Das Gummi ist die halbe Miete

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Das Gummi ist die halbe Miete
Test: Milkrite Zitzengummi IP10
Das Gummi ist die
halbe Miete
SONDERDRUCK
aus 12/2015
Milkrite verspricht mit seinem dreieckigen Zitzengummi eine
schonende Massage der Zitze von drei Seiten, parallel soll die
Kopflochbelüftung Probleme mit Mastitiden reduzieren.
Wir waren neugierig und haben das Gummi zusammen mit einem
1 200er Milchviehbetrieb getestet.
Nach gut einem Jahr ziehen wir heute Bilanz.
Martin Zäh
E
igentlich sollte hier ein Test über das
neue Zitzengummi IP20 stehen, das
Milkrite uns im Mai 2014 in einer
Presseveranstaltung als zukunfts­
weisende Neuheit vorstellte. Da man aber
erkannte, dass das Gummi zu europäischen
Züchtungen und für die hier relativ alten
Tierbestände mit sehr unterschiedlichen Zit­
zenformen nicht gut passt, wurde der Ver­
kauf des für amerikanische Betriebe entwi­
ckelten IP20 nie wirklich gestartet.
Kurzerhand kehrte Milkrite deshalb
wieder zurück zur Empfehlung, Hoch­
leistungsherden mit dem bereits 2007 ein­
geführten, dreieckigen Zitzengummi IP10
zu melken. Tatsächlich hat das Gummi gute
Argumente. Dazu zählen die Ausstattung mit
der Kopflochbelüftung „Impulse Air“, die das
Zurückschwappen der Milch (Respray) auch
bei hohen Milchflüssen verhindern soll —
was die Gefahr einer Kreuzkontamination
der Euterviertel minimieren würde. Als
äußeres Zeichen hierfür gelten trockene Zit­
zen nach Abnahme der Melkbecher.
Für Hochleistungskühe entwickelte Milkrite das Zitzengummi IP10. Was es taugt,
haben wir zusammen mit einer 1 200er Milchviehanlage ein Jahr lang getestet.
profi 12/2015
Die dreieckige Form
vom Schaft soll eine
bessere Massage
bewirken und gleichzeitig die Zitzenspitze
entlasten. Die Düse ist
Teil der Kopflochbelüftung für ein Melken ohne
Respray.
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Fragen seitens der Praxis kommen da schon
eher in Bezug auf die genannten Vorteile
einer dreieckigen Schaftform auf. Laut Milk­
rite bewirkt diese eine bessere Massage der
Zitze und gleichzeitig eine Entlastung der
Zitzenspitze. Davon abgeleitet sind mit dem
dreieckigen Gummi weniger Hyperkerato­
sen zu erwarten. Und auch das Abfallen von
Melkbechern kommt durch ein verminder­
tes Rutschen seltener vor als mit einem run­
den Schaft, erklärt der Hersteller.
2014 im Anschluss an die Pressekonferenz
zum IP20 auf den Weg zu einer Milchvieh­
anlage in Ostdeutschland machten, ahnten
wir noch nicht, wie groß die Probleme mit
einer nicht ausreichenden Massage vom
Gewebe oder als Folge eines zu harten oder
weichen Zitzengummis.
Als Außenstehende fiel uns auch eine Viel­
zahl an schlürfenden und abfallenden Melk­
bechern auf. Dabei wurden die Becher oft
nicht mehr neu angesetzt, da dafür beim
Außenmelker der Weg für die unter Zeit­
druck arbeitenden Melker recht lang ist.
Angesprochen auf unsere Entdeckung und
dem damit großen Risiko hoher Zellzahlen
in Verbindung mit einer steigenden Masti­
tisrate zeigte man sich bedeckt. Dennoch
gelobte der Anlagenhersteller im Rahmen
der gültigen Garantie weitere Nachbesse­
rungen; und so lange wollte man sich erst
mal auch nicht äußern…
bringt dies den Vorteil, dass die Gummis
fortan pünktlich gewechselt werden — was
leicht geht und durch die bereits eingebau­
ten Zitzengummis viel Zeit spart.
Ein Vorteil vom Austauschservice ist auch,
dass Milkrite die ins Werk zurückgehenden
Geschirre auf Beschädigungen und auf
innere Verschmutzungen überprüft. Gibt es
Auffälligkeiten, kommt seitens des Labors
ein Protokoll zusammen mit Tipps zur Ände­
rung der Anlagenreinigung und zum Wech­
selintervall ins Haus.
Wie groß der Nutzen einer solchen Nach­
untersuchung ist und wie sie zur Kostenre­
duktion beitragen kann, zeigt sich in der
aktuellen Milchpreismisere: Um Geld zu spa­
ren, zögert der Testbetrieb den Wechsel der
Die Ausgangssituation: Im Mai 2014 zeigten
viele Tiere im Bestand extrem ausgeprägte
Hyperkeratosen. Davon abgeleitet wurde der
Anteil euterkranker Tiere immer mehr zu
einem Problem für den Betrieb.
Die Zitzen heute: Nach dem Abnehmen der
Melkbecher sind die Zitzen trocken, wenn auch
leicht verfärbt. In diesem Fall ist keine Hyperkeratose zu erkennen, ganz aus dem Betrieb
ist das Problem nicht.
Zieht man bei Gleichtaktanlagen den
­Pulsationsschlauch vom Geschirr ab, kommt
es wie mit einer maschinellen Vorstimulation
durch das Schließen vom Gummi zu einem
­taktilen Reiz.
Fotos: Tovornik, Zäh
Hyperkeratosen in einer Hochleistungs­
herde und im Großbetrieb tatsächlich sein
können: Beim Rundgang im neu gebauten
Melkhaus mit einem 50er Außenmelker-Ka­
russell fällt unser Blick schnell auf eine Viel­
zahl an ausgefransten Zitzen, fachmännisch
Hyperkeratosen genannt.
Als dem Betrieb aber die Probleme
mit Mastitiden über den Kopf wuchsen, zog er die Reißleine. Über seine Zucht­
So weit die Theorie. Als wir uns im Mai
Zur allgemeinen Erklärung: Hyperke­
ratosen sind meist die Folge einer mechani­
schen Überbelastung, z. B. aufgrund eines
zu hohen Vakuums an der Zitzenkuppe,
organisation, welche unter anderem mit Zit­
zengummis von Milkrite handelt, wurde
dann Kontakt mit dem Gummihersteller auf­
genommen. Wenige Wochen später wurden
nicht nur die Zitzengummis gegen das IP10,
sondern die kompletten Melkzeuge durch
das 250 cm3 große „ClusterClaw“ von Milk­
rite ersetzt. Die Melkzeuge mussten jedoch
nicht gekauft werden, sondern wurden im
Rahmen des „Cluster Exchange Service“
gemietet. Das kostet 55 Euro pro Melkzeug
und Wechsel. Zum Vergleich: Vier Zitzen­
gummis von Typ IP10 kosten normalerweise
allein schon 33 Euro — ohne Einbau!
Heißt: Alle 2 500 Melkungen bzw. in die­
sem Fall alle 34 Tage werden die 50 Melk­
zeuge komplett getauscht und vom Herstel­
ler wieder abgeholt. Parallel schickt Milkrite
Tage vorher einen Satz Austausch-Geschirre
zum Betrieb. Für den Milchviehbetrieb
profi 12/2015
Gegen eine Pauschale von 175 Euro stellt
­Milkrite bei einer Umstellung auf das IP10
die gesamte Melkanlage mit Hilfe von Nassmessungen während des Melkens neu ein.
Gummis derzeit hinaus. Aktuell auf ein mit
60 Tagen annähernd verdoppeltes Wechsel­
intervall — bei immer noch guten Befunden.
Andererseits: Das verlängerte Wechselinter­
vall sollte kein dauerhafter Zustand sein, da
sich damit die Melkeigenschaften insbeson­
dere in Bezug auf die Melkgeschwindigkeit
verschlechtern!
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■■ Neujustierung der Milchmengenmessung,
da die Kopflochbelüftung zu einem um 3 bis
5 Prozent niedrigeren Messwert führt (gilt
nicht für Wiegesysteme)
■■ Einstellen von 42 kPa Melkvakuum bei
34 bis 36 kPa zitzenendigem Vakuum
■■ Einstellen eines Abnahmeschwellenwer­
tes von 400 ml für hohe Ausmelkgrade
■■ Die maschinelle Vorstimulation wurde
abgeschaltet.
Mit dem Abschalten der Vorstimulation waren wir mit Blick auf die nicht opti­
Die Zitzen der Kühe im Testbetrieb sind teils
von extremer Natur. Sie sind entweder sehr
dünn oder wie in diesem Fall so kurz geraten,
dass man meinen könnte, sie wurden mit dem
Messer abgeschnitten.
male Melkroutine im Testbetrieb zunächst
nicht einverstanden. Tatsächlich stieg nach
dem Abschalten die Zahl an Melkungen an,
die bei der Milchhergabe eine Bimodalität
(siehe profi 1/2001) aufwiesen. Daraufhin
wurde die maschinelle Stimulation wieder
aktiviert, nach drei Wochen dann aber end­
gültig abgeschaltet.
Der Grund: Beim Umschalten vom Stimulie­
ren aufs Melken fiel immer wieder Melkzeug
ab, was das Personal reklamierte. Da man
an der Melkroutine nichts ändern wollte
(Anmerkung: Zwischen Zitzenreinigung und
Anhängen der Melkbecher liegen oft nur 10
Sekunden), blieb die maschinelle Stimulation
fortan abgeschaltet.
Tipp: Für einen taktilen Reiz an der Zitzen­
Trotz Schleppwanne häuften sich vor der
Umstellung die Probleme mit Eutererkrankungen. Nach Umstellung der Anlage hat der
Betrieb die Situation wieder im Griff.
Die Lieferung neuer Zitzengummis und
neuer Geschirre ist bei einem Umstieg auf
das IP10 bei Milkrite aber nur die halbe
Miete. Denn Milkrite weiß nur allzu gut, dass
neben dem Gummi auch die Technik ihren
Anteil am Melkerfolg hat. Auf Wunsch
kommt deshalb wie in unserem Testbetrieb
gegen eine Gebühr von 175 Euro für die
Erstinstallation der Service von Milkrite ins
Haus und stellt die Anlage passend auf das
Melken mit dem Zitzengummi IP10 ein.
Konkret wurden im Testbetrieb mit
Hilfe von „Nassmessungen“ unter anderem
diese Änderungen vorgenommen:
■■ die Außerbetriebnahme der milchfluss­
gesteuerten Pulsation
■■ Umstellen auf 60 Pulszyklen/Minute
■■ Umstellen auf ein Pulsverhältnis (Saug-/
Entlastungsphase) von 65 : 35 (alt 60 : 40)
für weniger Druck auf die Zitzenspitze
■■ Austausch und Längenanpassung aller
Pulsator- und Milchschläuche
profi 12/2015
spitze muss das Gummi sich nicht bewegen,
vielmehr reicht ein angehängter Melkbecher
mit geschlossenem Zitzengummi. Wer mit
einer Gleichtaktanlage ebenfalls Probleme
mit abfallenden Geschirren in der Stimula­
tionsphase hat, kann für eine Minute den
Pulsationsschlauch vom Melkgeschirr zie­
hen. Mit einer Gleichtaktanlage schließt
dann nämlich das Gummi — mit dem Resul­
tat, dass das Geschirr nun hält, die Kuh für
eine gute Milchhergabe aber ausreichend
stimuliert wird.
Zu den Ergebnissen: Gleich mit Umstieg
auf das neue Melkgeschirr und neu einge­
stellter Anlage sahen subjektiv betrachtet
die Zitzen nach Abnahme der Melkzeuge ins­
gesamt weniger strapaziert aus. Zitzen, die
vor dem Umbau bereits hochgradig geschä­
digt waren, blieben jedoch — wenn auch in
abgeschwächter Form — auch ein Jahr spä­
ter als solche noch erkennbar.
Hilfreicher für eine Bewertung sind deshalb
hier die Tiere aus der Gruppe der Erstmel­
ker. Und tatsächlich war auch hier eine posi­
tive Tendenz relativ schnell erkennbar —
aber immer noch zeigten einzelne Tiere
meist gleich an allen vier Zitzen Symptome
einer Hyperkeratose.
Datenkompass
Milkrite Impuls Air IP10
SammelstückIPCLAW034
Sammelstückvolumen 250 cm3
Gesamtgewicht
mit Niro-Stahlgewicht
1,9 kg
Kopflochdurchmesser
22,5 mm
Kopftiefe
45 mm
Kopfdurchmesser
59 mm
Länge Zitzengummi
312 mm
Lufteinlass je Ventil bei 42 kPa4,5 l/min
Mietpreis ohne MwSt.
55 €/Geschirr
Herstellerangaben
Wie konkret sich die Zitzenkondition
veränderte, belegen hier Aufzeichnungen
des Betriebs zur Zitzenkondition. Dazu ließ
dieser bereits ein halbes Jahr vor der
Umstellung alle zwei bis drei Monate nach
Abnahme der Melkzeuge die Zitzen von
einer Tierärztin bonitieren. Dabei konnte
festgestellt werden, dass acht Wochen nach
der Umstellung anstatt 30 Prozent „nur“
noch 18 Prozent bzw. 217 Tiere in Bezug auf
eine Hyperkeratose auffällig waren.
Laut uns vorliegendem Papier hielt der
Trend dieser massiven Verbesserung jedoch
nicht an, vielmehr kam es zu einer Stabili­
sierung auf einem akzeptablen Niveau. Kon­
kret zeigten bei der letzten Bonitierung im
Sommer 2015 ganze 6,5 Prozent der Jung­
tiere eine Hyperkeratose, während in den
Gruppen mit den hoch leistenden und
schwer melkenden Tieren mit 36 Prozent
immer noch viele Zitzen auffällig waren.
Fairerweise muss hier gesagt werden, dass die Ausfransungen heute weni­
ger massiv ausfallen als noch vor der
Umstellung. Und: Durch den Zukauf von Jer­
sey-Kühen wurde der Tierbestand und
damit die Form und Größe der Zitzen noch
inhomogener. Gut entwickelt und auf ein
normales Maß gesenkt werden konnte indes
die Zahl an Mastitiden. Und auch die Zahl
somatischer Zellen hat sich im ersten hal­
ben Jahr wieder auf ein gutes Niveau von
120 000 bis 150 000 Zellen/ml eingepen­
delt. Das Erfreuliche dabei: Selbst eine
schwül-heiße Wetterlage führt laut Betriebs­
leiter jetzt nicht mehr zu einer bedeutenden
Veränderung des Zellgehalts der Milch.
Und was sagen die Melker/innen zum
Melken mit dem Milkrite-Melkzeug?
— Allein mit Blick auf das trotz vier Edel­
stahlgewichten nur 1,9 kg schwere Melkge­
schirr arbeiten diese heute grundsätzlich lie­
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Fazit: Der Umstieg auf ein
Seit ein paar Jahren schon
bietet Milkrite Melkzeuge in
leichter und schwerer Ausführung sowie den „Cluster-Exchange-Service“ an.
ber mit dem ClusterClaw-Melkgeschirr als
mit dem deutlich schwereren Vorgängermo­
dell vom Anlagenhersteller. Mit Blick auf die
langen Wege im Außenmelker-Karussell fin­
det das Personal auch Gefallen daran, dass
seit der Umstellung doch deutlich weniger
Melkbecher schlürfen und nur noch selten
eines zu Boden fällt.
profi 12/2015
Melkgeschirr von Milkrite mit
dem dreieckigen Zitzengummi
IP10 konnte in unserem
Testbetrieb mit bis zu
1 260 melkenden Tieren
in relativ kurzer Zeit die
Probleme mit Hyperke­
ratose mindern.
Ganz weg sind selbst
nach über einem Jahr
die Probleme jedoch
nicht. Und es gesellt
sich zu den chro­
nisch kranken Tie­
ren immer noch ein
gewisser Anteil an
Jungtieren hinzu.
Ob mit Blick auf die nicht optimale Melk­
routine im Betrieb und den tendenziell ext­
rem kurzen Zitzen hier allein die Schuld bei
der Melktechnik zu suchen ist, darf indes
bezweifelt werden.
Das Zitzengummi mit Kopflochbelüftung ist
ohnehin nur die halbe Miete, denn der
Umstieg macht in der Regel auch (einmalig)
Änderungen an der Anlage notwendig. Mit
eigenem Fachpersonal ist der Hersteller von
Zitzengummis dabei gut aufgestellt.
In Bausch und Bogen fällt so am Ende unser
Resümee positiv aus. So wurden die Prob­
leme mit Mastitiden im Betrieb auf ein Mini­
mum reduziert und der Zellgehalt normali­
siert. Der Melkzeug-Tausch-Service begrenzt
für den Milchviehbetrieb die Investitions­
kosten. Parallel spart der Betrieb mit dem
Service wertvolle Arbeitszeit, und er erhält
zusätzlich eine Rückmeldung zur Einstellung
der Anlage in Bezug auf die Reinigung und
zum Wechselintervall der Gummis.
Plus und Minus
Ermöglicht die Reduzierung
BB
von Mastitiden
Kann Probleme mit
BB
Hyperkeratosen mindern
Haftet meist gut am Euter
BB
Anlage muss technisch
EE
neu eingestellt werden
Extremste Zitzen setzen Grenzen
EE
Kann Fehler/Mängel in der Melk­
EE
routine nur beschränkt ausgleichen
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