Streifen waren gestern - ab jetzt wird gepunktet!

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Streifen waren gestern - ab jetzt wird gepunktet!
Jens Mille
Streifen waren gestern – ab jetzt wird gepunktet! 3D-AOI-System ohne
Kompromisse
Einleitung
Vor geraumer Zeit ist die dritte Dimension ebenfalls in das industrielle Umfeld der
Elektronikfertigung eingezogen und seitdem allgegenwärtig. Anfänglich beschränkte
sich der Einsatz der 3D-Technologien noch auf die Kontrolle von Lotpastendruck
durch SPI-Systeme (Solder Paste Inspection) zur Qualitätssicherung in der Fertigung,
um dann wenig später ebenfalls in der Kontrolle von bestückten Leiterplatten
Verwendung zu finden. Genau in diesem Wertegang sind die Limitierungen
konventioneller 3D-AOI (Automatische Optische Inspektion) begründet.
Herkömmliche 3D-Verfahren
Zunächst muss bei den am Markt etablierten 3D-AOI-Technologien zwischen
„Interpretativen Verfahren“ und „Messverfahren“ differenziert werden.
Interpretative Verfahren stützen sich zumeist auf farbige Beleuchtungen aus
unterschiedlichen Einfallswinkeln oder auf Mehrkamerasysteme, bei denen
zusätzliche Kameras aus geneigtem Blickwinkel die Leiterplattenoberfläche
inspizieren. Beide Verfahren setzen auf die Interpretation von Sekundärmerkmalen
wie beispielsweise Reflexionen der Oberfläche und liefern keine Messwerte. Echte
Höheninformationen können nicht gewonnen werden, bestenfalls Informationen über
den Anstiegswinkel der reflektierenden Flächen, z.B. bei farbiger Ringbeleuchtung.
Im Gegensatz dazu liefern Messverfahren echte Höhenwerte, könne also tatsächlich
eine dreidimensionale Bewertung der Szene bieten. Konkret basieren alle in der
Qualitätssicherung elektronischer Baugruppen eingesetzten 3D-Messtechnologien auf
Triangulation.
Bei der Triangulation handelt es sich um eine geometrische Messmethode zum
optischen Vermessen von Höhen, welche auf dem exakten Erfassen von Winkeln
innerhalb von Dreiecken basiert.
Umgesetzt wird dieses Verfahren, indem eine Lichtquelle (Streifenprojektion oder
Laserlichtquelle) die zu vermessende Oberfläche beleuchtet und ein Aufnahmesensor
(CCD- oder CMOS-Kamera) die Szene aus einem anderen Winkel betrachtet. Da
Strahlrichtung und Abstand zwischen Kamera und Lichtquelle bekannt sind, kann
hieraus die Geometrie des zu vermessenden Objektes bestimmt werden, wobei die
Messgenauigkeit u.a. vom Abstand zwischen Lichtquelle und Kamera abhängig ist. Je
größer dieser Abstand und somit der Triangulationswinkel ist, umso höher ist die
erzielbare Höhenmessgenauigkeit.
Entsprechend der jeweiligen Lichtquelle sind die auf Triangulation basierenden
Verfahren in Laserscanningverfahren mittels Punkt- oder Linienlaser sowie
Streifenprojektionsverfahren zu unterteilen.
Anders als das Laser-Triangulationsverfahren, welches aufgrund einer sehr geringen
Flächenleistung nur äußerst selten zum Einsatz kommt, ist die Streifenprojektion das
am weitesten verbreitete 3D-Messverfahren. Dies ist auch dem Aspekt geschuldet,
dass die Streifenprojektion sich in der Lotpastenkontrolle als bewährte Messmethode
durchsetzen konnte.
Dennoch: unabhängig von der Art der „Lichtquelle“ bleibt der Triangulationswinkel
bedeutsam für die Genauigkeit des Messsystems und ist verantwortlich für die
Limitierungen.
3D-AOI: was bisher geschah
Wo bei der Lotpastenkontrolle nur relativ flache Topographien von wenigen 100
Mikrometern vorkommen und vermessen werden müssen, ist die Situation bei
bestückten Leiterplatten eine andere.
Das Ziel eines jeden AOI-Anwenders ist es, eine komplette Testabdeckung der
Baugruppe zu erreichen. Allerdings, und das haben alle AOI-Systeme gemein,
müssen die zu prüfenden bzw. zu messenden Merkmale „sichtbar“ sein. Nicht
visualisierbare Merkmale können auch nicht bewertet werden.
Ein gängiges Szenario auf bestückten Leiterplatten sind Bauteilschluchten, welche
durch die räumliche Nähe von sehr hohen Bauteilen entstehen können. Beispiele sind
hohe Komponenten wie Elkos oder Steckerleisten neben niedrigen Bauteilen wie
Chip-Komponenten oder ICs. Hat der Anwender Inspektionsaufgaben im nächsten
Umfeld hoher Bauteile durchzuführen, stößt er bei Streifenprojektion sehr schnell an
die Grenzen des technisch Machbaren. Gleiches gilt übrigens bei hohen
Packungsdichten, wo selbst niedrigste Komponenten durch minimale BestückAbstände Schatten erzeugen. Wie in Abbildung 1 dargestellt, werden Bauteile durch
ihre unmittelbaren Nachbarn abgeschattet, was wiederum eine Messung der im
Schatten liegenden Komponenten unmöglich macht. Die Schattenproblematik der
Streifenprojektion ist hinlänglich bekannt, so dass mittlerweile durch
unterschiedlichste Ansätze versucht wurde, diesen Aspekt zu umgehen - Allerdings
ohne Erfolg. Selbst Mehrprojektor-Lösungen, die aus bis zu acht Richtungen die
Baugruppe ausleuchten, können Abschattungen nicht verhindern. Andere
Lösungsansätze, beispielsweise der Einsatz von Mehrkamerasystemen, unterliegen
den Limitierungen der Streifenprojektion, da es technologisch keinen Unterschied
macht, ob Kamera oder Lichtquelle orthogonal zur Baugruppe angebracht sind.
Abbildung 1: Triangulation mit Abschattungen in Bauteilschluchten
Ein anderes nicht zu vernachlässigendes Problem ist die Abhängigkeit der
Streifenprojektion vom Reflexionsverhalten der zu vermessenden Oberflächen.
Triangulationsverfahren sind nur zur Vermessung von stark streuenden Oberflächen
geeignet. Spiegelnde Oberflächen wie z.B. metallische Komponenten können nicht
vermessen werden. Das ist insbesondere dann von Nachteil, wenn die Koplanarität
eines Bauteils gemessen werden muss.
DIE Lösung: 3D-AOI ohne Kompromisse
GÖPEL electronic, ein führender deutscher Mess- und Prüfmittelhersteller mit Sitz in
Jena, hat sich der Herausforderung gestellt und eine völlig neue, in der Elektronik
weltweit einzigartige 3D-Messtechologie entwickelt. Die erstmals auf der SMT 2014
unter den Namen „Telecentric Multi Spot Array“ – kurz TMSA – vorgestellte
Technologie eliminiert die bekannten Probleme herkömmlicher 3D-AOI-Systeme und
ermöglicht dem Anwender auch unter schwierigsten Bestückungssituationen
zuverlässig zu messen.
Möglich macht das zum einen das telezentrische Objektiv, zum anderen die
orthogonal aufgebaute Messanordnung (vergl. Abbildung 2).
Anders als bei Streifenprojektion können alle orthogonal sichtbaren Merkmale auch
tatsächlich vermessen werden. Selbst in tiefsten Bauteilschluchten, Bohrungen,
Steckern usw. lassen sich reale Messwerte gewinnen.
Abbildung 2: TMSA-Technologie
Das schattenfreie Verfahren lässt Messungen direkt an Bauteilkanten zu und zeigt
sich ebenfalls robust bei unterschiedlichsten Oberflächen. So können stark
reflektierende Objekte (wie zum Beispiel DIEs) oder aber auch stark absorbierende
Flächen (wie zum Beispiel IC-Gehäuse) zuverlässig vermessen werden. Des Weiteren
stellen variierende Farben und Lackeigenschaften auf Leiterplatten, wie es bei
unterschiedlichen Leiterplattenlieferanten oder Leiterplattenchargen vorkommen
kann, keine Einschränkungen dar.
Ein weiterer essentieller Unterschied zur Streifenprojektion ist, dass anstatt eines
Streifenmusters ein Messpunkt-Array mit mehr als 50000 Einzelpunkten auf die
Baugruppe projiziert wird. Jeder einzelne der Messpunkte liefert eine
Höheninformation mit einer Wiederholgenauigkeit von besser als 5 µm.
Um eine flächige Abdeckung mit Messwerten zu erreichen wird der Messkopf über
die Baugruppe bewegt und je nach gewünschter Genauigkeit eine definierte Anzahl
von Spot-Arrays aufgenommen. Der Anwender hat die Möglichkeit, die laterale
Auflösung je nach Messaufgabe zwischen 10 – 30 µm zu variieren, wodurch der
Anwender jederzeit flexibel bleibt, um eine optimale Balance zwischen
Messgenauigkeit und Messgeschwindigkeit erreichen zu können.
Abbildung 3: TMSA auf bestückter Baugruppe
Da bei hohen Messgenauigkeiten ebenfalls hohe Datenmengen entstehen, setzt die
TMSA-Technologie auf die derzeit schnellste Daten-Übertragungsrate, die bei ca.
25facher Geschwindigkeit des aktuellen GigE-Standards liegt.
Die Datenverarbeitung erfolgt auf bis zu 960 Kanälen parallel, so dass zwischen
Messung und Anzeige der Messwerte keinerlei Wartezeiten durch interne
Datenverarbeitungsprozesse entstehen und Ergebnisdaten flächendeckend und an
jeden gewünschten Bedienplatz zur Verfügung gestellt werden können.
Die Kombination des derzeit schnellsten Übertragungsstandards und der
parallelisierten Verarbeitung der Rohdaten können Messgeschwindigkeiten von bis zu
70 cm²/sec. erreicht werden, was selbst für 2D-AOI-Systeme einen Spitzenwert
darstellt.
Integriert in das 3D-Messmodul „3D•EyeZ“ kommt die revolutionäre TMSATechnologie im gesamten Portfolio der GÖPEL electronic AOI-Systeme zum Einsatz.
Nicht nur in High-End Inline-AOI-Systemen ist diese Technologie verfügbar, sondern
ebenfalls in Stand-Alone-Systemen mit manueller Beladung. GÖPEL electronic ist
somit der erster Messtechnikhersteller weltweit, der eine komplette 3D-AOIGeräteserie anbietet.
Abbildung 4: Advanced Line 3D
Messfunktionen
Welche Aufgaben muss ein AOI-System erfüllen können, um den hohen Ansprüchen
in der Qualitätssicherung gerecht zu werden?
Zum einen sind klassische Aufgaben wir Bestückkontrolle in Form von Anwesenheitund Polaritätsprüfung durchzuführen und, wenn das AOI nach dem Lötprozess
eingesetzt wird, eine Lötstellenkontrolle. Ebenfalls sollen Tombstones und Billboards
sicher detektiert werden. Bei Fine-Pitch ICs ist die größte Herausforderung die
zuverlässige Erkennung von Lifted Leads. All dies sind jedoch Prüfaufgaben, welche
auch mit herkömmlichen AOI-Systemen unter Einsatz der Schrägblickinspektion
abgedeckt werden können.
Die Verwendung der TMSA-Technologie ermöglicht dem Anwender zusätzlich eine
qualitative Bewertung der Löstellen. Als fundierte Gut-/Schlecht-Entscheidung kann
somit z.B. der Lot-Anflusswinkel oder das Lotvolumen mit hinzugezogen werden.
Dies erfolgt z.B. durch die Definition von Schnittebenen, in welchen die
Wertermittlung erfolgt (Abbildung 5).
Abbildung 5: Eingefügte Schnittebene
Zusammenfassung
Bislang mussten sich die Anwender von 3D-AOI-Systemen mit Streifenprojektion mit
dem Umstand abfinden, dass es bei hohen Packungsdichten und im nächsten Umfeld
hoher Bauteile zu Abschattungen kam und in diesen Bereichen Messungen unmöglich
waren. Auch Mehr-Projektor- oder Mehr-Kamera-Systeme können die technologisch
bedingte Situation nicht verhindern. Spiegelnde Oberflächen und variierende
Leiterplattenfarben steigern darüber hinaus den Pflegeaufwand bereits fertiger
Prüfprogramme.
Dank der innovativen TMSA-Technologie und dem Messmodul 3D•EyeZ steht ein
orthogonales und telezentrisches Messprinzip zur Verfügung, welches auch in
Bauteilschluchten zuverlässige Messungen ermöglicht (Abbildung 6). Robust gegen
sämtliche Oberflächenvariationen von Leiterplatte und Messobjekten reduziert die
Technologie den Programmieraufwand auf ein Minimum.
Abbildung 6: Messwert-Rekonstruktion (Links) der Baugruppe (Rechts)
Durch den kompakten Aufbau des Messkopfes kann dieser in verschiedene AOISysteme von GÖPEL electronic integriert werden, womit der Anwender aus einer
vollständigen 3D-Serie das passende System für seinen Einzelfall auswählen kann.
Damit können alle Anwender von High-Mix bis High-Volume auf die zuverlässige
Technologie „Made in Germany“ zurückgreifen. Nachrüstlösungen für bereits
bestehende GÖPEL electronic AOI-Systeme sind ebenfalls in Entwicklung und
werden als Upgrade zur Verfügung stehen.
Streifen waren gestern – ab heute wird gepunktet!