Aero-0101-Neue Bizjets
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Aero-0101-Neue Bizjets
BUSINESS AVIATION Erste Auslieferungen der neuen Falcon 900LX werden noch vor Ende 2010 erwartet. NEUE GESCHÄFTSREISEFLUGZEUGE Geschrumpftes Teilnehmerfeld Angesichts des schwierigen Marktumfelds haben sich die meisten Hersteller Zurückhaltung auferlegt, was das Auflegen neuer Programme betrifft. Mehrere Vorhaben wurden darüber hinaus verschoben oder gleich ganz aufgegeben. Dennoch kommen in naher Zukunft nach wie vor etliche neue oder modifizierte Geschäftsreiseflugzeuge auf den Markt. raten sich auf einer NBAA Convention oder EBACE die neuen Flugzeugprogramme oft genug gegenseitig auf die Füße (pardon: Fahrwerke), ging es bei den jüngsten Zusammenkünften der Geschäftsluftfahrtbranche eher ruhig zu. Das Gros der Hersteller war und ist damit beschäftigt, Wunden zu lecken, sprich: den drastischen Nachfrageeinbruch und seine Folgen – Fertigungskürzungen und Mitarbeiterabbau – zu bewältigen. Das hat auch Auswirkungen auf die Produktpolitik. Mehrere Flugzeugprogramme wurden entweder komplett gestrichen – Cessnas WidebodyJet Citation Columbus beispielsweise – oder zumindest auf mehr oder weniger unbestimmte Zeit verschoben, wie die Hawker 450 oder der von Dassault bereits mehrfach inoffiziell angekündigte neue Super-MidSize-Jet SMS. Von etlichen Very Light Jets, (VLJ), denen doch noch vor wenigen Jahren eine glänzenden Zukunft vorhergesagt worden war, die aber mittlerweile größtenteils ganz vom Markt verschwunden sind, gar nicht zu reden. Aber es gibt durchaus Ausnahmen: Gulfstream beispielsweise hat bekräftigt, am T bestehenden Zeitplan für die beiden neuen Modelle G650 und G250 festhalten zu wollen. Die Jets, die beide erst im Jahr 2008 angekündigt worden waren und kürzlich innerhalb weniger Tage – am 29. September beziehungsweise am 6. Oktober – ihre Rollouts feierten, sollen wie geplant in den Jahren 2012 respektive 2011 erstmals ausgeliefert werden. Die G650, Gulfstreams neues Spitzenmodell mit einer völlig neuen und im Vergleich zu allen vorherigen Gulfstream-Jets geräumigeren Kabine, einer Nonstop-Reichweite von nahezu 13 000 Kilometern und einer alle anderen zivilen Flugzeuge übertreffenden maximalen Reisegeschwindigkeit von Mach 0,925, hat ihren Jungfernflug bereits hinter sich gebracht (siehe News auf Seite 66). Womöglich ist auch die G250 vor Erscheinen dieses Heftes schon geflogen. Der Super-MidSize-Jet, der die ursprünglich als „Galaxy“ von IAI entwickelte G200 ablösen wird, unterscheidet sich von seinem Vorläufer durch neu entwickelte Tragflächen, ein Gulfstream-typisches T- anstelle des Kreuzleitwerks und neue HTF7250G-Triebwerke von Honeywell. Brasilianische Offensive Weitgehend unbeeindruckt von der Krise zeigt man sich auch bei Embraer. Mit den Modellen Phenom 300, Legacy 450 und 500 sowie der erst im Oktober angekündigten, aber bereits in zwei Exemplaren fliegenden Legacy 650 (vgl. Aero 12/2009 und Interview auf Seite 64) hat der brasilianische Hersteller eine Menge Eisen im Feuer. Den Anfang macht die Phenom 300, deren Zulassung und erste Auslieferungen unmittelbar bevor stehen. Von ihrer kleineren Schwester Phenom 100, die mit mehr als 50 ausgelieferten Exemplaren fast schon als etabliert gelten darf, unterscheidet sich die Phenom 300 nicht nur durch die PW535-Triebwerke, sondern durch eine – bei gleichem Rumpfquerschnitt – rund eineinhalb Meter längere Kabine mit entsprechend höherem Komfort und einer größeren Auswahl an Ausstattungsoptionen. Nicht viel Neues gibt es von Legacy 450 und 500 zu berichten, was in diesem Fall aber keinesfalls eine schlechte Nachricht darstellt. Vielmehr befinden sich die beiden Jets – in der „Mid Light“- beziehungsweise „Mid Size“-Kategorie angesiedelt, seit rund einem Dreivierteljahr in der Detaileintwurfsphase, und Embraer geht nach wie vor davon aus, dass die Auslieferungen in der zweiten Hälfte des Jahres 2012 (Legacy 500) beziehungsweise etwa zwölf Monate später (Legacy 450) aufgenommen werden können. Embraer hat sich erstaunlich schnell in der Riege der Businessjet-Produzenten etablieren können, und die Konkurrenz bei Bombardier, Cessna, Gulfstream oder Hawker Beechcraft wird deshalb sehr genau beobachten, welche Gefahr Legacy 450 und 500 für etablierte beziehungsweise kommende Produkte wie Learjet 60 und 85, Citation Sovereign, G200 und G250 oder Hawker 900XP darstellen. Für Cessna sind die Brasilianer gleich mit mehreren ihrer Produkte zum ernst zu nehmenden Wettbewerber geworden. Die ➜ 1/2010 www.aerointernational.de 61 bei der es sich um eine im Juli 2009 angekündigte Variante der C90GTi mit höherem Abfluggewicht und zusätzlichen Winglets aus Faserverbundwerkstoffen handelt. Beide Maßnahmen zusammen vergrößern die Nutzlast – auf rund 340 Kilogramm bei vollen Tanks –, steigern die Reichweite und verbessern die Steigleistungen des King-AirEinstiegsmodells. Etwas später, aber noch vor Ende 2010, dürfte dann auch die erste Falcon 900LX in Dienst gestellt werden. Diese Weiterentwicklung des dreistrahligen Langstreckenjets Falcon 900EX weist dank der neuen Blended Winglets an den Flügelspitzen einen um rund sieben Prozent reduzierten Treibstoffverbrauch und damit entsprechend eine größere Reichweite auf. Vom Learjet 85 war bereits die Rede. Äu- ➜ Rollout des ersten Serienexemplars der neuen Cessna Citation CJ4. Phenom 100 beispielsweise steht in Konkurrenz zur Citation Mustang, und die Phenom 300 tritt gegen die nagelneue CJ4 an, deren Zulassung ebenfalls nur noch eine Frage von Wochen ist. Drei Testflugzeuge haben auf gut 1000 Flügen bereits mehr als 1600 Flugstunden absolviert, und am 16. November konnte der Hersteller den Rollout des ersten Serienexemplars feiern. Der achtsitzige Jet, der einen verlängerten CJ3Rumpf mit gepfeilten Tragflächen verbindet, ersetzt bei Cessna die auf der Citation V basierende Encore+. Der Beginn der Auslieferung an die Kunden ist für die erste Jahreshälfte 2010 vorgesehen. Gleiches gilt auch für die King Air C90GTx, Der Learjet 85 soll alle seine Vorläufer an Geschwindigkeit, Kabinenvolumen und Reichweite übertreffen. Neue Geschäftsreiseflugzeuge1) Hersteller Modell Länge Spannweite Höhe Aerion (www.aerioncorp.com) SBJ 45,2 m 19,6 m 7,1 m Bell/Agusta Aerospace Company (www.bellagustaaerospace.com) BA609 14,00 m 18,30 m 4,50 m Bombardier Aerospace (www.bombardieraerospace.com) Global 50003) 29,50 m 28,6 m 7,70 m Global Express XRS3) 30,30 m 28,6 m 7,70 m Learjet 85 20,84 m 18,75 m 5,97 m Cessna (www.cessna.com) Citation CJ4 16,26 m 15,49 m 4,67 m Cirrus Design (www.cirrusaircraft.com) Vision SF50 9,20 m 11,73 m 3,05 m Dassault (www.falconjet.com) Falcon 900LX 20,21 m 21,38 m 7,55 m Falcon 2000LX 20,23 m 21,38 m 7,06 m Diamond Aircraft (www.diamondair.com) D-JET 10,69 m 11,46 m 3,56 m Embraer (www.embraer.com) Phenom 300 15,64 m 15,91 m 5,10 m Legacy 450 19,15 m 20,25 m 6,74 m Legacy 500 20,52 m 20,25 m 6,74 m Legacy 650 26,33 m 21,17 m 6,64 m Gulfstream (www.gulfstream.com) G250 20,30 m 19,20 m 6,50 m G650 30,40 m 30,35 m 7,83 m Hawker Beechcraft Corporation (www.hawkerbeechcraft.com) King Air C90GTx 10,82 m 16,36 m 4,34 m King Air 350i 14,22 m 17,65 m 4,37 m Premier II 14,02 m 13,89 m 4,67 m Honda (www.hondajet.honda.com) HondaJet6) 12,71 m 12,15 m 4,03 m Piper Aircraft (http://piperjet.piper.com) PiperJet 10,29 m 13,49 m 4,8 m SAI (www.saiqsst.com) QSST 40,23 m 19,20 m 6,40 m Spectrum Aeronautical (www.spectrum.aero) S.33 Independence 14,00 m 13,20 m 3,30 m S.40 Freedom 16,50 m 13,20 m 4,10 m Stratos Aircraft (www.stratosaircraft.com) Stratos 714 10,9 m 12,3 m 3,0 m Kabinenlänge Kabinenbreite KabinenCrew / höhe Passagiere 9,0 m 2,0 m 1,9 m 2 / 12 JT8D-219 2 x 87,2 kN 7 408 km2) Mach 1,6 40 823 kg 80 Mio. 4,01 m 1,47 m 1,45 m 2 / 6-9 PT6C-67A 2 x 1 938 PS 1 389 km 509 km/h 7 631 kg k.A. Zulassung 2011 13,92 m 14,7 m 7,54 m 2,49 m 2,49 m 1,85 m 1,91 m 1,91 m 1,80 m 2-3 / 8-17 2-4 / 8-19 2 / 8-10 BR710A2-20 BR710A2-20 PW307B 2 x 65,6 kN 2 x 65,6 kN 2 x 27,13 kN 9 630 km 11 390 km 5 556 km Mach 0,89 Mach 0,89 Mach 0,82 41 957 kg 44 452 kg 15 309 kg k.A. k.A. k.A. Zulassung 3. Quartal 2010 Zulassung 3. Quartal 2010 Indienststellung 2013 5,28 m 1,47 m 1,45 m 1-2 / 8-9 FJ44-4A 2 x 16,01 kN 3 635 km 837 km/h k.A. 8,75 Mio. Erstflug 5. Mai 2008 3,33 m 1,55 m 1,24 m 1/4+2 FJ33-4A-19 1 x 8,46 kN 2 037 km 555 km/h 2 727 kg ca. 1.3 Mio. 10,11 m 7,98 m 2,34 m 2,34 m 1,88 m 1,88 m 2 / 19 2 / 19 TFE731-60 PW308C 3 x 22,3 kN 2 x 31,14 kN 8 890 km 7 408 km Mach 0,75 Mach 0,80 22 226 kg 19 142 kg k.A. k.A. Zulassung 2. Halbjahr 2010 Zulassung 30. April 2009 3,50 m 1,45 m 1,4 m 1/4 FJ33-5A 1 x 8,45 kN 2 500 km 444 km/h 2 580 kg 1,89 Mio Zulassung 2010 5,23 m 6,83 m 8,17 m 15,18 m 1,55 m 2,08 m 2,08 m 2,10 m 1,50 m 1,82 m 1,82 m 1,82 m 1/9 2/9 2 / 12 2 / 14 PW 535E HTF 7500E HTF 7500E AE 3007A2 2 x 3,360 lb 2 x 6,080 lb 2 x 6,540 lb 2 x 9,020 lb 3 334 km 4 260 km 5 560 km 7 223 km Mach 0,78 Mach 0,83 Mach 0,83 Mach 0,80 8 150 kg 24 300 kg 6,85 Mio. 15,25 Mio. 18,40 Mio. 29,50 Mio. Zulassung Dezember 2009 Auslieferung 2013 Auslieferung 2012 Zulassung 2. Halbjahr 2010 7,87 m 14,29m 2,18 m 2,59 m 1,91m 1,95 m 2 / 8-10 2 / 11-18 HTF7250G BR725A1-12 2 x 33 kN 2 x 71,6 kN 6 300 km 12 964 km Mach 0,82 Mach 0,90 17 962 kg 45 179 kg 24 Mio. 64,5 Mio. Rollout 6. Oktober 2009 Erstflug 25. November 2009 3,84 m 5,94 m 4,11 m 1,37 m 1,37 m 1,68 m 1,45 m 1,45 m 1,65 m 1/7 1/9 1/7 PT6A-135A PT6A-60A FJ44-3AP 2 x 550 PS 2 x 1 050 PS 2 x 13,3 kN 2 430 km 3 360 km 3 008 km 500 km/h 580 km/h 876 km/h 4 760 kg 6 804 kg 6 260 kg 3,67 Mio. 6,62 Mio. 7,10 Mio. Zulassung 1. Quartal 2010 Zulassung 4. Quartal 2009 Indienststellung 2012/2013 5,43 m 1,52 m 1,51 m 2 / 5-6 HF120 2 x 8,4 kN 2 185 km Mach 0,72 4) 3,90 Mio. Auslieferung 4. Quartal 2011 k.A. k.A. k.A. 1 / 5-6 FJ44-3AP 1 x 10,7 kN 2 408 km 667 km/h 4) 2,199 Mio. Auslieferung 2. Quartal 2013 8,23 m 2,29 m 1,88 m 2+1 / 8-12 5) 2 x 151 kN > 7 500 km Mach 1,6 - 1,8 69 400 kg 80 Mio. Zulassungsziel 2014 5,50 m 6,50 m 1,50 m 1,80 m 1,50 m 1,80 m 1 / 6-8 1 / 7-10 FJ33-4A-19 HF120 2 x 7,88 kN 2 x 9,32 kN 3 704 km 4 170 km Mach 0,74 Mach 0,77 3 402 kg 4 332 kg 3,945 Mio. 6,795 Mio. 2,90 m 1,43 m 1,46 m 1/3 FJ44-3AP 1 x 13,5 kN 2 779 km 769 km/h k.A. k.A. 1) GEGENWÄRTIG IN DER ENTWICKLUNG BEZIEHUNGSWEISE INNERHALB DER VERGANGENEN ZWÖLF MONATE ZUGELASSEN 2) BEI MACH 1,5 3) NUR NEUE AVIONIK, FLUGZEUGE ANSONSTEN UNVERÄNDERT 4) STEHT NOCH NICHT FEST 5) ZWEI TURBOFAN-TRIEBWERKE, HERSTELLER STEHT NOCH NICHT FEST 6) ARCHIVANGABEN, DA DAS UNTERNEHMEN BIS REDAKTIONSSCHLUSS KEINE INFORMATIONEN ZUR VERFÜGUNG STELLTE Antrieb Leistung/Schub je Triebwerk Reichweite Reisege- max. Start- Preis (US-Dollar) schwindigkeit gewicht ausgestattet 4) 4) Bemerkungen Erstflug Ende 2010 Im Sommer produzierte Spectrum Aeronautical einen ersten S.40-Testrumpf. ßerlich unverkennbar ein Learjet, ist das kommende Topmodell dieser erfolgreichen Businessjet-Reihe eine komplette Neuentwicklung mit einer nahezu vollständig aus Faserverbundwerkstoffen bestehenden Struktur. Obwohl sich Bombardier nach dem Konkurs des deutschen Entwicklungspartners Grob gezwungen sah, Entwurf und Produktion der Verbundwerkstoff-Komponenten deutlich früher als geplant selbst zu übernehmen, hält der kanadische Hersteller am ursprünglichen Zeitplan fest, der erste Auslieferungen an das hauseigene Flugzeug-Teileigentum-Programm Flexjet bereits im Jahr 2012 vorsieht. Leicht, leichter, Very Light Jet Deutlich später als ursprünglich geplant kommt dagegen die Premier II auf den Markt, nachdem Hersteller Hawker Beechcraft im Sommer angekündigt hatte, den Erstauslieferungstermin auf Ende 2012/Anfang 2013 zu verschieben. Die verbesserte Version der Premier I wird ihre Vorgängerin dank stärkerer Triebwerke, eines höheren Abfluggewichts und der Winglets an den Tragflächenenden hinsichtlich Reisegeschwindigkeit, Reichweite und Nutzlast deutlich übertreffen. Das FJ44-3APTriebwerk wurde bereits getestet, und es ist durchaus möglich, dass die erste Premier II noch vor Jahresende ihren Jungfernflug absolviert. Geflogen ist der HondaJet, jedenfalls sein erster Erprobungsträger, seit dem Jungfernflug im Dezember 2003 (!) bereits etliche Male. Doch der zunächst ins Auge gefasste Indienststellungstermin Ende 2010 wird sich nun wohl nicht realisieren lassen. Statt dessen nennt der japanische Hersteller, der den siebensitzigen Jet allerdings in den USA bauen wird, jetzt das vierte Quartal 2011 als voraussichtlichen Auslieferungsbeginn. Anfang 2010 soll ein serienkonformer Prototyp zum Erstflug starten, gefolgt von einem zweiten Exemplar später im selben Jahr. Das als Antrieb gewählte HF120 von GE Honda, das beim HondaJet auf den Tragflächen installiert wird – der Erprobungsträger verfügt noch über zwei von Honda in Eigenregie entwickelte HF-118Triebwerke –, hat Mitte Oktober 2009 erste Testläufe absolviert. Das GE Honda HF120 soll noch in einer weiteren Businessjet-Neuentwicklung zum Einsatz kommen – der S.40 „Freedom“ von 64 www.aerointernational.de 1/2010 Spectrum Aeronautical. Im Juni 2009 wurde der erste Rumpf, der aus einem einzigen großen Faserverbundwerkstoff-Bauteil besteht und zur Überprüfung des Fertigungsprozesses dienen soll, komplettiert. Damit liegt das Programm, ebenso wie das der kleineren, mit FJ33-Triebwerken ausgerüsteten S.30 „Independence“, allerdings erheblich hinter dem Original-Zeitplan, der bereits im Juli 2006 mit dem Absturz der ersten „Independence“ ins Wanken geraten war. Wie viele „Neulinge“ leidet auch Spectrum Aeronautical unter dem ak- i tuell schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, und es bleibt abzuwarten, ob das Unternehmen den nötigen (finanziellen) Atem hat, gleich zwei relativ ambitionierte Vorhaben bis zur Zulassung zu bringen. Klein, kleiner, Personal Jet Per Definition (aufgrund ihres maximalen Abfluggewichts) gehören Citation Mustang und Phenom 100 zu den Very Light Jets, wobei ihre Hersteller Wert darauf legen, dass es sich bei den beiden Mustern um vollwertige Businessjets handelt. Und in der Tat dürften sie gegenwärtig das untere Ende jener Riege von düsengetriebenen Flugzeugen darstellen, die ernsthaft für den kom- INTERVIEW In einer anderen Klasse Claudio Galdo Camelier ist Vice President Market Intelligence für Executive Jets bei Embraer. Achim Figgen sprach mit ihm während der NBAA Convention über den neuesten Businessjet des Unternehmens, die Legacy 650. ?...: Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Flugzeug praktisch nicht von der Legacy 600 ... Camelier: Es handelt sich aber um zwei unterschiedliche Kategorien. Beide Flugzeuge haben sehr große Kabinen mit drei Zonen, sie sind sehr komfortabel, und sie verfügen über das größte während des Fluges zugängliche Gepäckabteil unter allen Businessjets. Aber in vielen Fällen bestimmt die Reichweite, in welche Kategorie ein Flugzeug gehört. Und wegen ihrer Reichweite haben wir die Legacy 600 im „Super Mid Size“Segment eingestuft. Ihre 7200-KilometerReichweite hebt die Legacy 650 in eine andere Klasse. Beide Flugzeuge sind großartig, und wir werden die Legacy 600 weiterhin produzieren, aber die 650 eröffnet uns neue Märkte, Städteverbindungen, die mit der 600 zuvor nicht möglich waren, aber nun mit der 650 möglich werden. Die Legacy 600 hat nach wie vor ihren Markt, aber jenen Kunden, die eine größere Reichweite benötigen und die bislang bei Embraer kein geeignetes Produkt finden konnten, können wir nun die Legacy 650 anbieten. ?…: Nun ist die Legacy 650 nicht unbedingt eine günstige Alternative zu existierenden großen Businessjets … Camelier: Sie meinen bezüglich des Anschaffungspreises? Nein, die Legacy 650 kostet mehr als beispielsweise eine Challenger 605. Das Flugzeug konkurriert mit der Challenger 605, mit Falcon 2000 und 900 sowie mit Gulfstream G350 und G450. Verglichen mit der Challenger 605 verfügt die Legacy 650 über ungefähr dieselbe Reichweite, hat aber eine viel größere Kabine. ?…: Sehen Sie sich mit Vorbehalten beispielsweise von treuen Gulfstream-Kunden konfrontiert? Camelier: Der eine oder andere mag sehr markentreu sein, aber ich denke, dass Embraer dabei ist, das historisch gewachsene Verhalten der Branche herauszufordern. Denn die Person, die bislang eine Gulfstream kaufte, ist ja normalerweise eine sehr kluge Person. Sie hat sich die Gulfstream kaufen können, weil sie ein eigenes Unternehmen geführt und dabei ihr Vermögen vermehrt hat. Eine solche Person steht neuen Dingen und neuen Möglichkeiten sehr offen gegenüber. Die Legacy 650 ist daher für sie ein sehr attraktives Flugzeug, denn sie verfügt beispielsweise über die Kabinenlänge und das Kabinenvolumen einer G450. Die Legacy 650 weist sehr niedrige Betriebskosten auf, hat einen geringeren Treibstoffverbrauch, und auch der Wartungsaufwand ist geringer als bei einer G350 oder G450. Das macht sie zu einer sehr interessanten Alternative. ?…: War es schwierig, firmenintern Gelder für die Entwicklung locker zu machen? Embraer ist ja gegenwärtig auch so nicht gerade unterbeschäftigt … Camelier: Embraer hat jede Menge zu tun. Seit 2005, als wir ins Geschäft mit Geschäftsreiseflugzeugen eingestiegen sind, haben wir sechs neue Jet-Programme gestartet – basierend auf einem sorgfältig erstellten Geschäftsplan. Es gehört zu Embraers Strategie und Vision, zu einer bedeutenden Größe in der Business Aviation zu werden, und wir gehen dabei Schritt für Schritt vor. Intern haben wir Anfang 2008 mit der Entwicklung der Legacy 650 begonnen, also noch vor dem Zusammenbruch des Marktes. Als die Krise begann, suchte jeder nach Möglichkeiten, Kosten zu reduzieren – auch Embraer. Aber wir haben uns entschieden, die Investitionen in die Legacy 650 weiterzuführen. Das Programm war noch nicht angekündigt, wir hätten es also einstellen können, ohne dass es jemand bemerkt hätte. Aber nein, wir haben es beibehalten, weil wir an die Konkurrenzfähigkeit des Flugzeugs glaubten und an den Markt dafür. merziellen Einsatz im Rahmen eines Firmenflugbetriebs oder eines Charteranbieters in Frage kommen. Doch zu den Geschäftsreisenden gehört auch der selbst fliegende Firmeninhaber. Dieser Klientel, die bislang in der Regel hochwertige und -preisige Kolbenmotor-Flugzeuge à la Bonanza nutzte, werden nun seit einiger Zeit einstrahlige so genannte „Personal Jets“ als Alternativen angeboten. Am längsten „im Geschäft“ ist dabei der D-Jet von Diamond Aircraft. Der erste von bislang drei PrototyAerion ist nach wie vor pen flog bereits im April zuversichtlich, einen Partner für den Bau eines 2006, aber wegen des überschallschnellen Businessjets zu finden. schwierigen wirtschaftlichen Umfelds, des Wechsels auf das stärkere FJ33-5A-Triebwerk im km/h schnelle Stratos 714 „neue Maßstäbe Herbst 2008 und der zusätzlichen Arbeit, hinsichtlich Geschwindigkeit, Reichweite die auf Diamond nach der Insolvenz des und Komfort“ (CEO Alex Craig) setzen und Motorenherstellers Thielert durch die Ei- entsprechend Abnehmer finden wird. Im genentwicklung des Austro-Engines-AE300- vierten Quartal 2010 könnte, so der aktuelle Turbodiesels zukam, wurde der Zulas- Planungsstand, ein erstes Exemplar fliegen. sungstermin bereits mehrfach nach hinten verschoben. Aktuell nennt der Hersteller, Überschalljets in der der den maximal fünfsitzigen D-Jet in KanaWarteschleife da entwickeln und bauen lässt, die zweite Jahreshälfte 2010. Das allerdings würde voraussetzen, dass auf die Seriennummer 003, Angesichts der Schwierigkeiten, mit denen die bereits mit dem FJ33-5A-Antrieb fliegt, die meisten Hersteller zu kämpfen haben, recht bald die geplanten serienkonformen kann es nicht überraschen, dass NeuigkeiTestflugzeuge folgen. ten zum Thema Überschall-Businessjet geSechs Personen vermag der PiperJet zu be- genwärtig Mangelware sind. Zumal die Reafördern, dessen Indienststellung ursprüng- lisierung jener beiden Projekte, die als halblich für Ende 2011 vorgesehen war. Inzwi- wegs ernsthafte Unterfangen gelten dürfen, schen nennt der Hersteller aus Florida, der davon abhängt, dass Partner gewonnen Anfang Mai 2009 an das Investmentunter- werden können, die die industrielle Umsetnehmen Imprimis verkauft worden war, Mit- zung der Pläne sicher stellen. Ziemlich bete 2013 als wahrscheinlichen Termin. Die deckt hält man sich in dieser Hinsicht bei neuen Eigner stehen dem Vernehmen nach voll hinter dem PiperJet, der mit seinem einzelnen, in der Seitenleitwerkswurzel inDer Personal Jet Stratos 714 soll stallierten Triebwerk optisch aus dem ge2010 erstmals abheben. wohnten Rahmen fällt und dessen Erprobungsträger seit dem Jungfernflug im Juli 2008 bereits mehr als 230 Flugstunden absolviert hat. Nicht ganz so rosig sieht es gegenwärtig für ein vergleichbares, ebenfalls bereits geflogenes Produkt aus dem Hause Cirrus aus. Die futuristische Vision SF50 soll nach aktuellem Programmstand ab 2012 ausgeliefert werden, aber wenn es dem Unternehmen nicht gelingt, zusätzliches Kapital für den Fünfsitzer aufzutreiben, wird dieser Termin kaum einzuhalten sein. Auch Stratos Aircraft hat sich nicht unbedingt einen günstigen Zeitpunkt ausgesucht, um mit einem Personal Jet auf den Markt zu kommen, doch der Hersteller ist zuversichtlich, dass die aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen gefertigte und nahezu 750 Supersonic Aerospace International (SAI). Das von J. Michael Paulson, dem Sohn des GulfstreamGründers Allen Paulson, ins Leben gerufene Unternehmen möchte mit dem QSST („Quiet Supersonic Transport“) einen Businessjet auf den Markt bringen, der auch über bewohnten Gebieten mit Überschallgeschwindigkeiten fliegen darf. In jüngster Zeit ist es um das Vorhaben allerdings eher ruhig geworden, wohingegen die Konkurrenz von Aerion sich regelmäßig in Erinnerung bringt – ohne allerdings bereits einen Industriepartner für den Bau des „Supersonic Business Jet“ (SBJ) präsentieren zu können. Immerhin kann Aerion-Vice-Chairman Brian Barents auf einen Auftragsbestand verweisen, der sich nach wie vor auf rund vier Milliarden Dollar beläuft. Gerade einmal zwei Kunden hätten ihre Kaufabsichtserklärung für den rund 80 Millionen Dollar teuren Jet zurückgezogen, doch andere Käufer seinen in die Bresche gesprungen. Der von Aerion gewählte Weg, der die Verwendung existierender Triebwerke und Flüge mit bis zu Mach 1,1 ohne Überschallknall gestattet, sei der einzig gegenwärtig praktikable, ein überschallschnelles Geschäftsreiseflugzeug auf den Markt zu bringen, weil man – anders als potenzielle Konkurrenten – eben nicht auf eine Änderung bestehender Vorschriften angewiesen sei. Bleibt Aerion nur zu wünschen, dass die dringend benötigten Partner aus der Herstellerriege recht bald wieder (finanziell) Fuß fassen ... Achim Figgen 1/2010 www.aerointernational.de 65