Nuklearmedizinische Diagnostik

Transcription

Nuklearmedizinische Diagnostik
Biomedizinische Technik
Nuklearmedizinische
Diagnostik
Begleitende Unterlage zur Vorlesung
Stephan Scheidegger
2008
1
Inhalt
_______________________________________________________
Kerne & Teilchen (Unterkapitel 940 aus Physik-Skript)
Pharmakokinetik
Übungsaufgaben
2
940 Kerne und Teilchen
941 Kernmodelle
Theorie
Auch für Atomkerne, wie für alle mikroskopischen Systeme, könnte
ein Schalenmodell gesucht werden, wie es in Abschnitt 935 beschrieben wurde. Tatsächlich emittieren angeregte Kerne bei ganz bestimmten Energien Strahlung. Für das Schalenmodell wird nicht ein Coulombpotential verwendet, sondern es wird von einem trog-förmigen
Potential ausgegangen (Fig.12). Der im Abschnitt 934 beschrieben
Potentialtopf wäre eine Approximation dafür.
SchalenModell
EP
r
r
EP
Fig.12 Schematische Darstellung der Energieniveaus in einem CoulombPotential (links) und einem Kernpotential (rechts).
Während im Coulomb-Potential die Zustände mit zunehmender Energie weiter auseinander liegen, ist es beim Kernpotential umgekehrt.
Für das Teilchen im rechteckigen Potentialtopf (Abschnitt 934) gilt
gemäss Eq.24: k 2 = π 2 /(2a) 2 ⋅ n 2 . Die Energie nimmt also quadratisch mit n zu.
Typisch für Kernpotentiale sind auch die Potentialwände. Entfernt
sich ein Proton zu weit vom Kern, wirken enorme abstossende elektrostatische Kräfte, hingegen verschwinden die entgegen gesetzt wirkenden, also anziehenden Kernkräfte.
Im Unterschied zu den Atomen besteht aber der Atomkern aus einer
Anzahl etwas gleich schwerer Teilchen, nämlich Protonen und Neutronen. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass nebst dem Schalenmodell auch andere, einfachere Modelle existieren. Während ein
Schalenmodell die Energieübergänge zu erklären vermag, genügt zumindest teilweise zur Beantwortung der Frage nach der Stabilität von
Atomkernen ein sogenanntes Tröpfchenmodell. Dieses kann mit der
extrem kurzen Reichweite der Kernkräfte gerechtfertigt werden. Im
Kern wechselwirken die Nukleonen (Protonen, Neutronen) über den
Austausch von Teilchen. Das funktioniert, wenn die Nukleonen sehr
3
EnergieNiveaus
TröpfchenModell
nahe beieinander sind. Man könnte sich also die Nukleonen als eine
Art klebrige Tröpfchen vorstellen.
Da sich im Atomkern positiv geladene Protonen und elektrisch
neutrale Neutronen befinden, stossen sich diese enorm ab. Die Abstossungsenergie ist proportional zur Kernladungszahl Z . Der Radius
r eines Kerns ist durch die Nukleonenzahl A bestimmt: r ∝ ⋅3 A (das
Volumen ist proportional zu A ). Für die Coulomb-Energie resultiert:
EC = aC ⋅ Z ⋅ A
2
−
1
3
(Eq.27)
Wenn nun Nukleonen als klebrige Tröpfchen betrachtet werden, so
sind die Nukleonen an der Oberfläche weniger stark gebunden, weil
sie weniger Bindungspartner haben. Die Oberfläche eine kugelförmigen Kerns ist proportional zu r 2 / 3 und somit zu A 2 / 3 . Für die
Energie resultiert:
ES = aS A
2
3
CoulombEnergie
OberflächenEnergie
(Eq.28)
Beide Energien, EC und E S verringern die Bildungsenergie. Zur Bindungsenergie trägt vor allem die Kondensationsenergie bei. Sie ist die
frei werdende Energie, wenn Nukleonen aneinander ″kleben″ bleiben.
Diese Energie ist proportional zum Volumen und somit zur Nukleonenzahl A :
EV = aV A
KondensationsEnergie
(Eq.29)
Für die Energiebilanz gilt E B = EV − EC − E S . Ob ein Kern stabil ist,
hängt von den Proportionalitätskonstanten aV , aC und a S ab. Hinzu
kommen noch weitere Energiebeiträge, welche von dem Verhältnis
von Anzahl Neutronen und Protonen bestimmt wird. Das Tröpfchenmodell erklärt erstaunlich gut die Orte der stabilen Kerne in der
Nuklidkarte.
4
NuklidKarte
Aufgaben
A1. Da Atomkerne durch einen Potentialtopf beschrieben wird, wie
ihn Fig.12 zeigt, nimmt die Ladungsdichte am Kernrand schnell ab.
Auch wenn ein scharfer Kernrand nicht definierbar ist, so lassen sich
Kernen doch typische Radien zuordnen. Aus Streuexperimenten ist
bekannt, dass die Kernradien näherungsweise berechnet werden können durch:
R = r0 ⋅ A
1
3
mit der Nukleonenzahl A und r0 = (1.3 ± 0.1) ⋅ 10 −15 m .
a) Berechnen Sie die Radien für die Kerne von 16O, 24Mg und
40
K.
b) Berechnen Sie die Dichte von Kernmaterie unter der Annahme, dass innerhalb des Kernradius die Dichte konstant sei.
Verwenden Sie, dass ein zwölftel des Gewichts eines Kern von
12
C 1.66·10-27 kg ist.
Lösungen
L1.
(a)
16
O: 3.28 fm, 24Mg: 3.75 fm, 40K: 4.45 fm
(b) ρ = 1.8 ⋅ 1017 kg / m 2
5
942 Der radioaktive Zerfall
Theorie
Die Stabilität eines Atomkern ist von der Anzahl Protonen und Neutronen abhängig. Sowohl Kern mit einem massiven Neutronen-überschuss als auch Kerne mit einem Protonenüberschuss sind nicht stabil.
Bei leichten Kernen liegen die stabilsten Konfigurationen bei ca.
gleicher Anzahl Neutronen und Protonen. Bei schweren Kernen wirkt
ein leichter Neutronenüberschuss stabilisierend. Liegt ein Protonenüberschuss vor, so kann durch Umwandlung eines Protons in ein
Neutron unter Umständen eine stabile Kernkonfiguration erreicht
werden. Die Verwandlung eines Protons in ein Neutron geschieht
durch die Umwandlung eines u-Quarks in ein d-Quark
( uud → udd ). Dabei wird eine positive Ladung in Form eines
Zerfallsarten
Positronsfrei ( β + -Zerfall). Bei der Umwandlung eines Neutron in ein
Proton ( uud → udd ) hingegen wird eine negative Ladung in Form
eines Elektrons frei: Es handelt sich um einen β − -Zerfall. Bei schweren Kernen (ab 146Sm) kommt eine weitere Zerfallsart hinzu. Es
werden direkt Pakete von 2 Neutronen und 2 Protonen (α-Teilchen)
aus dem Kern ausgestossen (α-Zerfall).
Für ein Zerfallsprozesses (also einer Kernumwandlung) lassen sich
nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens ma-chen,
nicht jedoch über den genauen Zeitpunkt. Trotzdem lässt sich der
radioaktive Zerfall auch deterministisch beschreiben. Dabei wird von
einer grossen Anzahl Kerne ausgegangen. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kern während eines bestimmten Zeitintervalls
dt zerfällt, unabhängig von den Nachbarkernen. Die Anzahl Kerne
dN , welche pro Zeitintervall dt zerfallen ist somit abhängig von der
Anzahl vorhandener Kerne N (t ) :
dN
= −λ N
dt
deterministische
Beschreibung
(Eq.30)
Die Lösung dieser bestens bekannten Differentialgleichung ist gegeben durch N (t ) = N 0 ⋅ e − λt . Für praktische Anwendungen hat sich anstelle der Kernzahl eine andere Grösse etabliert: Die Aktivität A. Darunter wird die Anzahl Zerfälle pro Sekunde verstanden, die Einheit ist
Becquerel (Bq): A(t ) = N& . Aus der Definition ergibt sich für die
Aktivität A(t ) = −λN (t ) . Somit gilt auch: A& = −λA bzw.
A(t ) = A0 ⋅ e − λt .
6
Definition
der Aktivität
Für kleine Kernzahlen gibt Eq.30 nur so etwas wie ein mittleres
Verhalten wieder. Eine realistischere Variante müsste den Zerfallsprozess als stochastisches Ereignis modellieren. Solche Verfahren
werden als Monte-Carlo-Simulationen (MC-Methode) bezeichnet.
Eine solche Simulation lässt sich mit einem Tabellenkalkulationsprogramm realisieren. Für den radioaktiven Zerfall kann folgendes
Vorgehen gewählt werden: Jedem Kern wird eine Zustandsvariabel s
zugeordnet. Solange der Kern existiert, gilt s = 1. Der Kern gilt als
Zerfallen, wenn s < 1 ist. Ob ein Kern zerfällt, wird über einen Zufallsgenerator bestimmt, welcher die Zufallszahl r im Intervall [0,1]
liefert. Das Kriterium, ob ein Kern zerfällt, ist gegeben durch eine
Überlebenswahrscheinlichkeit p: Wenn r > p ist, so zerfällt der Kern,
es gilt s (t + Δt ) = s (t ) − 1 . Für r < p hingegen gilt: s (t + Δt ) = s (t ) . Das
Verfahren muss auf jeden einzelnen Kern angewendet werden.
Aufgaben
A1. Das Nuklid 99mTc besitzt eine Halbwertszeit von 6h.
a) Wie gross ist die Zerfallskonstante λ?
b) Wie viele Prozent des 99mTc sind nach 10 h zerfallen?
c) Wie gross war die Anfangsaktivität einer Probe, wenn nach 31
h die Aktivität noch 100 MBq beträgt?
A2. Simulieren Sie den Zerfall von 131I (Tochternuklid 131Xe, physikalische Halbwertszeit 8.04 Tage) mittels Monte-Carlo-Methode (MCMethode). Verwenden Sie dazu ein Tabellenkalkulationspro-gramm.
Berechnen Sie den gleichen Zerfall analytisch. Vergleichen Sie die
Resultate: Wie gross sind die Fehler, von welchen Parametern hängen
sie ab? Wie gut ist die MC –Simulation mit Excel?
7
MonteCarloSimulation
Lösungen
L1.
(a) λ =
(b)
ln 2
= 0.1155h −1
T1 / 2
A(t )
= e −λt = 0.315 → 68.49%
A0
(c) A0 =
A(t )
= A(t ) ⋅ e +λt = 3.589GBq
− λt
e
L2. Im Folgenden wird eine MC-Simulation vorgestellt, welche mit
150 Kernen startet. Es wird der Zerfall dieser Kerne über 15 Zeitschritte berechnet. Die Zeitschrittgrösse Δt berechnet sich aus der
Überlebenswahrscheinlichkeit p und der Zerfallskonstante λ . Es gilt
gemäss Eq.98: p = e − λ ⋅Δt . Somit ist die Schrittgrösse gegeben durch:
Δt = −
ln( p)
Berechnung
der
Schrittweite
(Eq.31)
λ
Die Zerfallskonstante λ kann über die Halbwertszeit T1 / 2 bestimmt
werden: λ = ln(2) / T1 / 2 . In Fig.61 ist das Resultat einer MC-Simulation (p = 0.75, T1 / 2 = 8 Tage) zu sehen.
160
N(t)
140
120
100
80
60
40
20
0
0
10
20
30
40
50
60
Zeit t / d
Fig.13. MC-Simulation (p = 0.75, T1 / 2 = 8 Tage): Im Diagramm eingezeichnet ist zusätzlich die analytische Lösung. Berechnung mit Excel.
Bezugnehmend auf den zweiten Teil der Aufgabe ist nun die Frage,
wie stark die MC-Simulation von der deterministischen Beschreibung
(Eq.30) abweicht. In Fig.14 ist die relative Abweichung zwischen den
durch die MC-Simulation gerechneten Werten N MC und den analytisch berechneten Werten N ana gegeben ( ( N MC − N ana ) / N ana ).
8
Vergleich
zwischen
MCSimulation
und deterministischer
Beschreibung
0.1
1.2
1
0
0.8
-0.1
0.6
-0.2
0.4
-0.3
0.2
-0.4
0
0
10
20
30
40
50
60
-0.2
0
10
20
30
40
50
60
0
10
20
30
40
50
60
-0.5
-0.6
0.6
0.2
0.5
0
0.4
-0.2
0.3
-0.4
0.2
-0.6
0.1
-0.8
0
0
10
20
30
40
50
60
-0.1
-1
-0.2
-1.2
Fig.14. Relative Abweichung zwischen analytischer Berechnung und MCSimulation: Es werden die Resultate von vier Simulationsdurchgängen
gezeigt.
Die in Fig.14 dargestellten Resultate von vier Durchgängen zeigen von
Fall zu Fall verschiedene Werte. Es wird also nicht das generelle
Verhalten eines Systems (in diesem Fall die exponentielle Abnahme
von N (t ) ), sondern einer von unendlich vielen möglichen Verläufen
wiedergegeben. Allerdings lässt sich ein Trend in allen vier Beispielen beobachten: Bei grossen Werten für N sind die Abweichungen
klein. Für grosse Anzahl von Kernen liefert also die MC-Simulation
das exponentielle Verhalten des Systems.
9
Pharmakokinetik
Die Pharmakokinetik beschäftigt sich im Gegensatz zur Pharmakodynamik mit der Auswirkung des Organismus auf die Verteilung einer Substanz (Medikament, Gift) im Körper1. Diese
Auswirkung kann als Transport der Substanz von einem Kompartiment (Organ oder Organsystem bzw. Verteilungsraum, z. B.
Hirn, Magen-Darm-Trakt, Blut etc. vgl dazu [Der02]) in ein
anderes Kompartiment verstanden werden. Die Pharmakokinetik
in Kompartiment-Modellen beruht auf der Annahme, dass sich die
Verteilung des betrachteten Stoffs innerhalb eines Kompartiments
schnell vollzieht (relativ zum Austausch mit anderen Kompartimenten).
Für die Aufnahme, Verteilung und Elimination kann von einem
System von wässerigen Kompartimenten ausgegangen werden
[Lan04]. Diese sind im Prinzip durch Lipidmembranen getrennt.
Das Verhalten deiner Substanz im Körper wird durch deren
physikalisch-chemischen Eigenschaften bestimmt. Eine zentrale
Rolle spielt dabei der Verteilungskoeffizient, der pKa-Wert und
die Neigung zu Proteinbindungen. Der Verteilungskoeffizient ist
definiert als Konzentration der Substanz in der organischen Phase
dividiert durch die Konzentration in der wässerigen Phase.
Sind Arzneistoffe ionisierbar, so können unter Berücksichtigung des Ionisationsgrades Vorhersagen über die Verteilung
gemacht werden. Bei diesem Ansatz (pH-Verteilungshyothese2)
wird von zwei unterschiedlichen, wässerigen Verteilungsräumen
ausgegangen, welche durch eine lipophile Barriere getrennt sind.
Das Verteilungsgleichgewicht wird dabei durch die HendersonHasselbalch-Gleichung gegeben: pH = pKa – log([A]/[HA]) mit
der Konzentration der ionisierten (deprotonierten) Form einer
Säure [A] und der nichtionisierten Form [HA]. Es wird nun
angenommen, dass das Verhältnis der Konzentrationen ci einer
schwachen Säure in zwei Kompartimenten gleich dem Verhältnis
der Konzentrationen [HA]1 im Kompartiment 1 und [HA]2 im
Kompartiment 2 ist. Dies lässt sich durch die in der Regel
besseren Passageeigenschaften der nicht-ionisierten Form begründen. Es gilt also für schwache Säuren:
1
Kinetik vs.
Dynamik
Kompartiment
Übertritt durch
Membranen
Verteilungshypothese
Lüllmann, H., Mohr, K. Ziegler, A. (1996): Taschenatlas der Pharmakologie, Stuttgart, New York: Georg
Thieme Verlag, 1996. S.44
2
aus Wunderli-Allenspach, H.: Was geschieht mit einem Arzneistoff im Körper, Weiterbildungskurs
Mittelschulen, 2007
10
c1 / c1 = [HA ]1 /[HA ] 2 = [ A ]1 ⋅ 10 pH1 − pKa /([ A ] 2 ⋅ 10 pH 2 − pKa )
= (1 + 10 pH1 − pKa ) /(1 + 10 pH 2 − pKa )
(Eq.76)
Für Erythromycin zum Beispiel (pKa = 8.8, Antibiotikum) ergibt
sich für das Verhältnis von Plasma (pH 7.4) zu Muttermilch (pH
6.6) ein Verhältnis von c1/c2 = 6.1. In Realität werden aber eher
Verhältnisse von 2-3 gemessen, was auf die Zusätzliche Wirkung
von Proteinbindungen zurück zuführen ist.
In einem ersten Schritt soll nun die lineare Pharmakokinetik im
Ein-Kompartiment-Modell betrachtet werden. Zudem wird zu
Beginn von einer Einmaldosierung ausgegangen. Dabei werde die
Dosis D verabreicht. Es ist zu beachtet, dass die Dosis D eine
Menge eines Arzneimittels darstellt. Sei nun X die Arzneimittelmenge im Kompartiment X, so ist die Elimination aus diesem
Kompartiment (zeitliche Änderung von X) im Fall einer linearen
Kinetik 1. Ordnung durch die folgende Gleichung gegeben:
dX
= −k e X
dt
(Eq.77)
Dabei ist ke die sog. Eliminationskonstante. Die Lösung für X ist
X (t ) = X 0 e − ket mit der Anfangsbedingung X0 = D. Normalerweise
wird aber nicht die Arzneistoffmenge, sondern die Arzneistoffkonzentration betrachtet. In der Regel wird als Referenzflüssigkeit
das Blutplasma oder Blutserum verwendet. Die Konzentration im
Plasma cp ist gegeben durch die Stoffmenge X (wenn das Blut als
Kompartiment X genommen wird) und durch das Verteilungsvolumen Vd. Es gilt:
cp =
EinKompartimentModell
X
Vd
(Eq.78)
11
PlasmaKonzentration
Das Verteilungsvolumen Vd kann als Proportionalitätsfaktor
zwischen gemessener Arzneimittelkonzentration und Arzneistoffmenge im Kompartiment aufgefasst werden. Das reelle Plasmavolumen beträgt ca. 3 Liter. Dies entspricht allerdings nur dem
kleinstmöglichen Wert für Vd, da Arzneimittelmoleküle an Gewebestrukturen gebunden werden können. Trotz relativ grosser
Arzneimittelmenge kann dann die Konzentration klein und das
Verteilungsvolumen bis zu mehreren hundert Litern betragen.
Eine physiologische Interpretation von Vd ist also schwierig.
Aus Eq.77 und Eq.78 ergibt sich für ein zeit- und
konzentrationsunabhängiges Verteilungsvolumen ein exponentieller Abfall der Konzentration: c p (t ) = c p (0) ⋅ e − ket . Die Elimi-
VerteilungsVolumen
nationskonstante kann aus zwei zeitlich versetzten Messungen der
Konzentration cp ermittelt werden (analog Auftrag 3):
⎛ c p (t1 ) ⎞
⎟
ln⎜
⎜ c (t ) ⎟ ln c (t ) − ln c (t )
p 2 ⎠
p 1
p 2
ke = ⎝
=
t 2 − t1
Δt
[
] [
]
(Eq.79)
Die Halbwertszeit ist analog zu Eq.44 gegeben durch:
T1 / 2 =
ln(2)
ke
Halbwertszeit
(Eq.80)
Die Konzentration in einem Kompartiment fällt ab, wenn nach
initialer Arzneizufuhr die Substanz aus dem Kompartiment eliminiert wird. In diesem Zusammenhang wird in der Pharmakokinetik
eine weitere wichtige Grösse definiert: Die Clearance CL. Sie ist
ein Mass für die Ausscheidungsgeschwindigkeit einer Substanz.
Die Clearance kann als ein Volumen der untersuchten Körperflüssigkeit (e.g. Blutplasma) aufgefasst werden, welches pro
Zeiteinheit vom Arzneistoff geklärt, also befreit wird – es handelt
sich um eine theoretische Grösse, da sich zum Beispiel nach
renaler Elimination das geklärte Volumen wieder mit anderem
Blut vermischt. Sei dE/dt die pro Zeit ausgeschiedene Arzneimittelmenge und c die Konzentration in der untersuchten Körperflüssigkeit (cp für Plasma), dass ist die Clearance CL definiert als:
12
Clearance
⎛ dE ⎞
⎟
⎜
dt ⎠
CL = ⎝
c
(Eq.81)
Die Clearance eignet sich vor allem bei linearer Kinetik als Mass
für die Ausscheidungsgeschwindigkeit. In diesem Fall ist dE/dt
direkt proportional zur vorliegenden Substanzmenge X im
Kompartiment und somit konzentrationsabhängig. Es gilt:
dE
= ke ⋅ X
dt
(Eq.82)
Die Clearance hingegen ist in diesem Fall konzentrations-unabhängig, also konstant. Dies bedeutet, dass bei hoher Konzentration
zwar mehr Substanz eliminiert wird, jedoch bleibt das vom
Arzneistoff geklärte Volumen gleich. Die Clearance ist also eine
Konstante.
Für die verschiedenen Eliminationspfade im Körper können
verschiedene Organclearances berechnet werden, z.B. für die
Nieren die renale Clearance CLR oder für die Leber die hepatische
Clearance CLH. Die Gesamtkörperclearance CL ist dann die
Summe aller dieser Organclearances.
Bei einer vollständigen Elimination entspricht die Clearance der
Durchblutungsrate bzw. Durchblutungsgeschwindigkeit des
Organs (Einheit Volumen pro Zeit). Für die Leber liegt diese bei
1500 ml / min und für die Niere bei 650 ml / min. Bei unvollständiger Elimination wird ein sog. Extraktionskoeffizient ε
angewendet. Dieser Koeffizient entspricht der Arzneimittelkonzentration ci vor minus Arzneimittelkonzentration ca nach dem
Organ dividiert durch ci: ε = (ci - ca) / ci.
Ein erweitertes Einkompartimentenmodell erhält man durch
die Berücksichtigung verschiedener Eliminationspfade. Im
folgenden Modell sollen drei Pfade gleichzeitig ins Modell
integriert werden: Renale Elimination, Ausscheidung über die
Galle und eine Biotransformation der Substanz in einen
Metaboliten. Sei X die Stoffmenge im Blut (Plasma), welche über
eine einmalige Injektion (mit Dosis D) verabreicht wird, und U
die Stoffmenge im Urin, B die Stoffmenge, welche biliär
ausgeschieden wird (also via Galle) und M sei die Menge des
Metaboliten (Fig.50).
13
OrganClearance
Renale und
hepatische
Clearance
Parallele
Eliminationspfade
U
kR
dU/dt
B
X
kB
dB/dt
M
kM
dM/dt
Fig.50. Pharmakokinetisches Modell als Flussdiagramm: Die
Stoffmenge im Blutplasma kann renal (über Niere ausgeschiedene
Stoffmenge U), biliär (über Galle ausgeschiedene Stoffmenge B) und
durch bildung eines Mietaboliten (Stoffmenge M) abgebaut werden.
Für die drei Ausscheidungswege lässt sich folgendes DGL-System
aufstellen:
dX
= −k e ⋅ X
dt
dB
= kB ⋅ X
dt
DGL-System für
Parallele
Eliminationspfade
(Eq.83)
dU
= kR ⋅ X
dt
dM
= kM ⋅ X
dt
Für die Austauschkonstanten gilt die Bedingung ke = kR + kB + kM.
Analog Eq.77 gilt für den zeitlichen Verlauf der Konzentration im
Plasma c p = ( D / Vd ) ⋅ e − ke ⋅t , wobei auch hier Vd das Verteilungsvolumen des Blutkompartiments ist. Durch Einsetzen von X(t) und
Integration der zweiten Gleichung im System Eq.83 kann die mit
dem Urin ausgeschiedene Stoffmenge U(t) berechnet werden:
U (t ) =
(
kR
D ⋅ 1 − e − ke ⋅t
ke
)
Ausgeschiedene
Stoffmenge
(Eq.84)
Für unendlich grosse Zeiten ergibt sich die totale, via Urin
ausgeschieden Stoffmenge demnach U(t→∞) = (kR / ke)·D.
Es kann nun auch die renale Clearance CLR bestimmt werden:
14
Bestimmung der
renalen
Clearance
CLR =
1 ⎛ dU ⎞
⋅⎜
⎟ = k R ⋅ Vd
c p ⎝ dt ⎠
(Eq.85)
Die renale Clearance CLR kann experimentell bzw. klinisch durch
die Bestimmung eines Plots der Urinausscheidungsgeschwindigkeit ΔU/Δt gegen den Plasmaspiegel zum mittleren Zeitpunkt
des Sammelintervalls bestimmt werden.
Die biliäre Ausscheidung kann analog aus der entsprechenden
Ausscheidungskonstante bestimmt werden:
CLB =
1 ⎛ dB ⎞
⋅⎜
⎟ = k B ⋅ Vd
c p ⎝ dt ⎠
(Eq.86)
Bestimmung der
metabolischen
Clearance
Für die Bildung des Metaboliten gilt:
M (t ) =
Bestimmung der
biliären
Clearance
kM
⋅ D ⋅ (1 − e − ket )
ke
(Eq.87)
und somit für die metabolische Clearance:
CLR =
1 ⎛ dU ⎞
⋅⎜
⎟ = k R ⋅ Vd
c p ⎝ dt ⎠
(Eq.88)
Bis hier wurde von einem einfachen Ein-Kopartiment-Modell
ausgegangen. In einem nächsten Schritt soll nun noch ein
Zwischenschritt eingebaut werden: Die Resorption. Ein Beispiel
dafür ist die orale Gabe einer Substanz, welche erst nach
Resorption ins Blut gelangt. Dabei könnte der Gastrointestinaltrakt als eigenes Kompartiment betrachtet werden. Wird allerdings
die Ausscheidung via Defäkation schon bei der biliären Elimination berücksichtigt, so ergibt sich das in Fig.51 dargestellte,
erweiterte Ein-Kompartiment-Modell.
15
Modell mit
Resorption
X
A
ka
dA/dt
E
ke
dX/dt
Fig.51. Ein-Kompartiment-Modell mit Resorption. E ist die bis zur Zeit
t ausgeschiedene Substanzmenge und A = A(t) die Arzneistoffmenge am
Resorptionsort.
Wird eine Dosis D oral verabreicht, so gilt aus stöchiometrischen
Gründen: F·D = A0 = A(t) + X(t) + E(t), wobei F die Fraktion
angibt, welche resorbiert wird.
Das Modell von Fig.46 kann nun zu einem vollen ZweiKompartiment-Modell erweitert werden (Fig.52). Dabei sei Xc die
Substanzmenge in einem zentralen Kompartiment und Xp
diejenige in einem peripheren Kompartiment. Die Austauschkonstante kcp beschreibt den Austausch vom zentralen ins
periphere Kompar-timent und kpc den umgekehrten Prozess.
Xp
kpc
dXc/dt
dXp/dt
kcp
E
Xc
A
ka
dA/dt
ke
dX/dt
Fig.52. Zwei-Kompartiment-Modell mit Resorption und Elimination.
16
ZweiKompartimenten
-Modell
Wird die Resorption vernachlässigt (z.B. bei intravenöser Gabe),
so resultiert folgendes Gleichungssystem für die Stoffmengen
Xc(t), Xp(t) und E(t):
Systemgleichungen des
Zwei-Kompartimenten-Modells
dX c
= −(k cp + k e ) ⋅ X c + k pc X p
dt
dX p
dt
= k cp ⋅ X c − k pc X p
(Eq.89)
dE
= ke ⋅ X c
dt
Für ein allgemeines Multi-Kompartiment-Modell lässt sich das
System Eq.89 durch folgende Matrixgleichung darstellen:
dX n
= K nm X m + Dn
dt
MultiKompartimenten
-Modell
(Eq.90)
Dabei ist hier Xn die Menge der Substanz im Organ oder
Kompartiment n. Die zeitliche Änderung dieser Menge wird
beeinflusst durch die Menge Xm im Kompartiment m. Der
Koeffiziententensor Κnm bestimmt dabei den Transport vom
Kompartiment n ins Kompartiment m. Die Konstanten kcp und kpc
in Eq.89 entsprechen dabei Komponenten des Koeffiziententensors Κik.
Das Gleichungssystem in Eq.90 setzt eine lineare Kinetik
voraus. Für solche Systeme lassen sich theoretisch auch analytische Lösungen finden [Heb87]. Graphischen Modell-editoren
erlauben aber auf eine übersichtliche Weise die schnelle Implementation und numerische Berechnung dieser Systeme3. Zudem
kommen aber auch andere, nicht lineare Austausch-verhalten in
Frage.
Häufigster Grund für das Vorliegen einer nicht-linearen
Kinetik sind sättigbare Elliminations-, Verteilungs- oder
Bindungs-mechanismen. Ein Beispiel nicht-linearer Kinetik
liefern aktive Transportmechanismen. So wird ein aktiver
Transport durch einen sog. Carrier durch folgende Abnahme der
3
MichaelisMenten-Kinetik
Ein Überblick zu verschiedenen Pharmakokinetik-Werkzeugen gibt Keller [Kel97]. Es werden u. a.
unspezifische Programme wie Stella, Matlab, LabVIEW, Maple V mit spezifisch auf pharmakokinetische
Fragestellungen ausgerichteter Software (PharmaSim, MicroPharm-K, PharMACokinetics) verglichen.
17
Konzentration pro Zeit dc/dt beschrieben (Michaelis-MentenKinetik):
vm ⋅ c
dc
=−
dt
( k m + c ) ⋅ Vd
(Eq.91)
Dabei ist vm die maximal mögliche Konzentrationsänderung (max.
Änderungsgeschwindigkeit), welche auftritt, wenn alle am Transportvorgang beteiligten Trägermoleküle ausgenutzt sind. Die
Konstante km wird Michaelis-Konstante genannt und repräsentiert
die Konzentration, welche beim halben Wert der maximalen
Änderungsgeschwindigkeit vorliegt.
Das Verhalten des Systems bei einer Michaelis-MentenKinetik lässt sich für zwei Grenzfälle mathematisch gut untersuchen. Der erste Grenzfall ergibt sich, wenn sehr kleine
Konzentrationen betrachtet werden:
⎛
vm ⋅ c
lim⎜⎜
c →0 ( k + c ) ⋅ V
d
⎝ m
⎞
vm
⎟⎟ =
⋅c
⎠ k m ⋅ Vd
(Eq.92)
Die rechte Seite von Eq.91 hängt nun linear von der
Konzentration c ab. Damit liegt eine Kinetik erster Ordnung vor.
Der zweite Grenzfall ergibt sich beim Vorliegen sehr hoher
Konzentrationen:
⎛
vm ⋅ c
lim⎜⎜
c →∞ ( k + c ) ⋅ V
d
⎝ m
⎞ vm
⎟⎟ =
⎠ Vd
(Eq.93)
Somit nimmt Eq.91 die Form c& = −k an, es liegt also eine Kinetik
nullter Ordnung vor (mit der Lösung c(t) = -kt).
18
Bedeutung der
Konstanten
Grenzfälle
Konzentration c / U pro Volumen
Die Gleichung Eq.91 lässt sich schnell implementieren. Das
Flussdiagramm entspricht dem von Fig.51. Nur wird der Ausfluss
(Elimination) durch den Ausdruck in Eq.91 reguliert und es wird
anstelle von der Stoffmenge X die Konzentration c = X / Vd
verwendet. In Fig.53 und Fig.54 ist ein Vergleich zwischen den
verschiedenen Eliminationsmustern (Eq.91 – Eq.93) gegeben.
100
75
50
25
c3
c2
c1
60
40
20
Zeit t / min
Konzentration c / U pro Volumen
Fig.53. Ein-Kompartiment-Modell mit Michaelis-Menten-Kinetik ohne
Resorption im Vergleich mit linearer Ausscheidungskinetik: Die
Konzentration c1 entspricht der Michaelis-Menten-Kinetik, c2 einer
Kinetik nullter Ordnung mit ke = vm /Vd (Eq.92) und c3 repräsentiert eine
Kinetik erster Ordnung (Eq.91) mit ke = vm / (km·Vd). Als Beispiel wurde
für die Zeiteinheit Minuten gewählt. Parameter: Dosis X0 = 100
U(Dosiseinheiten), Vd = 1 Volumeneinheit, , vm = 3 U / (Volumen·min),
km = 10 U / Volumen; Gerechnet mit Runge-Kutta-Verfahren, Δt = 0.1
min.
Vergleich ohne
Resorption
80
60
40
20
c1
c3
c2
20
60
40
Zeit t / min
Fig.54. Ein-Kompartiment-Modell mit Michaelis-Menten-Kinetik mit
Resorption im Vergleich mit linearer Ausscheidungskinetik: Die
Konzentration c1 entspricht der Michaelis-Menten-Kinetik, c2 einer
Kinetik nullter Ordnung mit ke = vm /Vd (Eq.92) und c3 einer Kinetik
erster Ordnung (Eq.91) mit ke = vm / (km·Vd). Parameter: Lineare
Resorption mit ka = 0.5 min-1, restliche Werte identisch zu Fig.53.
19
Vergleich mit
Resorption
Das direkte Implementieren von Eq.91 hat Vor- und Nachteile.
Aus didaktischer Sicht ist die direkte Vorgehensweise ungünstig,
da der biochemische Mechanismus hinter dem mathematischen
Zusammenhang nicht gut erkennbar wird. Besser wäre für das
Verständnis ein Modell, welches die Menge an Substrat, EnzymSubstrat-Komplex und Produkt simuliert. Als Basis dafür kann
folgende Reaktionsgleichung genommen werden (E für Enzym, S
für Substrat, P für Produkt):
Arten der
Implemenierung
k 31
k11
k 21
⎯⎯→
⎯⎯→
⎯⎯→
E+S
ES
EP
P+E
←⎯⎯
←⎯⎯
←⎯⎯
k12
k 22
k 32
Der Vorteil des direkten Wegs liegt bei der Effizienz. Da der
Computer weniger Rechenoperationen durchzuführen hat und
auch weniger Zwischenresultate abspeichern muss, eignet sich
dieser Ansatz vor allem für grosse, gekoppelte Systeme.
Bei Simulationen mit verschiedenen Werten für km und vm
kann die Verschiebung des linearen bzw. exponentiellen Teils der
Kurve beobachtet werden (Eigentlich ist der Konzentrationsverlauf nie rein linear oder exponentiell). Es kann nun die Frage
gestellt werden, wo die Kinetik mit einer Kinetik 1. oder 0.
Ordnung angenähert werden darf. Hier kann auf ein bereits
bekanntes Konzept zurück gegriffen werden – auf das Phasendiagramm. Wird die Änderung der Konzentration (Geschwindigkeit) gegen die Konzentration abgetragen (Fig.55), so lassen
sich die Bereiche erkennen, wo die Geschwindigkeit etwa linear
mit der Konzentration zunimmt (unterhalb von km) und Bereiche,
wo die Geschwindigkeit konstant bleibt (deutlich oberhalb von
km). Der Vorteil des Phasendiagamms gegenüber dem zeitlichen
Verlauf der Konzentration liegt in der besseren Sichtbarkeit des
Sachverhalts durch die Darstellung einer nach der Zeit abgeleiteten Grösse (differentielle Grössen zeigen Änderungen
deutlicher).
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Vor- und
Nachteile
Phasendiagramm
c = dc
dt
c max = vm
vm
2
c(t)
km
Fig.55. Schematische Darstellung eines Phasendiagramms für ein
Michaelis-Menten-System: Bei der Konzentration km wird der halbe
Wert der maximalen Geschwindigkeit vm erreicht.
21
Literatur
[Der02]
Derendorf, H., Gramatté, T., Schäfer, H.G.: Pharmakokinetik – Einführung in die
Theorie und Relevanz für die Arzneimitteltherapie. 2.Aufl. Stuttgart: Wissenschaftl.
Verlagsgesellschaft mbH. 2002.
[Heb87]
Heber, G.: Mathematische Hilfsmittel der Physik. 2. Aufl. Ulmen: ZimmermannNeufang, 1987.
[Jon03]
Jones, D.S. & Sleeman B.D.: Differential equations and mathematical biology. Boca
Raton, London, New York, Washington D.C.: Chapman & Hall / CRC 2003.
[Kel97]
Keller, D.: Pharmakokinetik-Simulationen – Ein Fallbeispiel objektorientierter
Programmierung. Zürich: ETH-Diss. No. 12258 / IfA Publikation No. 8, 1997.
[Lan04]
Langguth, P., Fricker, G., Wunderli-Allenspach, H.: Biopharmazie, Weinheim:
Wiley-VCH, 2004.
22
Biomedizinische Technik
Aufgaben Teil Nuklearmedizin
_____________________________________________________________
1. 131I hat eine physikalische Halbwertszeit von 8 d. Die biologische Halbwertszeit von inaktivem Jod beträgt in der Schilddrüse ca. 80 d.
a) Berechnen Sie die effektive Halbwertszeit für die Schilddrüse.
b) Berechnen Sie die Zerfallskonstante λ für 131I.
c) Mit einem kalibrierten GM-Zählrohr wurde eine Schiddrüsenmessung durchgeführt. Dabei wurden 250 cps gemessen. Der Kalibrierfaktor beträgt 100 Bq / cps. Welche Aktivität befindet sich in der
Schilddrüse?
d) Was versteht man unter Tracer-Princip in der Nuklearmedizin? Erläutern Sie dies anhand von Jod.
2. Für eine Nierenuntersuchung wurden Urinproben in einem Bohrlochszintillator gemessen. Bei der ersten Probe wurden 750 cps gezählt, bei der
zweiten Probe 510 cps. Die erste Probe wurde 3 h nach der Applikation des
Tracers genommen, die zweite nach 5 Stunden.
a) Bestimmen Sie k e für die renale Elimination.
b) Erklären Sie den Begriff renale Clearance. Wie gross ist diese
Clearance für ein Verteilungsvolumen von 5 Liter?
3. Welche Bedingungen müssen vorliegen, damit von einer linearen Kinetik
ausgegangen werden kann? Was gilt in diesem Fall für die Konzentration
c(t ) und Aktivität A(t ) eines Tracers und deren zeitlichen Änderungen c&
bzw. A& ?
4. Mit zwei verschiedenen Detektoren (GM-Zählrohr und Szintillator) wird
eine Schilddrüsenmessung vorgenommen. Beim GM-Zählrohr werden 87
cps und beim Szintillator 211 cps gemessen. Woher kommt der Unterschied? Was muss für die Bestimmung der Aktivität in der Schilddrüse
berücksichtigt werden?
23
5. Bei einer Angerkammera werden die Signale von einer Detektorreihe
ausgelesen. Die Detektoren sind entlang der x-Achse angeordnet. Die
nachfolgende Tabelle zeigt die Signalstärken der einzelnen Detektoren bei
einem einzelnen Ereignis (Zerfall).
Detektor
1
2
3
4
5
x [cm]
0
8
16
24
32
15
24
18
7
Signalstärke 2
[mV]
Bestimmen Sie den Ort x für diesen Zerfall.
6. Erklären Sie die Grundprinzipien von SPECT und PET: Worin unterscheiden sich diese Verfahren, was sind die Vor- und Nachteile?
24
Biomedizinische Technik
Lösungen zu Aufgaben Teil Nuklearmedizin
_____________________________________________________________
1a) T
phy
T1bio
/ 2 ⋅ T1 / 2
= 7.27 d
= bio
T1 / 2 + T1 phy
/2
1b) λ =
ln 2
= 8.66·10-2 d-1
phy
T1 / 2
eff
1/ 2
1c) A = 250cps ⋅ 100
Bq
= 25 kBq
cps
1d) Jod besitzt eine hohe Affinität zur Schilddrüse. Da die Schilddrüse
kleine Mengen von Jod zur Thyroxin-Synthese braucht und Jod früher in der
Nahrung selten war, speichert die Schilddrüse Jod. Wird nun radioaktives
Jod gegeben, so verhält sich dieses physiologisch gleich, nach Radiojodgabe
wird dieses zu einem bestimmten Teil ebenfalls in die Schilddrüse eingelagert. Das im Blutplasma verbeibende Jod wird renal schnell eliminiert.
Inaktive teile der Schilddrüse zeichnen sich durch eine verwinderte Jodeinlagerung aus, hyperaktive Teile hingegen durch eine übermässige Jodspeicherung. Dies kann szintigraphisch dargestellt werden. Das Tracerprinzip bedeutet generell, das radioaktiv markierte Substanzen den gleichen
Stoffwechselbedingungen unterliegen wie die chemisch identischen, aber
nicht-aktiven Moleküle.
2a) k e =
ln ( A(t 2 ) ) − ln ( A(t1 ) )
= 0.1928 h-1
t 2 − t1
2b) CLR = k e ⋅ Vd = 0.928 l/h
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Die renale Clearance ist für die lineare Kinetik ein konzentrationsunabhängiges Ausscheidungsmass. Es ist quasi das pro Zeiteinheit geklärte
Blutplasmavolumen.
3) Bei enzymatischen Abbau darf das Enymsystem nicht ausgelastet sein.
Generell müssen die Dosierungen des Arzneistoffs und damit verbunden die
Plasmakonzentrationen tief sein. Die Abbaurate ist bei linearer Kinetik
linear-proportional zur Konzentration selbst. Da Konzentration und
Aktivität bei Radiopharmaka auch linear-proportional sind, gilt dies auch
für die Aktivität:
c& = − kc → c(t ) = c 0 ⋅ e − kt
A& = − kA → A(t ) = A0 ⋅ e − kt
4) Der Unterschied stammt daher, dass nicht direkt die Aktivität gemessen
wird, sondern Impulse pro Zeit. Dieses Messsignal ist abhängig vom Ansprechvermögen des Detektors (inklusive der Signalverstärkung), der Detektorfläche und der Messgeometrie (Abstand, Erfassung von Streustrahlung) Unabhängig vom Detektor wird die Strahlung auch bereits im
Körper des Patienten absorbiert. Die Bestimmung der Aktivität erfolg über
eine Kalibrierung mit einem Schilddrüsenphantom. Dabei wird eine genau
definierte Aktivität ins Phantom eingebracht. Das Verhältnis von Aktivität
und Impulszahl ergibt den Kalibrierfaktor.
∑S ⋅ x
x=
∑S
i
5)
i
i
= 17.58 cm
i
i
6. siehe Unterlagen
26