Kurzbeiträge zum Ort der Geschäftsleitung
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Kurzbeiträge zum Ort der Geschäftsleitung
Kurzbeiträge zum Ort der Geschäftsleitung / Geschäftsleitungsbetriebstätte 1. Töben, Thomas: Mehrere Orte der Geschäftsleitung - Klare Sicht oder neuer Nebel aus Norderfriedrichskoog? 1. Töben, Thomas: Mehrere Orte der Geschäftsleitung - Klare Sicht oder neuer Nebel aus Norderfriedrichskoog? ............................................................. 2 2. Töben, Thomas: Inländische Auftragnehmer als Betriebstätte eines ausländischen Auftraggebers? HB-.Steuerblog - 1.12.2011 - ............................ 5 3. Töben, Thomas: Unbeschränkte Steuerpflicht einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland setzt (allein-)vertretungsberechtigte Geschäftsführer oder beherrschende Gesellschafter im Inland voraus, HB-Steuerblog - 5.9.2012 ...... 7 4. Töben, Thomas: Geschäftsleitung als „Mittelpunkt“ im Zentrum der Peripherie, HB-Steuerblog – 26.4.2012 ........................................................... 10 5. Wassermeyer, Franz: Anmerkung: zum sog Private Equity-Urteil vom 24.8.2011, I R 46/10 (FG Baden-Württemberg 11. 5. 2010 6 K 285/06); IStR 2011, S. 925 ............................................................................................. 13 Nur rund 50 Einwohner zählte Norderfriedrichskoog („N“) in einer Zeit, als dort ein Gewerbesteuerhebesatz von 0% mehr als 500 Unternehmen anlockte, die dort eine steuergünstige Heimat suchten. Der IV. BFH-Senat hatte sich jüngst mit einem dieser Unternehmen, einer GmbH & Co. KG, zu befassen (Urt. v. 5.11.2014, IV R 30/11). Diese wurde im November Ende 1991 noch in „F“ (wahrscheinlich Frankfurt) gegründet. Die KG und ihre am Vermögen nicht beteiligte Komplementär-GmbH verlegten (erst) Ende Februar 1992 ihren Sitz von „F“ nach „N“. Dort mietete die KG ab dem 1. März 1992 einen vermutlich kleinen Büroraum, in dem sie ab dem 1 Mai 1992 eine Sachbearbeiterin mit einem monatlichen Bruttogehalt von DM 500 beschäftigte. Zu Geschäftsführern der Komplementär-GmbH waren ab November 1991 die Herren K, R und T bestellt. Sie alle waren in leitender Stellung auch bei anderen Unternehmen außerhalb von N, u.a. in F, tätig und auch an anderen Orten als N geschäftsansässig und wohnhaft. Gestritten wurde über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages der KG für den das gesamte Kalenderjahr 1992 umfassenden Erhebungszeitraum; im Ergebnis also darüber, ob der Gewerbesteuermessbetrag 1992 nur auf die Gemeinde N (dann keinerlei Gewerbesteuer) oder teilweise (oder gar ganz) auch auf Betriebstätten in anderen Gemeinden entfällt. Als andere Gemeinden kamen F sowie jene Gemeinden in Betracht, in denen die Geschäftsführer geschäftsansässig und wohnhaft waren. Nach Auffassung des Finanzamts (FA) bestand im Januar und Februar 1992 die alleinige Geschäftsleitungs-Betriebsstätte in F. Ab März 1992 ging das FA vom Bestehen nur einer Betriebstätte in N aus. Das Finanzamt bejahte deshalb eine Zerlegung auf die Gemeinden F und N, wobei ein Zerlegungsanteil von rd. 15% auf die „Hochsteuergemeinde F“ und von rd. 85% auf die „Null-Steuergemeinde N“ entfiel. Nicht schlecht. Doch die KG wandte sich gegen diese Zerlegung. In F habe zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsstätte bestanden. An der Zerlegung könne deshalb F nicht partizipieren. Das Finanzgericht (FG) folgte dem FA. Die KG hielt mit der Revision an ihrem Begehren fest, hatte damit aber auch beim BFH keinen Erfolg. Das Urteil verdient Beachtung, weil es (i) Anlass gibt für einen Rückblick auf die wenigen Urteile, in denen „mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung“ zumindest für möglich gehalten werden („mit einigem Zündstoff“-Potential; Gosch in StBp 1998, 106), und (ii) am Ende für eine Überraschung sorgt. Zunächst hebt der BFH hervor, dass eine Gewichtung von Geschäftsleitungstätigkeiten vorzunehmen und danach der einzige Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung zu bestimmen ist, wenn für eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte mehrere Orte als Ort der Geschäftsleitung in Betracht kommen. Unternehmen haben danach stets einen, aber grundsätzlich auch nur einen Ort der Geschäftsleitung. Erstmals vertritt nun aber auch der IV. BFH-Senat die Auffassung, dass zwar nur „in seltenen Fällen,“ aber „insbesondere“ dann, wenn mehrere Personen mit „gleichwertigen“ Geschäftsführungsaufgaben betraut sind und diese nicht von einem Ort, sondern von unterschiedlichen Orten aus wahrnehmen und deshalb eine Gewichtung nicht möglich ist, mehrere Orte der Geschäftsleitung in Betracht kommen. Im Urteilsachverhalt waren die drei Geschäftsführer nur in sehr begrenztem Umfang für die Gesellschaft tätig. Zudem trafen diese 1 2 sich im streitigen Zeitraum nur selten und das auch nur außerhalb von N, u.a. an einer Autobahnraststätte und nur „in der Gegend um N“. Relevante und unterscheidbare Geschäftsleitungstätigkeiten der im Übrigen untereinander völlig gleichberechtigten Geschäftsführer waren nicht feststellbar. Die Bedeutung der jeweiligen „Leitungstätigkeiten“ bewegte sich auf niedrigem, kaum messbarem Niveau, sie mögen auch deshalb „gleichwertig“ gewesen sein, jedenfalls waren sie einer Gewichtung nicht zugänglich. triebstätte hatte. Insoweit geht es um die tätigkeits- und ortsbezogenen sowie sonstige qualitativen Anforderungen, die an das Vorhandensein einer Betriebstätte zu stellen sind, auch um die Anforderungen an die Dauer, die Intensität und örtliche Verfestigung von Geschäftsleitungsmaßnahmen. Ob sich das FG mit diesen Fragen ausführlicher befassen wird, erscheint nicht nur wegen des Verböserungsverbotes zweifelhaft, sondern auch deshalb, weil zu vermuten ist, dass die Klage nunmehr zurückgenommen wird. Welche Fälle es sonst – neben den mit „insbesondere“ Gekennzeichneten – für die Annahme mehrerer Orte der Geschäftsleitung noch geben könnte, lässt der BFH offen. Auch die ebenfalls recht exotischen Fälle, über die zuvor der I. BFH-Senat zu entscheiden hatte, geben insoweit keine Hilfe. Erstmals findet sich im Urteil vom 15.10.1997 (I R 76/95) die Aussage, es sei nicht auszuschließen, dass „einzelne Geschäftsleitungstätigkeiten verschiedenen Mittelpunkten (Betriebsstätten) zuzuordnen sind“. Konkretisiert wird das nicht. Das Urteil erging zum BerlinFG. Zu klären war, ob sich die „ausschließliche“ Geschäftsleitungsbetriebstätte in Berlin (West) befand. Der Sachverhalt gab Anlass, daran zu zweifeln. Die Sache wurde zur weiteren Aufklärung an das FG zurückverwiesen. Das FG sollte feststellen, ob den Geschäftsführern Räume in Westdeutschland zur Verfügung standen, die die Eignung hatten, eine feste Einrichtung zu sein. Jedenfalls dann könne, wenn die geschäftliche Oberleitung die Geschäftsführer regelmäßig ganztägig in Anspruch nehme, aus deren überwiegendem Aufenthalt in Westdeutschland auf eine auch dort gelegene Geschäftsleitungsbetriebsstätte rückgeschlossen werden. Diese dürfte dann aber auch der einzige Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung sein. Im Urteil vom 16.12.1998 (I R 138/97) verweist der BFH nur am Rande auf die im zuvor genannten Urteil getroffene Aussage der Möglichkeit „mehrerer Orte der Geschäftsleitung“. Ein wenig zielorientiert suchte und fand der BFH jedoch den einzigen Ort der Leitung einer rumänischen, im Bauleistungsgewerbe tätigen Kapitalgesellschaft, deren Sitz sich in den privaten Wohnräumen ihres alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers befand, nur in Deutschland. Ohne die Annahme eines inländischen Ortes der Leitung und damit einer unbeschränkten Steuerpflicht wäre der deutsche Fiskus leer ausgegangen, obwohl die wirtschaftliche Aktivität der Gesellschaft sich ausschließlich in Deutschland abspielte. Im Urteil vom 30.1.2002 (I R 12/01), wiederum zum BerlinFG, wiederholte der BFH zwar seine frühere Aussage, dass nicht ausgeschlossen sei, einzelne Geschäftsleitungstätigkeiten verschiedenen Mittelpunkten (Betriebsstätten) zuzuordnen. Der BFH entschied jedoch, entgegen der Vorinstanz, dass sich der ausschließliche Ort der Geschäftsleitung in Berlin West befand. Allein die Tatsache, dass Geschäftsführer in West-Deutschland wohnhaft waren, dort Dienstreisen antraten, Verhandlungen mit Geschäftspartnern führten und Verträge abschlossen, führe jedenfalls dann nicht zur Annahme einer (weiteren) Geschäftsleitungsbetriebstätte, wenn den Geschäftsführern dort keine Wohn- oder Geschäftsräume zur Verfügung stehen, die sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit nutzen und denen dort ausgeübte Geschäftsleitungstätigkeiten zuzuordnen sind. Denn das Innehaben einer Geschäftsleitung sei nicht nur tätigkeits-, sondern auch ortsbezogen zu verstehen. Der bloße Umstand einer Wohnung reiche aber nicht aus. Zwar sei vorstellbar, dass sich in der Wohnung des Geschäftsführers einer GmbH eine Betriebsstätte der GmbH selbst befindet (im Arbeitszimmer, ggf. auch in sonstigen Wohnräumen). Das aber setze voraus, dass die Gesellschaft, nicht der Wohnungsbesitzer, darüber eine gewisse Verfügungsmacht habe. Eine entscheidende und sicher überraschende Aussage des IV. BFH-Senats, der sich auch mit anderen Fragen der Zerlegung zu befassen hatte, geht in dem ausführlich begründeten Urteil ein wenig unter. So äußert der BFH zwar leise, aber doch unmissverständlich Zweifel daran, ob die Gesellschaft in N überhaupt eine Geschäftsleitungs- und/oder sonstige Be- 3 4 2. Töben, Thomas: Inländische Auftragnehmer als Betriebstätte eines ausländischen Auftraggebers? HB-.Steuerblog - 1.12.2011 - 1.12.2011, Autor: Gastautor StB Dr Thomas Töben Das sog. Private Equity Urteil vom 24. 8. 2011 (I R 46/10, DB0461157) macht weiter Furore. Nicht nur, dass es die Abgrenzungskriterien im sog. Private Equity Erlass in Zweifel zieht (vgl. Töben, Steuerboard DB0462785), es rührt auch an der Frage, ob und wann ein (inländischer) ständiger Vertreter zur Vertreter-Betriebstätte oder gar zu einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte mutiert bzw. unter welchen Voraussetzungen die Räumlichkeiten des inländischen Vertreters einem ausländischen Auftraggeber als feste Einrichtungen zuzurechnen sind und damit für diesen eine Betriebsstätte im Inland begründen. Im Urteil vom 24. 8. 2011 wurden die Räume einer (englischen) Managementgesellschaft, die von einer (ebenfalls englischen) Fondsgesellschaft (Auftraggeberin) als Subunternehmer beauftragt wurde, der Auftraggeberin als Betriebstätten zugerechnet (mit im Urteil positiven Folgen für die inländischen Gesellschafter der Fondsgesellschaft). Befürchtet werden indes negative Folgen in Fällen, in denen ein ausländisches Unternehmen einen inländischen Auftragnehmer / Subunternehmer beauftragt. Die Annahme einer inländischen Betriebstätte in diesen Fällen kann eine beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Auftraggebers zur Folge haben, auch eine Gewerbesteuerpflicht anteiliger, eine solchen Betriebstätte eventuell zurechenbarer Einkünfte, für die allein ein ständiger Vertreter nicht ausreicht. dung I R 52/10 war für die Annahme, die Räume des Auftragnehmers seien eine Betriebsstätte des Auftraggebers, ausdrücklich diese Personalunion bei Auftraggeber und Auftragnehmer maßgebend. Übertragen auf oben genannte Sachverhalte führte der BFH in diesem Zusammenhang aus: Dass der Auftraggeber über die Räume des Subunternehmers kein vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht zugestanden haben mag, sei unbeachtlich. Denn diese Einrichtungen wurden von den Geschäftsführern der Auftraggeberin, die zugleich Geschäftsführer der Subunternehmer waren, u. a. für Zwecke der Auftraggeberin genutzt. Das führt dazu, dass sie (auch) als Betriebsstätten der Auftraggeberin anzusehen sind. Diese Handhabung werde nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass sich nichts anderes ergäbe, wenn die Auftraggeberin Entscheidungen der Auftragnehmerin übertragen hätte und diese insoweit als Subunternehmer der Auftraggeberin tätig geworden wäre. Die Betriebsstätte eines Subunternehmers ist zwar nicht stets zugleich als Betriebsstätte des Hauptunternehmers anzusehen; anders ist es aber, wenn dieser die Tätigkeit des Subunternehmers im Rahmen der betreffenden Einrichtung fortlaufend überwacht. Deshalb wären, wenn die Auftragnehmer für die Auftraggeberin Vermögen angelegt hätte und dabei “in ihren Räumlichkeiten” von der Auftraggeberin “ständig überwacht” worden wäre, die Räumlichkeiten zu Betriebsstätten der Auftraggeberin geworden. Dann kann es aber nicht anders sein, wenn den die Auftraggeberin leitenden Personen zugleich die Leitung der Auftragnehmerin obliegt und die genannte Überwachung gleichsam durch eine Identität der Leitungsorgane ersetzt wird. Hier werden die Grenzen zwischen „Betriebstätte“ und „ständigem Vertreter“ liegen, eventuell noch genauer konturiert werden müssen. Wassermeyer stellt in seiner Anmerkung zum oben genannten Private Equity Urteil die „entscheidende Frage“, ob dem Urteil entnommen werden müsse, dass die Einschaltung nicht nur einer Managementgesellschaft, sondern eines „jeden Subunternehmers für den Auftraggeber eine Betriebstätte begründet bzw. wo die Grenzen für die Begründung einer Betriebstätte liegen“ (IStR Heft 23/11). Wassermeyer verweist in diesem Kontext auf „verschiedenste Dienstleistungen“, gar auf (inländische) Steuerberater, die die Bücher von (ausländischen) Unternehmen / Auftraggebern führen, auch auf Rechtsanwälte, die ausländische Unternehmen in Fragen des Managements beraten. Diese Beispiele würden verdeutlichen, dass die Bedeutung des Private Equity Urteils „weit über die Einschaltung von Managementgesellschaften hinausgehe“, denn sie betreffe die Beauftragung vor allem von Subunternehmern und Dienstleistern und die sich daraus für die ausländischen Auftraggeber ergebenden Besteuerungsfolgen im Inland. Jede Art von dauerhafter Vertretungstätigkeit könne, so Wassermeyer zutreffend, keine Betriebstätte begründen; ansonsten wäre § 13 AO (Ständiger Vertreter) überflüssig. Es müsse einen Unterschied geben zwischen „Betriebstätte“ und „ständigem Vertreter“. Deshalb sei kritisch anzumerken, dass das Urteil I R 46/10 keine Grenzen für die Vermittlung von Betriebsstätten erkennen lasse, die jedoch irgendwo bestehen sollten. Aber gibt das Urteil nicht doch Abgrenzungskriterien? Sowohl dem Private Equity Urteil I R 46/10 als auch dem in dieser Entscheidung zur Stützung der Betriebsstättenannahme in Bezug genommenen Urteil des BFH vom 23. 2. 2011 (I R 52/10 ) lagen Sachverhalte zugrunde, in denen die Geschäftsführer des Auftraggebers und die des Auftragnehmers identisch, jedenfalls weitgehend identisch waren. In der Entschei- 5 6 3. Töben, Thomas: Unbeschränkte Steuerpflicht einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland setzt (allein-)vertretungsberechtigte Geschäftsführer oder beherrschende Gesellschafter im Inland voraus, HB-Steuerblog - 5.9.2012 5.09.2012, Autor: Gastautor StB Dr Thomas Töben In etwa 80 Jahren setzten sich Finanzgerichte rund 100 Mal mit der Frage auseinander, ob der Ort der Leitung einer Gesellschaft sich an einem anderen Ort als jenem befand, den die Gesellschaft ihrer in- oder ausländischen Besteuerung zugrunde legte. In Fällen mit Auslandsbezug ging es i. d. R. darum, dass im Inland steuerpflichtige beherrschende Gesellschafter durch Zwischenschaltung von ausländischen Gesellschaften das Ziel verfolgten, eine ansonsten unstreitige inländische Besteuerung zu vermeiden oder zumindest hinauszuschieben. Dafür war Voraussetzung, dass der „Ort der Geschäftsleitung“ der ausländischen Gesellschaft tatsächlich auch im Ausland lag. Das war oft fraglich, weil • entweder die zur Vertretung der Gesellschaft befugten Personen ihre Geschäftsführungsaufgaben überwiegend oder nur vom Inland aus wahrgenommen haben, • und/oder inländische beherrschende Gesellschafter den Geschäftsführern dauernd direkt oder indirekt über Unterbevollmächtigte vorschrieben, wie sie die ihnen rechtlich obliegende “laufende Geschäftsführung” auszuüben hätten; in einem solchen Fall wird von faktischer Geschäftsführung durch andere als die gesetzlichen Vertreter gesprochen. Verwirrung und Verirrung Die Gerichte umschreiben „laufende Geschäftsführung“, um deren Ortsbestimmung es geht, durchgängig mit „Geschäftsführungsmaßnahmen von einiger Wichtigkeit“; zumeist in einem Klammerzusatz nennen sie das „Tagesgeschäfte“. Die so umschriebene „laufende Geschäftsführung“ wird sodann regelmäßig abgegrenzt von der “Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und der sonstigen Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnlichen Maßnahmen bzw. an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung”. Unterschieden wird also zwischen Maßnahmen, die im Verantwortungsbereich der Geschäftsführer liegen, und solchen, bei denen sich die Gesellschafter eine Zustimmung vorbehalten. Letztere sind für die Ortsbestimmung der Geschäftsleitung der Gesellschaft nicht maßgeblich. Diese Unterscheidung bereitet gelegentlich Verständnisprobleme. Schon der Begriff „Tagesgeschäfte“ wird mitunter als in einem gewissen Widerspruch stehend angesehen zu „Geschäftsführungsmaßnahmen von einiger Wichtigkeit“. Allein dies, aber auch die Abgrenzung der “Geschäftsführungsmaßnahmen von einiger Wichtigkeit” (= laufende Geschäftsführung) einerseits von “Gesellschaftermitwirkung bei Maßnahmen bzw. Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung” (= keine laufende Geschäftsführung) andererseits führen zur Verwirrung und auch Verirrung Geschäftsleitung durch vertretungsberechtigte Geschäftsführer Bei einer Kapitalgesellschaft ist für die Bestimmung des Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung der Ort maßgeblich, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten. Entscheidend ist allein der Umfang der Vertretungsbefugnis. Die tatsächliche Ausübung der Geschäftsleitung setzt die Befugnis voraus, die Gesellschaft im Rechtsverkehr vertreten zu können (st. Rspr.). Wurde eine Person weder als Geschäftsführer bestellt, wurde ihr auch sonst keine Vollmacht zur Geschäftsführung oder Prokura erteilt, „steht fest …“, so das FG Schleswig Holstein (Urteil vom 27. 2. 2002 – V 424/99, EFG 2002 S. 932; insoweit bestätigt durch BFH-Urteil vom 12. 2. 2004 – IV R 29/02, DB0064597; sog. Kfz-Leasing-Urteile), dass eine solche Person, „… schon rechtlich nicht in der Lage war, die geschäftliche Oberleitung … wahrzunehmen“. Das gilt auch dann, wenn sie in sonstiger Weise für die betreffende Gesellschaft tätig gewesen sein mag. Denn in einem solchen Fall kommt es auf die tatsächlich von der nicht vertretungsberechtigten Person „entfalteten Tätigkeiten … ebenso wenig an wie auf die Frage, welche Aufgaben im Einzelnen der geschäftlichen Oberleitung … zuzurechnen sind“. Sind alle gesetzlich und/oder schuldrechtlich zur Vertretung einer ausländischen Kapitalgesellschaft befugten Geschäftsführer im Ausland ansässig und nehmen diese ihre Geschäftsführungsaufgaben im Ausland wahr, scheidet ein inländischer Ort der Geschäftsleitung jedenfalls dann aus, wenn es keine inländischen beherrschenden Gesellschafter gibt, die ständig durch Gesellschafteranweisungen in das Tagesgeschäft der Gesellschaft hineinre-gieren. Ist von mehreren vertretungsberechtigten Geschäftsführern einer ausländischen Kapitalgesellschaft ein Geschäftsführer auch vom Inland aus tätig, jedoch nicht allein berechtigt, die ausländische Gesellschaft rechtswirksam zu vertreten, weil ihm selbst für Teilbereiche der Geschäftsführung keine Einzelvertretungsberechtigung eingeräumt wurde, er also nur gemeinsam mit den anderen im Ausland tätigen Geschäftsführern rechtswirksame Erklärungen abzugeben in der Lage ist, liegt ebenfalls kein Ort der Leitung im Inland vor, jedenfalls hier kein Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Nur ausnahmsweise könnte in einem solchen Fall ein inländischer Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung dann vorliegen, wenn dem vom Inland aus tätigen, gesetzlich bestellten Geschäftsführer der ausländischen Kapitalgesellschaft (i) Einzelvertretungsbefugnis eingeräumt wurde und (ii) die insoweit von dem im Inland tätigen Geschäftsführer allein wahrgenommenen Geschäftsleitungsmaßnahmen gewichtiger sind als diejenigen, die nur bzw. nur gemeinsam mit den ausländischen Geschäftsführern wahrgenommen werden können (anschaulich hierzu die o. g. beiden KfzLeasing-Urteile). Beherrschende Gesellschafter als faktische Geschäftsführer In Ausnahmefällen mögen beherrschende Gesellschafter durch ständige Anweisungen an die vertretungsberechtigten Geschäftsführer laufend in das Tagesgeschäft der Tochtergesellschaft eingreifen. Solche beherrschenden Gesellschafter sind dann die wirklichen Oberleiter des Unternehmens (faktische Geschäftsführer), weil sie sich nicht auf den Einfluss aus ihren Gesellschafterrechten beschränken, sondern bei wichtigen Geschäften selbst das ent- 7 8 scheidende Wort sprechen; die gesetzlichen Vertreter verkümmern dann sozusagen zu nur ausführenden Organen (so bereits RFH 1936, RStBl. 1936 S.65). Erteilt ein solcher beherrschender Gesellschafter seine Anweisungen vom Ausland aus, z. B. weil er nur dort ansässig und tätig ist, • an inländische Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Inland, liegt der „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ der inländischen Gesellschaft nicht im Inland, sondern im Ausland; • an in- und/oder ausländische Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft mit Sitz im Ausland, liegt der „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ dieser Gesellschaft erst recht nicht im Inland; in diesem Fall kann bei einem Auseinanderfallen von Ansässigkeitsstaat des beherrschenden Gesellschafters und Sitzstaat der ausländischen Gesellschaft dahingestellt bleiben, in welchem ausländischen Staat der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung liegt. Hat die ausländische Gesellschaft in diesem Fall auch keine inländischen Einkünfte, scheidet eine deutsche Besteuerung gänzlich aus. 4. Töben, Thomas: Geschäftsleitung als „Mittelpunkt“ im Zentrum der Peripherie, HB-Steuerblog – 26.4.2012 26.04.2012, Autor: Gastautor StB Dr Thomas Töben Die Besteuerung von in Deutschland erzieltem Einkommen einer KapGes. ist oft davon abhängig, dass dieses Einkommen einer „Geschäftsleitungs-Betriebstätte“ zugeordnet werden kann. Im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wird davon ausgegangen, dass eine KapGes. mehrere „Orte der Geschäftsleitung“ haben kann, mit der Folge einer sich auf das weltweite Einkommen erstreckenden Steuerpflicht auch in verschiedenen Staaten (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Ist das der Fall, soll es zur Bestimmung des Hauptansässigkeitsstaats auf den „Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung“ ankommen, wenn man so will, auf die „gewichtigere”, die „effektive” Geschäftsleitung bzw. den Ort, wo letztere zu lokalisieren ist (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA). Weiter geht das DBA-Recht davon aus, dass eine in einem Staat aufgrund des dortigen Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaft in einem anderen Staat eine Betriebsstätte auch in Form eines weiteren (weniger gewichtigen) „Ortes der (bloßen) Leitung“ (Art. 5 Abs. 2 lit. a OECD-MA) haben kann, was in diesem Staat eine „nur“ beschränkte Steuerpflicht mit bestimmtem Einkommen aus diesem Staat nach sich zieht. Das deutsche Steuerrecht differenziert ähnlich: - Nach § 1 KStG ist eine KapGes. u.a. dann unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie ihre „Geschäftsleitung“ im Inland hat. - Nach § 10 AO ist „Geschäftsleitung … der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“; ein Vergleich mit dem Begriff der „tatsächlichen Geschäftsleitung“ im DBA-Recht (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA) drängt sich auf. - § 12 Satz 2 Nr. 1 AO, wonach insbesondere auch die „Stätte der Geschäftsleitung“ eine Betriebsstätte ist, scheint Art. 5 Abs. 2 lit. a OECD-MA zu entsprechen, unterscheidet sich aber insoweit, als dass auch in § 12 AO – wie in § 10 AO – auf die „Geschäftsleitung“ abgestellt wird, nicht auf den Ort der bloßen „Leitung“. Der Begriff „Geschäftsleitung“ wird indes nur in § 10 AO als „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ konkretisiert, nicht in § 12 Satz 2 Nr. 1 AO. Die Rspr. rekurriert deshalb zur Konkretisierung der Betriebsstätte i. S. einer „Stätte der Geschäftsleitung“ auf § 10 AO und die dortige Konkretisierung als „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“. Damit verschmilzt der oft nur eine beschränkte Steuerpflicht auslösende Betriebsstättenbegriff mit dem eine unbeschränkte Steuerpflicht auslösenden Geschäftsleitungsbegriff. 9 10 Die Begriffswahl in § 10 und § 12 Satz 2 Nr. 1 AO ist unglücklich. Sie führt zu Auslegungsproblemen. Vergleichbar dem DBA-Recht hätte eine Formulierung in § 10 AO wie etwa „Die Geschäftsleitung ist dort, wo sich die Oberleitung befindet“ wohl zu weniger Missverständnissen geführt, wie sie seit einigen Jahren im Hinblick auf Divergenzen in der BFH-Rspr. beklagt werden (u. a. Gosch, StBp 1998 S. 106). Unstreitig scheint nur, dass nach § 12 Satz 2 Nr. 1 AO die Stätte der Geschäftsleitung immer auch eine Betriebsstätte ist. Streitig ist dagegen, ob - jedes Unternehmen zumindest einen Ort der geschäftlichen Oberleitung haben muss, - es auch Gesellschaften ohne einen Mittelpunkt der Oberleitung und damit gänzlich ohne Geschäftsleitung geben kann (vgl. Buciek, in: Gosch, AO/FGO, § 10 Rdn. 29) bzw. - ob eine Gesellschaft nur einen einzigen maßgeblichen Ort der geschäftlichen Oberleitung haben kann, weil es einer natürlichen Betrachtung folgend nur einen Mittelpunkt geben könne (so der IV. BFH-Senat: „Der ‚Mittelpunkt‘ der geschäftlichen Oberleitung kann sich naturgemäß nur an einem Ort befinden“, BFH-Urteil vom 3. 7. 1997 – IV R 58/95, DB 1998 S. 659 (Ls.)). Satz 1 Nr. 1 AO sei eine Einrichtung, an der sich der Geschäftsführer mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufhält und der Maßnahmen der Geschäftsführung zuzuordnen sind, weil sie entweder dort getroffen werden oder weil der Geschäftsführer mit einer gewissen Regelmäßigkeit von dort aus agiert. Allein Verhandlungen eines Geschäftsführers mit wechselnden Auftraggebern und Auftragnehmern in deren Einrichtungen reichen nicht aus, um dort eine weitere Einrichtung der steuerpflichtigen Gesellschaft anzunehmen. Die Geschäftseinrichtungen von Geschäftspartnern bilden i. d. R. keine Einrichtung (Betriebsstätte) des Unternehmens, um dessen Geschäftsleitung es geht. Entscheidend sei, ob einem Geschäftsführer (auch) an einem anderen Ort Wohn- oder Geschäftsräume zur Verfügung stehen, die er mit einer gewissen Regelmäßigkeit nutzt und denen eine dort ausgeübte Geschäftsleitungstätigkeit zuzuordnen ist. Aber auch und gerade ein häusliches Arbeitszimmer, ggf. auch Wohnräume selbst, sind als eine eine Betriebsstätte begründende Geschäftseinrichtung nur dann anzusehen, wenn die Gesellschaft darüber eine gewisse Verfügungsmacht hat. Daran wird es, wie das Urteil des IV. Senats zeigt, selbst bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer i. d. R. fehlen. Nach Auffassung des I. BFH-Senats hingegen bestimme sich nach den im Einzelfall tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten, welche von ihnen der Geschäftsleitung zuzuordnen sind und auf welche bei der Bestimmung des Ortes bzw. der Orte der Geschäftsleitung abzustellen ist. Dies schließe nicht aus, dass ein Unternehmen mehrere Orte der Geschäftsleitung haben kann und einzelne Geschäftsleitungstätigkeiten verschiedenen Mittelpunkten (Betriebsstätten) zuzuordnen sein können (BFH-Urteil vom 30. 1. 2002, I R 12/01; Urteil vom 15. 10. 1997 – I R 76/95). Nach Gosch berge diese Divergenz in der Rspr. der beiden BFH-Senate „mit Gewissheit … noch einigen Zündstoff“ (a.a.O). M.E. gebührt jedenfalls im Ergebnis der Auffassung des I. Senats der Vorzug. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie den Grundsätzen im DBA-Recht entspricht. Sie hilft, weitere Auslegungsprobleme auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu vermeiden, die auch bei rein innerstaatlichen Sachverhalten auftreten können. Nach Auffassung des I. Senats des BFH folge aus der Tatsache, dass nach § 10 AO die Annahme einer Geschäftsleitung einen Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung voraussetzt und nach § 12 Satz 2 Nr. 1 AO die Stätte der Geschäftsleitung eine Betriebsstätte bildet, dass das Innehaben der Geschäftsleitung nicht nur tätigkeits-, sondern auch ortsbezogen verstanden werden müsse. Während einer Dienstreise eines Geschäftsführers getroffene wichtige Geschäftsleitungsentscheidungen führten nicht dazu, dass der jeweilige Ort der Entscheidung einen Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung des vertretenen Unternehmens bilde. Es fehle an einer ortsbezogenen Einrichtung außerhalb der Geschäftsleitungsbetriebsstätte, der die Tätigkeit zuzuordnen ist. Voraussetzung für einen weiteren Ort der Geschäftsleitung auch i. S. von § 12 11 12 5. Wassermeyer, Franz: Anmerkung: zum sog Private Equity-Urteil vom 24.8.2011, I R 46/10 (FG Baden-Württemberg 11. 5. 2010 6 K 285/06); IStR 2011, S. 925 Das Urteil sollte aufmerksam lesen, wer sich an einer Fondsgesellschaft in der Rechtsform einer Personengesellschaft beteiligt bzw. wer daran beteiligt ist. Es betrifft eine in England „ansässige” LP (= KG), an der in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt waren. Man muss dazu wissen, dass von unbeschränkt Steuerpflichtigen beherrschte Fondsgesellschaften gerne zwecks Vermeidung der deutschen Gewerbesteuer im Ausland gegründet und gehalten werden. Schaltet die ausländische Fondsgesellschaft jedoch eine inländische Managementgesellschaft ein, so liegt das gewerbesteuerliche Problem auf der Hand.Der BFH hält es als Grundsatz für denkbar, dass das Büro einer Managementgesellschaft, auf die die Fondsgesellschaft wesentliche Geschäftsleitungsaufgaben überträgt, Betriebsstätte der Fondsgesellschaft ist. Dabei hängt es offenbar nur von dem Umfang der übertragenen Aufgaben ab, ob das Büro der Managementgesellschaft Geschäftsleitungsoder sonstige Betriebsstätte der Fondsgesellschaft ist. Gewerbesteuerlich interessiert diese Abgrenzungsfrage nur mit Blick auf den Umfang der der Betriebsstätte zuzuordnenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Stichwort: Zentralfunktion der Geschäftsleitungsbetriebsstätte). Allerdings fragt man sich, ob tatsächlich das Outsourcen von Managementaufgaben zu anderen Konsequenzen betreffend die Vermittlung einer Betriebsstätte als das Outsourcen anderer betrieblicher Funktionen führen kann oder ob hier wie dort das gleiche gelten muss. Dazu sei darauf hingewiesen, dass die Working Party Nr. 1 der OECD im Oktober einen Bericht mit Änderungsvorschlägen zur Betriebsstättendefinition zu Konsultationszwecken vorgelegt hat (vgl. IStR-Länderbericht im Heft 21/2011, S. 109), die sich u. a. mit der Betriebsstätten- begründung durch Subunternehmer befassen. Es besteht die Gefahr, dass die Rechtsauffassung des BFH von der Masse der OECD-Mitgliedstaaten nicht geteilt wird.Vor diesem Hintergrund geht die entscheidende Frage dahin, ob die Einschaltung jeder Managementgesellschaft bzw. jeden Subunternehmers für den Auftraggeber eine Betriebsstätte begründet bzw. wo die Grenzen für die Begründung einer Betriebsstätte liegen. Dazu sollte man sich vor Augen führen, dass es auch sog. Generalunternehmer gibt, die sich sog. Subunternehmer bedienen, um den vertraglich übernommenen Verpflichtungen nachzukommen. Bisher war es herrschende Meinung, dass der Generalunternehmer keine Betriebsstätte in den Räumen des Subunternehmers unterhält, wenn letzterer eigenverantwortlich die ihm übertragene Aufgabe erledigt und nicht wie ein leitender Angestellter des Generalunternehmers auftritt. Z. B. stand eine Bauausführungsbetriebsstätte des Generalunternehmers nur zur Diskussion, wenn und soweit er die Bauausführung des Subunternehmers beaufsichtigte. An dieser herrschenden Meinung sollte sich durch das Urteil – unbeschadet gewisser Zweifel – unmittelbar nichts geändert haben. Man sollte ferner beachten, dass das deutsche Bilanz- und Steuerrecht zwischen einer echten und einer unechten Auftragsproduktion unterscheidet. Bei der echten Auftragsproduktion ist der Beauftragte der Hersteller des herzustellenden Produktes. Er trägt das wirtschaftliche Risiko der Herstellung (vgl. BFH-Urteil vom 19. 2. 1976, BFH 19.02.1976 Aktenzeichen V R 92/74, BFHE 118, BFHE Band 118 Seite 255, BStBl II 1976, BSTBL Jahr 1976 II Seite 515, BeckRS 1976, BECKRS Jahr 22000171; BFH-Beschluss vom 25. 2. 1987, BFH 25.02.1987 Aktenzeichen V B 56/84, BFH/NV 1988, BFH/NV Jahr 1988 Seite 398). Nur er hat Herstellungskosten. Im Fall der echten Auftragsproduktion wird also der Beauftragte wirtschaftlicher Eigentümer des herzustellenden Produktes, das er nach Herstellung auf den Auftraggeber überträgt. Der Auftraggeber hat nur Anschaffungskosten. Bei der unechten Auftragsprodukti- on trägt dagegen der Auftraggeber das gesamte Risiko der Herstellung. Er wird wirtschaftlicher Eigentümer des halbfertigen und des fertigen Produktes, ohne selbst Hand anlegen zu müssen. Herstellungskosten fallen nur bei ihm an. Der Beauftragte erhält ein Dienstleistungsentgelt. Bei der Abgrenzung zwischen echter und unechter Auftragsproduktion geht es also letztlich nur darum, ob der Auftraggeber oder der Auftragnehmer die wirtschaftliche Verantwortung für die aus Anlass der Produktion durch Abschluss von Verträgen und deren Umsetzung zu treffenden Entscheidungen trägt (vgl. BGH-Urteil vom 22. 10. 1992, BGH 22.10.1992, I ZR 300/90, BGHZ 120, BGHZ Band 120 Seite 67, BGHZ Band 120 Seite 70 f., NJW 1993, NJW Jahr 1993 Seite 1470). Das BFH-Urteil I R 46/10 gibt Anlass, darüber nachzudenken, ob sich die Betriebsstätte des Beauftragten gleichzeitig als Betriebsstätte des Auftraggebers darstellt. Dies kann nur von Bedeutung sein, wenn der Auftraggeber den Auftrag im Rahmen eines von ihm betriebenen Unternehmens erteilt. Dazu reicht es aber aus, dass der Auftraggeber die 3-Objektgrenze überschreitet. Ferner muss auf die Problematik sog. Medienfonds verwiesen werden (vgl. Wassermeyer, DB 2010, DB Jahr 2010 Seite 354; Dornheim, DStR 2011, DSTR Jahr 2011 Seite 1793 und Lüdicke/Fischer, DStR 2011, DSTR Jahr 2011 Seite 1935). Die Medienfonds werden typischerweise in der Rechtsform einer inländischen GmbH & Co KG betrieben, weil in einer Anfangsphase Verluste angestrebt werden, die im Inland geltend gemacht werden sollen. Die GmbH & Co KG beauftragt jedoch ein 1. US-Unternehmen mit der Herstellung eines Films. Der Film wird von dem US-Unternehmen in den USA hergestellt. Gleichzeitig wird ein 2. USUnternehmen mit der Verwertung des Films beauftragt. Auch das 2. US-Unternehmen wird nur von den USA aus tätig. Die GmbH & Co KG erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des § 15 Abs. Absatz 3 Nr. 2 EStG. Abkommensrechtlich erzielt sie nach bisher vertretener Auffassung nur Lizenzgebühren i. S. des Art. 12 OECD-MA. Auf der Grundlage des Urteils I R 46/10 könnte man darüber nachdenken, ob die Tätigkeit eines z. B. als Publikumsfonds angelegten Medienfonds abkommensrechtlich nicht auch eine originär unternehmerische sein kann und ob die beiden US-Unternehmen nicht dem inländischen Medienfonds eine Betriebsstätte mit der Folge vermitteln, dass die an sich angestrebten Verluste nur dem Besteuerungsrecht der USA unterliegen. Schließlich muss auf die verschiedensten Dienstleistungen verwiesen werden. Es gibt Steuerberater, die die Bücher von Unternehmen führen. Es gibt Rechtsanwälte und Steuerberater, die bestimmte Unternehmen insbesondere in Fragen des Managements ständig beraten. In der Wirtschaft gibt es Zulieferer-Unternehmen, die z. B. nur für „einen” Autohersteller arbeiten. Sollte jede Art von dauerhafter Vertretungstätigkeit eine Betriebsstätte begründen, so wäre § AO § 13 AO überflüssig. Es käme auch nicht mehr auf einen Vertreter i. S. des Art. 5 Abs. 5 5 OECD-MA an.Die Beispiele mögen verdeutlichen, dass das Urteil I R 46/10 eine Problematik anstößt, die in ihrer Bedeutung weit über die Einschaltung von Managementgesellschaften hinausgeht. Sie betrifft die Beauftragung vor allem von Subunternehmern und Dienstleistenden und die sich daraus für die Auftraggeber ergebenden Besteuerungsfolgen. So betrachtet ist kritisch anzumerken, dass das Urteil keine Grenzen für die Vermittlung von Betriebsstätten erkennen lässt, die jedoch irgendwo bestehen sollten. Selbst wenn die Steuerpflichtigen in dem Urteil I R 46/10 obgesiegt haben, gibt es doch spiegelbildliche Sachverhalte, die im Inland überraschende Konsequenzen auslösen könnten. Der BFH sollte dies bei seiner Rechtsprechung bedenken. 13 14