an.
20
Etwas Ähnliches hatte ich davor nur einmal erlebt. Zu unserer Anfangszeit haben wir des Öfteren im
"Ratskeller" in Dortmund-Aplerbeck gespielt. Eine kleine urige Kneipe für ca. 150 Gäste, dann wurde es
allerdings auch schon schön kuschelig. Dort erlebten wir den Albtraum eines jeden Künstlers. Direkt
nach dem ersten Refrain des Eröffnungs-Songs fiel die Hauptsicherung aus.
Kein Strom, keine Musik. Nachdem wir uns innerhalb der Band alle fragend angeschaut hatten, und die
Wirtin immer noch ihren Sicherungskasten suchte, griff ich instinktiv zur Akustik-Gitarre und spielte den
Song einfach weiter in einer Unplugged-Version. Die Leute sind fast ausgeflippt, ein lautes Gegröle
untermalt von tosendem Applaus erfüllte den kleinen Saal. Nachdem der Strom mitten im Lied wieder da
war, hörte ich schlagartig auf zu spielen und leitete den Abend noch einmal mit den Worten ein: "Da ihr
ja alle Eintritt gezahlt habt, habt ihr natürlich auch das Recht unser gesamtes Programm zu hören. Wir
spielen den ersten Song also noch einmal, diesmal hoffentlich ohne Aussetzer." Die Einträge im
Gästebuch auf unserer Webseite waren nach dem Auftritt durchweg positiv, und der Abend ist allen
Anwesenden in so guter Erinnerung geblieben, dass wir viele neue Freunde dazu gewonnnen hatten.
Es zahlt sich also aus, wenn man als Künstler auch mal ab und zu die Veranstaltung aus Sicht eines
zahlenden Gastes betrachtet. Ich denke gerne an die Madhouse-Zeit zurück, auch wenn wir nicht auf allen
Veranstaltungen gespielt haben, die wir eigentlich gerne gemacht hätten.
Aber die Jahre 2000 bis 2007 waren für mich die besten Lehrjahre, die ich als Sänger und Musiker
erleben durfte. Und das nicht nur aus musikalischer Sicht, sondern auch aus menschlicher Sicht.
21
Kapitel 4.1 - Die menschliche Stimme
oder: Vocal-Coaching für Anfänger
Während unserer Madhouse-Auftritte, die je nach Veranstaltung schon mal vier Stunden auf der
Bühne oder auch länger bedeuteten, hatte ich bei manchen Songs manchmal das Problem, mit meiner
Atemluft auszukommen. Gerade bei Stücken wie z.B. "Rosanna" von Toto, die normalerweise in der
Stimmlage von Tenören zuhause sind, wird es nicht nur ton- sondern auch lufttechnisch eng für
Baritonsänger wie mich (zumindest was die Bruststimme angeht).
Konrad, unser Gitarrist, sagte mal während einer Probe zu mir: "Das Töne treffen ist nicht dein Problem,
allerdings denke ich, dass da mit professioneller Unterstützung noch einiges geht bei dir." Ich schaute ihn
fragend an. "Nimm doch mal ein paar Gesangsstunden" erwiderte er. Ich war schon immer jemand, der
sich gut gemeinte Tipps und Ratschläge zu Herzen nahm (wenn ich der Meinung war, dass sie mich in
einem Vorhaben weiter nach vorne bringen). Beim Musikhändler meines Vertrauens wurde ich fündig.
Dieser hatte in der Dortmunder Innenstadt nicht nur ein tolles Angebot an Instrumenten, sondern auch
noch eine Musikschule in der man das Klavier-, Keyboard-, Gitarre- und Schlagzeugspielen erlernen
konnte. Und das Singen. Bei meinem nächsten Besuch im Geschäft klingelte ich also dort an, die Tür
ging auf und ich ging schnurstracks in einer der oberen Etagen und meldete mich im Büro.
Eine Dame nahm mich in Empfang und fragte ob sie mir helfen könne. Ich sagte ihr, dass ich ein paar
Gesangsstunden nehmen wolle und erkundigte mich nach den preislichen Konditionen.
Ein Monatskurs beinhaltete damals vier Einzelstunden á 45 Minuten und kostete zum damaligen
Zeitpunkt 54 Euro. Ein angemessener Preis dachte ich und vereinbarte eine Probestunde. Und dann traf
ich den Mann, dessen Aufgabe es sein sollte aus mir das zu machen, was ich immer sein wollte:
Ein Sänger.
Sein Name: Jeff Cascaro, mein Jahrgang und ausgebildeter Gesangslehrer.
Wir setzten uns auf zwei Klavierhocker und er fragte mich Sachen wie "Was machst du musikalisch?"
und "Warum bist du hier?" Ich erzählte ihm, dass unser Gitarrist der Meinung war, ich könne ein wenig
professionelle Unterstützung gebrauchen.
Er erzählte mir, dass er schon mit sehr vielen, auch bekannten Sängern zusammen gearbeitet habe, u.a.
Sasha, den fantastischen Vier und, und, und..... "Nun gut" dachte ich leise bei mir. Jemand, der mit
solchen fantastischen Künstlern bereits zusammen gearbeitet hat, ist mit Sicherheit nicht der
verkehrte Ansprechpartner wenn es um das Thema Gesang geht. Allerdings dachte ich immer, dass es
gerade solche Künstler gar nicht nötig hätten, sich einem Vocal-Coach anzuvertrauen. Aber ich hatte
mich geirrt. Jeff sagte mir, dass gerade wenn die Künstler auf Tour gehen, in den Vorbereitungsphasen
der Vocal-Coach eine wichtige Rolle einnimmt, da er nicht nur eine technische Stütze bildet, sondern
auch oftmals die Rolle des Freundes mit übernimmt. Nach dem Gespräch musste ich dann verschiedene
Übungen singen, damit wir meine Stimmlage herausfinden konnten.
Dabei wurde dann auch festgestellt, dass ich von der Stimmlage her im Mittelfeld lag, ich allerdings auch
Bereich im Bass und Tenorbereich abdecken konnte. Die meisten Sänger singen normalerweise nur zwei
unterschiedliche Stimmlagen. Nachdem das geklärt war, spielte er mir den Titel "Ain´t no Sunshine" von
Bill Withers vor. Ein relativ ruhiger Jazztitel, der allerdings im Zwischenteil eine ganze Menge Luft
erfordert. Dieser Titel sollte mir als gutes Beispiel dafür dienen, was eigentlich so machbar ist. In mir
kamen so die ersten Zweifel auf, ob ich das auch wirklich schaffe. Doch Jeff versicherte mir, dass wir
jede Menge Übungen machen würden, und dass sich, wenn ich mich an meine "Hausaufgaben" halten
würden, die Art meines Gesangs wahrnehmbar verbessern werde. Woche für Woche bin ich also zur
Gesangsstunde gegangen, habe mir diverse Bücher zugelegt in denen die besprochenen
Techniken auch noch einmal näher beschrieben wurden, habe unsere Unterrichtsstunden sogar mit
meinem MiniDisc-Recorder aufgezeichnet und brav meine Lektionen zu Hause geübt.
Und Jeff hatte Recht. Unweigerlich änderte ich die Art und Weise wie ich bestimmte Songs vorher
gesungen hatte.
22
Das Phänomen der "Automatisierung" setzte langsam aber sicher ein, und viele Songs wurden auf einmal
machbar, an denen ich vorher scheiterte. Kurz vor Ablauf des Jahres bekam ich eine besondere
Hausaufgabe von ihm auf.
Ich sollte innerhalb einer Woche den Song "Through the Barricades" von Spandau Ballet zu Hause üben
und bei der nächsten Probe vortragen. Selbstverständlich kannte ich den Titel aus meiner Jugendzeit und
hatte ihn für relativ singbar gehalten. Doch als ich mir den Song zuhause noch einmal in aller Ruhe
zusammen mit dem Text anhörte, fielen mir doch die "schwierigen" Stellen auf.
Ich übte den Titel an jedem Tag mehrmals und war bis kurz vor der kommenden Gesangsstunde fest der
Meinung, dass ich den Titel eigentlich kann. Doch das sollte sich noch als großer Irrtum herausstellen.
Meine vorletzte Gesangsstunde bei Jeff Cascaro wird mich bis zu meinem letzten Tag begleiten, so hat
sie sich in mein Gedächtnis gebrannt. Ich kam wie immer überpünktlich zum Unterricht und kriegte noch
die letzten Übungen des Schülers mit, der vor mir die Stunde hatte. Dabei wäre es mir lieber gewesen, ich
hätte sie vielleicht nicht mitbekommen. Gerade singen ging anders. Kurze Zeit später öffnete sich die Tür
und Jeff meinte im Vorbeigehen "Geh schon mal rein und mach dich warm, ich komm gleich."
Mit Warmmachen meinte er die Lockerungsübungen der Stimmlippen, die jeder Sänger vor seinem
Einsatz eigentlich machen sollte.
Ich befolgte seine Anweisung und kurze Zeit später kam er dann zurück, sichtlich genervt, vielleicht auch
etwas angespannt. Etwas vorlaut fragte ich ihn "War jetzt nicht so der Hit der Kollege gerade, oder?"
Hätte ich mal besser meine Klappe gehalten, die Revanche sollte nicht lange auf sich warten lassen.
Ohne etwas zu sagen fing Jeff an, meine Hausaufgabe am Klavier zu spielen und ließ mich auch direkt
mehrmals die erste Strophe singen. Bis zum ersten Refrain bin ich an dem Tag gar nicht erst gekommen.
Stattdessen sagte er mir folgenden Satz: "Wenn du nur noch hier hin kommst, um dich warm zu singen,
kannst du auch demnächst zu Hause bleiben."
Bääämmmm.... Das hatte gesessen. Hat er das jetzt wirklich gesagt, oder hab ich mir das nur eingebildet?
fragte ich mich still. Aber die Art seines Gesichtsausdruckes, der wirklich sehr ernst war, ließ keinerlei
Spielraum für eventuelle, positivere Interpretationen seiner Aussage. Ich schaute ihn fragend an und er
sang mir die einzelnen Passagen der ersten Strophe noch einmal vor. Und zwar sang er sie mir so vor,
dass ich mir einbildete, ich hätte es wirklich anders gesungen. Meine Lust auf das Singen war in diesem
Moment von + 150% auf -40% schlagartig gesunken.
Zwar habe ich noch einmal den Versuch unternommen, und habe den ersten Teil noch einmal gesungen,
aber Jeffs Laune wurde auch dadurch nicht besser. Nach 20 Minuten brach ich die Stunde ab und
versprach, den Song in der Woche noch einmal bis zum Erbrechen zu üben.
Was ich dann auch tat. Die Woche darauf bin ich dann wieder zum Unterricht gegangen, wenn auch mit
gemischten Gefühlen. Was wäre, wenn ich wieder nicht seinen Anforderungen entsprach? Gott sei Dank
hatte er an diesem Tag deutlich bessere Laune als in der Vorwoche. Ich fing in seinem Beisein mit meiner
Aufwärmphase an und versuchte ihn dabei nicht anzusehen. Doch irgendwie machte sich in meinem Unterbewusstsein unangenehmer Stress breit.
Ich sang den Titel durch, wurde von Jeff auch nicht unterbrochen und behielt folgenden Kommentar im
Gedächtnis: "Du hättest den Song auch schon letzte Woche fehlerfrei singen können, aber irgendwie
musste ich dich mal von deinem hohen Ross herunterholen." Das sind dann so Momente im Leben wo dir
Fragen wie "Hast du Todessehnsucht?" oder "Auch schon länger nichts aufs Maul bekommen, oder?"
durch den Kopf schießen.
Aber glücklicherweise habe ich dieses Mal meinen Mund gehalten. Die eigentliche Botschaft, die mir
Jeff mit auf den Weg gegeben hat, lautete: Sei stets selbstkritisch zu dir selber, erkenne deine Stärken und
Schwächen und arbeite kontinuierlich an dir selber.
Und nicht vergessen: Es gibt immer einen, der besser ist als du.
23
Wir haben beide herzlich gelacht und mir persönlich hat das Jahr mit Jeff nicht nur viel Spaß gemacht,
sondern ich habe auch sehr viel von ihm lernen dürfen.
Von dem Mann, den ich danach nur noch im Fernsehen als langjährigen Vocal-Coach bei der RTL
Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar" und bei seiner Album-Präsentation bei "TV total"
wieder gesehen habe.
24
Kapitel 5 - Vom Rock zum Schlager
Das Jahr 2006 hielt zwei große Überraschungen für mich bereit.
Zum einen lernte ich zwei Menschen kennen, die mich bis heute in meinem Leben begleiten, zum
anderen machte ich da zum ersten Mal Bekanntschaft mit einer mir bis dato unbekannten Musikrichtung:
Dem deutschen Popschlager.
Ich lernte in diesem Zeitraum meine Frau kennen, und den meiner Meinung nach besten Moderator
und DJ: Addi Lippert. Meine Frau war zu dem Zeitpunkt schon sehr schlagerlastig eingestellt, was mich
damals auch nicht störte. Sie wusste, dass ich damals in einer Rock-Coverband sang und billigte dieses
Hobby auch. Irgendwann stellte sie mir mal die Frage, ob ich nicht mal einen deutschsprachigen Titel
komponieren und texten könne. Ich dachte kurz nach und überlegte. "Warum eigentlich nicht?" Und was
lag näher als einen Text über eine neu entstandene Liebe mit allen dazugehörigen Gefühlen füreinander
zu schreiben. Ich setzte mich also eines Abends mit der Gitarre in mein Wohnzimmer, und komponierte
meinen ersten deutschsprachigen Song mit dem Titel "Du".
Zwei Wochen später hatte ich eine Demoversion von dem Titel aufgenommen und wollte diesen Song
jetzt auch richtig aufnehmen. Dabei fiel mir ein guter Bekannter ein, den ich bereits aus vergangenen
Madhouse-Tagen kannte. Auch er war Sänger, Musiker und hatte zu Hause im Keller ein kleines Studio,
in dem er seine Songs komponierte und arrangierte.
Matthias "Kasche" Kartner. Auch er machte schon seit frühester Jugend Musik, was lag also näher, als
ihm von meinem Vorhaben zu erzählen. Ich rief ihn an und fragte ihn, ob ich eine Songidee bei ihm
aufnehmen könne. "Klar, komm vorbei" erwiderte Kasche am Telefon.
Ich setzte mich kurz an den Computer und brannte noch schnell eine CD mit den bereits vorhandenen
Projektdaten für das Musikprogramm Cubase. Das hatte den Vorteil, dass wir im Studio nicht noch
einmal alle Musikspuren neu einspielen mussten, sondern direkt die eingespielten Spuren bearbeiten
konnten.
Als ich bei Kasche ankam, lief bereits die Kaffeemaschine und sein Computer war an. Er legte die CD
ein, und lauschte konzentriert dem ersten Mix den ich von dem Titel bereits aufgenommen hatte.
"Schöner Song" sagte er, "da kann man auf jeden Fall was draus machen". "Ja dann" antwortete ich "lass
uns mal loslegen." Was dann folgte war meine erste Cubase-Lehrstunde mit einem anderen Arrangeur
und seiner Aufnahmetechnik. Er erklärte mir Schritt für Schritt, wie er an seine Songs heranging. Zuerst
die Drums, dann den Bass, Flächensounds, Synthesizer und zum Schluss dann die Stimmen.
Nachdem ich gesehen hatte, wie er sich die einzelnen Instrumente zusammengestellt hatte, musste ich
dann die einzelnen Schritte selber machen. Nachdem die Musik fertig war, nahmen wir dann die einzelnen Stimmen auf. Es gab zwar schon Stimmenkorrektur-Software wie Melodyne, aber diese war zu dem
Zeitpunkt noch ziemlich teuer, deshalb hatten es nur die wenigsten semi-professionellen Studios.
Wir nahmen die Stimmen damals noch "Old School"-mäßig auf, also so lange bis alle Töne saßen.
Und eine weitere Stunde später war der Song dann auch komplett fertig. Er brannte mir den Song mit
dem dazugehörigen Playback auf eine CD und wir quatschen noch ein bisschen, bis ich dann nach Hause
fuhr. Einen Tag später spielte ich meine erste deutschsprachige Komposition meiner Frau vor. Was sie
hörte schien ihr zu gefallen, zumindest erntete ich damals keinerlei Kritik. Ein paar Wochen später sollte
dann mein erster "richtiger" Einsatz als Chorsänger erfolgen.
Durch meine Zeit als Sänger bei Madhouse haben wir öfters in einer Eventkneipe in Dortmund-Brackel
mit dem Namen "Zur Alten Post" gespielt. Sowohl meine Frau als auch Addi waren zu diesem Zeitpunkt
öfters in dieser Lokalität zu Gast. Der Besitzer der Alten Post war DJ Diego Jahnke. Zu diesem Zeitpunkt
machte ich nebenbei für Diego Fotos von seinen Veranstaltungen, u.a. von Mickie Krause, Michael
Wendler, Olaf Henning, Jürgen Drews und wie sie nicht alle heißen. Diegos Partys waren ständig ausverkauft, und die Fotos wurden hinterher immer von mir auf seiner Webseite veröffentlicht.
25
Irgendwann sagte er mir, dass er gerade seine erste Single in einem Tonstudio aufnimmt, und ob ich mir
vorstellen könnte, darauf im Chor mitzusingen.
Ich fragte ihn, um welchen Titel es sich denn handeln würde und er antwortete "Sommer in der Stadt"
von Wolfgang Petry. Ich sagte kurz entschlossen ja und fragte, wer denn da noch im Chor mitsingen
würde. Die aufgezählten kannte ich bis auf Addi alle. Am Aufnahmetag trafen wir uns also vor seinem
Lokal und fuhren gemeinsam in seinem Transporter zum Studio nach Essen. Dieses lag in einem alten
Bunker und schon beim Betreten des Bunkers vernahm ich diesen typischen, muffigen Geruch.
Da wurden doch glatt Erinnerungen wach. Nach einer kurzen Besprechung mit dem Tontechniker, der
den Song so glaube ich auch neu arrangiert hatte, bezogen wir unsere Stellung in der Gesangskabine.
Jeder von uns setzte sich einen Kopfhörer auf, und wir lauschten dem Gesang von Diego. Als es dann an
den Chor-Part ging, stellte ich Diego dann mal die Frage, wer denn von uns welche Stimme singen sollte,
bis dahin war ich der Meinung, dass jeder von uns etwas anderes singen sollte. Singen ist an dieser Stelle
vielleicht etwas zu hoch gegriffen, vielmehr wurde ein Mallorca-typischer Gröl-Chor für diesen Song
benötigt. Also probten wir den Part ein- zweimal durch, bis es sich dann ungefähr so anhörte, wie der
Techniker es haben wollte.
Insgesamt haben wir die Stelle glaube ich gefühlte zwanzig Mal gesungen, bis die ersten heiser waren
und wir eine kleine Pause einlegten.
Die Pause nutze ich dann um mich mit Addi mal etwas anzufreunden. Wir waren uns relativ schnell
einig, dass unser Dasein nicht das Entfernteste mit Singen zu tun hatte und dass wir beide, wenn wir das
im Voraus gewusst hätten, an dieser Veranstaltung wohl nicht teilgenommen hätten.
Nach der Pause haben wir dann die gesamten Chorstimmen noch mal aufgenommen und sind dann alle
ziemlich fertig wieder nach Hause gefahren. Dort angekommen wollte Addi mal in meinen Song
reinhören, denn während unserer Gesangspause erzählte ich ihm davon. Ich legte also die CD in den
CD-Player meines Autos und Addi lauschte. Seine Meinung fiel schon etwas kritischer aus als die von
meiner Frau. "Für den ersten Titel schon nicht schlecht, aber hier kannst du noch das machen, und da
kannst du noch das machen" erzählte er mir. Durch seine Arbeit als DJ war er mit aktuellen Produktionen
aus diesem Musikbereich immer bestens versorgt, und ich hörte mir seine Ratschläge genau an.
Ich konnte zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht ahnen, dass dieser Mann irgendwann einmal mein stärkster
Kritiker werden sollte (zusammen mit meiner Frau) und maßgeblich an der Entstehung des
Schlagersängers und Komponisten Michael Ulm beteiligt sein würde.
An diesem Abend fasste ich den Entschluss "Du musst dich weiterbilden". Ich wollte die Art von Musik
kennen lernen, zu der die Leute an den Wochenenden in den Diskotheken tanzten, und ich wollte diese
Art der Musik verstehen. Denn einen guten Popschlager zu hören ist noch lange nicht das gleiche wie die
Art und Weise des Songaufbaus zu verstehen. Ich verabredete mich also kurze Zeit später mit Addi zum
Kaffe trinken und Musik hören.
Ich lernte Musik von Künstlern wie Jörg Bausch, Mike Bauhaus, Michael Wendler, Anna Maria
Zimmermann, und vielen anderen Künstlern kennen und kam relativ schnell zu dem Entschluss, dass sich
die Songs ja von den Instrumenten her gesehen kaum unterschieden. Und noch etwas fiel mir damals auf:
Es war nicht eine einzige Stimme darunter, die mich direkt vom Stuhl gezogen hätte (mit Ausnahme von
Christian Franke, Mike Bauhaus und Marco Kloss). Alle Songs waren relativ "entspannt" gesungen. Also
konnte das Thema Discofox singen und spielen ja wohl nicht so schwer sein dachte ich. Wohl bemerkt,
dachte ich. Es fing schon damit an, dass mir zum Aufnehmen von Songs in diesem Stil die geeigneten
Sounds fehlten. Also, was macht der geneigte Musiker mit einem Igel in der Tasche? Er greift zur
"Eierlegenden Wollmilch-Sau", einer Software, das alle notwendigen Instrumente in einem Programm
vereinigt.
Zu diesem Zeitpunkt war das Programm "Hypersonic 2" von der Firma Steinberg gerade
herausgekommen und wurde in der einschlägigen Fachpresse als durchaus empfehlenswert angepriesen.
Und da mein Freund Kasche bereits mit der Version 1 gute und hörbare Ergebnisse erzielen konnte,
kaufte ich mir also dieses Programm.
26
Nach der Installation verbrachte ich den ganzen Tag vor dem Computer, so fasziniert war ich von der
Vielfalt der ganzen Sounds. Es konnte also mit dem Aufnehmen von Songs losgehen. Doch welchen
Song nimmt man am besten als Erst-Titel? Etwas eigenes, das die Leute nicht kennen, oder vielleicht
doch lieber erst einmal eine Coverversion eines bekannten Titels? Ich entschied mich für eine
Cover-Version des Songs "Samstag Nacht" von Howard Carpendale. Doch wie geht man an einen
solchen Erfolgtitel heran? Ich schrieb mir den Text heraus und suchte mir auf der Gitarre die
dazugehörigen Akkorde heraus. Sicherlich hätte ich es auch einfacher haben können, indem ich auf diversen Gitarrenforen mir einfach die Tabellatur ausgedruckt hätte.
Doch leider sind diese oftmals mit Fehlern behaftet, und ich wollte es damals schon richtig machen.
Es verging einige Zeit kreativer Arbeit bis ich der Meinung war, dass der Song nun fertig sei.
In der Produktionsphase hatte mir Addis Frau Tanja dann auch noch eine Frauenstimme eingesungen und
ich hatte dem Song eine schöne Rockgitarre verpasst.
Nachdem Addi den Song hörte und von dem Ergebnis sichtlich begeistert war, machten wir uns daran
den Titel auch anderen Zuhörern zugänglich zu machen. Es war das Jahr der Internetradios, die zu diesem
Zeitpunkt wie Pilze aus dem Boden schossen. Und zufälligerweise sendete Addi auch bei einem solchen
Internetradio, nämlich Foxwahn Radio. Ein Radio das sich auf die Ausstrahlung deutschsprachiger Songs
aus dem Bereich Discofox spezialisiert hatte. Über dieses Radio habe ich damals auch Tinchen kennen
gelernt, die Sendeleitung von Foxwahn Radio. Ich weiß nicht mehr, wie "Samstag Nacht" den Weg nach
Foxwahn gefunden hat, ich weiß nur dass er eines Abends dort vorgestellt wurde. Das war also der Moment der Wahrheit. Ich lauschte gespannt meiner ersten Produktion vor dem Computer und war sehr auf
die Reaktion der Leute gespannt. Glücklicherweise fiel damals die Reaktion auf den Titel auch positiv
aus.
Der Startschuss war also gefallen, jetzt galt es nur noch mit den richtigen Leuten den richtigen Sound und
Song zu produzieren. Mir war relativ schnell klar, dass meine Möglichkeiten zu Hause bestenfalls für die
Erstellung von Demos ausreichen würde, aber glücklicherweise kannte Addi ja auch jemanden, der nicht
nur als Künstler sondern auch als Produzent tätig war: Peter Sebastian.
Dieser war Ende der 1980er Jahre mit seiner Cover-Version des Titels "Du schwarzer Zigeuner" wohl
relativ erfolgreich im deutschen Schlager unterwegs, einem Titel, den Vico Torriani bereits 1953 sang.
Und genau dieser Peter Sebastian war es, dem Addi erstmalig von mir erzählte.
Guter Sänger mit ausgeprägtem Musikverständnis sucht engagierten Produzenten mit Mut zu neuen
Songideen, so hätte meine persönliche Kontaktanzeige damals wohl lauten können.
Doch glücklicherweise sollte ich relativ schnell Kontakt zu Peter bekommen. Weihnachten 2006 sang er
auf dem Weihnachtsmarkt in Essen-Steele, dort sollte ich ihn dann erstmalig treffen. Addi muss ihm
wohl vorher schon telefonisch etwas über mich erzählt haben, denn sonst wäre der Kontakt ja nicht zustande gekommen. Ich bekam sogar die Gelegenheit, auf dem Weihnachtsmarkt mein Können unter
Beweis zu stellen. Addi hatte mir bereits im Vorfeld mitgeteilt, ich solle mein Playback von "Samstag
Nacht" mitbringen, er wolle mal versuchen dass ich den Titel da singen kann. Und obwohl es sich um
eine Coverversion handelte, hat es den Leuten gut gefallen. Das gab Mut für mehr. Addi sprach nach dem
Auftritt noch kurz mit Peter, und er schlug vor, dass wir beide für ein ausführlicheres Gespräch zu ihm
nach Hamburg kommen. Bei Auftritten ist es ja meistens immer etwas schlechter miteinander zu
sprechen, weil ständig irgendjemand ein Foto oder Autogramm haben möchte. Addi sagte ihm er würde
ihn zwecks eines Termins noch mal telefonisch kontaktieren und wir fuhren gemeinsam nach Hause.
27
Kapitel 5.1 - Peter Sebastian und "Adios Amor"
Kurze Zeit später nach meinem Auftritt auf dem Essener Weihnachtsmarkt sollte nun der erste richtige
Kontakt zwischen Peter Sebastian, Addi und mir zustande kommen. 2007 hatte ich bereits mehrere
eigene Titel als Demos fertig, doch bis zur ersten "professionellen" Aufnahme sollte es noch ein langer
Weg werden. Eines Tages fuhren Addi und ich also nach Hamburg, um Peter im Büro seiner Plattenfirma
TOI TOI TOI-Records zu treffen. Wir wurden herzlich empfangen und nach einem kurzen Smalltalk fing
Peter an, uns die Relikte vergangener Tage zu zeigen, die an seinen Bürowänden hingen. Angefangen
über eine Langspielplatte von Vico Torriani mit dem Original seines Titels "Du schwarzer Zigeuner",
über das Exemplar eines Yvonne Catterfeld-Tonträgers bis hin zu einer immensen CD-Sammlung, bei
denen Peter mitgewirkt hatte.
Frei nach dem Motto: Mein Haus, mein Auto, meine Boot (jeder kennt glaube ich diese
Sparkassenwerbung aus den 90er Jahren). Damals konnte man mich damit auch noch beeindrucken.
Nachdem sich Peter ausgiebig und fast ausschließlich nur mit Addi über dies und das unterhielt,
kamen wir dann auch mal irgendwann zu meiner Person. Ich erzählte Peter eine Kurzform meines bis
dato entstandenem musikalischen Lebenslaufes und zeigte ihm eine CD mit meinen Demos.
Peter hörte sich sowohl die deutschen Songs als auch die englischen an und kam letztendlich zu dem
Schluss, dass ich noch an meiner Intonation arbeiten müsse, und die Songs müssten auch in einem "richtigen" Tonstudio professionell eingespielt und abgemischt werden.
Erzähl mir doch mal was Neues, dachte ich so bei mir.
Was glaubst du denn, warum ich hier bei dir sitze. Kaffee kann ich auch zuhause trinken. Allerdings
erkannte er bei einem bestimmten Titel das notwendige Potential, welches eine Zusammenarbeit mit ihm
rechtfertigen würde:
Adios Amor (und bitte ruf mich nicht mehr an).
Die Geschichte einer Liebe, die nach langer Zeit zerbricht und die daraus entstehenden Gefühle erzählt.
Eine Geschichte aus meinem Leben, wahr und unverschnörkelt.
Wir unterhielten uns über die anfallenden Produktionskosten, und dass er jemanden in Uslar kennen
würde, bei dem wir den Titel aufnehmen könnten. Er gab mir die Telefonnummer von Jörg Lamster, dem
Inhaber des Wetcat-Studios und meinte, ich könne ihn ruhig mal anrufen. Danach wollte sich Peter noch
einmal kurz mit Addi alleine unterhalten. Ich verließ also sein Büro und rauchte draußen eine Zigarette.
Nach einer Weile kam Addi dann auch wieder zu mir, wir verabschiedeten uns von Peter und traten die
Heimreise an.
"So sehen also Musikproduzenten aus?" dachte ich bei mir und insgeheim verglich ich ihn mit Dieter
Bohlen. Wieder zurück im heimischen Ruhrgebiet informierte ich mich in den Tagen nach diesem
Treffen im Internet sehr ausführlich über Jörg und sein Studio. Die Internet-Seite des Studios war sehr
ansprechend und auch die Bilder seines Equipments entsprachen ganz und gar meine Vorstellungen.
Ich rief Jörg also an, stellte mich vor wir sprachen über die bevorstehende Aufnahme. Wir waren uns sehr
schnell einig, dass ich ihm meine bereits aufgenommenen Projektdaten des Songs
schicken würde, was ihm die Arbeit natürlich etwas erleichtern sollte, damit er die Musik nicht noch
einmal neu einspielen musste. Gesagt, getan.
Der Aufnahmetermin stand fest, Peter Sebastian wollte mir an dem Tag gesanglich zur Seite stehen
(„... damit es auch eine gute Produktion wird....“ hatte er im Vorfeld verlauten lassen) und Addi und ich
fuhren gemeinsam nach Uslar. Sehr idyllisch gelegen, mit genügend Ruhe und mit allem ausgestattet,
was das Sänger- und Musikerherz begehrt.
Im Studio angekommen, hörten wir uns erst einmal an, was Jörg aus meinem Song gemacht hatte. Und
ich muss sagen, er hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.
28
Einen modernen, luftig arrangierten Titel hatte er uns vorbereitet. Das, was wir da zu hören bekamen, war
wirklich was ganz anderes im Vergleich zu dem, was ich ihm vorher geschickt hatte. Aber so sollte es ja
auch sein.
Wir fingen dann auch ziemlich schnell an, uns ans "Eingemachte", nämlich die Aufnahme der
Hauptstimme zu machen. Doch so sehr ich mich anstrengte, an jedem Part hatte Peter etwas auszusetzen.
"Nein, du musst das so und so singen" hörte ich ihn immer wieder durch das Regie-Mikrofon sprechen.
Ich durchlebte gerade ein Déjà-vu und mir schossen die Szenen meiner vorletzten Gesangsstunde durch
den Kopf (siehe Kapitel 4.1).
"Mr. Gute Laune" schaffte es tatsächlich innerhalb der ersten halben Stunde vor dem Mikrofon, dass
meine Lust zum Singen in ein Gefühl von "Leck mich doch am Arsch" zu kippen drohte. Jörg bemerkte
dies jedoch rechtzeitig und wir legten eine kleine Pause ein. Mit einer ruhigen Art und Weise schaffte er
es, dass die Aufnahme nach der Pause wieder planmäßig weitergehen konnte. Doch das schwierigste
sollte ja erst noch kommen. Der letzte gesungene Ton hatte es wirklich in sich. Als krönenden
Abschluss des Titels wollte ich noch "die Erdbeere" auf die Sahne setzen.
Ein eingestrichenes G sollte das Finale des Songs bilden. Zu Hause hatte das eigentlich immer ganz gut
geklappt, hier im Studio war das allerdings etwas anderes. Ich sang den Part bestimmt zehn Mal, und
immer wieder schaffte ich es nicht, den richtigen Ton zu treffen. Das hat mich nicht nur frustriert,
sondern erschwerend kam ja noch hinzu, dass die Stimme mit jedem weiteren Versuch zunehmend müder
wurde. Ich konnte es Peter ansehen, dass er sichtlich genervt war und er irgendwann zu mir sagte
"Ist schon okay, den Rest machen wir hier im Studio." Er hätte auch genauso gut sagen können, das was
du gesungen hast passt zwar nicht, aber wir machen das schon passend. Ich wurde richtig wütend, und
Wut kann ja bekanntlich wahre Wunder auslösen. Ich fühlte mich herausgefordert, und in solchen
Situationen werde ich dann wirklich ehrgeizig. Ich bestand darauf, den Take noch ein einziges Mal zu
singen, Jörg ließ die Musik laufen und ich holte so tief Luft, als wollte ich einen neuen Rekord im
Abnoe-Tauchen aufstellen. Und dann kam er, der Ton auf den ich so lange gewartet hatte. Jörgs Daumen
ging nach oben, Peter staunte nicht schlecht, und so konnten wir dann endlich Feierabend für diesen Tag
machen. Die Chöre wollte Jörg von anderen Sängern und Sängerinnen einsingen lassen um eine andere
Klangfarbe in den Song zu bringen.
Wir hörten uns den Song noch einmal im Ganzen an und ich fand, dass die Melodiespur des Synthesizers
noch eine zweite Stimme, ebenfalls vom Synthesizer gespielt vertragen könnte. Also sprach ich Jörg
darauf an, und er fand die Idee auch nicht schlecht. Er versprach, mir diese kleine Änderung noch
einzuspielen. Wie ich im Nachhinein erfuhr, hat Peter in seiner Funktion als Produzent diesen Vorschlag
verworfen. Und da Jörg nur "ausführendes Organ" war, hatte er im Prinzip nur seinen Job gemacht. Man
beißt halt nicht die Hand, die einen füttert. Ab diesem Zeitpunkt war für mich auf jeden Fall klar, dass
dies die erste und letzte Produktion war, die ich mit Peter Sebastian machen wollte.
Warum sollte ich in Zukunft für etwas Geld ausgeben, wenn meine musikalischen Änderungswünsche
nicht berücksichtigt werden würden? Ein paar Tage später erhielt Addi den finalen Mix per E-Mail
zugeschickt und wir verabredeten uns für den Abend, um uns das Ergebnis in aller Ruhe mit unseren
Frauen anzuhören. Und das Ergebnis konnte sich hören lassen. Jörg hatte wirklich ganze Arbeit geleistet
und ich war überrascht, wie sich meine Stimme auf einmal anhören konnte. Am Tag darauf telefonierte
Addi dann mit Peter um ihm mitzuteilen, dass das Ergebnis zufrieden stellend ausgefallen war.
Peter teilte ihm mit, dass der Song dann jetzt in die Bemusterung gehen würde und an mehrere
Internetradios zwecks Vorstellung gehen würde. In den WDR4-Schlagercharts ist dieser Titel als
Neueinsteiger auf Platz 25 eingestiegen, das war es dann aber auch. Jetzt sollte es daran gehen, den Titel
der breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Zu diesem Zweck hatte Foxwahn-Radio zu einer Veranstaltung
im KÖPI in Rheine eingeladen.
Dort präsentierten sich nicht nur das Team von Foxwahn-Radio, sondern auch mehrere Künstler mit ihren aktuellen Titeln.Dort sollte dann auch ich die Gelegenheit bekommen,
meinen ersten eigenen Titel vorzustellen.
29
Addi begleitete mich natürlich zu diesem Auftritt, und als wir im KÖPI ankamen, herrschte schon eine
ausgelassene Stimmung. Addi kümmerte sich im das organisatorische wie z.B. meine Auftrittszeit, und
ich schaute mir in aller Ruhe die technischen Gegebenheiten an. Die Künstler hatten gute Mikrofone vom
DJ bekommen, der Sound war auch gut, was sollte also schief gehen?
DJ Rainer H. war es, der mich an dem Abend ankündigte und auf die Bühne bat. Wir unterhielten uns
kurz über den Titel und dann war es soweit. Gespannte Augen blickten auf mich darauf wartend, was
man denn jetzt zu hören bekommt. Mit dem Künstler Joel Gutje hatte ich vor dem Auftritt ein kurzes
persönliches Gespräch in dem ich ihn fragte, wie denn der Bühnensound so wäre. "Der Bühnensound ist
klasse, absolut Top" hatte er mir versichert. Leider wurde ich da bei meinem Auftritt eines besseren
belehrt. Ich hörte zwar die Musik die aus den Monitorlautsprechern kam, meinen Gesang habe ich
allerdings bestenfalls erahnen können.
Und so griff ich zu einem kleinen, aber höchst wirkungsvollen Trick um meine Stimme wenigstens etwas
zu hören. Ich steckte mir während der ersten Strophe den rechten Zeigefinger ins Ohr um mich selber
besser zu hören. Man sieht diesen Trick häufig bei Sängern, wenn das Monitoring nicht ausreichend ist,
selbst bei den ganz Großen. Ich brachte den Song so gut es ging hinter mich, und die Zuschauer
applaudierten. Also ging ich davon aus, dass es den Leuten wohl gefallen haben muss. Dass man sich auf
Aussagen seiner "Künstler-Kollegen" allerdings nicht immer verlassen kann, sollte ich zu einem späteren
Zeitpunkt noch einmal auf schmerzliche Art und Weise feststellen müssen.
30
Kapitel 5.2 - Wenn Gutgläubigkeit ausgenutzt wird
Joel Gutje sollte nach meinem Auftritt im KÖPI in Rheine noch einmal in mein Leben treten.
Im Jahre 2008 sendete Addi bei einem Krefelder Internetradio namens Beatfox-Radio.
Auch dieser Sender veranstaltete ab und zu Events, bei denen Künstler ihre neuesten Produktionen
vorstellten. Und bei genau so einer Veranstaltung traf Addi dann auch wieder auf Joel Gutje. Dieser war
zum damaligen Zeitpunkt "ohne Produzenten", nachdem es mit seinem vorherigen Produzenten
Peter Sebastian wohl angeblich zu Meinungsdifferenzen gekommen war.
Während eines persönlichen Gespräches mit Addi hatte sich herauskristallisiert, dass Joel auf der Suche
nach einem neuen Produzenten sei. Und Addi, der ja um meine musikalischen Fähigkeiten als Arrangeur
wusste teilte ihm mit, dass er es doch mal mit mir versuchen solle.
Man beschloss also, sich bei Joel in Duisburg zu treffen, und dann einfach mal zwanglos zu schauen, wer
für wen was machen kann.
Und so kam es dann auch. Addi und ich fuhren eines Tages nach Duisburg, und wir führten ein längeres
Gespräch zu dritt. Joel gab mir zwei CDs von sich, so dass ich mir ein Bild über vorherige Produktionen
und seine Stimme machen konnte. Während des Gespräches hatte Joel bereits angedeutet dass er
jemanden suche, der eine Songidee von ihm mit dem Titel "Alles nur Lüge" musikalisch arrangieren
würde. Ich sagte ihm, dass ich zu Hause ein kleines Projektstudio hätte, und dass ich ja mal schauen
könne, was man aus der Idee nicht so alles machen kann.
Wir einigten uns, dass Joel und ich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal miteinander telefonieren
würden und dass er mir den Songtext vorab schon einmal per E-Mail zuschickt. Ein paar Tage später
telefonierte ich dann auch mit Joel. Ich teilte ihm mit, dass ich den Text von ihm bekommen habe und es
mir helfen würde, wenn er mir die gedachte Melodie des Songs einmal am Telefon vorsingen würde, was
er dann auch tat. Ich nutze die Zeit, um parallel zum Telefonat mir die dazugehörigen Akkorde am
Klavier heraus zu suchen, und schrieb diese direkt auf einen Notizblock. Diese Flexibilität hatte Joel
wohl nicht erwartet, was seine Lust mit mir zusammen zu arbeiten allerdings noch stärker werden ließ.
"Es wäre klasse, wenn wir von dem Song mehrere Versionen hinkriegen würden" sagte er mir am Telefon. Also eine Single-Version, eine DJ-Fassung und eine Balladen-Version. Ich sagte ihm, dass ich mich
erst einmal an eine Single-Version setzen werde und dass mich interessieren würde, was er mit dem Song
denn eigentlich vor hätte. Er würde den Song gerne nach Fertigstellung in einem professionellen Studio
aufnehmen und Mastern lassen, und selbstverständlich würde mein Name mit auf das Cover kommen.
Zum damaligen Zeitpunkt fand ich diesen Deal in Ordnung, mir war es wichtiger musikalisch etwas zu
schaffen, als für diese Leistung Geld zu bekommen.
Es folgten vier Wochen exzessiven Einspielens, Arrangierens und groben Abmischens bis ich Joel die
Demo-Fassungen der drei Songs vorspielen konnte. Er war mehr als zufrieden und wir machten einen
Termin aus, bei dem er die Hauptstimme der Songs bei mir zu Hause einsingen sollte.
Zu diesem Termin kam es dann auch. Begleitet von seiner damaligen Freundin, bei der schon bei der
Begrüßung feststand, dass sie mit dem Düsenjet durch ihre Kinderstube geflogen sein musste, da sie die
Worte "Hallo" oder "Guten Tag" wohl noch nicht kannte, begaben wir uns also in die erste Etage, wo ich
mein kleines Studio hatte. Wir nahmen ein paar Demo-Takes auf und dann ging es an die Arbeit.
Während der Aufnahmen zeigte sich allerdings, dass der imaginäre Zeitdruck, unter dem Joel zu sein
schien, sich auch negativ auf seine gesanglichen Leistungen auszuwirken schien.
Von einer "One-Take"-Aufnahme, also einer Aufnahme, die nach dem ersten Versuch schon passt, waren
wir auf jeden Fall Lichtjahre entfernt. Das soll jetzt nicht heißen, dass Joel nicht singen konnte, aber die
eine oder andere Stelle im Song erschien mir doch stark nachbearbeitungswürdig. Nachdem wir mit den
Hauptaufnahmen fertig waren, verließen uns die beiden auch relativ schnell.
Ich sagte ihm, dass ich das Beste aus den verschiedenen Aufnahmen nehmen werde, und ihm kurz darauf
die Ergebnisse in Form der Mixe zukommen lassen werde.
31
Und wenn es notwendig ist, dann würde ich ihm auch die einzelnen Spuren auf eine DVD brennen, damit
der Tontechniker im Studio sich ein bisschen Arbeit ersparen könne. Ein fataler Fehler, den ich zu einem
späteren Zeitpunkt noch schwer bereuen sollte. Nachdem Joel alle Vorab-Mixe der drei Versionen von
mir erhalten hatte, ließ ich etwas Zeit ins Land gehen. Ungefähr drei Monate später versuchte ich ihn
dann mal, ihn telefonisch zu erreichen um mich nach dem aktuellen Sachstand im Studio zu
erkundigen, doch leider ohne Erfolg. Herr Gutje schien sich ständig in irgendwelchen Funklöchern herum
zu treiben,
jedenfalls blieben alle meine Versuche ihn zu kontaktieren erfolglos. Irgendwann war ich es dann auch
leid. Addi hatte natürlich den gesamten Produktionsverlauf und die Arbeit, die ich mit den Songs hatte,
mitverfolgen können. Doch es sollte noch einige Zeit verstreichen, bis mir die Antworten auf meine
Fragen über das Verbleiben des geheimnisvollen Joel Gutje vor Auge geführt werden sollten.
Die Monate der Unwissenheit gingen ins Land. Bis zu dem Tag, an dem ich eine E-Mail von
Peter Sebastian erhielt.
Etwas verwundert über seine Kontaktaufnahme las ich seine Zeilen an meinem Computer und mit jedem
Satz wurden meine Augen größer und größer. Er hätte mitbekommen, dass ich eine "Produktion" mit Joel
gemacht hätte, was ihn doch etwas verwundert hätte. Nun ja, schließlich sei es meine Sache, aber der
Titel wäre jetzt auch nicht besonders gut gemacht und er wünsche mir weiterhin viel Erfolg. Wie kam
Peter zu dieser Kenntnis? Ich beschloss ihn direkt nach dem Leser seiner Mail anzurufen, schließlich war
es mir ein dringendes Bedürfnis Klarheit in seine, doch wohl offensichtliche unvollständige Meinung wie
es zu diesem Song gekommen ist, zu bringen.
Ich wählte seine Nummer und er ging auch sofort ans Telefon. Ich fragte ihn, wie er denn zu der
Annahme kommt, dass ich mit Joel eine "Produktion" gemacht habe. Peter teilte mir mit, dass sein neuer
Titel "Alles nur Lüge" seit Wochen in Internetradios rauf und runter laufen würde. "Alles nur Lüge", das
hast du doch schon mal irgendwo gehört ging es mir durch den Kopf. Ich erzählte Peter die Geschichte
wie dieser Song entstanden sei und was Joel mit dem Titel machen wollte. Nun klickte es auch bei Peter
und mir. Joel hatte einen Dummen gesucht, der ihm umsonst einen Titel macht, den er dann hinterher als
seine neue Single präsentieren konnte. Ich fragte Peter, welche Version des Songs denn davon im Umlauf
sei und bekam prompt die Antwort "der DJ-Mix". Ich bat ihn, mir den Titel zwecks Vergleichs doch mal
per E-Mail zu schicken, was er daraufhin prompt erledigte. Noch während ich ihn am Telefon hatte,
checkte ich meinen Maileingang und hörte mir den Titel an. Lange hatte das Anhören allerdings nicht
gedauert, da ich bereits nach zwei Takten wusste, dass es meine Version ist. "Dieser kleine Pisser" habe
ich damals bei mir gedacht.
Jetzt wurde mir auch klar, warum ich ihn telefonisch nicht erreichen konnte. Anstatt mir gegenüber
zuzugeben, dass es gar keine Neuaufnahme im Profistudio gab, hatte er sich dazu entschlossen, den Titel
ohne mein Wissen an diverse Internetradios weiter zu geben. Das war allerdings nicht die Absprache.
Wäre ich jetzt der Komponist dieses Titels gewesen, hätte ich vergeblich auf eventuelle Auszahlungen
seitens der GEMA gewartet, da der Titel ja auch noch nicht einmal bei der GEMA gemeldet war.
Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Ich dankte Peter für seine Hilfe und beschloss, Joel meinen Lohn für die getätigte Arbeit in Rechnung zu
stellen. Wer sich nicht an Absprachen hält, der soll auch für meine Arbeit bezahlen. Dachte ich
zumindest. Nach einem recht aufschlussreichen Gespräch mit einem Medienanwalt wurde ich über die
Höhe der in Rechnung zu stellenden Summe aufgeklärt, was mich wiederum veranlasste, Herrn Gutje
eine ordnungsgemäße schriftliche Rechnung zu schicken. Wenige Tage später erhielt ich dann seine
schriftliche Antwort.
In einem, nennen wir es mal grammatikalisch nicht ganz ausreichendem Deutsch klärte er mich über den
Sachstand auf, ich wäre ja gar nicht der Komponist des Songs, schließlich habe ER mir die
Gesangsmelodie ja vorgegeben. Außerdem lägen ihm keinerlei Schriftstücke vor, aus denen hervorgeht,
dass er mit mir einen Produktionsvertrag geschlossen hätte.
Da hatte der gute Mann allerdings Recht.
32
Ich beriet mich erneut mit meinem Rechtsberater der mir nahe lag, anstelle eines Rechtsstreites mit wenig
Aussicht auf Erfolg, den Titel doch einfach textlich und musikalisch so verändern, dass eventuelle
Gemeinsamkeiten nicht mehr erkennbar seien, und den Song dann unter meinem eigenen Namen zu veröffentlichen.
Diesen Rat habe ich sehr gerne angenommen und den Song zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Titel
"Zeit für Gefühle", den ich dann von Addi habe singen lassen, selber veröffentlicht.
Es ist unnötig zu erwähnen, dass Herr Gutje und ich seit diesen Tagen nicht mehr miteinander
gesprochen haben. Das war auch nicht nötig, denn ein guter Freund und Produzent von mir mit Namen
Frank Lars gab mir mal den guten Tipp: "Wenn dich jemand verarscht hat, dann hau ihm nicht aufs Maul
sondern antworte mit einem guten Song." Diesen Tipp beherzige ich bis heute und es ist schön zu
wissen, dass es noch Menschen gibt die einem solche Ratschläge geben.
33
Kapitel 5.3 - Schick mir einen Engel
Eine neue Idee und ein neuer Freund
Das Jahr 2009 hat mich wie kein anderes im Schlager musikalisch stark geprägt.
Ich lernte neue Produzenten, neue Arrangeure und neue Aufnahmetechniken -und Software kennen. Ein
Jahr der Weiterbildung und musikalischen Horizonterweiterung wenn man so will.
Doch der Reihe nach....
Addi war im nordrhein-westfälischen Popschlagerbereich bekannt wie ein bunter Hund. Als ich ihm eines
Tages mal wieder einer meiner Songideen vorspielte meinte er, er würde da einen Produzenten kennen,
mit dem ich vielleicht etwas besser zusammen arbeiten könnte.
Die Rede war von Frank Lars. Mit seinem Titel "Wenn du diesen Brief liest" war er sehr erfolgreich unterwegs und er hatte zum damaligen Zeitpunkt ein großes Studio in Oberhausen. Dort wurden auch seine
Songs arrangiert und aufgenommen. Außerdem war Frank immer schon bekannt für seine
Hilfsbereitschaft. "Dann ruf ihn doch mal an, und frag mal nach, ob er Zeit für uns hat" sagte ich zu Addi.
Das ließ sich Addi nicht zweimal sagen. Kurze Zeit später hatte ich einen Termin bei Frank. Als ich mit
dem Auto vor sein Haus fuhr (Haus ist in diesem Zusammenhang vielleicht etwas untertrieben, vielmehr
handelte es sich hierbei um eine Villa), blieb mir erstmal der Mund offen stehen. "Okay" dachte ich
"dann kann man ja wohl mit Schlagerproduktionen doch ganz gut leben". Ich klingelte und vernahm ein
tiefes, eindringliches "Wuff".
Frank hatte in einem vorherigen Telefonat zwar schon gefragt, ob ich mit Hunden Probleme hätte, was
ich verneinte, doch bei diesen Klängen kamen mir ernsthaft Zweifel. Er öffnete mir die Tür und das erste
was ich sah war sein Schäferhund.
Zumindest sah es auf den ersten Blick so aus, der Größe nach zu urteilen stand da eher ein Bär vor mir.
Ich stand inmitten einer großen Empfangshalle, die zu mehreren Zimmern führte. Und in dieser Halle
stand ebenfalls eine sehr große Mischerkonsole, die Frank verkaufen wollte. Ungefähr fünf Meter lang
und so schwer, dass man sie beim Transport mit zehn Leuten tragen musste. Wir gingen ein Stockwerk
höher und nahmen in seiner Küche Platz. Wir haben uns lange unterhalten, über die Schlagerszene im
Allgemeinen, über Produktionen und deren Vermarktungsmethoden und was ich denn noch mit meiner
Musik erreichen möchte. Ein sehr aufschlussreiches, freundliches Gespräch. Ich zeigte ihm eine CD mit
meinen Demos und wir gingen in seinen Regieraum, der direkt nebenan war.
Ich lernte sein damaliges Arrangeurteam kennen, und wir verstanden uns alle auf Anhieb super. Die
Stimmung war entspannt und ich durfte sogar in Franks aktuelle Produktion "Siegertyp" reinhören. Nach
intensivem Hören fragte er mich nach meiner Meinung zum Titel. In dem Titel gab es einen
instrumentalen Zwischenteil in dem meiner Meinung nach etwas fehlte. "Ich finde die Bridge etwas leer,
irgendwas fehlt da" sagte ich zu Frank. "Was würdest DU denn da reinspielen?" fragte mich Frank. "Na,
zum Beispiel ein schönes, leicht angezerrtes Gitarrensolo" antwortete ich ihm und machte ihm direkt den
Vorschlag, dass wenn er mir den Erstmix zuschickt, würde ich ihm die Gitarre zu Hause
einspielen und anschließend wieder zurückschicken. Damit war das Eis gebrochen. Und wir konnten zu
dem übergehen, weswegen ich ja eigentlich bei ihm war: Meinen Songs. Wir hörten uns zusammen alle
Songs an und dann sagte Frank zu mir "Gute Ideen, aber leider die verkehrten Sounds."
Er wandte sich an seine beiden Arrangeure und sagte zu ihnen: "Macht dem Jungen mal ´ne CD fertig mit
ein paar guten Samples." Die Einkaufstour konnte losgehen.
Insgeheim hatte ich mir ein drittes Bein gefreut dass jemand, der mich gerade mal knapp zwei Stunden
kannte, mir gegenüber so hilfsbereit war. Wir sichteten also den unglaublich großen Pool an Sounds und
ich hatte beim Anhören dieser schon wieder die ersten neuen Ideen für neue Songs. Ich versprach den
Jungs, in der kommenden Woche noch einmal wieder zu kommen, und dann würde ich auch meine
E-Gitarre und den passenden Verstärker mitbringen, so dass wir das Solo für den Song einspielen
konnten.
34
Mit den neuen Sounds von Frank erschloss sich mir eine völlig neue Welt des Arrangierens. Ich hatte
endlich amtliche Kick-Drums, die schon mal eine gute Grundlage für neue Songs bildeten. Aber es sollte
noch besser kommen. Etwa zum gleichen Zeitpunkt, nachdem ich Frank kennen gelernt hatte, nahm ich
an einer Talentshow im Walsumer Brauhaus Urfels teil. Jeder Teilnehmer wurde kritisch von einer
Fachjury bewertet und im Anschluss wurde der Sieger bekannt gegeben. Diese Jury bestand aus einem
DJ, einem Songschreiber und einem Produzenten. Der Songschreiber dieses Abends war Thomas
Michael Lackmann.
Damals war es mir eigentlich egal ob ich den Wettbewerb gewinne oder nicht (obwohl ich es gehofft
hatte, da Peter Sebastian ja als Produzent mit in der Jury saß). Auch wenn ich an diesem Abend die
Bühne nicht als Sieger verließ, so hatte ich doch etwas sehr viel wertvolleres an diesem Abend
gewonnen: Den Kontakt zu jemandem, der sich irgendwann mal in meiner dünn besiedelten
Freundschaftsliste wieder finden durfte.
Peter stellte den Kontakt damals zu Thomas her (weil er wohl auch keine besondere Lust mehr auf mich
als Künstler hatte, wahrscheinlich weil ich ihm signalisierte, dass jemand der nicht selber Musiker ist
auch in meinen Augen kein Produzent sein konnte.) Wir tauschten unsere Telefonnummern aus und
Thomas sagte mir, wann ich ihn am besten anrufen könne.
Gesagt, getan. Ich rief ihn kurze Zeit später an und wir unterhielten uns unter anderem auch über einen
Song, den ich kurz vorher komponiert und aufgenommen hatte: Schick mir einen Engel.
Ich solle ihm den Song doch einmal schicken, damit er ihn sich mal in Ruhe anhören konnte. Ein paar
Tage später erhielt ich dann seinen Rückruf. "Die Idee ist gut, allerdings würde ich das vom Arrangement
her etwas anders aufziehen" waren seine Worte. Ich sagte ihm, dass der Song ja schließlich nicht in Stein
gemeißelt wäre und dass er den Titel bearbeiten dürfe, wie es ihm gefällt. Leider war ich zu diesem
Zeitpunkt nicht in der Lage, Thomas so zu entlohnen wie er es sich vielleicht vorgestellt hatte.
Also einigten wir uns darauf, dass wir uns die verwertbaren Rechte aus Text und Musik zu je 50% teilten.
Und ich war sehr froh, dass Thomas sich damals auf diesen Deal einließ. Ich ließ ihn also so machen wie
er es für richtig hielt und erwartete mit großem Interesse seinen Anruf, dass der Titel zum Anhören
fertig war.
Ein paar Wochen später war es soweit. "Der Meister" hatte mir einen Audienztermin zukommen lassen
und so fuhr ich, ohne zu wissen was mich erwartet, ins Finalmusic-Studio nach Bottrop.
Thomas´ Studio lag im oberen Teil der Wohnung und war gemütlich, familiär eingerichtet.
Eine kleine Gesangskabine gab es auch und er hatte schon mal alles zum Anhören "seiner" Version vorbereitet. Ich nahm an seinem Mischpult Platz und sah zum ersten Mal sein Arrangement, das
zugegebenermaßen doch etwas anders aussah, als ich es von meinen her kannte.
Aber glücklicherweise arbeiteten wir beide mit der gleichen Aufnahme-Software, so dass mir der Anblick
nicht ganz fremd war. "Darf ich auf Play drücken?" fragte ich Thomas. "Ja, lass laufen" antwortete er.
"Ich hab allerdings ein bisschen was am Text geändert in der zweiten Strophe"
sagte er zu mir. "Ist nicht schlimm" antwortete ich. "Ich sag´s ja nur, weil es gibt ja auch Songschreiber
und Komponisten, die das nicht so entspannt sehen wie du, wenn man an ihren Songs herumschraubt."
"Wow" dachte ich. "Was für ein fetter Sound." Ich schloss die Augen und hörte mir völlig konzentriert
meinen Song an. Als dieser zu Ende war, war ich erst einmal völlig sprachlos. Eine ganz andere Ebene
des Arrangierens tat sich auf einmal auf. Nun wollte ich den Song natürlich auch so schnell wie möglich
einsingen. Doch Thomas bremste meinen Enthusiasmus mit den Worten: "Bevor wir die Stimmen aufnehmen will ich erst wissen, was du so für ein Typ im Studio bist." Eine Frage, die mir fünf Jahre später
noch einmal gestellt werden sollte, allerdings in einem anderen Studio und von einem anderen
Produzenten. "Ich bin da relativ einfach gestrickt" sagte ich Thomas. "Du sagst, wie es gemacht wird, und
ich mache es" antwortete ich ihm. Warum sollte ich mir Gedanken über die Art und Weise des
aufzunehmenden Gesangs machen, wenn dort jemand saß der sich tausend Mal besser als ich darin auskannte? Ich lernte sehr schnell, dass Gesänge aufnehmen auch Spaß machen konnte, obwohl man sich
konzentrieren musste.
35
Wir haben viel gelacht, und ich habe in den Gesangspausen immer wieder mal eine kleine Peter Maffayoder Helge Schneider-Parodie mit eingebracht.
Die ganze Aufnahme hat mit den Chorstimmen genauso lange gedauert, als die Aufnahme der
Hauptstimme bei "Adios Amor" unter Peter Sebastian. Nur mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal
dabei Spaß hatte.
Als wir mit den Aufnahmen fertig waren sprachen wir darüber, wo der Titel in den Verlag gehen sollte.
Peter hatte sein Label für den Titel angeboten und hatte wohl auch einen Grafiker, der sich gegen ein
finanzielles Entgelt um das Cover kümmern wollte.
Eigentlich wollte ich damals die Kosten für den Song so gering wie möglich halten, aber Peter bestand
auf eine "professionelle Aufmachung" für den Titel. Hätte ich im Vorfeld gewusst, welchen Stress ich
damit wieder gehabt hätte, wäre ich vermutlich nicht auf den Deal eingegangen. Ich sagte also zu. Peter
war zu der Zeit der einzige, der den Titel verlegen wollte, und hatte auch die Kontakte für die Pressung
des Titels. Er machte mir also ein Angebot für die komplette Erstellung der Datenträger (500 CDs
Inklusive Erstellung des Covers) und ich besprach die Kosten mit meiner Frau. Nachdem sie einwilligte
gab ich den Auftrag also an Peter weiter. Ich schickte ihm ein Hochauflösendes Foto von mir, welches
ich vorher noch bei einer Profi-Fotografin habe aufnehmen lassen und wartete nun auf die ersten
Cover-Vorschläge. Der erste Vorschlag ließ auch nicht lange auf sich warten.
Doch was ich da in meinem Maileingang vorfand, empfand ich schon fast als eine Art der Beleidigung.
Ich blickte auf das Display meines Monitors und stellte mir unweigerlich die Frage "Was ist das?" Dieser
Entwurf eines Covers sah aus, als wenn ein fünfjähriger zum ersten Mal mit Photoshop arbeitete. Ich griff
kurz entschlossen zum Telefon und rief den Grafiker an.
Ich brachte freundlich, aber bestimmt meinen Unmut zum Ausdruck und fragte ihn, wie lange er denn an
dem Entwurf gesessen hätte. Da ich selber im Umgang mit diesem Programm nicht zu den
Ungeschicktesten zählte, konnte ich ziemlich gut abschätzen wie lange er wohl daran gesessen haben
muss. Nachdem er mir seinen "Arbeitsaufwand" mitgeteilt hatte, musste ich ganz kurz mal herzhaft
lachen.
Das war dann der Moment, in dem die Stimmung kurzzeitig kippte und nun der Grafiker mit den Worten
zu kontern versuchte, er könne gar nicht nachvollziehen warum ich so ein Theater um den Entwurf
machen würde, schließlich würde er ja von Peter Sebastian bezahlt werden.
Das wiederum war dann der Punkt, an dem ich ihn erst einmal aufklären musste. "Falsch" sagte ich ihm
am Telefon "da es sich hierbei um eine Auftragsproduktion handelt, und ich nicht nur der Interpret
sondern auch der Auftraggeber bin, bin ich es auch der ihn bezahlen würde."
Und schlagartig war Ruhe am anderen Ende der Leitung. In ruhiger Art und Weise wollte er sich dann
noch einmal mit Peter kurzschließen und die weitere Gestaltung des Layouts überarbeiten, was ich sehr
begrüßte.
Es dauerte keine zehn Minuten bis erneut das Telefon bei uns klingelte.
Der Name des Anrufers: Peter Sebastian.
Unglücklicherweise war es meine Frau, die das Gespräch und die damit verbundene Standpauke von
Peter entgegen nahm. So ließe er sich nicht behandeln, was mir eigentlich einfallen würde usw., usw.
waren die Worte, die er meiner ahnungslosen Frau in den Gehörgang blies. Nachdem ich meine Frau
kurze Zeit später in Tränen aufgelöst nach dem Grund ihres Schmerzes fragte, erzählte sie mir von ihrer
"unheimlichen Begegnung der dritten Art". Peter konnte von Glück reden, dass ich es nicht selber war,
der ans Telefon ging. Denn das wäre vermutlich das kürzeste Telefonat seines Lebens geworden. Nach
dem ersten lauten Ton von ihm hätte ich nämlich die Auflegen-Taste gedrückt.
Ich beruhigte meine Frau erst einmal und hielt es für eine gute Idee, erst am nächsten Tag bei Peter anzurufen und den Sachverhalt zu klären. Das hätte auch an diesem Tag zu keinem, für beide Seiten nicht,
zufrieden stellendem Ergebnis geführt. Ich teilte Peter also am nächsten Tag telefonisch mit, dass ich
mich doch sehr über diesen "Entwurf" gewundert hätte, und dass ich bei einer solchen Bezahlung etwas
mehr Professionalität erwartet hätte.
36
Mittlerweile war auch Peter etwas ruhiger geworden und wir besprachen neue Details für den Entwurf.
Ein paar Tage später hatte ich dann den End-Entwurf erhalten, der um einiges besser aussah als die
Erstfassung. Ich nickte das Layout ab und ein paar Wochen später holte ich die Kartons mit den CDs ab.
Für den Abverkauf der Tonträger habe ich 4 Jahre benötigt (inklusive ein paar Give-Aways, also CDs die
bei Auftritten an treue Fans verschenkt wurden).
Eine Auflage, die ich heute nicht noch einmal in Auftrag geben würde. Das war dann auch der letzte
geschäftliche Kontakt, den ich zu Peter Sebastian bis heute hatte.
Das einzige, was mir aus dieser Zeit geblieben ist, ist die immer noch anhaltende Freundschaft zu Thomas Michael Lackmann.
Das Originalbild, das auch für das CD-Cover von
„Schick mir einen Engel“ benutzt wurde
37
Kapitel 6 - Jetzt geht es los
Im darauf folgenden Jahr sollte es für mich erst so richtig losgehen.
Das Jahr 2010 war für mich ein Jahr der Fernsehaufzeichnungen und einer Erfahrung, die mir ebenfalls
noch lange im Gedächtnis bleiben sollte.
Die ersten Songs waren produziert und ich hatte bereits ein kleines Bühnenprogramm zusammengestellt.
Nun galt es, diese Songs auch unters Volk zu bringen und meinen Namen etwas bekannter zu machen.
Die erste Gelegenheit dazu sollte ich aber schon im Oktober 2009 bekommen als mich Sylvia Rescher
von SR-Starline zum ersten Mal kontaktierte. Sie bot mir an, meine beiden ersten Titel im Rahmen einer
Fernsehaufzeichnung für das Deutsche Musik Fernsehen zu präsentieren. Die Veranstaltung würde in der
Diskothek Kuhrausch in Altenbeken stattfinden und als Gage würde sie mir die Videos von der
Veranstaltung zuschicken. Ich musste nicht lange überlegen und sagte spontan zu.
Was für mich als Live-Musiker und -sänger neu war, war die Tatsache dass alle Künstler an diesem
Abend "Vollplayback" sangen, d.h. nur die Lippen zur Musik bewegten. Das hat einzig und allein den
Hintergrund, dass der technische Aufwand bei einer TV-Aufzeichnung, die Künstler live singen zu lassen, wesentlich höher ist als beim Voll-Playback. Und höherer technischer Aufwand ist immer gleichzusetzen mit höheren Produktionskosten. Als ich am Veranstaltungsort ankam, wurde ich herzlich von
Sylvia empfangen und sie zeigte mir in aller Ruhe die Location.
Alle teilnehmenden Künstler waren im oberen Bereich untergebracht und warteten dort auf ihren Auftritt.
Nachdem ich einen kurzen Blick auf den Ablaufplan geworfen hatte, setzte ich mich zu Peter Sebastian
und Thomas Michael Lackmann, die an dem Abend auch dort waren.
Gesprochen hatte ich an diesem Abend mit beiden nicht viel, dafür war ich viel zu aufgeregt. Ich hatte
viel mehr damit zu tun, meinen Text in Gedanken noch einmal durchzugehen damit ich beim Auftritt
keinen "Texthänger" zu befürchten hatte. Thomas war einer der wenigen, die meine Nervosität bemerkte
und sagte zu mir: "Alter, das machst du mit links. Du stehst ja nicht das erste Mal auf einer Bühne."
Stimmt, das erste Mal war es nicht, aber das erste Mal mit einer Fernseh-Kamera. Die Stimmung war
klasse bei den Leuten, und einige tanzten sogar. Ich beobachtete die Künstler, die vor mir dran waren,
genauestens. Und dann ging alles ganz schnell.
Bert Silver machte an diesem Abend die Moderation für die Veranstaltung. Ein ganz lieber Kollege und
alter Hase im Showgeschäft. Er hatte sich für jeden Künstler eine Moderationskarte erstellt auf der die
wichtigsten Infos des betreffenden Künstlers aufgelistet waren. Und dann fiel mein Name. Ich betrat die
Bühne, die Musik fing an zu spielen und ich legte los.
Beim ersten Titel "Schick mir einen Engel" habe ich sogar versehentlich bei den Stellen die Lippen
bewegt, bei denen der Gesang eigentlich in Form einer "Telefonstimme" aufgenommen war, so nervös
war ich. Aber alles lief wie geschnitten Brot an dem Abend. Die Leute applaudierten nach jedem Titel
und während des zweiten Titels bekam ich von einer netten Dame sogar eine Rose von unten überreicht.
Thomas schaute sich meinen Auftritt von der Empore aus an. Nach dem Auftritt gab er mir noch ein paar
Tipps, was ich in Zukunft besser machen könnte, aber im Großen und Ganzen war es ein gelungener
Auftritt. Es tat gut jemanden bei sich zu haben, der sich meiner Person auch annahm. Ein paar Wochen
nach diesem Auftritt bekam ich von Sylvia auch wie versprochen die Videoaufzeichnungen auf einer
DVD zugeschickt.
Und es war schon ein komisches Gefühl, sich das erste Mal von vorne auf einer Bühne zu sehen und die
Begeisterung der Menschen. Im Oktober 2010 sollte ich den Namen "Kuhrausch" noch mal hören, dieses
Mal allerdings mit einem nicht so schönen Hintergrund.
In diesem Monat hatte Anna-Maria Zimmermann einen tragischen Hubschrauberabsturz in unmittelbarer
Nähe der Diskothek, in der sie einen Auftritt absolvieren sollte.
38
Kurz nach meinem Auftritt in Altenbeken bot sich mir die Möglichkeit, mich mit meinen Songs dem
Dortmunder Publikum wieder einmal zu zeigen.
Einige kannten mich ja noch aus meiner Zeit mit Madhouse, aber die wenigsten brachten meinen Namen
mit der Musikrichtung Schlager in Verbindung. Uwe Kisker von Sportlive-TV, einer regionalen
Fernseh-Institution war es, der mich als Organisator der legendären Dortmunder Schlager-Partys zu sich
einlud. Austragungsort der Veranstaltung war damals die Eissporthalle im Revierpark Wischlingen in
Dortmund.
Als ich die Halle betrat, wartete mein Freund Addi schon auf mich. Ich schaute mich in aller Ruhe in der
Halle um, ganz besonders den Technikbereich und die Bühne. Nachdem ich Uwe und Nicole begrüßt
hatte, zeigten mir beide den Künstlerbereich im hinteren Teil der Halle. Dort konnten sich die Künstler in
aller Ruhe umziehen, sich schminken lassen (damit die Haut nicht so glänzte auf den Aufnahmen) und
einen kleinen kulinarischen Happen zu sich nehmen. Ich bekam meine Auftrittszeit genannt mit der Bitte,
meine Playbacks eine Viertelstunde vor meinem Auftritt beim Tontechniker abzugeben. Dieser Bitte bin
ich dann natürlich auch gerne nachgekommen. Pünktlich vor meinem Auftritt übergab ich dem Techniker
meine CD und wartete im Bühnenbereich auf Uwes Ansage.
Nachdem mein Name gefallen war, ging ich auf die Bühne und absolvierte in gewohnter Manier meinen
Auftritt. Dieser muss Uwe allerdings so gut gefallen haben, dass er mich auch in der Zukunft für weitere
Veranstaltungen buchte. Nachdem ich die Bühne verlassen hatte, warteten in Bühnennähe schon die
ersten Autogramm-Jäger auf mich. Nur gut, dass ich zu dem Zeitpunkt schon die ersten Karten hatte
drucken lassen. Ich erfüllte also geduldig alle Autogrammwünsche und verließ eine Stunde später die
Veranstaltung, nachdem ich mich von den noch anwesenden Künstlern sowie Uwe und Nicole verabschiedet, und mich für die nette Einladung bedankt hatte.
39
Doch es sollte in diesem Jahr noch besser kommen. Aus meiner Zeit mit Peter Sebastian kam ich
irgendwann mit Heinz und Rita Degen in Kontakt. Die beiden hatten mich in ihrer Funktion als
Veranstalter ihrer Firma KVM-Events schon mehrmals gebucht und ich pflegte immer einen netten
Kontakt zu den beiden. Heinz rief mich eines Tages im Mai 2010 an, ob ich nicht Interesse hätte mit ein
paar anderen Künstlern das Vorprogramm von Michael Wendler im Signal-Iduna-Park zu gestalten, ihm
würde noch ein guter Künstler für die Veranstaltung fehlen.
Mmhhh.... Michael Wendler, Michael Wendler....
Moment mal: DER Michael Wendler?
Der König des deutschen Popschlagers?
Im Wohnzimmer des BVB?
Die beiden einzigen Fragen die ich Heinz an diesem Tag gestellte habe, lauteten:
Wann? und Wer sind die anderen Künstler?
Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte, wer die anderen waren, es hatte mich halt nur interessiert.
Heinz antwortete, dass außer mir noch Sascha Valentino, Maurice Dalessio und Al & Chris an dem Tag
auftreten sollten. Alle drei kannte ich gut, zwei wurden von Peter Sebastian produziert und nahmen ihre
Songs bei Thomas Michael Lackmann auf, und Al & Chris waren mir als äußerst angenehme Kollegen
bei der letzten Dortmunder Schlagerparty im Gedächtnis geblieben. Konnte also nur gut werden.
Ich sagte der Veranstaltung zu und ließ mir von Heinz die Eckdaten für den Termin geben.
Am 22.05.2010 war es dann soweit. Ich fuhr mit meiner Frau zum Signal-Iduna-Park nach Dortmund und
traf dort zuerst auf Al & Chris, gefolgt von Heinz und Rita, die wenig später eintrafen.
Irgendwann stießen dann auch Sascha und Maurice zu uns und wir gingen zu unserem Eingang, wo wir
schon von Nicole von Sportlive-TV erwartet wurden.
40
Sie zeigte uns unseren Aufenthaltsbereich, wo wir unsere Instrumente und persönlichen Sachen ablegen
konnten. Dann ließen wir uns den Bühnenbereich zeigen. Und da fiel mir das erste Mal die Kinnlade bis
zur Kniescheibe herunter. Die Bühne war inmitten der Tribüne aufgebaut so dass man, wenn man
herunterschaute, die Stehplätze im Stadion direkt darunter liegen hatte. Man stand also auf mittlerer Höhe
des Stadions.
Das ganze Ausmaß der Bühne erkannte man allerdings erst, wenn man die Stufen bis zur letzten
Sitzplatz-Reihe hochstieg, und sich das Ganze mal von ganz oben ansah.
Ein wirklich bombastischer Ausblick.
Als Künstler macht man sich ja vor so einem Auftritt schon Gedanken "Wie wird das da wohl
aufgebaut?" oder "Steht die Bühne auf dem Rasen und die Fans im Innenraum auf dem Spielfeld?"
Doch nichts von alledem ist eingetreten. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Später habe ich
erfahren, dass dort wo die Bühne stand, das Dortmunder Sommerkino abgehalten wurde, also
Freiluft-Kino im Fußballstadion. Deswegen wurde dann auch später die bereits vorhandene Leinwand als
Videoscreen benutzt.
Nachdem wir uns alles in aller Ruhe angesehen hatten, sah ich ihn.
Den König des deutschen Popschlagers.
Michael ließ sich alles in Ruhe zeigen, er schaute sich die Bühne an, die Technik und sprach noch das ein
oder andere mit seinem Management ab. In einem Moment der Ruhe fasste ich mir dann ein Herz und
sprach ihn an. "Kann ich dich mal ganz kurz sprechen?" fragte ich ihn. "Ja klar" antwortete Michael
freundlich. "Ich wollte mich nur bei dir bedanken, dass du mir die Möglichkeit gegeben hast, hier heute
Abend aufzutreten" sagte ich zu ihm. Meine innere Einstellung und meine gute Kinderstube verlangten
das einfach. "Bitte, bitte. Kein Problem" erwiderte Michael zu mir. Man kann über Michael Wendler
denken was man will. Jeder hat mit Sicherheit so seine eigenen Erfahrungen mit ihm gemacht, sei es als
Künstler oder als Fan seiner Musik. Ich kann nur sagen, dass Michael Wendler an diesem Tag als
freundlicher Kollege vor mir stand, und dass von Hochnäsigkeit oder gar Arroganz auch gegenüber
meinen anderen Kollegen keinerlei Spur vorhanden war. Das Gegenteil war der Fall.
Die Zeit bis zu unseren Auftritten haben wir uns dann im Backstage-Bereich mit einer kleinen
"Unplugged-Session" vertrieben. Al & Chris so wie ich hatten ja unsere Gitarren dabei und spielten uns
mit der einen oder anderen Nummer warm.
In der Zwischenzeit wurden auch die Zuschauer ins Stadion gelassen und die Ränge füllten sich so
langsam.
Insgesamt haben das Konzert nach meinem Wissen knapp 4000 Menschen an diesem Tag verfolgt, und
normalerweise schaut man ja als Künstler von oben nach unten zu den Leuten. Heute sollte das mal
anders herum laufen. Heute schauten alle Künstler mal von unten nach oben.
Ungewöhnlich, aber nicht weniger interessant.
Wir absolvierten unsere Auftritte, bei denen ich dann auch ein paar Bilder aufnahm und nach meinem
Auftritt folgte dann der Auftritt von Michael Wendler. Mal mit Tänzerinnen im Hintergrund, mal im
Duett mit Diana Sorbello und dann wieder alleine. Eine rundum gelungene Veranstaltung wie ich fand.
Nach unseren Auftritten hatten wir dann noch Gelegenheit zu einem kleinen Foto-Shooting mit Michael,
was wir natürlich auch alle gerne annahmen.
Müde, aber zufrieden bin ich nach dem Auftritt nach Hause gefahren und habe mich in den Tagen danach
auch noch oft an diesen schönen Tag erinnert.
41
42
Kapitel 7 - Willkommen auf dem Schlagerkarussell
Die Jahre 2011 und 2012 waren bis auf wenige Highlights geprägt von Studiomusik und dem
Schreiben und Komponieren neuer Songs. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits viele Künstler und
Künstlerinnen auf verschiedenen Veranstaltungen kennen lernen dürfen, und für mich hatte sich eines
sehr früh herauskristallisiert.
Fast jeder war der Meinung, er wäre ein Star. Besonders war mir das bei den weiblichen Künstlern
aufgefallen. Viele hatten immer eine Begleitperson dabei, die das Köfferchen mit den Playback-CDs oder
den Verkaufs-CDs trugen.
Wahrscheinlich, weil das Köfferchen so schwer war. Jetzt mal im Ernst Mädels. Was glaubt ihr wer ihr
seid? Mariah Carey, Whitney Houston, oder Beyoncé Knowles?
Ich erinnere mich gut an eine Veranstaltung des Senders Germany-Stream e.V. Dort war einmal auf einer
Veranstaltung ein sehr bekannter Produzent und hatte eine junge Dame dabei, die dort ihren neuen Titel
promoten sollte. Als die beiden an meiner Frau und mir vorbei gingen, um in den "VIP-Bereich" zu
gelangen, sagte ich zu meiner Frau "Na, da bin ich ja mal gespannt, was uns da gleich erwartet." Jetzt
muss man Fairerweise dazu sagen, dass Musiker einen Song anders hören, als der
Otto-Normalverbraucher. Aber um die Musik ging es ja nun auch erstmal nicht. Die Künstlerin betrat
also irgendwann die Bühne, das Playback setzte ein und dann kam das, was ich insgeheim schon
vermutete. Es war nicht so, dass die junge Dame nicht singen konnte (zumindest lag ihre Trefferquote bei
den Tönen schon mal deutlich über 50%), aber in der Gesamtheit konnte sie leider nicht wirklich
überzeugen. Dabei wirkte sie im Großen und Ganzen eigentlich relativ selbstsicher auf der Bühne.
Der Produzent filmte das Spektakel mit seinem Handy und schaute zwischendurch mal zu meiner Frau
herüber.
Auf seine Frage, was sie denn von dem Song halten würde, antwortete sie relativ trocken:
"Der Song ist gar nicht mal schlecht, nur schade dass die Künstlerin live nicht vernünftig singen kann."
Bääämmmm, das hat gesessen.
Relativ überrascht über die offenherzige Meinung meiner Frau, verließ der Mann auch prompt seinen
Platz. Meine Frau fragte mich allerdings auch, was ich von dem Auftritt hielt und ich sagte ihr:
"Ein hübsches Gesicht reicht leider nicht aus, ab und zu sollte auch mal die Stimme überzeugen." Was
ich damit eigentlich sagen will ist, dass Frauen in der Regel mehr dazu neigen, sich ab einem gewissen
Zeitpunkt ihrer "Karriere" divenhaft aufzuführen als ihre männlichen Kollegen.
Aber woran liegt das? Ich habe bis heute keine einleuchtende Antwort auf diese Frage bekommen.
Vielleicht liegt es daran, dass ich als Künstler und Musiker mich von Anfang an auf das Grundlegende
des Musizierens fokussiert habe. Dazu zählen u.a. das Aufbauen des eigenen Equipments, ein
funktionierender Soundcheck, Gespräche mit den Technikern usw. Dies alles sind Dinge, die nicht nur
unheimlich wichtig sind für einen gelungenen Auftritt, es zeigt den Leuten die während des Auftritts auch
für dich arbeiten, dass du ihnen nicht egal bist. Wenn ein Künstler sich bereits vor seinem Auftritt
verhält, als wäre er der neue Robbie Williams und der Meinung ist, er müsse dem Techniker erzählen wie
er seinen Job zu machen hat, gebe ich euch Brief und Siegel darauf, dass ihn der Techniker während
seiner Performance schlecht aussehen lässt.
Während eines Auftritts in Lünen ist mir mal so ein Fall untergekommen.
Der Künstler wollte auf der Bühne seine Version des Jürgen Drews-Titels "Ich bau dir ein Schloss"
singen. Leider war seine Playback-CD mit sagen wir mal, einigen kleinen Macken behaftet. So war es nur
eine Frage der Zeit, bis die CD das erste Mal sprang. Jetzt kann sich jeder ausmalen, dass es für einen
Künstler nicht gerade förderlich ist wenn man textlich auf einmal ganz woanders ist als die Musik.
Nach dem fünften CD-Hüpfer brach der Künstler dann die Performance mit folgenden Worten ab: "Wenn
die Technik das dann wieder hinbekommen hat, dann fange ich noch mal von vorne an."
43
Ein Satz, der in meinen Augen an Dreistigkeit und Unverfrorenheit kaum noch zu überbieten ist. Aber
der anwesende Techniker (der bis zu diesem Zeitpunkt alle Künstler hervorragend abgemischt hatte)
reagierte wie ein Vollprofi, schnappte sich das Mikrofon, mit dem er auf der Bühne zu den Künstlern
sprechen konnte, und antwortete: "Wenn der Künstler mir eine fehlerfreie CD übergibt, dann würde ich
den Titel auch noch einmal anspielen". Danach nahm er die CD aus dem CD-Player und warf diese in
Richtung Bühne. Das Gesicht des Künstlers? Unbezahlbar. Der Techniker? Mein Held.
Ich sah ihn an und sagte ihm: "Respekt. Aber unter uns, ich hätte es genauso gemacht." Womit wir immer
noch beim Thema "Miteinander" wären. Es gibt im deutschen Schlager unter den Nachwuchskünstlern
kein Miteinander, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Es gibt auch kein anderes Musik-Genre, in dem es
mehr Neid, Missgunst und Egoismus gibt als in diesem. In der Coverszene ist das gänzlich anders. Dort
ist es üblich, dass man als Musiker von Band A auch mal ersatzweise für Band B spielt, wenn ein
Musiker z.B. krankheitsbedingt vor einem Auftritt ausfällt. Wenn ich mir vorstelle, dass ich
Künstlerkollegen aus dem Bereich Schlager mal fragen müsste, ob sie mir bei der Erstellung von
Chorstimmen für meinen neuen Titel behilflich wären, würde ich mit großer Wahrscheinlichkeit die
Antwort bekommen "Was bekomme ich denn dafür?" und nicht "Gib mir mal einen Termin durch."
Ich habe von 2007 bis zu dem Tag, an dem ich dieses Buch geschrieben habe, bei etlichen Produktionen
dazu beitragen dürfen, dass der Song hinterher mehr den Vorstellungen des Produzenten entspricht als
vorher. Und ich habe es gerne gemacht, nicht nur um den betreffenden Künstlern damit zu helfen,
sondern weil ich von den Betreffenden menschlich behandelt wurde. Manchmal zählt das mehr als der
finanzielle Hintergrund. Was mich allerdings zum Nachdenken bewogen hat war die Tatsache, dass es bis
heute nur drei Künstler gab, die sich bei mir persönlich für meine Arbeit und den damit verbundenen
Zeitaufwand bedankt haben. Das zeigt glaube ich sehr deutlich, dass sich die wenigsten Künstler darum
kümmern, wer sich alles für ihren Song Arbeit und Mühe macht.
Was mich wiederum dazu bewogen hat, dass ich diese Art von "Gefälligkeitsdiensten" bis auf ganz
wenige Ausnahmen heute nicht mehr mache. Nach wie vor nehme ich unterstützende Dienste wie das
Einspielen von Gitarrenspuren, das Erstellen von Arrangements oder auch das Einsingen von
Background-Chören an, allerdings mache ich das heute nicht mehr umsonst. Denn auch im
Musikbusiness gilt: Qualität hat ihren Preis. Oder: Eine Hand wäscht die andere.
Und mittlerweile überlege ich mir auch, für wen ich was mache. Wie gesagt, es gibt in jeder Branche die
so genannten schwarzen Schafe. Aber wenn man diese erst einmal kennt, hat man als Musiker eine ganze
Menge Stress weniger. Die Erfahrung hat mir halt gezeigt, dass es gerade im Bereich des deutschen
Popschlagers wenige wirklich gute Sänger gibt, oder zumindest solche, die sich als Sänger überhaupt
bezeichnen dürften.
Der Hauptgrund für diese Entwicklung liegt mit Sicherheit darin, dass im Gegensatz zu früher, die
Anzahl der "nicht-professionellen" Studios rapide zugenommen hat. Diese legen auch nicht mehr soviel
Wert darauf, ob ein Künstler singen kann oder nicht, Hauptsache das Geld stimmt.
Ich persönlich kenne kein Studio, in dem heute keine Stimmenbearbeitung stattfindet. Wenn der Künstler
seinen Teil vernünftig eingesungen hat, ist das ja auch kein Problem. Kein Sänger trifft einen Ton zu
100%. Selbst die ausgebildeten nicht. Das liegt aber daran, dass die menschliche Stimme nicht künstlich
hergestellt wird. Daher ist es aus meiner Sicht auch völlig legitim, bei dem einen oder anderen Ton ein
bisschen technisch nachzuhelfen.
Allerdings auch nur ein bisschen. Ich habe Aufnahmen von Künstlern hören dürfen (oder besser gesagt
hören müssen), da konnte man die Anzahl der getroffenen Töne an zehn Fingern abzählen. Sicher, jede
Produktion kostet Geld.
Und jede vernünftige Produktion kostet noch mehr Geld. Daher suchen sich auch viele Künstler ein
Studio, das ihren finanziellen Mitteln entspricht. Aber sollten nicht genau diese "Studios" auch einen
gewissen Qualitätsanspruch an einen Künstler stellen, anstatt vorhandene Talentfreiheit zu fördern?
Schließlich ist es ja auch das Studio, dessen Namen anschließend mit dem Künstler in Verbindung
gebracht wird.
44
Aber ich habe auch schöne Erinnerungen an das Jahr 2011. Eine Veranstaltung ist mir dort besonders im
Gedächtnis geblieben. Das Stadtfest in Unna.
Durch den damaligen Veranstalter Didi Rossmann wurde ich für dieses Event gebucht. Didi und ich
kannten uns schon länger, und nun endlich sollte auch ich einmal meinen Teil zu dieser
Großveranstaltung beitragen dürfen. Addi hatte ihn wohl in mehreren Gesprächen so lange genervt, bis er
dann endlich sein OK für mich gegeben hatte.
Nachdem die Rahmenbedingungen feststanden überlegte ich mir, was ich an diesem Termin alles mit in
mein Programm nehmen wollte. Der Auftritt sollte 45 Minuten gehen und ich sollte vor Jörg Bausch
auftreten. Somit war schon mal klar, dass sich vor der Bühne nicht nur 200 Leute aufhalten würden,
sondern dass der Platz bis auf den letzten Zentimeter voll sein würde. Jörg Bausch hatte ich bis dahin
noch nie live gesehen, allerdings hatte ich ihn als Vollblutmusiker, der seine Songs auch selber schrieb,
im Gedächtnis. Und ich wusste, dass sein Fanclub mit Sicherheit auch dort sein würde. Ein paar Leute
aus dem Fanclub hatte ich bereits auf dem Bierfest in Bergkamen kennen lernen dürfen, und habe mich
auf Anhieb mit allen gut verstanden.
Abgehalten wurde die Veranstaltung auf dem Rathausplatz in Unna. Am Veranstaltungstag machte ich
mich also bewaffnet mit meiner „Cindy“ (so nenne ich meine E-Gitarre vom Typ Stratocaster des
Herstellers Fender) rechtzeitig vor dem Veranstaltungsbeginn auf zum Rathausplatz, weil ich mit dem
Techniker vor Ort noch das ein oder andere absprechen wollte. Dazu hatte ich eigens eine so genannte
Setliste erstellt, in der alle Songs in der Reihenfolge standen, in der ich sie spielen wollte. Der Techniker
war schnell gefunden und ich fragte freundlich, ob ich denn schon mal meine Sachen aufbauen könne.
Er zeigte mir die Bühne und die Technik für meine Gitarre. Nachdem ich ihm meine CD mit den
Playbacks übergeben hatte, spielte ich zum Abmischen ein bisschen zu "Rockin´ all over the World".
Natürlich blieb das auch den anwesenden Gästen die bereits vor Ort waren nicht verborgen. Nachdem die
ersten schon nach dem Soundcheck applaudierten, und es von meiner Seite aus losgehen konnte, fuhr ich
wieder nach Hause. Denn geplant war mein Auftritt ja erst gegen 20:30 Uhr.
Ich hatte kurz vor dieser Veranstaltung meinen damals neuen Titel "Die Frau in meinem Leben" in der
Radiobemusterung und was lag näher, als den Titel vor so einer Kulisse wie dem Stadtfest Unna erstmals
dem Publikum zu präsentieren? Glücklicherweise waren an dem Tag auch Markus und Jörn von
"Die2.TV" da und ich fragte, ob wir nicht genau diesen Titel live mitfilmen können, um aus den
Aufnahmen hinterher ein schönes Live-Video zu machen. "Ja klar, wir filmen ja eh´ die ganze
Veranstaltung, können wir gerne machen" antworteten die beiden. Jörn hatte sich mit seiner Kamera
ziemlich zentral vor der Bühne aufgestellt, so konnte er die Künstler dann optimal in der totalen
Perspektive aufnehmen. Markus war immer in unmittelbarer Bühnennähe zu finden, so konnte er die
Künstler dann auch mal z.B. seitlich aufnehmen.
Und dann war es soweit. Nachdem alle anderen Künstler ihr Programm aufgeführt hatten, wurde eine
kleine DJ-Pause eingelegt. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich hinter der Bühne, ging in Gedanken
noch mal die Songs durch und kämpfte mit meiner Müdigkeit.
Müdigkeit? Wie kann man vor einem Auftritt müde sein? Ja ich weiß, klingt komisch, ist aber so. Andere
Künstler kriegen feuchte Hände, oder beten, oder mach was weiß ich vor einem Auftritt. Das war schon
so als ich noch bei Madhouse gesungen habe. Damals hat mich unser Gitarrist Konrad manchmal erst 10
Minuten vor dem Auftritt geweckt, damit ich wenigstens noch ein bisschen Zeit hatte um mich
einzusingen. Diese Zeit hatte ich mir für den Auftritt in Unna schon vorher zurechtgelegt.
Ich verabschiedete mich 20 Minuten vor dem Auftritt von meiner Frau mit den Worten: "Ich bin dann
mal weg. Bis gleich." Meine Frau wusste, dass ich vor einem Auftritt immer noch etwas für mich alleine
sein wollte.
Die DJ-Pause neigte sich dem Ende und der Moderator der Veranstaltung, Frank Neuenfels, kündigte
mich dem Publikum an. Er hatte sich wirklich gut auf seine Moderation vorbereitet und das Publikum
wartete gespannt. Er verließ die Bühne, übergab mir zu den Klängen meines Intros mein Mikrofon,
lächelte und dann machte es Klick. Ich legte den Schalter von "privater Michael" auf "Bühnen-Michael"
um und betrat die Bühne.
45
Es folgten 40 Minuten totalen Körpereinsatzes, umgeben von tausenden Watt Bühnenlicht und einem
Publikum, wie ich es vorher noch nie erlebt hatte. Den Leuten schienen meine Songs wirklich zu gefallen
und so beendete ich den Auftritt mit einem Medley, dass mit dem Song "Aber bitte mit Sahne" von Udo
Jürgens anfing und mit "Rockin´ all over the World" von Status Quo endete. Das Ganze im Party-Mix
arrangiert und dann live mit der Gitarre dazu gespielt. Und da war er wieder:
Der Michael, der auch mal die etwas härteren Töne präsentieren konnte.
Das Publikum ging fantastisch mit und ich verabschiedete mich freundlich von den Leuten mit dem
Hinweis, wo man sich noch Informationen über mich im Internet anschauen kann.
Frank Neuenfels betrat erneut die Bühne und seinem lächelnden Gesicht konnte ich einen Hauch von
Verwunderung entnehmen. Frank war schon seit Ewigkeiten im Geschäft, aber so etwas hatte er
bestimmt auch noch nicht allzu oft gesehen. Nach ein bisschen verschwitztem Smalltalk auf der Bühne
wurde ich dann von Frank noch freundlich um eine Zugabe gebeten. Ich kündigte also meinen neuen
Titel an und dachte bei mir "Hoffentlich hast du jetzt keinen Texthänger". Denn das würde man mit
Sicherheit im Video hinterher sehen. Aber alles ging gut. Der Song kam riesig an, ich packte schnell
mein Equipment zusammen und begab mich mit Autogrammkarten bewaffnet zum linken Bühnenrand,
wo man für die Künstler extra einen Tisch aufgebaut hatte damit sie dort in aller Ruhe für ihre Fans
Autogramme schreiben konnten.
Normalerweise schreibe ich auf Veranstaltungen so um die 20 bis 40 Autogramme, das hängt natürlich
auch von der jeweiligen Veranstaltung und deren Größe an. Vom Stadtfest Unna weiß ich noch, dass ich
kurz vor Jörg Bausch seinem Auftritt angefangen habe Autogramme zu schreiben, und erst kurz vor Ende
seines Auftritts damit wieder aufgehört habe. So viele Leute wollten ein Foto und ein Autogramm von
mir, das hatte ich vorher noch nicht erlebt. Und ich habe allen ihre Wünsche erfüllt. Sichtlich geschafft
nahm ich im Anschluss im Bereich hinter der Bühne Platz, um ein bisschen runter zu kommen und das
Adrenalin wieder auf Normalpegel zu bekommen. Ich weiß noch, wie schwer es mir an diesem Abend
gefallen ist einzuschlafen. Ich war einfach zu aufgewühlt, obwohl ich wirklich kaputt war.
Aber die Eindrücke des Abends ließen mich einfach nicht mehr los.
46
Am Tag darauf bin ich mit meiner Frau noch einmal zum Rathausplatz gegangen, da wir uns natürlich
auch das restliche Programm anschauen wollten. Doch was mich da erwartete, damit konnte ich gar nicht
rechnen. Als ich den Platz vor der Bühne betrat, wurde ich von einem Bekannten mit "Na, wie geht´s
Herr Bausch?" angesprochen.
Sichtlich irritiert schaute ich ihn an, bis er mir dann die aktuelle Ausgabe der örtlichen Presse übergab.
Ich schlug die Zeitung auf und sah ein Bild vom gestrigen Auftritt von mir, das über die gesamte
Seitenbreite ging. Und unter dem Bild stand sinngemäß "Jörg Bausch präsentierte unter anderem seinen
Hit "Cowboy und Indianer". "So schnell kann´s mit der Karriere gehen" sagte mein Bekannter und
musste herzhaft lachen. Natürlich habe ich mich sehr gefreut, mein Bild in der örtlichen Presse zu sehen,
obwohl ich im gleichen Gedanken an den Pressevertreter denken musste, dem dieser nicht ganz
unerhebliche Fauxpas unterlaufen war.
Ich habe mich im Anschluss noch mit Frank Neuenfels über diese Geschichte unterhalten, dieser hatte
schon im Vorfeld mit Jörg Bausch telefoniert und ihm von der Geschichte berichtet. Aus meiner Sicht
wäre eine Richtigstellung seitens der Presse am Folgetag für mich die einzig richtige Konsequenz
gewesen, doch Frank versicherte mir, dass Jörg Bausch sich wohl auch über das Missverständnis köstlich
amüsiert haben muss. Man muss als Künstler halt auch mal über solche Missgeschicke lächeln können.
Ein Erlebnis der besonderen Art sollte mich allerdings noch 2012 erwarten.
Im Januar 2012 fand im Spielkasino Dortmund-Hohensyburg die Verleihung des Medienpreises
„Schlager-Saphir“ statt. Der Preis wurde damals in verschiedenen Kategorien in Form eines vorher
stattgefundenen Fan-Votings vergeben.
Das Publikum konnte bereits im Vorfeld für seinen Lieblings-Künstler, Lieblings-DJ usw. über einen
Telefon-TED für diesen abstimmen und hinterher wurden die Anrufe zusammengezählt. Derjenige
Künstler, der die meisten Anrufe in der jeweiligen Kategorie erhalten hatte, bekam dann bei der
Verleihung den „Schlager-Saphir“ überreicht. Mein Freund Thomas Michael Lackmann und ich waren zu
diesem Zeitpunkt gleichzeitig in der Kategorie „Bester Komponist 2011“ nominiert. Und jeder von uns
hatte im Vorfeld natürlich ordentlich die Werbetrommel für sich gerührt. Thomas machte zu diesem
Zeitpunkt so um die 30 Produktionen im Jahr, die auch allesamt regelmäßig in den einschlägigen
Hitparaden auftauchten.
Ich dagegen machte im Jahr vielleicht 4 oder 5 Produktionen. Qualitativ gesehen haben sich unsere Titel
damals vielleicht gar nicht so groß unterschieden. Gut, jeder von uns hatte seinen eigenen Stil, doch
unserer Freundschaft hat diese Tatsache nie geschadet, im Gegenteil. Wir tauschten uns regelmäßig mit
unseren Ideen aus, aber seine Erfahrung und die Vielzahl der Songs ließen mich auch keinen Zweifel
daran haben, dass er den Preis auch bekommen würde.
Aber wie heißt es doch so schön: Besser als nicht mitgemacht.
Und mit Sicherheit würde sich der ein oder andere am Abend der Verleihung fragen „Wer bitteschön ist
Michael Ulm?“
Somit war meine Nominierung in dieser Kategorie für mich persönlich als eine reine Werbemaßnahme zu
sehen. Am 15. Januar 2012 war es dann soweit. Alles, was Rang und Namen im deutschsprachigen
Schlager hatte, war der Einladung von Didi Rossmann als Veranstalter dieses Events nach Dortmund
gefolgt.
Michael Wendler, Bata Illic, Gaby Baginsky, Jürgen Drews, Jörg Bausch, Olaf Henning,
Norman Langen, Anna Maria Zimmermann, Matthias Carras, Frank Neuenfels, viele namhafte
Songschreiber und Produzenten und…… ich!
Beim Betreten des Kasinos wurde den Künstlern ihre Tischnummern mitgeteilt, also dauerte es auch
nicht lange, bis sich im vorderen Bereich eine Warteschlange bildete. Norman Langen stand in der
Schlange vor mir, und wir begrüßten uns freundlich. Dabei fiel mir auf, dass seine Maskenbildnerin es
wohl ziemlich gut an diesem Tag mit ihm gemeint haben muss. Nicht, dass er übermäßig geschminkt
war, aber sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen gilt: Weniger ist manchmal mehr. Aber: Ein
wirklich ganz netter Kollege. Die Verleihung als solches gestaltete sich dann eher langwierig.
47
Was ja auch nicht anders zu erwarten war, gab es doch so unendlich viele Kategorien: Bester DJ, bestes
Internet-Radio, bester Sänger, beste Sängerin, bester Veranstalter, beste Single, usw. usw.
Zwischen den einzelnen Laudationen gab es dann auch immer mal die eine oder andere Live-Einlage
damit es nicht allzu trocken wurde. Erwartungsgemäß hatte mein Freund Thomas dann auch die begehrte
Trophäe als „Bester Komponist 2011“ erhalten. Ein anderes Ergebnis hätte mich nicht nur verwundert,
sondern auch an der Ernsthaftigkeit dieser Veranstaltung zweifeln lassen. Ich gratulierte Thomas im
Anschluss seiner Dankesrede und wir verfolgten weiterhin die Veranstaltung.
Nach dem offiziellen Teil ging es dann zum gemeinschaftlichen Essen über. Dort hatte man dann die
Gelegenheit, um mit Kollegen zu reden, den ein oder anderen neuen Kontakt zu knüpfen oder um die
Gelegenheit wahrzunehmen, einfach nur gesehen zu werden. Bei der anschließenden After-Show-Party
sollte sich mir noch die Gelegenheit bieten, den Leuten einen kurzen Auszug aus meinem Programm
darbieten zu können. Was ich natürlich auch sehr gerne gemacht habe. Die Stimmung war ausgelassen
und die Leute wollten einfach nur feiern.
Nach der Verleihung wurde ich von Ute Brüning vom Fox-Magazin angesprochen, ob ich für den
06. Juli 2012 schon gebucht wäre. Ich dachte kurz nach und antwortete ihr „Nein Ute, da bin ich meines
Wissens nach noch frei.“
„Hättest du vielleicht Lust als Vertreter des Fox-Magazins auf der Talentshow des Schlager-Moves in
Hamburg aufzutreten?“ fragte sie mich. Hotel wird gestellt, Gage wird auch gezahlt, ich müsste lediglich
selber anreisen. „Na klar“ antwortete ich ihr. „Sehr gerne, und für dich sowieso“.
Ute bedankte sich und teilte mir mit, dass sie mir die Eckdaten dann noch mal per Mail zukommen lassen
würde. Da hatte sich meine Anwesenheit doch gelohnt. Für alle, die mit dem Begriff Schlager-Move
nicht so viel anfangen können sei gesagt: Es ist ungefähr so wie die Love-Parade, nur halt mit
Schlagermusik.
Die Künstler singen auf Wagen, die eine vorgefertigte Route innerhalb der Stadt abfahren, und die
Besucherzahlen liegen in der Regel so im 5- bis 6stelligen Bereich. Also Publikum ohne Ende….
Bis zum Tag des Auftritts wusste ich allerdings noch nicht, auf was ich mich da eingelassen hatte. Ich
wusste nur, welche Künstler außer mir dort noch anwesend sein würden, und was ich singen sollte.
Nämlich einen eigenen Titel, einen bekannten Popschlager-Song und einen Kult-Schlager. Bei der Wahl
eines Kult-Schlagers hatte ich mich für Peter Maffay´s „So bist du“ aus dem Jahre 1979 entschieden. Der
Titel war unter Schlagerfans eine Art Hymne, fast jeder kannte den Text und mit einer Ballade wollte ich
mich natürlich auch von den anderen Künstlern unterscheiden. Als bekannten Popschlager hatte ich mich
für Marco Kloss´ „Du hast gewärmt wie alter Whiskey“ entschieden, auch dieser Titel war einschlägig
bekannt und als eigenen Song sang ich damals „Schick mir einen Engel“.
In den frühen Vormittagsstunden fuhr ich nach Hamburg, denn alle Künstler sollten rechtzeitig vor dem
Beginn der Veranstaltung bereits eingecheckt haben. Nach dem obligatorischen Stau kurz vor dem
Hamburger Elbtunnel kam ich dennoch rechtzeitig im Hotel an, welches nur fünf Minuten Fußweg
entfernt vom Heiligengeistfeld im Herzen Hamburgs lag. Ich brachte meine Sachen ins Hotelzimmer,
telefonierte noch kurz mit meiner Frau und sagte ihr, dass ich gut angekommen war, nahm meine
Playback-CD aus dem Koffer und begab mich auf dem direkten Weg zu den Festzelten.
Der Freitag vor dem Schlager-Move war traditionell immer als Warm-Up zu der eigentlichen
Veranstaltung angesetzt. Die Leute sollten schon vorab richtig in Partylaune versetzt werden, und zu
diesem Zwecke hatte der Veranstalter mehrere große Zelte auf dem Heiligengeistfeld aufgebaut, in denen
DJs die Leute schon zum Tanzen animierten.
In dem größten Zelt sollte dann die Talentshow stattfinden. Als ich mich bei der Security durchgefragt
hatte, wo sich die Teilnehmer der Talentshow melden sollen, war das Hauptzelt bereits sehr gut mit
partybegeisterten Leuten gefüllt. Ich rief Ute vor dem Zelt auf ihrem Handy an, und sie sagte mir, dass sie
bereits mit Bekannten auf dem Weg sei. Wir vereinbarten uns vor dem Hauptzelt zu treffen.
48
Kurze Zeit später kamen Ute und ihre Begleitung dann auch an. Wir machten noch ein paar Fotos und ich
schrieb ein paar Autogramme. Vorab hatte ich mich bereits ausgiebig mit dem Techniker unterhalten und
gab ihm auch schon meine Playbacks. So konnte ich die Zeit bis zum Auftritt noch nutzen, um mir alles
in aller Ruhe anzusehen. Nachdem die Reihenfolge der auftretenden Künstler fest stand, konnte es also
losgehen.
Ich durfte an diesem Tag als erster Teilnehmer auf die Bühne. Jetzt ist es ja für jeden Künstler immer
etwas schwierig, das Eis zu brechen. Aber nach den ersten Takten von „Schick mir einen Engel“ fingen
die Leute schon an zu tanzen und die Stimmung war weiterhin ausgelassen.
Bei „So bist du“ sangen viele lauthals mit und schwenkten ihre Arme zum Takt der Musik.
Ein wirklich tolles Bild, das sich mir von der Bühne aus gesehen bot.
Und als ich dann noch den Marco Kloss-Klassiker „Du hast gewärmt wie alter Whiskey“ zum Besten
gab, gab es für die Leute kein Halten mehr. Alles in allem gesehen ein rundum gelungener Auftritt wenn
man bedenkt, dass ich ja vor ausschließlich fremden Publikum aufgetreten bin.
Der Name Michael Ulm war in Hamburg nicht so geläufig wie in manchen Städten des Ruhrgebietes.
Ich ging zufrieden von der Bühne und Ute strahlte bis über beide Ohren. Alles lief wie geplant.
Nachdem die anderen Künstler ihre Songs gesungen hatten, lag es nun an der Jury den Sieger bzw. die
Siegerin aus den aufgetretenen Künstlern zu ermitteln. Welche Faktoren für die Ernennung des Siegers
damals ausschlaggebend waren, ist mir nicht bekannt gewesen. Den Sieg konnte an diesem Abend
zumindest Christin Stark für sich verbuchen. Sie war schon damals in Norddeutschland keine unbekannte
Künstlerin und ihre Songs liefen auch beim Norddeutschen Rundfunk. Somit schon mal keine schlechten
Voraussetzungen um am Folgetag auf einem der Wagen mitsingen zu dürfen.
Ich bin dann nach der Veranstaltung zurück zum Hotel gegangen und zufrieden, aber auch geschafft ins
Bett gefallen. Insgesamt betrachtet ein tolles Wochenende mit tollen Gesprächen und tollen Kolleginnen
und Kollegen. Was will man mehr?
49
Kapitel 8 - Eine Nacht mit Freunden
Im Jahr 2013 erfüllte ich mir einen persönlichen Traum.
Den Traum zu einer Veranstaltung, die es bis dato noch von keinem Schlagersänger in dieser Form gab.
Jedenfalls nicht so, dass es mir bekannt gewesen wäre.
Alles fing mit einem Auftritt 2012 bei der "Germany-Stream-Party" statt. Ich war bereits mehrmals bei
dieser Veranstaltung, die zwei Mal im Jahr stattfindet, eingeladen worden. Doch für diesen Auftritt hatte
ich mir etwas "Besonderes" einfallen lassen. Ich wollte den Leuten etwas präsentieren, dass sie vorher
noch nie gesehen und gehört hatten (besonders nicht von einem Schlagersänger).
Etwas, bei dem Ihnen der Mund offen stehen bleiben sollte. Ein musikalisches Highlight. Bei dieser Veranstaltung ist die Auftrittsdauer eigentlich immer so auf 15 Minuten pro Künstler festgelegt, was allerdings in der Tatsache begründet ist, dass dort immer zwischen 25 und 30 Künstler auftreten. Leider ist es
wohl im Bewusstsein mancher Kollegen und Kolleginnen verankert, dass man sich bei solchen
Veranstaltungen nicht an diese Regeln halten muss. Was im Umkehrschluss eine Einhaltung eines
Ablaufplans gänzlich unmöglich macht.
Ich beschloss, an diesem Abend nur 2 Songs zu singen, in der Hoffnung, dass die Leute mich ohne eine
Zugabe nicht von der Bühne lassen würden. Konnte klappen, musste aber nicht. Und für diese Zugabe
wählte ich einen Titel, den ich bereits zu Madhouse-Zeiten gespielt hatte und der eigentlich immer gut
beim Publikum ankam: Purple Rain von Prince. Da ich das Playback des Songs in der Originallänge und
ohne die dazugehörige Gitarrenspur hatte, brauchte ich nur noch mal das Gitarrensolo ausgiebig üben.
Es folgten also Tage des Probens, und dann war der Tag da.
Ich fuhr wesentlich früher als sonst nach Oberhausen in die Gaststätte "Alt-Buschhausen". Im Vorfeld
hatte ich bereits Alberto, dem Techniker des Abends telefonisch von meinem Vorhaben berichtet und bin
mit ihm schon mal die technischen Details durchgegangen. Gegen 16 Uhr traf ich am Veranstaltungsort
ein und wir konnten sofort mit dem Soundcheck starten. Ein paar wenige Leute, die die Veranstaltung
organisatorisch begleiteten, waren auch schon dort. Alberto startete das Playback und fing an, die Gitarre
und den Gesang mit den notwendigen Effekten auszustatten und die Lautstärkeverhältnisse zu regulieren.
Alles lief wie am Schnürchen. Ich fuhr also gut gelaunt wieder bis zu meinem Auftritt nach Hause in der
Gewissheit, dass Alberto das Kind an dem Abend schon schaukeln würde.
Mein Auftritt war an dem Abend für 20:30 Uhr angesetzt und pünktlich eine Stunde vor der geplanten
Auftrittszeit war ich dann wieder am Veranstaltungsort. Allerdings wurde mir beim Blick auf den Künstlerablauf auch sehr schnell klar, dass Planung und Realität nicht immer unbedingt
gleichzusetzen sind. Ich ging also im Kopf die noch fehlenden Künstler und deren Auftrittszeiten durch
und richtete mich auf eine Stunde später ein. Moderiert wurde der Abend von Carsten Momber und
Marc Wegerhoff.
Sie verstanden es wirklich den Gästen richtig einzuheizen. Und sie verstanden es auch, die Leute auf das
vorzubereiten, was Ihnen noch bevorstehen würde. Immer wieder wurden die noch nachfolgenden Künstler erwähnt und dann war es endlich soweit. Man übergab das Mikrofon an mich, und die beiden machten
ihre Moderation.
Damit die Leute auch vor meinem Abgang von der Bühne dazu gebracht wurden, nach einer Zugabe zu
verlangen, entschied ich mich einen Song zu singen, der bei den Leuten nicht nur sehr bekannt ist,
sondern bei dem ich schon im Vorfeld wusste, dass ich ihn auch gut präsentieren konnte:
"Du hast gewärmt wie alter Whiskey" von Marco Kloss.
Mittlerweile glaube ich, dass dieser Titel die heimliche Hymne für diese Veranstaltung ist.
Der Auftritt verlief wie geplant, was natürlich auch an der Technik von Alberto und Uwe Gall von
TopSeven lag. Carsten und Marc betraten nach dem zweiten Titel die Bühne und unterhielten sich noch
ein bisschen mit mir.
50
Bevorstehende Projekte, nächster Auftritt usw., usw. Und dann wurde ich gefragt, ob ich denn noch eine
Zugabe mitgebracht hätte. Ich bejahte die Frage und die beiden gingen von der Bühne. Das Publikum
hatte jetzt wohl mit einem weiteren Discofox gerechnet, aber ich teilte den Leuten mit, dass ich mich für
diesen Abend für einen Klassiker aus den 80er Jahren entschieden hätte, den ich auf der Gitarre spielen
wollte und der als ausdrücklichen Wunsch von Sabine, der Inhaberin von Germany-Stream, gewünscht
wurde: Purple Rain.
Ich blickte in viele verdutzte Gesichter und manch einer wird sich wohl die Frage gestellt haben, ob er da
gerade richtig gehört hatte. Purple Rain gesungen von einem Schlagersänger?
Das versprach lustig zu werden. Doch entgegen aller Skepsis habe ich den Titel fehlerfrei an diesem
Abend zum Besten gegeben, und sogar der ein oder andere Kollege kam auf einmal aus dem VIP-Bereich
um zu sehen und zu hören, was da gerade auf der Bühne passierte. Es gibt vieles, was man mit Geld
bezahlen kann. Unbezahlbar sind allerdings die Gesichter der Kollegen gewesen, die mir bei diesem Song
zugesehen und zugehört haben. Es gab sogar Kollegen, die mir mit ihrem erhobenen Daumen
signalisierten, dass mein Auftritt in diesem Moment als wirklich gut zu bezeichnen war.
Der Song näherte sich dem Ende und es wurde Zeit für das Gitarrensolo.
Ich drehte den Lautstärkeregler an der Gitarre auf Maximum, Alberto bekam einen Hörsturz und musste
mich direkt etwas leiser mischen und dann sah ich in die erstaunten Gesichter aller Anwesenden im
Publikum. Ein Anblick, der bei mir bis dahin nie aufgetretene Gefühle auslöste. Ich war so überwältigt,
dass ich wirklich mit den Tränen kämpfen musste. Das Gefühl zu wissen, dass man den Leuten gerade
etwas bietet, was sie so schnell nicht wieder sehen und hören sollten. Ich ließ die Gitarre ausklingen und
die Leute ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Tosender Applaus füllte den Saal und zwei sichtlich
erstaunte Moderatoren betraten die Bühne. So etwas hätte die beiden ja noch nicht gesehen, sagten sie
mir auf der Bühne. "Kannst du denn auch was z.B. von AC/DC spielen?" fragte mich Carsten Momber.
Ohne zu zögern spielte ich das Intro-Riff von "Highway to Hell" und beantwortete damit seine Frage.
Beim Gang von der Bühne sagte Marc Wegerhoff dann, dass dieser Auftritt ja wohl nach einer Wiederholung schrie und man jetzt auf ein Konzert von mir wartete. Das bekam ich zu diesem Zeitpunkt allerdings
nur am Rande mit. Erst Tage später sind mir seine Worte wieder eingefallen.
Ich stellte mir die Frage, wie ich so ein "Solo-Konzert" von mir gestalten würde. Mit anderen Künstlern
zusammen, oder lieber alleine? Wie lange würde ich eine solche Veranstaltung planen? Was würde ich an
einem solchen Abend alles singen? Wie würde ich eine solche Veranstaltung finanzieren?
All diese Fragen schossen durch meinen Kopf.
Und so setzte ich mich ungefähr 7 Monate vor dem eigentlichen Termin hin, und begann mit der Planung
für dieses Event. Es sollte ein Abend werden, den ich zusammen mit Freunden gestalten wollte.
Mit Fans, die ich auf vielen Veranstaltungen lieb gewonnen hatte. Und mit Leuten, die auch eine andere
Seite von mir als die des deutschen Schlagers sehen sollten.
Als Termin hatte ich mir den 18. Mai 2013 vorgemerkt. Ein Samstag.
Ohne zu wissen, was für andere Veranstaltungen an diesem Termin geplant waren. Denn es war mir egal.
Ich wollte, dass die Leute zu mir kommen, weil sie mich sehen WOLLEN, und nicht, weil an dem Abend
nichts anderes angeboten wurde. Ich begann also, mir Songs heraus zu suchen, die
a) gesanglich etwas anspruchsvoller waren
b) von mir selber waren und
c) aus unterschiedlichen Genres kommen
51
Dabei herausgekommen ist diese Playliste:
Set 1:
1) Intro / Let me entertain you (Robbie Williams)
2) Wenn du gehst - Remix (Christian Franke)
3) Johnny B. Goode (Chuck Berry)
4) Through the Barricades (Spandau Ballet)
5) Sexy (Marius Müller Westernhagen)
6) Im Feuerwerk deiner Liebe (Michael Ulm)
7) Ich bin hier (Christian Schreiber)
8) Crazy little thing called Love (Swing-Version Michael Bublé)
9) Heroes (David Bowie)
10) Mit dir würd´ ich fliegen (Michael Ulm)
11) Ein Diamant (Marco Kloss)
12) Easy (Lionel Richie)
-----------------------------------------------------------------Set 2:
1) Ich fang dir den Mond (Andreas Martin)
2) Schick mir einen Engel - Acapella-Version (Michael Ulm)
3) Walking in Memphis (Marc Cohn)
4) Tears in Heaven (Eric Clapton)
5) Black Velvet (Alannah Myles)
6) Zeit für Gefühle (Michael Ulm)
7) Irgendwann (Michael Ulm)
8) One for my Baby (Robbie Williams)
9) Du hast gewärmt wie alter Whiskey (Marco Kloss)
10) Wahnsinn (Wolfgang Petry)
-----------------------------------------------------------------Set 3:
1) Mary Jane (Jürgen Peter)
2) Take me Home Country Roads (Hermes House Band)
3) Du machst mich atemlos (Michael Ulm)
4) Rebel Yell (Billy Idol)
5) Rocking all over the World (Status Quo)
6) Purple Rain (Prince)
Zugaben:
1) Angels - Rockabilly Version (The Baseballs)
2) Du willst immer nur ficken (Ganz schön feist)
3) You Unplugged-Version (Ten Sharp)
Ich fing an, mir die Playbacks von allen Songs zusammen zu suchen und schrieb mir zu jedem Titel die
dazugehörigen Akkorde und die Texte heraus. Das hat alleine glaube ich schon knapp 2 Wochen
gedauert. Ich arrangierte sogar nur für das Konzert eine A capella-Version meines Songs
"Schick mir einen Engel". Dabei habe ich alle Instrumente des ursprünglichen Titels durch Spuren mit
meiner Stimme ersetzt. Also eine Version ganz ohne Instrumente.
Die kommenden sechs Monate waren geprägt von intensiven Proben. Immer und immer wieder habe ich
die Songs Setweise durchgeprobt. Habe mir neue Gitarrenriffs einfallen lassen und mir Gedanken über
die Bühnengestaltung gemacht. Bestellung der Security und der Technik, Erstellung der
Werbematerialien wie Plakate und Karten, Reservierung der Veranstaltungsstätte, und das Ausfüllen der
GEMA-Liste. All das waren Dinge, um die ich mich in der ganzen Zeit kümmern musste.
52
Und genau eine Woche vor dem Auftrittstermin kam dann der Super-GAU (Größter Anzunehmender Unfall).
ICH WURDE KRANK!!!
Besser gesagt, ich hatte mir im Frühling eine Erkältung zugezogen, die den Totalausfall meiner Stimme
zur Folge hatte. Nicht der beste Zeitpunkt, wie ich fand. Aber es half alles nichts.
Der Doktor verordnete mir eine Zwangs-Sprechpause mit den entsprechenden Medikamenten, und ich
hielt mich strikt daran. Was sollte ich auch machen? Ich wollte die Veranstaltung auf keinen Fall
ausfallen lassen, eher hätte ich mir den Arm abgehakt.
Das hätte ich den Leuten, die bereits im Vorfeld ihre Karten bestellt hatten, auch nicht antun können und
wollen. Also Augen zu und durch.
Ich rief Addi an und fragte ihn kurz vor dem Termin, ob er so freundlich wäre und an dem Abend die
Moderation machen würde. "Natürlich mein Freund, das mache ich sehr gerne" waren seine Worte. Von
meiner Seite war also alles geregelt und es konnte losgehen. Geplant war, dass die Gäste gegen 18 Uhr
eingelassen werden und ich dann um 19 Uhr mit meinem Programm starten wollte.
Nachdem alle um kurz nach 19 Uhr ihre Plätze eingenommen hatten, bereitete ich mich noch ein bisschen
vor. Leises Einsingen, Atemübungen und ein paar Lockerungsübungen sollten mir den Start an diesem
Abend etwas erleichtern. Und dann war es endlich soweit.
"One Night with Friends" - das Motto dieses Abends, konnte endlich losgehen. Vorsorglich hatte ich mir
von der Inhaberin drei Kannen mit Tee kochen lassen, die ich auch auf der Bühne auf einem kleinen
Tisch positioniert hatte. Im Hintergrund der Bühne hatte ich zwei Stehtische mit Kerzen arrangiert, und
es wehte ein Hauch von MTV-Unplugged-Atmosphäre durch den Saal. Addi sagte mich in gewohnt
lockerer Art und Weise an und Alberto und Uwe ließen die Musik laufen. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Während des Intros kam ich dann auf die Bühne, zog meine Jacke aus und hängte sie auf der Bühne an
einen Stuhl. Ich griff mir meine Gitarre und wir starteten mit der Live-Version von Robbie Williams´
"Let me entertain you", ein Song der sich als "Anheizer" bereits in vergangenen Zeiten immer gut
bewährt hatte. Addi hatte den Leuten bereits bei der Anmoderation erzählt, dass mich in den Tagen davor
der Virus heimgesucht hatte, und viele hatten es ja auch auf meiner Facebook-Seite vorher
mitbekommen. Aber das war den Leuten glaube ich auch egal. Sie wollten mich sehen und hören, ohne
zu wissen was sie alles an dem Abend erwartete, und das ließen sie mich auch spüren.
Es hatte wirklich fast das gesamte erste Set gedauert, bis sich meine Stimme halbwegs auf die bevorstehende Belastung eingespielt hatte.
Und dieses Wissen, dass du als Künstler nicht 100%ig fit bist, bringt eine zusätzliche psychische
Belastung mit sich. Ob du willst oder nicht, ständig geht dir dieser Gedanke durch den Kopf. Ich habe
wirklich einige Zeit gebraucht, bis ich diesen Gedanken weitestgehend verdrängen konnte.
Aber getreu dem Motto "Augen zu und durch" habe ich an dem Abend wirklich alles gegeben, was die
Stimme hergab und letztendlich habe ich von den geplanten drei Stunden Programm wirklich etwas über
zweieinhalb Stunden durchgehalten. Man hat den Leuten angesehen dass es ihnen Spaß gemacht hat,
auch wenn ich an diesem Abend Songs gespielt hatte, die etwas ruhiger und aus anderen
Musikrichtungen waren. Aber ich habe nach dem Konzert durchweg positive Stimmen erhalten und im
Anschluss noch lange Autogramme geschrieben und Fotos mit den Gästen gemacht. Und auch hierfür
hatte ich mir etwas Besonderes einfallen lassen.
Ich hatte Autogrammkarten im DIN-A 5-Format drucken lassen, auf denen das Datum, das Veranstaltungsmotto und der Schriftzug "Ich war dabei" aufgedruckt waren. Eine persönliche Autogrammkarte nur
für diesen Abend. Und mit genügend Platz, damit jeder Gast seine persönliche Widmung erhalten konnte.
53
Nachdem die Gäste alle versorgt waren und ich mich bei allen freundlich für ihr Kommen bedankt hatte,
bauten wir in aller Ruhe die Bühne und mein Equipment ab und verstauten die Sachen im Auto.
Ich rechnete mit der Technik ab, gönnte mir danach noch einen leckeren Salat, bedankte mich bei den
Inhabern für den tollen Abend und fuhr im Anschluss nach Hause.
Mittlerweile war es halb eins Morgens geworden. Als ich nach dem Ausräumen meines Autos ins Bett
ging, habe ich noch einmal für ein paar Minuten an diesen tollen Abend gedacht.
Und es hat sich verdammt gut angefühlt.
54
55
Kapitel 9 - Freunde - Ein seltenes Gut im Schlager
Wenn mich die Zeit ab dem Jahr 2007 etwas gelehrt hat, dann ist es dieser Satz.
Für mich persönlich besteht der deutsche, moderne Schlager oder auch Popschlager zum größten Teil aus
egoistischen, in einer Scheinwelt lebenden Traumtänzern die der Meinung sind, nur weil sie auf einer
Bühne stehen und singen, sich als Sänger bezeichnen zu können und in Wirklichkeit in den seltensten
Fällen in den offiziellen deutschen Verkaufscharts aufgetaucht sind. Bis auf wenige Ausnahmen. Die
Freundschaften, die ich kennen lernen durfte bezogen sich daher auch zum größten Teil auf Komponisten
und Produzenten. Aber unter den Künstlern? Leider Fehlanzeige.
Ich weiß nicht woher dieser Umstand kommt, und ehrlich gesagt ist es mir auch egal. Aber mir wurde
beigebracht, dass wenn jemand über mich Dinge erzählt, die nicht den Tatsachen entsprechen und ich
Kenntnis davon erlange, dass ich mit demjenigen den Dialog suche und die Sache gerade biege, anstatt
über Dritte irgendwelche Gerüchte in die Welt setze. Ist es wirklich so schwierig einem Künstler, der
einen guten Titel herausgebracht hat zu sagen, dass einem der Titel gefällt? Ich denke nicht. Für mich
persönlich zumindest nicht. Stattdessen habe ich es unzählige Male erlebt, dass Künstler von anderen
Künstlern schlecht geredet wurden.
Im Jahr 2012 sollte ich einen neuen Freund dazu gewinnen.
René Bauer von der Zwiefel-Musicgroup in Fuchsstadt. Mein Freund Addi hatte ihn bezüglich des Joel
Gutje-Titels "Alles nur Lüge" irgendwann einmal telefonisch kontaktiert um ihn nach den Rechten des
Titels zu fragen. In diesem Gespräch hatte Addi ihm dann auch gesagt, dass ich es war der damals die
Musik für diesen Titel arrangiert hatte. Er gab René meine Telefonnummer damit er sich mit mir
persönlich über das Thema unterhalten konnte.
Ein paar Tage später rief René dann auch bei mir an. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte über Joel am
Telefon und konnte heraushören, dass er den Ablauf von damals gar nicht richtig glauben konnte. Aber
die gleiche Geschichte hatte ihm Addi in vorherigen Gesprächen auch schon erzählt.
René und ich waren uns sehr schnell sympathisch am Telefon und so ergab es sich, dass wir mal ein
gemeinsames Projekt machen wollten. "Ich hab da noch ein paar Songs in der Schublade liegen, auch von
anderen Songschreibern. Hör doch mal durch, wenn du Zeit und Lust hast. Vielleicht ist da ja was für uns
bei" sagte er mir am Telefon und versprach, mir mal einen Song per Mail zu schicken. "Ist zwar schon
etwas älter, aber vielleicht kannst du ja was draus machen" sagte René zu mir. Am nächsten Tag hatte ich
den Song "Sie ist die Frau die mich liebt" in meinem Maileingang. Beim ersten Reinhören fiel mir auf,
dass der Song relativ lange ging für einen Schlager, quasi Überlänge hatte.
Aber mir gefielen die Idee und der Text. Ich schrieb mir die Akkorde heraus und machte mir eine grobe
Übersicht über das Arrangement, denn ich wusste dass man den Titel auf jeden Fall neu strukturieren
müsse, um die Zeit ein wenig zu verkürzen. Das Demo welches ich von René erhalten hatte, war als
Ballade arrangiert worden, mit Saxofon-Fills gespickt und erinnerte stark an den Schlager der 80er Jahre.
Das alles galt es nun etwas zeitgemäßer umzugestalten.
Nachdem ich das Grundarrangement fertig gestellt hatte, ging es ans Einspielen der Gitarrenspuren.
Ich entschied mich für ein zweistimmiges Intro, welches bei einer Vielzahl von Schlagertiteln
Verwendung findet und stimmte es mit der herausgeschriebenen Akkordfolge ab.
In den Strophen entschied ich mich dann für eine abgewandelte Spielweise eines Riffs, das aus dem
The Police-Titel "Every Breath you take" stammte. Ich mischte den Song grob ab und schickte René den
Vorab-Mix zu. Nachdem er sich den Song angehört hatte, und ich ihm sämtliche Audiospuren in seine
Dropbox gelegt hatte, machten wir einen Termin zum Einsingen der Gesangsspuren aus. Für mich hieß
das zwar nach Fuchsstadt fahren zu müssen, aber die technische Ausstattung bei René war einfach um ein
vielfaches besser als in meinem kleinen Studio zuhause. Nachdem der Aufnahmetermin feststand, musste
ich erst einmal Dr. Google Maps beauftragen mir zu zeigen, wo denn überhaupt Fuchsstadt liegt. Und
siehe da: Die Ecke Deutschlands kam mir doch bekannt vor.
56
Zumindest der Name der Nachbarstadt Hammelburg weckte ein paar Erinnerungen an meine
Bundeswehrzeit in mir.
An dem Wochenende an dem wir die Aufnahmen machen wollten, setzte ich mich früh morgens ins Auto
und fuhr ganz entspannt nach Bayern. Es war ein schöner Tag und die Autobahn war relativ frei. Nach
knapp drei Stunden Fahrt kam ich in Fuchsstadt an. Ein sehr idyllisches kleines Städtchen und Renés
Haus lag direkt an der Dorfkirche. Kann sehr schön sein, ist es aber nicht. Zumindest, wenn man die
Gesangsaufnahmen zu jeder vollen und halben Stunde wegen dem Ertönen der Glocken unterbrechen
muss. Als ich die Einfahrt betrat, wurde ich freundlich von Emma, der Hausherrin begrüßt. Und bei der
Gelegenheit lernte ich dann auch direkt Harry kennen, einen großen Schäferhund der mich freudig und
neugierig beschnupperte. Emma führte mich in die Küche und dann haben René und ich uns das
erste Mal gegenüber gestanden. Ein großes, kräftiges Kerlchen dachte ich so bei mir.
Aber wie schon gesagt, sehr sympathisch. Wir sprachen über unseren bisherigen musikalischen
Lebensweg und über die Erfahrungen, die wir beide bereits sammeln durften. Schnell war klar, wir beide
waren gar nicht so unterschiedlich wie ich vielleicht anfangs gedacht hatte.
Er war Musiker wie ich, der neben der Studioarbeit auch noch regelmäßig auf der Bühne stand
(und das sehr erfolgreich), und wir beide haben auch gerne im Studio gearbeitet. Es ist immer ein
großer Vorteil, wenn der „Tonfuzzi“ im Studio auch noch gleichzeitig Musiker ist, dann kann man auch
sicher sein, dass musikalische Ideen auch relativ schnell verstanden und umgesetzt werden.
Nachdem René im Vorfeld schon mal alle Spuren des Titels vorgefertigt hatte, konnte es also mit dem
Aufnehmen losgehen. Doch zuvor stellte er mir diese eine Frage, die ich bereits vorher schon einmal an
anderer Stelle gestellt bekommen hatte: "Was bist´n du so für´n Typ im Studio?" fragte mich René. Ich
antwortete ihm: "Ist ganz einfach. Du sagst, ich mache. Ich setze mal voraus, dass du was
Schlagerproduktionen angeht, wesentlich mehr Erfahrung hast als ich. Also ist es für mich am
einfachsten, du sagst mir, wie ich die Passagen deiner Meinung nach singen soll."
René lächelte kurz auf und begleitete mich in den Aufnahmeraum, wo ein schönes Brauner-Mikrofon
stand.
Er richtete mir das Mikrofon auf meine Körpergröße ein und ich sang ein paar Test-Takes zum
Einpegeln. Und dann ging es los. Nach ca. zwei Stunden waren wir mit den Aufnahmen für die
Hauptstimme soweit durch, dass wir eine kleine Pause einlegten. Das war ja jetzt erst der einfache Teil,
das schwierige sollte ja erst noch kommen: Die Chorstimmen.
Es gibt nur ganz wenige Künstler, die ihre Chöre selber singen.
Der Hauptgrund warum sie es nicht machen, ist meiner Meinung nach, dass fremde Stimmen im
Background andere Klangfarben haben als die eigene. Das macht den Gesang im Ganzen etwas weicher.
Der andere Grund ist, dass die meisten Künstler technisch dazu einfach nicht in der Lage sind. Neben der
eigenen Stimme wird bei Chören oftmals eine oktavierte Stimme mit eingesungen, diese kann sich dann
schon mal, je nach Song, anhören wie eine Frauenstimme. Und genau da liegt das Problem. Mit der
Kopfstimme singen ist halt nicht jedermanns Sache.
Mal ganz abgesehen davon, im Refrain zusätzlich zwei unterschiedliche Melodiefolgen zu singen. Da
kann man als Sänger schon mal durcheinander kommen. Also lassen die meisten Künstler ihre Chöre von
anderen Leuten einsingen.
René bekam sehr schnell mit, dass das arbeiten mit mir völlig unkompliziert war. Wir kamen gut voran,
und das Einsingen der Chorstimmen ging verhältnismäßig flott über die Bühne. So konnten wir bereits in
den späten Abendstunden den Großteil der Chöre fertig stellen, die fehlenden Spuren wollten wir dann
am nächsten Tag machen. Für den Nachmittag des nächsten Tages stand ja auch noch die Videoaufnahme
zum Titel auf dem Plan.
Wir vereinbarten, dass wir morgens um zehn Uhr mit den fehlenden Aufnahmen weiter machen wollten.
So hätten wir dann nachmittags noch genügend Zeit für die Videoaufnahmen.
57
Am nächsten Morgen stand ich rechtzeitig auf und wurde von Emma in der Küche mit einem Kaffee
empfangen. Kurze Zeit später kam dann auch René dazu. Wir unterhielten uns noch ein bisschen, bevor
wir die fehlenden Chorspuren aufnehmen wollten.
Es war ein herrlicher Sommertag, aber es sollte nachmittags noch richtig heiß werden. Das würde die
Außenaufnahmen für das Video nicht unbedingt erleichtern, denn ein schwitzender Sänger wird natürlich
bei Videos nicht gerne gesehen.
Die fehlenden Aufnahmen für die Chorstimmen hatten wir zügig hinter uns gebracht, was unserem
Zeitplan für den Videodreh natürlich jetzt zugute kam. Nicht weit entfernt von René hatte er sich eine alte
Burg für die Außenaufnahmen als Location ausgesucht. Wunderbar romantisch gelegen und das Wetter
spielte an dem Tag auch mit. Er hatte vor den Dreharbeiten eine Bekannte gefragt, ob sie nicht meine
Drehpartnerin für den Tag sein wollte und sie hatte auch zugesagt.
Nachdem wir mit dem Auto den doch recht steilen Waldweg zur Burg hinaufgefahren waren, trafen wir
uns alle auf dem Parkplatz vor der Burg. Dort angekommen teilten uns die Betreiber der örtlichen
Gastronomie mit, dass unsere Drehzeit begrenzt sei, da die Burg zu einem späteren Zeitpunkt wieder
abgeschlossen werde. Wir versprachen uns zu beeilen und fingen auch unverzüglich nach der
Besichtigung der Burg mit den Aufnahmen an. Nachdem die meisten Szenen im Kasten waren, drehten
wir die noch fehlenden Teile in unmittelbarer Burgnähe. Die Zeit raste wahnsinnig schnell, zumindest
kam es mir so vor. Gegen späten Nachmittag waren wir aber mit allen Aufnahmen fertig und so konnten
wir später, als wir wieder zu Hause waren, mit dem Schnitt der Aufnahmen beginnen.
Wir saßen fast die ganze Nacht in Renés Büro und legten die einzelnen Szenen Stück für Stück
nebeneinander. Am nächsten Tag war das Video dann endlich fertig und wir waren mit dem
"Endprodukt" auch zufrieden. Jetzt brauchte es nur noch auf Renés Youtube-Kanal hochgeladen werden.
Wenig später ging der Song dann auch in die Bemusterung der Radiostationen.
Bei unserem ersten Treffen hatten wir uns auch alte Produktionen von mir angehört. Unter diesen befand
sich auch mein Titel "Irgendwann". Ich hatte den finalen Mix inklusive einer DJ-Fassung damals
zusammen mit dem Oberhausener Produzenten Jack Price fertig gestellt und René gefiel der Song, je
öfter er ihn hörte. Beim Anhören der Remix-Version sagte René auf einmal zu mir "Da kann man mehr
draus machen. Wenn die Gitarren anders gespielt sind, und im Refrain ein mehrstimmiger Chor die
Hauptstimme stützt, wäre das ein toller Radiotitel". Da die Rechte des Songs ja eh´ bei mir lagen, stand
einer Neuaufnahme des Titels als "Reloaded-Version" also auch nichts im Weg. Ich überlegte mir
zuhause, wie ich die Gitarre anders spielen würde und sprach die Vorarbeiten mit René telefonisch ab.
Und diesmal machte ich es ganz anders. René wollte, dass ich die Gitarrenspuren "trocken", also ohne
irgendwelche Effekte wie Hall oder ähnlichem einspiele.
Jetzt weiß jeder Gitarrist wie sich eine E-Gitarre ohne Verzerrung oder anderen Effekten anhört.
Nicht so, wie man sich eine E-Gitarre vorstellt. René wollte alle Effekte zu einem späteren Zeitpunkt im
Studio dazumischen, so konnte er sich in aller Ruhe einen eigenen Sound für die Gitarrenspuren basteln.
Und bei der Gelegenheit auch gleich Gedanken dazu machen, wie ich die Strophen und die Verse
attraktiver und gefühlvoller singen konnte. Alle Aufnahmen zu unserer "Reloaded-Version" waren im
September 2013 abgeschlossen und einen Monat später ging der Titel erneut auch als
"Irgendwann (Reloaded 2013)" in die offizielle Radiobemusterung.
Allerdings war das erst der Anfang.
René fand den Titel mittlerweile so stark, dass er sich vorstellen konnte ihn auch im Fernsehen mit einem
entsprechenden Video zu publizieren. Prädestiniert dafür war der TV-Sender "Gute Laune TV", der
bundesweit über Kabel und Satellit zu empfangen ist. Somit konnte der Song auch einer großen
Zuschauerdichte präsentiert werden.
Doch diesmal wollten wir das Video nicht selber machen sondern über Dritte produzieren lassen.
Angeboten hatte sich dazu der Dortmunder Fotograf und Video-Produzent Marc Caretta, den ich bereits
aus mehreren Foto-Shootings kannte und schätzen gelernt hatte. Auch er gehört zu meinem
Freundeskreis und ist immer offen für kreative Ideen.
58
René sprach also mit ihm und die beiden wurden sich schnell einig. Wir überließen Marc die gesamte Videoplanung und kurze Zeit später präsentierte er uns seine Ideen. Als Drehort wurde Volendam in
Holland ausgesucht, dort hatte Marc bereits schon öfters Urlaub gemacht und kannte die
Gegebenheiten vor Ort genauestens. Er hatte über eine Anzeige in einem Model-Portal die Stelle der
weiblichen Drehpartnerin ausgeschrieben und wurde auch relativ schnell fündig.
Mareike, so der Name meiner damaligen Drehpartnerin, hatte sich auf die Stelle gemeldet und wenig
später informierte mich Marc am Telefon über die aktuelle Sachlage. Dabei fragte er mich ob es ein
Problem wäre, Mareike morgens am Bahnhof abzuholen und dann mit ihr zusammen nach Volendam zu
kommen. "Nein, geht schon in Ordnung" sagte ich ihm. Ich holte sie also pünktlich vom Bahnhof
morgens ab und wir fuhren zusammen nach Holland. Gegen frühen Vormittag trafen wir uns mit Marc
und seinem Sohn, der ihm als Assistent zur Seite stand, am vereinbarten Treffpunkt.
Die Siedlung bestand aus mehreren Ferienwohnungen und war wohl für die Holländer ein begehrtes
Reiseziel, zumindest waren viele der Wohnungen zu diesem Zeitpunkt vermietet.
Nach einer kurzen Kaffeepause und einem ordentlichen Briefing konnte es dann losgehen. Marc hatte die
Szenen in eine Art Script aufgezeichnet, so dass wir diese Punkt für Punkt abdrehen konnten.
Angefangen hatten wir mit den Szenen in der Ferienwohnung, später sollte es dann noch zum Hafen und
den dazugehörigen Außenaufnahmen gehen.
Bei Videoaufnahmen in öffentlichen Bereichen muss man natürlich dann auch mit Publikumsverkehr
rechnen, und dass die Leute in den Genuss kommen, den aus dem Lautsprecher tönenden Klängen
lauschen zu dürfen. So war es auch in diesem Fall. Als wir mit den Außenaufnahmen begannen, trafen
wir auf eine kleine Gruppe holländischer Damen, die uns natürlich sofort fragten, was wir denn da
machen würden. Ich antwortete: "Wir drehen ein Musikvideo" und die Damen fragten ob sie den Song
denn einmal hören könnten. Ich schnappte mir also den MP3-Player und spielte den Damen den Titel vor.
"Klingt gut" meinten sie "kann man super nach tanzen."
Ich nutze die Chance um den Damen meine Webseite auf einen Zettel zu schreiben, da man sich noch
mehr Songs von mir anhören wollte. Danach gingen wir zum Hafen herunter. Eine kleine Bucht, in der
mehrere Boote lagen, sollte der nächste Schauplatz unseres Drehtages werden. Auch hier bot sich wieder
ein ähnliches Bild wie vorher.
Es kamen viele Schaulustige an den Platz an dem wir drehten und viele hörten sich den Song in aller
Ruhe an. Das überwiegend weibliche Publikum applaudierte sogar manchmal am Ende des Liedes.
Im Licht der untergehenden Herbstsonne drehten wir die letzten Szenen ab und gingen dann wieder
zurück zur Ferienwohnung um uns noch ein bisschen aufzuwärmen. Mittlerweile war es doch ganz schön
windig und kühl geworden. Ich bedankte mich bei Marc und seinem Sohn für ihre Arbeit und Mareike
und ich fuhren im Anschluss wieder nach Hause zurück, wo ich sie dann wieder am Bahnhof
absetzte.
Spät am Abend kam auch ich dann endlich zu Hause an und ging nach einem anstrengenden und langen
Tag geschafft ins Bett.
Wenige Tage nach der Aufzeichnung der Videoaufnahmen wurde das Video dann zur Ausstrahlung an
Gute-Laune-TV übermittelt und lief dort mehrmals täglich in der Rotation. Der Song schaffte es sogar in
die Zuschauer-Hitparade und konnte sich dort mehrere Wochen unter den Top 10 der Schlagervideos
halten. Für mich ein tolles Gefühl zusammen mit Helene Fischer, Howard Carpendale und Wolfgang
Petry in einer Hitparaden-Liste aufzutauchen. Dank meines Freundes René Bauer, der sich so für diesen
Titel eingesetzt und daran geglaubt hatte.
59
60
Kapitel 10 - Das verlorene Instrument
Kein anderes Instrument wurde meiner Meinung nach in der Zeit von 2007 bis 2013 im Pop-Schlager
so unterdrückt wie die Gitarre. Kannte man sie doch meist nur noch aus der aktiven Zeit von Wolfgang
Petry, so hatte sich dieses Instrument klammheimlich aus den meisten Produktionen verabschiedet.
Lediglich in großen Produktionen wie Andrea Berg, Helene Fischer oder Howard Carpendale z.B. fand
dieses Instrument seinen Einsatz, wenn auch sehr differenziert und kaum hörbar eingesetzt.
Mit dem deutschen Popschlager fanden dafür neue Instrumente ihren Weg. Größtenteils, oder auch fast
ausschließlich wurden diese Songs in Studios produziert, die ihre Aufnahmen auf Windows-basierten
Systemen oder Apple Mac-Maschinen produzierten.
Und mit dem Einzug der Harddisk-Recording-Systeme wurden letztendlich auch mehr und mehr virtuelle
Instrumente bei den Produktionen verwendet. Virtuelle Instrumente sind, im Vergleich zu ihren "echten"
Kollegen Instrumente, deren Klangerzeugung synthetisch erzeugt wird.
Sie werden mittels einer normalen Keyboardtastatur vom jeweiligen Komponisten / Tontechniker
eingespielt, und können dann nach Belieben verändert werden, sei es in der Tonhöhe oder auch Tonlänge.
Bei einem echten Instrument müsste man die ganze Aufnahmespur noch einmal neu spielen. So gesehen
ist der Zeitaufwand zum Komponieren eines ganzen Songs natürlich wesentlich geringer als bei
einer Aufnahme mit Naturinstrumenten.
Bei der Erstellung meiner frühen Demo-Aufnahmen habe ich auch zu diesem Mittel gegriffen, und habe
begleitende Rhythmus-Gitarrenspuren mit synthetischen Gitarren gespielt, anstatt mit einer echten.
Allerdings auch nur aus Zeitgründen. Das Einspielen geht natürlich etwas schneller voran, als wenn man
die einzelnen Spuren "live" einspielen muss. Heute allerdings sehe ich davon ab. Die Erfahrung hat ganz
einfach gezeigt, dass die heutigen Gitarrenprogramme zwar schon sehr weit fortgeschritten sind, auch
was den Sound angeht, letztlich ist es aber immer noch so, dass man als Musiker eigentlich immer den
Unterschied heraushört, ob in einem Song eine echte oder eine künstliche Gitarre spielt. Der Unterschied
liegt in einem nicht ganz unerheblichen Grund: Das spielerische Gefühl.
Das Gefühl für einen Song und die damit verbundene Stimmung, die ein Instrument erzeugen soll, ist von
keinem mir bis heute bekannten Gitarrenprogramm so möglich zu spielen, wie mit einem Gitarristen.
Und genau aus diesem Grunde spiele ich heute auch alle meine Gitarrenspuren wieder live ein. Bei der
Wahl des passenden Sounds kann man ruhig auf die software-basierten Hilfsmittel zurückgreifen, aber
was die Spielweise und die technischen Raffinessen angeht, kommt man an einer eingespielten Gitarre
meiner Meinung nach nicht vorbei. Und viele Produzenten bestätigen ja auch mittlerweile diesen Trend.
In immer mehr neuen Produktionen finden sich nun nach und nach wieder live eingespielte Gitarren
wieder. Warum? Weil die meisten Künstler sich heute auch mal wieder trauen, mit einer Band auf Tour
zu gehen. Und da findet man dann auch in den häufigsten Fällen einen oder mehrere Gitarristen wieder.
Ich persönlich habe seit 2013 immer wieder Songs im Programm, bei denen ich mich mit der Gitarre
selber begleite. Sei es bei Popschlager-Songs oder auch bei internationalen Cover-Titeln.
Und beim Publikum kommen Künstler mit einem Instrument auf der Bühne halt immer gut an.
Dabei ist es völlig unerheblich, ob ich selber auf einer Veranstaltung gebucht bin oder ich andere
Künstler bei ihren Auftritten als Gastmusiker unterstütze. Ich habe schon so einige Künstler bei ihren
Auftritten begleitet und jedes Mal war die Resonanz des Publikums die gleiche. Nämlich äußerst positiv.
Und bis jetzt hat es auch jedem Künstler immer Spaß gemacht.
Manchmal spiele ich mit Künstlern auch Songs von Ihnen in einer Unplugged-Version nach.
Das ist natürlich etwas anspruchsvoller, als den Künstler nur zum Playback zu hören, zumal man sich als
Gitarrist dann auch ein paar Sachen einfallen lassen muss, um den Song nicht zu eintönig herunter zu
spielen.
61
Eine Entwicklung im deutschen Schlager die ich nicht nur begrüße, sondern auch hoffe, dass man hier
langfristig gesehen wieder "Back to the Roots" geht, also zurück zu den Wurzeln.
Für den musikbegeisterten Zuhörer und Zuschauer wäre dies mit Sicherheit eine positive Entwicklung.
62
Kapitel 11 - Tipps & Tricks für Sänger / Sängerinnen und solche, die es mal werden wollen
Was ist eigentlich Erfolg und wie wird er im Allgemeinen definiert?
Wenn man den Worten von Wikipedia Glauben schenken darf, dann ist Erfolg nichts anderes als das
Erreichen selbst gesetzter Ziele. Und genau da liegt das Problem vieler heutiger Nachwuchskünstler.
Sie stecken ihre persönliche Ziele nicht selten viel zu hoch und sind dann enttäuscht, oder geben gar auf,
wenn sie diese nicht auf Anhieb erreichen.
In diesem Kapitel möchte ich aus meiner langjährigen Bühnenzeit als Musiker und auch als Sänger
jungen Talenten ein paar Tipps geben.
1) Deine Stimme
Sie ist ein Instrument wie jedes andere auch. Beanspruchst du es zu sehr, wird es dich irgendwann
verlassen. Durch ein paar simple Übungen kannst es aber so trainieren, dass es sich an die wachsende
Belastung gewöhnt und leistungsfähiger wird. Zu diesem Thema gibt es massenhaft gute Bücher, die
auch oftmals mit Übungs-CDs ausgestattet sind. Meine persönlichen Favoriten sind:
1) Für Frauen: Voicecoaching - Das Trainingskonzept für Gesangstechnik (Karin Ploog, 116 Seiten,
erschienen im Voggenreiter Verlag, ISBN-Nr: 3802403509, Preis: 24,95 € bei Amazon).
2) Für Männer: Powervoice - Die praxisorientierte Methode für den Rock-/ Pop-Gesang (Andrés
Balhorn, 128 Seiten, erschienen im Gerig Musikverlag, ISBN-Nr.: 3872522620, Preis: 19,90 € bei
Amazon).
Beide Bücher beschreiben leicht verständlich den Aufbau des Stimmapparates, sowie grundlegende
Atem-Techniken und Gesangsübungen. Wenn ihr diese Techniken beherrscht, sie täglich anwendet und
die Coaching-Tipps auch beherzigt, kann ich euch versprechen, wird es euch eure Stimme danken.
2) Vorbereitungen für deinen Auftritt
Es ist unnötig zu erwähnen, dass du zu einem Auftritt pünktlich am Veranstaltungsort zu sein hast.
Pünktlich heißt für mich: 1 Stunde vor der veranschlagten Auftrittszeit. So hast du noch genügend Zeit,
um dich auf deinen Auftritt vorzubereiten. Vorbereiten heißt:
1) Umziehen
2) Playbacks rechtzeitig beim Techniker abgeben
3) und …. warm singen
Nutze die Zeit vor deinem Auftritt sinnvoll, in dem du ein paar Lockerungsübungen für deine Stimme
und deinen Körper machst. Atemübungen werden dir helfen, deine Nervosität etwas herunter zu fahren,
leichtes Dehnen und Stretchen unterstützt dich vielleicht bei deiner Bühnenshow (je nachdem, was du auf
der Bühne so vor hast). Auf jeden Fall solltest du nicht mit kalter Stimme auf die Bühne gehen.
Je nach Schwierigkeitsgrad deiner Titel musst du in einem solchen Fall immer mit Leistungseinbußen
rechnen.
3) Das Spiel mit dem Publikum
Unterschätze nie dein Publikum. Gerade dann nicht, wenn dich die Leute vorher noch nie gesehen haben.
Mach dir bewusst, dass du als Künstler ein Dienstleister für den Veranstalter bist (auch wenn es sich
hierbei vielleicht "nur" um einen so genannten Promotion-Auftritt ohne Gage handelt).
63
Es ist deine Aufgabe den Leuten zu zeigen, dass du etwas kannst. Sieh in jedem Zuschauer einen
potentiellen neuen Fan, jemanden der eventuell nach deinem Auftritt deine Webseite besucht oder eine
CD von dir kaufen möchte.
Als Mann darfst du auch mal mit weiblichen Fans flirten. Das war es dann aber auch. Das gilt auch für
die weiblichen Künstlerinnen. Zeig, was dich von anderen unterscheidet. Und gib immer mehr als 100%
deiner eigentlichen Leistung. Du weißt nie, wer gerade im Publikum steht und dir zusieht bzw. zuhört.
Sei es ein neuer Veranstalter den du noch nicht kennst, oder vielleicht ein Mitarbeiter einer Plattenfirma
der auf der Suche nach neuen Talenten ist.
4) Dein Programm
Gerade als neuer Künstler ist es nicht ganz einfach, einen guten Auftritt zu absolvieren. Wenn du noch
nicht genügend eigene Songs hast, bediene dich bei deinen Kollegen. Sing deren Songs mit. Sie sind
meistens bekannt, laden zum Mitsingen ein und sind ein weit verbreitetes Mittel, um dein Programm
aufzustocken. Aber Vorsicht: Es gibt eine goldene Regel beim Präsentieren von Titeln, die eigentlich von
deinen Kollegen gesungen werden.
MAN SINGT AUF EINER VERANSTALTUNG KEINEN TITEL VON EINEM KÜNSTLER,
DER AUF DER GLEICHEN VERANSTALTUNG WIE MAN SELBST IST.
Das hat nicht nur etwas mit Höflichkeit und gegenseitigem Respekt zu tun, sondern zeigt auch deine
Wertschätzung gegenüber anderen Künstlern. Du möchtest ja schließlich auch nicht, dass deine Songs auf
der gleichen Veranstaltung von jemand anders gesungen werden, oder?
5) Nach dem Auftritt
Plane für deinen Auftritt genauso viel Nachbearbeitungszeit ein, wie vor deinem Auftritt.
Wenn du deine Sache vernünftig gemacht hast, wird es immer jemanden geben, der im Anschluss ein
gemeinsames Bild oder ein Autogramm von dir haben möchte. Nimm dir die Zeit. Plane diese Zeit mit
ein, auch wenn du an einem Abend mehrere Auftritte hast. Ein Künstler, der nach seinem Auftritt
unmittelbar danach die Veranstaltung verlässt, zeigt seinen Fans nicht nur ein gewisses Maß an
Respektlosigkeit sondern auch Gleichgültigkeit. Mit Fans ist es fast so wie mit Kunden im
Geschäftsleben: Einen neuen Kunden zu gewinnen dauert Monate, ihn zu verlieren nur Sekunden.
Sei dir dessen bewusst, und deine Fans werden es dir treu danken.
Niemand wird es dir krumm nehmen, wenn du direkt nach dem Auftritt deine Playback-CD wieder beim
DJ abholst, aber danach solltest du für die Leute greifbar sein.
6) Erkenne deinen Wert
Promotion ist wichtig. Gerade für neue Künstler. Das heißt aber nicht, dass du die ersten drei Jahre deiner
neuen Karriere nur umsonst auftreten sollst. Wenn du wirklich etwas kannst, und dich von der breiten
Masse deiner Kollegen und Kolleginnen abhebst, dann verlange für deine Dienstleistung auch eine
angemessene Entlohnung. Zum einen stärkst du damit den allgemeinen Markt (beim Bäcker bekommst
du deine Brötchen ja schließlich auch nicht umsonst), zum anderen etablierst du dich damit im Kreise der
Veranstalter als kompetenter Geschäftspartner.
Qualität kostet nun mal seinen Preis. Allerdings solltest du dich, was deine Gagenvorstellungen angeht,
an den üblichen Preisen orientieren und nicht allzu sehr übers Ziel hinausschießen.
64
Frage ruhig im Kreise deiner Kollegen herum, es werden dir zwar nicht alle verraten, was sie an Gage
bekommen, aber der ein oder andere wird sich bestimmt mit dir darüber unterhalten.
7) Werbung
Ohne Werbung geht es nicht. Dein Ziel ist es, dass in relativ kurzer Zeit möglichst viele Leute Notiz von
dir nehmen. Welche Möglichkeiten bieten sich da für dich?
Nutze das Internet. Eine eigene Webseite ist für jeden guten Künstler quasi Pflicht. Sicher, es gibt
Anbieter, die dir den dafür benötigten Webspace umsonst anbieten. Allerdings nicht, ohne dass die
Besucher deiner Webseite mit Werbung bombardiert werden. Werbungsfreier Webspace kostet nun mal
leider etwas Geld im Monat. Investiere dieses Geld.
Zumal du dann auch den nötigen Support erwarten kannst, wenn mit deiner Webseite mal irgendwann
etwas nicht stimmt. Und nur dann kannst du dir deine Webpräsenz auch so gestalten, wie DU es für
richtig hältst.
Nutze die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter. Allerdings solltest du auch hier etwas
aufpassen. Facebook bietet hier zwei Möglichkeiten an, ein eigenes Profil oder eine eigene Seite. Willst
du als Privatperson Informationen an andere weitergeben oder als Künstler? Sei dir bewusst, dass du auf
solche Portalen Werbung für dich als Künstler / Künstlerin machen willst.
Ich habe mich dazu entschlossen, mein privates Profil bei Facebook als Seite zu konvertieren. Das hat
den Vorteil, dass die Leute dich nicht mit irgendwelchen Spielanfragen nerven können, zum anderen
kannst du deine Seite als "Nebenstelle" deiner offiziellen Webseite betreiben.
Heißt: Es kommen nur die Daten auf deine Facebook-Seite, die dich auch als Künstler betreffen und nicht
als Privatperson.
Und du brauchst dir keine Gedanken darüber machen was mit deinem Profil passieren soll, wenn die
5000er-Grenze bei Facebook an virtuellen Freunden erreicht ist. Für Künstler-Seiten gibt es auf
Facebook meines Wissens nach kein Limit.
Erstelle dir einen Werbebanner, den du bei Auftritten auf oder vor die Bühne stellst.
Suche ein aussagekräftiges Foto von dir aus, dass du vorher bei einem Profi-Fotografen hast anfertigen
lassen und lass dir einen Stand-Werbebanner anfertigen. Plaziere auf diesem Banner nur die wichtigsten
Informationen wie offizielle Webseite und Kontaktdaten deines Managements (sofern vorhanden).
Wenn dein Bekanntheitsgrad allerdings schon soweit fortgeschritten ist, dass dich Leute ansprechen und
ihr Unternehmen auch auf diesem Banner als Werbeträger haben wollen, dann nimm gefälligst auch Geld
dafür. Vielleicht kannst du die Anfertigungskosten ja so einsparen.
Eine gut gemachte Autogrammkarte ist wie eine Visitenkarte. Doppelseitig bedruckt enthält sie alle
wichtigen Informationen über dich und deine Musik. Auf der Vorderseite solltest du ein gutes Foto
platzieren (dass du vorher von Freunden oder Bekannten hast auswählen lassen, nicht von dir selber).
Auf die Rückseite gehören: Kontaktdaten (entweder deine eigenen, allerdings ohne deine Handynummer
oder besser: Die Daten deines Managements).
Mit der Herausgabe deiner Handynummer wäre ich persönlich vorsichtig, ich zum Beispiel gebe die nur
an Veranstalter, befreundete Künstler und bevorzugte Kontakte heraus. Diese Daten gehören meiner
Meinung nach nicht auf eine Autogrammkarte.
Nicht, dass ich schon einmal das Opfer eines Stalkers geworden wäre, aber Vorsicht ist manchmal besser
als Nachsicht. In welchem Format du die Karten drucken lässt, ist dir selber überlassen. Das Hochformat
hat sich hierbei allerdings als etwas komfortabler zum Unterschreiben herausgestellt als das Querformat.
Wenn vorhanden, kannst du auch ruhig deine bisher erschienenen Songs mit deren Bezugsquelle mit
angeben. Und was auf jeden Fall auf die Rückseite deiner Autogrammkarte gehört:
Deine Internetadresse sowie die Mailadresse deines Kontaktes.
65
Kapitel 12 - Schlusswort
Ich bin während der Erstellung dieses Buches von einem befreundeten Produzenten gefragt worden, was
mich dazu bewogen hat es zu schreiben. Und ich brauchte nicht allzu lange darüber nachdenken.
Der Hauptgrund war, dass ich nun in einem Alter bin, in dem keine große deutsche Plattenfirma mehr
dazu bereit ist, sich mit mir und meiner Musik zu befassen. Für das Gestalten eines neuen Künstlers, mit
dem sich aus Sicht der Plattenfirmen dann anschließend genügend Kapital erwirtschaften lässt, rechnet
man im Schnitt ca. 5-10 Jahre. Wenn ich diese Zahl auf mein jetziges Alter drauflege, dann braucht man
darüber nicht allzu lange nachdenken um zu wissen, dass dieser Fall nicht mehr eintreten wird.
Zum anderen werde ich auch nicht ewig auf den Bühnen dieser Republik stehen, und möchte mit diesem
Buch natürlich auch jungen Talenten helfen, nicht die gleichen Fehler in ihrer Karriere zu machen, die
mir unterlaufen sind.
Es gibt in keinem musikalischen Bereich eine Garantie auf Erfolg, das muss sich jeder Künstler in der
heutigen Zeit vor Augen halten. So schnell wie der Erfolg kommt, kann er auch wieder vorbei sein.
Als Künstler kannst du es dir nicht leisten, dich auf Teilerfolgen auszuruhen, du musst ständig neue, gute
Ideen haben und konstante Leistungen bringen. Das ist halt die Schattenseite des Musik-Business.
Ich kann aber heute mit ruhigem Gewissen in den Spiegel schauen und sagen, dass ich mich für
niemanden verbogen habe (und auch nicht verbiegen lassen werde). Ich bin immer ich selbst geblieben,
und keine von anderer Hand geschaffene Kunstfigur. Und das will ich den Nachwuchskünstlern, die
dieses Buch lesen, mit auf den Weg geben:
Bleibt ihr selbst. Geht euren eigenen Weg und glaubt an eure Musik. Denn nur dann bleibt ihr auch
authentisch. Man kann nicht immer nur gute Songs machen, ab und zu ist auch mal ein „B-Titel“ dabei.
Arbeitet ständig an euch selbst und behandelt eure Fans mit Respekt und dem notwendigen Abstand.
Und dann könnt ihr vielleicht auch eines Tages sagen:
"..... I did it my Way." *
* (Zitat aus dem Song “My Way” / Original-Titel: Comme d'habitude
Original-Komposition und Text: Claude François, Jacques Revaux, Gilles Thibault, 1967
Englischer Text : Paul Anka, 1968
Englischer Original-Interpret : Frank Sinatra)
Quelle: Wikipedia
66
67