Dokumentation Basisschulung „Schwierige Teilnehmer/innen“
Transcription
Dokumentation Basisschulung „Schwierige Teilnehmer/innen“
Dokumentation Basisschulung „Schwierige Teilnehmer/innen“ Umgang mit aggressiven und hyperaktiven Kindern auf Ferienfreizeiten Jugendherberge Melsungen 20.-23.11.2003 IJAB/transfer-Trainingsseminare in Kooperation mit - AWO Ferienwerk Rhein-Neckar, Andrea Kunitsch BAG Katholische Jugendferienwerke, Manfred Fuß Diakonisches Werk Bayern, Holger Kalippke Naturfreundejugend Deutschlands Synergie Soziale Bildung, Siggi Gleich Schulungsprogramm Schwierige Teilnehmer 20.11.03 – 24.11.03 in Melsungen Donnerstag 20.11.03 Datum/Uhrzeit Was bis 13.00 Uhr Anreise Teilnehmer 13.30 Uhr Seminarstart Offizielle Begrüßung Vorstellung Teamer Vorstellung Haus Vorschlag Schulungsprogramm Klärung der Anredeform 14.15 Uhr Kennenlernen Atomspiel Einschätzungen Namensspiel 15.00 Uhr Kaffeepause 15.30 Uhr Impuls zum Thema Einführung in Thematik Lebenssituation der Teilnehmer Lebenssituation der Teamer Partizipation in der Organisation 1) Endpunkt des Inputs: - Ferienfreizeit ist eine Stresssituation für die Teilnehmer Folge: - Wir müssen für Stressabbau sorgen und reduzieren Auffälligkeiten - Teamer müssen den Teilnehmern Verhaltenssicherheit geben - Teamer müssen den Teilnehmern klare Gestaltungsräume geben 2) Endpunkt des Inputs: - Ferienfreizeit ist eine Stresssituation für die Teamer Folge: - Der Veranstalter muss für Stressabbau sorgen - Der Veranstalter muss den Teamern Verhaltenssicherheit geben Der Veranstalter muss den Teamern klare Gestaltungsräume geben 18.00 Uhr 19.00 Uhr Ab 20.00 Uhr 3) Endpunkt des Inputs Wir müssen durch unser Handeln die Systembedingten „Auffälligkeiten bei den Teilnehmern“ reduzieren. Abendessen Seminarkontrakt Was möchte ich am Sonntag auf jeden Fall mitnehmen bezogen auf die Themen Clustern nach Tagen Was darf nicht passieren auf dieser Schulung? Wie vereinbaren sich meine Erwartungen mit der vorgeschlagenen Tagesstruktur? Interaktionsspiele Freitag, 21.11.03 Datum/Uhrzeit 08.00 Uhr 09.00 Uhr 09.15 Uhr – 12.00 Uhr dazwischen Kaffeepause 12.00 Uhr 14.00 Uhr 18.00 Uhr 19.00 Uhr Ab 20.00 Uhr Was Frühstück Kick/Tagesschau Thema Aggression Selbstwahrnehmung: Was ist aggressives Verhalten? Was kann ich in konkreten Situationen tun? Vorstellung von Aggressionstrainings Mittagessen Texteinstieg: Gefühlswelt eines hyperaktiven Kindes Rollenspiele aus der Welt eines Hyperaktiven Kindes zur Sensibilisierung Vorstellung der Hyperaktivenfreizeit der AWO Abendessen Ggf. Fortsetzung der thematischen Arbeit bei Zeitverschiebungen Schlussfolgerungen für unsere Arbeit Nachtwanderung der JH Melsungen Samstag, 22.11.03 Datum/Uhrzeit 22.11.03 08.00 Uhr 09.00 Uhr 9.15 – 12.00 Uhr 12.00 Uhr 14.00 Uhr 14.30 Uhr 18.00 Uhr 19.00 Uhr 21.00 Uhr Was Frühstück Kick/Tagesschau Referat zur Hyperaktivität Mittagessen Kurzinput zu Verbalen Aggression Arbeitsauftrag zur Bausteinentwicklung - Herausgreifen eines der beiden Themenkomplexe - Baustein einer Grundschulung (kurz) - Baustein einer Aufbauschulung (lang) - Aggressionskoffer - .... Abendessen Weiterarbeit an den Bausteinen Geselliges Beisammensein Sonntag, 23.11.03 Datum/Uhrzeit Wer 08.00 Uhr Frühstück 09.00 Uhr Kick/Tagesschau 09.15 Uhr Präsentation der Bausteine mit Feedbackrunden und Möglichkeiten der Umsetzung im Alltag 11.00 Uhr Seminarauswertung 12.00 Uhr Mittagessen Danach Abreise Einführung in die Thematik Zur thematischen Orientierung hilft die Aufschlüsselung des Begriffes „schwierige Teilnehmer in die Begriffe - Teilnehmer - Schwierig (Auffällig), um sie dann in den thematischen Bezug zum Feld „Ferienfreizeiten“ zu setzen. Schwierige (auffällige) Teilnehmer schwierig (auffällig) Teilnehmer 1) Der Begriff „Teilnehmer“ - Wie sieht der Lebensalltag von Kindern und Jugendlichen aus? Kinder und Jugendliche haben in der heutigen Zeit einen sehr „vielfältigen“ und anstrengenden Tagesablauf zu bewältigen. Während es lange Zeit sehr klare und wenige verschiedene soziale Räume gab, in denen sich die Kinder und Jugendlichen aufhielten, sind diese in der heutigen Zeit oftmals vielfältiger und mit mehr Verpflichtungen verbunden. Diese Räume sind sowohl bewusste Erziehungsinstanzen als auch „erziehungslose“ Räume. Orientiert am Schaubild „Tagesablauf von Kindern und Jugendlichen“ kann ein möglicher Tagesablauf nachvollzogen werden. Dies führt zu folgenden Anmerkungen: - Im Laufe eines Tages treffen die Kinder und Jugendlichen auf vielfältige Erziehungsinstanzen - Diese Erziehungsinstanzen sind selten in ihren Zielen und in ihrem Handeln aufeinander abgestimmt und aufbauend - Die klassische Erziehungsinstanz „Elternhaus“ nimmt zunehmend einen immer kleiner werdenden Raum im Tagesablauf ein - Die klassische Erziehungsinstanz „Elternhaus“ verändert sich - Die Erziehungsinstanzen greifen immer früher ins Leben der Kinder- und Jugendlichen ein. - Wie sieht deren Bedürfnislage aus? In jeder dieser sozialen Räume müssen Kinder und Jugendliche sich in Bereichen wie - Regeln - Gruppe / Rollen - Erziehungsstil der Betreuer / Lehrer - Angebote orientieren. Hierbei gilt es, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche in Einklang zu bringen mit der Entwicklung und dem Ziel der Gesamtgruppe. Die Bedürfnispyramide von Maslov beschreibt sehr gut das aufeinander Aufbauen von Bedürfnisgruppen, die zum Einfinden eines Einzelnen in eine Gruppe, einen Sozialraum befriedigt / geklärt sein müssen und parallel in einer Gruppe geklärt werden müssen, damit diese zur Gruppe werden kann. Dies führt zu folgenden Anmerkungen: - Menschen, die zusammen sind, machen einen Gruppenprozess durch. - Dieser wird bestimmt durch die Bedürfnislage des Einzelnen und das Zusammenspiel der Menschen - Jeder Mensch/ jede Gruppe kann in der Bedürfnishierarchie nur eine Stufe nach oben klettern, wenn die aktuelle Bedürfnisebene befriedigt und geklärt ist. - Die Summe der Menschen (Gruppe) kann sich produktiv nur eine Ebene nach oben entwickeln, wenn alle Bedürfnisse in der Gruppe geklärt und befriedigt sind. - Wie entwickelt sich eine Gruppe? - Phasenmodell - Der Prozess muss die handelnden Menschen (Leiter, Pädagogen,...) aktiv gesteuert werden, sonst steuern ihn die Teilnehmer. - Verknüpfung: - Kinder und Jugendliche bewegen sich im täglichen Ablauf in verschiedenen Erziehungs- und Betreuungsräumen. - Diese können sehr unterschiedlich gestaltet und geregelt werden. - In jedem Erziehungsraum sucht das Kind/ der Jugendliche seinen Platz (=Befriedigung seiner Bedürfnisse und seinen Platz in der Gruppe) - Durch die vielen Instanzen und die immer geringere Zeit in ihrer „Basisinstanz“ besteht die Gefahr, eine Grundorientierung zu verlieren bzw. gar nicht zu entwickeln. Für die Ferienfreizeit bedeutet dies: - Kinder und Jugendliche freuen sich auf die Ferien, haben aber ein hohes innerlichen Stressmoment am Beginn der Ferienfreizeit (Maslov) - Die Ferienfreizeit ist ein ungewohnt konstanter Raum: 1-3 Wochen am selben Ort, in derselben Gruppe, mit denselben Erziehern / Betreuern bedarf einer großen Umstellung für die Teilnehmer/innen. - Die pädagogische Aufgabe einer Ferienfreizeit liegt in der Berücksichtigung der Teilnehmerbedürfnisse im Kontext zur Entwicklung des Gruppenprozesses. Für unser Thema bedeutet dies: Wenn ich bei den Rahmenbedingungen nicht sauber arbeite und die Grundbedürfnisse den Teilnehmer nicht im Gruppenprozess berücksichtige und befriedige, besteht die Gefahr, dass ich den Stress, den die Teilnehmer mitbringen erhalte oder sogar steigere und schwierige Situationen schaffe. 2) Der Begriff „Schwierig“ - Verhaltensweise = Handlung - Subjektive Wertung (schwierig, klasse,... Verhaltensweise) - Diese Wertung erfolgt durch den Betreuer - In Abhängig von: - Lebenswirklichkeit des Betreuers - Wo und wie ist er aufgewachsen? - Erfahrung als Betreuer - Anzahl und Verantwortungsgrad in bisherigen Freizeiten - Erfahrung im Umgang mit Menschen / mit der Zielgruppe - Offener Mensch / andere Funktionen in der Jugendhilfe,... - Körperlichen Konstitution des Betreuers - Belastbarkeit - Teamarbeit - Austausch, Meinungsbild der anderen über die Teilnehmer - Ausbildung der Betreuer - Schulungsinhalte des Trägers - Berufl. Ausbildung - Vorwissen über die Teilnehmer - Schaffe ich Vorurteile? - Enge ich meine Gelassenheit ein? - Was muss ich wissen? Für die Ferienfreizeit bedeutet dies: - Teilnehmer wirken durch ihre Verhaltensweisen - Die Bewertung der Verhaltensweise liegt in der Situation - Gehandelt wird auf der Basis der Situation, nicht wegen des Hintergrundes des Teilnehmers Für unser Thema bedeutet dies: Betreuer müssen auf schwierige Verhaltensweisen vorbereitet sein. Betreuer müssen präventiv arbeiten können (Basis: Gruppenpädagogik / Maslow) Der Veranstalter muss dies bei der Planung der Rahmenbedingungen im Blick haben. Zusammenfassung: Jede Ferienfreizeit besteht aus einer Summe von Verhaltensweisen. Die Bewertung der Verhaltensweisen nehmen die Beteiligten vor. Ziel in unserem Zusammenhang: Reduzierung der schwierigen Verhaltensweisen von Teilnehmern durch gute Planung und Prävention. Aggression Hintergrund In der Literatur unterschieden. wird zwischen einem weiteren und engeren Aggressionsbegriff Der weiter gefasste Aggressionsbegriff geht meinst vom lateinischen Ursprung des Wortes aggredi (herausgehen, begreifen, sich annähern, unternehmen) aus. Hierbei wird das Problem gesehen, dass dann der Begriff Aggression im Grunde dieselbe Bedeutung hat wie Aktivität. Tatkraft und zerstörende Aktivitäten werden so in einen Topf geworfen. Die meisten Autoren bevorzugen deshalb einen engeren Aggressionsbegriff. Aggression ist danach ein Verhalten, dessen Ziel - eine Beschädigung eine Verletzung eine Einschüchtern (Angsteinflößung) eines anderen Menschen ist. Hierbei ist die Schädigungsabsicht wichtig, nicht unbedingt aber das Ziel der Handlung. Aggressiv handelt, wer andere Personen zu verletzten versucht oder zu verletzen droht. Dies ist unabhängig von der Ursache für das Handeln und dem Ziel, das mit dem Handeln verbunden ist. Diese beiden Punkte müssen nicht und stehen meist nicht in einem Verhältnis zueinander. Woher kommt aggressives Verhalten? Nach lernpsychologischer Sichtweise werden Aggressionen, wie jedes andere Verhalten auch, gelernt. Es gibt demnach keine Triebe oder spezifischen Auslöser, die Aggressionen hervorrufen, sondern es handelt sich um Lernprozesse (Bandura). Hierbei können dieselben Lernprinzipien herangezogen werden, wie sie auch für andere soziale Verhaltensweisen gelten. Eine wichtige Rolle spielen dabei Formen der Verstärkung dieser Verhaltensweisen: 1) Positive Verstärkung Mit Aggression wird ein Ziel z.B. Anerkennung erreicht. 2) Negative Verstärkung: Ein bedrohliches Verhalten wird durch aggressives Verhalten erfolgreich verringert, beziehungsweise beseitigt. 3) Selbstverstärkung Wenn aggressives Verhalten von Kindern geduldet wird, wirkt die „stillschweigende“ Zustimmung verstärkend. Neben der Verstärkung bildet das „Lernen am Modell“ (Bandura) bei der Erklärung des Erlernens aggressiver Verhaltensweisen einen 2.Aspekt. Nach Huesmann werden soziale Verhaltensweisen zu einem großen Teil schon während der frühen Entwicklung eines Menschen gelernt. Bei der Beobachtung des Verhaltens anderer Menschen speichert das Kind Verhalten und Wirkung dieser als mögliche Handlungsabläufe für sich. Wenn eine Situation diesen eingespeicherten Mustern nahe kommt, überprüft das Kind eine mögliche Übernahme dieses Verhaltens unter Einbeziehung eigener Normen und möglicher Konsequenzen für sein Handeln. Wenn es dementsprechend handelt, wird es bestraft oder belohnt (=Verstärkung). Hat das Kind während seiner Sozialisation keine Normen und Werte erfahren und gelernt (=internalisiert), die diesem aggressiven Verhalten widersprechen, glaubt es, dass es normal ist, sich so zu verhalten und wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit aggressiv verhalten. In vielen Fällen steht hinter Aggression der Versuch ein bestimmtes Problem zu lösen, das bewusst oder unbewusst in der Person vorhanden ist. Mögliche Aggressionsziele: - Reaktion auf Verhalten anderer Reaktion auf Aggression anderer Beachtung / Aufmerksamkeit durch andere finden Durchsetzung eigener Wünsche und Interessen, die mit den Wünschen anderer im Konflikt stehen. ... Damit kann Aggression sowohl zielgerichtet auf die betreffende Person, die mit der Ursache der Aggression zu tun hat, als auch wahllos sein. Bei den Formen von Aggression können unterschieden werden: - physische Form: Schlagen, Töten, körperliches Bedrohen - verbale Form: Schimpfen, Spotten, verbale Attacken, mimische Ausdrucksweisen - emotionale Formen: Ärger, Wut , Hass. Dem Ausbruch der Aggression geht ein steigender Stresszustand voraus, der sich aus der tatsächlichen Ursache entwickelt. Je nach Situation und Konstitution führt dies langsamer oder schneller zu sichtbarem, aggressivem Verhalten. Dieser Stresszustand erzeugt ein Ungleichgewicht im Energiehaushalt des Betroffenen. In der Regel strebt der innere Energiehaushalt nach einem Ausgleich und dieser ist nun nicht mehr gegeben. Aggression kann hier – im Verständnis des bisherigen Textes – eine Form der Suche nach dem Ausgleich sein. Der Ablauf ist vom inneren Ablauf her vergleichbar mit einem Glücksgefühl, das je nach Stärke, Emotionen und Energie freisetzt, und auch zur Entlastung des inneren Energiehaushaltes führt. Bezug zu Ferienfreizeiten Ausgangspunkt für diese Konkretisierung sind die Überlegungen zum Begriff „Auffällige Teilnehmer“. a) Die Betreuer einer Ferienfreizeit kennen die Kinder / Jugendlichen in der Regel nicht, mit denen sie in Ferien fahren. Von daher wissen Sie nichts über Lebenshintergründe und Verhaltsweisen in deren Alltag. b) Reagieren kann der Betreuer nur auf (aggressive) Verhaltensweisen, die er sieht, die ihm auffallen. Von daher muss in der Gruppe sehr präsent sein, um zeitnah reagieren zu können. c) Ziel seiner 1. Intervention muss das Herausnehmen der Aggression oder der Energie aus der Situation sein. Dies muss schon auf dem Hintergrund geschehen, dass die Pflicht besteht, die anvertrauten Teilnehmer vor seelischen und körperlichen Schäden zu schützen. d) Erst wenn die an der Situation beteiligten Kinder/ Jugendlichen/ Parteien ihren Energiehaushalt wieder ausgeglichen haben, kann der Betreuer eine sinnvolle Gesprächssituation erzeugen. e) Die Aufgabe in Ferienfreizeit darf nicht der Versuch des Therapierens sein, denn hierzu Bedarf es spezieller Ausbildungen und Gruppenformen. f) In der Gesprächssituation geht es um das Ergründen des eigentlichen Problems, das hinter dem auffälligen Verhalten steht. g) In der Gesprächssituation müssen beide in gleicher Form zu Wort kommen können ohne vom anderen unterbrochen zu werden (Das Opfer hat mindestens dasselbe Rederecht wie der Täter). h) Nach der Klärung des Problems muss eine umsetzbare und zeitnahe Vereinbarung getroffen werden. i) Die Umsetzung sollte durch den Betreuer nachgeprüft werden. j) Es muss nicht alles ausdiskutiert werden. Manche auffälligen Situationen lassen sich schnell und ohne lange Gespräche regeln. k) Wichtig ist aber, dass durch das Einschreiten der Betreuer den Teilnehmer(inne)n deutlich wird, dass diese Verhaltensweisen so nicht gewünscht sind. l) In der Ferienfreizeit müssen jeweils Lösungen für die einzelnen Situationen, die zu auffälligem Verhalten geführt haben, gefunden werden. Dies kann bedingt durch die lange Zeit, die die Feriengruppe im Verhältnis zu sonstigen Gruppen im Alltag der Kinder und Jugendlichen andauert, auch zum Hinterfragen Partizipation von eigenen Verhaltensweisen führen, muss aber In der Orientierungsphase können nicht. m) Tauchen auffällige Verhaltensweisen gehäuft auf (Beleidigungen, körperliche Auseinandersetzungen,...), sollte dies in der ganzen Gruppe thematisiert werden und sich auf eine gemeinsame Regel im Rahmen der Gruppenregeln verständigt werden. n) Diese beschriebenen Aspekte kann man in einem 5 Stufen Handlungskonzept darstellen: 1.Stufe Situation sehen 2.Stufe Gefahr für Körper und Seele abwenden 3.Stufe Energiehaushalt ausgleichen helfen die Gruppenregeln zusammen mit den Teilnehmern (Plenum) erarbeitet werden und so auf eine breite Basis gestellt werden. Damit bekommen die Regeln bei auffälligen Verhaltensweisen eine tiefere Bedeutung und deren Entwicklung aufgrund von Ereignissen wirkt nicht aufgesetzt. In diesem Kontext sind die Betreuer auch Teilnehmer der Ferienfreizeit und können ihre Wüsche und Bedürfnisse mit einbringen. 4.Stufe Ursache mit den Betroffenen zeitnah erforschen 5.Stufe Lösung finden (+ nachfragen, ob die Lösung erfolgreich war) o) Anmerkung zu Stufe 1 Keine p) Anmerkung zu Stufe 2 Wenn der Betreuer die Situation gesehen hat, gilt es auf jeden Fall dazwischen zu gehen, wenn körperliche und seelische Gefahren drohen. Dazwischen gehen heißt: Die Parteien zu trennen. Dies kann sich sehr schwierig gestalten. Auf dem Seminar haben wir folgende Formen benannt: - Das Verhalten des Betreuers muss authentisch sein - Ein lauter Pfiff, ein lauter Knall, Trillerpfeife - Verbale Aufforderungen in steigender Lautstärke - Körperlich einschreiten und mit Händen trennen - Je nach Intensität der Auseinandersetzung einen zweiten Teamer rufen oder durch Teilnehmer rufen lassen - ...... q) Anmerkungen zu Stufe 3 Es gibt verschiedenste Möglichkeiten den Einstieg in dieser Stufe zu schaffen. Eine Möglichkeit ist der Hinweis auf abgesprochene Regeln, die in der Situation nicht eingehalten wurden. Zur Beruhigung können die Betroffenen auch erst einmal getrennt eine Runde um das Haus laufen oder auch langsam bis 10 zählen und dabei langsam durchatmen. Auch hilfreich sind überraschende Bemerkungen: „Wenn ihr weiterkämpfen wollt, könnt ihr das, aber nur mit mir als Schiedsrichter und mit meinen Regeln“, oder „Lasst uns erstmal eine Cola trinken und dann über alles sprechen“ oder „Beiß erst Mal in den Apfel und dann sehen wir weiter“ oder „Ich kann aber lauter schreien als du“. Diese Aussagen können die betroffenen Kinder oder Jugendlichen aus der Fassung bringen und die Situation entschärfen. r) Anmerkungen zu Stufe 4 Die Dauer und der Zeitpunkt für die Ursachenerforschung hängen von der jeweiligen Situation ab. In der Regel sollte diese unter Mitwirkung aller Beteiligten sehr zeitnah zur schwierigen Situation erfolgen. Wichtig hierbei ist, dass jede der Personen die Situation aus seiner Sicht darstellen kann. Verständnisfragen sind wichtig und nötig. Wenn es „Täter“ und „Opfer“ gibt muss das „Opfer“ mindestens dieselbe Aufmerksamkeit erhalten wie der „Täter“. s) Anmerkungen zu Stufe 5 Wenn das ursächliche Problem benannt wurde, haben die beteiligten Personen sich auch wieder so beruhigt, dass nun gemeinsam über Lösungen nachgedacht werden kann. Hier kann jeder Vorschläge machen und diese werden gemeinsam besprochen und bewertet. So kristallisiert sich zunehmend eine Lösung heraus, die alle Betroffenen mittragen können. Diese wird per Handschlag besiegelt. Der Betreuer sollte nach einer Zeit nachfragen, ob die Lösung hilfreich war. Frageformen: Es gibt offene und geschlossene Fragen. Alle „W“ – Fragen (Wer, wie, was, wo, wann, warum,...) sind offene Fragen ermöglichen freie Antworten mit neuen Aspekten. Fragen die mit einem Verb beginnen, sind meist Entscheidungsfragen, die ein Ja oder Nein, meist ohne weitere Informationen zur Folge haben. t) Wie aus dem Spiel Ernst wird Gerade im Alter zwischen 7 und 12 Jahren kommt es oft zu körperlichem Kräfte messen. Diese oft im Spaß beginnenden Kämpfe und Rangeleien können nach einer Zeit auch in ernste Kämpfe übergehen, ohne dass die Beteiligten dies selber registrieren. Für den Betrachter ist es oftmals schwierig, den richtigen Punkt zwischen Gewähren und Einschreiten zu treffen. Vielleicht können mit den Kindern dieser Altersgruppe ein paar Regeln abgesprochen werden, die das Verletzungsrisiko auf ein Minimum reduzieren und viel Energie benötigen. Bewährt haben sich aus meiner Sicht folgende Regeln: 1) Es wird auf einem weichen Untergrund in einem abgesteckten Feld mit Schiedsrichter gekämpft! 2) Wenn ein Kämpfer „Halt“ oder „Stop“ sagt, ist sofort Schluss! 3) Zu Beginn stehen die beiden Kämpfer gegenüber und geben sich dann die Hände, gleiches gilt auch am Schluss! 4) Es wird nicht getreten oder geschlagen 5) Füße kämpfen nur mit Füßen 6) Kopf, Hals und Unterleib sind tabu. 7) Wenn die Kampffläche verlassen wird, muss neu begonnen werden. Bei diesen Regeln müssen fast alle Kinder neue Griffe und Formen entwickeln, so dass oftmals auch die vermeintlich Schwächeren eine gute Chance haben, Pluspunkte zu erzielen. Formen der Punktewertungen entwickeln die Kinder meist selber. u) Wenn Aggression in der Luft liegt Es gibt Tage in der Ferienfreizeit, an denen man merkt, dass Gereiztheit oder Unzufriedenheit in der Luft liegt. Ursachen können „schlechtes Wetter über einen längeren Zeitraum“ oder „schlechtes Essen“ oder auch zuwenig Schlaf bei den Teilnehmern und / oder bei den Betreuern sein. Diese atmosphärischen Momente sollte das Team wahrnehmen und durch aktive Programmpunkte (Sport, erlebnispädagogische Spiele,...) abbauen helfen, damit nicht die Gefahr von vielen kleinen Aggressionsherden die Gruppe zu sehr belastet. Abschlussbemerkung In der Vorbereitung sollte das Team den Themenkomplex „Auffällige Teilnehmer / auffällige Situationen“ in sehr unterschiedlichen Facetten behandeln. Sowohl unter dem Aspekt der Gestaltung der Rahmenbedingungen als auch in der Einstiegsphase in die Ferienfreizeit lassen sich viele Grundlagen legen, auffälliges bis hin zu aggressivem Verhalten zu reduzieren. Durch das Einüben in Form von Rollenspielen und Situationsbesprechungen können die Teamer Sicherheiten im Umgang mit diesen auffälligen Verhaltensweisen erhalten, die ihnen in der konkreten Freizeitsituation helfen können, besonnen und angemessen zu agieren. Gleichzeitig entwickelt das Team so eine gemeinsame Handlungslinie, die zu gegenseitigem Vertrauen im Team selber und zur Klarheit gegenüber den Teilnehmern führt. Auffällige / aggressive Verhaltensweisen gehören zu jeder Form von Freizeit. Hierauf kann und sollte sich ein Betreuer ebenso einstellen wie auf die vielen Ideen, die er der Ferienfreizeit umsetzen möchte. Workshop Kampfsport „Kampfsport“ HaNi Vorausschauender Abbau von Spannungen und Aggressionen in Gruppen Vorbemerkung: HaNi ist anders als die Spiele bisher, kein in sich geschlossenes Spiel zum Sofort - Spielen, sondern ist eine Methode, sich mit entwickelnden Spannungen zwischen einzelnen Teilnehmern der Gruppe vorausschauend zu befassen. Dies ist notwendig, da es in jeder Gruppe unabhängig von der Gruppen-Phase und -Zusammensetzung zu Auseinandersetzungen und problematischen Momenten kommt. HaNi hilft dabei, körperliche Anspannung und Konfliktpotential bei den beteiligten Personen zu reduzieren, ohne sich dabei zu verletzen, aber mit der Möglichkeit des „Kampfes“. Das Vorausschauende bei diesem Prinzip ist der spielerische- und sportliche Aspekt von HaNi. HaNi kann in der Anfangsphase einer Ferienfreizeit oder Gruppe als „Kampfsport“ Projekt angeboten werden. Ablauf: Es wird eine Fläche von 4x2 m oder 4x3 m abgegrenzt. Optimal sind 4-6 blaue Turnmatten (1x2 m) zusammengelegt zu einer Fläche. Zwei Teilnehmer müssen nun unter Einhaltung der Regeln versuchen, ihr Gegenüber auf die Matte zu legen, bis dieser durch das Rufen von HaNi (=Halt) die Kampfsituation beendet. Der Schiedsrichter des Kampfes verwendet die Begriffe HaNi (=Halt) und NiJa (Los, weiter) als Anweisungen. Grundregeln: - HaNi – Kämpfer sind intelligente Menschen, deshalb verletzen sie keinen anderen! - Beide Kämpfer müssen den Kampf wollen und die Regeln des HaNi kennen. - Die beiden Kämpfer legen den Kampfplatz fest. Der Untergrund darf nicht zu Verletzungen führen. - Die beiden Kämpfer legen die Kampfzeit (max. 3 Minuten) fest. - Die beiden Kämpfer benennen einen Schiedsrichter. - Die beiden Kämpfer stellen sich gegenüber auf und verharren für 3 – 4 Sekunden still und schauen ihr Gegenüber an. Der körperlich kleinere Kämpfer gibt durch das Rufen von „NiJa“ das Startzeichen. - Unter Einhalten der Regeln wird der Kampf durchgeführt. - Wenn ein Kämpfer nicht mehr kann oder möchte, sagt er deutlich „HaNi“ (Halt / Nein). Sofort ist die Aktion beendet. Wenn er den Kampf ganz beenden möchte, kann er dies durch ein weiteres HaNi bekunden. - HaNi – Kämpfer sind intelligente Menschen, deshalb verletzen sie keinen anderen! Kampfregeln: 1) HaNi (=Halt / Stopp) durch Schiedsrichter oder Kämpfer hat Vorrang vor allen anderen Aktionen! 2) Es wird nur mit Händen und Füßen gekämpft! 3) Berühren des Kopfes (incl. Hals) und des Unterleibes ist verboten! 4) Die Füße dürfen nur mit den Füßen des Gegners kämpfen! 5) Treten und Schlagen ist verboten! 6) Der Kampf wird neu in der Mitte begonnen, wenn ein Kämpfer die Matte verlässt oder der Kampf durch HaNi unterbrochen wurde! 7) Der Kampf ist beendet, wenn die vereinbarte Zeit erreicht ist oder einer der beiden Kämpfer den Kampf vorher beendet hat. 8) Punktewertung: - Wenn der Schiedsrichter den Kampf aufgrund eines Fehlers eines der Teilnehmer unterbricht, erhält der den Punkt, der keinen Fehler begangen hat. (Matte verlassen, Hals oder Kopf des Gegners als Kampffläche benutzen, Treten oder Schlagen, ...) - Unterbricht ein Kämpfer eine Handlung mit HaNi, so reduzieren sich die Minuspunkte des anderen Kämpfers. - Nach dieser Wertung gewinnt der mit den wenigsten Minuspunkten. Anmerkungen zu den Regeln: - - - HaNi schließt beim Kampf alle verletzungsgefährdeten Körperteile aus. Der Unterleib ist ebenso tabu wie der Kopf. Bereiche, die Kinder gerne angreifen bei Auseinandersetzungen. Durch HaNi (= Halt) als zentrale Regel bestimmt der Schwächere / der Unterlegene das Ende des Kampfes. Durch die Einschränkung der Aktionsmöglichkeiten sind die Teilnehmer gezwungen, neue Griffe und Auseinandersetzungsmöglichkeiten zu entwickeln. Alle diese Griffe und Kampfformen bedeuten aber einen sehr hohen Energieeinsatz ohne Verletzungsfolgen. Diese Kampfform bietet Teilnehmern, die Konflikte miteinander haben, die Möglichkeit mit- / gegeneinander Dampf abzulassen. HaNi ersetzt nicht die verbale Klärung eines Konfliktes, bietet aber die Möglichkeit aus der eigentlichen Stresssituation herauszufinden. Ein für die Teilnehmer wichtiges Thema ist die Frage des Sieger / Verlierers. Vor allem in der Anfangsphase ist dies zur Orientierung wichtig. Umsetzung Einführung ins HaNi! HaNi ist eine Kampfsportart, die aus dem Nepal im Himalaja stammt. Hier lebte das kleine Volk der Sehraner, das die Kampfsportart HaNi erfunden hat. Die Sehraner waren ein friedliebendes Volk und ihr Bestreben war es, aufkommende Konflikte, Streitereien und Auseinandersetzungen sofort zu lösen, ohne sich dabei aber zu verletzen oder ungerecht miteinander zu sein. Deshalb war ihnen die körperliche Auseinandersetzung zur Entspannung und zum Abbau von Aggressionen sehr wichtig, um dann mit Kopf und Verstand gemeinsam den Streit im Interesse aller Beteiligten auf friedliche und durchdachte Art zu lösen. Hieraus entwickelte sich mehr und mehr eine Sportart, die die Sehraner zur Stärkung der Muskeln und zur Entwicklung eigener Schnelligkeit nutzten. Auf den Straßen und Plätzen gab es kleine Flächen, wo die Sehraner ihre Kämpfe – sei es aus Spaß oder auf Grund eines Vorkommnisses – austrugen. Da alle Sehraner auch gleichzeitig die Fähigkeiten zum Schiedsrichter hatten, konnten diese auch spontan als Schiedsrichter aushelfen. Meist halfen sie dann auch bei der Lösung des dahinter stehenden Konfliktes oder Streites. So konnten viele Probleme der Sehraner schnell und vor Ort gelöst werden. Es gab aber auch Streitereien, die auf diesem Weg nicht zu lösen waren. Diesen Sport wollen wir jetzt kennen lernen und ausprobieren. Vielleicht hilft er uns in unserer Gruppe über manche schwierige Situation hinweg. 1.Schritt: Einüben der Begriffe HaNi = Halt und NiJa = Weiter. (Die Begriffe auf große Papierbögen mit der Bedeutung schreiben) Zu jeder Sportart gehört das Aufwärmen. Hierbei werden die Kommandos nur mit HaNi und NiJa gegeben und Spiele eingebaut, in denen die Teilnehmer diese Begriffe oft nennen müssen. Aufwärmspiele: - Staffeln - Bewegungen nachmachen - Laufen (bei HaNi (Stopp) in der Bewegung verharren, in der der Einzelne gerade ist). 2.Schritt: Erklären der Regeln und Abläufe durch einen „Schaukampf“ Bei mehreren Betreuern sollten diese den Schaukampf bestreiten, damit für die Teilnehmer die Ernsthaftigkeit des Sportes deutlich wird. 3.Schritt: Aufteilen in mehrere Gruppen (Anzahl orientiert sich an der Menge der Übungsplätze). Die Kämpfe sollten kurz (30 Sekunden bis 1 Minute) sein, damit die Teilnehmer oft drankommen und die Regeln verinnerlichen. Möglichkeit: Alle Kleingruppenmitglieder sitzen auf der Erde um den Kampfplatz. Jeder hat eine Nummer. Der Gruppenleiter nennt ein Nummernpaar, das in der Mitte beginnt. Bei Nennung eines neuen Nummernpaares wechseln entsprechend die Kämpfer in der Mitte. So kommt jeder dran und die Paare sind unterschiedlich. 4.Schritt: Nach den ersten Übungen in den Kleingruppen sollten die Teilnehmer auch zügig das Amt des Schiedsrichters übernehmen. 5.Schritt: In den Kleingruppen sollten Griffe und Techniken überlegt werden, die im Rahmen der Regeln erfolgreich sein. 6.Schritt: In der Gesamtgruppe werden die einzelnen Techniken vorgestellt und erklärt. 7.Schritt: Abschlussturnier: Falls der Altersunterschied oder die körperliche Konstitution in der Gruppe sehr groß sind, kann die Gruppe in Alters- oder Gewichtsklassen aufgeteilt werden. Verschiedene Gruppeneinteilungen sind möglich, wobei jeder die Chance auf mehrere Kämpfe haben sollte. Neben der Einteilung sollten Absprachen über Kampfdauer und Schiedsrichterbesetzung getroffen werden. Spaßig und den Wert der Sportart steigernd ist ein Einlagewettbewerb der Gruppenleiter und Betreuer. Siegerehrung innerhalb einer Party 8.Schritt: Auswertung mit der Gruppe unter Einbeziehung der Einführung - Wie hat euch der Tag gefallen? - Führen wir eine Ecke ein, in der sich die Teilnehmer unter Einhaltung der Regeln körperlich messen können? Dies gilt sowohl für Stresssituationen als auch einfach so. - Das körperliche Messen (HaNi) ersetzt kein gemeinsames friedliches Suchen nach Lösungen für Konfliktsituationen, es hilft aber, einen klaren Kopf zu bekommen und erste Aggressionen und ersten Stress geregelt abzubauen. Sollen wir HaNi nutzen? - Vielleicht hilft uns als Teamer / Betreuer ab und an eine Runde HaNi auch mal weiter?! - Die Begriff HaNi (Halt oder Nein) gilt nicht nur für den Kampfsport. Er gilt auch in unserem Zusammensein. Wenn einer in Situationen Stopp sagt, heißt dies auch für den anderen STOPP! NICHT WEITER! HALT! HÖR AUF! 9.Schritt: Umsetzung von HaNi im Rahmen der Absprachen des Teams oder der Vereinbarungen unter Schritt 8. 10.Schritt: Durchführen eines weiteren Turniers zu einem späteren Zeitpunkt oder Aufbau einer Rangliste mit interessierten Teilnehmer(inne)n. Anmerkungen: - Kinder und Jugendliche brauchen die körperliche Auseinandersetzung. Jungen vielleicht mehr als Mädchen. Ein Regelwerk für eine Ferienfreizeit oder Gruppe sollte dies berücksichtigen. - HaNi bietet die Möglichkeit, sich in einem Regelrahmen ohne Verletzungsrisiko körperlich auseinanderzusetzen und sich zu messen. Dies kann nach einer Einübungsphase auch ohne Betreuer geschehen. - Mädchen sind auch an solchen Formen interessiert, möchte dies aber gerne ohne das Zuschauen der Jungen ausprobieren. - Mit dem Schaffen eines „Rangelbereiches“ in der Ferienfreizeit wird diesem Bedürfnis ein fester Platz gegeben. - Denkbar ist auch, dass die Betreuer in Stresssituationen untereinander den Weg auf die Matte suchen. - Aufbauend auf HaNi muss bei realen Konfliktsituationen das Gespräch mit den beteiligten Konfliktparteien / -personen folgen. - HaNi ist anstrengend und fordert Puste und Kondition! Abschlussbemerkung: Bei HaNi kann jeder seine eigene Kreativität zur Weiterentwicklung einsetzen. Grundsätzlich sollte klar sein, dass Konflikte, Streit und der Wunsch nach körperlicher Auseinandersetzung so normal für eine Ferienfreizeit oder Gruppe sind, wie die die vielen entspannten Momente. Einstiegstext als Alternative zu einem Rollenspiel für das Thema „Hyperaktivität“ Es ist Nachmittag in Lohnsburg. Die Teilnehmer sind in ihren Neigungsgruppen. Im Aufenthaltsraum werden Armbändchen geknüpft. Timo rutscht nervös auf seinem Stuhl hin und her. Seit zehn Minuten hat er das Perlgarn vor sich liegen; hat zwei Knoten gemacht, schaut aus dem Fenster, spielt mit der Bastelschere, lässt sie liegen, blättert das Eselsohr aus dem Buch heraus, macht ein neues auf der anderen Seite hinein und blickt wieder auf sein halbfertiges Bändchen. Ihm ist langweilig. Sarah nimmt die Schere. „Gib sie wieder zurück!“, ruft Timo, „ich will die Schere.“ „Ich nehm’ sie nur ganz kurz“, erwidert Sarah. „Ich will die Schere zurück – gib her.“ Timo schreit. Die Teamerin kommt dazu. „Gleich bekommst du sie doch zurück, Timo!“ „Ich will sie jetzt!“, entgegnet der und fängt an zu weinen, „Sarah du blöde Kuh!“. Die Teamerin beruhigt Timo und 5 Minuten später ist es wieder vergessen. Aber Timo mag nicht mehr weiter knüpfen. Er läuft um den Tisch herum, schaut auf dieses und jenes Bändchen, nimmt zwei Perlen vom Tisch. „Hey, die brauch ich jetzt Timo…“ Timo lacht und rennt mit den Perlen in der Hand aus dem Zimmer… Später sitzt er wieder auf seinem Stuhl und will sich erneut an seinem Armband versuchen. In diesem Moment erhebt die Teamerin ihre Stimme „So, bald gibt’s Abendessen, wir räumen jetzt auf.“ Timo fühlt sich schlecht. Einmal mehr hat er nur etwas Halbfertiges, während die anderen mit ihren tollen Bändchen zum Abendessen gehen… Außerdem mag Sarah ihn jetzt vermutlich auch nicht mehr. Das hyperkinetische Syndrom (HKS) Das Fachbuch für Kinder –und Jugendpsychiatrie beschreibt das HKS als eine zusammenfassende Bezeichnung für Störungen/ Schwierigkeiten, deren auffälligste Merkmale eine erhöhte motorische Aktivität, Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität sind. Dieser definierenden Trias von Symptomen wird vielfach das Merkmal der Erregbarkeit als ein weiteres, viertes Kardinalsymptom hinzugerechnet! Bereits 1845 beschrieb Heinrich Hoffmann in seinem Buch „der Struwwelpeter“ mit der Figur des „ Zappelphilips“ das Phänomen des überaktiven Kindes. Abgrenzung ADS und HKS Eine Aufmerksamkeitsstörung kann auch ohne Hyperaktivität auftreten. Im deutschsprachigen Raum setzte sich speziell für dieses Störungsbild immer die Bezeichnung Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) durch. FAZIT: Kurzfassung: Dem HKS liegt also immer ein ADS zugrunde. Andererseits ist das ADS nicht gleichzeitig ein HKS. ADS= Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom HKS oder auch ADHS= ADS mit Hyperaktivität Häufigkeit des HKS: Die jüngste Studie, die 1988 durchgeführt wurde, ergab eine Prävalenz von 9% bei Jungen und von 3,3% bei Mädchen (aller schulpflichtigen Kinder). Ursachen genetische Veranlagung Nahrungsmittelunverträglichkeit/Zusätze Bewegungsmangel soziale Einflüsse Diagnoseerstellung Anamnese (frühkindlich-motorische Entwicklung) Verhaltensbeobachtung/Berichte von Eltern/Lehrern Bewertung dieser und Erhebung der aktuellen Symptomatik durch spezielle Erhebungsbögen + Beurteilungsskalen evtl. weitere neurologische und psychologische Untersuchungen (z. B. EEG - Defizit der funktionalen Hirnreifung) psychologische Testdiagnostik wegen evtl. Leistungsüberforderung vom IQ her Symptomatik des Hyperkinetischen Syndroms Die Symptome müssen für mehr als sechs Monate bestehen und vor dem siebten Lebensjahr bereits aufgetreten sein. Aufmerksamkeitsstörung Leicht ablenkbar Hört nicht zu Keine Ausdauer Wechselt rasch die Spielideen Beendet oft Begonnenes nicht Koordinationsstörungen Motorisches Ungeschick Impulsivität obligat Handelt unüberlegt Keine Planung Stört beim Spielen Fremdsteuerung notwendig Kann schwer abwarten Affekt-Inkontinenz aufgrund emotionaler und vegetativer Labilität fakultativ Leistungsprobleme Hyperaktivität Bewegungsdrang Zappelt viel Unruhiger Schlaf Ruhelos Redseligkeit, Lärmen Störung Sozialverhaltens Selbstunsicherheit Frustrationsintoleranz Aggressivität des Folgen des Hyperkinetischen Syndroms Beurteilung durch Umgebung Erziehungsschwierigkeiten Umgang mit Gleichaltrigen Schulleistungen Selbstbild Entwicklungsverlauf antisozialen Verhaltens Delinquenz Schulprobleme Probleme mit Gleichaltrigen soziale Defizite Frühe Adoleszenz kognitive und motivationale Probleme Aggressionen 11. Lebensjahr Trotzverhalten Hyperaktivität schwieriges Kind prä- und perinatale Faktoren 3. bis 4. Lebensjahr 1. bis 3. Lebensjahr Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom und ein Konzept für eine Ferienfreizeit mit betroffenen Kindern Einleitung 1. Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom 1.1 Ursachen 1.2 Symptomatik 1.2.1 Basismerkmale 1.2.2 Sekundärmerkmale 1.3 Diagnostik 1.4 Therapiemöglichkeiten 1.4.1 nicht-medikamentöse therapeutische Maßnahmen 1.4.2 medikamentöse Therapie 1.5 pädagogische Grundsätze im Umgang mit ADS-Kindern 2. Das Freizeitkonzept 2.1 Prämisse 2.2 Rahmenbedingungen 2.2.1 Team 2.2.2 Teilnehmer 2.2.3 Haus und Umgebung 2.3 Teamvorbereitung 2.3.1 Inhalte 2.3.2 pädagogisches Konzept 2.3.3 organisatorisches Konzept 2.4 Zusammenfassung Literaturverzeichnis Copyright by Dennis Lackner Einleitung So kontrovers sich die fachliche Debatte zwischen Ärzten, Psychologen und Pädagogen bezüglich des in dieser Hausarbeit dargestellten Phänomens gestaltet, so vielfältig sind auch die ihm in den vergangenen Jahrzehnten gegebenen Bezeichnungen. Sprach man früher häufiger von einer Impulskontrollstörung, der „minimalen cerebralen Dysfunktion“ (MCD) oder dem „hyperkinetischen Syndrom“1 (HKS), so sind inzwischen die Begriffe „AufmerksamkeitsDefizit-Syndrom“ (ADS) und „Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störung“2 (ADHS) im deutschsprachigen Raum die wohl gebräuchlichsten. Bei der Diagnose dieses vor allem bezüglich seiner Ursachen und Therapie sehr streitbaren Störungsbildes wird sowohl in dem Klassifikationssystem psychischer Störungen DSM IV, als auch von den meisten Fachleuten eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Typen getroffen. In DSM IV werden diesbezüglich ein überwiegend unaufmerksamer Typus, ein überwiegend hyperaktiv-impulsiver Typus und ein Mischtypus aus den ersten beiden genannt3. Dem folgend unterscheiden viele Autoren zwischen Kindern mit ADS mit beziehungsweise ohne Hyperaktivität4, gewissermaßen also zwischen den „Zappelphilippen“ und den „Träumern“5. Ein großes Problemfeld bezüglich ADS stellt die Schule dar, da hier gerade solche Fähigkeiten besonders gefordert sind, an denen es Kindern mit ADS mangelt. Weil diese Arbeit jedoch auf Freizeitpädagogik ausgerichtet ist, wird auf das Thema Schule und Lernen im Speziellen hier nur am Rande eingegangen. Wie schon angedeutet gehen die Theorien über die Ursachen von ADS dahingehend auseinander, ob das Phänomen nun in erster Linie biologisch, psychologisch, sozial oder einer wie gewichteten Mischform daraus bedingt sei, und ob es demzufolge überhaupt als Störung, Krankheit oder Syndrom klassifiziert werden sollte (vgl. hierzu 1.1). Weitgehende Einigkeit besteht jedoch in seinem Gegenstand: Ausgehend von einem Verständnis von Konzentration und Aufmerksamkeit als „gute Kontrolle des Handelns oder der Denkprozesse“6, funktioniert diese Kontrolle bei von ADS betroffenen Kindern in irgendeiner Weise schlechter als bei anderen. Vertreter einer primär biologischen Kausalität sehen dies in einer neurobiologischen „Störung der Informations- und Wahrnehmugsverarbeitung“7 begründet, die wiederum zu Störungen vor allem im kindlichen Sozialverhalten, Lernverhalten und der gesamten Entwicklung führen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ADS kein einheitliches Störungsbild ist, von dem jemand entweder betroffen ist oder nicht, sondern die verschiedenen Symptome individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Mit der Problematik der Diagnose, der Ursachendebatte, den Symptomen von ADS und dem pädagogischen Umgang damit werde ich mich nun im ersten Teil dieser Arbeit genauer auseinandersetzen, um darauf aufbauend dann im zweiten Teil ein Konzept für eine Ferienfreizeit vorzustellen, deren Strukturen Kindern mit ADS entgegenkommen sollen. 1 Czerwenka 2002, S.130 Goetze 2001, S.133 3 ebd., S.134 4 Aust-Claus/Hammer 2002, S.16 5 ebd., S.7 6 Czwerwenka 2002, S.17 7 Aust-Claus/Hammer 2002, S.6 2 1. Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom 1.1 Ursachen ADS sei „kein Erziehungsfehler und keine gewollte Marotte der Kinder – ADS ist eine Störung mit neurobiologischen Besonderheiten in den Informations-Verarbeitungs-Prozessen unseres Gehirns“8, davon gehen die Vertreter einer primär biologischen Ursachenerklärung aus. Belegt wird diese These eines genetisch bedingten hirnorganischen Ursprungs von ADS folgendermaßen9: Das gesamte Denken, Empfinden, Erleben, Lernen und Handeln eines Menschen ist immer das Ergebnis von komplizierten Verarbeitungsprozessen eines riesigen neuronalen Netzwerkes, seinem Gehirn. Am Anfang eines solchen Prozesses steht stets die Reizaufnahme über die Sinne, und weil in jedem Augenblick unzählige Reize zugleich auf den Menschen einströmen erfolgt dabei bereits eine unbewusste Selektion momentan relevanter Reize, damit sein Bewusstsein nicht von einer Informationsflut überrollt wird. Zur Weiterverarbeitung ins Bewusstsein gelangt dadurch folglich normalerweise nur das, was für den betreffenden Menschen gerade von Bedeutung ist, womit er sich gerade beschäftigt beziehungsweise worauf er sich gerade konzentriert, alles übrige wird entweder ganz ausgeblendet oder ist im Vergleich zu den momentan relevanteren Reizen schwächer kontrastiert. Diese Selektion und Kontrastierung funktioniert nun bei Kindern mit ADS nicht angemessen, anstatt einen Fokus auf bestimmte Reize setzen zu können ist ihre Art der Informationsaufnahme eher mit einem Weitwinkelobjektiv vergleichbar. Dadurch werden die auf sie einströmenden Reize unsortiert erfasst und einzelne Reize heben sich somit nicht ausreichend aus der Menge hervor. Für diese Kinder ist es infolgedessen viel schwieriger, Übersicht über eine Situation zu gewinnen und zu behalten oder ihre Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt zu fokussieren. Ebenso führt diese Art der Wahrnehmung zur Verzerrung oder dem Verlust wichtiger Informationen, was wiederum die Weiterverarbeitung erschwert und so häufig zu nicht angemessenen Reaktionen führt. Als neurobiologische Ursache für diese Störung der Wahrnehmungsverarbeitung gilt hierbei ein meist erblich bedingter Neurotransmittermangel im Gehirn des Betroffenen. Neurotransmitterstoffe wie Dopamin und Noradrenalin sorgen für die chemische Weiterleitung von Signalen zwischen den unzähligen miteinander vernetzten Nervenzellen des menschlichen Gehirns, diese sollen bei ADS-Kindern nicht ausreichend produziert werden und ihnen somit die Selektion und Kontrastierung von Reizen erschweren. An diesem Punkt setzt auch die unter 1.4.2 genauer beschriebene medikamentöse Therapie von ADS an, die mit Psychostimulantien eine erhöhte Produktion von Neurotransmittern bewirken und dadurch die biologischen Voraussetzungen zum Ausgleich des Aufmerksamkeits-Defizits schaffen will. Für den Laien führt die Auseinandersetzung mit diesem Thema jedoch zu Verwirrung, denn während die Mehrheit der Experten die oben beschriebene Kausalitätskette als erwiesen und unstrittig darstellen, erklären einige andere wiederum, der „Dopaminmangel kann wissenschaftlich nicht als Ursache nachgewiesen werden“10 und sehen das hirnorganische Erklärungsmodell als eine Tautologie11. Für Amft beispielsweise handelt es sich bei ADS überhaupt nicht um eine Krankheit, sondern lediglich um „eine behaviorale Beschreibung eines sozial unerwünschten Verhaltens“12. Ähnlich sieht auch Mattner in der ADS-Debatte eine „Biologisierung kindlichen Verhaltens“13, wodurch ein vom Erwünschten abweichendes kindliches Verhalten zum krankhaften deklariert wird, und fordert eine vielschichtigere 8 ebd., S.18 ebd. S.101-120 10 Hüther/Bonney 2002, S.57 11 Amft 2002, S.52 12 ebd., S.48 13 Mattner 2002, S.36 9 Betrachtungsweise, welche die Lebensumwelt des Kindes und seine psychosozialen Entwicklungsbedingungen stärker berücksichtigt. Hüther und Bonney widerlegen eine Informationsverarbeitungsstörung aufgrund eines vererbten Neurotransmittermangels als eigentliche Ursache von ADS folgendermaßen14: Das menschliche Gehirn verändere sich lebenslang, und dies in Abhängigkeit des Angebots der Umwelt, weswegen seine Entwicklung und auch verschiedene Fehlentwicklungen nie rein biologisch, sondern immer auch sozial und kulturell bedingt seien. Da das neuronale Netzwerk also lebenslang durch individuelle Nutzungsbedingungen geformt wird, sind die Gehirnanomalien bei ADS-Kindern demnach nicht die Ursache, sondern vielmehr die Folge einer bestimmten Nutzung. Diese Argumentation kann zu einem multikausalen Erklärungsmodell (solche bio-psycho-sozialen Modelle werden heute auch in der klinischen Psychologie im Allgemeinen bevorzugt) führen, welches eine mehr oder weniger stark vorhandene genetische Vulnerabilität anerkennt, aber ebenso psychologischen und sozialen Faktoren bei der kindlichen Entwicklung eine große Bedeutung hinsichtlich dessen zumisst, ob und inwieweit eine solche Vulnerabilität zum Tragen kommt. Davon ausgehend ist auch die Ausbildung dieser Störung durch präventive Maßnahmen zu verhindern oder einzugrenzen15. Dass ADS in den letzten Jahrzehnten in unglaublich großer und immer weiter ansteigender Zahl diagnostiziert und behandelt wird (einheitliche Zahlen sind hier nicht zu finden, sie reichen jedoch bis zu 8%), gilt für viele Vertreter einer überwiegenden Umweltbedingtheit als Ausdruck für die sich auf verschiedenste Art und Weise ungünstig auswirkenden Bedingungen und Anforderungen, unter denen ein Kind in unserer modernen Gesellschaft aufwächst. Das Krankheitsbild ADS könnte in diesem Zusammenhang also selbst als ein Symptom gesehen werden, nämlich das einer „kranken Gesellschaft“16, die ihren Kindern zu schlechte Entwicklungsvoraussetzungen bietet und gleichzeitig zu viel Anpassung abverlangt. 1.2 Symptomatik Das Störungsbild des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms stellt sich nicht besonders einheitlich da, neben allen Schattierungen zwischen hyperaktiv und verträumt ist auch der Ausprägungsgrad der Symptomatik unterschiedlich hoch und der Übergang von einem einfach nur „aufgedrehten“ Kind zu einem mit ADS ist fließend17. Typische Verhaltensweisen bei ADS treten demnach auch bei allen anderen Kindern auf, der Unterschied ist mehr quantitativer denn qualitativer Natur, liegt also in der Häufigkeit und der Intensität des Auftretens18. Bei der Beschreibung des Störungsbildes wird oft unterschieden zwischen Basismerkmalen, also jenen, die direkt auf die neurobiologischen Besonderheiten des Kindes zurückzuführen sind, und Sekundärmerkmalen, unter denen häufig auftretende Folgeerscheinungen der Basismerkmale zusammengefasst werden. 1.2.1 Basismerkmale19 Die Basismerkmale werden unter den diagnostischen Kriterien für ADS in den Klassifikationssystemen DSM IV und ICD 10 in folgende drei Hauptgruppen unterteilt: 1. Unaufmerksamkeit Hierunter versteht man altersunangemessene Aufmerksamkeitsprobleme in Form einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne, leichter Ablenkbarkeit, geringer Konzentrationsfähigkeit, Abwesenheit und Vergesslichkeit. Vor allem lange gleichbleibende Stimulation wird wenig toleriert und führt zu verschiedenen Verhaltensweisen dieser zu entgehen, wohingegen dem Kind interessant erscheinende Stimulationen durchaus seine Aufmerksamkeit binden können. 2. Impulsivität 14 Hüther/Bonney 2002, S.60ff ebd., S.82 16 ebd., S.84 17 Aust-Claus/Hammer 2002, S.68 18 Spallek 2001, S.41 19 Goetze 2001, S.133ff 15 Impulsivität äußert sich beispielsweise in der Ungeduld des Kindes und seiner mangelnden Fähigkeit abwarten zu können. ADS-Kinder leben häufig „im Hier und Jetzt“ und reagieren impulsiv auf Reize anstatt ihre Handlungen vorauszuplanen („handeln ohne nachzudenken“). Dementsprechend sind auch ihre Problemlösungsprozesse häufig verkürzt und ineffizient, oft nach dem Versuch-und-Irrtum-Verfahren. 3. Hyperaktivität In dem Merkmal der Hyperaktivität ist die Unterscheidung zwischen ADS und ADHS im Wesentlichen begründet, wobei wie bereits angesprochen auch Mischformen häufig vorkommen. Hyperaktivität meint einen allgemeinen Aktivitätsüberschuss des Kindes, der sich hauptsächlich in einem großen Bewegungsdrang, motorischer Unruhe und einem starken Redefluss zeigt. 1.2.2 Sekundärmerkmale Aus Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität ergibt sich nun das potentielle Auftreten einer ganzen Reihe von Sekundärmerkmalen20, welche ich im Folgenden kurz zusammenfassen werde. - Ungehorsam, das heißt Anweisungen und Regeln werden vergleichsweise häufig nicht befolgt aufgrund der Impulsivität und der mangelnden Selbstkontrolle des Kindes, oder weil die Informationen schlicht nicht richtig wahrgenommen wurden. Darüber hinaus können die Erfahrungen des Kindes mit Eltern und Lehrern zum Teil auch bewusst oppositionelles Verhalten erzeugen. - übersteigerte Aufmerksamkeitssuche aufgrund eines erhöhten Bedürfnisses des Kindes nach Wahrnehmung in seinem Umfeld, wobei aufmerksamkeitssuchendes Verhalten in Konkurrenzsituationen mit anderen Kindern besonders stark auftritt und hier besonders störend wirken kann. - Schulprobleme aufgrund der besonderen Informationsverarbeitung des ADS-Kindes und den sich daraus ergebenden Konzentrationsschwierigkeiten; erschwerend kommt noch hinzu, dass mit dem organisatorischen Rahmen von Schule und Unterricht für dieses oft schwer zurechtzukommen ist. Die Schulschwierigkeiten des Kindes, die relativ unabhängig von seiner Intelligenz und Begabung sind, führen dann zu Frustration und daraus folgender sinkender Leistungsmotivation – es gerät in eine Art Teufelskreis aus negativen Lernerfahrungen und Motivationslosigkeit21. - Emotionale Probleme hat das Kind einerseits aufgrund der Vielzahl frustrierender Erfahrungen, die es wegen seiner Verhaltensbesonderheiten tagtäglich machen muss, sei es in Form von ständiger Kritik und Zurechtweisung durch Erwachsene, der Ablehnung anderer Kinder, schulischen oder anderen Misserfolgserlebnissen – all dies trägt zu einem sich ständig verschlechternden Selbstbild des Kindes bei und wirkt sich auf seine als störend empfundenen Verhaltensweisen in der Regel verstärkend aus. Andererseits hat auch die Art seiner Informationsverarbeitung selbst direkte Auswirkungen auf das Gefühlsleben des ADS-Kindes, welches sich generell sehr intensiv gestaltet und das Kind relativ starken Stimmungsschwankungen unterwirft, außerdem ist die Frustrationstoleranz meist gering und es kann dann zu extremen Wutanfällen kommen22. - ADS-Kinder haben häufig auch soziale Probleme, da ihr von ihrem erhöhten Aufmerksamkeitsbedürfnis, ihrer Impulsivität, ihrem Aktivitätsüberschuss und ihrer geringen Frustrationstoleranz geprägtes Sozialverhalten den Kontakt mit Gleichaltrigen oft schwierig gestaltet und daher zu Ausgrenzung führt. Die Konsequenz daraus ist entweder mehr oder minder starke soziale Isolation oder der Zusammenschluss mit anderen Ausgegrenzten, wodurch eine eine dissoziale Karriere begünstigende Grundlage entsteht. - Die Gesamtheit der zumeist als störend empfundenen Verhaltensweisen des Kindes erzeugen natürlich ebenso Probleme im familiären Bereich, so sind die Eltern häufig überfordert und wissen sich nicht mehr zu helfen, und der Kontakt zwischen Eltern und Kind wird oft dominiert von negativen Interaktionen mit Wut, Verboten, Zurechtweisungen und Bestrafungen, wobei 20 Goetze 2001, S.138ff Aust-Claus/Hammer 2002, S.103 22 Spallek 2001, S.26 21 eine solche Beziehung zwischen Eltern und Kind eher eine Verstärkung der unerwünschten denn eine Förderung der erwünschten Verhaltensweisen zur Folge hat. Aus den hier aufgeführten Merkmalen wird deutlich, dass sich ein ADS-Kind in einer teufelskreisartigen Erfahrungsspirale befindet. Es verursacht seine Probleme und die von seiner Umwelt empfundenen Störungen nicht absichtlich, sondern ist vielmehr deren Opfer, denn sie führen zu ständiger Zurechtweisung, Ablehnung, Misserfolg und Frustration und lassen so sein Selbstbild und seine Motivation in den Keller sinken, wodurch das seine Probleme verursachende Verhalten noch weiter verstärkt wird. Diese „Negativ-Erfahrungs-Spirale“23 aus zu Misserfolg führendem Verhalten, fehlender Anerkennung und daraus resultierender Entmutigung, die wiederum zu Resignation oder Rebellion führt, bestimmt den Alltag des Kindes in Schule, Elternhaus und mit Gleichaltrigen. Sie gilt es zu durchbrechen und in eine positive umzuwandeln, um dem Kind zu einem besseren Selbstbild und damit zu einer positiven Persönlichkeitsentwickung zu verhelfen, worauf ich unter Punkt 1.5 noch weiter eingehen werde. 1.3 Diagnostik Die diagnostischen Kriterien von ADS und ADHS sollen hier nur kurz aufgeführt werden. Sie werden sowohl in DSM IV, als auch in ICD 10 in die drei schon erläuterten Bereiche Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität unterteilt24. Dabei wird in jedem Bereich eine Anzahl entsprechender Verhaltensauffälligkeiten benannt, wobei eine bestimmte Zahl davon wiederum auf das betreffende Kind zutreffen muss um zu einer positiven Diagnose zu gelangen. Die wichtigsten ergänzenden Kriterien hierbei sind, dass das Störungsmuster vor dem siebten Lebensjahr begonnen haben und bereits seit mindestens sechs Monaten bestehen muss, des weiteren muss die Symptomatik zu Einschränkungen in mindestens zwei Lebensbereichen des Kindes führen25. Dabei ist zu beachten, dass die diagnostischen Symptome sich lediglich in ihrer Intensität, nicht jedoch in ihrer Qualität von „normalem“ kindlichen Verhalten unterscheiden. Das bedeutet, dass die Diagnose sich auf den Ausprägungsgrad der als relevant erachteten Symptome bezieht und es sich somit um eine dimensionale, nicht um eine kategoriale Abgrenzung handelt26, was sie zugleich auch nur schwer eindeutig und damit sehr problematisch macht. Da die Diagnose auf der einen Seite in vielen Fällen vorschnell und fälschlicherweise gestellt wird und ADS sich ein Stück weit zu einer „Modekrankheit“ für Kinder, deren Eltern überfordert sind und nicht weiter wissen, entwickelt hat27; auf der anderen Seite die Diagnostizierung einer psychischen Störung aber eine für das Kind potentiell schädliche Etikettierung28 mit sich bringt und in den meisten Fällen eine medikamentöse Behandlung zur Folge hat, ist es von besonderer Bedeutung, einen Verdacht auf ADS von wirklich dafür qualifizierten Personen korrekt verifizieren zu lassen. Um dies zu gewährleisten ist es notwendig, ein umfassendes „Gesamtbild des Kindes“29 zu erhalten, bestehend aus der Kenntnis seiner bisherigen Lebensgeschichte, seiner Entwicklungsschritte und des elterlichen Erziehungsstils, der Beobachtung seines Verhaltens in verschiedenen Situationen und seiner Problemlösungsstrategien, sowie dem Ergebnis einer psychologischen Testung und einer neurologischen und körperlichen Untersuchung. Eine wirklich korrekte Diagnose ist unerlässlich zur Sicherstellung, dass kein Kind ohne eine Indikation dafür unter Medikation gesetzt wird, zumal diese dann auch noch kontraproduktiv wäre. Welche Wirkungen und Risiken eine solche medikamentöse Therapie hat und welche weiteren Therapiemöglichkeiten Aussicht auf Erfolg bieten werde ich nun im nächsten Abschnitt aufzeigen. 23 Aust-Claus/Hammer 2002, S.159 Goetze 2001, S.133f; Hüther/Bonney 2002, S.103f; Spallek 2001, S.42ff 25 ebd. 26 Czerwenka 2002, S.116 27 Aust-Claus/Hammer 2002, S.94 28 Neuhaus 1996, S.77 29 Aust-Claus/Hammer 2002, S.68 24 1.4 Therapiemöglichkeiten 1.4.1 nicht-medikamentöse therapeutische Maßnahmen Das Ziel aller pädagogischen und therapeutischen Maßnahmen sollte immer darin bestehen, „das Kind kompetent zu machen im Umgang mit sich selbst und die erziehende Umgebung kompetent zu machen im Umgang mit dem Kind“30, wodurch eine Steigerung des Selbstwertgefühls des Kindes, eine Entlastung der Familie und ein bestmöglicher Abbau der Sekundärproblematiken erreicht werden soll. Hüther und Bonney bemängeln, dass sich Fachleute bisher viel zu wenig mit dem möglichen Nutzen nicht-medikamentöser Therapien beschäftigt hätten31, denn diese bewirken ja keine biologisch ursachlosen Verhaltensänderungen, sondern ihre Erfolge haben ebenfalls eine biologische Basis in Form von gehirnstrukturellen Veränderungen, jedoch ohne die Risiken, mit der dies durch medikamentöse Behandlung erreicht werden soll (vgl. hierzu 1.4.2). Als erfolgversprechende Therapieformen gelten hierbei vor allem die Ergotherapie32 und eine gezielte Verhaltenstherapie in Form eines Selbstinstruktionstrainings zum Erlernen und Einüben von Fähigkeiten zur Handlungsplanung, von Problemlösungsstrategien und einer verbesserten allgemeinen Selbststeuerung33. Als kaum effektiv haben sich hingegen analytische psychotherapeutische Therapien erwiesen34, da es zur Überwindung der Problematik weniger der Analyse und der Reflexion bedarf (auch wenn es durchaus von Bedeutung ist, dass das Kind über seine Problematik altersgerecht informiert ist), sondern vielmehr der Vermittlung und dem Training von Fähigkeiten und der Bereitstellung struktureller Hilfen, die das Kind für die Meisterung seiner alltäglichen Herausforderungen kompetent machen. Eine Kompetenzsteigerung von Eltern, Lehrern und anderen erziehenden Personen bezüglich des Umganges mit einem ADS-Kind ist ebenfalls besonders wünschenswert, dies wird unter 1.5 noch genauer aufgezeigt werden. Keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Erfolg haben außerdem die dennoch relativ populären verschiedenen Diäten35, eine mögliche Auslösung oder Verstärkung von ADS durch bestimmte Nahrungsmittelzusätze gilt heute ebenfalls als widerlegt. Da mit einer solchen Ernährungsumstellung häufig große Einschränkungen für das Kind verbunden sind, sollte von solchen Diäten abgesehen werden. Die am häufigsten angewendete und gleichzeitig wohl umstrittenste Therapieform bei ADS ist die medikamentöse Behandlung, welche ich im Folgenden darstellen möchte. 1.4.2 medikamentöse Therapie Wenn es um den Einsatz von Medikamenten zur Behandlung von ADS geht, driften die Meinungen wohl am weitesten auseinander, vom entschiedenen Gegner bis zum absoluten Befürworter. Dementsprechend lassen sich auch keine einheitlichen Zahlen über die Erfolge dieser Therapieform finden, ebenso wie auch die Einschätzung ihrer Begründetheit, ihrer Wirkung und ihrer Risiken extrem unterschiedlich ausfällt. Die weitaus verbreitetste Form medikamentöser Therapie ist die Behandlung mit Psychostimulantien, das bekannteste und am häufigsten verschriebene ist das zur Gruppe der Amphetamine gehörende Ritalin36. Amphetamine sind eigentlich Aufputschmittel, die auch in Drogen wie zum Beispiel Speed oder Kokain enthalten sind37. Dass diese Stimulantie, die zu den unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Medikamenten zählt38, bei ADS-Kindern eine entgegengesetzte Wirkung hat wird von ihren Befürwortern folgendermaßen erklärt39: 30 Neuhaus 1996, S.86 Hüther/Bonney 2002, S.76f 32 Spallek 2001, S.53; Neuhaus 1996, S.212ff 33 Neuhaus 1996, S.208ff; Czerwenka 2002, S.110f 34 Neuhaus 1996, S.204f 35 Neuhaus 1996, S.188; Czerwenka 2002, S.109f 36 Spallek 2001, S,53 37 Hüther/Bonney 2002, S.65 38 ebd.,S.12 39 Aust-Claus/Hammer 2002, S.273ff 31 Ausgegangen wird davon, dass die Ursache von ADS eine Fehlfunktion im Neurotransmittersystem des Gehirns ist, die in einer Unterversorgung mit unter anderem dem chemischen Botenstoff Dopamin besteht. Ritalin oder ähnliche Stimulantien verändern nun insofern den Stoffwechsel des Gehirns, als dass sie zur Dopaminproduktion anregen, dadurch den Neurotransmitterhaushalt normalisieren und somit die biologische Ursache für die ADSSymptomatik beseitigen. Dies ermöglicht einem von ADS betroffenen Kind eine bessere Wahrnehmungsverarbeitung und damit einhergehend gesteigerte Aufmerksamkeitsfähigkeit und verringerte motorische Unruhe40, während es bei anderen Menschen durch die Stimulation zu einem Dopaminüberschuss und folglich zu einer aufputschenden Wirkung käme. Eine korrekte Diagnose ist folglich besonders wichtig, da die Behandlung ansonsten kontraproduktiv ist. Als häufigste Nebenwirkungen von Ritalin werden Übelkeit, Kopfschmerzen, Einschlafstörungen, Appetitstörungen und eventuell auch Tics, leichte Irritierbarkeit und Stimmungsschwankungen genannt, was in der Regel jedoch alles nur anfänglich auftreten soll41. Abgesehen davon kann es, auch wenn während der Wirkdauer des Medikamentes die gewünschte Wirkung eintritt, bei nachlassender Wirkung zu einem „Rebound-Effekt“42 kommen, dabei wird das Kind noch aufgedrehter oder verträumter als ganz ohne Medikation. Während Befürworter die ursachenbekämpfende Wirkung von Ritalin schlüssig erklären und beeindruckende Ergebnisse präsentieren, stellen Kritiker einerseits die oben dargestellte Argumentationskette in Frage43 und weisen andererseits darauf hin, dass es sich hier um eine symptomorientierte Behandlungsform handelt, bei der Kinder, die bestimmten Erwartungen nicht entsprechen, mit Psychopharmaka ruhiggestellt werden, wobei es zu einem Gewöhnungseffekt kommt und darüber hinaus die Langzeit-Auswirkungen auf das Gehirn nicht abschätzbar sind. Das Pro oder Contra einer psychopharmazeutischen Behandlung von ADS-Kindern hat den Charakter einer grundsätzlichen Glaubensfrage, und die Vertreter beider Seiten legen ihren Standpunkt diesbezüglich sehr überzeugend dar, so dass es mir schwer fällt, mich zu diesem Thema zu positionieren. Während auf der einen Seite dem Kind seine Alltagsbewältigung durch diese Medikation anscheinend meist stark erleichtert wird und schulische und soziale Probleme nachlassen, handelt es sich auf der anderen Seite dabei eben um Psychostimulantien (mit entsprechenden Nebenwirkungen), wodurch ein Gefühl entsteht, hier würden Kinder gewissermaßen unter Drogen gesetzt um erwartungsgemäß zu funktionieren. Sicherlich sollten Medikamente wie Ritalin jedenfalls nicht als Allheilmittel gelten und leichtfertig verschrieben werden, sondern nur nach genauer Prüfung des Einzelfalls und lediglich in der Funktion, die Voraussetzungen für pädagogische oder therapeutische Hilfen zu verbessern. 1.5 pädagogische Grundsätze im Umgang mit ADS-Kindern Pädagogik muss für Kinder mit ADS nicht neu erfunden werden, grundsätzlich haben sie die gleichen Fähigkeiten und Bedürfnisse wie andere Kinder gleichen Alters auch. Die im Folgenden beschriebenen Aspekte werden von mir demnach für jedes Kind als positiv und förderlich angesehen, sie besitzen für die Interaktion mit ADS-Kindern lediglich eine noch größere Bedeutung als gewöhnlich. Umgekehrt bedeutet dies, dass es sich hier um keine Darstellung der meines Erachtens wichtigsten allgemeinen pädagogischen Grundsätze handeln soll, sondern um eine Auswahl derer, die im Umgang mit ADS-Kindern eine besondere Rolle spielen. Die Grundvoraussetzung um ADS-Kinder adäquat zu fördern und zu unterstützen besteht darin, über ADS bescheid zu wissen und so diese Kinder und ihre Besonderheiten verstehen zu können. Dabei gilt es zuallererst zu begreifen, dass von ADS betroffene Kinder zu sehen sind als „Kinder, die wollen – aber nicht können“44, dass ihr oftmals schwieriges und störendes Verhalten zumeist weder vorsätzlich, böswillig oder provokativ ist45, sondern sie vielmehr Opfer 40 ebd., S.281 Spallek 2001, S.58f; Aust-Claus/Hammer 2002, S.299f 42 Neuhaus 1996, S.198 43 Hüther/Bonney 2002, S.71ff; Amft/Gerspach/Mattner 2002 44 Aust-Claus/Hammer 2002, S.21 45 Spallek 2001, S.41; Czerwenka 2002, S.79 41 ihrer Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität sind, die häufig zu nicht an die Situation angepasstem Verhalten führen. So befindet sich das Kind in gewisser Weise hinter einer durch das ADS bedingten „Verhaltens-Fassade“46 - hinter den meist viel auffälligeren von seiner Umwelt als negativ empfundenen Verhaltensweisen bleiben viele seiner positiven Eigenschaften verborgen, diese gilt es jedoch zu erkennen und zu fördern. Solange dies nicht geschieht, fehlt es dem Kind ungemein an positiven Verstärkern, es erlebt ständig nur Misserfolg und Kritik und befindet sich in der bereits unter 1.2.2 beschriebenen Negativ-Erfahrungs-Spirale. Dabei sind Kinder mit ADS oft auch besonders sensibel und einfühlsam, kreativ und begeisterungsfähig und besitzen einen starken Gerechtigkeitssinn47. Stellt man ihnen kreative Freiräume zur Verfügung oder achtet bei Beschäftigungen auf Interessenbezogenheit, so können sie dabei sehr aufmerksam sein und übertragene Aufgaben mit großer Einsatzbereitschaft und verantwortungsbewusst ausführen. Generell gilt also, die Aufmerksamkeit nicht auf die Schwächen und Defizite des Kindes zu richten, sondern auf seine individuellen Stärken und Ressourcen, und dem Kind durch Hilfestellungen zu deren Bewusstmachung, Nutzbarmachung und Weiterentwicklung zu positiven Erfahrungen mit sich selbst und damit zu einem positiven Selbstbild verhelfen. Von ADS-Kindern häufig erlebte obwohl zu vermeidende Stresssituationen sind hingegen Herabsetzung, sowie predigende oder anklagende Ansprache durch Erwachsene, mangelnde Verhaltenssicherheit, eintönige Arbeiten und eine unruhige Umgebung, wenn Konzentration gefordert ist48. Kinder mit ADS benötigen also unter anderem außergewöhnlich viel Verhaltenssicherheit, klare und feste Regeln und Strukturen sind daher für sie besonders wichtig49. Strukturhilfen können beispielsweise mit dem Kind gemeinsam erarbeitete Tagespläne und Checklisten oder bestimmte Rituale sein50, wichtig ist dabei auch eine rechtzeitige Bekanntgabe, wenn sich etwas an der Routine ändert. Regeln, am besten positiv formuliert und nicht als Verbote, müssen eindeutig, begründet, verlässlich und verstanden sein, ihre Einhaltung eingeübt und kontrolliert werden51, dabei ist Konsequenz gefordert. Interveniert werden sollte dann falls erforderlich nicht vorwurfsvoll-anklagend oder moralisierend, sondern mit positiven Verhaltenshinweisen und dem Kind im Vorfeld bekannten und nachvollziehbar sinnvollen Konsequenzen. Unerwünschte Verhaltensweisen können oft auch ganz nebenbei nonverbal unterbrochen werden52. Auf der anderen Seite sind Lob und Verstärkung für alles Funktionierende natürlich genauso wichtig für das Kind53. Besonders zu vermeiden sind dagegen etikettierende absolute Aussagen im Stil von „Immer musst du...“ und „Nie kannst du...“, die dem Kind vermitteln, es sei schlecht, stattdessen sollte Kritik immer situationsbezogen und konstruktiv sein54 und das Kind zur Suche nach weiteren Verhaltensoptionen motivieren. Hilfreich kann es mitunter sein, vereinbarte Regeln oder Verträge mit dem Kind sichtbar schriftlich festzuhalten55, Blickkontakt mit dem Kind garantiert, dass das Gesagte sowohl über den auditiven, als auch den visuellen Kanal aufgenommen wird - beide Methoden tragen zu einer besseren Verinnerlichung bei. Motivation, Unterstützung und positive Verstärkung gehören zu den Dingen, die ein Kind mit ADS ganz besonders braucht, dem Kind sollten möglichst viele positive Erfahrungen verschafft und seine Stärken und Begabungen gewürdigt und gefördert werden56, denn ein gutes Selbstbild des Kindes ist die Grundvoraussetzung für eine gute Entwicklung. Dafür ist es prinzipiell notwendig Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Kind, wenn gefordert, aufpassen und teilnehmen erleichtern, in Situationen, in denen das Kind sich ruhig verhalten soll, muss also auch seine Umgebung beruhigt und möglichst wenig reizintensiv sein. Dem Kind 46 Aust-Claus/Hammer 2002, S.55 Aust-Claus/Hammer 2002, S.58; Neuhaus 1996, S.105ff 48 Aust-Claus/Hammer 2002, S.92f 49 Neuhaus 1996, S.164; Czerwenka S.82 50 Aust-Claus/Hammer, S.201ff 51 Neuhaus 1996, S.123 52 Neuhaus 1996, S. 155; Czerwenka 2002, S. 84 53 Czerwenka 2002, S.82 54 ebd., S.111f 55 Neuhaus 1996, S.176 56 Aust-Claus/Hammer 2002, S.169 47 Verantwortung zu übertragen, der es gewachsen ist kann beispielsweise auch ein Erfolgserlebnis bei der Bewältigung dieser Aufgabe verschaffen57. Ein wichtiger Punkt ist ebenfalls, dass das Kind seine Schwächen und diesbezügliche Kompensationsstrategien kennen lernt58 und so im Umgang mit sich selbst kompetenter werden kann. Grundsätzlich ist ein geduldiges, ruhiges und gelassenes, sowie transparentes und vorhersehbares Verhalten des Erwachsenen gegenüber dem Kind entscheidend, übermäßige Gereiztheit oder andere emotionale Eskalationen des Erwachsenen sind kontraproduktiv - sie kommen meist in Form von Trotz, Auflehnung oder Aggression zurück59. Kommt es zu einer Krisensituation, in der das Kind sehr erregt ist, so sollte diese möglichst früh erkannt und unterbrochen werden, eventuell auch durch eine räumliche Trennung60 (wenn das Kind wegläuft beendet es die Situation von sich aus, also in diesem Fall auch nicht hinterherkommen), also eine Art „Auszeit“ gegeben werden. Eine wichtige Rolle vor allem im Zusammenhang mit Hyperaktivität haben Sport und Spiel61, die dem Kind eine gute Möglichkeit bieten, seinem übermäßigen Bewegungsbedarf Rechnung zu tragen und „Dampf abzulassen“. Gleichzeitig werden dabei Körpergefühl, Motorik und Koordination geschult, worin Kinder mit ADS teilweise auch Defizite haben. Letztlich kann Sport und Spiel ohne zu großen Leistungsdruck dem auch Kind Erfolgserlebnisse verschaffen und zur Verbesserung seines Sozialverhaltens eingesetzt werden. Insgesamt lässt sich sagen, dass der häufig schlechte Umgang der Erwachsenen mit den Schwierigkeiten des ADS-Kindes die Probleme für alle Beteiligten kreislaufartig vergrößert. Überforderte Eltern und gestresste Lehrer arbeiten zum Teil gegen das Kind, anstatt ihm den Rücken zu stärken. Wissen Eltern, Lehrer und die übrige erziehende Umgebung des Kindes hingegen ausreichend über ADS bescheid und arbeiten zusammen - miteinander und mit dem Kind - so kann dies den Alltag für alle erleichtern und bietet darüber hinaus dem Kind weitaus bessere Voraussetzungen für eine positive Erfahrungsspirale62 und damit ein positives Selbstbild und eine positive Entwicklung. 2. Das Freizeitkonzept 2.1 Prämisse Nachdem ich mich im ersten Teil bemüht habe ein Bild des Aufmerksamkeits-DefizitSyndroms zu vermitteln, möchte ich nun im zweiten Teil dieser Arbeit ein Konzept für eine Ferienfreizeit speziell (nicht nur) für davon betroffene Kinder vorstellen. Veranstalter dieser Freizeit, die im Sommer 2003 stattfinden wird, ist das Jugendferienwerk der Arbeiterwohlfahrt Rhein-Neckar, welches auf eine über fünfzigjährige Tradition bei der Durchführung von Freizeiten und Erholungen für Kinder und Jugendliche zurückblicken kann63. Kinder mit ADS werden in herkömmlichen Ferienfreizeiten oft als eine Belastung empfunden, daher ist die Durchführung dieser Freizeit für die Arbeiterwohlfahrt ein mit einigen Unsicherheiten verbundenes Experiment, auch von anderen Trägern sind uns bisher keine vergleichbaren Projekte bekannt. Unsere Grundannahme besteht jedoch darin, dass die Schwierigkeiten, die die Betreuung dieser Kinder in Gruppen teilweise bereitet, zu einem großen Teil darauf zurückzuführen sind, dass der organisatorische und pädagogische Rahmen der Freizeiten oftmals die Besonderheiten von ADS-Kindern nicht ausreichend berücksichtigt. Ausgehend also von der These, dass Störungen nicht vom Kind, sondern von ungünstigen Rahmenbedingungen produziert werden, ergibt sich die Annahme, dass die Vorbereitung eines 57 ebd., S. 232 ebd., S.166 59 Czerwenka 2002, S.80 60 Czerwnka 2002, S.84; Aust-Claus/Hammer, S.232 61 Goetze 2001, S.67; Neuhaus 1996, S.175; Czerwenka 2002, S. 95 62 Aust-Claus/Hammer 2002, S.159 63 AWO Rhein-Neckar: Ferien 2003 58 kompetenten und über ADS gut informierten Teams, beinhaltend die Erstellung angemessener Strukturen, Anpassungen in der pädagogischen Interaktion und der Programmgestaltung, die Etablierung von Partizipationsmodulen, sowie eine Änderung der Erwartungshaltungen gegenüber den Teilnehmern, zu einer erfolgreichen Freizeit und damit zu einer positiven Gruppenerfahrung und einem selbstwertstärkenden Ferienerlebnis für die Kinder führen wird. Als Voraussetzungen zum Gelingen der Freizeit werden daher im Folgenden ihre äußeren Rahmenbedingungen und die wichtigsten Ergebnisse aus der Vorbereitung des Betreuerteams dargestellt. Direkte Literaturbezüge werden dabei nur wenig hergestellt, da die für diesen Teil der Arbeit im Literaturverzeichnis genannte Literatur vielmehr einen Teil der Grundlage der pädagogischen Arbeit und der Betreuerausbildung des Jugendferienwerks der Arbeiterwohlfahrt im Allgemeinen darstellt. 2.2 Rahmenbedingungen 2.2.1 Team Das Team der Freizeit besteht aus acht Mitgliedern, vier Männern und vier Frauen, die gemeinsam für die Betreuung und Verpflegung der Gruppe verantwortlich sind, hierbei übernehmen jeweils zwei Teamer für einen Tag zusammen mit einigen Kindern die Küche, während die verbleibenden sechs für die Tagesgestaltung der Gruppe zur Verfügung stehen. Der Betreuungsschlüssel ist also im Vergleich zu anderen Selbstversorgerfreizeiten mit gleicher Gruppengröße um zwei Personen erhöht, um beispielsweise Programmangebote zu zweit durchführen zu können oder kurzzeitige Einzelbetreuungen zu gewährleisten. Während ungefähr zehn Treffen im Vorfeld bereitet das Team die Freizeit möglichst ausführlich vor und wird in ihrem Verlauf jeden Abend in einer Teamsitzung den kommenden Tag und aktuelle Probleme besprechen. Eine Teamleitung im klassischen Sinne existiert hierbei aufgrund des großen Erfahrungsschatzes der meisten Teammitglieder praktisch nicht. Das Team setzt sich zusammen aus einer Sozialpädagogin und hauptamtlichen Mitarbeiterin des Jugendferienwerks und sieben ehrenamtlichen Helfern, wobei auch diese teilweise berufliche Qualifikationen für ihre ehrenamtliche Arbeit bei der Arbeiterwohlfahrt mitbringen (eine Erziehungswissenschaftlerin, eine Erzieherin, eine Studentin der Sonderpädagogik und ein Student der Sozialpädagogik). Darüber hinaus haben alle Teammitglieder die Ferienhelferausbildung der Arbeiterwohlfahrt Rhein-Neckar in Form von drei fünftägigen Seminaren der Grundausbildung, jährlich einem fünftägigen Weiterbildungsseminar, sowie verschiedenen zusätzlichen Wochenendseminaren durchlaufen64. Vier Teammitglieder bringen einen großen Erfahrungsschatz aus jeweils über fünfzehn Kinder- und Jugendfreizeiten mit, die anderen vier haben ebenfalls bereits Erfahrungen in mehreren Freizeiten sammeln können. Aus dieser Praxiserfahrung ergibt sich auf der einen Seite eine generell große Sicherheit im Umgang mit Kindern und bei der Leitung von Gruppen, auf der anderen Seite wurden bereits vielfach Erfahrungen speziell im Umgang mit ADSKindern gemacht. Besonderer Wert bezüglich des Gelingens der Freizeit wird jedoch auf eine ausführliche Teamvorbereitung basierend auf diesen Erfahrungswerten gelegt, welche die Freizeit auf ein stabiles pädagogisches und organisatorisches Fundament stellen und gleichzeitig ausreichend Raum für Flexibilität lassen soll. 2.2.2 Teilnehmer Die Teilnehmergruppe wird aus maximal dreißig Kindern im Alter von acht bis dreizehn Jahren gebildet. Im Ferienprospekt der Abeiterwohlfahrt Rhein-Neckar ist die Freizeit als besonders geeignet für Kinder mit ADS, aber offen für alle Kinder dieser Altersgruppe ausgeschrieben65, die Zusammensetzung der Gruppe wird dabei im ungefähren Verhältnis 2:1 erfolgen. Dem aktuellen Anmeldestand nach stehen Jungs und Mädchen im Verhältnis 3:1, was auch das vermehrte Auftreten von ADS bei Jungen widerspiegelt. 64 65 KJW- Helferhandbuch, 1993 AWO Rhein-Neckar, Ferien 2003 Gemeinsam mit dem Anmeldeformular für die Freizeit übergeben die Eltern der Kinder einen Bogen mit einigen wichtigen Informationen über ihr Kind wie das Vorhandensein von Allergien und Krankheiten, dem Bedarf einer besonderen Ernährung oder Medikation, der Schwimmsicherheit und anderes mehr, sowie über ihre Erreichbarkeit oder die anderer Ansprechpersonen während der Freizeit66. Darüber hinaus werden alle Eltern und Kinder zu einem Vortreffen etwa einen Monat vor Beginn der Freizeit eingeladen, welches auf der einen Seite ihnen die Möglichkeit bietet, die für sie wichtigen Informationen über die bevorstehende Freizeit zu erhalten, sich ein Bild von den Betreuern zu machen und offene Fragen zu klären, auf der anderen Seite den Betreuern erlaubt einen ersten persönlichen Kontakt mit Kindern und Eltern herzustellen. 2.2.3 Haus und Umgebung Das für diese Freizeit angemietete Haus „De Wohld“ liegt nahe Friedrichstadt ländlich in dem kleinen Ort Wohlde in Schleswig-Holstein, einige Kilometer von der Nordseeküste entfernt. Obwohl die Lage des Ferienzieles mit einer recht langen Anfahrt im Reisebus verbunden ist, wurde es aufgrund der sehr guten Voraussetzungen, die das Haus selbst und seine Lage für diese Freizeit bieten, ausgewählt. Die kindgerecht umgebaute alte Schule, verfügt über vierzehn Schlafzimmer, die alle mit bis zu vier Personen je nach Bedarf flexibel belegbar sind, einen großen Speisesaal und daneben noch einen weiteren großen und zwei kleinere Aufenthaltsräume und wird von keiner weiteren Gruppe zur gleichen Zeit genutzt. So sind auch bei schlechtem Wetter verschiedene Kleingruppenangebote in getrennten Räumen möglich. Auch das Prinzip der Selbstversorgung, wofür eine gut ausgestattete Großgruppenküche vorhanden ist, verleiht der Freizeit Unabhängigkeit von äußeren Gegebenheiten. Für tägliche Lebensmitteleinkäufe und Ausflüge in Kleingruppen stehen der Gruppe außerdem ein Kleinbus und ein PKW zur Verfügung. Neben seinen vier Gruppenräumen für verschiedene Aktivitäten bietet die zum Haus gehörende Anlage eine große vielfältig nutzbare Wiese, sowie die Möglichkeit Tischtennis und Basketball zu spielen. Mit einem Schwimmbad im Ort, der Nähe zur Nordsee und verschiedenen Ausflugsmöglichkeiten der Region stehen der Gruppe darüber hinaus noch weitere Freizeitaktivitäten zur Wahl. 2.3 Teamvorbereitung 2.3.1 Inhalte Die Vorbereitung des Betreuerteams auf die Freizeit begann mit einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema ADS verbunden mit einem Austausch über Erfahrungen damit aus bisherigen Freizeiten und konzentrierte sich darauf basierend auf folgende Inhalte: - die Erstellung eines pädagogischen Konzeptes mit einem Austausch über unser zugrundeliegendes Menschenbild, einer Sensibilisierung für Bedürfnisse und Fähigkeiten von Kindern dieser Altersgruppe, der Formulierung von Zielen und Ideensammlung zu deren Umsetzung, Diskussionen über sinnvolle Regeln und Interventionen, sowie der Bedeutung von Partizipation - darauf aufbauend ein organisatorisches Konzept mit der Erstellung eines Tagesplans, der Organisation und Verteilung des Teams über den Tag hinweg, sowie die Gestaltung einzelner Bereiche wie Programmzeiten, Einschlafsituation, Medikamentenvergabe, Ordnung, Hygiene, Essenssituation, Mittagspause, Ansagen, Teamsitzung etc. - 66 ebd. die genaue Planung von Abfahrt, Fahrt, Ankunft und der ersten beiden Tage der Freizeit - die Sammlung von Programmideen für Neigungsgruppen, Ausflüge, Spiele, Großgruppenaktionen, Projekte, Abendveranstaltungen und anderes und die Erstellung einer entsprechenden Materialliste - die notwendige Vorplanung für die Selbstversorgung der Gruppe (Lebensmitteleinkäufe, Essensideen und Rezepte, Küchenhygiene etc.) - die Gestaltung des Vortreffens, sowie das Verfassen von Kinder- und Elternbriefen mit Informationen zur Freizeit - ein Austausch über die Erwartungen an Teamarbeit Das vom Team antizipierte Bild einer Freizeit, für das sich deren spezifischer Charakter während dem Vorbereitungsprozess immer klarer herauskristallisiert, authentisch wiederzugeben ist nur schwer machbar, da es sich hierbei um viel mehr als nur eine Ansammlung von Absprachen und Regelungen handelt. Die wichtigsten Ergebnisse der beiden erstgenannten Punkte, Pädagogik und Organisation, sollen nun im Folgenden zusammengefasst werden mit dem Ziel, zumindest eine ungefähre Vorstellung von der Beschaffenheit der Freizeit zu vermitteln. 2.3.2 Pädagogisches Konzept In einem Brainstorming sammelte des Team hier zunächst, welche Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen die Kinder grundsätzlich und bezüglich ihres Urlaubes auf verschiedenen Ebenen haben könnten und welche Wünsche und Ziele das Team für die Freizeit hat. In einem zweiten Schritt wurde versucht, das dabei Genannte unter verschiedene sich ergebende Überschriften zu sortieren, um dann im dritten Schritt die Unterpunkte jeder Kategorie zu einem markanten Leitsatz zusammenzufassen. Folgende Kategorien und pädagogische Leitsätze ergaben sich daraus: 1. Sicht der Kinder Wir wollen jedes Kind in seiner Individualität wahrnehmen, ernstnehmen und respektieren und bewusst seine Stärken und Ressourcen sehen und fördern, es aber nicht überfordern! 2. Beziehung Team – Teilnehmer Wir wollen ehrliche, von Transparenz und Offenheit geprägte persönliche Beziehungen mit den Kindern aufbauen, jedes Kind soll sich beachtet, geachtet und gerecht behandelt fühlen! 3. Beziehung Teilnehmer – Teilnehmer Aus der Teilnehmergruppe soll eine Gruppe entstehen, in der jedes Kind eine Position innehat, mit der es zufrieden ist! 4. Gruppendynamik Die verschiedenen Phasen des Gruppenprozesses sollen vom Team beachtet und angemessen begleitet werden! 5. primäre Bedürfnisse Die Erfüllung der primären Bedürfnisse muss als Voraussetzung für alles andere gesichert sein! 6. soziales Lernen/Persönlichkeit Den Kindern sollen Möglichkeiten gegeben werden, ihre Persönlichkeit zu entfalten und wachsen zu lassen und insbesondere ihre sozialen Kompetenzen weiterzuentwickeln! 7. Partizipation Die Kinder sollen möglichst viel an dem gesamten Ablauf der Freizeit, wie den Regeln des Zusammenlebens, der Lösung von Konflikten, der Programmgestaltung etc. mitwirken können und Verantwortung dafür übernehmen! 8. Aktivität Wir wollen den Kindern ein ausgewogenes Verhältnis zwischen abwechslungsreichen zwanglosen Programmangeboten und Freispielzeit, zwischen Action und Ruhe, zwischen Groß- und Kleingruppenaktivitäten bieten und die Mitgestaltung der Aktivitäten und die Verwirklichung eigener Ideen fördern! Der grundlegende Faktor bei der Umsetzung dieser Leitsätze ist eine entsprechende echte Einstellung des Teams und das daraus folgende Gesamtverhalten gegenüber den Kindern. Darüber hinaus wird in der weiteren Planung der Freizeit auf der einen Seite jedes übliche Strukturelement daraufhin überprüft, inwieweit es der Umsetzung der Leitsätze dient oder widerspricht, auf der anderen Seite wird über spezielle Methoden nachgedacht, die zu einer Verwirklichung der pädagogischen Ziele beitragen können. So können beispielsweise der gruppendynamische Prozess durch entsprechende Spiele für Kennenlern-, Machtkampfphase usw. spielerisch begleitet oder durch Kooperationsspiele soziale Kompetenzen gefördert werden. Überhaupt findet vieles über das Programm statt, den drei großen Programmeinheiten an einem Tag stehen hierbei aber auch zwei längere Freispielphasen gegenüber. Die Kinder sollen weitgehend über die Art des Programms entscheiden, hierfür werden verschiedene Foren eingerichtet, die unter Punkt 2.3.3 genauer beschrieben sind, und Verantwortung bei der Durchführung übernehmen (z.B. Kleingruppe organisiert gemeinsam mit einem Teamer eine Abendshow für die Gesamtgruppe). Die vor- und nachmittäglichen Programmeinheiten funktionieren in der Regel nach dem Neigungsgruppenprinzip, das bedeutet, den Kindern stehen jeweils drei bis vier unterschiedliche Programmangebote aus verschiedenen Bereichen zur Wahl (z.B. verschiedene Ballspiele, Ferienlagerzeitung, Backen, Minigolf, Murmelbahn bauen, T-shirts bemalen, schwimmen, Partytänze, Fotostory, Radfahren, Hütten bauen, Staudamm bauen, Salzteig, Brettspiele, Kerzen gießen, Naturerkundung, Stadtausflug usw.), wobei möglichst immer ein Sportangebot (für Bewegungsmöglichkeit) und eines weg vom Haus (zur Entzerrung der Gruppe) vorhanden sein soll. Die Neigungsgruppen müssen dabei nicht die volle Programmzeit ausfüllen, sondern Dauer, Pausen und eventueller Wechsel orientieren sich an den Kindern. Auch tagsüber können, je nach Entscheidung der Gruppe, verschiedene Ausflüge und Aktionen der Gesamtgruppe stattfinden, während die Abendveranstaltungen hauptsächlich so ausgerichtet sind (z.B. Wetten,dass-Show, Disco, Lagerfeuer, Kino, Las-Vegas-Abend, Montagsmaler, Musik/Tanz-Show, Nachtwanderung, Türkisches Bad, 1, 2 oder 3 usw.). Als besonders wichtig werden eine feste und verlässliche Struktur und klare Regeln erachtet, in diesem Zusammenhang kommt dem Tagesplan eine besondere Bedeutung zu (vgl. 2.3.3), sowie eindeutigen und verständlichen Ansagen eines Teamers über den weiteren Verlauf bei jedem Zusammentreffen der Gruppe (also im Anschluss an die Mahlzeiten und zu Beginn der Programmeinheiten), wobei längeres „herumsitzen“ in der Großgruppe möglichst vermieden werden soll. Die Regeln werden, abgesehen von einigen Mindestvorgaben des Teams (keine Gewalt, Eigentumsrespekt, Anwesenheitspflicht bei Mahlzeiten und Programmansagen, Anforderungen an Hygiene, Spüldienst) zu Beginn der Freizeit von den Kindern selbst aufgestellt, was sowohl deren wirklich kindgerechte Formulierung gewährleistet, als auch - aufgrund dessen, dass es ihre eigenen Regeln und keine fremden sind - eine bessere Einhaltung. Hierfür bekommen die Kinder in von jeweils einem Teamer moderierten Kleingruppen die Aufgabe, Regeln für folgende Bereiche zu entwickeln, die dann noch in einem möglichst kurzen Prozess in der Großgruppe aufeinander abgestimmt werden müssen: Sozialverhalten, Spüldienstsystem, Zimmerregeln, Duschzeit und -system, Regeln für das Freigelände, Regeln für Mahlzeiten, Ordnung und Sauberkeit. Wie der Tagesplan auch werden die entstandenen Regeln für alle sichtbar auf ein Plakat geschrieben. Neben der Partizipation der Kinder bei der Programmgestaltung und der Regelfindung sollen sie auch Lösungen für Konflikte und Probleme soweit als möglich selbst finden und das Team nur eine Art Moderator des Prozesses sein, je nach Beschaffenheit der Problematik kann dies in einzelnen Gesprächen oder in den eingerichteten Foren für Partizipation geschehen.. Diese Foren und weitere einzelne Bestandteile für die Umsetzung der pädagogischen Ziele werden im nächsten Punkt genauer erläutert. 2.3.3 organisatorisches Konzept Eine klare und verlässliche Struktur gibt den Kindern notwendige Verhaltenssicherheit, daher existiert vom Beginn der Freizeit an ein fester und für alle sichtbarer Tagesplan, von dem nur nach vorheriger Vereinbarung mit den Kindern abgewichen wird, was auch bedeutet, dass die Kinder grundsätzlich die Möglichkeit haben, diese vorgegebene Struktur nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu verändern. Diese Tagesstruktur sieht folgendermaßen aus: 8.00 8.30 9.00 10.00 12.30 Guten morgen! Frühstück Morgenwäsche, evtl. Zimmer aufräumen Programm I Mittagessen, danach evtl. Großes Palaver (Raumwechsel) 13.00 14.00 15.30 BaBiKi Mittagspause Stehkaba 16.00 18.30 Programm II Abendessen 19.00 20.00 21.30 22.00 22.30 Lasse rausböng, Die Glorreichen Sieben Abendprogramm bettfertig machen vorlesen Nachtruhe Zum Beginn der drei Programmeinheiten und zu den drei Hauptmahlzeiten besteht Anwesenheitspflicht, hierzu wird den Kindern mit dem Medium eines gleichbleibenden „Rufliedes“ signalisiert, dass sich die Gruppe jetzt versammelt. Im Folgenden nun noch einige Erläuterungen zu den einzelnen Elementen des Tagesplans: Mahlzeiten: Es hängt eine Liste aus, auf die die Kinder ihre Essenswünsche eintragen können. Bis zu vier Kinder können freiwillig den ganzen Tag über oder teilweise den beiden Küchenteamern beim täglichen Einkauf und beim Zubereiten der Mahlzeiten helfen. Das Mittagessen ist nur ein kleinerer Snack, aufgrund des oft geringeren Appetits am Mittag wegen eingenommener Medikamente gibt es die große warme Mahlzeit abends. Es gibt keine festen Plätze bei den Mahlzeiten, die Betreuer verteilen sich an den Tischen. Jede Mahlzeit wird gemeinsam mit einem kurzen Spruch begonnen und endet mit der Ansage eines Teamers über den weiteren Verlauf. BaBiKi: BaBiKi ist eine Art Markt mit folgenden Angeboten: Auf der Bank hat jedes Kind sein persönliches Taschengeldkonto und kann dort jeden Tag einen Teilbetrag abheben. Mit einem Ausleihausweis können sich die Kinder bei der Bibliothek Bücher, Hörspiele und Spiele ausleihen. Am Kiosk kann man von seinem Taschengeld eine begrenzte Menge an Süßigkeiten, sowie Postkarten und Briefmarken einkaufen. Mittagspause: Die Mittagspause kann jedes Kind nach seinen Bedürfnissen nutzen: In den Zimmern soll in dieser Zeit Ruhe herrschen, nur wer schlafen oder lesen will hält sich dort auf. Für alle anderen Kinder ist ein Aufenthaltsraum offen, in dem Spiele gespielt, Lego gebaut, Briefe geschrieben usw. werden können, oder man geht ins Freie auf die Wiese zum toben und Ballspielen. Die Betreuer sind in dieser Zeit präsent, die Kinder sollen jedoch frei spielen. Lasse rausböng: Diese Freispielstunde nach dem Abendessen soll gewährleisten, dass jedes Kind mindestens einmal am Tag an der frischen Luft war und sich bewegt hat. Solange das Wetter entsprechend ist lautet das Motto hier „Alle gehen raus“, es werden Tischtennisschläger, Bälle und andere Spielgeräte mitgenommen, wie in der Mittagspause sind die Betreuer auch hier präsent ohne gezielte Angebote zu machen. Programmeinheiten: Was an Programm gemacht wird soll weitgehend von den Kindern bestimmt werden, hierzu gibt es eine Wandkarte mit dem vorhandenen Material und den beiden Kategorien „Das möchte ich gern machen“ und „Das kann ich anbieten“. Jeder kann und soll seine Wünsche und Ideen einbringen, Programmentscheidungen werden dann von der Gesamtgruppe oder von einem Vertreterrat getroffen. Innerhalb der Programmeinheiten soll sowohl den Kindern vom Betreuerteam Programm geboten werden, als auch von den Kindern selbst organisierte Aktivitäten stattfinden. Hierbei ermöglicht, wenn keine Großgruppenaktionen stattfindet, das unter 2.3.2 bereits beschriebene Neigungsgruppensystem den Kindern immer die Auswahl zwischen verschiedenartigen Angeboten, eben je nach individueller Neigung. Die Glorreichen Sieben: Jeden Morgen wird ein neuer Vertreterrat aus sieben wechselnden Kindern gebildet, dessen Aufgaben die Programmplanung des nächsten Tages und die Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen sind. Hierfür hat dieser Rat in der ersten Hälfte des abendlichen Freispiels eine Art Sprechstunde, in der alle anderen Kinder und die Betreuer ihre Wünsche, Beschwerden etc. vorbringen können, hinzu kommen noch die Einträge aus der Programmwunschliste und eventuelle Briefe an den Rat aus dem Freizeitbriefkasten, sowie natürlich eigene Ideen. Mit diesen Inputs tagt der Rat in der zweiten Hälfte der Freispielzeit, moderiert von zwei Betreuern, die sich inhaltlich aber zurückhalten. Das Ergebnis sollte dabei immer ein Programmplan für den nächsten Tag, bei größeren Aktionen, wie beispielsweise Ausflügen oder Mottotagen, Abstimmungsalternativen für die Gesamtgruppe sein. Bei aufkommenden Problemen hängt das Beratungsergebnis natürlich von der Art der Problematik ab, Dinge, die die Gesamtgruppe betreffen (z.B. vermehrte Beschwerden über Gestaltung der Mittagspause oder häufige Missachtung einer bestimmten Regel und ähnliches), werden aber ebenfalls vom Rat für eine schnellere Entscheidungsfindung in der Großgruppe vorbereitet. Das große Palaver: Dieses Plenum findet grundsätzlich täglich direkt nach dem Mittagessen im benachbarten Raum statt, kann jedoch nach entsprechender Ansage auch ausfallen wenn gerade kein Bedarf besteht. Das Plenum dient dem Informationsfluss und fällt alle Entscheidungen für die Freizeit, die die ganze Gruppe betreffen und über die alltägliche Programmplanung hinausgehen. Es soll jedoch maximal fünfzehn Minuten dauern, da auf lange anstrengende Diskussionen in der Großgruppe verzichtet werden soll. Deshalb werden hier nur vom Siebenerrat und vom Team vorbereitete Optionen zu einem Thema vorgestellt, um auf diesem Wege zu einem schnellen Ergebnis zu gelangen, es handelt sich hier also weitgehend um ein Abstimmungsforum, das auf dem Siebenerrat als Diskussionsforum und eventuell auf Vorschlägen des Teams aufbaut. Ordnung und Hygiene: Um sicherstellen zu können, dass jedes Kind seine Kleidung ausreichend wechselt, sich die Zähne putzt, duschen geht, ein sauberes Bett hat etc., sind in den für diese Dinge vorgesehenen Zeiten jeweils bestimmte Teamer (tageweise rotierend) für bestimmte Zimmergruppen verantwortlich. Diese klare Aufteilung ermöglicht den Betreuern sicherere Kontrollen und bessere Hilfestellungen und erspart zugleich den Kindern vermehrtes Nachfragen verschiedener Teamer nach Erledigung. Ohne eine gute Teamarbeit kann keine Freizeit gelingen, daher abschließend noch ein paar Worte zur Teamverteilung über den Tag hinweg. Das Team arbeitet mit dem Springersystem, das bedeutet, jeden Tag ist ein Betreuer vom Alltag der Gruppe abgekoppelt - der „Springer“ um verschiedene organisatorische Aufgaben wahrzunehmen. Der Springer ist die Person mit dem Gesamtüberblick über den Tag und übernimmt alle Ansagen des Tages, verteilt Medikamente, kümmert sich um Kranke und Verletzte, putzt, räumt auf und bereitet Aktionen oder Räume vor, übernimmt sonstige anfallende Aufgaben und „springt“ dorthin wo er gerade gebraucht wird. Abzüglich der beiden Küchenteamer bleiben somit noch fünf Betreuer für die Programmgestaltung, die Beaufsichtigung in Mittagspause und Abendfreispiel usw., um eine reibungslose Teamarbeit zu gewährleisten muss hierbei im Vorfeld immer abgesprochen sein „Wer macht was wann wo?“. Dazu dient hauptsächlich die allabendliche Teamsitzung, nachdem die Kinder schlafen, mit folgenden Inhalten: 1. Blitzlicht – jeder sagt kurz etwas über sein momentanes Befinden 2. Springer und Springeraufgaben nächster Tag 3. Küchenplanung für die nächsten beiden Tage 4. Teamverteilung und Programm nächster Tag 5. Tagesreflexion – Austausch über relevante Ereignisse und diesbezügliche Überlegungen für die Zukunft 6. Teilnehmerbuch – um sicherzustellen, dass kein Kind übersehen wird, wird es jeden Abend durchgegangen und besondere Vorkommnisse festgehalten 7. Teamfeedback 2.4 Zusammenfassung Das Gesamtziel der Vorplanung besteht darin, der Freizeit von Anfang an eine klare feste Struktur zu geben und sich gleichzeitig Flexibilität zu wahren. Gerade der Beginn einer Freizeit ist hier von besonderer Bedeutung, da bisherige Erfahrungen gezeigt haben, dass, wenn die Freizeit nach den ersten drei Tagen auf sicheren Beinen steht, sie in der Regel auch die restliche Zeit ohne die anfänglichen Anstrengungen gut verläuft. Flexibilität innerhalb dieser Strukturen einerseits und in Form von Vorüberlegungen zu Alternativen für die einzelnen Bausteine, wenn etwas nicht funktioniert wie erwartet, andererseits muss dennoch immer gegeben sein um die Freizeit den Bedürfnissen der Kinder weiter anpassen zu können. Hier spielt die Partizipation der Kinder eine wichtige Rolle, da den Kindern dadurch zum einen ermöglicht wird, selbst aktiv daran mitzuwirken, die gesamte Freizeit ihren Wünschen und Bedürfnissen möglichst anzupassen, und genau das zum anderen erfahrungsgemäß auf verschiedenen Ebenen sehr positive Konsequenzen hat. Selbst konstituierend daran beteiligt zu sein fördert nämlich nicht nur die Beachtung der Regeln und Strukturen und die Annahme des Programms, die für die Kinder darin zu spürende Ernstnahme durch die Teamer wirkt sich auch positiv auf ihre Beziehung zu den Betreuern und auf ihr Gesamtverhalten aus. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass hier auf der Basis der Ernstnahme des Kindes und seiner individuellen Bedürfnisse gemeinsam mit den Kindern eine Freizeit geschaffen werden soll, die es jedem Kind ermöglicht, sich nicht als einen „Störfaktor“ zu erleben, sondern positive Erfahrungen mit sich selbst und im Umgang mit anderen zu sammeln und vor allem aus einem erlebnisreichen Urlaub heimzukehren, froh dabei gewesen zu sein. Literaturverzeichnis Teil I H. Amft, M. Gerspach, D. Mattner: Kinder mit gestörter Aufmerksamkeit - ADS als Herausforderung für Pädagogik und Therapie (Stuttgart 2002) E. Aust-Claus, P. Hammer: Das ADS-Buch – neue Konzentrationshilfen für Zappelhilippe und Träumer (Ratingen 2002) G. Hüther, H. Bonney: Neues vom Zappelphilipp - ADS verstehen, vorbeugen und behandeln (Düsseldorf/Zürich 2002) Kurt Czerwenka (Hrsg.): Das aufmerksamkeitsgestörte und hyperaktive Kind – Ursachen, didaktische Konzepte, schulische Hilfen (Weinheim/Basel 2002) Herbert Goetze: Grundriss der Verhaltensgestörtenpädagogik (Berlin 2001) Cordula Neuhaus: Das hyperaktive Kind und seine Probleme (Ravensburg 1996) Roswitha Spallek: Aufmerksamkeits-Defizit- Syndrom, ein kurzer Leitfaden zur Diagnostik und Therapie (Düsseldorf/Zürich 2001) Teil II Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Rhein-Neckar e.V. (Hrsg.): Ferien 2003 – Freizeiten, Erholungen und Sprachreisen für Kinder und Jugendliche (Ladenburg 2002) Thomas Gordon: Familienkonferenz (München 1998) Irene Klein: Gruppenleiten ohne Angst – ein Handbuch für Gruppenleiter (Donauwörth 2000) Irene Klein, Klaus Ritter: Freizeithandbuch – Gruppenarbeit mit Kindern lebendig gestalten (München 1995) Kreisjugendwerk der Arbeiterwohlfahrt Rhein-Neckar (Hrsg.): Helfer-Handbuch (Ladenburg 1993) Hans Helmut Niederhausen: Ferienfreizeiten mit Kindern (planen, organisieren und gestalten) (München 2000) Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 1 – Störungen und Klärungen (Hamburg 2000) Vergleich mit anderen Freizeiten Kinderfreizeit mit einem oder wenigen ADHS Kindern - Situation ist oft sehr anstrengend für alle Beteiligten Kind ist sehr oft unbeliebt bei den anderen Kindern Wird von den TeamerInnen oftmals als „das“ Problemkind angesehen es geht insgesamt viel, viel ruhiger zu Gruppe puscht sich nicht selbst Andere Kinder können ausgleichend auf das ADHS Kind einwirken Kinderfreizeit nur oder fast ausschließlich mit ADHS Kindern - fast nur Jungs Sprache sehr derb, oft auch vulgär Lautstärke Manche Eltern nutzen die Gunst ihr Kind endlich für zwei Wochen loszuwerden Oft die „harten Brocken“ der ADHS’ler „Gratwanderung“ zwischen „es wird“ oder „kippt“ Gruppe „puscht“ sich gegenseitig hoch (Programm, materielle Dinge) Bei einzelnen Kindern höhere Medikamentengabe erforderlich als gewöhnlich - - - - Keine Auszeit aus der Gruppe möglich Einmal wie alle sein Endlich einmal positiv wahrgenommen werden Einmal nicht der „Arsch“ der Gruppe sein Geduld der TeamerInnen (keiner ist genervt) Vertrauen der TeamerInnen und daraus resultierend auch Verantwortung für die Gruppe übernehmen zu dürfen Viele Kinder erleben zum erstenmal Gruppe positiv Viele Kinder sind zum ersten Mal positiver Teil einer Gruppe, d.h. sie haben einen für sich annehmbaren Platz in der Gruppe gefunden Viele Kindern können sich zum erstenmal aus einem Kreis von Kindern frei einen Freund aussuchen und sind nicht darauf angewiesen, mit demjenigen zu spielen, der sich noch mit ihnen abgeben möchte Team sieht, was es pädagogisch geleistet hat Ö auch positiver Verstärker für’s Team Bausteine für Schulungen Erarbeitet von den Teilnehmern des Seminars „Schwierige Teilnehmer“ 20.11.03 – 23.11.03 in Melsungen Grundbaustein „Schwierige Teilnehmer“ Zielgruppe: Zeitdauer: Teamer mit pädagogischen Grundkenntnissen 2 x 1,5 Stunden Ablaufplan: Zeitschiene 30 Minuten Inhaltliche Schiene Einstieg Methode = Rollenspiel 5 – 6 TeilnehmerInnen erhalten je eine Anweisung auf einem vorbereitetem Zettel Inhalt = Anfangsphase bei einer Freizeit, in einem Camp Mögliche Rollen: Kind, 10 Jahre, verträumt, reagiert nicht auf Anweisungen Kind, 12 Jahre, rennt einfach los 2 Kinder, die sich um die Zimmerbelegung streiten Betreuer, der sich um die Kinder kümmert 15 Minuten 15 Minuten 30 Minuten Pause Die Seminarleitung soll durch einleitende Worte zur Situatioon zum Rollenspiel hinführen und die Rahmenbedingungen erklären. Offene Diskussion im Plenum Methode = Blitzlicht von allen (Spieler und Zuschauer) ĺ anschließend moderierte Diskussion durch Einbeziehung eigener Erfahrungen Erfassung der wichtigsten Punkte durch die Seminarleitung Visualisierung durch Metakarten und Flipchart Clustern = Ordnen nach Schwerpunkten Ergebnissicherung mit Theorieteil Methode = Vortrag Visualisierung durch Plakate Inhaltliche Schwerpunkte (aufgebaut auf vorhandenes Grundwissen) Bedürfnispyramide nach Maslow Phasen des Gruppenprozesses Ziel = erarbeitete Ergebnisse aus dem Rollenspiel in Bezug zur Theorie setzen Was ist schwierig? Methode = Vortrag Visualisierung mit Overheadprojektor Inhalte = Definition Gegenüberstellung Alltag – Ferien (Wahrnehmungsformen der Kinder) Mitgebrachte oder während der Freizeit entstandene Auffälligkeiten 45 Minuten 30 Minuten 15 Minuten Kleingruppenarbeit Methode = Gruppenarbeit Aufgabenstellung = Erarbeitung von Lösungsstrategien zu 4 – 5 typischen schwierigen Situationen während einer Freizeit: z.B. Einnässen Heimweh Verweigerungshaltung – Null Bock Situationen Verbale Entgleisungen …. Präsentation und Ergebnissicherung Methode = Vortrag der einzelnen Kleingruppen Visualisierung durch Flipchart und Metaplankarten durch Seminarleitung oder Teilnehmer Ordnen nach Schwerpunkten Methodische Umsetzung und Fazit Methode = Diskussion und Vortrag Inhalt = Bezug herstellen zu Bedürfnissen der Teilnehmer und Zuordnung vn möglichen Interventionen Fazit: Is doch klah, oder? Baustein Aggression Einstieg: Was verbinden die Teilnehmer mit „Aggression“? Methode: Jeder Teilnehmer erhält Zettel, pro Zettel ein Begriff, Zeitlimit: 5 Minuten Zettel werden an Pinnwand aufgehängt, Verständnisfragen sind zugelassen Pinnwand bleibt stehen Vertiefter Einstieg in das Thema Rollenspiele mit thematischer Anleitung und genauen Spielsituationen Es sollen Praxisbeispiele aus den Freizeiten nachgespielt werden TeilnehmerInnen sollen Rollen übernehmen Auswertung der Rollenspiele Abfrage der aufgetretenen Aggressionsmuster und – formen Vervollständigung der Stichpunkte auf der Pinnwand Auswertung aus der Sicht der Teilnehmer im Rollenspiel Wie habe ich mich als Teamer gefühlt? Wie habe ich mich als Kind oder Jugendlicher gefühlt? Auswertung aus der Sicht der Beobachter Kurze Zusammenfassung der Auswertungsbeiträge Erarbeitung eines Handlungsschemas für Reaktionen auf aggressive Handlungen Leitfaden = „Der Aggro – Plan“ 1. Schritt = Augen auf 2. Schritt = Gefahr abwenden 3. Schritt = Gas weg 4. Schritt = Rum fragen 5. Schritt = Optimale Lösung Baustein Hyperaktivität Zielgruppe: Teamer bei Grundschulung Zeitdauer: 2,5 Stunden Ablaufplan: Zeitschiene 10 Minuten 35 Minuten 30 Minuten Pause 15 Minuten 30 Minuten 30 Minuten Inhaltliche Schiene Einleitung Methode = Brainstorming: Was fällt Euch ein zu HKS/ADS/ADHS? Theorieteil Methode = Vortrag und Einsatz von Videofilm Inhalte = Begriffserklärung ADS, HKS, ADHS Krankheitsbild Ursachen der Erkrankung, Therapiemöglichkeiten Praxisbeispiele durch Ausschnitte aus Dokumentationen von ARTE und ZDF Zeit für Fragen Verhaltensmuster Praxisbeispiele verdeutlicht durch Rollenspiel oder Erzählungen der Referenten Ziel: Die Teilnehmer sollen sich in die Lebenswelt eines hyperaktiven Kindes hineinfühlen Herausarbeiten der wichtigsten Verhaltensmuster und – merkmale eines ADS/ADHS – Kindes Medikationen/ Rechtliche Grundlagen Methode = Vortrag Inhalte = Hinweis auf das Betäubungsmittelgesetz Medikamentendokumentation Hinweise zur Einhaltung der vorgegebenen Medikation Enge Absprache mit den Eltern und den behandelnden Hausarzt Tipps im Umgang mit hyperaktiven Kindern Methode = Vortrag und Diskussion Inhalte = Lupe auf Positives richten Verstärkerspiel Rückmelderunde Klare Konsequenzen Überschaubare Strukturen schaffen – zeitliche Abstände beachten Rituale einführen Sonderrolle zugestehen – aber nicht ausgrenzen! Rückzugsmöglichkeiten aufzeigen Spiele - Tipps Methode = Aktives Tun Spiele werden angespielt Aggressionsspiele Konzentrationsspiele (kurz) Entspannungsfördernde Einheiten Baustein Elternarbeit Zielgruppe: Eltern, die ihre Kinder für Freizeiten anmelden Ablaufplan für einen Elternabend Zeitschiene 10 Minuten 20 Minuten 20 Minuten 20 Minuten Open end Inhaltliche Schiene Aktion zu Beginn des Elternabends Es wird eine chaotische Situation nachgestellt mit Einsatz von unterschiedlichen Reizen (z.B. laute Musik, aufgeregte Teilnehmer, ständiges Fragen, Streitigkeiten, Heimwehsituationen) Ziel = Verdeutlichung der Anfangssituationen der Kinder bei einer Ferienfreizeit, Schwerpunkt einer eventuellen Reizüberflutung, Verdeutlichung der Wichtigkeit über alle möglichen Informationen über die Kinder, um angemessen reagieren zu können. Hinweise für die Anmeldung und den Informationsfluß zwischen Eltern und durchführender Institution Methode = Vortrag Inhalt = Vorstellung der Anmeldeunterlagen mit Hinweisen auf die Wichtigkeit vieler Informationen über die Kinder Themenblöcke Informationen zu den einzelnen Freizeiten Informationen zu Qualitätsmaßstäben Informationen zu „Schwierigen Teilnehmern Informationen zu den mitfahrenden Betreuern Themenblöcke Informationen zu Auslandsaufenthalten Informationen zu Erholungsaufenthalten Informationen zu Kofferpacklisten Informationstheke mit Snacks und Getränken Kennenlernen der Betreuer Möglichkeiten für Fragen Baustein Elternarbeit Zielgruppe: Eltern von mitfahrenden Kindern Zielsetzung = Ermutigung und Sensibilisierung für die an der Freizeit teilnehmende Zielgruppe! Ermutigung für Öffnung an Informationen auch über schwierige Kinder! z.B. bei Elternvorgesprächen möglicher Gesprächsleitfaden: Ermutigende Fragen Ermutigung, dass auf jeden Fall eine Teilnahme an der Freizeit möglich ist, auch bei Schwierigkeiten schwierige Situationen direkt ansprechen? Frage nach ADHS/ADS Aufzählen, was die Betreuer alles leisten können? Auf die Wichtigkeit der Informationen über das Kind hinweisen und Begründen, warum wir diese Informationen brauchen Aufzeigen, wie unterschiedlich die Situation während der Freizeit im Vergleich zum Alltag sein wird Eventuelle Vereinbarungen treffen, wie nach der Freizeit ein Kontakt zu den Eltern und en Kindern sein kann… Hinweise darauf geben, wo eine Freizeit für das Kind wichtig sein kann für den späteren Alltag? Sensibilisierung für mögliche Zielgruppe Erzählen, welche Kinder alles mitfahren Aufgreifen, wie Kindern mit Schwierigkeiten trotzdem integriert werden können Warum sie nicht hinten anstehen? Erklären, um was sich die Betreuer alles kümmern Hinweis darauf geben, dass in jedem Kind ein kleiner schwieriger „Paul“ steckt… Paul ist anders und doch gleich… Mögliche Medien für Sensibilisierung und Ermutigung Im Reiseangebot, im Katalog verweise ich schon auf Informationen über „Schwierige Situationen“. In dem im Katalog beiliegenden Anmeldeformular erbitte ich konkret Informationen über das Kind mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit für das Handling während der Freizeit. Ich verweise wiederum auf mögliche Informationsquellen über „Schwierige Situationen“ z.B. auf meiner Website. Ich verschicke einen gesonderten Eltern- und Kinderfragebogen, um möglichst viele Informationen zu sammeln. Ich verweise auch auf die Möglichkeit, nach der Freizeit Angebote der Gemeinwesenarbeit in Anspruch zu nehmen.