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Kino NUMMER 221 DONNERSTAG, 25. SEPTEMBER 2014 Kino kompakt Nachgefragt » ZUM TRICKFILM „DER 7BTE ZWERG“ SIEBEN VERDAMMT LANGE TAGE Fasziniert von Bubi in 3-D Familien-Turbulenzen in der Trauer-Auszeit Der plötzliche Tod ihres Vaters vereinigt Judd (Jason Bateman), Wendy (Tina Fey), Paul (Corey Stoll) und Phillip (Adam Driver) samt ihrem Anhang im ehemaligen Elternhaus. Ihre resolute Mutter Hillary (Jane Fonda), eine erfolgreiche Autorin, führt die Oberaufsicht über eine einwöchige TrauerAuszeit, die einer turbulenten Gruppentherapie gleicht. Regisseur Shawn Levy („Nachts im Museum“) hat nach dem Bestseller von Jonathan Tropper einen amüsanten Ensemblefilm inszeniert, der mit profilierten Darstellern punktet. Dazu kommen geschliffene Wortgefechte voller Ironie. (dpa) *** Filmstart in vielen Kinos der Region Otto Waalkes ist seit den 1970er Jahren als Komiker ein Publikumsliebling in Deutschland. Inzwischen ist er 66 und steht noch immer unter Strom. Zehn Millionen Zuschauer hatten die sieben Zwerge um Otto Waalkes bisher. Jetzt läuft „Der 7bte Zwerg“ als computeranimiertes Abenteuer in den Kinos an. Der Film soll auch den internationalen Markt erobern. O WALKING ON SUNSHINE Die Schwester und der schöne Italiener Kein Kino-Jahr ohne Musical: „Walking On Sunshine“ bietet viel Musik der 80er Jahre und noch mehr Kitsch. Untermalt von Klassikern wie „Girls Just Wanna Have Fun“ reist die Britin Taylor (Hannah Arterton) in den italienischen Badeort, in dem sie einst ihre große Urlaubsliebe Raf (Giulio Berruti) kennenlernte. Sie trifft dort ihre Schwester Maddie (Annabel Scholey), die sich mal wieder von einer Trennung erholt. Doch Überraschung: Maddie plant die Hochzeit mit einem schönen Italiener. Geschockt stellt Hannah fest, dass es sich um ihren Raf handelt. (dpa) ** Filmstart in Augsburg, Ingolstadt, Neu-Ulm O IM KRIEG – DER 1. WELTKRIEG IN 3-D Der Schrecken der Front zum Greifen nahe Mit idyllischen Aufnahmen der Urlauber im belgischen Seebad Ostende beginnt die Dokumentation „Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3-D“. Bald schon wird es ernst: Die Zeitreise ins Jahr 1914, auf die man von Regisseur Nikolai Vialkowitsch mitgenommen wird, führt weg von den Metropolen Berlin und Paris mit ihrer aufgesetzten Kriegsbegeisterung mitten hinein ins Elend der Schützengräben und Lazarette. Grundlage für die dramaturgisch wirkungsvolle Darstellung der sich mit Brachialgewalt entfesselnden Schrecken des Kriegs war ein Fundus mit über 20 000 alten Stereofotografien, damals beliebt als Guckkasten-Bilder. Diese teils kolorierten, plastischen Zeitdokumente machen den Hauptanteil des im Film verwendeten Bildmaterials aus, ergänzt um Feldpostbriefe und Tagebücher, die Miroslav Nemec und Peter Matic einsprechen. (ton) **** Filmstart in Augsburg O Weiter sehenswert ● A Most Wanted Man **** Philip Seymour Hoffmann glänzt in John LeCarrès Agententhriller ● Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit **** Ein gewisserhafter Bestattungsbeamter aus London Unsere Wertungen * sehr schwach ** mäßig *** ordentlich **** sehenswert ***** ausgezeichnet I Bei uns im Internet ● Alle Programme Was läuft in den Kinos Ihrer Stadt? In unserer Datenbank finden Sie das Programm aller Kinos der Region. ● Trailer Eindrücke der aktuellen Filme vermitteln unsere Trailer. ● Tickets gewinnen Wir verlosen täglich Eintrittskarten fürs Kino. ● Forum Was ist Ihr Lieblingsfilm? I Direkt ins Kino-Special unter augsburger-allgemeine.de/kino Schlafwandlerisch steigt die KZ-Überlebende Nelly (Nina Hoss) durchs zerbombte Berlin, ihre Freundin Lene (Nina Kunzendorf) steht ihr bei. Foto: Christian Schulz/Pfiffl Medien Zurück in ein falsches Leben Phoenix Eine Jüdin hat das Konzentrationslager überlebt, aber ihr Gesicht verloren. Nach einer Operation erkennt sie sich nicht wieder. Und als sie ihren Mann trifft, geht es ihm genauso VON RICHARD MAYR In seinem neuesten Film „Phoenix“ führt Christian Petzold einmal mehr vor Augen, dass er langsam, aber sicher zu den großen Regisseuren gezählt werden muss. Wie es ihm gelingt, eine völlig unglaubliche Liebesgeschichte glaubwürdig zu erzählen und das Ringen zwischen Nelly und Johnny bis zur Unerträglichkeit zu verdichten – zu Momenten, in denen alles möglich scheint – Mord, Selbstmord, vielleicht auch ein Happy End –, zeugt von großer Meisterschaft. Auf den Stoff für den Film ist Petzold bereits in den 1980er Jahren gestoßen – Hubert Monteilhets Krimi „Der Asche entstiegen“. Erst als er seinen letzten Film „Barbara“ mit Nina Hoss und Ronald Zehrfeld in den Hauptrollen drehte, dachte er sich, dass er das Projekt angehen könne, wie er im Gespräch erzählt. Das Thema verlangt nämlich höchste Sensibilität. Die Geschichte von „Phoenix“ spielt nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Sängerin und Jüdin Nelly hat Auschwitz überlebt, aber ihr Gesicht wurde verstümmelt. Ein Arzt rekonstruiert es. Nina Hoss spielt diese Nelly, die sich selbst, wenn sie die Verbände abnimmt, nicht wiedererkennt. Wie eine Schlafwandlerin lässt Hoss diese Nelly durch das zerbombte Berlin wanken; eine Frau, deren Familie komplett vernichtet wurde, der von den Nazis das eigene Leben geraubt wurde, die an nichts mehr im Leben glaubt, die zerstört ist. Ihre Freundin Lene (Nina Kunzendorf) versucht sie zu überreden, mit ihr nach Israel auszuwandern. Kunzendorf spielt die andere Jüdin dieses Filmes als eine politisch überzeugte Aktivistin. Hinter deren harter Schale verbirgt sich aber auch eine versehrte Seele. Nelly will vom Plan des Auswanderns aber nichts wissen. Stattdessen sucht sie im Trümmer-Berlin ihren Mann Johnny (Ronald Zehrfeld). Laut Lene hat er sie im Oktober 1944 verraten. Für Nelly zählt nur, dass sie wegen Johnny das Konzentrationslager überlebt hat. An ihm habe sie in den schlimmsten Augenblicken gedacht. Dann findet sie ihn. Allerdings erkennt Johnny „seine“ Nelly nicht wieder. Nelly sei tot, sagt er, während er sie, die Fremde, dazu überreden will, sich als Nelly auszugeben, um an ihr Erbe zu kommen. Nun verdichten sich alle Motive des Films auf ungeheure Weise. Johnny hilft Nelly wieder zurück ins Leben, indem er sie zwingt, die alte Nelly für ihn zu spielen. Gleichzeitig verliert er dabei Nelly, weil sie erkennt, dass Johnny an ihrem Schicksal keinen Anteil nimmt. In dem Maß, in dem sie sich auf diese Rettung, diese Lichtblicke, dieses zaghafte erste Lachen einlässt, entfernt sie sich von ihm. Es wäre so einfach, es ist so unglaublich schwer. Hintergründig erzählt Petzold Der Autor ● Hubert Monteilhet (* 10. Juli 1928 in Paris) ist ein ausgesprochen produktiver französischer Schriftsteller. Nur die wenigsten seiner Werke erschienen in deutscher Übersetzung, so der Kriminalroman „Der Asche entstiegen“ (Le Retour des cendres, 1961) – die literarische Vorlage für Christian Petzolds Film „Phoenix“. ● Der Jesuitenzögling und Absolvent der Pariser Elite-Uni Sorbonne, war zunächst Geschichtslehrer am Lyceè Carnot in Tunis. Zwischen 1960 und 1970 veröffentlichte er jährlich einen neuen Kriminalroman, danach im- mer noch in dichter Folge bis zu seinem 30. Krimi im Jahr 2012. Als Autor wurde er Spezialist für Spannung. ● Nach einem bemerkenswerten Ausflug ins Science-Fiction-Genre (Les Queues de Kallinaos, 1981) verlegte er sich seit den 80er Jahren auf historische Romane. Unter anderen schrieb er über das Rom von Nero, Jeanne d’Arc und die Zeit der Musketiere. ● In polemischen Schriften („Rom ist mehr als Rom“, 1977) tat er sich als traditionalistischer Katholik und Reformgegner in den Fußstapfen von Erzbischof Lefebvre hervor. (loi) mit seinen wunderbaren Schauspielern auch noch, wie das Nachkriegsdeutschland mit seinen Verbrechen umgegangen ist. An einer Stelle des Films sagt Johnny, dass Nelly für ihre nachgestellte Rückkehr aus dem Lager hübsche Schuhe aus Paris anziehen soll. Nelly sagt, mit solchen Schuhen komme niemand aus dem Lager zurück. Und Johnny entgegnet ihr: So wollen die Leute sie aber sehen. Gesund, intakt, mit Schuhen aus Paris, als ob der Schrecken des Lagers sich in Luft aufgelöst habe. Als Nelly sagt, sie müsse den Leuten doch erzählen, wie es im Lager gewesen sei, entgegnet Johnny: Das werde sie niemand fragen, das wolle niemand wissen. Zu dieser zweiten Ebene über den Umgang mit den Opfern im Nachkriegsdeutschland kommt eine großartige Weise des Erzählens. Über der glücklichen Vergangenheit von Nelly und Johnny liegen die Schuttberge des Kriegs. Nur Fragmente tauchen auf, etwa wenn Johnny der Frau, die Nelly spielen soll, beibringen will, wie Nelly geschrieben hat. Dann liest er ihr alte NellyPostkarten vor. Für Sekunden flackert das andere Leben der beiden auf – ohne Rückblenden und den üblichen Patina-Kitsch. Ein Meisterwerk eines Filmemachers, der das deutsche Autorenkino zu neuen Höhen führt und bald zu den Großen gezählt werden wird. ***** O Filmstart in Augsburg Herr Waalkes, war das dritte Kinoabenteuer der Zwerge von Anfang an als Trickfilm geplant? Otto: Ursprünglich war eine Fernsehserie vorgesehen. Das Interesse daran war sehr groß, auch im Ausland. Also dachten wir, wir machen einen Kinofilm daraus. Er wird in über 80 Ländern zu sehen sein, sogar in Russland und der Ukraine. Ist es Ihnen schwergefallen, Ihr Baby, den Bubi, in andere Hände zu legen? Otto: Das sind ja trotzdem meine Hände. Der Bubi ist nach meiner Vorlage gezeichnet worden. Nun ist er eine Trickfilmfigur. Ich habe ja schon viele Zeichentrick-Charaktere gesprochen, zum Beispiel den Sid in „Ice Age“. Und jetzt spreche ich mich selbst, das ist ja mein Charakter. Das fällt einem nicht so schwer. Wie groß war Ihr kreativer Einfluss auf den Film? Otto: Ich habe am gesamten Drehbuch mitgearbeitet. So was geht über Jahre und wird immer wieder verändert und aktualisiert. Dann wollen die Zeichner wieder etwas verändern und entwickeln neue Ideen. Es ist eine Gemeinschaftsarbeit. Man hat eine Idee und die wird dann von vielen, vielen Leuten realisiert. Auch in der englischen Version ist Bubi typisch Otto. Sind Sie neugierig, wie der Film woanders funktionieren wird? Otto: Ja, es macht mich ganz besonders neugierig, wie der Film im Ausland aufgenommen wird. Ich war schon in St. Petersburg und werde mir den Film auch in England und den USA anschauen. „Der 7bte Zwerg“ ist computeranimiert und dreidimensional. Sind Sie dem technischen Fortschritt gegenüber immer aufgeschlossen oder sehen Sie ihn durchaus auch skeptisch? Otto: Ich bin da schon recht skeptisch und sehr kritisch eingestellt. Aber wenn es der Komik und dem Erfolg dient, dann finde ich es ganz gut. Wenn Technik hilfreich ist, bin ich grundsätzlich positiv eingestellt. Da stehe ich drauf und habe überhaupt keine Probleme. Otto in 3-D habe ich mir immer gewünscht. Interview: André Wesche Gewitzte Computerangriffe Großvater taut auf Who Am I Hochspannender Hacker-Thriller mit toller Besetzung Ein Sommer in der Provence Lustig mit Tiefgang VON GÜNTER H. JEKUBZIK Benjamin (Tom Schilling) ist Hacker. Kein Nerd mit Ego-ShooterManie, sondern ein schüchternes, braves Jüngelchen. Er pflegt seine Oma, die ihn nach dem Verschwinden des Vaters und dem Suizid der Mutter aufzog. Der Versuch, der heimlich angehimmelten Marie (Hannah Herzsprung) eine JuraKlausur vom Uni-Server zu klauen, scheitert. Die Sozialstrafe dann bringt Benjamin mit dem anders strukturierten Max (Elyas M’Barek) zusammen: Auch Hacker, aber Meister des „social engineering“, des Hackens von Menschen. Mit dem wahnsinnigen Stephan (Wotan Wilke Möhring) und dem neurotischen Techniker Paul (Antoine Monot, Jr.) brechen sie bei Banken, Pharmakonzernen und Neonazis ein, um einfallsreich und witzig politische Statements abzulegen. Doch die Konkurrenz um Marie führt zum Mord an einem Undercover-Agenten. Wenn das charakterstarke Quartett mit Masken wie aus „Anonymus“ über die Dächer Frankfurts zieht, sieht das aus wie im großen US-Krimi. Schon in „Das letzte Schweigen“ (2010) hat Regisseur Baran bo Odar einen optisch sensationellen Psycho-Thriller gedreht. Nun realisierte er Hochspannung mit einer tollen Besetzung. **** O Filmstart in vielen Kinos der Region Von links: Antoine Monot, Jr. („Paul“), Elyas M’Barek („Max“), Tom Schilling („Benjamin“) und Wotan Wilke Möhring („Stephan“) Foto: Sony Pictures VON MARTIN SCHWICKERT Dem Großvater frieren die Gesichtszüge ein, als er seine Frau am Bahnhof abholt und sie die drei Enkelkinder im Schlepptau hat. Seit über 17 Jahren hat Paul (Jean Reno) mit seiner Tochter kein Wort mehr gesprochen und nun soll er deren Kinder über die Sommerferien beherbergen. Auch die Jugendlichen Léa (Chloé Jouannet) und Adrien (Hugo Dessioux) sind gar nicht davon begeistert, zwei Monate auf dem abgelegenen Hof in der Provence bei dem Griesgram zu verbringen. Aber ihr Vater hat die Familie gerade verlassen, die Mutter macht ein Praktikum in Kanada und so fügen sich die Großstadtkinder trotz Funkloch und nicht-veganer Essenskultur in ihr Schicksal. Während die Teenager regelmäßig mit dem Alten aneinandergeraten, findet der kleine, taubstumme Bruder Théo (Lukas Pélissier) allmählich beim Gärtnern einen unvoreingenommenen Zugang zum grantigen Großvater. Vor der sonnendurchfluten Kulisse ihrer südfranzösischen Heimat erzählt Rose Bosch („Die Kinder von Paris“) in „Ein Sommer in der Provence“ von einer zerbrochenen Familie, die langsam wieder zueinander findet. Dabei gerät die Generation Facebook kräftig mit den Alt-Hippies aneinander. Jean Reno versteht es, den alkoholsüchtigen Großvater ohne Larmoyanz zur tragischen Figur auszubauen. Er ist ein Schauspieler, der mit einem Blick in die Kamera ganze Seelenschluchten vermessen kann. In der eher leichten Sommerkomödie lotet Reno das Potenzial seiner Figur gründlich aus und zeigt, dass er noch sehr viel mehr drauf hat als das Klischee des ewig verlebten Cops oder Ganoven, in dem er sich viel zu lange eingerichtet hat. **** O Filmstart in Augsburg