Mühlen im Eichsfeld an Wipper und Ohne
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Mühlen im Eichsfeld an Wipper und Ohne
Die Beiträge zu den einzelnen Mühlen sind einheitlich aufgebaut und stützen sich auf die Auswertung vergleichbarer Quellen. Sie beginnen mit einer kurzen Einleitung, die Angaben zur Ersterwähnung, bemerkenswerten Fakten zur Geschichte und schließlich zur Stilllegung der entsprechenden Mühle beinhaltet. Dem schließen sich in einem chronologisch angelegten Abschnitt alle verfügbaren Daten zur Geschichte der Mühle und Angaben zu den Besitzern oder Pächtern an. Diese Passagen nehmen ihren Anfang in der Regel nicht vor Beginn des 16. Jahrhunderts und reichen zeitlich über mehrere Jahrhunderte bis zur Einstellung des Mühlengewerbes durch den letzten Müller. Die Zeitleisten zur Historie der Mühlen enthalten Aussagen zur Bau- und Technikgeschichte von Mühlengebäuden, Mühlgräben, Wehren, Wasserrädern, Mahlwerken und anderen Müllereimaschinen. Darüber hinaus bringen sie Angaben zur rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Stellung von Müllern und widmen sich genealogischen Aspekten von Mühlenbesitzern und „Müllerdynastien“. Den dritten Teil der reich bebilderten Publikation bilden hauptsächlich farbige Abbildungen zu den Lageplänen und technischen Zeichnungen der Mühlenanlagen. Die dem Buch als Anlage beigefügte Karte der Mühlenstandorte an Wipper und Ohne zeigt die Lage jeder einzelnen Mühle innerhalb des Untersuchungsgebietes. Josef Reinhold Josef Reinhold · Mühlen im Eichsfeld an Wipper und Ohne Das vorliegende Buch gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil bietet in einem Überblick die zahlenmäßige Entwicklung der Mühlen im Eichsfeld vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Im zweiten, dem umfangreichsten Teil werden 38 Mühlen an Wipper und Ohne im Obereichsfeld in den Orten Worbis, Kirchohmfeld, Kirchworbis, Gernrode, Bernterode, Breitenworbis, Kallmerode, Birkungen, Kleinbartloff, Niederorschel, Rüdigershagen und Gerterode vorgestellt. Von den zahlreichen Mühlen des Untersuchungsgebietes ist gegenwärtig nur noch eine in Betrieb, die Handelsmühle Büschleb in Worbis. Mühlen im Eichsfeld an Wipper und Ohne I SBN 978 - 3 - 86944 - 056 - 9 MECKE 9 783869 440569 Mit einer Karte der Mühlenstandorte an Wipper und Ohne Josef Reinhold Mühlen im Eichsfeld an Wipper und Ohne Mit einer Karte der Mühlenstandorte an Wipper und Ohne Mecke Druck und Verlag · Duderstadt 2012 © 2012 Josef Reinhold Herausgegeben von der Stadt Leinefelde-Worbis Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren - ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden. Herstellung: Mecke Druck und Verlag · Postfach 1420 · 37107 Duderstadt (Eichsfeld) Verlag Mecke Druck · Postfach 1420 · 37107 Duderstadt (Eichsfeld), Tel. 05527/981922 · Fax 05527/981939 [email protected] www.meckedruck.de/verlag 2 Inhalt 1. Einleitung ................................................................................. 5 2. 2.1. 2.2. 2.3. Mühlen im Eichsfeld im Überblick ........................................... 12 Frühe Erwähnungen von Mühlen im Eichsfeld......................... 12 Mühlen im Kreis Kreis Worbis im 19. Jahrhundert ................... 16 Mühlen und Müller im 20. und 21. Jahrhundert ...................... 21 3. 3.1. 3.1.1. 3.1.2. 3.1.3. 3.1.4. 3.1.5. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.3.3. 3.4. 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3. 3.5. 3.5.1. 3.5.2. 3.5.3. 3.5.4. 3.6. Mühlenstandorte an Wipper und Ohne .................................... 29 Worbis ....................................................................................... 29 Worbis, Stadtmühle ................................................................... 30 Worbis, Schlagmühle ................................................................. 32 Worbis, Klostermühle ................................................................ 39 Worbis, Büschlebs Mühle .......................................................... 45 Worbis, Neumühle .................................................................... 59 Kirchohmfeld ............................................................................ 68 Kirchohmfeld, Obermühle ........................................................ 68 Kirchohmfeld, Talmühle ........................................................... 72 Kirchworbis ............................................................................... 74 Kirchworbis, Riethmühle .......................................................... 74 Kirchworbis, Ippmühle, Obere Ippmühle.................................. 82 Kirchworbis, Untere Ippmühle ................................................. 90 Gernrode ................................................................................... 93 Gernrode, Obermühle ............................................................... 93 Gernrode, Untermühle ............................................................ 106 Gernrode, Schlagmühle ............................................................110 Bernterode ............................................................................... 122 Bernterode, Dachsmühle ......................................................... 122 Bernterode, Obermühle ........................................................... 127 Bernterode, Untermühle .......................................................... 136 Bernterode, Roggenmühle ....................................................... 141 Breitenworbis ............................................................................145 3 3.6.1. 3.6.2. 3.7. 3.8. 3.8.1. 3.9. 3.9.1. 3.9.2. 3.9.3. 3.9.4. 3.9.5. 3.10. 3.10.1. 3.10.2. 3.10.3. 3.10.4. 3.11. 3.11.1. 3.11.2. 3.12. 3.12.1. 3.12.2. Breitenworbis, Weiße Mühle ....................................................145 Breitenworbis, Mollmühle ....................................................... 149 Kallmerode, Beinröder Mühle ..................................................152 Birkungen ................................................................................ 158 Birkungen, Mühle von Kirrode ............................................... 158 Kleinbartloff .............................................................................159 Kleinbartloff, Rohrmühle .........................................................159 Kleinbartloff, Beckermühle ..................................................... 166 Kleinbartloff, Mönchmühle......................................................174 Kleinbartloff, Eichmühle ......................................................... 180 Kleinbartloff, Eckmühle .......................................................... 187 Niederorschel ........................................................................... 192 Niederorschel, Obermühle....................................................... 192 Niederorschel, Dorfmühle ....................................................... 199 Niederorschel, Aumühle .......................................................... 205 Niederorschel, Wendelröder Mühle ..........................................211 Rüdigershagen ..........................................................................219 Rüdigershagen, Gutsmühle ..................................................... 220 Rüdigershagen, Neue Mühle ................................................... 221 Gerterode ................................................................................ 227 Gerterode, Küchenteichmühle und Wehrteichmühle .............. 227 Gerterode, Ellingeröder Mühle................................................ 229 4. Abbildungen zu den Wasserbucheinträgen der Mühlen an Wipper und Ohne .............................................................. 236 5. Nachwort ................................................................................. 276 6. Gedruckte Quellen und Literatur ............................................ 278 7. Abkürzungsverzeichnis ............................................................ 283 8. Bildnachweis ............................................................................284 9. Konkordanz der Mühlennamen an Wipper und Ohne ........... 285 4 1. Einleitung Mühlen, häufig in lieblichen Wiesentälern gelegen, in Liedern besungen und Stoff für Sagen und Märchenerzählungen bietend, erscheinen dem Betrachter von heute nicht selten in einem historisch-verklärten Gewande. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass die Mühle am rauschenden Bach nicht um ihrer selbst willen klapperte, sondern dass in den Mühlen seit alters her das Mehl für das tägliche Brot der Menschen gemahlen wurde. In der Zeit nach der Wende von 1989/1990 hat das Interesse von Historikern und einer breiten Öffentlichkeit an Mühlen und an der Geschichte von Mühlen im Eichsfeld spürbar zugenommen. Dafür sprechen die in den letzten Jahren vorgelegten mühlengeschichtlichen Publikationen. Am Anfang stand die Studie von Erhard Müller aus dem Jahre 1992 über die Mühlen im Landkreis Heiligenstadt,1 die im Jahre 2008 eine zweite Auflage und erweitert um einem Beitrag von Anne Severin über die Geschichte der Mühlen im Altkreis Heiligenstadt erfahren hat.2 Es folgten Abhandlungen über einzelne Mühlen,3 Mühlen in bestimmten Orten4 und an ausgewählten Flussläufen.5 Die Geschichte von Mühlen fand auch Aufnahme in die in den letzten beiden Jahrzehnten erschienenen Jubiläumsschriften eichsfeldischer Orte.6 Eine Auswahl von diesen Veröffentlichungen ist in den Anmerkungen dokumentiert. Schließlich wurde als bisher umfangreichste der bisherigen Untersuchungen zur eichsfeldischen Mühlenlandschaft im Jahre 2008 von Volker Große und Klaus Herzberg ein Kompendium zu den Mühlen im Obereichsfeld herausgebracht, das für mehr als 300 Mühlenstandorte überblicksartig Angaben zur Historie der Mühlen von der Ersterwähnung bis zur Stilllegung bietet.7 Dass Mühlen in der letzten Zeit stärker in den Fokus öffentlicher Wahrnehmung gerückt sind, belegt auch die Tatsache, dass seit 1994 mit der touristischen Erschließung der Mühlenstandorte an Wipper und Ohne über einen Mühlenwanderweg begonnen worden ist.8 Auf Ausstellungstafeln werden in Büschlebs Mühle bei Worbis Daten zur Geschichte und historische Fotos der Mühlen entlang des Mühlenwanderweges geboten.9 Die vorliegende Studie zu den Mühlen an Wipper und Ohne auf dem Territorium des Landkreises Eichsfeld versteht sich als Teil der Bemühungen, die Mühlenlandschaft des Eichsfeldes mit möglichst umfassenden Darstellungen zu jedem einzelnen Mühlenstandort abzudecken. Sie umfasst die Mühlen an den Flüssen Wipper und Ohne und schließt auch die Mühlenstandorte an den Nebenbächen von Wipper und Ohne mit ein. Für das Flussgebiet 5 der Wipper wurden die Mühlen von den Wipperquellen in Worbis bis zur Grenze des heutigen Landkreises Eichsfeld mit dem Landkreis Nordhausen östlich von Bernterode erfasst. Für die Ohne, den wichtigsten Nebenfluss der Wipper auf dem Territorium des Landkreises Eichsfeld, gilt, dass die Wassermühlen von der Ohnequelle oberhalb von Beinrode bis zur Mündung der Ohne in die Wipper zwischen Niederorschel und Bernterode Aufnahme in die vorliegende Publikation gefunden haben. In der Frühen Neuzeit erstreckte sich das Untersuchungsgebiet hauptsächlich über die kurmainzischen Ämter Harburg-Worbis und Scharfenstein. Nur einige der behandelten Mühlen lagen in den ebenfalls zu Kurmainz gehörenden adligen Gerichten der Herren von Wintzingerode (Kirchohmfeld) und der Grafen/Fürsten von Schwarzburg (Gerterode) sowie in einem Gebiet, das zum Herzogtum Braunschweig (Exklave Rüdigershagen) gehörte. Insgesamt konnten im Untersuchungsgebiet 38 Mühlenstandorte, ohne reine Elektromühlen und Rossmühlen, ermittelt werden. Die beigefügte Karte mit den Mühlenstandorten an Wipper und Ohne zeigt die Lage jeder einzelnen Mühle innerhalb des Untersuchungsgebietes. Nachdem der Autor schon in seinem Buch über die Mühlen von Leinefelde bis Bodenrode eine Mühlenkarte beigegeben hat,10 handelt es sich bei der neuen Karte um die Lokalisierung der Mühlen in einem wesentlich größeren Gebiet des mittleren Eichsfeldes. Die Karte könnte das Beispiel und das erste Blatt für einen noch zu erstellenden Mühlenatlas für das Eichsfeld abgeben. Die bisher entstandenen Studien zu Mühlen auf dem Eichsfeld basieren nicht immer auf vergleichbaren Quellen, noch lag in der Regel in der Absicht der Autoren, bestimmten konzeptionellen Überlegungen bei der Anlage ihrer mühlengeschichtlichen Arbeiten zu folgen. Anders ist die vorliegende Abhandlung, die einem bereits durch den Autor bei der Untersuchung der Mühlen an der oberen Leine erprobten Forschungsansatz folgt. Dabei geht jede Untersuchung zu einem Mühlenstandort von der Eintragung des Wasserrechts für die entsprechende Mühle aus. Das Wasserrecht wurde für die Mühlen in den preußischen Provinzen gemäß dem preußischen Wassergesetz vom 7. April 1913 in speziell dazu angelegten Wasserbüchern eingetragen.11 Die Anlage und Führung der Wasserbücher für die Flussläufe erster und zweiter Ordnung oblag in den Regierungsbezirken dem für den Flusslauf zuständigen Bezirksausschuss, der als Wasserbuchbehörde fungierte. Die Flussläufe von Wipper und Ohne sowie deren Nebenbäche auf dem Gebiet des Altkreises Worbis fielen in den Zuständigkeitsbereich des Bezirksausschusses Erfurt. 6 Die Eintragung des Wasserrechts erfolgte aber nur, wenn der Mühleneigentümer einen entsprechenden Antrag stellte. Wurde dem Antrag nach sorgfältiger Prüfung, die sich über Jahre hinziehen konnte, stattgegeben, erhielt der Antragsteller eine Verleihungsurkunde. Aus dem Untersuchungsgebiet ist kein Fall bekannt geworden, dass Müllern von noch in Betrieb befindlichen Mühlen die Eintragung des Wasserrechts versagt wurde. Selbst Eigentümer von bereits stillgelegten oder umgewidmeten Mühlenstandorten bekamen auf einen entsprechenden Antrag das Wasserrecht verliehen. Die Eintragung des Wasserrechts bietet für die entsprechende Mühle, auf die sich der Eintrag bezieht, für die 1920er Jahre verlässliche Angaben zum Mühlgraben, zur Größe und Leistungsfähigkeit des Wasserrades und zum damaligen Besitzer der Mühle. Nach den Bestimmungen des Wassergesetzes gehörten zum Antrag auf Eintragung des Wasserrechts ein Lageplan und technische Zeichnungen von der Mühlenanlage. Wurden Modernisierungen vorgenommen, beispielsweise die Ersetzung eines Wasserrades durch eine Turbine, war dazu eine wasserpolizeiliche Genehmigung erforderlich, die als aktuelle Ergänzung zum Wasserrechtseintrag im Wasserbuch zu vermerken war. Die Wasserbücher für die Flüsse im ehemaligen Regierungsbezirk Erfurt, zu dem auch der Altkreis Worbis gehörte, lagern heute im Thüringischen Staatsarchiv Gotha. Das für die Wipper im Kreis Worbis angelegte Wasserbuch trägt den Titel „Wasserbuch für die Wipper, Bd. I: Für die Strecke von der Klostermühle bei Worbis bis zur Grenze mit Kreis Grafschaft Hohenstein unterhalb Bernterode“ und hat die Signatur Regierung Erfurt, Nr. 27814. Die zum Wasserbuch für die Wipper gehörenden Wasserbuchakten, in denen die für die Mühlengeschichte besonders aussagekräftigen Antrags- und Genehmigungsverfahren dokumentiert sind, werden unter der Archivsignatur Regierung Erfurt, Nr. 27662 geführt. Die Wasserrechtseintragungen befinden sich in beiden Aktenbänden. Das Wasserbuch für die Ohne mit dem Aktentitel „Wasserbuch für die Ohne von der Chaussee Breitenholz-Birkungen bis zur Wipper“ verfügt über die Archivsignatur Regierung Erfurt, Nr. 27836, während die Akten zum Ohnewasserbuch unter der Signatur Regierung Erfurt, Nr. 27680 zu finden sind. Wie für die Wipper lassen sich auch für die Ohne die Einträge des Wasserrechts in beiden Aktennummern nachweisen. Für das Wasserbuch für den Ritterbach vom Quellteich bei Kaltohmfeld bis zur Wipper bei der Worbiser Klostermühle und die dazugehörenden Akten lauten die entsprechenden Signaturen Regierung Erfurt, Nr. 27815 und Nr. 7 27692. In den genannten Wasserbüchern konnte für 28 Mühlen des Untersuchungsgebietes die Eintragung des Wasserrechts nachgewiesen werden. Die im Wasserrechtseintrag enthaltenen Angaben zum Mühlenstandort bilden den Ausgangspunkt für die Auswertung weiterer Quellen, um die Zeit davor und danach zu untersuchen. Die Umsetzung der vom Autor für das vorliegende Buch entwickelten Konzeption hat gezeigt, dass sich für die Geschichte der einzelnen Mühlen Rechnungs- und Lagerbücher der Gemeinden sowie die Lager-, Jurisdiktional- und Rechnungsbücher der eichsfeldischen Ämter12 und für die Gewinnung von personengeschichtlich wichtigen Daten zu den Müllern und ihren Familien die Tauf-, Heirats- und Sterberegister der Pfarrarchive als unverzichtbare Quellen erwiesen haben. Besonderer Stellenwert wurde der Auswertung des so genannten Reuterschen Lagerbuches von 1610 beigemessen, das im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg, Standort Wernigerode (LHASA, MD) unter der Signatur A 39a, Nr. 188 aufbewahrt wird. Eine Abschrift davon befindet sich im Stadtarchiv Heiligenstadt. Da das Reutersche Lagerbuch ein umfassendes, nach Orten gegliedertes Eigentums- und Einkünfteverzeichnis des Mainzer Erzstiftes auf dem Eichsfeld mit der namentlichen Nennung der Grundbesitzer und der von ihnen zu entrichtenden Abgaben darstellt,13 sind in ihm auch die Mühlenbesitzer eingetragen. Die Mühlen kommen allerdings nur dann vor, wenn sie nicht zum Besitz des Adels und noch bestehender Klöster in deren Gerichtsbezirken gehörten, denn diese Besitztümer blieben im Reuterschen Lagerbuch unberücksichtigt. Im Reuterschen Lagerbuch konnten 14 Wassermühlen an Wipper und Ohne ausfindig gemacht werden. Für etliche Mühlen bieten die im LHASA, MD in den Beständen Kurfürstliche Regierung (Hofrat) zu Mainz (Signatur A 37a) und Kurmainzische Hofkammer zu Mainz (Signatur A 39a) überlieferten 54 Akteneinheiten für den Zeitraum von 1595 bis 1801 Angaben unterschiedlicher Gewichtung zu den in den Aktentiteln genannten Mühlenstandorten. Aus zum Teil zeitlich noch weiter zurückreichenden Quellen, dem Türkensteuerregister von 1542 (Staatsarchiv Würzburg: MRA Militär K 239/404 [Amt Harburg-Worbis], MRA Militär K 239/410 [Amt Scharfenstein]), dem Verzeichnis der Landsteuerzahler von 1548 (LHASA, MD: A 37a, Nr. 1397) und den Musterungslisten von 1599 (LHASA, MD: A 37a, Nr. 1056) konnten aus den Einwohnerlisten für einzelne Dörfer Namen von Müllern entnommen werden. Da die in den Steuer- und Musterungslisten des 16. Jahrhunderts zum Teil mit Berufsangabe genannten Einwohner aus den Dörfern des Amtes Harburg-Worbis bereits 8 durch Werner Fischer in transkribierter Form veröffentlicht worden sind,14 hat der Autor die in den edierten Einwohnerlisten erwähnten Müller in seine Arbeit übernommen. Die auf diese Art gewonnenen Fakten sind durch die Auswertung eines breiten Spektrums gedruckter und archivalischer Quellen sowie durch Zeitzeugenbefragungen zu einem relativ umfassenden Bild der historischen Entwicklung der einzelnen Mühlen ergänzt worden. Das zur Anwendung gebrachte Verfahren bezieht die Ergebnisse von örtlich oder regional angelegten Studien ebenso ein wie die in der allgemeinen Mühlenliteratur ausgebreiteten Erträge der Mühlenforschung. Die vorliegende Abhandlung umfasst zwei Teile. Der 1. Teil behandelt die Geschichte der Mühlen im Eichsfeld in einem Überblick vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Berücksichtigt werden dabei hauptsächlich die Mühlen im Altkreis Worbis. Auf der Basis von gedruckten Quellen und von Darstellungen zur Eichsfeldgeschichte geht es um die zahlenmäßige Erfassung von Mühlen in unterschiedlichen Zeiträumen. Nachgezeichnet wird der Niedergang der Mühlenbetriebe im Obereichsfeld, deren Zahl von 217 Wassermahlmühlen im Jahre 183715 auf gerade mal noch 8 Mühlen auf dem Territorium des Landkreises Eichsfeld in der Gegenwart abgenommen hat. Da dieser Teil der Arbeit Überblickscharakter trägt, konnten Aspekte der Technik-, Rechts-, Sozial- und Organisationsgeschichte des Mühlengewerbes nur angerissen werden. Dabei offenbarten sich nicht wenige „weiße Flecken“, die durch künftige, hauptsächlich vergleichende Forschungen zur Geschichte von Mühlen und Müllern in der Region Eichsfeld zu tilgen sind. Im 2. Teil stehen die Mühlen in den Flussgebieten von Wipper und Ohne im Mittelpunkt, die in Einzelstudien nacheinander untersucht werden. Die insgesamt 38 Mühlenstandorte werden unter den nachfolgend aufgeführten Orten abgehandelt (in Klammern hinter den Ortsnamen die Anzahl der Mühlen): Worbis (5), Kirchohmfeld (2), Kirchworbis (3), Gernrode (4), Bernterode (4), Breitenworbis (2), alle an der Wipper und ihren Nebenbächen gelegen, sowie Kallmerode (1), Birkungen (1), Kleinbartloff (5), Niederorschel (4, davon 1 an der Wipper), Rüdigershagen (4) und Gerterode (3) im Einzugsbereich der Ohne zu finden. Die Beiträge über die einzelnen Mühlen sind einheitlich aufgebaut und stützen sich auf die Auswertung vergleichbarer Quellen. Die Umsetzung der Konzeption wurde auch dadurch nicht infrage gestellt, dass die verfügbaren Quellen nicht für jede der untersuchten Mühlen in der gleichen Dichte vorliegen oder unterschiedlich weit in die Geschichte zurückreichen. 9 Nachdem unter den jeweiligen Orten, deren Reihenfolge sich aus ihrer Lage an den Flüssen von der Quelle ab ergibt, zunächst in einem Überblick die Anzahl der Mühlen, ihre Namen und ihre Lage angeführt sind, folgen die einzelnen Mühlenporträts. Sie beginnen mit einer kurzen Einleitung, die Angaben zur Ersterwähnung, bemerkenswerte Fakten zur Geschichte und schließlich zum Zeitpunkt der Stilllegung bietet. Der Einleitung folgt der Text des Wasserrechts für den entsprechenden Mühlenstandort, so wie er in den Wasserbüchern für die Wipper, die Ohne und den Ritterbach eingetragen ist. Dem schließen sich in einem chronologisch angelegten Abschnitt alle verfügbaren Daten zur Geschichte der Mühle und Angaben zu den Besitzern oder Pächtern an. Diese Passagen beginnen in der Regel nicht vor dem 16. Jahrhundert und reichen zeitlich über mehrere Jahrhunderte bis zur Einstellung des Mühlengewerbes durch den letzten Müller. Die chronologischen Angaben nehmen bei der Darstellung eines jeden Mühlenstandortes den größten Raum ein. Die Zeitleisten zur Historie der Mühlen enthalten Aussagen zur Bau- und Technikgeschichte von Mühlengebäuden, Mühlgräben, Wasserrädern und Mahlwerken. Darüber hinaus bieten sie Angaben zur rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Stellung von Müllern und widmen sich genealogischen Aspekten von Mühlenbesitzern und „Müllerdynastien“. Den Textteil der Broschüre komplettiert die Beigabe von Abbildungen, die entweder als Schwarzweißbilder in den Text eingestreut oder als Farbaufnahmen in einem Block angeordnet sind. Hauptsächlich als farbige Abbildungen werden die Lagepläne und technischen Zeichnungen aus den Wasserbuchakten geboten, während über die einfarbigen Bilder fast alle Aspekte der Geschichte von Mühlen und Müllern illustriert werden. Anmerkungen 1 Müller, Erhard: Die Mühlen im Landkreis Heiligenstadt, Heiligenstadt 1992. 2 Derselbe: Die Mühlen im Altkreis Heiligenstadt mit einem Geleitwort von Ernst Beck und einem Beitrag von Anne Severin, Heiligenstadt 22008. 3 Müller, Thomas T.; Müller, Gerhard; Kirsten, Alfred: Mühlen im Landkreis Eichsfeld – Wohnen und arbeiten im Denkmal, in: eichsfeld. Monatszeitschrift des Eichsfeldes, 44 (2000); (Kirsten, Alfred): Die Bodemühle Bischofferode. Ein Familienunternehmen mit 150-jähriger Tradition, Erfurt (2005). 4 (Rogge, Josef): Es klappert die Mühle am rauschenden Bach … . Wassermühlen in der Stadt Worbis (vervielfältigtes Manuskript), hrsg. v. Worbiser Geschichtsverein, 1993; Rummel, Lambert: Die Geschichte unserer Mühlen, in: Lengenfelder Echo, Heft 7/2004 (Nachdruck aus Heft 12/1957); Gorsler, Otto: Die Mühlen um und in Niederorschel, in: Eichsfelder Heimatzeitschrift, 53 (2009). 10 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Kirsten, Alfred K.: Mühlen an der Geislede, Heiligenstadt 2007; Reinhold, Josef: Mühlen und Müller im Eichsfeld von Leinefelde bis Bodenrode, Duderstadt 2007. Bernterode Eichsfeld. Unser Dorf und seine Menschen in Vergangenheit und Gegenwart, Heiligenstadt (1999); Hoffmann, Karl-Heinz: 1253-2003. 750 Jahre Kleinbartloff, Duderstadt (2003); Müller, Thomas T. (Hg.): Wurbeke-Worweze-Stadtworbis. Beiträge zur Geschichte der Stadt Worbis, Duderstadt 2005; Anhalt, Peter: Rohrberg. Aus der Geschichte eines Grenzdorfes, Duderstadt 2005; Fischer, Werner (Leiter Autorenkollektiv): Kirchworbis. Ein Dorf im Spiegel der Zeit, Kirchworbis 42009. Große, Volker; Herzberg, Klaus: Mühlen im Obereichsfeld. Ein Kompendium, Heiligenstadt 2008. (Große, Wofgang): Mühlenwanderweg an Ohne und Wipper (Faltblatt mit Karte, um 1995). (Büschleb, Hannelore): Mühlenwanderweg – Wipper/Ohne (vervielfältigter Prospekt, 1999). Reinhold: Mühlen und Müller (Anm. 5). Eine von Paul Schlegelberger kommentierte Fassung des preußischen Wassergesetzes von 1913, die auch die Ausführungsbestimmungen bietet, ist enthalten in Brauchitsch, Manfred v.: Verwaltungsgesetze für Preußen, neu hrsg. v. B. Drews u. G. Lassar, Bd. 3, Berlin 171929. Vgl. auch Das preußische Wassergesetz. Textausgabe mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister. Nach den amtlichen Motiven und den Verhandlungen im Abgeordnetenhause und Herrenhause erläutert v. E. v. Hippel, Berlin 1914. Ulrich, Theodor: Die kurmainzischen Lagerbücher und Jurisdiktionalbücher des Eichsfeldes, in: Sachsen und Anhalt. Jahrbuch der Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt, 10 (1934), S. 192-213. Müller, Thomas T.: Das Reutersche Lagerbuch als Quelle für die Lokalgeschichte. Die Einnahmen des Kurfürsten von Mainz in Heiligenstadt um 1610, in: Eichsfeld-Jahrbuch, 15 (2007), S. 75-85. Fischer, Werner: Die in den Steuer- und Musterungslisten des 16. Jahrhunderts erwähnten Einwohner des kurmainzischen Amtes Harburg-Worbis, in: Eichsfeld-Jahrbuch, 7 (1999), S. 247-282. Noback, Carl August: Ausführliche geographisch-statistisch-topographische Beschreibung des Regierungsbezirks Erfurt, 2. Theil, Erfurt 1840, Sp. 100 ff.; 141; 185. 11 2. Mühlen im Eichsfeld im Überblick 2.1. Frühe Erwähnungen von Mühlen im Eichsfeld Mühlen sind im Eichsfeld seit dem 11. Jahrhundert nachweisbar. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich schon vor dieser Zeit Mühlräder im Eichsfeld gedreht haben, auch wenn urkundliche Zeugnisse dafür fehlen. Der wohl älteste urkundliche Beleg stammt aus dem Jahre 1055 und betrifft eine Mühle in Rohrberg, einem Dorf nordwestlich von Heiligenstadt.1 Für Bickenriede kann eine Mühle für das Jahr 1146 belegt werden.2 Als in Besitz des Klosters Zella befindlich nennt eine Urkunde von 1215 zwei Mühlen bei Effelder.3 Unter den zahlreichen Mühlen in und um Heiligenstadt gilt die anfangs dem Mainzer Erzstift gehörende, vom Wasser der Geislede getriebene Fron- oder Herrenmühle, für die es eine Erwähnung aus der Zeit zwischen 1248 und 1275 gibt, als die älteste.4 Für Duderstadt im Untereichsfeld lässt sich ein urkundlicher Beleg für die Existenz einer Mühle für das Jahr 1276 beibringen.5 Aus dem Jahre 1278 datiert die Nennung einer Mühle in Teistungenburg, die zur Hälfte in den Besitz des gleichnamigen Frauenklosters übergegangen war.6 Am Oberlauf der Leine, östlich von Heiligenstadt, lassen sich für 1281 mehrere Mühlen in Besitz des Zisterzienserinnenklosters Beuren nachweisen, darunter eine, die ihren Standort vor Stadt Beuren bei einem Fischteich hatte (molendinum situm ante opidum Bvrne apud piscinam).7 Im Untersuchungsgebiet werden für die Zeit um 1300 drei Mühlen genannt: Im Jahre 1300 verkaufte Graf Heinrich von Beichlingen das zwischen Beuren, Leinefelde und Birkungen an der Ohne gelegene Dorf Kirrode mit samt einer Mühle dem Kloster Reifenstein.8 Gleich zwei Mühlen werden im Zusammenhang mit der Dotierung des Zisterzienserinnenklosters Worbis für 1311 erwähnt. Das betrifft zum einem die Klostermühle, die älteste Mühle der Stadt Worbis,9 und zum anderen die Ippmühle bei Kirchworbis, die Kloster Beuren dem neu gegründeten Kloster Worbis verkauft hatte.10 Auffällig ist an den frühen Nennungen von Mühlen, dass sich diese häufig in Besitz von Klöstern befanden oder in deren Besitz übergingen. Bis ins 16. Jahrhundert fließen die Quellen zur Mühlengeschichte des Eichsfeldes eher spärlich. Es sind hauptsächlich Einzelfunde, die das Bild prägen und die häufig in bereits veröffentlichten Darstellungen zu einzelnen Mühlen ihren Niederschlag gefunden haben. Die Situation änderte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als es im Zusammenhang mit dem Ausbau der kurmainzischen Verwaltungsorganisation zur 12 Anlage von Lager- und Jurisdiktionalbüchern für das Eichsfeld insgesamt und für die einzelnen Ämter kam. Da die Mühlen mit besonderen Abgaben belastet waren, wurde ihrer Erfassung und Verzeichnung in den genannten Verwaltungs- und Abgabenbüchern besonderes Augenmerk gewidmet. Mit Hilfe der Lager- und Jurisdiktionalbücher sind erstmals flächendeckende Angaben zur Anzahl der Mühlen in den Dörfern und im jeweiligen Amt insgesamt möglich. Das älteste unter den Lagerbüchern für das Eichsfeld im Ganzen ist das so genannte Reutersche Lagerbuch, das nach Andreas Reuter, dem Ortsschultheißen von Uder und „Reformator des Eichsfeldes“, benannt ist, aus dem Jahre 1610.11 Eine Auswertung dieses Eigentums- und Abgabenverzeichnisses insgesamt im Hinblick auf die darin verzeichneten Mühlen und Müller steht noch aus, wäre aber eine dankbare Aufgabe. Wie aus der nachstehenden Tabelle hervorgeht, konnten von den 38 Mühlenstandorten des Untersuchungsgebietes 14 Mühlen im Reuterschen Lagerbuch nachgewiesen werden. Tabelle 1: Mühlen an Wipper und Ohne im Reuterschen Lagerbuch (1610) Orte Worbis Kirchworbis Gernrode Bernterode Breitenworbis Niederorschel Anz. d. Mühlen 4 1 4* 2 1 2 * Die Wendelröder Mühle ist unter Gernrode erwähnt. Quelle: LHASA, MD: A 39a, Nr. 188. Eine Erfassung der Mühlen in den Ämtern Rusteberg und Scharfenstein erfolgte mitten im Dreißigjährigen Krieg, als das Eichfeld zeitweilig der Botmäßigkeit des Herzogtums Sachsen-Weimar unterstellt war. Um einen Überblick über die Wirtschafts- und Bevölkerungsverhältnisse in dem von ihm besetzten Gebiet zu bekommen, veranlasste Herzog Wilhelm 1633 eine Visitation der eichsfeldischen Ämter. Die in tabellarischer Form überlieferten Visitationsberichte für die Ämter Rusteberg und Scharfenstein enthalten, auf die Dörfer bezogen, neben anderen Daten Angaben zu den Herdstätten, zur Anzahl der Mühlen und zu den Mahlgängen.12 In den Tabellen 2 und 3 sind die Ergebnisse für die Ämter Rusteberg und Scharfenstein zusammengefasst. 13 Auch wenn die Angaben im Hinblick auf die Zuordnung der Mühlen zu bestimmten Dörfern einige Fragen offenlassen, weisen die Visitationsberichte eine relativ zuverlässige Statistik über die Mühlen in den genannten Ämtern auf. Obwohl die Visitation von 1633 für alle eichsfeldischen Ämter vorgesehen war, ist sie tatsächlich nur in den Ämtern Rusteberg und Scharfenstein zur Durchführung gekommen, sodass für das Amt Harburg-Worbis keine Ergebnisse vorliegen. Tabelle 2: Mühlen im Amt Rusteberg 1633 Dörfer Dieterode Flinsberg Geisleden Günterode Heuthen Kirchgandern Kreuzebra Lenterode Lutter Marth Mengelrode Reinholterode Rengelrode Rustenfelde Siemerode Uder Westhausen Summe Herdstätten bewohnt wüst 12 2 25 2 70 8 23 26 70 6 34 12 81 9 33 6 39 6 28 7 29 5 24 5 31 1 22 3 30 19 94 18 46 18 699 172 Mühlen 3 1 2 1 4 1 (wüst) 1 1 3 1 4 3 25 Mahlgänge 6 1? 3 1 5 ? 1 1 3 1 4 3 29 Quelle: Ergebnisse der 1633 im Auftrag von Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar durchgeführten Landesvisitation auf dem Eichsfeld, in: ThHStAW, H 296a, Bl. 17r. 14