Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk Teil 2

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Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk Teil 2
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Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Auch wenn angesichts der deutlich geringeren Zuschaueranteile der zuzurechnenden Programme die Bezeichnung als „dritte Kraft im bundesweiten Fernsehen“ ein wenig hoch gegriffen
erscheinen mag, so ist doch die Ausweitung der Aktivitäten der EM.TV & Merchandising AG und
der Tele-München-Gruppe in diesem Bereich bemerkenswert. Die Tele-München-Gruppe hat ein
Vollprogramm unter dem Namen Tele 5 gestartet; die EM.TV & Merchandising AG hat gemeinsam
mit der KarstadtQuelle AG die Mehrheit an der Veranstalterin des Sportspartenprogramms DSF
übernommen. Beiden Unternehmen sind aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen
die Programme Tele 5, RTL II, DSF und Junior zuzurechnen.
Neben den drei genannten Sendergruppierungen halten die Medienkonzerne Vivendi Universal
S. A., AOL Time Warner, Inc., Viacom, Inc. und The Walt Disney Company relevante Beteiligungen an
deutschsprachigen Fernsehprogrammen. Die Konzerne News Corporation Limited und Fininvest
S. p. A. bzw. Mediaset S. p. A. haben sich nicht zuletzt infolge der Kirch-Insolvenz aus Deutschland
zurückgezogen. Allerdings werden sie weiterhin als potenzielle Wettbewerber oder Partner für
Bereiche des deutschen Fernsehens angesehen. Bei Vivendi Universal und AOL Time Warner
stehen deren Großfusionen der vergangenen Jahre auf dem Prüfstand. Hieraus können auch
künftige Veränderungen für deren deutsche Fernsehbeteiligungen resultieren. Viacom ist über
das MTV Network auch in Deutschland stark bei jungen und musikinteressierten Fernsehzuschauern präsent. In diesem Feld besteht ein intensiver Wettbewerb mit den Musikkanälen von
VIVA. An letzteren hat AOL Time Warner ihr Einflusspotenzial vergrößert. Walt Disney trifft auch
in Deutschland mit seinen markengeprägten Filmen, Fernsehprogrammen und Printprodukten
auf einen starken Zuspruch der Medienkonsumenten. Im Fernsehbereich wird dies anhand der
Zuschaueranteile von Super RTL im Alterssegment der Kinder und an den Spartenkanälen Disney
Channel und Fox Kids auf Premiere sichtbar.
2
Verflechtungen zwischen Fernsehen und
medienrelevanten verwandten Märkten
Die Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags zur Sicherung der Meinungsvielfalt sehen vor, dass
bei der Beurteilung vorherrschender Meinungsmacht eines Fernsehveranstalters auch medienrelevante verwandte Märkte einzubeziehen sind (§ 26 Abs. 2 Satz 2 RStV). Erreichen danach die
einem Unternehmen zurechenbaren Programme einen Zuschaueranteil von 25 %, so wird vorherrschende Meinungsmacht vermutet, wenn das Unternehmen auf einem medienrelevanten
verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder die Gesamtbeurteilung der
Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 %
entspricht. Darüber hinaus gewinnen die medienrelevanten verwandten Märkte bei der Prüfung
des Grundtatbestands des § 26 Abs. 1 RStV Bedeutung.417 Wie der potenzielle Meinungseinfluss
der einzelnen Märkte für sich genommen und im Zusammenspiel mit der Veranstaltung von
bundesweitem Fernsehen einzuschätzen ist, wurde im Auftrag der KEK in einem kommunikationswissenschaftlichen Gutachten untersucht (siehe Kap. IV 2.1.1.2.2).
Der Begriff des medienrelevanten verwandten Marktes ist im Rundfunkstaatsvertrag nicht
definiert. Die amtliche Begründung zu § 26 RStV zählt exemplarisch Werbung, Hörfunk, Presse,
Rechte und Produktion auf. Die Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. Zu beurteilen sind
417 Ständige Spruchpraxis der KEK; vgl. ausführlich Beschlüsse der KEK vom 26. 01. 1999 i. S. Premiere digital, Az.: KEK
026, II 3.2.2, und vom 21. 09. 1999 i. S. RTL, Az.: KEK 040, II 2.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
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insbesondere alle Aktivitäten, die zwar nicht unmittelbar zum bundesweiten Fernsehen gehören,
die aber gleichwohl in ihrer Zusammenfassung ein erhebliches publizistisches Gewicht haben
können. Eine vorgehobene Bedeutung kommt dabei den „fernsehnahen“ Aktivitäten eines Veranstalters zu.418 Die wichtigsten Hinweise auf Märkte, deren Beherrschung nach § 26 Abs. 2
Satz 2, 1. Alt. RStV medienrelevant ist, können der Entscheidungspraxis der Kartellbehörden und
Gerichte zur Fusionskontrolle im Rundfunk entnommen werden.419
Untersucht werden im Folgenden die Märkte für
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Fictionrechte (2.1),
Kinderprogramme (2.2),
Sportrechte (2.3),
Nachrichtenmaterial (2.4),
Programmzeitschriften (2.5),
Fernsehwerbung (2.6),
technische und administrative Dienstleistungen für digitales und Pay-TV (2.7),
Übertragungswege (2.8),
Ballungsraumfernsehen (2.9),
Teleshopping (2.10),
Presse (2.11),
Hörfunk (2.12),
Online-Medien (2.13).
Für die Beurteilung der Medienkonzentration sind die medienrelevanten verwandten Märkte
insbesondere dann von Bedeutung, wenn Fernsehveranstalter mit Unternehmen, die auf vorgelagerten Produktionsstufen tätig sind, vertikal integriert sind. Vertikale Verflechtungen mit
medienrelevanten verwandten Märkten können in erheblichem Umfang beobachtet werden und
erstrecken sich über sämtliche Ebenen der Fernsehbereitstellung.420 Durch den direkten Zugang
zu Absatz- und Beschaffungsmärkten können u. a. Kostenvorteile und eine größere Risikostreuung
erreicht werden. Vertikale Verflechtungen sind nicht schon an sich bedenklich. Problematisch
können sie aber dann werden, wenn die horizontale Konzentration auf den vor- und nachgelagerten Märkten so weit fortgeschritten ist, dass der Zugang von konkurrierenden TV-Unternehmen zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten durch eine solche vertikale Verbindung
eines Programmveranstalters eingeschränkt oder gefährdet wird. Daher werden im Folgenden
diejenigen Märkte genauerer Betrachtung unterzogen, auf denen Fernsehveranstalter direkt
– oder indirekt über verbundene Unternehmen – über starke Marktstellungen verfügen. Auch
wenn die Übertragungswege derzeit keinem maßgeblichen Einfluss von Veranstaltern von
418 Vgl. Immenga/Mestmäcker, GWB Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Auflage, München 2001, Vor § 35 Rn. 114 f.
419 Vgl. Immenga/Mestmäcker, GWB Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Auflage, München 2001, Vor § 35 Rn. 112,
78 ff.
420 Daneben bestehen auch vertikale Verflechtungen mit Märkten, die nicht als medienrelevante verwandte Märkte
i. S. d. § 26 Absatz 2 RStV einzuordnen sind bzw. deren Einordnung bislang offen gelassen wurde. Dafür lassen sich
u. a. folgende Beispiele anführen: Der KarstadtQuelle-Konzern plant, seinen Absatz von Sportartikeln durch die
Beteiligung an der Veranstalterin von DSF zu fördern; DSF solle als reichweitenstarke Plattform fungieren, über
die mit den Kunden kommuniziert werden könne; Pressemitteilung der KarstadtQuelle AG vom 12. 05. 2003. Der
Unternehmer Thomas Hornauer hat den Sender BTV 4 U (ehemals B.TV) übernommen. Thomas Hornauer ist der
Inhaber der Telekontor GmbH, die im Bereich der Technologie der Telefonmehrwertdienste tätig ist; das Programm
BTV 4 U ist als „Transaktionsfernsehen“ darauf ausgerichtet, Zuschauer zur Beteiligung per Telefon zu animieren.
Ebenfalls als vertikale Integration ist die Erhöhung der Beteiligung der Warner Music Group an der VIVA Media AG
und der Beteiligung an der VIVA Plus Fernsehen GmbH anzusehen, deren Programme als Abspielstationen für die
Musikvideos des Unternehmens dienen.
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Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Vertikale Konzentration
Vertikale Dekonzentration
Vorwärtsintegration der Rechte- in die Veranstalterebene
–nDie KirchMedia veräußert die Mehrheit der Anteile an
der ProSiebenSAT.1 Media AG.
–nDie Deutsche Fernsehnachrichtenagentur GmbH
(DFA) veräußert ihre Beteiligung am Nachrichtensender n-tv.
Rückwärtsintegration der Veranstalter- in die Rechteebene
–nDie RTL Group weitet ihre internationalen Aktivitäten
im Sportrechtehandel durch Gründung der SPORTFIVE S. A. aus.
–nDie ProSiebenSAT.1 Media AG veräußert ihre
100 %ige Beteiligung an der Nachrichtenagentur
ddp.
–nDie EM.TV & Merchandising AG veräußert ihre
Beteiligung an der Formel-1-Vermarktungsgesellschaft SLEC.
–nDie KirchMedia veräußert ihre Beteiligung an der
KirchSport AG, die u. a. die TV-Rechte an der Fußballbundesliga hält.
–nDie KirchMedia verliert ihre Beteiligung an der
Formel-1-Vermarktungsgesellschaft SLEC.
Vorwärtsintegration der Produktions- in die Veranstalterebene
–nDas Hollywood-Studio MGM gründet den MGM
Channel.
–nDie Universal Studios gründen den Sci-Fi Channel.
–nDie Spiegel TV GmbH veranstaltet gemeinsam mit
DCTP den Sender XXP.
–nDie Beate Uhse AG und Erotic Media AG veranstalten
das Programm Beate Uhse TV.
Rückwärtsintegration der Veranstalter- in die Produktionsebene
–nDie VIVA Media AG übernimmt das Produktionsunternehmen Brainpool TV AG.
–nDie KirchMedia gründet das auf Unterhaltungsformate spezialisierte Produktionsunternehmen
Kirch Media Entertainment.
–nDie EM.TV & Merchandising AG übernimmt das auf
Sportübertragungen spezialisierte Produktionsunternehmen Plazamedia.
–nDie EM.TV & Merchandising AG veräußert ihre
Beteiligungen an der Constantin Film AG und
verschiedenen kleineren Produktionsunternehmen.
–nDie KirchMedia trennt sich von ihrer 90 %igen
Beteiligung an der Neuen Deutschen Filmgesellschaft
(NDF).
–nDie KirchMedia trennt sich von ihrer Beteiligung an
der Constantin Film AG.
Vorwärtsintegration der Veranstalterebene in den Bereich von Dienstleistungen für das Digitalfernsehen
–nPremiere übernimmt das Playout-Center Beta Digital
(nunmehr umfirmiert in DPC Digital Play-Out-Center
GmbH).
–nDie für die Verschlüsselungs- und Decodertechnik von
Premiere zuständige Beta Research GmbH wird an
ein nicht mit Premiere verflochtenes Unternehmen
verkauft.421
Rückwärtsintegration der Vertriebs- in die Veranstalterebene
–nVerschiedene regionale Kabelgesellschaften der
Kabel Deutschland GmbH (KDG) bieten über digitale
Pay-TV-Plattformen fremdsprachige Programmpakete an.
–nDie Kabelnetzbetreiberin PrimaCom AG bietet Pay-TVProgrammpakete unter dem Namen PrimaTV an.
–nDer niederländische Kabelnetzbetreiber UPC beteiligt
sich an der Veranstalterin des Programms Extreme
Sports Channel.
–nDie Deutsche Telekom stellt den Betrieb ihrer
bundesweiten digitalen Programmplattform
Media Vision ein.
Tabelle II-26: Aktuelle Beispielsfälle vertikaler Konzentration und Dekonzentration von Fernsehveranstaltern und
medienrelevanten verwandten Märkten
421 Premiere beabsichtigt, ab Herbst 2003 statt Betacrypt von BetaResearch das Verschlüsselungssystem Nagravision
der Kudelski-Gruppe zu verwenden, vgl. Kap. II 2.7.5.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
161
bundesweitem privatem Fernsehen unterliegen, so werden sie hier dennoch aufgrund ihrer
potenziellen Relevanz für die Meinungsvielfalt behandelt.422
Im Berichtszeitraum waren sowohl Tendenzen zur vertikalen Konzentration als auch die Auflösung derartiger Verflechtungen zu verzeichnen. Die der Konzentrationstendenz gegenläufigen
Beispiele gehen zu einem großen Teil auf die Insolvenz der KirchGruppe zurück. Eine aktuelle
Übersicht gibt Tabelle II-26.
Als weitere medienrelevante, der Veranstaltung von bundesweitem Fernsehen nahe stehende
Märkte werden Ballungsraumfernsehen und Teleshopping untersucht. Während im Bereich des
Ballungsraumfernsehens eine deutliche dekonzentrative Entwicklung stattgefunden hat, werden
Fernsehveranstalter zunehmend im Teleshoppingmarkt aktiv.
Auch diagonale Verflechtungen, d. h. unternehmerische Verflechtungen zwischen Fernsehveranstaltern und Medienmärkten, deren Produkte weder von der Produktions- noch von der
Absatzseite miteinander verbunden sind, sind in erheblichem Ausmaß zu verzeichnen. Auch
hier gilt: Diagonale Verflechtungen sind nicht als solche problematisch für Wettbewerb oder
Meinungsvielfalt. Allerdings verdienen solche Verflechtungen besondere Aufmerksamkeit, da
sie die Gefahr einer Vervielfältigung des publizistischen Einflusses in Form von multimedialer
Meinungsmacht in sich bergen.
Beispiele für ein Fortschreiten der diagonalen Konzentration sind u. a. der Erwerb der AVEHörfunkbeteiligungen durch die RTL Group, die Online-Aktivitäten aller Veranstalter und die
Aktivitäten der Bertelsmann AG im Printbereich. Als ein Fall diagonaler Dekonzentration ist der
Verlust des 40-Prozent-Anteils der Kirch Beteiligungs GmbH & Co. KG an der Axel Springer AG zu
werten.423
2.1
Fiction-Rechte
Das Gebot der Vielfaltsicherung erfordert es, auch die vertikale Verflechtung von Rundfunkveranstaltern mit Produktionsfirmen und Inhabern von Film- und Sportübertragungsrechten zu
berücksichtigen.424 Die öffentliche Meinungsbildung beschränkt sich nicht auf „Nachrichtensendungen, politische Kommentare, Sendereihen über politische Probleme der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft“, sondern „jedes Rundfunkprogramm (wird) durch die Auswahl und
Gestaltung der Sendungen eine gewisse Tendenz haben“.425 Demnach kommt auch fiktionalen
Programmen ein meinungsbildender Charakter zu. Dies bringt auch die Begründung zum
3. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zum Ausdruck, wonach u. a. Rechte und Produktion als
Indikatoren bei der Beurteilung, ob gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV vorherrschende Meinungsmacht vorliegt, einzubeziehen sind. In der kartellrechtlichen Praxis wurde für den relevanten
Markt der Produktion von Fernsehprogrammen bislang offen gelassen, ob je nach der Art der
Programme und ihrer Bedeutung für verschiedene Veranstalter gesonderte Teilmärkte anzuneh422 Eine Vorwärtsintegration eines Veranstalters in den Bereich der Übertragungswege hat sich bislang in Deutschland
nicht realisiert: Der Erwerb von sechs regionalen Kabelgesellschaften der Deutsche Telekom AG durch die Liberty
Media Corporation, die u. a. über eine Beteiligung an der Veranstalterin des Discovery Channel verfügt, wurde
2002 vom Bundeskartellamt untersagt; vgl. BKartA, Beschluss vom 22. 02. 2002, Az. B7-168/01.
423 Ein weiteres Beispiel ist die Einstellung des bundesweiten Hörfunkprogramms von Radio GoldStar. Die Veranstalterin dieses Hörfunkprogramms war eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Veranstalterin des gleichlautenden
TV-Programms, die sich nach dem Ausscheiden der Kirch PayTV GmbH & Co. KGaA als Gesellschafterin nun im
alleinigen Besitz von Gottfried Zmeck befindet. Die anfangs noch mittelbar zu 50 % beteiligte Kirch PayTV GmbH &
Co. KGaA hatte ihre Anteile an Gottfried Zmeck veräußert; vgl. Beschlüsse der KEK i. S. GoldStar TV vom 22. 07. 2002,
Az.: KEK 148, und vom 10. 09. 2002, Az.: KEK 148-1.
424 BVerfGE 95, 163, 173.
425 BVerfGE 12, 205, 260.
162
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
men sind.426 Für den Bereich des Programmrechtehandels sind eigenständige Märkte für FictionProgramme und Sportrechte abgegrenzt worden.
Mit der Bezeichnung Fiction-Programme soll fiktionale Unterhaltung als Bestandteil von
Fernsehprogrammen erfasst werden. Darunter fallen sowohl für die Kinoausstrahlung produzierte
und in Fernsehprogrammen nachverwertete Kinofilme (Spielfilme) als auch Fernsehproduktionen,
die ausschließlich und speziell für die Verwendung in Fernsehprogrammen produziert werden
(Fernsehfilme/TV-Movies, Reihen, Serien). Eine weitere Segmentierung kann z. B. nach verschiedenen Programmgenres (Action, Krimi, Science Fiction etc.), erwarteter Zuschauerattraktivität
(Premium-Filme) oder nach den Stufen der Verwertungskette (Erstausstrahlung, Pay-TV, Free-TV
etc.) erfolgen.
2.1.1
Stellenwert fiktionaler Programme
Das zur inhaltlichen Gestaltung eines Fernsehprogramms benötigte Programmmaterial stellt für
den Fernsehveranstalter einen im Qualitätswettbewerb entscheidenden Inputfaktor dar. Im
Folgenden soll das Gewicht der Fiction-Programme gegenüber anderen Programmkategorien
anhand der Zusammensetzung des täglichen Fernsehkonsums der Zuschauer dargestellt werden. Ein hoher Anteil fiktionaler Unterhaltung im Programm ist aus Sicht privatwirtschaftlicher
Fernsehveranstalter nur dann sinnvoll, wenn dieser Faktor die Sehentscheidung der Zuschauer
zugunsten eines Fernsehprogramms positiv determiniert.
2.1.1.1
Frei empfangbares Fernsehen
Tatsächlich verbringen die Fernsehzuschauer im Vergleich der Programmsparten den größten Teil
ihrer täglichen Sehdauer mit dem Konsum fiktionaler Unterhaltung. Dies gilt für die Sender RTL,
ProSieben und – mit Ausnahme des Jahres 2002, wo die Nutzung nichtfiktionaler Unterhaltung
überwog – für SAT.1. Bei ARD und ZDF überwog die Nutzung des Genres Information (siehe
Tab. II-27).
Der Zugang zu fiktionaler Unterhaltung erlangt somit strategische Bedeutung für Fernsehveranstalter im frei empfangbaren Fernsehen. Tabelle II-28 gibt einen Überblick über Angebot und
Nutzung von Programmsparten. Im Gesamtprogrammangebot dominiert das Genre Information;
40 % des gesamten Programmangebots sind nach dieser Untersuchung diesem Genre zuzuordnen. Die Nutzung dieses Genres macht 30 % der Nutzung des Gesamtangebots aus. Im Bereich
Fiction ist das Verhältnis umgekehrt. Der Anteil fiktionalen Programms am Gesamtangebot beträgt 30 %, fiktionale Angebote werden aber mit einem Anteil von 37 % an der Gesamtnutzung
überproportional genutzt. Bei getrennter Betrachtung der öffentlich-rechtlichen und der privaten
Programme entsprechen sich Angebot und Nutzung des fiktionalen Programms weitgehend. Ein
den Angebotsanteil deutlich übertreffender Nutzungsanteil ist beim Sportangebot der öffentlichrechtlichen Programme und bei dem Informationsangebot der Privatsender zu verzeichnen.
Tabelle II-29 gibt den Anteil von Fiction-Programmen am Gesamtprogramm der zuschauerstärksten privaten Vollprogramme sowie der öffentlich-rechtlichen Anstalten wieder. Es zeigt
sich, dass der Anteil von Fiction am Gesamtprogramm bei den privaten Veranstaltern seit 1997
zunächst überwiegend kontinuierlich gesunken ist. Im Jahr 2001 ist bei den Sendern der RTL
Group ein erneuter Anstieg des Fiction-Anteils zu verzeichnen, bei den Sendern der ProSiebenSAT.1 Media AG nimmt der Anteil dagegen größtenteils weiter ab. Bei den untersuchten privaten
426 Vgl. Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum GWB, 3. Aufl., München 2001, Vor § 35 Rn. 87.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
Sender
163
Information
Fiction
Nonfiktionale
Unterhaltung
Sport
Werbung und
Sonstiges
Sehdauer des
Programms
in Minuten
RTL
1999
2000
2001
2002
22,7
21,7
21,1
21,5
37,8
32,8
31,7
31,0
19,3
20,8
21,4
21,9
05,0
06,8
08,4
07,7
15,1
17,8
17,4
17,9
27
27
28
29
SAT.1
1999
2000
2001
2002
15,7
15,9
18,9
13,4
39,9
36,5
33,3
29,4
21,3
22,5
23,2
31,3
07,2
06,5
05,4
06,1
16,0
18,7
19,1
19,7
20
19
19
20
ProSieben
1999
2000
2001
2002
22,4
20,7
22,3
22,9
60,4
60,6
54,8
52,4
02,8
04,0
07,0
08,2
00,1
00,0
00,0
00,0
14,4
14,7
16,0
16,1
16
16
16
14
ARD1)
1999
2000
2001
2002
38,6
36,2
39,1
37,2
31,7
31,1
31,3
30,1
15,6
15,3
15,6
13,9
11,4
13,9
10,6
15,7
02,8
03,6
03,3
03,1
26
27
27
29
ZDF
1999
2000
2001
2002
37,1
35,9
39,1
36,6
35,8
33,4
35,9
33,4
13,3
11,9
15,6
10,6
09,8
14,1
10,6
15,1
03,8
04,9
03,3
04,2
24
25
27
28
1) ARD-Gemeinschaftsprogramm „Das Erste“
Tabelle II-27: Zusammensetzung des täglichen Fernsehkonsums nach Programmsparten und Sendern (Zuschauer
ab 3 Jahren in Prozent)
Quelle: Wolfgang Darschin, Susanne Kayser, Tendenzen im Zuschauerverhalten, in: Media Perspektiven
4/2000, S. 151, sowie Wolfgang Darschin, Heinz Gerhard, in: Media Perspektiven 4/2002, S. 158, und 4/2003,
S. 162
Anteil der öffentlich-rechtlichen Programme1) an dem
gesamten Angebot/der
gesamten Nutzung des
Genres in Prozent
Angebot
Nutzung
Anteil der privaten Programme2) an dem gesamten
Angebot/der gesamten
Nutzung des Genres
in Prozent
Angebot
Nutzung
Anteil der Genres an dem
gesamten Angebot/der
gesamten Nutzung
in Prozent
Angebot
Nutzung
Information
Sport
Unterhaltung
Fiction
Werbung
84
23
58
32
02
67
54
45
34
08
16
77
42
68
98
33
46
55
66
92
≈ 040
≈ 009
≈ 011
≈ 030
≈ 009
030
009
014
037
010
Gesamt
53
44
47
56
≈ 100
100
1) ARD/Das Erste, 8 Dritte Programme, ZDF, 3sat
2) RTL, SAT.1, ProSieben, RTL II, VOX, Super RTL, Kabel 1, tm3, DSF, Eurosport
Tabelle II-28: Spartenangebot und Spartennutzung im Fernsehen 2000 (Mo. bis So., 03:00 bis 03:00 Uhr, Zuschauer
ab 3 Jahren, Anteile am gesamten Programmangebot und an der in Sehdauer gemessenen Nutzung der Sparten
in Prozent)
Quelle: Maria Gerhards, Andreas Grayczyk, Walter Klingler, Programmangebote und Spartennutzung im
Fernsehen 2000, in: Media Perspektiven 5/2001, S. 254
164
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Programme
Fiction
(Min./p. a.)
Spielfilm
(Min./p. a.)
Fernsehfilm
(Min./p. a.)
Serie
(Min./p. a.)
GesamtSendezeit
(Min./p. a.)1)
Anteil Fiction
am Gesamtprogramm
035.713
026.787
023.739
024.542
023.215
024.820
03.871
05.717
06.241
06.475
05.873
08.738
189.633
185.040
172.935
155.874
151.804
153.924
452.148
446.726
454.174
451.814
451.322
440.217
50,7 %
48,7 %
44,7 %
41,4 %
40,1 %
42,6 %
RTL
1996
1997
1998
1999
2000
2001
229.217
217.544
202.916
186.890
180.892
187.482
RTL II
1996
1997
1998
1999
2000
2001
349.300
357.869
339.960
304.091
314.877
126.365
118.449
116.957
114.055
114.491
keine Angaben
222.935
135.320
129.373
112.068
110.303
457.851
452.244
444.758
452.014
452.835
76,3 %
79,1 %
76,4 %
67,3 %
69,5 %
Super RTL
1996
1997
1998
1999
2000
2001
252.294
276.113
263.774
273.886
273.803
271.905
39.469
51.081
51.979
50.967
33.561
31.661
212.825
225.032
211.795
222.918
240.242
240.244
357.276
362.137
370.229
362.489
349.078
341.348
70,6 %
76,2 %
71,2 %
75,6 %
78,4 %
79,7 %
VOX
1996
1997
1998
1999
2000
2001
259.619
252.326
258.853
247.629
255.941
118.536
114.464
98.543
99.476
109.795
keine Angaben
141.083
137.862
160.310
148.153
146.146
370.891
369.848
387.404
374.163
374.962
70,0 %
68,2 %
66,8 %
66,2 %
68,3 %
SAT.1
1996
1997
1998
1999
2000
2001
232.612
221.308
222.055
209.298
186.895
163.951
81.690
83.173
83.901
73.303
43.900
44.400
150.922
138.135
138.154
135.995
142.995
119.951
456.378
453.400
450.851
448.304
442.695
427.034
51,0 %
48,8 %
49,3 %
46,7 %
42,2 %
38,4 %
ProSieben
1996
1997
1998
1999
2000
2001
343.378
338.527
328.600
286.265
280.391
274.366
122.976
124.234
123.654
116.516
127.257
131.899
220.402
214.527
204.946
169.749
153.134
142.467
447.547
423.234
418.911
422.665
432.760
434.689
76,7 %
80,0 %
78,4 %
67,8 %
64,8 %
63,1 %
Kabel 1
1996
1997
1998
1999
2000
2001
425.131
420.678
391.855
371.187
366.894
338.742
282.979
283.772
258.172
223.063
206.255
206.810
471.125
458.962
434.380
466.764
449.098
425.732
90,2 %
91,7 %
90,2 %
79,5 %
81,7 %
79,6 %
ARD
1996
1997
1998
1999
2000
2001
092.681
100.285
109.994
112.699
109.893
116.119
379.978
380.547
421.182
417.428
418.947
420.060
24,4 %
26,4 %
26,1 %
27,0 %
26,2 %
27,6 %
1996
1997
1998
1999
2000
2001
127.424
127.014
131.758
138.342
131.342
141.376
390.816
385.968
465.876
466.778
467.724
466.420
32,6 %
32,8 %
28,3 %
29,6 %
28,1 %
30,3 %
ZDF
134.550
132.151
127.661
137.627
151.321
124.327
07.602
04.755
06.022
10.497
09.318
07.605
keine vergleichbaren Angaben
068.114
067.614
064.919
062.281
044.212
052.377
29.227
31.735
36.899
42.588
49.064
49.265
030.083
027.665
029.940
033.473
038.066
039.734
Tabelle II-29: Anteil fiktionaler Unterhaltung an der Sendezeit der Vollprogramme 1996–2001
(Fortsetzung nächste Seite)
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
165
Durchschnittlicher Fiction-Anteil bei den untersuchten
privaten Programmen
öffentlich-rechtlichen Programmen
1996
1997
1998
1999
2000
2001
67,8 %
69,4 %
68,7 %
64,9 %
63,0 %
63,0 %
28,5 %
29,6 %
27,2 %
28,3 %
27,2 %
29,0 %
1) ohne Werbung
Tabelle II-29: Anteil fiktionaler Unterhaltung an der Sendezeit der Vollprogramme 1996–2001
Quelle: Media Perspektiven, Basisdaten 1997, 1998, 1999, 2000 und 2001
Sender
Spielfilm
Fernsehfilm
Serie1)
Anteil Fiction2) am
Gesamtprogramm
02,2 %
18,9 %
21,9 %
02,7 %
19,8 %
22,4 %
12,1 %
06,9 %
2,3 %
3,1 %
5,2 %
3,4 %
4,1 %
6,6 %
8,3 %
9,3 %
37,2 %
45,7 %
31,0 %
30,6 %
32,7 %
48,3 %
14,7 %
15,8 %
41,6 %
67,7 %
58,2 %
36,7 %
56,9 %
77,3 %
35,1 %
32,4 %
RTL
RTL II
VOX
SAT.1
ProSieben
Kabel 1
ARD
ZDF
Durchschnittlicher Fiction-Anteil der untersuchten Programme: 50,7 %
1) einschließlich Fernseh-, Sitcom-, Zeichentrickserien
2) einschließlich fiktionaler Programmangebote für Kinder
Tabelle II-30: Stellenwert von Fiction-Programmen innerhalb des Gesamtprogramms (ohne Werbung) 2001
Quelle: ALM Programmbericht 2000/2001, S. 159, Programmstruktur nach einer Stichprobe im Jahr 2001
(15. KW) in Prozent, 3:00 bis 3:00 Uhr; eigene Berechnungen
Programmen stellt Fiction mit zuletzt durchschnittlich 63 % der gesamten Sendezeit (ohne
Werbung) nach wie vor den deutlich größten Programmbereich dar.
Eine ergänzende, auf einen durchschnittlichen Sendetag bezogene Analyse der Programmstruktur führt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Fiction-Programmen ein Großteil der Sendezeit
eingeräumt wird. Der durchschnittliche Fiction-Anteil der untersuchten Programme liegt danach
bei 50,7 %.
Es ist festzustellen, dass fiktionaler Unterhaltung im frei empfangbaren Fernsehen ein hoher
Stellenwert zukommt. Bei den untersuchten privaten Sendern bestand das Programm größtenteils aus Fiction-Beiträgen; in dieser Sparte wurden auch die höchsten Zuschaueranteile erzielt.
Innerhalb dieser Kategorie dominieren Serien, gefolgt von Spielfilmen (s. o. Tab. II-29 und II-30).
Fernsehfilme machen lediglich einen geringeren Anteil am Gesamtprogramm aus.
2.1.1.2
Pay-TV
Der exklusive Zugang zu attraktiven Programmrechten ist insbesondere für die Veranstaltung von
digitalem Pay-TV eine entscheidende Voraussetzung, um im Wettbewerb mit anderen Anbietern,
insbesondere mit frei empfangbaren TV-Programmen, bestehen zu können. Für diese „ist der
Zugang zu Programmrechten noch bedeutsamer als für die Veranstaltung von frei empfangbarem
166
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Fernsehen, da nur bestimmte Inhalte geeignet sind, den Verbraucher zu einem Abonnement
oder zum Einzelbezug bestimmter Programmveranstaltungen mittels Pay-TV zu bewegen“.427 Als
ausschlaggebend für die Abonnemententscheidung werden vor allem so genannte PremiumProgramme wie Erstausstrahlungen von Filmproduktionen großer Hollywoodstudios oder
exklusive Übertragungsrechte an Sportveranstaltungen angesehen. Dies spiegelt sich in der
Angebotstruktur der Premiere-Plattform wider. Dort dominieren zahlenmäßig fiktionale Spartenprogramme (siehe Tab. II-31).
Soweit Daten zur Nutzung des Programmangebots von Premiere vorhanden sind, lässt sich
auch anhand dieser die herausragende Bedeutung von fiktionalem Programm im Pay-TV erkenAngebotsform/-Name
Fiction
Sport
Information
Musik
Erotik
Sonstiges
Einzelkanäle
– Premiere Start
alle Sparten
Pakete
– Premiere Film
– Premiere 1
– Premiere 2
– Premiere 3
– Premiere 4
– Premiere 5
– Premiere 6
– Premiere 7
– Disney
Channel
– Premiere
Sport
– Premiere Plus
– Goldstar Extra
– Premiere
Sport 1
– Premiere
Sport 2
– Premiere
Serie
– Discovery
Channel
– Krimi & Co.
– Junior TV
– K-toon
– Fox Kids
– Premiere
Nostalgie
– Studio Universal
– 13th Street
– Planet
– Heimatkanal2)
– Classica
– Beate Uhse
TV
– Sonnenklar
TV1) (Reiseshopping)
– Goldstar TV
Pay-per-View
– Premiere
Direkt 1
– Premiere
Direkt 2
– Premiere
Direkt 3
– Premiere
Direkt 43)
– Premiere
Erotik 1
– Premiere
Erotik 2
– Premiere
Erotik 3
1) nur per Satellitenempfang
2) Programm enthält auch Beiträge der Sparte Musik
3) z. T. auch Beiträge anderer Sparten (Fiction, Musik etc.)
Tabelle II-31: Pay-TV-Programmangebot von Premiere nach Sparten (Stand: 01. 03. 2003)
427 Vgl. Entscheidung der Europäischen Kommission in Sachen IV/M.993 – Bertelsmann/Kirch/Premiere, Tz. 48.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
167
nen. Legt man die von Premiere veröffentlichten Zahlen zur (in Sehdauer gemessenen) Nutzung
der Programme der Premiere-Plattform zu Grunde,428 so liegt der Anteil der Fiction-Programme
Premiere 1–7, Krimi & Co., 13th Street, Disney Channel und Premiere Serie an der gesamten
Premiere-Sehdauer bei 54,7 %. Auf die Sportkanäle Premiere Sport 1 und 2 entfallen immerhin
noch 21,8 %, auf das Informationsspartenprogramm Discovery Channel 7 %. Die verbleibenden
16,5 % der Sehdaueranteile sind nicht für einzelne Kanäle ausgewiesen. Betrachtet man die
Spartenzugehörigkeit der nicht einzeln ausgewiesenen Programmangebote, so ist anzunehmen,
dass ein großer Teil der 16,5 % an nicht spezifizierter Nutzung auf fiktionale Angebote, darunter
auch die Erotikprogramme, entfällt.
2.1.2
Der Markt für die Beschaffung von Fiction-Programmen
Auf dem Markt für die Beschaffung von Fiction-Programmen für die Fernsehveranstaltung im
Rundfunk treten Produzenten von Kino- und/oder Fernsehproduktionen, Rechtehändler und auch
Fernsehveranstalter als Anbieter und – sieht man vom Zwischenhandel ab – Fernsehveranstalter
als Endnachfrager auf.
Fiction-Programme werden gemäß einer Make-or-Buy-Entscheidung der Fernsehveranstalter
– als Lizenzprogramme (Kaufproduktionen) am Markt,
– als Auftragsproduktionen bei (mehr oder weniger) unabhängigen Produktionsfirmen erworben oder
– als Eigenproduktionen der Fernsehveranstalter selbst produziert.429
Tabelle II-32 zeigt den Anteil von Kaufprogrammen, Eigen-/Auftrags- und Koproduktionen bei
privaten Vollprogrammen und den öffentlich-rechtlichen Programmen ARD (Das Erste) und ZDF.m
Bei den im Auftrag der ALM untersuchten privaten Programmen lässt sich zum Jahr 2001 eine
deutliche Abnahme der Kaufprogramme und größtenteils eine Zunahme der Eigen-, Auftragsund Koproduktionen gegenüber den Werten für 1999 feststellen. Im Jahr 2002 nimmt der Anteil
von Kaufprogrammen bei fast allen Sendern wieder zu, erreicht aber (mit Ausnahme des ZDF)
nicht das Niveau von 1999. Mit einem höheren Anteil eigen-, auftrags- und koproduzierten
Programms nehmen mögliche Verflechtungen zwischen Fernsehproduzenten und Fernsehveranstaltern für die Beurteilung der Medienkonzentration an Bedeutung zu, der Handel mit
Übertragungsrechten von fiktionalen Programmbeiträgen nimmt dagegen im langfristigen Vergleich eher an Bedeutung ab.
Dies gilt allerdings nicht für den Bereich von Pay-TV oder Pay-per-View-Diensten; dort wird der
Programmbedarf ganz überwiegend mit Kaufprogrammen gedeckt. Dies verdeutlicht Tabelle II-33.
Auf Pay-TV-Veranstalter entfielen 30,97 % der Aufwendungen für Kaufprogramme insgesamt
und mehr als ein Drittel der Aufwendungen für Fiction-Kaufprogramme im Jahr 2000. Ihr Anteil
bei Aufwendungen für Auftragsproduktionen liegt dagegen bei lediglich 0,32 %. Für Auftragsproduktionen und Kaufprogramme wurden im Jahr 2000 insgesamt 5,2 Mrd. Euro von den
deutschen Fernsehveranstaltern ausgegeben. Gemessen an den Gesamtaufwendungen für
Kaufprogramme wurden 83,26 % in Fiction-Programme investiert, der Anteil der Aufwendungen
für Fiction-Produktionen an den gesamten Investitionen für Auftragsproduktionen lag bei
75,05 %.m
428 Vgl. Premiere in Zahlen, Präsentation von Premiere zur Programm-Medienkonferenz vom 13. 02. 2003.
429 Vgl. Jochen Zimmer, Auftrieb für fiktionale Fernsehproduktion in Deutschland, in: Media Perspektiven 1/98, S. 2 ff.,
hier: S. 2.
168
Sender
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Kaufproduktionen
Eigen-/Auftrags- und
Koproduktionen
Wiederholungen
Trailer, Werbung,
Sponsoring etc.
RTL
1997
1999
2001
2002
29,0
19,0
14,2
14,9
34,2
42,0
39,6
41,2
18,4
19,2
24,1
19,3
18,4
19,8
22,1
24,7
RTL II
1997
1999
2001
2002
43,8
50,8
46,7
50,5
10,0
11,1
20,0
14,1
28,2
17,1
13,0
15,3
18,0
21,0
20,3
20,2
VOX
1997
1999
2001
2002
28,3
34,7
27,4
32,1
11,6
11,4
16,5
12,8
24,6
28,3
28,3
23,6
35,5
25,6
27,8
31,6
SAT.1
1997
1999
2001
2002
25,4
22,4
14,6
15,6
38,6
40,6
45,8
44,4
17,4
17,5
13,8
14,1
18,6
19,5
25,8
26,0
ProSieben
1997
1999
2001
2002
47,2
38,0
36,9
33,1
10,7
19,6
20,7
25,2
22,2
21,5
24,9
23,3
19,9
20,9
17,5
18,5
Kabel 1
1999
2001
2002
49,3
43,5
44,1
04,8
07,1
05,7
26,6
24,8
24,9
19,3
24,6
25,4
ARD
1997
1999
2001
2002
20,5
18,0
16,5
17,0
63,1
66,9
65,0
67,2
12,4
10,8
13,7
11,7
04,0
04,3
04,8
04,2
ZDF
1997
1999
2001
2002
17,9
15,8
12,1
16,1
62,3
68,4
69,6
68,0
14,2
10,4
13,2
11,4
05,6
05,4
05,1
04,6
Tabelle II-32: Produktionscharakteristika des redaktionellen Programms 1997, 1999, 2001 und 2002 in Prozentm
Quelle: ALM Programmberichte 1998/99, 2000/2001, ALM-Fernsehprogrammanalyse, Sendebericht Herbst
2002, veröffentlicht unter www.alm.de. Aus den dort angegebenen zwei Stichprobenwerten für 2002 wurde
hier ein Durchschnittswert errechnet.
Festzustellen ist die Zunahme einheimischer und der Rückgang US-amerikanischer Fiction im
deutschen Fernsehprogramm in den Jahren 1996 bis 2000. Der Anteil von US-amerikanischer
Fiction ist aber nach wie vor erheblich. Ein unterschiedliches Bild ergibt sich dabei je nach Sendezeit. Während im Jahr 2000, über den ganzen Tag betrachtet, 36 % einheimische und 57 %
US-amerikanische Produktionen (5 % europäische und 2 % sonstige Produktionen) ausgestrahlt
wurden, stehen in der Prime Time 56 % an einheimischer Produktion 44 % US-amerikanischen
Produktionen gegenüber. Die Dominanz einheimischer Fiction in der Prime-Time-Sendezeit verdeutlicht die größere Bedeutung der deutschen Produzenten für die Programmbeschaffung der
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
TV-Veranstalter
in Mio. ;
1996
in Prozent
169
in Mio. ;
2000
in Prozent
Veränderung
1996/2000 in %
(1996 = 100 %)
2.037
100
2.641
100
130
0.337
1.700
16,54
83,46
0.366
2.275
13,86
86,14
108
134
davon Fiction-Programme2)
Free-TV-Veranstalter
Pay-TV-Veranstalter
1.746
1.450
0.297
85,71
71,18
14,58
2.1993)
1.176
0.818
83,26
44,53
30,97
126
081
276
Auftragsproduktionen
1.429
100
2.521
100
176
Öffentlich-Rechtliche
Private
0.578
0.851
40,45
59,55
0.698
1.823
27,69
72,31
121
214
1.153
1.148
000.5
80,69
80,34
00,35
1.892
1.884
000.8
75,05
74,73
00,32
164
164
150
Kaufprogramme insgesamt1)
Öffentlich-Rechtliche
Private
davon Fiction-Programme2)
Free-TV-Veranstalter
Pay-TV-Veranstalter
3)
1)nEinschließlich Übertragungsrechte.
2)nAufwand für Lizenzen und ca. 10 % Synchronisationskosten.
3)nBei Addition der Aufwendungen der Free- und Pay-TV-Veranstalter verbleibt eine ungeklärte Differenz zum Gesamtbetrag von 205 Mio. Euro.
Tabelle II-33: Aufwendungen der Fernsehveranstalter für Kaufprogramme und Auftragsproduktionen in Mio. Euron
Quelle: DIW Berlin, DLM-Studie zur Film- und Fernsehwirtschaft in Deutschland 2000/2001, S. 57; eigene
Berechnungen. Die in der Studie verwendeten gerundeten DM-Werte wurden für die Umrechnung in Euro
(1 Euro = 1,95583 DM) abermals gerundet, daher kann es zu Abweichungen gegenüber den Veränderungswerten kommen.
Fernsehsender gegenüber vornehmlich ausländischen Lizenzprogrammen. Allerdings ist eine
Zunahme US-amerikanischer Fiction zur Prime Time zu verzeichnen: 1999 lag ihr Anteil noch bei
30 %.430
2.1.3
Der Markt für Auftragsproduktion
Mit dem Markt für Auftragsproduktion (Fiction- und Non-Fiction-Produktion) befassen sich eine
Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für die DLM (DLM-Studie)431 und
eine Studie des FORMATT-Instituts im Auftrag der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen (FORMATTStudie).432 Sowohl die DLM-Studie als auch die Studie des FORMATT-Instituts befassen sich mit
der Marktsituation im Jahr 2000. Die Auswirkungen der Krise am Werbemarkt auf die Nachfrage
der Sender nach TV-Produktionen wurden bislang noch nicht systematisch erfasst.
Der Markt für Auftragsproduktion ist durch eine Vielzahl von Anbietern geprägt. Die DLMStudie geht, angelehnt an die Umsatzsteuerstatistik, von der Existenz von 1.600 Unternehmen mit
Schwerpunkt TV-Produktion im Jahr 2000 aus.433 Die Anzahl der im Jahr 2000 aktiven Produktionsunternehmen beziffert das FORMATT-Institut in seiner Untersuchung mit 717 Unternehmen.434
430 Vgl. Pressemitteilung der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle vom 09. 10. 2001 zur Eurofiction Studie
2001, Stichwoche der Untersuchung für 2000: 12. bis 18. 03. 2000.
431 Vgl. DLM-Studie zur Film- und Fernsehwirtschaft in Deutschland 2000/2001, Schriftenreihe der Landesmedienanstalten Band 26, Berlin 2002, S. 59.
432 Vgl. FORMATT-Institut, Fernseh- und Filmproduktionsmarkt Deutschland, 2002.
433 Vgl. DLM-Studie, a. a. O., S. 59.
434 Vgl. FORMATT, a. a. O., S. 22.
170
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Die Anzahl der im Bereich der Fiction-Produktion tätigen Unternehmen ist deutlich geringer (vgl.
Tab. II-37).
Nach der DLM-Studie hatte der Markt für Auftragsproduktion im Jahr 2000, gemessen anhand
der Aufwendungen der TV-Veranstalter, ein Volumen von 2,52 Mrd. Euro. Zu einem ähnlichen
Ergebnis kommt eine Studie von HMR International.435 Diese Studie legt einen Gesamtumsatz
im Bereich TV-Produktion für die Geschäftsjahre 1999/2000 von umgerechnet 2,34 Mrd. Euro
zugrunde. Das FORMATT-Institut hat hingegen die Struktur im Markt der Auftragsproduktion
anhand des in Minuten gemessenen Produktionsvolumens der Unternehmen untersucht.436 Die
Ergebnisse sind nur bedingt vergleichbar, da nicht zwingend ein Zusammenhang zwischen
Umsatzhöhe und Produktionsvolumen bestehen muss. Z. B. gelten Daily Soaps als vergleichsweise
billig in der Produktion, bewirken aber ein hohes Produktionsvolumen. Auffallend ist jedoch die
Übereinstimmung der Größenverhältnisse mit jeweils nur einem Unternehmen mit mehr als
10 % Marktanteil, 2 bzw. 3 Unternehmen mit mehr als 5 % und zahlreichen Unternehmen mit
geringeren Anteilen (siehe Tab. II-34). Nach beiden Untersuchungsansätzen ist die RTL Group
marktführend mit einem Anteil von 12,37 % beim Umsatz und 13,32 % beim Produktionsvolumen.
Es folgte die KirchGruppe, wenn man in der Aufstellung zum Produktionsvolumen einmal vom
Unternehmen Endemol absieht, das im Jahr 2000 aufgrund der Produktion der täglichen „RealityTV“-Sendung Big Brother einen besonders großen Output erzielen konnte.
Nach der FORMATT-Studie ist das für deutsche Fernsehsender produzierte Auftragsvolumen
von 1999 zum Jahr 2000 um 12 % gewachsen. Dies ist nach den Erkenntnissen von FORMATT
nahezu ausschließlich auf die Aktivitäten der „Sender der zweiten Generation“, darunter VOX,
Kabel 1 und RTL II, zurückzuführen, die aufgrund des größeren Zuschauerzuspruchs und der
zunehmenden Akzeptanz bei den Werbeagenturen vermehrt in Auftragsproduktionen investierten
und sich vom Image der Abspielstätte für US-Produktionen entfernen konnten. Der Volumenzuwachs im Bereich Fiction-Produktion hat sich dagegen stark verringert. U. a. dürfte dies auf
die Ausweitung von Reality-, Talk- und Quizshows im Fernsehprogramm zurückzuführen sein.m
Zu einer anderen Einschätzung der Rolle der kleineren Privatsender bei der Auftragsproduktion
kommt die Studie Eurofiction 2001 für den Bereich der Fiction-Produktion.437 Nach dieser Untersuchung tragen kleinere Privatsender wie VOX und RTL II nur noch minimal zum Angebot an
fiktionaler Eigen- bzw. Auftragsproduktion bei. Sie werden in ihren Senderfamilien fast ausschließlich als Abspielorte für Wiederholungen genutzt, die in Erstausstrahlungen auf den Hauptsendern
der Gruppe gezeigt wurden.438 Öffentlich-rechtliche Sender stellten 68 % der erstausgestrahlten
fiktionalen Produktionen her, Privatsender lediglich 32 %. Eine Übersicht über die Anzahl und den
Anteil einzelner Sender an erstausgestrahlten einheimischen Fiction-Produktionen gibt Tabelle II-35.
Dabei werden Daily Soaps ebenso als eine einzelne Produktion gezählt wie jede andere Serie
oder ein TV-Movie.
Die Anzahl der Produktionen ist insgesamt deutlich gestiegen. Die Krise im Werbemarkt seit
dem Jahr 2001 und der Trend zu nichtfiktionaler Unterhaltung ließen eher einen Rückgang erwarten. Es fällt jedoch auf, dass der Zuwachs lediglich auf die öffentlich-rechtlichen Veranstalter
zurückzuführen ist; bei den Privatsendern ist hingegen ein Angebotsrückgang zu verzeichnen.m
Die weitere Entwicklung der Produktionsbranche ist angesichts der fortbestehenden Krisenlage nicht absehbar. Nach Presseberichten büßten die Produzenten im Jahr 2002 durch Ein435 Vgl. HMR International, Fernsehmarkt Deutschland: Strukturen der TV-Produktion, Februar 2001.
436 Vgl. FORMATT, a. a. O., 2002.
437 Vgl. Gerd Hallenberger, Eurofiction 2001: Stabiles Angebot an fiktionaler Eigenproduktion, in: Media Perspektiven
10/2002, S. 501 ff.
438 Ebenda, S. 505.
UFA Gruppe
KirchMedia GmbH & Co. KGaA
Bavaria Film GmbH
Studio Hamburg GmbH
Endemol Entertainment
Holding GmbH
AS Media GmbH
Otto Meissner KG
Spiegel TV GmbH
action concept
Producers AG
2.340
100,00
58,95
MME
Tele München Gruppe
Bavaria
D & D Film & Fernsehproduktion
DCTP
RTL Group/CLT-UFA
Endemol
KirchGruppe
Springer
Spiegel TV
Columbia
Das Redaktionsbüro
Holtzbrinck
Couch Potatoes
Televersal
Studio Hamburg
Gesamtproduktionsvolumen
01–20 Gesamt
11–20 Gesamt
18 Brainpool
19 Drefa
20 TV IIIa
17 Bonito-TV
11
12
13
14
15
16
01–10 Gesamt
06
07
08
09
10
01
02
03
04
05
Unternehmen/Gruppe
737.635
433.595
90.099
7.436
7.013
6.275
8.544
11.013
10.324
10.250
10.200
9.758
9.286
345.496
16.177
14.400
14.038
12.173
11.752
98.267
66.668
46.034
40.354
23.633
Anteiliges Produktionsvolumen
2000 in Minuten1)
100,00
58,78
12,21
1,01
0,95
0,85
1,16
1,50
1,40
1,39
1,38
1,32
1,26
46,57
2,19
1,95
1.90
1,65
1,59
13,32
9,04
6,24
5,47
3,20
Anteil am gesamten Produktionsvolumen 2000
in Prozent
Tabelle II-34: Die größten Produktionsunternehmen nach Umsatz und nach Produktionsvolumen
Quelle: HMR, FORMATT, eigene Berechnungen
1) Das Produktionsvolumen wurde entsprechend der Höhe der Beteiligungen an den Produktionsunternehmen gebildet. Berücksichtigt man das Produktionsvolumen von Tochtergesellschaften in voller Höhe, so vergrößert sich der Abstand der RTL Group vor der KirchGruppe nochmals deutlich.
Gesamtumsatz
1.379
01–20 Gesamt
0,81
19
12,19
1,03
0,98
0,87
1,03
24
24
23
20
1,75
1,57
1,53
1,42
1,20
41
37
36
33
28
285
Novamedia Gruppe
Brainpool TV AG
Tele München Gruppe
Ziegler Film GmbH & Co. KG
Telenova/Neue Münchener
MME Me, Myself & Eye
Entertainment AG
Columbia TriStar Film und
Fernseh Produktion
Phoenix Film
FFP Entertainment GmbH
AVE Gesellschaft für Fernsehproduktion mbH
46,76
4,02
2,84
2,40
2,18
2,01
1,97
94
66
56
51
47
46
1.094
12,37
7,76
6,88
4,33
Anteil am Gesamtumsatz im Bereich
TV-Produktion
1999/2000 in Prozent
289
182
161
101
∅ Umsatz 1999/2000
(umgerechnet)
in Mio. Euro
11–20 Gesamt
18
19
20
17
11
12
13
14
15
16
01–10 Gesamt
06
07
08
09
10
01
02
03
04
05
Unternehmen/Gruppe
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
171
172
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Sender
1998
Anzahl Produktionen
1999
2000
2001
Produktionen in Prozent
1998
1999
2000
2001
Öffentlich-Rechtliche gesamt
241
212
239
264
064,6
061,1
066,2
068,2
ARD
ZDF
Andere
089
108
044
081
101
030
085
094
060
101
099
064
023,9
028,0
011,8
023,3
029,1
008,7
023,5
026,0
016,6
026,1
025,6
016,5
Private Sender gesamt
132
135
122
123
035,5
038,9
033,8
031,8
RTL
RTL II
VOX
SAT.1
ProSieben
Andere
054
00–
002
049
022
005
053
001
002
050
028
001
054
00–
00–
047
020
001
052
00–
001
044
023
003
014,5
000,–
000,5
013,1
005,9
001,3
015,3
000,3
000,6
014,4
008,1
000,3
015,0
000,–
000,–
013,0
005,5
000,3
013,4
000,–
000,3
011,4
005,9
000,8
Gesamt
373
347
361
387
100,0
100,0
100,0
100,0
Tabelle II-35: Erstausstrahlungen einheimischer Fiction-Produktionen
Quelle: Gerd Hallenberger, Eurofiction 2001: Stabiles Angebot an fiktionaler Eigenproduktion, in: Media
Perspektiven 10/2002, S. 501 ff., dort angegebene Quelle: Eurofiction
sparungen der Sender rund 15 % ihrer Umsätze gegenüber 2001 ein.439 Erwartet wurde das
Wegbrechen eines Drittels der Auftragsproduktion.440
2.1.3.1
Horizontale Konzentration
Bemisst man den Konzentrationsgrad in der Produktionsbranche anhand des Produktionsvolumens der outputstärksten Unternehmen, so ergibt sich folgendes Bild (s. Tab. II-36).
Der Anteil der 10 größten Produktionsunternehmen im Jahr 2000 ist gegenüber dem Vorjahr
auf hohem Niveau gleich geblieben: Die 10 größten Unternehmen stellen nahezu die Hälfte des
Volumens der insgesamt beauftragten Produktionen her. Innerhalb dieser Gruppe hat jedoch
eine Verlagerung zu Gunsten der größten Unternehmen stattgefunden. Der Anteil der 3 größten
Unternehmen ist um knapp 5 Prozentpunkte und der Anteil der 5 größten um knapp 4 Prozentpunkte gestiegen. Die Spitzengruppe konnte demnach, was das produzierte Volumen angeht,
den Abstand zu den Wettbewerbern deutlich vergrößern.
Die Studie des FORMATT-Instituts konstatiert eine anhaltende Konzentrationsentwicklung,
aber auch eine anhaltende Gründungswelle bei den Produktionsunternehmen.441 Ihre Anzahl ist
zum Jahr 2000 angestiegen. Das Marktvolumen für Auftragsproduktion hat aber nicht im gleichen
Produktionsunternehmen
Die 3 größten
Die 5 größten
Die 10 größten
1998
Anteil am Produktionsvolumen in Prozent
1999
2000
21,6
32,6
47,5
23,8
33,9
48,6
28,5
37,7
48,6
Tabelle II-36: Anteil der größten Produktionsunternehmen am gesamten Produktionsvolumen
Quelle: FORMATT-Studie, S. 25
439 Vgl. Handelsblatt vom 18. 07. 2002.
440 So Nico Hofmann (Teamworx) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 07. 10. 2002.
441 Vgl. FORMATT, a. a. O., S. 20.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
173
Maße zugenommen, so dass das durchschnittliche Produktionsvolumen der Unternehmen insgesamt rückläufig ist. Dies deutet auf eine Intensivierung des Wettbewerbs hin. Ein Teil der
Neugründungen basiert auf der Diversifizierung bereits etablierter Produktionsunternehmen. Als
Beispiele können die Gründung der KirchMedia Entertainment (KirchMedia), der MedienKontor
Movie GmbH (MedienKontor), der First Entertainment und der Odeon Animation GmbH442 (ARD)
angesehen werden. Damit erweiterte KirchMedia ihre Geschäftsfelder um den Bereich Unterhaltung, die ARD um Unterhaltung und Zeichentrick; die bislang auf Talkshows und Reportagen
spezialisierte MedienKontor-Gruppe dringt in den Fiction-Bereich vor. Weitere Neugründungen
beruhen auf einer Ausgliederung der Produktion einzelner TV-Formate auf die jeweiligen Protagonisten (z. B. Moderatoren, Hauptdarsteller). Anders als z. B. die die Harald Schmidt Show
produzierende Bonito TV GmbH und die PRO GmbH von Alfred Biolek und Dirk Bach fungieren
neuere Firmen (z. B. Lady Kracher TV, J. B. K. TV-Production GmbH & Co. KG und Jörg Pilawas Firma
White Balance) laut FORMATT häufig nur als stille Koproduzenten und führen kein operatives
Geschäft.443
Als Fälle horizontaler Konzentration durch externes Wachstum sind aus jüngerer Zeit vor allem
die Übernahme der hauptsächlich in der Serienproduktion tätigen Phoenix Film Karl-Heinz
Brunnemann GmbH & Co. durch die CLT-UFA Film & TV Produktion und der Erwerb der Mehrheit
an der Odeon Film AG durch die Bavaria zu nennen. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit den
Einbrüchen am Neuen Markt hat sich die Konzentrationswelle verlangsamt.444 Dies zeigt sich u. a.
an Veräußerungen von Beteiligungsunternehmen durch Firmen wie die EM.TV & Merchandising
AG, Kinowelt Medien AG, TV Loonland und RTV Family Entertainment AG.
Größere Umstrukturierungen sind bei den Produktionstöchtern der Öffentlich-Rechtlichen zu
verzeichnen. So beteiligte sich die Bavaria Film GmbH an 8 Tochterunternehmen der DREFA Media
Holding, einer 100 %igen Tochtergesellschaft des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) aus dem
Produktions- und Dienstleistungsbereich. Sie hält danach 51 % der Anteile an den Produktionsunternehmen Ottonia Media GmbH (Show-Formate, Reportagen, nonfiktionale Beiträge), Saxonia
Entertainment GmbH (Unterhaltung), auf die in diesem Zusammenhang die Mitteldeutsches
Filmkontor GmbH verschmolzen wurde, und MotionWorks GmbH (Trickfilm). Im Gegenzug trat die
DREFA Media Holding GmbH gegen eine Beteiligung in Höhe von 16,64 % in den Gesellschafterkreis der Bavaria ein. Weitere Gesellschafter sind die Westdeutsche Rundfunkwerbung (WWF)
GmbH (33,35 %) sowie die Bavaria Filmkunst GmbH, LfA Gesellschaft für Vermögensverwaltung
mbH und SWR Holding GmbH zu jeweils 16,76 %.445 Das Vorhaben war starker Kritik von Seiten
der Produzentenverbände ausgesetzt, die eine Bevorzugung der öffentlich-rechtlichen Tochterfirmen bei der Auftragsvergabe befürchteten.446 Zudem wird dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk
vorgeworfen, durch gebührenfinanzierte Produktionstöchter wettbewerbsverzerrend im Markt
zu agieren.447
Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Es wird eine deutliche Reduzierung der Anzahl
von kleinen und mittelständischen Produktionsunternehmen erwartet.
442
443
444
445
446
50,01 % der Anteile der Odeon Film AG hält die Bavaria.
Vgl. FORMATT, a. a. O., S. 20.
Vgl. FORMATT, a. a. O., S. 164.
Vgl. Pressemitteilung Bavaria vom 26. 09. 2002.
So Bernd Burgemeister, Bundesverband deutscher Fernsehproduzenten, in: epd medien vom 07. 08. 2002; Pressemitteilung film20 vom 25. 09. 2002.
447 So u. a. die Generalsekretärin der Interessengemeinschaft Filmproduktion film20, Georgia Tornow, in: ProMedia
9/2002.
174
2.1.3.2
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Vertikale Integration
Die Beziehung zwischen Produktionsunternehmen und Fernsehveranstaltern ist durch eine hohe
Abhängigkeit der auf Fernsehfilme und -serien spezialisierten Produzenten gekennzeichnet. Die
Nachfragemacht der Fernsehveranstalter ist umso größer, je stärker der Fernsehmarkt konzentriert
ist. Die Absatzchancen unabhängiger Produzenten werden geringer, je stärker die Fernsehveranstalter durch Rückwärtsintegration mit der Produktionsebene verbunden sind.
Für Fernsehveranstalter bietet eine solche Verbindung u. a. den Vorteil einer Verringerung des
Beschaffungsrisikos für attraktiven Programm-Input sowie der Senkung von Transaktionskosten,
weil die im Fall einer unsicheren Beschaffungssituation entstehenden Informations- und Verhandlungskosten entfallen. Umgekehrt versuchen Produzenten durch Vorwärtsintegration, d. h.
durch Beteiligung an einem Fernsehsender, ihre Marktmacht mit Hilfe eigener Abspielkanäle zu
festigen und ihr Distributionsrisiko zu mindern. Ein Beispiel hierfür ist die Gründung der TVSender Studio Universal, 13th Street und Sci-Fi Channel durch die Universal Studios, MGM Channel
durch die MGM-Gruppe sowie Disney Channel durch die Walt Disney Company. Nach Presseberichten plant auch Sony Pictures Entertainment, der Unternehmensbereich der Sony Corporation, zu dem das Hollywood Studio Columbia TriStar gehört, die Gründung eines eigenen Pay-TVKanals.448 Als weiteres Beispiel kann die Gründung des Senders XXP Das Informations-Programm
durch die Produktionsgesellschaften DCTP und Spiegel TV angesehen werden, allerdings werden
dort größtenteils nichtfiktionale Produktionen gesendet.
Die zehn nach Umsatz und Produktionsvolumen größten Produktionsunternehmen (s. oben
Tab. II-34) sind nahezu alle – außer Endemol und Producers’ AG – mit öffentlich-rechtlichen oder
privaten Fernsehveranstaltern in Deutschland verflochten.449 Sowohl nach Umsatz als auch nach
Produktionsvolumen sind die verflochtenen Produzenten den unverflochtenen gegenüber offenbar deutlich im Vorteil. Nach der DLM-Studie war der Umsatz der mit TV-Veranstaltern verflochtenen Produzenten im Durchschnitt mehr als viermal so groß wie derjenige der unabhängigen
Produzenten.450 Das FORMATT-Institut hat in seiner Studie die Auswirkungen der vertikalen
Integration auf die Größe des Produktionsvolumens untersucht. Dabei wurden als senderabhängige Unternehmen Tochter- und Beteiligungsunternehmen ab einer Beteiligungshöhe von 25 %
definiert. Gleiches gilt wiederum für deren Beteiligungs- und Tochterunternehmen. Wesentliche
Eigner eines Senders, d. h. mindestens zu 25 % an den Sendern Beteiligte, werden in der Vorgehensweise wie Sender behandelt. Die nach dieser Definition abhängigen Produzenten erreichten
1998
1999
2000
Anzahl Fiction-Produzenten insgesamt
171
183
183
Anzahl abhängiger Produzenten in Prozent
Anzahl unabhängiger Produzenten in Prozent
Produktionsvolumen abhängiger Produzenten in Prozent
Produktionsvolumen unabhängiger Produzenten in Prozent
26,3
73,7
55,3
44,7
29,5
70,5
53,1
47,0
30,6
69,5
46,7
53,3
∅ Jahresproduktion von abhängigen Produzenten in Minuten
∅ Jahresproduktion von unabhängigen Produzenten in Minuten
1.481
0.427
1.382
0.514
1.202
0.517
Tabelle II-37: Anteil abhängiger und unabhängiger Unternehmen an der Fiction-Produktion
Quelle: FORMATT-Studie, S. 169
448 Vgl. Handelsblatt vom 30. 05. 2003.
449 Laut Süddeutscher Zeitung vom 11. 07. 2002 ist an der bis dahin als unabhängig geführten Otto Meissner KG die
KirchGruppe beteiligt.
450 Vgl. DLM-Studie, a. a. O., S. 74.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
175
im Jahr 2000 durchschnittlich einen Anteil am gesamten Produktionsvolumen von 46,7 %. Im
Bereich der Fiction-Produktion wurden im Jahr 2000 30,6 % der Produzenten als abhängig eingestuft. Diese produzierten 46,7 % des gesamten Volumens an Fiction-Produktionen.
Es zeigt sich, dass der zahlenmäßige Anteil der mit Sendern verflochtenen Unternehmen
zugenommen hat; ihr Anteil am insgesamt produzierten Volumen ist jedoch rückläufig. Die
durchschnittliche Jahresproduktion von abhängigen Unternehmen ist im Jahr 2000 aber immer
noch mehr als doppelt so groß wie die der unabhängigen Unternehmen. Besonders deutlich ist
die Dominanz der abhängigen Produzenten im Bereich der Serienproduktion, die, wie oben gezeigt (Tab. II-29 und II-30), den Großteil des fiktionalen Programms stellt. Abhängige Produzenten
produzierten im Jahr 2000 in diesem Bereich 54,9 % des gesamten Volumens, im Bereich TV
Movies und Reihen waren es 42,7 %. Die abhängigen Produzenten haben laut FORMATT im Jahr
2000 deutlich über 60 % ihrer Jahresproduktion im Auftrag ihrer jeweiligen Muttersender
produziert. Dies spricht für eine Bevorzugung der eigenen Produktionsunternehmen gegenüber
unabhängigen Produzenten durch die Sender.
Die oben erwähnten Fälle horizontaler Konzentration – die Gründung neuer oder der Zukauf
weiterer Produktionsunternehmen bei der CLT-UFA Film & Fernsehproduktion (RTL Group),
KirchMedia und Bavaria (ARD) – sind zugleich Beispiele für die vertikale Integration von Produktionsunternehmen in den Senderbetrieb. Ein weiteres Beispiel für die vertikale Integration ist die
Übernahme der Brainpool TV AG durch die VIVA Media AG. Die Brainpool TV AG ist auf ComedyFormate spezialisiert und produziert u. a. „TV total“ für ProSieben und „Die Wochenshow“ für
SAT.1. Ziel der Verbindung scheint es nicht vorrangig zu sein, sich den Zugriff auf Programm für
den eigenen Sender zu sichern: Von den Brainpool-Produktionen wurde geraume Zeit nur ein
Format, eine Koproduktion mit VIVA, im Programm von VIVA ausgestrahlt.451 Die Vorteile dieser
Verbindung liegen auf anderem Gebiet. Die Brainpool-Produktionen werden nicht als Auftragsproduktionen, sondern auf eigene Rechnung der Brainpool TV AG hergestellt und an andere
Sender (SAT.1, ProSieben, RTL) für eine begrenzte Zahl von Ausstrahlungen lizenziert. Die Zweitverwertungsrechte452 verbleiben bei der Brainpool TV AG. Die VIVA Media AG verspricht sich durch
die Lizenzeinnahmen zusätzliche Erlöse und eine größere Unabhängigkeit vom Werbemarkt.
Zudem gehört es zu ihrer Strategie, die von VIVA bzw. Brainpool „entdeckten“ Moderatoren oder
Künstler wirtschaftlich langfristig an das Unternehmen zu binden. Zu diesem Zweck gründete
Brainpool Joint Ventures mit ihren Künstlern, wie z. B. mit Anke Engelke (Ladykracher TV-Produktions GmbH) und Stefan Raab (Raab TV-Produktion GmbH), um langfristig vom Erfolg von
Künstler und Format profitieren zu können. Zudem können die nationalen und internationalen
Sender der VIVA-Gruppe als Testplattform für neue TV-Formate dienen.453
Über eine starke Stellung im Markt für TV-Produktion verfügt die RTL Group mit mehr als
30 Produktionsbetrieben. Durch die Fusion mit Pearson TV hat die ohnehin schon über die UFAGruppe und Trebitsch-Gruppe im Produktionsmarkt stark vertretene RTL Group ihre Stellung noch
weiter ausgebaut. Trotz der zu erwartenden beachtlichen Verstärkung hatte die EU-Kommission
bei der Zusammenschlusskontrolle keine spürbaren negativen Auswirkungen für den Wettbewerb
in der Europäischen Gemeinschaft oder einem wesentlichen Teil davon feststellen können. Für
Deutschland wurde der gemeinsame Marktanteil im Bereich der TV-Produktion wie auch im
451 Vgl. Unternehmensbericht/Emissionsprospekt der VIVA Media AG, 20. 10. 2002, S. 44. Künftig sollen aber nach
Presseberichten mehr Brainpool-Produktionen bei VIVA gesendet werden, vgl. Financial Times Deutschland vom
10. 04. 2003.
452 Siehe dazu weiter unten.
453 Vgl. Unternehmensbericht/Emissionsprospekt der VIVA Media AG, 20. 10. 2002, S. 41 ff.; Unternehmensangaben
unter http://www.vivamediaag.com.
176
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Unternehmen
RTL-Nord GmbH
Beteiligung
in Prozent
Produktionsvolumen
in Minuten
100,0
17.000
Stormy Entertainment GmbH
66,0
542
Andreas Geier Entertainment GmbH
65,0
1.530
RTLplus Hessen TV GmbH
60,0
6.250
Tele West Rheinisch-Westfälische Fernsehgesellschaft mbH & Co. KG
51,0
6.250
Clou Entertainment TV-Produktions GmbH
56,0
0
CreaTV Fernsehproduktions GmbH
48,0
28.105
MMC Independent GmbH
25,1
501
Fremantle/Grundy
Fremantle (Deutschland) Fernsehproduktions GmbH
100,0
4.685
Grundy Light Entertainment GmbH (ehemals Pearson Television GmbH)
100,0
12.845
Cologne-Sitcom Produktionsgesellschaft mbH
50,2
276
Geh aufs Ganze Fernsehproduktion GmbH
50,0
9.216
Janus Pearson Television GmbH
50,0
1.152
Grundy Ufa TV Produktions GmbH
49,5
21.055
UFA-Gruppe
UFA Entertainment GmbH
100,0
4.760
UFA Filmproduktion GmbH
100,0
0
UFA Film München GmbH
100,0
990
UFA-Fernsehproduktion GmbH
100,0
480
UFA International Film & TV Produktion GmbH
100,0
252
UFA Film & TV Produktion GmbH
100,0
48
UFA Film- und Medienproduktion GmbH
100,0
540
Westdeutsche Universum-Film GmbH
100,0
1.133
Avec TV-Produktions GmbH
100,0
3.250
CLT-UFA Deutschland
100,0
360
Teamworx Produktion für Kino und Fernsehen GmbH
77,0
1.530
HDTV-Entertainment Holm Dressler Television GmbH
70,0
450
Grundy UFA TV Produktions GmbH
50,5
s. o.
Trebitsch-Gruppe
TPI Trebitsch Produktion International GmbH
64,0
90
Arbor TV Filmproduktion GmbH
64,0
633
Objektiv Film GmbH
64,0
600
Real-Film GmbH
64,0
184
Gyula Trebitsch Fernsehproduktion GmbH
64,0
270
Trebitsch Media AV GmbH
64,0
390
Die Berliner Produktion GmbH
64,0
90
RTL Group insgesamt
125.457
Gesamtes Produktionsvolumen
737.635
Anteil RTL Group in Prozent
Tabelle II-38: Produktionsunternehmen und -volumen der RTL Group im Jahr 2000
Quelle: FORMATT-Studie, S. 30 f.; eigene Berechnungen
17,01
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
177
Bereich des Handels mit fiktionalen und nichtfiktionalen TV-Rechten auf zwischen 5 und 15 %
geschätzt.454 Die KEK kam bei der Beurteilung dieser Beteiligungsveränderung zu dem Ergebnis,
dass zwar die verbesserte und erleichterte Programmbeschaffung für die deutschen Sender der
RTL Group zu deren Stärkung auf einem medienrelevanten Markt beitrage, sich die Verbindung
mit Pearson jedoch eher im internationalen Mediengeschäft auswirken werde.455 Die Tabelle II-38
zeigt die Verteilung des Produktionsvolumens auf die einzelnen Produktionsunternehmen der
RTL Group im Jahr 2000. Auf einen besonders hohen Output kommen die CreaTV Fernsehproduktions GmbH (u. a. Daily Talk, Entertainment, TV-Movies),456 die auf Serien und Daily Soaps
spezialisierte Grundy-UFA TV Produktions GmbH, die RTL Nord GmbH (Ländermagazine, Nachrichten) und die auf Quizshows spezialisierte Grundy Light Entertainment GmbH.
Nach der Studie des FORMATT-Instituts nahm die RTL Group im Bereich der Auftragsproduktion
für deutsche Fernsehsender im Jahr 2000 eine überragende Spitzenstellung ein (s. o. Tab. II-34).457
Bei voller Zurechnung des Produktionsvolumens der Beteiligungsunternehmen zur RTL Group
ergibt sich ein Anteil der RTL Group am gesamten Produktionsvolumen von 17,01 %.458 Das hohe
Produktionsvolumen ist auch auf die überlegene Stellung der Grundy-UFA TV Produktions GmbH
im Bereich der Daily-Soaps zurückzuführen: Nach einer weiteren Studie des FORMATT-Instituts
kommt Grundy-UFA auf 2/3 des Produktionsvolumens in diesem Bereich.459 Die Dachgesellschaft
für die Produktionsaktivitäten von Fremantle in Deutschland, die UFA Film & TV Produktion GmbH,
bezeichnet sich als mit jährlich über 2.000 gesendeten Programmstunden größter deutscher
Fernsehproduzent und geht von einem eigenen Marktanteil von ca. 12 % aus.460 Zwei weitere
Marktstudien kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die RTL Group im Bereich der TV-Produktion
in Deutschland führend ist.461
Die Stellung der KirchMedia im medienrelevanten verwandten Produktionsmarkt ist derzeit
nicht einschätzbar. Von der Vielzahl der ehemals zur KirchGruppe gehörigen TV-Produktionsunternehmen wurden maßgebliche Beteiligungen veräußert. Zu nennen ist im Bereich der FictionProduktion vor allem die 90 %ige Beteiligung an der Neuen Deutschen Filmgesellschaft NDF, die
im April 2003 vom Management von NDF übernommen wurde.462 NDF hält Beteiligungen an über
10 weiteren Produktionsunternehmen. Zuvor hatte die KirchGruppe bereits ihre Beteiligung von
21,1 % an der Constantin Film AG an die Highlight Communications AG veräußert.463
454 Vgl. Europäische Kommission, Entscheidung vom 29. 06. 2002 in der Sache COMP/M.1958 – Bertelsmann/GBL/
Pearson TV.
455 Vgl. Beschluss der KEK vom 19. 09. 2000 i. S. CLT-UFA, Az.: KEK 080.
456 Nach Presseberichten hat RTL seine Anteile an CreaTV verkauft, die Zusammenarbeit solle jedoch fortgesetzt
werden; vgl. Meldung von Blickpunkt Film vom 02. 07. 2003.
457 Vgl. FORMATT, a. a. O., S. 28.
458 Bei nur anteiliger Berücksichtigung des Produktionsvolumens der Beteiligungsunternehmen ergibt sich ein Anteil
von 13,32 %, s. Tabelle II-34.
459 Vgl. Expertise des FORMATT-Instituts im Auftrag der DLM, Zur Lage der mittelständischen Fernsehproduzenten
in Deutschland, Düsseldorf 2000, S. 21.
460 Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.ufa.de.
461 Vgl. HMR International, Fernsehmarkt Deutschland: Strukturen der TV Produktion, Köln 2001, S. 102 (s. o. Tab. II-34);
Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Jahrbuch 2002, Bd. 5, Straßburg 2002, S. 82.
462 Vgl. Pressemitteilung von NDF vom 11. 04. 2003.
463 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. 05. 2002.
178
2.1.3.3
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Abhängigkeit der TV-Produzenten von Fernsehveranstaltern
Die EU-Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“464 verpflichtet in Art. 5 die Mitgliedstaaten, dafür
Sorge zu tragen, dass Fernsehveranstalter mindestens 10 % ihrer Sendezeit oder ihrer Programmaufwendungen der Sendung europäischer Werke vorbehalten, deren Hersteller von den Fernsehveranstaltern unabhängig sind. Zur Definition des „unabhängigen Produzenten“ sind die Mitgliedstaaten selbst aufgefordert. Als Kriterien sollen gemäß Erwägungsgrund 31 der Richtlinie
„das Eigentum an der Produktionsgesellschaft, der Umfang der ein und demselben Fernsehveranstalter gelieferten Programme und das Eigentum an sekundären Rechten“ dienen. Art. 5
der Fernsehrichtlinie wurde in § 6 RStV lediglich im Hinblick auf eine Quote für europäische und
deutsche Produktionen umgesetzt. Anders als z. B. in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden existiert hierzulande keine gesetzliche Definition des Begriffs. Den Ausführungen zur
Fernsehrichtlinie ist jedoch zu entnehmen, dass Abhängigkeit der TV-Produzenten von den
Fernsehsendern nicht nur bei entsprechenden Kapitalverflechtungen festzustellen ist. Vielmehr
kann auch eine faktische Abhängigkeit bestehen.
Umfang der ein und demselben Fernsehveranstalter gelieferten Programme
Faktische Abhängigkeit kann u. a. bei Exklusivitätsvereinbarungen zwischen Produzent und
Sender bestehen. Als Beispiel kann die Action Concept Film- und Stuntproduktion GmbH dienen,
an der die RTL Television GmbH lediglich zu 10 % beteiligt ist. Das Produktionsunternehmen wird
in der Serienproduktion exklusiv für RTL tätig; es ist ihm untersagt, für andere private Sender zu
arbeiten. Beide Partner sind bis 2005 aneinander gebunden.465
Auch die relative Bedeutung des wichtigsten Kunden des Produktionsunternehmens kann
als Indikator für die faktische Abhängigkeit der TV-Produzenten von den Fernsehveranstaltern
dienen. Einer Vielzahl von Produzenten steht auf der Abnehmerseite eine relativ geringe Zahl
von Sendern gegenüber. Dauerhafte, stabile Kundenbeziehungen können zu einer Überlebensgarantie im umkämpften Markt werden. Nach der DLM-Studie trug der wichtigste Kunde der
TV-Produzenten im Durchschnitt 49 % zu deren Umsatz im Jahr 2000 bei, auf die drei größten
Abnehmer entfielen 67 %. Von allen TV-Produzenten haben 21 % nur für einen Abnehmer gearbeitet, bei den Fiction-Produzenten liegt der Anteil mit 31 % noch deutlich höher.466
Eigentum an sekundären Rechten
In Deutschland tragen die Fernsehveranstalter in der Regel den Großteil der Produktionskosten
und erhalten dafür alle Rechte an den Produktionen. In den USA oder in Frankreich dagegen
übernehmen die auftraggebenden Rundfunksender die Produktionskosten nur anteilig, so dass
die Rechte an den Produktionen nach einer gewissen Zeit wieder an den Produzenten zurückfallen. Dieser kann die Rechte zur Refinanzierung der restlichen Produktionskosten auf dem
inländischen Zweitmarkt, dem sog. Syndikationsmarkt, oder auf dem ausländischen Markt
weiterverwerten. Als inländischer Zweitverwertungsmarkt kommt u. a. die Kino-, Video-, Pay-TV-,
Free-TV- und Online-Verwertung nach der Erstausstrahlung im Fernsehen in Betracht. Ob die
Rechte beim Produzenten verbleiben oder auf den Sender unbegrenzt oder für einen bestimmten
464 Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 06. 1997 zur Änderung der Richtlinie
89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Ausübung der Fernsehtätigkeit.
465 So der Geschäftsführer von Action Concept, Hermann Joha, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom
06. 01. 2003.
466 DLM-Studie, a. a. O., S. 71.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
179
Zeitraum übergehen, unterliegt in Deutschland der Vertragsfreiheit der Geschäftspartner. Sofern
allerdings eine Produktion nach dem Filmförderungsgesetz in seiner Fassung vom 06. 08. 1998
gefördert wird, ist die Mittelvergabe an einen Rückfall der Fernsehnutzungsrechte nach spätestens
sieben Jahren gekoppelt.
Die DLM-Studie hat die Frage des Rechtebesitzes an den Produktionen im Jahr 2000 untersucht
und gelangt zu dem Ergebnis, dass unverflochtene Produzenten in diesem Punkt besser gestellt
sind als verflochtene Unternehmen, also über einen größeren Anteil der Zweitverwertungsrechte
an ihren Produktionen verfügen. Aber auch bei den unverflochtenen Produzenten lag der Anteil
der Produktionen, an denen der Produzent die Zweitverwertungsrechte behielt, unter 20 %. Der
einzige Bereich, in dem die Produzenten umfangreichere Zweitverwertungsrechte besitzen, ist
nach dieser Studie die TV-Auslandsverwertung.467 Von deutscher Senderseite wird häufig die
Auffassung vertreten, dass im Gegenzug zur Vollfinanzierung einer Produktion dem Sender
sämtliche Verwertungsrechte zustünden, zumal der Sender auch das volle Erfolgsrisiko trage.
Von Seite der Produzenten wird dagegen eingewandt, dass eine Vollfinanzierung faktisch gar
nicht stattfinde. Nur gut 90 % der tatsächlichen Kosten würden in der Regel vom ausstrahlenden
Sender finanziert.468 Eine Beteiligung an den u. U. erheblichen Erlösen aus der Nebenrechteverwertung finde nicht statt. Während die Etats der Sender für Produktionen stagnierten oder
sogar zurückgefahren würden, seien die Produktionskosten besonders im Personalbereich gestiegen, was den Kostendruck erhöhe.469 Die DLM-Studie konstatiert, dass aus Produzentensicht
die bestehende Geschäftspraxis zu einer chronischen Unterkapitalisierung führe, da aufgrund
von branchenüblichen Auftragsschwankungen Durststrecken durch Kreditaufnahmen überbrückt werden müssten und nicht durch Lizenzeinnahmen aus den Zusatzverwertungen nach
der Erstausstrahlung im Fernsehen kompensiert werden könnten. Den Produzenten fehle so
häufig das notwendige Investitionspotenzial für neue Kreativität470 und damit für weitere Beiträge
zur Angebotsvielfalt. Zudem berge die laut Branchenvertretern bestehende problematische
Finanzlage vieler Produktionsunternehmen die Gefahr, dass sich bislang unabhängige Produzenten unter das Dach von großen Produktionsunternehmen und TV-Veranstaltern flüchten und so
die Konzentration im Markt weiter zunimmt.
Auswirkungen der Konzentration im Produktionsbereich auf die inhaltliche Programmvielfalt sind
empirisch schwer feststellbar. Es besteht jedoch Anlass zu der Vermutung, dass Meinungsmacht
sich leichter entwickeln kann, wenn Programmveranstalter und Programmproduzent identisch
sind.471
2.1.4
Der Markt für Kaufprogramme
Auch wenn der Anteil von Kaufproduktionen im Bereich fiktionaler Unterhaltung zurückgeht
(s. o. Tab. II-32), spielt dieses Segment nach wie vor – und insbesondere für Pay-TV-Anbieter –
eine herausragende Rolle. Zahlreiche Beteiligungen von Fernsehveranstaltern bzw. von in- und
467
468
469
470
471
Vgl. DLM-Studie, a. a. O., S. 70.
Wolf Bauer laut epd medien vom 20. 10. 2001.
Vgl. Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten e. V., Positionsbestimmung unter http://www.tvproduzenten.de.
Vgl. Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten e. V., siehe oben.
Von dieser Vermutung ging eine vergleichende Studie im Auftrag der LfM (ehemals: LfR) aus (Andrea Koenen, Helga
Schmid, Runar Woldt, Situation unabhängiger Produzenten in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden,
Expertise des EIM im Auftrag der LfR, LfR-Dokumentation Band 14). Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass in
einzelnen Bereichen, z. B. Kultur, Dokumentation und so genannte Minderheitsthemen, gerade die unabhängigen
Produktionsunternehmen originäre und innovative Beiträge leisten.
180
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
ausländischen Veranstaltergruppen an Rechtehändlern und Spielfilmproduzenten sowie die
nach wie vor erhebliche Nachfrage nach Spielfilmen der Hollywood Major Studios verdeutlichen
die Relevanz von vertikalen Verflechtungen zwischen Fernsehveranstaltern und dem Rechtehandel im Fiction-Bereich.
Der Markt für Kaufprogramme ist von Intransparenz geprägt. Eine gründliche Marktuntersuchung liegt zu diesem Bereich nicht vor. Nach der DLM-Studie wurden im Jahr 2000 von den
Veranstaltern umgerechnet 2,64 Mrd. Euro in Kaufprogramme investiert (s. o. Tab. II-33). Programm- bzw. Rechteeinkäufe erfolgten danach – zum Teil über Zwischenhändler – meist im
Ausland, wohingegen im Inland vorwiegend Auftragsproduktionen nachgefragt wurden.472 Im
Bereich des Rechtehandels mussten zunehmend finanzielle Einbußen hingenommen werden.
Die Einbrüche am Werbemarkt führten zu vermehrten Einsparungen der Sender beim Programmeinkauf und verstärkter Eigenproduktion. Vielfach befand man, dass in der Vergangenheit überhöhte Preise für Filmrechte gezahlt worden seien. So wurde z. B. nach Abschluss neuer Verträge
mit Hollywood Majors für das Programm Premiere berichtet, Premiere habe den Preis im Vergleich zu früheren Lieferungen durchschnitlich um 50–60 % senken können.473 Z. T. wird nunmehr beim Erwerb von Fiction-Rechten nach einem so genannten „Erlösbeteiligungsmodell“
verfahren, wonach für Filme oder Filmpakete keine festen Preise gezahlt werden, sondern der
Rechteverkäufer an den mit diesen Programmen eingenommenen Werbeerlösen beteiligt wird.
Auf diese Weise sollen das Erfolgsrisiko auf den Rechtehändler und den Sender verteilt und die
Programmkosten gesenkt werden. Derartige Vereinbarungen haben die ProSiebenSAT.1 Media
AG für Programmzulieferungen aus der Rechtebibliothek der Kirch Media GmbH & Co. KGaA474
und die Veranstalterin von Super RTL für Filme und Serien aus der Bibliothek von Walt Disney475
getroffen. In der Presse wird über das Ende von Output-Deals und Paketverträgen berichtet, der
Trend gehe zu gezielten Einzelkäufen. Der Bedarf an Ware aus Hollywood sei dramatisch gesunken, der Markt habe sich von einem „Verkäufermarkt“ zu einem „Käufermarkt“ gewandelt.476
Zudem bestehe ein Trend zur „Umgehung“ der Zwischenhändler; die Studios verkauften zunehmend direkt an die Sender.477 Bemerkenswert ist auch die neuere Entwicklung, dass Studios
ihre Filme im Internet zum Abruf bereitstellen. So haben Sony, AOL Time Warner, Vivendi Universal,
Viacom und Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) die Internetplattform Movielink gegründet.478 Die
Filme sollen einige Zeit nach Beginn der Videoverwertung, also nach der üblichen Verwertungsabfolge,479 noch vor der Pay- und Free-TV-Ausstrahlung abrufbar sein. Hierdurch erwächst vor
allem Video-, DVD- und Pay-per-View-Anbietern Konkurrenz. Das Angebot ist bislang nur in den
USA verfügbar.
Angefangen mit dem massiven Ertrags- und Aktienkurseinbruch bei der EM.TV & Merchandising AG Mitte 2000 und dem Niedergang des Neuen Markts gerieten zahlreiche börsennotierte
Filmhändler in finanzielle Schwierigkeiten. Auch wenn die Ursachen für die Krise im Rechtehandelsgeschäft vielfältig sein mögen, so fällt doch die Häufung der negativen Geschäftsergeb-
472
473
474
475
476
477
478
479
Vgl. DLM-Studie, a. a. O., S. 54.
Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 10. 02. 2003.
Vgl. Druckfassung der Rede von Urs Rohner anlässlich der Hauptversammlung am 16. 06. 2003, S. 16.
Vgl. Funkkorrespondenz vom 16. 05. 2003.
Vgl. Financial Times Deutschland vom 16. 04. 2002.
Vgl. Die Welt vom 09. 04. 2002.
Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. 11. 2002.
Die üblichen Verwertungsstufen für US-Spielfilme sind: US-Kinos, Übersee-Kinos, US-Videomarkt, Übersee-Videomarkt, Erstausstrahlung US-Kabel-Pay-TV, US-Fernsehsender, Übersee-Fernsehsender, Zweitausstrahlung USKabel-Pay-TV, Syndication für lokale Fernsehsender, siehe Jürgen Heinrich, Medienökonomie Band 2, Opladen
1999, S. 168.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
181
nisse in jüngerer Zeit auf: Insolvenzanträge stellten u. a. KirchMedia, KirchPayTV, Helkon Media AG,
Kinowelt Medien AG, H5B5 Media AG und die Peppermint GmbH. Zahlreiche Unternehmen
gaben Geschäftsbereiche auf und konzentrierten sich auf ihr jeweiliges Kerngeschäft: Die EM.TV &
Merchandising AG veräußerte verschiedene Produktionsunternehmen und ihre maßgebliche
Beteiligung an der Formel 1, die Advanced Medien AG gab den Filmverleih auf,480 die Cine Media
AG zog sich aus Rechtehandel und Produktion zurück,481 die RTV Family Entertainment AG
konnte die Insolvenz abwenden und leitete eine Phase der Restrukturierung ein (siehe auch
Kapitel II 2.2.3.2).482 Die Insolvenzen in der KirchGruppe machten die Absetzbarkeit von Filmrechten insbesondere für Pay-TV ungewiss. Die Helkon Media AG hat infolgedessen den Wert
ihres Bestands an Pay-TV-Rechten im Wege der Sonderabschreibung abweichend vom bisherigen
Bewertungsansatz von 15–25 % auf nur noch 5 % Werthaltigkeit abgeschrieben.483 Als ein besonderer Fall ist das Scheitern der Kinowelt Medien AG zu bewerten. Das Unternehmen hatte im
Jahr 1999 – als der Kurs seiner Aktie sich auf dem Höchststand befand – ein Filmrechtepaket von
Warner Brothers nach Brancheneinschätzung für einen stark überhöhten Preis von mehr als
300 Mio. Euro484 ersteigert und damit die KirchGruppe überboten. Das Paket aus rund 270 Spielfilmen und mehr als 600 Serienstunden enthielt, wie bei Paket-Deals üblich, neben Blockbustern
auch ältere Produktionen und Durchschnittsware. Der Kinowelt Medien AG gelang es nicht, in
ausreichendem Maße Filme aus diesem Paket weiterzuveräußern. Lediglich mit ARD und ZDF
kam ein Abschluss über einzeln ausgewählte Spitzenfilme zustande; RTL Group und KirchGruppe
nahmen keine Filme ab. Auf die Ankündigung der Kinowelt Medien AG, einen eigenen Fernsehsender gründen zu wollen, reagierte die Börse mit einem Kurseinbruch, und die Pläne wurden
zurückgenommen. Stattdessen sollte mit kleineren Fernsehsendern (z. B. mit NBC Europe)
kooperiert werden. Der Kaufpreis für das Filmpaket konnte letztlich nicht finanziert werden, so
dass sich die Kinowelt Medien AG gezwungen sah, das Paket an Warner Bros. zurückzugeben.
Dieses Beispiel verdeutlicht das Risiko hochpreisiger Lizenzkäufe für Rechtehändler, die über
keine eigenen Absatzkanäle verfügen, insbesondere wenn die RTL Group und das damals noch
bestehende Unternehmensgeflecht der KirchGruppe als Abnehmer ausfallen.
2.1.4.1
Fiction-Rechtehändler
Die KirchGruppe galt bis zu ihrer insolvenzbedingten Auflösung unbestritten als größter Rechtehändler in Deutschland. Die Rechtebibliothek der Kirch Media GmbH & Co. KGaA und ihrer Tochtergesellschaften, der Taurus Lizenz GmbH & Co. KG und der Beta Film GmbH, ist nach Einschätzung
des Bundeskartellamts mit einer gesamten Sendezeit von über 60.000 Stunden eine der größten
der Welt und mit Abstand die größte in Deutschland.485 Die Saban Capital Group hatte ursprünglich beabsichtigt, im Zusammenhang mit ihrem Einstieg bei der ProSiebenSAT.1 Media AG auch
die Rechtebibliothek zu übernehmen und weiterzuführen, von diesem Vorhaben wurde jedoch
wieder Abstand genommen. Der aktuelle Wert des Filmrechtevermögens ist schwer einzuschätzen.
Angesichts der schon länger bestehenden finanziellen Schwierigkeiten der KirchGruppe ist fraglich, ob der Programmstock kontinuierlich ausgebaut wurde oder ob es sich überwiegend um
veraltetes Filmmaterial handelt. Laut Presseberichten gibt es verschiedene Interessenten für eine
480
481
482
483
484
485
Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 10. 11. 2001.
Vgl. Handelsblatt vom 14. 06. 2002.
Vgl. Tagesspiegel vom 13. 08. 2002.
Vgl. Pressemitteilung der Helkon Media AG vom 24. 04. 2002.
Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. 11. 2002.
Vgl. Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 24. 04. 2003.
182
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Übernahme der Filmrechtebibliothek;486 der Wert gilt jedoch auch aufgrund des langfristigen und
umfangreichen Programmvertrags mit der ProSiebenSAT.1 Media AG als geschmälert.487
Die KirchGruppe besteht als Zurechnungseinheit nicht mehr, bislang bestehende konzerninterne Zulieferungsbeziehungen wurden teilweise unterbrochen. Die Veranstalterin des Pay-TVProgramms Premiere hat selbst mit 8 Hollywood Majors neue Verträge abgeschlossen (s. Tab. II-39).
Die ProSiebenSAT.1 Media AG hat einen umfangreichen Volumenvertrag mit der KirchMedia über
Programmrechte aus ihrer Bibliothek geschlossen. Neue Filme und Serien will die ProSiebenSAT.1
Media AG jedoch nicht mehr über die KirchMedia, sondern unmittelbar von den Studios und
Produzenten erwerben (siehe auch Kapitel II 1.2.2 ProSiebenSAT.1 Media AG).488
Die Tele-München-Gruppe (TMG) wird als der zweitgrößte deutsche Lizenzhändler eingeschätzt.489 Diese Position hat die TMG nach eigenen Angaben im Jahr 2001 mit einem über
300 Mio. DM liegenden Investitionsbudget in die Filmbibliothek weiter gefestigt.490 Danach verfügt sie über eine Filmbibliothek von über 2.700 Spiel- und Fernsehfilmen, mehr als 7.400 Serienepisoden und 3.000 halbstündigen Zeichentrickepisoden. Ihr Programmportfolio deckt alle
Genres ab, von Kinofilmen („James Bond“, „Notting Hill“), TV-Movies, Serien und Reihen („Beverly
Hills 90210“, „Stargate“), Zeichentrick („Der rosarote Panther“), Dokumentarreihen, Nachrichten
und Shows bis hin zu Formatrechten. Der Großteil des Rechtehandels wird vom Geschäftsbereich TM Distribution abgewickelt. Mit dem Hermes Filmstudio besteht ein auf Action-Spielfilme
spezialisiertes Lizenzhandelsunternehmen, das über einen Programmstock von ca. 1.000 Spielfilmen verfügt. Mit der französischen Gesellschaft AB Productions gründete TMG das Joint Venture
Caravelle Entertainment, das den Programmkatalog von AB Productions exklusiv im deutschsprachigen Raum vertreibt. Ein Agenturvertrag mit dem internationalen Vertriebsarm des USamerikanischen TV-Networks CBS, CBS Broadcast International, sichert TMG die exklusiven Vermarktungsrechte für den CBS-Programmkatalog im deutschsprachigen Raum.491
Die RTL Group bezeichnet sich als größten unabhängigen Rechtehändler außerhalb der USA
mit einem Rechtestock von 17.500 Stunden.492 In ihrer Entscheidung in Sachen RTL/n-tv legte
die EU-Kommission für die Segmente des Fiction-, Non-Fiction- und Sportrechtehandels einen
Marktanteil der RTL Group von [0–10 %] bis [10–20 %] zugrunde.493 Auch die RTL Group hat sich
den Zugriff auf Programmrechte über Output-Deals mit Hollywood Studios gesichert.
Neben diesen großen, vertikal integrierten Rechtehändlern gibt es verschiedene international
ausgerichtete Rechtehändler, die nicht mit TV-Sendern verflochten sind (z. B. die Highlight
Communications AG, Constantin Film AG,494 Senator Entertainment AG, Advanced Medien AG,
Splendid Medien AG, IM Internationalmedia AG). Nach den vorhandenen Daten verfügen diese
Unternehmen jedoch über einen deutlich kleineren Bestand an Filmrechten. Der Filmstock der
Highlight Communications AG, die auch im Bereich des Sportrechtehandels tätig ist, umfasst
486 Genannt wird u. a. die Tele-München-Gruppe; vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. 07. 2003.
487 Die für einen Zeitraum von zehn Jahren geschlossene Programmvereinbarung umfasst 2.000 Titel, so Urs Rohner,
in: Der Spiegel vom 16. 06. 2003. Angeblich stellt dieser Teil der Bibliothek 80 % ihres Wertes dar, vgl. Kirchs Filmrechtehandel wird liquidiert, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. 06. 2003.
488 Vgl. Geschäftsbericht der ProSiebenSAT.1 Media AG 2002, Teil II, S. 26 f.
489 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 18. 05. 2002. An erster Stelle stand die KirchGruppe.
490 Diese und die folgenden Angaben sind – soweit keine andere Quelle angegeben – Unternehmensangaben unter
http://www.tmg.de.
491 Vgl. Pressemitteilung der TMG vom 21. 01. 2002.
492 Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.rtlgroup.com.
493 Vgl. Entscheidung der EU-Kommission vom 05. 11. 2002, COMP/M.2996 – RTL/CNN/ Time Warner/N-TV, Rn. 14.m
494 Die Constantin Film AG wird nicht als Auftragsproduzent tätig, sondern lizenziert die TV-Senderechte für ihre
Produktionen zeitlich begrenzt an die Sender; Unternehmensangaben unter http://www.constantinfilm.de. Ähnlich verfährt auch die Brainpool TV AG; siehe oben unter II 2.1.3.2.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
183
beispielsweise 750 Filme,495 die der Splendid Medien AG über 700 Filme.496 Die IM Internationalmedia AG verfügt über die weltweiten Verwertungsrechte an mehr als 100 Filmen.497
2.1.4.2
Output-Deals und Paketverträge
Eine Zusammenstellung der bekannt gewordenen Output-Deals und Paketverträge zeigt die
folgende Übersicht (Tab. II-39). Es wird geschätzt, dass sich die Hälfte der weltweit produzierten,
im deutschen Fernsehen verwertbaren Spielfilme (ca. 15.000) im Besitz der großen amerikanischen Produktionsstudios befindet.498 Durch Output-Deals, bei denen die Rechte für sämtliche
Neuproduktionen eines Studios für einen festgelegten Zeitraum vorab verkauft werden, werden
– häufig besonders attraktive – Rechte langfristig dem Zugriff der Wettbewerber entzogen.
Die EU-Kommission weist in ihren Entscheidungen darauf hin, dass beliebte Spielfilme und
Fußballspiele auf dem Markt zu Wettbewerbsbedingungen verfügbar sein müssen, da diese
Premium-Inhalte den Hauptanreiz für ein Pay-TV-Abonnement darstellen. Die Preise für Pay-TVRechte, insbesondere beim Abschluss von Output-Deals, werden üblicherweise in Relation zur
Abonnentenzahl festgelegt. Sie beinhalten häufig die Garantie einer Mindestzahl von Abonnenten.
Beim Verkauf an etablierte Pay-TV-Anbieter mit einer großen Abonnentenbasis können die Studios
daher in der Regel höhere Preise erzielen als beim Verkauf an einen Newcomer. Hierdurch kann
der Markteintritt für potenzielle Wettbewerber erschwert werden.499 Den Zusammenschluss der
Pay-TV-Plattformen Stream und Telepiù, der zu einem Beinahemonopol im italienischen Pay-TVMarkt führte, hatte die EU-Kommission u. a. unter der Auflage genehmigt, dass die fusionierte
Plattformbetreiberin ausschließliche Rechte nur für den Bereich der Satellitenübertragung beanspruchen kann. Für Satellitenwettbewerber soll der Markteintritt dadurch erleichtert werden,
dass die Laufzeit zukünftiger Verträge über Filmrechte auf drei Jahre und Verträge über Sportrechte auf zwei Jahre beschränkt werden soll. Zudem wird die Plattformbetreiberin verpflichtet,
auf den Erwerb von Rechten für das „zweite Fenster“ im Pay-TV, d. h. die zeitverzögerte Ausstrahlung nach der Erstausstrahlung im Pay-TV, zu verzichten.500
Nach Presseberichten hat die EU-Kommission Ermittlungen bezüglich der Vertragsbeziehungen zwischen Major Studios und Pay-TV-Veranstaltern in Europa aufgenommen.501 Anlass der
Untersuchungen sind u. a. die langen Vertragsdauern sowie Meistbegünstigungsklauseln, die
die europäischen Sender verpflichten, US-Produktionen der Hollywood Studios zu identischen
Bedingungen und Preisen abzunehmen. Solche Klauseln könnten den Wettbewerb zwischen
den Studios verringern und die Preise dadurch künstlich hoch gehalten werden.
In Deutschland hat für den Pay-TV-Bereich Premiere mit allen großen Hollywood Studios
Output-Deals bzw. langfristige Paketverträge geschlossen. Im frei empfangbaren Fernsehen
verfügen die RTL Group und KirchMedia bzw. die ProSiebenSAT.1 Media AG über umfassende
vertragliche Zugriffsrechte auf Produktionen der Hollywood Majors. KirchMedia hat neue
Vertragsschlüsse mit Buena Vista International Television502 und Paramount (u. a. „Vanilla Sky“,
„Enterprise“)503 über umfangreiche Filmzulieferungen bekannt gegeben. Die Vereinbarung mit
495
496
497
498
499
500
501
502
503
Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.highlight-communications.ch.
Vgl. http://www.splendid-medien.de.
Vgl. http://www.internationalmedia.de.
Vgl. Siegbert Messmer, Digitales Fernsehen in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 96.
Vgl. Entscheidung der EU-Kommission vom 02. 04. 2003, COMP/M. 2876 – Newscorp/ Telepiù, Rn. 186.
Vgl. Pressemitteilung der EU-Kommission vom 02. 04. 2003, IP/03/478.
Vgl. Financial Times vom 15. 01. 2003 und vom 20. 03. 2003.
Vgl. Pressemitteilung der KirchMedia vom 21. 11. 2002.
Vgl. Pressemitteilung der KirchMedia vom 12. 12. 2002.
Art: mehrjähriger Programmvertrag über
Kinofilme („Gladiator“, „Hannibal“,
„Jurassic Park III“) und TV-Produktionen
Vertragsabschluss: August 20023)
Art: Paket (u. a. „Harry Potter“,
„Herr der Ringe“)
Vertragsabschluss: Oktober 20026)
Output-Deal9)
Bisher: Output-Deal9)
Neuer Vertragsabschluss: 20023)
Art: 5-jähriger Programmvertrag über Kinofilme (u. a. „Vanilla Sky“) und TV-Movies
Vertragsabschluss: Dezember 200213)
Art: mehrjähriger Vertrag über Kinofilme
von Disney, Touchstone, Miramax
(u. a. „Pearl Harbour“, „Chicago“)15)
Vertragsabschluss: 2003
Art: Output-Deal über alle Kinofilme (u. a.
neuster James Bond „Die Another Day“)17)
Vertragsabschluss: Oktober 2002
Universal Studios
(Vivendi Universal)
Warner Bros.
(AOL Time Warner)
New Line
(AOL Time Warner)
20th Century Fox
(News Corp.)
Paramount
(Viacom)
Buena Vista
(Disney)
MGM Metro Goldwyn
Mayer/United Artists
1)
PAY-TV-RECHTE
Art: umfangreiches Filmpaket
Vertragsabschluss: Dezember 2002
Premiere
Sony Pictures
Entertainment
(z. B. Columbia TriStar)
Produzent bzw. Studio
Programme: ProSiebenSAT.1-Gruppe
Zeitraum: 2003–2007
Art: Volumenvertrag (20 bis 30 Spielfilme, eine Auswahl von TV-Movies,
3 bis 4 Serien pro Jahr) 16)
Zeitraum: bis 2011
Wert: 500 Mio. Euro
Art: Free-TV-Rechte für neue und
Katalogfilme14)
Art: Paket mit Spielfilm-Output der
Jahre 2001–2003: über 80 Spielfilme
(„Spider-Man“, „Terminator 3“,
„3 Engel für Charlie – Volle Power“),
4 US-Fernsehserien2)
KirchMedia/ProSiebenSAT.1
Wert: 14 Mio. Euro (geschätzt)
Art: Paket mit neustem („Die
Another Day“) und vier älteren
James-Bond-Filmen18)
Programme: RTL, Super RTL
Art: Output-Deal5)
Zeitraum: bis 2001, nicht
verlängert4)
Zeitraum: bis 200511)
Wert: 500 Mio. DM12)
(ca. 256 Mio. Euro)
Art: Output-Deal
Programm: RTL
Art: Paket mit Free-TV-Rechten
für 144 Titel (u. a. „Harry Potter“,
„Herr der Ringe“)
Wert: 212 Mio. Euro (Schätzung)7)
Programm: RTL
Zeitraum: 1996–20064)
Art: Output-Deal
FREE-TV-RECHTE
RTL Group
a)nAbnehmer: Tele München
Wert: 50 Mio. $5)
b)nAbnehmer: Degeto
Zeitraum: 1984–201419)
c)nAbnehmer: ARD
Zeitraum: bis 2006
Wert: 112 Mio. EUR20)
Kinowelt hat Output-Deal
von 1998 beendet10)
Tele-München-Gruppe
Art: Film- und Serienpaket
(„Austin Powers“, „Alf“,
„Six feet under“) 8)
Andere
184
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Programm: ProSieben
Zeitraum: mindestens 10 Jahre
Art: Paket von Telepool5)
KirchMedia/ProSiebenSAT.1
Vgl. Pressemitteilung von Premiere vom 20. 12. 2002.
Vgl. Pressemitteilung der ProSiebenSAT.1 Media AG vom 16. 07. 2003.
Vgl. Pressemitteilung von Premiere vom 19. 08. 2002.
Vgl. Financial Times Deutschland vom 16. 04. 2002.
Vgl. Statistisches Jahrbuch 1998 der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle.
Vgl. DigiTV vom 15. 10. 2002.
Vgl. Handelsblatt vom 27. 06. 2002.
Vgl. Pressemitteilung der Tele-München-Gruppe vom Januar 2003.
Vgl. Entscheidung der Europäischen Kommission vom 27. Mai 1998 im Fall Kirch/Bertelsmann/Premiere.
Vgl. Pressemitteilung Kinowelt vom 16. 10. 2001.
Vgl. Pressemitteilung CLT-UFA vom 21. 01. 2000.
Vgl. epd medien vom 26. 01. 2000.
Vgl. Pressemitteilung von Premiere vom 19. 12. 2002.
Vgl. Pressemitteilung der KirchMedia vom 12. 12. 2002.
Vgl. Pressemitteilung von Premiere vom 11. 02. 2003.
Vgl. Pressemitteilung KirchMedia vom 21. 11. 2002, DigiTV.de vom 21. 11. 2002.
Vgl. Pressemitteilung Premiere vom 15. 10. 2002.
Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. 04. 2002.
Vgl. Studie von London Economics im Auftrag der ARD vom Februar 1998.
Vgl. Handelsblatt vom 26. 03. 2002.
Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. 07. 2002.
Vgl. DigiTV vom 09. 08. 2000.
Vgl. Pressemitteilung RTL Television vom 10.04.2000.
Tabelle II-39: Output-Deals und Paketverträge mit Hollywood Studios
01)
02)
03)
04)
05)
06)
07)
08)
09)
10)
11)
12)
13)
14)
15)
16)
17)
18)
19)
20)
21)
22)
23)
Output-Deal9)
Fortbestand unklar
Hallmark Entertainment
PAY-TV-RECHTE
Neuer Vertragsabschluss: 2002
(zuvor: durchschnittlich 8 Filme pro Jahr)9)
Preis gegenüber früherer Vereinbarung um
50 % gesenkt21)
Premiere
SKG Dreamworks
(Steven Spielberg)
Produzent bzw. Studio
Programm: RTL
Zeitraum: 2001–2004
Art: Output-Deal23)
FREE-TV-RECHTE
RTL Group
Abnehmer: Telepool19) /
Degeto22)
Zeitraum: 1996–200619)
Andere
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
185
186
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Buena Vista umfasst Spielfilme der Studios Touchstone, Walt Disney Pictures, und Miramax sowie
Fernsehserien von ABC/ Touchstone und Walt Disney. Die ProSiebenSAT.1 Media AG hat ein
umfangreiches Programmpaket mit über 80 Spielfilmen (u. a. „3 Engel für Charlie – Volle Power“,
„Terminator 3“) von Sony Pictures Entertainment erworben.
Die RTL Group schloss mit Universal MCA einen Output-Deal bis zum Jahr 2006, ein weiterer
Output-Deal besteht mit 20th Century Fox bis 2005. Der Vertrag über den Kauf sämtlicher Produktionen des Disney Studios Buena Vista lief 2001 aus und wurde nicht verlängert.504 Bekannt
wurden auch ein Paketvertrag mit MGM (James-Bond-Filme), dessen Preis auf 14 Mio. Euro
geschätzt wird,505 und ein Vertrag über die Free-TV-Rechte an 144 Filmen von Warner Bros.
(darunter u. a „Harry Potter und der Stein der Weisen“, „Herr der Ringe I: Die Gefährten“ „Matrix“
und fünf TV-Serien),506 dessen Kaufpreis auf 210 Mio. Euro geschätzt wird.507 Nicht zuletzt „Harry
Potter“ und „Der Herr der Ringe“ hatten im ersten Halbjahr 2002 in den deutschen Kinos zu
einem Spitzenergebnis beim Halbjahresumsatz geführt.508
2.1.5
Fazit
Im Markt für die Beschaffung von Fiction-Programmen für das Fernsehen hat die Insolvenz der
ehemaligen KirchGruppe dekonzentrative Entwicklungen bewirkt. Neben der hierdurch bedingten
Lösung horizontaler und vertikaler Verflechtungen sind jedoch auch gegenläufige Tendenzen zu
verzeichnen. Die 10 outputstärksten Produktionsunternehmen produzierten nach Marktuntersuchungen im Jahr 2000 nahezu 50 % des gesamten Produktionsvolumens im Bereich der Auftragsproduktion. Zudem werden zunehmend Produktionsunternehmen von Programmveranstaltern
vertikal in die Wertschöpfungskette integriert. Mit Programmveranstaltern verflochtene Produktionsunternehmen sind sowohl in Hinblick auf erzielte Umsätze als auch auf das Produktionsvolumen den unabhängigen Produzenten überlegen. Die RTL Group erscheint nach diesen Erkenntnissen als im Bereich der TV-Produktion führend, ohne allerdings marktbeherrschend zu
sein. Ob die angesichts der Sparpolitik der Fernsehsender prognostizierte Reduzierung der Anzahl
von kleinen und mittelständischen Produktionsunternehmen tatsächlich eingetreten ist, kann
mangels aktueller Marktuntersuchungen nicht allgemein beantwortet werden.
Im Bereich der fiktionalen Kaufprogramme sind eine eher schwächere Nachfrage im frei
empfangbaren Fernsehen und ein Trend zum direkten Abschluss zwischen Veranstaltern und
Studios zu beobachten. Ein Preisrückgang bei Kaufprogrammen ist nach Presseberichten vor
allem im Bereich der US-amerikanischen Filme und Serien zu verzeichnen; die Nachfrage nach
zuschauerattraktiven „Blockbustern“ ist hingegen ungebrochen. Eine bedeutende Rolle spielen
Kaufprogramme nach wie vor für die Veranstaltung von Pay-TV; mit der Digitalisierung und der
damit einhergehenden Kanalvervielfachung ist noch mit einer Verstärkung der Nachfrage zu
rechnen. In der Regel müssen neue Veranstalter, um im Wettbewerb mit dem umfangreichen
etablierten Angebot bestehen zu können, über Zugang zu exklusiven, attraktiven Programminhalten wie z. B. Premium-Spielfilmen verfügen.
504 Vgl. Financial Times Deutschland vom 16. 04. 2002.
505 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. 04. 2002.
506 Es handelt sich dabei weitgehend um das zuvor von der Kinowelt erworbene Paket, welcher ein Weiterverkauf
nicht gelang. Die Rechte waren aufgrund der Insolvenz des Unternehmens an Warner Bros. zurückgefallen, vgl.
Financial Times Deutschland vom 26. 06. 2002.
507 Vgl. epd medien vom 06. 07. 2002.
508 Vgl. FFA – Aktuelle Informationen aus der Filmwirtschaft 2/2002 vom 13. 08. 2002.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.2
187
Kinderprogrammrechte
Eine gesonderte Betrachtung der Kinderprogrammrechte innerhalb des Bereichs der Fictionrechte
ist aus verschiedenen Gründen sinnvoll:509
Die Zielgruppe der Kinder, d. h. der Zuschauer von 3–13 Jahren, ist sowohl für die Fernsehveranstalter als auch für die Werbewirtschaft wichtig. Werbebotschaften erzielen bei Kindern
wegen höherer Beeinflussbarkeit größere Wirkung. Außerdem ist der Einfluss auf Kaufentscheidungen der Eltern nicht unbedeutend. Die Fernsehnutzung bei Kindern ist mit einer durchschnittlichen täglichen Sehdauer von zuletzt 97 Minuten im Jahr 2002 erheblich.510 Insbesondere
Serien sind dazu geeignet, Kinder langfristig an ein Programm und die darin vorkommenden
Charaktere zu binden. Die Popularität des Programms und die Vermarktung durch MerchandisingProdukte (Figuren, Spiele, Textilien etc.) bedingen sich gegenseitig und können die Erfolge auf
dem jeweils anderen Gebiet noch steigern. Die Merchandisingaussichten beeinflussen möglicherweise bereits die Produktionsentscheidung.511 Durch die langfristige Bindung an Kinderformate
eines Senders kann auch das künftige Fernsehverhalten der erwachsenen Zuschauer zugunsten
bestimmter Sender beeinflusst werden. Derartige Bindungen werden auch durch entsprechende
Internetangebote der Sender unterstützt. Programmbegleitende Informationen, Spiele und Clubs
für Kinder werden im Internet von Super RTL (unter der Dachmarke „toggo“), Fox Kids, Disney,
SAT.1 sowie vom KI.KA und ZDF (unter der Dachmarke „tivi“) angeboten. Darüber hinaus gibt es
Internetangebote zu einzelnen Formaten (z. B. von der ARD für „Die Sendung mit der Maus“,
www.die-maus.de).
2.2.1
Kinderprogrammangebote im bundesweiten Fernsehen
Kinderprogramm wird im privaten frei empfangbaren Fernsehen wochentags lediglich von den
Sendern Super RTL, RTL II und Tele 5 angeboten. Am Wochenende werden Kinderprogrammblöcke auch von RTL, SAT.1 (Junior), ProSieben sowie von ARD und ZDF (tivi – Kinder-TV) ausgestrahlt. Daneben existieren die Pay-TV-Spartenprogramme Junior, Disney Channel und Fox
Kids sowie der öffentlich-rechtliche Kinderkanal (KI.KA). Mit Fortschreiten der Digitalisierung ist
mit einer Zunahme an Kinderspartenprogrammen zu rechnen. Dies legt auch ein Vergleich mit
dem Angebot solcher Programme auf der digitalen Plattform von BSkyB in Großbritannien nahe,
wo derzeit über 10 Kinderkanäle ausgestrahlt werden. Der GET ON AIR GmbH, an der Tele-5Geschäftsführer Jochen Kröhne zu 75 % beteiligt ist, wurde bereits im Dezember 2001 die Lizenz
zur Veranstaltung des digitalen Spartenprogramms KidsGate (zwischenzeitlich umbenannt in
ToonGate) erteilt. Das Vorhaben wurde aber wegen der Verzögerungen bei der Digitalisierung
des Breitbandkabels in der Bundesrepublik zunächst zurückgestellt.512
In Hinblick auf die Zuschaueranteile bei 3- bis 13-jährigen Kindern ist der Sender Super RTL
mit einem durchschnittlichen Anteil von 18,7 % im Jahr 2002 marktführend vor RTL (12,7 %) und
RTL II (10,9 %). Während alle aufgeführten Sender – bis auf KI.KA und VOX – seit 1995 eher
Zuschaueranteile verloren haben, konnte Super RTL seinen Vorsprung vor den Konkurrenten
kontinuierlich ausbauen (siehe Tab. II-40). Der Zuschaueranteil bei Kindern liegt nicht nur bei den
auf diese Zielgruppe fokussierten Sendern KI.KA und Super RTL deutlich über den Zuschauer509 Vgl. zur Bedeutung von Kinderprogrammen eingehend Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 162 ff.
510 Vgl. Sabine Feierabend, Walter Klingler, Was Kinder sehen, in: Media Perspektiven 4/2003, S. 168.
511 Vgl. Tilmann P. Gangloff, Kinderfernsehen in der Krise, veröffentlicht unter: http://www.medientage-muenchen.de/
archiv/pdf/gangloff.pdf.
512 So Jochen Kröhne in epd medien vom 20. 03. 2003.
188
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Jahr
ARD1)
ZDF
KI.KA2)
RTL
RTL II
Super
RTL
VOX
SAT.1
ProSieben
Kabel 1
Sonstige
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
15,0
13,7
13,8
13,6
11,5
10,3
09,9
10,0
6,2
6,1
5,2
5,8
5,4
5,0
5,0
5,5
00,–
00,–
05,6
08,2
11,5
09,9
10,2
10,2
17,6
16,1
15,3
14,5
13,8
12,8
13,2
12,7
13,1
11,3
09,4
08,7
08,7
12,3
11,2
10,9
03,5
12,0
13,0
17,7
18,7
19,6
19,7
18,7
1,2
1,8
1,8
1,8
1,8
1,9
2,1
2,4
9,8
8,3
6,7
6,8
6,9
7,3
6,7
6,6
19,4
17,2
15,4
11,9
10,3
10,0
09,5
09,0
6,3
4,9
3,3
2,2
2,4
2,0
2,0
2,0
07,9
08,6
10,5
08,8
09,0
08,9
10,5
12,0
1) inklusive Dritte Programme
2) KI.KA sendete im Untersuchungszeitraum lediglich von 6:00 bis 19:00 Uhr.
Tabelle II-40: Zuschaueranteile bei 3- bis 13-jährigen Kindern (03:00 bis 03:00 Uhr)
Quelle: Media Perspektiven 4/1997, 4/1998, 4/2000, 4/2002, 4/2003, dort angegebene Quelle: AGF/GfKFernsehforschung, Panel D
anteilen der gesamten Zuschauer ab 3 Jahren, sondern auch bei RTL II und in geringerem Maße
bei ProSieben. RTL II erreichte im Jahr 2002 mit einem Anteil von 10,9 % mehr als dreimal so viele
Zuschaueranteile bei den 3- bis 13-Jährigen wie bei allen Zuschauern ab 3 Jahren (3,3 %).513
Ein etwas verändertes Bild ergibt sich, wenn man die Sendezeit des Kinderkanals im Untersuchungszeitraum (06:00 Uhr bis 19:00 Uhr) zugrunde legt (siehe Abb. II-17). Zwar erreichte auch
hier Super RTL im Jahr 2002 die höchsten Zuschaueranteile (22,0 %). An zweiter Stelle liegt aber
der Kinderkanal mit 16,8 % vor RTL II (11,3 %) und RTL (8,4 %). Die Gegenüberstellung der Werte
verdeutlicht, dass insbesondere im Programm von RTL in hohem Maße Sendungen nach
19:00 Uhr zu den hohen Zuschaueranteilen bei Kindern beitragen, die nicht als Kinderprogramm
einzuordnen sind. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass die nutzungsintensivste Zeit bei
Kindern zwischen 18:00 und 22:00 Uhr liegt. Der Anteil der fernsehenden Kinder erreicht im
Tagesverlauf um 20:00 Uhr den Höhepunkt und geht erst um 22:00 Uhr unter die 10-Prozentmarke
zurück.514 Obwohl also gerade am Abend die Fernsehnutzung bei Kindern besonders intensiv
ist, existieren derzeit im frei empfangbaren Fernsehen nach 19:00 Uhr nur zwei spezielle Kinderangebote: KI.KA, dessen Sendezeit seit dem 01. 01. 2003 bis 21:00 Uhr ausgedehnt wurde,515 und
Super RTL bis 20:15 Uhr.
Gemessen an den Zuschaueranteilen ist die RTL Group mit ihren Angeboten bei 3- bis 13-jährigen Kindern marktführend. Ihre Sender RTL, RTL II, Super RTL und VOX erreichten innerhalb
dieser Altersgruppe im Jahr 2002 zusammen einen Zuschaueranteil von 44,7 %. Die öffentlichrechtlichen Sender kamen auf 25,7 %, die Sender der ProSiebenSAT.1 Media AG auf 17,6 %.
Sowohl die RTL Group als auch die öffentlich-rechtlichen Sender (mit Etablierung des KI.KA im
Jahr 1997) konnten ihre Zuschaueranteile innerhalb der letzten Jahre größtenteils zu Lasten der
Sender der ProSiebenSAT.1 Media AG steigern (siehe Tab. II-41).
Ein Großteil der Fernsehnutzung von Kindern entfällt auf fiktionales Programm (56 % im Jahr
2002). Innerhalb dieses Genres dominiert mit einem Anteil von 56 % an der gesamten Nutzung
fiktionaler Programme die Kategorie Animation (v. a. Zeichentrick), gefolgt von Unterhaltung
(z. B. Familienserien, Daily Soaps), Spannung und Komödie (siehe Tab. II-42).
513 AGF/GfK-Fernsehforschung, Panel D, inklusive EU-Haushalte liegt der Wert bei 3,8 %.
514 Vgl. Sabine Feierabend, Walter Klingler, Was Kinder sehen, in: Media Perspektiven 4/2003, S. 167 ff., hier S. 171.
515 Bundesweit gilt dies für die Ausstrahlung per Satellit.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
189
Auch wenn die hier ausgewiesene Sehdauer sich nicht auf speziell für Kinder konzipiertes
Programm beschränkt, so lässt der hohe Stellenwert von fiktionaler Unterhaltung und insbesondere von Zeichentrickfilmen und -serien doch auf die große strategische Bedeutung des Zugriffs
auf Kinderprogrammrechte schließen.
25
22,0
20
18,7
in Prozent
16,8
15
12,7
10
10,9 11,3
10,2
10,0
8,9
9,0
8,4
7,1
6,6
5,5
4,7
4,4
5
0
ARD
ZDF
KI.KA
RTL
RTL II
03:00 bis 03:00 Uhr
Super RTL
SAT.1
ProSieben
06:00 bis 19:00 Uhr
Abbildung II-17: Marktanteile bei 3- bis 13-jährigen Kindern 2002, Mo.–So. (03:00 bis 03:00 Uhr und 06:00 bis
19:00 Uhr) in Prozent
Quelle: Sabine Feierabend, Walter Klingler, Was Kinder sehen, in: Media Perspektiven 4/2003, S. 167 ff., hier
S. 173, dort angegebene Quelle: AGF/GfK-Fernsehforschung, Fernsehpanel D
Jahr
RTL Group
ProSiebenSAT.1 Media AG
öffentlich-rechtliche Sender
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
35,4
41,2
39,5
42,7
43,0
46,6
46,2
44,7
35,5
30,4
25,4
20,9
19,6
19,3
18,2
17,6
15,4
14,6
18,9
22,2
23,7
25,5
25,1
25,7
Tabelle II-41: Zuschaueranteile bei 3- bis 13-jährigen Kindern nach Sendergruppierungen in Prozent
Quelle: Media Perspektiven 4/1997, 4/1998, 4/2000, 4/2002, 4/2003; eigene Berechnungen
190
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
kumulierte Sehdauer in Stunden
im Jahr 2001
Sehdauer in Prozent
nach Genres
Fiction
Information
Werbung
Unterhaltung
Sport
Sonstiges
229
052
045
048
018
014
056
013
011
012
004
003
Gesamt
405
100
innerhalb des fiktionalen Genres
Animation
Unterhaltung
Spannung
Komödie
124
034
033
031
056
015
015
014
Tabelle II-42: Sehdauer von 3- bis 13-jährigen Kindern nach Programmsparten für die Sender ARD, ZDF, RTL, RTL II,
Super RTL, SAT.1 und ProSieben im Jahr 2002
Quelle: Sabine Feierabend, Walter Klingler, a. a. O., S. 177, dort angegebene Quelle: AGF/GfK-Fernsehforschung, Fernsehpanel D
2.2.2
Gesellschafterveränderungen bei Kinderspartenprogrammen
Im privaten Fernsehen existieren derzeit drei Pay-TV-Spartenprogramme (Junior, Disney Channel
und Fox Kids) sowie ein werbefinanziertes frei empfangbares Programm (Super RTL) mit Kindern
bzw. Familien als Hauptzielgruppe. Die Veranstalterin des Programms Junior wird sich mit dem
bereits angekündigten Rückzug der Kirch Media GmbH & Co. KGaA im Alleinbesitz der EM.TV &
Merchandising AG befinden.516 Die übrigen drei Programme sind der Walt Disney Company
zuzurechnen. Die Veranstalterin des Programms Fox Kids hatte Disney im Jahr 2001 von der News
Corporation Ltd. und der Haim-Saban-Gruppe übernommen.517 Das Programm Super RTL ist
darüber hinaus der RTL Group zuzurechnen, die wie die Walt Disney Company 50 % der Anteile
an der Veranstalterin hält. Demnach hat sich mit dem Ausscheiden der News Corporation und der
Haim-Saban-Gruppe die Zahl der Anbieter von privaten Kinderspartenprogrammen in Deutschland auf vier Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen reduziert. Nach dem Ausscheiden der
KirchMedia wären es nur noch drei: die EM.TV & Merchandising AG, die Walt Disney Company
und die RTL Group. Dies mag mit daran liegen, dass die internationalen Anbieter von Kinderprogrammen wie z. B. Viacom (Nickelodeon) den deutschen Markt für Kinderprogramme aufgrund der starken gebührenfinanzierten Angebote als schwierig einschätzen.
2.2.3
Der Markt für die Beschaffung von Kinderprogrammrechten
Wie auch im Bereich der Fictionrechte insgesamt fehlt es an einer hinreichenden Datengrundlage zu Marktvolumen und Marktanteilen von Produzenten und Rechtehändlern im Bereich der
Kinderprogramme. Eine Schätzung geht von einem Volumen des weltweiten Markts für Kinderund Jugendprogramme von mehr als 2 Mrd. Euro aus, davon sollen 0,7 Mrd. Euro auf den europäischen Markt entfallen. Das Gesamtbudget für TV-Kinderprogramm in Deutschland liege mit
516 Vorbehaltlich medienkonzentrationsrechtlicher Genehmigung der KEK im Verfahren Az.: KEK 169.
517 Vgl. Beschluss der KEK vom 02. 10. 2001 i. S. Fox Kids, Az.: KEK 128.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
191
ca. 130 Mio. Euro hinter Frankreich und Großbritannien mit jeweils 210 Mio. Euro.518 Es wird vielfach von einem derzeitigen Überangebot an Kinderprogrammen berichtet; als Ursache hierfür
wird eine restriktive Einkaufspolitik der Sender infolge der Werbekrise angesehen. Infolgedessen
seien eine Verkürzung der Wiederholungsintervalle für bereits vorhandene Programme und ein
Preisverfall für neue Kinderprogramme zu verzeichnen.519
Verglichen mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten betreiben die privaten Sender nur in
weitaus geringerem Umfang Eigen-, Ko- und Auftragsproduktion von Kinderprogramm.520 Eine
entsprechend wichtigere Rolle spielt bei privaten Veranstaltern der Erwerb von Lizenzen bei
Produzenten und Rechtehändlern. Vor allem Animationsprogramme eignen sich wegen der
ihnen in der Regel eigenen Abstraktheit und der einfacheren Synchronisation besonders für die
internationale Verwertung. Im Markt für die Beschaffung von Kinderprogrammrechten agieren
neben weltweit tätigen Medienkonzernen wie der Walt Disney Company, Viacom und AOL Time
Warner verschiedene, nicht mit den großen Medienkonzernen verflochtene Unternehmen, die
sich auf die Produktion, (internationale) Distribution und das Merchandising von Kinderprogrammen spezialisiert haben. Als solches ist z. B. die HIT Entertainment plc., London, zu nennen,
die sich als weltweit führenden unabhängigen Produzenten und Rechtehändler für Kinderprogramm bezeichnet. Sie unterhält Tochtergesellschaften bzw. Büros in Großbritannien, den USA,
Japan und Deutschland, die den Programmhandel für 150 Länder und Territorien betreiben.521
Eine Studie im Auftrag des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen
(IZI)522 kommt zu dem Ergebnis, dass sich im Bereich des Rechtehandels in Deutschland neben
den „Global Majors“ nur wenige, dafür aber starke Marktteilnehmer befinden. Die Befragung von
86 Unternehmen, die im Bereich des Kinderfernsehens tätig sind, habe ein eher kollegiales denn
konkurrenzgeprägtes Verhalten der Marktteilnehmer untereinander offenbart, was nach Ansicht
der Autoren den Schluss nahe legt, dass diese zu einer Aufteilung des Marktes untereinander
gefunden haben. Dies werde sich jedoch im Zuge einer Neugruppierung nach dem Zusammenbruch der KirchGruppe und den finanziellen Schwierigkeiten der EM.TV & Merchandising AG
ändern.523
2.2.3.1
Vertikale Verflechtungen von Veranstaltern und Produzenten bzw.
Rechtehändlern
Zu den größten Unternehmen im Bereich des internationalen Handels mit fiktionalem Kinderprogramm gehört die Walt Disney Company. Der Disney-Konzern hat sich in Deutschland durch
Gründung bzw. Erwerb der Kinderprogrammsender Disney Channel und Fox Kids sowie die
Beteiligung an Super RTL Abspielkanäle für seine umfangreiche Bibliothek an Kinderprogrammrechten geschaffen. Der Sender Super RTL sieht sich nach eigenen Angaben als Marktführer
bei Kindern in der glücklichen Lage, die meisten neuen Produktionen als Erster angeboten zu
bekommen und sich die erfolgversprechenden Formate sichern zu können; auch zeige er als
518 Vgl. TV Loonland AG, Geschäftsbericht 2001, S. 26, unter Berufung auf eine Untersuchung der Investment Bank
Barclays Capital.
519 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. 06. 2002; Geschäftsbericht der EM.TV & Merchandising AG 2002,
S. 27 f.
520 Vgl. Ole Hofmann, Oliver Schmid, Wertschöpfungskette Kinderfernsehen. Strukturen des deutschen Kinderfernsehmarkts, in: TELEVIZION Forschung, 15/2002, S. 6.
521 Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.hitentertainment.com.
522 Vgl. Ole Hofmann, Oliver Schmid, Wertschöpfungskette Kinderfernsehen. Strukturen des deutschen Kinderfernsehmarkts, in: TELEVIZION Forschung, 15/2002.
523 Vgl. Ole Hofmann, Oliver Schmid, a. a. O., S. 5.
192
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
einziger Sender Zeichentrick aus den Studios Disney, Warner und Nickelodeon (Viacom).524 Die
zum Disney-Konzern gehörige Buena Vista International TV liefert dem Sender jährlich 700 Serienstunden bis einschließlich zum Jahr 2003 zu. Zur Prime Time wird der Sender aber hauptsächlich
von RTL mit Programm versorgt.525 Der Abschluss neuer Zuliefervereinbarungen ist angekündigt.526 Laut Presseberichten wird Disney mehr als 1.000 Serien und Filme für die Prime Time an
Super RTL liefern.527 Zum Umfang des Kinderprogrammrechtestocks der Walt Disney Company
liegen keine konkreten Zahlen vor. Allein schon die Rechtebibliothek der Fox Kids Europe N. V.
umfasst nahezu 6.300 Episoden Kinderprogramm.528 Die Fox Kids Europe N. V., an der Disney
mittelbar zu 75,7 % beteiligt ist, bezeichnet sich als führendes paneuropäisches Unternehmen
im Bereich der Kinderunterhaltungsindustrie. Unter der Marke Fox Kids werden in zahlreichen
Ländern Kinderprogramme veranstaltet. Die Programme erreichen nach Unternehmensangaben
mehr als 32 Mio. Haushalte in 57 Ländern. Fox Kids Europe beliefert zudem mehr als 120 Sender
in über 50 Märkten in Europa und dem Mittleren Osten mit Programm.529 Zum Programmstock
zählen u. a. die Rechte an „Power Rangers“, „Spiderman“, „Digimon“ und „X-Men“. Das Merchandising betreibt die ebenfalls zum Konzern gehörige Saban Consumer Products Europe.
In Deutschland sind zwei weitere Kinderprogrammrechtehändler mit Programmveranstaltern
verflochten: die Tele-München-Gruppe und die EM.TV & Merchandising AG. Die Tele-MünchenGruppe, an der auch die EM.TV & Merchandising AG beteiligt ist, ist mit ihren Beteiligungen an
den Sendern RTL II und Tele 5 vertikal integriert. Auf RTL II werden wochentags v. a. japanische
Zeichentrickserien, so genannte „Manga“-Comics gesendet, darunter die in Hinblick auf Zuschauerzahlen und Merchandising besonders erfolgreiche Serie „Pokémon“. Die TV-Rechte hatte RTL II
von der EM.TV & Merchandising AG erworben. Auf Tele 5 wird täglich das Kinderprogrammformat
„ToonGate“ gezeigt. Kinderprogramme machen nur einen Teil des Programmportfolios der TeleMünchen-Gruppe aus. Sie hält nach eigenen Angaben die Rechte an 3.000 halbstündigen Zeichentrickepisoden („Pink Panther“, „Teenage Mutant Hero Turtles“).530
Die EM.TV & Merchandising AG (Umsatz 2002: 249,9 Mio. Euro) hat sich auf den Handel mit
Kinderprogrammrechten spezialisiert.531 Sie verfügt – soweit die unzureichende Datengrundlage
einen Vergleich zulässt – über einen besonders großen Bestand an diesen Rechten in Deutschland. Zu ihrem Bestand zählen 26.000 halbstündige Episoden Kinder- und Jugendprogramm,
davon 22.000 unter der Dachmarke Junior (u. a. „Biene Maja“, „Pippi Langstrumpf“, „Tabaluga“,
„Poochini“). Die im Juni 2000 von EM.TV erworbene Jim Henson Company, die über einen Rechtestock von 500 Programmstunden (u. a. „The Muppet Show“) verfügt, wurde hingegen im Mai
2003 an die Henson-Familie zurückveräußert.532 Die EM.TV & Merchandising AG ist durch ihre
Beteiligung an der Junior.TV GmbH & Co. KG vertikal mit diesem Programmveranstalter verbunden. Sie hat aber auch umfangreiche Zulieferverträge mit anderen Sendern abgeschlossen.
Ein Programmblock der Marke Junior wird bei SAT.1 gesendet; ihm liegt ein Fünfjahresvertrag über
die Ausstrahlung von 6.000 halben Stunden Programm zu Grunde. Mindestens 300 Programm524 Vgl. Claude Schmit (Geschäftsführer von Super RTL), Kindgerechte Unterhaltung, die keine Diskussion scheuen
muss, in TELEVIZION Forschung, 15/2002.
525 Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.superrtl.de.
526 Vgl. Meldung vom 08. 05. 2003 unter http://de.news.yahoo.com.
527 Vgl. Funkkorrespondenz vom 16. 05. 2003.
528 Vgl. Unternehmensdarstellung unter http://www.foxkidseurope.com.
529 Vgl. Unternehmensdarstellung unter http://www.foxkidseurope.com; zu Fox Kids Europe siehe auch Kapitel II
1.2.7 The Walt Disney Company.
530 Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.tmg.de.
531 Zu EM.TV siehe auch weiter oben, Kap. II 1.2.3.
532 Vgl. Pressemitteilung der EM.TV & Merchandising AG vom 07. 05. 2003.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
193
stunden werden an Tele 5 geliefert,533 an den Disney Channel liefert EM.TV jährlich 220 halbstündige Episoden. Ein weiterer Volumenvertrag über 300 halbe Programmstunden wurde mit
dem Kinderkanal geschlossen.534 Des Weiteren werden ZDF, RTL, RTL II, Super RTL und ProSieben
mit Programm aus dem Junior-Portfolio beliefert. Junior-Programmblöcke werden international
von europäischen Sendern (in der Schweiz, Spanien, Finnland, Polen und der Türkei) sowie in
Russland, Australien, China und Lateinamerika gesendet. Die KEK hatte im Rahmen des Zulassungsverfahrens in Sachen Junior/K-toon im Jahr 1999 festgestellt, dass der Programmstock
der Veranstalterin zwar einen wesentlichen Anteil des Beschaffungsvolumens im Segment der
Kinder- und Jugendprogramme ausmacht. Angesichts der Konkurrenz durch die „großen“ Wettbewerber Disney und Fox Kids (damals noch zur News Corporation gehörig) sowie der Eigenproduktionen anderer Fernsehveranstalter (z. B. des Kinderkanals) war jedoch nicht von der Gefahr
der Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auszugehen.535 An dieser Einschätzung hat
sich nichts Grundlegendes verändert; verschiedene Beteiligungsverkäufe im Bereich der Produktion und Distribution im Zuge des Restrukturierungsprozesses bei der EM.TV & Merchandising AG
sprechen eher für einen Rückgang ihrer Marktmacht bei Kinderprogrammrechten.
In der Rechtebibliothek der Kirch Media GmbH & Co. KGaA dürften sich kaum noch Kinderprogrammrechte befinden. Die KirchGruppe hatte ihren ca. 20.000 halbstündige Episoden umfassenden Bestand an fiktionalem Kinderprogramm bereits unter der Marke „Junior“ in das
Gemeinschaftsunternehmen Junior.TV eingebracht, das sie gemeinsam mit der EM.TV & Merchandising AG führt.536
Ob sich die Aktivitäten der ProSiebenSAT.1 Media AG unter dem neuen Mehrheitsgesellschafter Haim Saban künftig auch auf den Bereich des Rechtehandels erstrecken, bleibt abzuwarten. Haim Saban war als Mitbegründer des Kinderspartenprogramms Fox Kids in der Vergangenheit in größerem Umfang in diesem Bereich tätig (vgl. auch Kapitel II 1.2.2 ProSiebenSAT.1 Media
AG). Zum Programmvermögen der ProSiebenSAT.1 Media AG gehören laut Geschäftsbericht
2002 auch 2.765 Zeichentrickstunden; der Programmstock ist innerhalb der Senderfamilie bei der
ProSieben Television GmbH angesiedelt.
2.2.3.2
Produzenten bzw. Rechtehändler
ohne maßgebliche Veranstalterbeteiligung
Neben den genannten in den Bereich der Programmveranstaltung vorgedrungenen Produzenten
und Rechtehändlern gibt es verschiedene nicht bzw. nicht maßgeblich mit Veranstaltern verflochtene Unternehmen. Von diesen sollen hier exemplarisch zwei in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Unternehmen erwähnt werden, die auf Produktion und Distribution von Kinderprogramm spezialisiert sind: die RTV Family Entertainment AG und die TV Loonland AG.537
Die RTV Family Entertainment AG, München, zeichnet sich durch vielfache, z. T. stabile
Zulieferbeziehungen im bundesweiten Fernsehen aus. Mehrheitsgesellschafterin ist der Spieleund Buchkonzern Ravensburger AG, aus dessen Betätigungen im Bereich Neue Medien die RTV
Family Entertainment AG hervorgegangen war. Sie verfügt über einen umfangreichen TV-Rechtestock (z. B. „Gnarfs“, „Roboroach“, „Moorhuhn“). Im Februar 2000 hatte sie die gesamte Kinder-,
Jugend- und Familienprogrammrechtebibliothek (565 Programmstunden, darunter z. B. Enid533
534
535
536
537
Vgl. Pressemitteilung der EM.TV & Merchandising AG vom 02. 05. 2002.
Vgl. Pressemitteilung der EM.TV & Merchandising AG vom 08. 10. 2002.
Vgl. Beschluss der KEK vom 21. 09. 1999 i. S. Junior.TV, Az.: KEK 042.
Die Veräußerung der Anteile der KirchGruppe an die EM.TV & Merchandising AG ist angemeldet, Az.: KEK 169.m
Weitere Beispiele sind u. a. die BKN International AG, Köln, und die MIM Mondo Igel Media AG, Hamburg.
194
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Blyton-Abenteuerserien) von der CLT-UFA erworben. Im Gegenzug beteiligte sich die CLT-UFA zu
4 % am Grundkapital von RTV. Gegenstand der Vereinbarung war auch ein erleichterter Zugang
von RTV als Zulieferer zu den Sendern der CLT-UFA.538 Zum 31. 12. 2001 verfügte RTV über einen
Filmrechtebestand von über 6.000 Episoden, davon fast 80 % Zeichentrickprogramm.539 Eine
langfristige Programmzuliefervereinbarung besteht mit dem Sender Super RTL. Die seit Juni
2001 bestehende Kooperation, wonach an sechs Tagen der Woche ein zweistündiges Programmfenster unter dem Ravensburger Markenzeichen ausgestrahlt wird, wurde bis 2005 verlängert.540
Darüber hinaus liefert RTV Programm u. a. an KI.KA, Fox Kids, Junior.TV und RTL II. Auf die im
Firmenverbund generierten Ideen hat RTV einen von ihr als „First-Look-Recht“ bezeichneten
bevorzugten Zugriff.541 Durch die Einbindung in den Ravensburger-Konzern verfügt sie auch
über Vorteile beim Merchandising. Sie vermarktet ihre Lizenzthemen in verschiedenen Produktkategorien (Figuren, Spiele, Bücher etc.) in Zusammenarbeit mit der Ravensburger AG. Der Umsatz
des Geschäftsbereichs Merchandising machte im Jahr 2001 9 % des Gesamtumsatzes der RTV
Family Entertainment AG (60,35 Mio. Euro) aus.542 Nach zwischenzeitlich eingetretener Zahlungsunfähigkeit und entsprechenden Sanierungsmaßnahmen lag der Umsatz im Jahr 2002 bei
24,4 Mio. Euro und ging somit gegenüber dem Vorjahr um mehr als 60 % zurück. Als Ursache für
die finanzielle Schieflage gab das Unternehmen u. a. die Insolvenz der KirchMedia und die
schwierige Marktlage in Hinblick auf Programmverkäufe an Sender an.543
Die TV Loonland AG, München, hat sich auf Produktion, Distribution, Home Entertainment
und Merchandising im Bereich des Zeichentrickfilms spezialisiert (u. a. „Pettersson und Findus“,
„The Cramp Twins“). Sie bezeichnet sich als einen der „weltweit führenden Independent Majors“.544
Ihr Umsatz lag im Jahr 2002 bei 36,75 Mio. Euro; davon wurden 23,58 Mio. Euro durch Rechtehandel erwirtschaftet. Rund 80 % der Umsätze erzielte das Unternehmen außerhalb Deutschlands.
Der Geschäftsbereich Merchandising trug ca. 2 % zum Umsatz bei.545 Die Rechtebibliothek von
TV Loonland umfasst u. a. 800 eigenproduzierte Episoden und die weltweiten Rechte an über
2.500 halbstündigen Episoden. Die 100 %ige Tochtergesellschaft Salsa Distribution S. A. R. L. verfügt über die Vertriebsrechte an 2.000 weiteren Episoden. Die Produktion von Zeichentrickfilmen
sieht die TV Loonland AG als eines der attraktivsten Segmente des internationalen Medien- und
Entertainmentmarktes. Betont wird das gegenüber anderen Filmen besonders effektiv nutzbare
Verwertungspotenzial von Trickfilmen: „Gegenüber so genannten Realfilmen stechen Zeichentrickfilme durch langfristige Verwertungsmöglichkeiten hervor: Sie veralten nicht, sie sind einfach
zu synchronisieren, und sie spielen in einer künstlichen Welt. Faktoren, die eine dauerhafte
und internationale Vermarktung wesentlich erleichtern.“546 Kinder- und Jugendprogramme sind
darüber hinaus bezüglich der Verwertungshäufigkeit anderen Programmen gegenüber im Vorteil,
denn: „Die Kundenbasis wird regelmäßig ausgetauscht. Automatisch wächst alle paar Jahre ein
völlig neues Publikum heran. Dies erlaubt regelmäßige Wiederholungen erfolgreicher Serien,
die erneut hohe Einschaltquoten noch während des üblicherweise 5 bis 7 Jahre dauernden
Lizenzzeitraums erzielen.“547 TV Loonland musste im Jahr 2002 gegenüber dem Vorjahr einen
538
539
540
541
542
543
544
545
546
547
Vgl. Pressemitteilung der RTV AG vom 23. 02. 2000.
Vgl. Unternehmensangaben der RTV AG unter http://www.rtv-ag.de.
Vgl. Pressemitteilung der RTV AG vom 28. 01. 2003.
Vgl. Unternehmensdarstellung der RTV AG unter http://www.rtv-ag.de.
Vgl. Unternehmensdarstellung der RTV AG unter http://www.rtv-ag.de.
Vgl. Pressemitteilungen der RTV AG vom 17. 06. 2002 und 01. 10. 2002.
Vgl. Geschäftsbericht der TV Loonland AG 2002, S. 15.
Vgl. Geschäftsbericht der TV Loonland AG 2002.
Vgl. Geschäftsbericht der TV Loonland AG 2001, S. 25.
Vgl. Geschäftsbericht der TV Loonland AG 2001, S. 24.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
195
Umsatzrückgang um 53 % hinnehmen. Dennoch spricht das Unternehmen von einer Festigung
seiner Marktposition; das Marktvolumen habe sich insgesamt deutlich verringert.548
2.2.4
Fazit
Die zur RTL Group gehörigen Sender Super RTL, RTL und RTL II sind – unter Zugrundelegung der
Sehdauer von 03:00 Uhr bis 03:00 Uhr – die von Kindern am meisten gesehenen Programme im
frei empfangbaren Fernsehen. Die höchsten Zuschaueranteile erreicht der Sender Super RTL,
der u. a. auf umfangreiche Programmressourcen seiner Gesellschafterin Walt Disney Company
zurückgreifen kann. Die starke Position der RTL Group im Segment der Kinderprogramme ist im
Hinblick auf die u. U. langfristige Bindung von Zuschauern an Programme der RTL Group bedeutsam. Konkurrenz besteht vornehmlich durch die öffentlich-rechtlichen Programme.
Im international ausgerichteten Rechtehandel mit Kinderprogrammen finden sich mehrere
starke Marktteilnehmer. In Deutschland ist hier insbesondere die EM.TV & Merchandising AG zu
nennen, die nach dem Kenntnisstand der KEK im Marktsegment der Kinder- und Jugendprogramme aber nicht marktbeherrschend ist.
2.3
Sportrechte
Übertragungsrechte an massenattraktiven Sportereignissen sind für Fernsehveranstalter im
Wettbewerb um die Zuschauergunst und damit für ihre Marktstellung von großer strategischer
Bedeutung.549 Der wirtschaftliche Wert dieser Rechte ist zudem wegen ihrer Knappheit hoch.
Massenattraktive Sportveranstaltungen – je nach Rang des Ereignisses, Beliebtheit der Sportart
und der beteiligten Sportler – sind in ihrer Zahl begrenzt550 und die TV-Rechte daran nur kurzfristig verwertbar: Sie ziehen nur so lange ein großes Publikum an, als ihr Ergebnis noch offen ist
und so Spannung erzeugt wird. Daher ist die Direktübertragung (Erstverwertung) von herausragender Bedeutung. Die weitere Verwertung durch Aufzeichnungen und Kurzberichte ist noch
während einer begrenzten Zeitspanne von Interesse.
Allerdings entwickelten sich in jüngerer Zeit, entgegen der sonst eher geringen Zuschauerelastizität im Sportbereich, neben hierzulande stets populären Sportereignissen wie Spitzenfußball- und Olympischen Spielen551 einzelne Disziplinen von Randsportarten zu Magneten für das
Fernsehpublikum. Beispiele sind das auf RTL übertragene Skispringen und die bei ZDF, RTL, DSF
und Premiere gezeigten Boxkämpfe (s. u. Kap. II 2.3.1). Man führt dies nicht nur auf die Teilnahme
erfolgreicher deutscher Sportler zurück, sondern auch auf die jeweilige Fernsehinszenierung als
„Event“.552 Dies ist nur ein Beispiel für die mittlerweile engen Wechselbeziehungen zwischen
548 Vgl. Geschäftsbericht der TV Loonland AG 2002, S. 7.
549 Vgl. ausführlich Konzentrationsbericht der KEK 2000, Kap. II 1.2.3.2.
550 Nur zuschauerattraktive Massensportereignisse rechtfertigen wirtschaftlich angesichts der hohen Fixkosten bei
der Produktion ihre Übertragung.
551 Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung von Art. 3 a der Fernsehrichtlinie in die Liste der im frei empfangbaren
Fernsehen zu übertragenden Großereignisse nach § 5 a Abs. 2 RStV neben den Olympischen Sommer- und Winterspielen ausschließlich Fußballturniere aufgenommen. Die entsprechenden Regelungen anderer europäischer
Länder spiegeln andere Präferenzen der Bevölkerung wider: Z. T. werden auch Handball, Radsport und Rugby aufgeführt, vgl. Peter Duvinage, Der Sport im Fernsehen. Die Sicht der Rechteagenturen, Arbeitspapiere des Instituts
für Rundfunkökonomie an der Universität zu Köln, Heft 130, Juni 2000, S. 3.
552 Umgekehrt verloren Sportarten, gemessen an den Einschaltquoten, an Beliebtheit, etwa Tennis und Leichtathletik.
Im letzteren Fall wird dies auch auf Fehler bei der Medieninszenierung der Turniere zurückgeführt. Ein anderes
Beispiel ist die zeitliche Abstimmung von Turnieren mit der Programmplanung von Fernsehsendern, etwa der
Sonntagsspiele der 1. Bundesliga mit Bundesligaberichten.
196
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Spitzensport und Fernsehen. Grundlegende Einflusspotenziale der Fernseh- auf die Sportveranstalter ergeben sich aus der finanziellen Abhängigkeit der Vereine von den Fernseheinnahmen
und den vom Fernsehauftritt indirekt abhängigen Einnahmen, vor allem den Sponsorengeldern.553
Umgekehrt wird Sportinhalten eine wichtige Funktion als Antriebsfeder für die Entwicklung der
Medienmärkte zugeschrieben: in der Vergangenheit für die Etablierung der Veranstalter werbefinanzierten Fernsehens, gegenwärtig für die Entwicklung des Pay-TV und zukünftig etwa für die
Durchsetzung von Internet und UMTS.554
Die Bedeutung des Sports für die Meinungsvielfalt ergibt sich aus seiner wichtigen Funktion
als Gegenstand der Meinungsbildung, der Identifikation und der öffentlichen Kommunikation.555
Berichte über herausragende Sportereignisse gehören nach der Rechtsprechung des BVerfG zur
Information im Sinne des klassischen Rundfunkauftrags. Einer Monopolisierung der Berichterstattung bei einem einzelnen Rundfunkveranstalter ist daher entgegenzuwirken. Entwicklungen
auf dem Markt für Sportübertragungsrechte sind auch aufgrund der besonderen Gefahren durch
vertikale Konzentration zwischen den Inhabern dieser Rechte und den Fernsehveranstaltern zu
berücksichtigen.556
2.3.1
Sportprogramme im Fernsehen
2.3.1.1
Sportsendungen in Vollprogrammen
Der Stellenwert von Sportprogrammen im Fernsehen zeigt sich an den Spitzenreichweiten, die
Übertragungen populärer Sportereignisse erzielen. So war das entscheidende Springen der
Vierschanzentournee in Bischofshofen mit 13,39 Mio. Zuschauern die meistgesehene Sendung
des Jahres 2002 bei RTL, gefolgt vom Formel-1-Rennen „Großer Preis von San Marino“ (12,65 Mio.
Zuschauer).557 Die ersten acht Plätze der Rangliste der ARD für dieses Jahr belegten sämtlich
Sportübertragungen (sechs Fußball-Länderspiele und zwei olympische Skispringen).558 Zu den
zwanzig meistgesehenen Sendungen aller bundesweiten Programme zählten 2001 vierzehn
553 Die Fernsehgelder betragen bis zu 35 % der Einnahmen der Bundesligaclubs, in der 2. Liga soll der Prozentsatz
noch darüber liegen, vgl. Der Spiegel 8/2002.
554 Zum frei empfangbaren Fernsehen vgl. Konzentrationsbericht der KEK 2000, Kap. II 1.2.3.2. Für Pay-TV, Internet
und UMTS vgl. Studie SCORE von Arthur Andersen für das Medienforum NRW 2002, Ist die Party vorbei? Die
Zukunft der Sportrechtevermarktung, S. 6. Für diese Technologien erhofft sich auch die EU-Kommission den
Durchbruch mit Hilfe des „Zugpferds“ Sportberichterstattung; darin liegt ein Grund für ihr besonderes Augenmerk auf den freien Wettbewerb im Sportrechtemarkt, vgl. Mitteilung der EU-Kommission zur gemeinsamen Vermarktung der Medienrechte an der UEFA-Champions-League auf Ausschließlichkeitsgrundlage, Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften vom 17. 08. 2002, C 196/3, Rz. 6.
555 BVerfG, Urt. vom 17. 02. 1998, E 97, 228, 285, 286 – Kurzberichterstattung: „Die Bedeutung solcher Sportereignisse
erschöpft sich nicht in ihrem Unterhaltungswert. Sie erfüllen darüber hinaus eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Der Sport bietet Identifikationsmöglichkeiten im lokalen und nationalen Rahmen und ist Anknüpfungspunkt
für eine breite Kommunikation in der Bevölkerung. Eine umfassende Berichterstattung, wie sie von Art. 5 Abs. 1
Satz 2 GG gefordert wird, lässt sich daher unter Verzicht auf Sportereignisse nicht verwirklichen.“ Die besondere
soziale, integrative und kulturelle Bedeutung des Sports betonte auch der Europäische Rat in seiner Erklärung von
Nizza 2000 zur besonderen Bedeutung des Sports. Vgl. dazu Mitteilung der Kommission vom 20. 07. 2001, s. u.
Fn. 48.
556 BVerfGE 95, 163 (173) – „DSF“.
557 Vgl. http://www.rtl.de „Top 25 RTL“. Unter den 6 meistgesehenen Sendungen befanden sich außerdem drei LiveÜbertragungen von Formel-1-Rennen und das Finale der Champions-League. Die Vierschanzentournee erreichte
2002 im Durchschnitt 8,72 Mio. Zuschauer (a. a. O.: Entwicklung Vierschanzentournee). Für Formel-1-Übertragungen
wurden 2003 erstmals seit 10 Jahren rückläufige Einschaltquoten verzeichnet, vgl. Handelsblatt vom 26. 06. 2003.m
558 Platz 1 belegte das Fußball-WM-Spiel Deutschland gegen Südkorea mit 20,24 Mio. Zuschauern. Programmdirektion
Erstes Deutsches Fernsehen/Medienforschung: Rangliste der meistgesehenen Fernsehsendungen des Ersten im
Jahr 2002 (Quelle: AGF/GfK-Fernsehforschung), http://www.ard.de.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
RTL
SAT.1
ARD1)
ZDF
197
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
3,8
6,5
4,7
3,3
2,6
4,8
5,2
5,5
2,4
5,6
4,6
4,5
7,3
7,5
3,6
4,2
2,4
3,9
4,5
2,8
7,9
3,2
3,8
3,3
6,1
3,8
4,1
6,6
4,2
3,2
3,5
5,2
3,5
4,7
8,2
6,4
1,9
2,8
4,9
6,0
00,9
03,4
11,1
10,9
2,8
2,0
6,8
6,0
1) ohne Dritte Programme
Tabelle II-43: Anteil der Sportsendungen in den Programmen von RTL, SAT.1, ARD und ZDF von 1990–2001 (Sendedauer in Prozent der Gesamtsendezeit)
Quelle: Programmanalyse Udo Michael Krüger, in: Media Perspektiven, Basisdaten 1999 und 2002
Sender
RTL
Information
Unterhaltung
Fiction
Sport
Werbung und Sonstiges
SAT.1
2001
2002
2001
2002
18,9
23,2
33,3
5,4
19,1
21,5
21,9
31,0
7,7
17,9
21,1
21,4
31,7
8,4
17,4
13,4
31,3
29,4
6,1
19,7
ZDF
ARD1)
2001
2002
2001
2002
39,1
15,6
31,3
10,6
3,3
35,3
13,9
35,9
10,2
4,8
36,6
10,6
33,4
15,1
4,2
37,2
13,9
30,1
15,7
3,1
1) ohne Dritte Programme
Tabelle II-44: Zusammensetzung des täglichen Fernsehkonsums nach Programmsparten und Sendern 2001 und
2002 in Prozent
Quelle: Wolfgang Darschin/Heinz Gerhard, Tendenzen im Zuschauerverhalten, in: Media Perspektiven
4/2002 und 4/2003
Fußball- oder Formel-1-Übertragungen, und das vom ZDF übertragene Fußball-WM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und der Ukraine war das populärste Fernsehereignis des Jahres
überhaupt.559 Der WM-Titelkampf im Schwergewichts-Boxen zwischen Lennox Lewis und Vitali
Klitschko am 22. 06. 2003 erreichte 4,6 Mio. Zuschauer, dies entsprach in den frühen Morgenstunden einem Marktanteil von 83,4 %.560
Die Beliebtheit der Programmsparte insgesamt lässt sich an ihrer überproportional hohen
Nutzung erkennen:561 Gemessen an der Gesamtsendedauer der Sportsendungen, nehmen sie in
den Vollprogrammen im Vergleich zu anderen Programmarten einen verhältnismäßig geringen
Raum ein, was auf die Begrenztheit der zuschauerattraktiven Ereignisse zurückzuführen sein
dürfte. Deutlich höher ist der prozentuale Anteil der Sportberichterstattung an der Gesamtsehdauer der Zuschauer.
2.3.1.2
Sportspartenprogramme
Seit mehreren Jahren sind im frei empfangbaren bundesweiten Fernsehen die beiden Sportspartenprogramme DSF und Eurosport zu empfangen. Ihre Zuschaueranteile bewegen sich relativ
konstant um ca. 1 %.
559 Es erreichte einen Zuschaueranteil von 27,4 %. Vgl. Television 2002, Key Facts (Hrsg. IP Deutschland), Top Programmes All Channels, S. 142. Deutlich unterdurchschnittlich ist allerdings die Präferenz für Sportsendungen bei
jüngeren Kindern (3–13 Jahre) und der Gruppe der 20- bis 49-Jährigen mit Kindern (vgl. Tab. 2: Verteilung der
200 meistgesehenen Sendungen im Jahr 2000 nach Programmbereichen, TELEVIZION 14/2001/1, S. 4).
560 Nach Angaben des ZDF war dies die höchste bis dahin senderübergreifend gemessene Quote einer Nachtsportsendung, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. 06. 2003.
561 Dies lässt sich auch für die Programmgattung Fiction beobachten, s. o. Kap. II 2.1.1.
198
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Monat
1/02
2/02
3/02
4/02
5/02
6/02
7/02
8/02
9/02
10/02
11/02
12/02
DSF
Eurosport
0,8
1,0
0,9
1,0
1,0
0,7
1,0
0,7
0,8
0,9
0,9
0,7
0,8
0,8
0,9
0,8
1,0
0,9
1,0
0,7
0,9
0,7
0,8
0,7
Monat
1/03
2/03
3/03
4/03
5/03
6/03
7/03
DSF
Eurosport
0,8
0,9
0,8
0,7
0,9
0,7
1,0
0,8
1,2
0,9
1,0
1,2
1,1
1,1
Tabelle II-45: Zuschaueranteile der Sportspartensender DSF und Eurosport im Jahr 2002 und im 1. Halbjahr 2003
in Prozent
Quelle: AGF/GfK-Fernsehforschung
Sowohl bei DSF als auch bei Eurosport haben Beteiligungsveränderungen stattgefunden:
Die DSF Deutsches Sportfernsehen GmbH wurde im Mai 2003 von ihrer insolventen Muttergesellschaft Kirch Media GmbH & Co. KGaA an die Sport Media Holding GmbH, ein Konsortium
aus der EM.TV & Merchandising AG und Unternehmen des Konzerns KarstadtQuelle AG und den
im Sportartikelbereich und bei der Vermarktung von Sportlern und Sportereignissen tätigen
Kaufmann Dr. h. c. Hans-Dieter Cleven, verkauft. Die Sport Media Holding hält 81,13 %, Cleven
18,87 % der Anteile.562 Parallel erwarben EM.TV und KarstadtQuelle AG das Internet-Sportrechteportal Sport.1, EM.TV übernahm auch die Produktionsfirma PLAZAMEDIA GmbH, die u. a. die
Technik für die Bundesliga-, Formel-1- und Champions-League-Übertragungen von Premiere zur
Verfügung stellt. EM.TV begründete den Einstieg bei DSF mit der Absicht, den Sportbereich als
zweite Säule des operativen Geschäfts neben der Kinder- und Jugendunterhaltung zu etablieren
und dabei vom Lizenzhandel über die Produktion bis hin zur multimedialen Präsentation und Vermarktung sämtliche Stufen der Verwertungskette zu nutzen.563 Der Warenhauskonzern KarstadtQuelle, der einen Schwerpunkt auf den Ausbau seines elektronischen Geschäftsbereichs einschließlich Teleshopping legt und zusammen mit EM.TV die Merchandising-Rechte für die WM
2006 besitzt, teilte mit, man verspreche sich von einer höheren Medienpräsenz eine Forcierung
des Sportartikelhandels.564 Mit dem Ausbau des Merchandising soll ein neues Erlösmodell jenseits
der Fernsehwerbung etabliert werden.
Im Zusammenhang mit der Veräußerung der Bundesliga-Übertragungsrechte für die Spielzeiten 2001/2002 hatte die KirchGruppe der Deutschen Fußball-Liga GmbH (DFL) eine Option
auf eine 25 %ige Beteiligung bei DSF eingeräumt, um ihr notfalls die Grundlage zur Schaffung
eines eigenen Abspielkanals zu sichern. Die Beteiligungsoption wurde im Zusammenhang mit
dem Verkauf von DSF aufgehoben.
Eurosport ist ein gesamteuropäisches Programm, das europaweit und darüber hinaus in
insgesamt 54 Ländern und 18 Sprachen ausgestrahlt wird. Die Unternehmenszentrale ist in
Paris. Die Programmgestaltung und -verantwortung obliegt dem „Eurosport-Konsortium“, d. h.
Mitgliedern der European Broadcasting Union (EBU), einem Branchenverband von Hörfunk- und
Fernsehanstalten, die nach der Satzung der EBU auf die Wahrnehmung eines besonderen Programmauftrags verpflichtet sind.565 Daher überträgt das Programm auch Minderheitensportarten
und Sportereignisse für gesundheitliche oder humanitäre Anliegen, z. B. Behindertenwettkämpfe.
562 Vgl. Beschlüsse der KEK i. S. DSF vom 13. 05. 2003, Az.: KEK 179, und vom 12. 08. 2003, Az.: KEK 183.
563 Vgl. Pressemitteilung von EM.TV vom 29. 04. 2003.
564 Vgl. Peter Gerard, Vorstandsvorsitzender der KarstadtQuelle New Media AG, in: Pressemitteilung von EM.TV vom
16. 04. 2003.
565 Vgl. Angaben unter http://www.ebu.ch und Dieter Frey, Das Eurovisions-System der EBU: Kartellrechtlicher
Dauerbrenner in Brüssel und Luxemburg, ZUM 12/2002, S. 917, 918.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
199
Den Programmbetrieb, die technischen Funktionen, die Verwaltung und Vermarktung hat die
Eurosport S. A. übernommen, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der privaten französischen Veranstalterin Télévision Française 1 („TF1“), die Mitglied des Eurosport-Konsortiums ist.566 Für
Deutschland hat Eurosport neben ARD und ZDF die Live-Übertragungsrechte an der Olympiade
2004 erworben.
Im Pay-TV-Bereich werden auf der Plattform Premiere zwei Sportspartenkanäle, Premiere
Sport 1 und Premiere Sport 2, veranstaltet, die insbesondere Live-Übertragungen von Bundesliga- und Champions-League-Spielen, Formel-1-Rennen und Veranstaltungen anderer beliebter
Sportarten wie Golf, Boxen oder Basketball zeigen. Diese Sportangebote gelten neben den FictionProgrammen als ausschlaggebend für die Abonnemententscheidung.567 Nach Unternehmensangaben erreichen die Sportkanäle einen Anteil von 21,8 % an der gesamten Sehdauer der
Abonnenten und liegen damit in der Zuschauergunst auf dem zweiten Rang nach den fiktionalen
Programmen (54,7 %).568 Zusätzlich überträgt Premiere einzelne Sportereignisse über Pay-perView-Kanäle.
Auch Premiere hat sich vollständig von den Unternehmen der ehemaligen KirchGruppe
gelöst: Im Frühjahr 2003 übernahmen sechs Fonds der im Medienbereich bis dahin nicht aktiven
europäischen Private-Equity-Beratungsgesellschaft Permira die Anteilsmehrheit (zusammen
65,14 %) von der PayTV Beteiligungs GmbH in Liquidation, einer Tochtergesellschaft der ebenfalls
insolventen Kirch PayTV GmbH & Co. KGaA. Minderheitsbeteiligungen erwarben drei Gläubigerbanken von Premiere bzw. KirchPayTV: die Bayerische Landesbank, Anstalt des öffentlichen
Rechts, und die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG jeweils 10 % und die österreichische Bank
für Arbeit und Wirtschaft AG 3,5 %, sowie Mitglieder der Geschäftsführung von Premiere (Dr.
Georg Kofler: 10,09 %, Michael Börnicke und Hans Seger: jeweils 0,64 %).569 Nach der Geschäftsstrategie von Permira will sie mittelfristig die Anteilsmehrheit weiterverkaufen oder an der Börse
platzieren. Premiere agiert nunmehr als gruppenunabhängige Fernsehveranstalterin und Plattformbetreiberin.
Als weiteres Pay-TV-Programm ist der Sportspartenkanal Extreme Sports Channel, teils in
englischer Sprache, teils deutsch synchronisiert, auf Sendung. Das Programm wird auf Grundlage
einer niederländischen Lizenz veranstaltet und in verschiedenen europäischen Ländern – neben
den Niederlanden und Deutschland auch Schweden und Norwegen – ausgestrahlt. Im Mittelpunkt stehen so genannte Extremsportarten wie Motorradsport, Surfen, Snowboarden und
Mountainbiking. Damit kann das Programm als (allerdings in Deutschland bislang, soweit ersichtlich, einziger) Beleg für die Prognose dienen, dass mit Einführung des Digitalfernsehens die
Spezialisierung von Veranstaltern auf Randsportarten eine Chance haben könnte.570
566 Anmeldung einer Zusammenarbeitsvereinbarung (Sache COMP/C2/38.464 – TF1/Eurosport SA/Consortium
Eurosport), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 14. 09. 2002 (C 218/4).
567 S. o. Kap. II 2.1.1.2.
568 Vgl. Premiere in Zahlen, Präsentation von Premiere zur Programm-Medienkonferenz vom 13. 02. 2003.
569 Vgl. Beschluss der KEK i. S. Premiere vom 11. 03. 2003, Az.: KEK 166.
570 Vgl. Siegbert Messmer, Digitales Fernsehen in Deutschland: eine industrieökonomische Analyse des wirtschaftspolitischen Handlungsbedarfs (zugleich: Univ. Diss.), Frankfurt a. M. 2002, S. 106.
Rahmenvertrag (Preise
werden jeweils mit den
Vereinen/ihren Agenturen ausgehandelt)
bis 2009
2002
2002/2003 bis
2004/2005
Nationalelf
Heimspiele
UEFA-Cup
UEFA/teilnehmende
Vereine
DFB (Auswärtsspiele:
jew. Gastgeber. Für
2004, EM-Qualifikation: auch diese
Rechte bei ARD)
UEFA
DFB
DFB
SportA
T. E. A. M.
Infront, SportA
Infront
Infront
ARD/ZDF
RTL
ARD/ZDF
ARD/ZDF
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte (1 Spiel live)
und Zweitverwertung
DSF
ARD/ZDF
Erstsenderechte im Pay-TV
Premiere
Erstsenderechte an den zwei
Sonntagsspielen und Zweitverwertung
Erstsenderechte (Liveübertragung nur für 2 Spiele)
und Zweitverwertung
Erstsenderechte und Zusammenfassungen im Pay-TV
Zweit- und Drittverwertung
Erstsenderechte (Liveübertragung bis auf 2 Spiele
nur im Pay-TV)
Rechteart
Tabelle II-46: Sportveranstaltungen und Übertragungsrechte im deutschen Fernsehen
Quelle: Die Angaben entstammen Presse- und Internetveröffentlichungen und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.
(Fortsetzung nächste Seite)
65 Mio. ;
bis 2009
DFB-Pokal
im Paket mit Regionalliga, Bundesliga und
Länderspiele Frauen:
insgesamt ca. 400 Mio. ;
390 Mio. ;
bis 2009
Ligaverband (DFL)
DSF
Premiere
insgesamt 11 Mio. ;
Infront
ARD
Ligaverband (DFL)
insgesamt 60–65 Mio. ;
150 Mio. ;
ARD/ZDF, DSF
u. v. m.
Premiere
Ausstrahlender
Sender
30 Mio. ;
KirchSport AG
Rechtevermarkter
SAT.1
Ligaverband (DFL)
Rechteinhaber
80–85 Mio. ;
142 Mio. ;
Regional- und
Oberligen
2003/2004
2002/2003
Preis pro Jahr
2003/2004
1. Bundesliga
Fußball
Zeitraum
2. Bundesliga
Veranstaltung
Sportart
200
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
2003
EM
EM, WM
PGA-EuropeanTour
Eiskunstlauf
Golf
bis 2004
ehemals insgesamt
4,09 Mio. ;, Preis
mittlerweile reduziert
Fairway Marketing
ISU
DEL
Deutsche Eishockey
Liga (DEL)
die Sportler/ihre
Boxställe
FIBA
FIBA
Deutscher
Basketballbund
FIFA
FIFA
UEFA
UEFA
UEFA
Rechteinhaber
EBU
Taurus Sport
Taurus Sport
Sportfive
Sportfive/SportA
Sportfive/SportA
Basketball Bundesliga GmbH
Infront
KirchSport AG
EBU
T. E. A. M.
T. E. A. M.
Rechtevermarkter
ARD
ARD/ZDF
DSF
DSF
RTL
ARD/ZDF
Premiere (auch
Pay-per-View)
ARD/ZDF
ARD
DSF (SAT.1 bis
2003/2004)
ARD/ZDF
ARD, ZDF
SAT.1
Premiere
RTL
Premiere
Ausstrahlender
Sender
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte im Pay-TV
Erstsenderechte (ARD und
ZDF Zweitverwertung)
Erstsenderechte
(Zweitverwertung)
Erstsenderechte (weniger
als 50 % der 64 Spiele gezeigt)
Erst- und Zweitverwertung
(39 Live-Spiele und Highlights)
Erstsenderechte im Pay-TV
Erstsenderechte
Erstsenderechte im Pay-TV
Rechteart
Tabelle II-46: Sportveranstaltungen und Übertragungsrechte im deutschen Fernsehen
Quelle: Die Angaben entstammen Presse- und Internetveröffentlichungen und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.
(Fortsetzung nächste Seite)
Bundesliga
z. B. Kämpfe
H. Maske, A. Schulz
z. B. Kämpfe der
Brüder Klitschko,
Rocchigiani etc.
1999–2004
2002
WM
z. B. Kämpfe
Lennox Lewis
2002–2005
Bundesliga
Herren
Option ARD/ZDF angeblich für 250 Mio. ;
2006
Eishockey
Boxen
Basketball
ca. 128 Mio. ;
(225 Mio. DM)
2002
ca. 23 Mio. ; (andere Angaben 28 bzw. 35 Mio. ;)
ca. 50 Mio. ;
ca. 80 Mio. ;
WM
2003–2006
2002
Preis pro Jahr
2004
Champions
League
Fußball
Zeitraum
EM
Veranstaltung
Sportart
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
201
Winterspiele
Sommerspiele
Motorrad: Großer
Preis von Deutschland und den Niederlanden
IOC
IOC
2002
IOC
2004
2002–2008
IOC
2002–2008
2003
FIA (SLEC)
2003–2007
80–85 Mio. ;
FIA (SLEC)
2000–2006
Formel 1 (Grand
Prix und WM)
Deutscher Motor
Sport Bund
2003
Formel 3 Euroserie
(F3V-Cup)
ADAC
DLV
2003
2002–2005
EM
DLV
Internationaler Leichtathletikverband
DHB
DHB
Rechteinhaber
Deutsche Tourenwagenmeisterschaft
2003
GoldenLeague
2,5 Mio. ;
Preis pro Jahr
EBU
EBU
EBU
EBU
FOA
FOA
SportA
EBU
SportA
SportA
Rechtevermarkter
Eurosport
ARD/ZDF
Eurosport
ARD/ZDF
RTL
RTL
Premiere
Zweitverwertung
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte im Pay-TV
Zweitverwertung
DSF, n-tv
DSF
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
ARD/ZDF
ARD/ZDF
DSF
ARD/ZDF
Erstsenderechte
Zweitverwertung und
„Spiel der Woche“
DSF
ARD/ZDF
Erstsenderechte für alle
Spiele
Rechteart
ARD (ZDF)
Ausstrahlender
Sender
Tabelle II-46: Sportveranstaltungen und Übertragungsrechte im deutschen Fernsehen
Quelle: Die Angaben entstammen Presse- und Internetveröffentlichungen und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.
(Fortsetzung nächste Seite)
Olympia
Motorsport
2001–2005
WM
2002 (künftig
evtl. Einzelvermarktung)
WM
Leichtathletik
01. 07. 1999 bis
30. 06. 2003
Bundesliga Herren
Handball
Zeitraum
Veranstaltung
Sportart
202
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
2003
ATP Masters Series
DTB
Association of Tennis
Professionals
DTB
Sportfive
SportA
SportA
IMG
EBU/IMG (bis
2005, dann APF)
SportA
SportA
SportA
SportA
Rechtevermarkter
ARD/ZDF
Erstsenderechte
Erstsenderechte im Pay-TV
Erstsenderechte
ZDF/Eurosport,
z. T. auch DSF
Premiere
Erstsenderechte im Pay-TV
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Erstsenderechte
Rechteart
Premiere
ARD
ARD/ZDF
ARD, DSF (bis
Halbfinale und
Zusammenfassungen)
ARD
RTL
ARD/ZDF
ARD/ZDF
ARD/ZDF
ARD/ZDF
DSF/RTL
ARD/ZDF
Ausstrahlender
Sender
Tabelle II-46: Sportveranstaltungen und Übertragungsrechte im deutschen Fernsehen
Quelle: Die Angaben entstammen Presse- und Internetveröffentlichungen und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.
Davis Cup Heimspiele Deutschland
2003
World Team Cup
Wimbledon Club
2003
2003
Wimbledon Club
2002
bis 2006/2007
French Open
Wimbledon
DSV
Skispringen (Vierschanzentournee)
Tennis
FIS
Weltmeisterschaften Nordisch
und Alpin
FINA, DSV
Ski
2003
WM, Deutsche
Meisterschaft
Deutsche Reiterliche
Vereinigung
Schwimmen
2003–2006
2003
Deutschland Tour,
Radsport-klassiker,
Straßenrad-WM
Société du Tour
Rechteinhaber
Deutsche Turniere,
Weltcup
2003
Tour de Suisse
Preis pro Jahr
Reiten
1999–2004
Tour de France
Radsport
Zeitraum
Veranstaltung
Sportart
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
203
204
2.3.2
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Entwicklungen im Sportrechtehandel
Kartellrechtlich wird in Abgrenzung zum Fictionrechte-Markt ein eigenständiger Markt für den
Erwerb von TV-Sportübertragungsrechten angenommen.571 Als Anbieter treten gegenüber den
nachfragenden Fernsehveranstaltern die originären Rechteinhaber auf; dies sind neben einzelnen
Sportlern (etwa Boxern) die „Veranstalter“ der Sportereignisse – wozu jedenfalls die Heimvereine
und nach verbreiteter Ansicht auch die mitorganisierenden Verbände und die Gastvereine
zählen572 –, oft zentral vertreten durch die Verbände oder Ligen. Als Zwischenhändler werden z. T.
auf beiden Seiten Rechteagenturen tätig. Sie versprechen den Rechteinhabern insbesondere
eine effiziente Gesamtvermarktung, d. h. eine Verwertung der Medienrechte im Paket mit anderen
Vermarktungsrechten, wie Merchandising-Rechten und Rechten am Sportereignis, und mit weiteren Dienstleistungen wie Einbeziehung von Sponsoren und Ticketing.
Obwohl die Rechte nach Marktwert und Modalitäten des Erwerbs und der Verwertung untereinander stark differieren und nur sehr begrenzt austauschbar sind, konnte die EU-Kommission
bislang für die sonstigen Sportarten außer dem Fußball dahinstehen lassen, ob für den Erwerb
der jeweiligen Sportrechte gesonderte Teilmärkte abzugrenzen sind.573 Die Rechte an Fußballereignissen hat sie in den Entscheidungen Canal+/RTL/Groupe Jean-Claude Darmond und
NewsCorp/ Telepiù von denjenigen an anderen Sportereignissen abgegrenzt574 und im Hinblick
auf den Erwerb von Übertragungsrechten an Fußballturnieren noch weitergehend zwischen zwei
eigenständigen Teilmärkten unterschieden.575 In den jüngsten Entscheidungen zu den Regeln
der EBU über den Erwerb von Sportfernsehrechten haben die EU-Kommission und das Gericht
erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften sich lediglich mit der Bestimmung des „engstmöglichen“ Marktes befasst, ohne diesen verbindlich als relevanten Produktmarkt zu benennen.
Im konkreten Fall war dies der vorgelagerte Markt für den Erwerb von Sportübertragungsrechten,
die normalerweise europaweit erworben werden (z. B. an den Olympischen Spielen), und der
nachgelagerte Markt der Übertragung dieser Rechte, wobei die EU-Kommission für letzteren
weiter zwischen Pay-TV und frei empfangbarem Fernsehen differenzierte.576 Für die Vermarktung
von Sportrechten hat der BGH eine vergleichbar enge Marktabgrenzung vorgenommen und als
relevanten Markt denjenigen für die Gestattung von Fernsehübertragungen von Europapokalspielen in Deutschland zugrunde gelegt.577
571 Vgl. EU-Kommission, Entscheidung vom 02. 04. 2003, COMP./M.2876 – Newscorp/ Telepiù, Rz. 69.
572 Der Begriff des „Veranstalters“ soll aufgrund der Integration der Einzelspiele in einen Gesamtwettbewerb nicht nur
den Heimverein einschließen, sondern auch den Gastverein und den den Wettbewerb organisierenden Verband,
vgl. Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 31 Rn. 8 ff., 11. Der BGH lässt die Frage der Veranstaltereigenschaft des Gastvereins
und des Verbandes in seiner Entscheidung zur Zentralvermarktung von TV-Rechten an Europapokalheimspielen
offen, Urt. vom 11. 12. 1997 (KVR 7/96), Rn. 5.b.
573 Vgl. EU-Kommission, Entscheidung Newscorp/ Telepiù, Rz. 69.
574 Vgl. EU-Kommission, a. a. O., Rz. 55, und Entscheidung vom 13. 11. 2001, Comp./M. 2483 – Groupe Canal+/
RTL/GJCD, Pressemitteilung der EU-Kommission vom 13. 11. 2001, IP/01/1579; vgl. auch Wirtschaft und Wettbewerb (WuW), Heft 01/2002, S. 36/37.
575 Die EU-Kommission unterschied zwischen einem Markt für den Erwerb exklusiver Rundfunkübertragungsrechte
für jährlich stattfindende Fußballtourniere mit Teilnahme nationaler Teams (z. B. nationale Spitzenligen und
-Cups, die UEFA Champions League und der UEFA Cup) und einem Markt für Übertragungsrechte für Fußballveranstaltungen mit teilnehmenden nationalen Mannschaften, die „nicht regelmäßig“ stattfinden („do not take
place regularly“); sie dürfte damit, entsprechend ihrer Marktabgrenzung in der Entscheidung Canal+/RTL/GJCD,
in größeren Zeitabständen stattfindende Turniere meinen, da sie beispielhaft Welt- und Europameisterschaften
nannte, vgl. EU-Kommission, Entscheidung Newscorp/ Telepiù (Fn. 23), Rz. 64 bis 66.
576 Vgl. Gerichtshof erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 08. 10. 2002 – T-185/00, T-216/00
und T 300/00, Verfahren und Anträge der Parteien, Rz. 52, und Entscheidungsgründe, Rz. 53 und 57. Auch die
Abgrenzung des geografisch relevanten Marktes war nicht erforderlich. Abgedruckt in: ZUM 12/2002, S. 910 ff.m
577 Vgl. BGH Urteil vom 11. 12. 1997 zur Zentralvermarktung von Fernsehübertragungen der Europapokalheimspiele
deutscher Lizenzvereine, Az.: KVR 7/96, BGHZ 137, 297–314 (Leitsatz 5).
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.3.2.1
205
Die originären Rechteinhaber
Streitpunkt Zentralvermarktung
Medienrechte für Wettbewerbe des Spitzensports werden üblicherweise nicht jeweils gesondert
von einzelnen teilnehmenden Vereinen, sondern zentral für den Gesamtwettbewerb von einem
Verband oder einer Liga vergeben. Sowohl kartellrechtlich als auch sportpolitisch ist diese Praxis
stark umstritten. So ist man in anderen Ländern wie Italien oder Spanien für die Vermarktung
der Fußball-Erstligaspiele zur dezentralen Vermarktung zurückgekehrt; hierzulande wird dies
bisweilen von finanzkräftigen Bundesligisten gefordert und derzeit vom DFB für die FußballRegionalliga erwogen.578 Einerseits stellt die Zentralvermarktung die Gesamtorganisation und die
einheitliche Vermarktung und Präsentation des Wettbewerbs sicher, der für die (wirtschaftliche)
Bedeutung auch der Einzelspiele ausschlaggebend ist.579 Zudem bietet die Rechtevergabe im
Paket den finanzschwächeren Vereinen die Vorteile, mit-vermarktet zu werden und eventuell
aus einem zentralen „Topf“ Ausgleichszahlungen zu erhalten, und gewährleistet so eine gewisse
Chancengleichheit als Voraussetzung für den Bestand des Wettbewerbs als solchen. In der Notwendigkeit des Erhalts der Konkurrenten liegt eine Besonderheit des Sports im Vergleich zum
wirtschaftlichen Wettbewerb.580 Umstritten ist jedoch, ob die finanzschwächeren Clubs tatsächlich
von der Zentralvermarktung der Bundesliga profitieren. Eingewandt wird, sie würden dadurch
von lukrativen Live-Sendeplätzen fast vollständig verdrängt.581 Die zentrale Vergabe verhindert
den Wettbewerb der Vereine als Anbieter, wird daher für höhere Preise verantwortlich gemacht
und reduziert die Anzahl der mitbietenden Fernsehveranstalter auf wenige finanzstarke (daher
im Zweifel konzerngebundene) Unternehmen, insbesondere bei mehrjährigen Vertragslaufzeiten.
Andererseits könnte auch die Einzelvermarktung eine Konzentrationsentwicklung zugunsten
der großen Vereine als Rechteanbieter zur Folge haben.
Die Meinungsvielfalt gebietet den Zugang einer möglichst breiten Öffentlichkeit zu möglichst
vielen Sportereignissen – was für eine Zentralvermarktung der Einzelveranstaltungen eines
Wettbewerbs sprechen mag, sofern sie mit einer Verpflichtung des Fernsehveranstalters zur
möglichst vollständigen Übertragung des Gesamtwettbewerbs einhergeht. Andererseits erfordert sie eine Vielfalt der Informationsquellen; diese wird durch die bei der Zentralvermarktung
typischerweise praktizierte Vergabe der (Erst-)Verwertungsrechte an einen Anbieter je Land auf
Ausschließlichkeitsbasis eingeschränkt.
Beispiel Bundesliga
Die Verwertung der Medienrechte und sonstige Vermarktung der 1. und 2. Bundesliga (z. B. durch
Sponsoring, Sonderwerbeformen, Vermarktung von Ligalogo, Mannschaftsbildern, Erkennungs578 Vgl. Bericht vom 31. 10. 2002 von der Tagung des Regionalliga-Präsidiums des DFB, unter: http://www.dfb.de.
579 Duvinage zufolge ist daher der Wettbewerb selbst der eigentliche Vermarktungsgegenstand. Zudem sei die
Vergabe der verschiedenen Vermarktungsrechte in kontrollierten Verwertungsketten bei ständig wechselnden
Rahmenbedingungen ein sehr komplexes Geschäft, das ein einzelner Verein in der Regel nicht leisten könne (z. B.
die Notwendigkeit der Abstimmung der nationalen TV-Rechte mit den Auslandsrechten oder die schnelle technische Entwicklung im Hinblick auf neue Vermarktungsformen), Duvinage, a. a. O., S. 1, 2, 5.
580 So heißt es in der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrats zur Freistellung der Zentralvermarktung vom Kartellverbot nach § 31 GWB: „Der sportliche Wettbewerb hat einen von der Wirtschaft unterschiedlichen Charakter. Er ist seiner Natur nach auf den Erhalt des Gegners ausgerichtet. Vereine sind nicht nur am
Sieg, sondern auch an einer guten Spielstärke eines größten Teils der teilnehmenden Vereine interessiert.“ Auch
der EuGH betont, Voraussetzung für einen sportlichen Wettbewerb sei ein Gleichgewicht zwischen den beteiligten
Vereinen unter Bewahrung einer gewissen Chancengleichheit und die Gewährleistung ungewisser Ergebnisse
(EuGH, Urt. vom 15. 12. 1995, Slg. 1995 I, 5040, 5071, Rn. 106 – „Bosman“).
581 Vgl. Dr. Michael Drewes (Mitglied des Arbeitskreises Sportökonomie), Leserbrief in der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung vom 16. 06. 2003.
206
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
und Vereinsmelodien) nimmt seit 2002 die DFL für den Ligaverband wahr. Die Erlöse aus den
TV-Übertragungsrechten werden an die 18 Mitglieder des Ligaverbands (die Lizenzvereine bzw.
deren Kapitalgesellschaften) ausgeschüttet, derzeit jeweils zur Hälfte in Form eines festen
Sockelbetrags und eines leistungsbezogenen Betrags.582 Für 2004 plant die DFL, einen neuen
Verteilungsschlüssel einzuführen.583
Nach nationalem Recht ist die Zentralvermarktung von Sportrechten seit 1998 unter den
Voraussetzungen des § 31 GWB vom Kartellverbot ausgenommen.584 Nach EG-Recht gilt dafür
das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nach Art. 81 Abs. 1 EG-Vertrag (EG), von
dem die EU-Kommission nach Art. 81 Abs. 3 EG eine individuelle Freistellung erteilen kann, wenn
die Vereinbarungen „unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden
Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen“. 1998 erteilte die EU-Kommission für die
Zentralvermarktung der Bundesligarechte eine solche Freistellung. Über einen erneuten Freistellungsantrag des DFB für die Beibehaltung dieser Praxis hat sie noch nicht entschieden. Sie
steht der Zentralvermarktung nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, sofern sie nicht zu
restriktiv zum Nachteil der Wettbewerber gehandhabt wird; dies könnte durch eine Genehmigung,
verbunden etwa mit Auflagen an die DFL zum entbündelten Verkauf einzelner Rechte, sichergestellt werden. Die DFL hat im Juli 2003 einen Reformvorschlag für die künftige Vermarktung
vorgelegt: Durch das Angebot zweier Rechtepakete für Spiele der ersten und der zweiten Bundesliga, die jeweils auch Liveübertragungsrechte enthalten, soll mehreren Fernsehveranstaltern die
Möglichkeit geboten werden, diese Rechte an Erstligaspielen zu erwerben. Ein „Sonderpaket“
speziell für frei empfangbare Sender (wie bisher: zwei Livespiele und Zusammenfassungen) soll
gewährleisten, dass nicht alle Liveübertragungen ausschließlich im Pay-TV stattfinden. Die Liveübertragung im Internet und die Direktvermarktung nicht genutzter Senderechte durch die Clubs
sollen ermöglicht werden.585 Mit einer Entscheidung der EU-Kommission wird für Ende 2003 gerechnet.586
Konkrete Bedenken der Wettbewerbsbehörde löste jedoch eine im Dezember 1999 geschlossene, der DFL entgegen dem Ligastatut nicht angezeigte Vereinbarung zwischen dem
FC Bayern München und der KirchGruppe aus, die im Frühjahr 2003 bekannt wurde.587 Darin soll
der Club einzelne Vermarktungsrechte an Rechtehandelsunternehmen der KirchGruppe übertragen und als Gegenleistung dafür, den Widerstand gegen die Zentralvermarktung der Bundes-
582 In der Saison 2002/2003 erhielten die 18 Bundesligisten insgesamt 232 Mio. Euro; die leistungsbezogene Hälfte
gestaffelt je nach einer Dreijahreswertung (75 %) und nach Tabellenstand (25 %). Kleinere Vereine fordern eine
höhere Beteiligung mit Verweis auf Umsatzeinbrüche infolge des Preisverfalls nach der Insolvenz der KirchGruppe.
Finanzstärkere Vereine sind gegen eine Umverteilung, vgl. Financial Times Deutschland vom 17. 04. 2003.
583 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. 05. 2003.
584 § 31 GWB („Sport“) wurde eingeführt als Reaktion auf die Untersagung der zentralen Vermarktung der TV-Rechte
an den UEFA-Pokalheimspielen deutscher Ligavereine durch den DFB durch das Bundeskartellamt, bestätigt
durch Beschluss des BGH vom 11. 12. 1997 (WuW/E DE-R 17), vgl. Begründung des Bundesrats, zit. in Mestmäcker,
GWB, 3. Aufl., § 31, Rn. 1. Die Vorschrift lautet: „§ 1 findet keine Anwendung auf die zentrale Vermarktung von
Rechten an der Fernsehübertragung satzungsgemäß durchgeführter sportlicher Wettbewerbe durch Sportverbände, die in Erfüllung ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung auch der Förderung des Jugend- und
Amateursports verpflichtet sind und dieser Verpflichtung durch eine angemessene Teilhabe an den Einnahmen
aus der zentralen Vermarktung dieser Fernsehrechte Rechnung tragen.“
585 Vgl. Financial Times Deutschland vom 01. 07. 2003.
586 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. 06. 2003.
587 Die EU-Kommission hat vom DFB Informationen über die Einzelheiten dieses Vermarktungsvertrags angefordert.
Mario Monti, zitiert nach: FAZ vom 06. 03. 2003; Hess, Archiv für Presserecht (AfP) 2003, S. 128, 130.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
207
liga-Übertragungsrechte aufzugeben, einen zweistelligen Millionenbetrag erhalten haben.588
Derartige Absprachen einzelner Vereine mit Vermarktungsgesellschaften stellen das Hauptargument für die Freistellung der Zentralvermarktung, die innerhalb der Liga praktizierte Gruppensolidarität, für die Bundesliga in Frage.589
Beispiele Champions League, Einkaufsgemeinschaft EBU und andere
Auch über den Antrag des Europäischen Fußballbundes (UEFA) vom 01. 02. 1999 auf Negativattest
oder Freistellung seiner Zentralvermarktung der TV-Rechte an dem von ihm ausgerichteten Fußballwettbewerb Champions League hat die EU-Kommission bislang nicht formal entschieden.
Nach einer Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 19. 07. 2002 ist das von der UEFA praktizierte
System der exklusiven Rechtevergabe an einen einzigen Anbieter je Territorium für mehrere Jahre
ohne einen adäquaten Ausgleich durch Unterlizenzen an andere Veranstalter nicht geeignet, die
Nachteile der Zentralvergabe auszugleichen. Die bisherige Praxis hemme die Entwicklung neuer
Technologien und den Zugang von Medienunternehmen zu Übertragungsrechten.590 Die UEFA
veröffentlichte daraufhin den Entwurf einer neuen Zentralvermarktungsvereinbarung, die ab
der Spielzeit 2003/2004 in Kraft treten soll.591 Sie sieht die Verwertungsmöglichkeit auch aller
sonstigen Medienrechte an der Champions League (Radio, Internet, UMTS und sonstige Auswertung etwa durch DVD, VHS, CD-ROM etc.) und ihre Aufteilung und gesonderte Vermarktung
in Einzelpaketen vor. Die Dauer der Rechteverträge wird auf höchstens drei Jahre begrenzt. Fußballclubs dürfen auf nicht-exklusiver Basis parallel einzelne Medienrechte selbst vermarkten. Die
Kommission hat im Vorfeld der Anhörung Dritter die vorläufige Einschätzung abgegeben, dass
die neuen Regeln die bislang geäußerten Bedenken ausräumen.592
Die European Broadcasting Union (EBU) erwirbt seit Jahren für ihre Mitglieder, überwiegend
öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Free-TV-Rechte an internationalen Sportereignissen zur
Verwertung im Rahmen des Eurovisionssystems. Obwohl die Bedeutung dieser Einkaufsgemeinschaft nach den Feststellungen der EU-Kommission in den letzten Jahren aufgrund des Wettbewerbs durch internationale Rechteagenturen stark zurückgegangen ist, gilt sie immer noch
als wichtige Sammeladresse für Rechteinhaber beliebter Sportereignisse. So wurden die Europarechte für die Olympischen Spiele bislang immer an die EBU verkauft.593 Auf Beschwerden mehre588 Angeblich 21,5 Mio. ;, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. 02. 2003, Financial Times Deutschland vom
07. 03. und vom 16. 05. 2003, Süddeutsche Zeitung vom 25. 03. 2003. Als pikant wurde auch der Umstand empfunden, dass der Club-Vorstand Uli Hoeneß zur Zeit des Vertragsschlusses auf Seiten des DFB an den Verhandlungen um die Vergabe der Bundesliga-Übertragungsrechte beteiligt war, die im Mai 2002 zum Abschluss eines
vierjährigen Vermarktungsvertrags mit der KirchGruppe führte; die DFL bezeichnete den „Geheimvertrag“ deshalb
als „moralisch verwerflich“, vgl. Pressemitteilung der DFL vom 12. 04. 2003.
589 Die DFL geriet auch gegenüber der Öffentlichkeit unter Druck, Sanktionen gegen den FC Bayern zu verhängen, um
die Funktionsfähigkeit des Solidarsystems zu demonstrieren, vgl. Stellungnahme des Sportrechtlers Dr. Martin
Stopper, in: Süddeutsche Zeitung vom 26. 02. 2003. Die Diskussion um die Sanktionen löste einen Streit zwischen
der DFL und Bayern München aus; der Verein drohte mit seinem Austritt aus dem Ligaverband und der eigenen
Vermarktung seiner Heimspiele. In einem Vergleich mit der DFL verpflichtete sich Bayern München schließlich
zur Zahlung von 3 Mio. ;, vgl. Pressemitteilung der DFL vom 12. 04. 2003.
590 Vgl. Pressemitteilung der EU-Kommission vom 20. 07. 2003 (IP/01/1043), abrufbar unter: http:europa.eu.int/;
Torben Toft, TV Rights of Sports Events, Rede vom 15. 01. 2003, abrufbar unter: http://www.site_sources/comm/
competition/speeches/text/sp2003_002_en.doc, S. 12 ff.
591 Abrufbar unter: http://www.uefa.com.
592 Vgl. Mitteilung vom 17. 09. 2002 gemäß Art. 19 (3) der Verordnung Nr. 17 des Rates in der Sache COMP/C.2/
37.398 – Gemeinsame Vermarktung der Medienrechte an der UEFA Champions League auf Ausschließlichkeitsgrundlage, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, C 196/3, und Pressemitteilung vom 03. 06. 2002
(IP/02/806).
593 Vgl. Gerichtshof erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 08. 10. 2002 zu den Regeln der EBU
über den Erwerb von Sportfernsehrechten, Entscheidungsgründe, Rz. 62, abgedr. in Zeitschrift für Urheber- und
Medienrecht (ZUM) 2002, S. 910 ff. (914).
208
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
rer europäischer Fernsehveranstalter, die nicht Mitglied der EBU sind, u. a. DSF, wurde bereits
zum zweiten Mal die von der EU-Kommission erteilte Freistellungsgenehmigung für die EBU vom
Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften aufgehoben. Das Gericht kam – anders
als die EU-Kommission – zu dem Befund, dass trotz der von der EBU vorgegebenen Unterlizenzierungsregelungen für Nichtmitglieder die Konkurrenzsender in der Praxis kaum Zugang
zu den Eurovisionsrechten erhielten.594 Die EBU hat daraufhin ihre Unterlizenzregelungen geändert.595 Derzeit ist auf ihre Berufung hin das Verfahren beim EuGH anhängig.
Ende 2002 leitete die EU-Kommission auch ein Verfahren gegen den englischen Ligaverband
FAPL wegen der gemeinsamen Vermarktung der Medienrechte für die erste englische Fußballliga
(Premier League) ein.596 Sie bemängelte, dass von fast 400 Spielen der Premier League in der
damals laufenden Saison lediglich ca. 100 Spiele live im Fernsehen übertragen wurden. Auch
seien möglicherweise die Rechte für neue Medien und Technologien nur begrenzt erhältlich,
was die Einführung der Mobilfunkgeräte der dritten Generation verzögern könne. Der Aspekt des
Zugangs der Zuschauer zur Übertragung von Sportereignissen spielte auch bei der Entscheidung
der Niederländischen Wettbewerbsbehörde im November 2002 eine Rolle, die Zentralvermarktung der TV-Übertragungsrechte für die Niederländische Fußball-Erstliga (Eresdivisie) mit Wirkung
zum 1. August 2003 zu untersagen. Nur ein geringer Teil der Spiele war im Fernsehen empfangbar. Künftig werden die dortigen Vereine ihre Übertragungsrechte einzeln vermarkten.597 In
Frankreich suspendierte im Januar 2003 auf Beschwerde des Pay-TV-Veranstalters TPS die Wettbewerbsbehörde (Conseil de la Concurrence) die Entscheidung des Fußball-Ligaverbands LFP,
die Verwertungsrechte der Ligaspiele von 2004 bis 2007 einschließlich der Pay-TV- und Pay-perView-Rechte allein an Canal+ zu vergeben, als Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung
von LFP.598 Insgesamt stehen die nationalen Wettbewerbsbehörden anderer europäischer Länder
der Zentralvermarktung kritischer gegenüber als die Europäische Kommission.599
Entflechtung bei den Formel-1-Rechten
Sowohl die Anteile der KirchGruppe (75 %) als auch die der EM.TV & Merchandising AG (zuletzt
22,3 %) an der Speed Investments Ltd., die für den internationalen Verband der Automobilclubs
FIA die Vermarktungsrechte an Formel-1-Rennen hält, wurden mittlerweile an eine Tochtergesellschaft der Bayerischen Landesbank als Treuhänderin der Gläubigerbanken Bayerische Landesbank, J. P. Morgan und Lehman Brothers veräußert.600 Damit entfällt die vertikale Verbindung
zwischen dem Rechteinhaber an den Formel-1-Vermarktungsrechten und den ehemals der
KirchGruppe zugerechneten Fernsehveranstaltern. Die Anteile waren bereits seit Juni 2002 von
den Gläubigerbanken verwaltet worden, an die Kirch sowohl die eigene wie auch die EM-TVBeteiligung für einen Kredit verpfändet hatte.
594 Bis auf wenige Ausnahmen konnten die Nichtmitglieder in der Praxis keine Unterlizenzen für nicht genutzte Erstverwertungsrechte erwerben. Nur unter sehr engen Bedingungen erhielten sie Rechte für Zusammenfassungen
der Wettbewerbe.
595 EBU non-members’ access to Eurovision sports programmes, abrufbar unter: http://www.ebu.ch/departments/
legal/activities/leg_rules_tv_sublicensing.php.
596 Vgl. Pressemitteilung der EU-Kommission vom 19. 12. 2002 (IP/02/1951).
597 Vgl. Torben Toft, TV-Rights to Sports Events (Fn. 42), S. 9.
598 Vgl. MultiMedia und Recht (MMR) 06/2003, S. XXIV.
599 Vgl. Torben Toft, a. a. O.
600 Vgl. Financial Times vom 06. 05. 2003. Der Kaufpreis soll 8,5 Mio. ; betragen haben; Kirch hatte für den Erwerb
des zunächst 50 %igen Anteils 1,7 Mrd. ; (nach anderen Angaben: 1,55 bzw. 1,6 Mrd. ;) bezahlt, vgl. Die WELT
vom 22. 04. 2003, Süddeutsche Zeitung vom 23. 02. 2002 und Financial Times Deutschland vom 28. 02. 2002.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.3.2.2
209
Die Rechte: Korrektur bei der Preisentwicklung
Seit Einführung des Privatfernsehens in Deutschland stiegen die Preise für attraktive Sport-Übertragungsrechte kontinuierlich.601 Nunmehr ist eine Korrektur dieses Trends festzustellen, wie die
Beispiele Bundesliga-, Champions-League- und WM-Rechte belegen.
Noch wenige Wochen vor Beginn der Bundesligasaison 2003/2004 war ungewiss, ob überhaupt ein frei empfangbarer Fernsehsender zeitnah von den Spielen der 1. Fußballbundesliga
berichten würde.602 SAT.1, seit 1992 Inhaberin der Free-TV-Erstverwertungsrechte, nahm gegenüber der Rechteagentur Infront angesichts hoher Verluste bei der Refinanzierung der zuletzt mit
80 Mio. Euro pro Spielzeit bezahlten Bundesligarechte ihre Option auf Vertragsverlängerung
nicht wahr. Später gaben sie und ihre Muttergesellschaft ProSiebenSAT.1 Media AG nach Pressemeldungen ein Angebot zum Preis von 40 bis 50 Mio. Euro pro Saison ab.603 RTL hatte lediglich
Interesse an der Übertragung einzelner Live-Spiele bekundet, die aber aufgrund laufender
Verträge mit Premiere nur für zwei Partien im frei empfangbaren Fernsehen möglich ist. Die Vertreter der werbefinanzierten Fernsehveranstalter sprachen von einer notwendigen Trendwende
bei den Preisen hin zu einem Maß, das „näher an der Realität“ ist.604
Die ARD trat erst Ende Juni 2003 in offizielle Vertragsverhandlungen mit Infront ein. Indirekt
hatte sie den Umfang des von ihr künftig übertragenen Sportangebots in Zusammenhang mit
der Forderung nach einer Erhöhung der Rundfunkgebühren für das Jahr 2005 gestellt und damit
eine heftige öffentliche Debatte ausgelöst.605 Sie kaufte schließlich die Erstverwertungsrechte
für die zeitnahe Zusammenfassung der sieben Samstags-Spiele sowie zwei Live-Übertragungen
zum Preis von 55 Mio. Euro. (andere Quellen sprechen von 45 Mio. Euro) je Saison. Die Rechte für
die beiden Sonntagsspiele wurden von DSF erworben. Das Engagement der ARD rief massiven
Protest der privaten Veranstalter hervor, die der Rundfunkanstalt vorwarfen, sie setze mit ihrem
immer noch überhöhten Kaufpreis die Marktkräfte im Sportfernsehen außer Kraft.606
Für Radioübertragungen von Bundesligaspielen, deren Entgeltpflichtigkeit umstritten ist,607
hat die ARD sich bereit erklärt, in den Spielzeiten 2002/2003 bis 2006 jeweils 4,5 Mio. Euro an den
DFB zu überweisen. Erstmals vergeben wurden die Internet-Übertragungsrechte: Die T-Online
International AG hat im April 2003 die Internet-Rechte an den bewegten Bildern der Fußball601 Vgl. Konzentrationsbericht der KEK 2000, Kap. II 1.2.3.5, insbesondere Abbildung II-14 Entwicklung der Rechtekosten am Beispiel der 1. Fußball-Bundesliga.
602 Bis dahin hatte lediglich das ZDF seine Option auf Verlängerung der Zweitverwertung im „Aktuellen Sportstudio“
ausgeübt und hatten die neuen Gesellschafter von DSF ein kleines Paket aus Zweitverwertungsrechten an der
1. Bundesliga und Erstverwertungsrechten an Zweitligaspielen gekauft.
603 Vgl. die tageszeitung vom 07. 04. 2003, Potsdamer Neueste Nachrichten vom 26. 05. 2003. Auch bezüglich der
Pay-TV-Rechte wurde mit Premiere im Jahr 2002 ein Preisnachlass vereinbart.
604 So RTL-Programmdirektor Hans Mahr, in: Die WELT vom 13. 06. 2003. RTL-Geschäftsführer Zeiler: Das Preisniveau
müsse um mindestens 50 % sinken, zitiert in: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 27. 03. 2003. Auch ARDIntendant Jobst Plog spricht von einer „Phase der Preiskorrektur“, in: epd medien vom 05. 04. 2003.
605 Vgl. Pressemitteilung der ARD vom 17. 06. 2003. Auch die Ministerpräsidenten der Länder Stoiber, Koch, Beck und
Steinbrück beteiligten sich an dieser Debatte. Stoiber und Beck sprachen sich einerseits für die Empfangbarkeit
der Bundesliga im frei empfangbaren Fernsehen, andererseits gegen eine damit verbundene Gebührenerhöhung
aus, während Steinbrück warnte, die Anstalten hätten nicht die Aufgabe, die Finanzprobleme der Bundesliga zu
lösen, vgl. Die WELT vom 17. 06. 2003, Süddeutsche Zeitung vom 25. 06. 2003.
606 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. 06. 2003, Süddeutsche Zeitung vom 25. 06. 2003. Der Verband der
privaten Rundfunkveranstalter (VPRT) kündigte an, gegen den Erwerb der Bundesligarechte durch die ARD
Beschwerde bei der EU-Kommission einzulegen.
607 Für eine Gebührenpflichtigkeit von Live-Spielberichten entschied das OLG Hamburg, Urteil vom 12. 06. 2003, und
wies damit eine Klage von Radio Hamburg (stellvertretend für ca. 70 Privatradios) gegen die DFL, den HSF und
den FC St. Pauli ab; die Revision beim BGH wurde zugelassen; vgl. Financial Times Deutschland und Süddeutsche
Zeitung vom 13. 06. 2003.
210
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Bundesliga für einen Teil der laufenden Spielzeit 2002/2003 und die Spielzeit 2003/2004 von
Infront erworben und bietet eine Stunde nach Spielende exklusive Spielberichte und fünfminütige
Online-Video-Zusammenfassungen als Video-on-Demand auf ihrer Internet-Plattform an. Dafür
soll T-Online einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag gezahlt haben.608
Die Verhandlungen um den Erwerb der Fernsehübertragungsrechte an der Champions League
für die Saison 2002/2003 zogen sich ebenfalls in die Länge. Die RTL Group hatte für die Erstverwertung im frei empfangbaren Fernsehen für die vorangehenden Saison ca. 50 Mio. Euro
gezahlt, war aber nicht mehr bereit, noch eine vergleichbare Summe zu zahlen, und legte
gemeinsam mit DSF und Tele 5 ein deutlich niedrigeres Angebot vor. Der Sender zeigte nur noch
Interesse an massenattraktiven Live-Spielen ab dem Achtelfinale.609 Im Juni 2003 verkaufte das
für die UEFA tätige Vermarktungsunternehmen T. E. A. M. an die ProSiebenSAT.1 Media AG ein
Paket von Free-TV-Rechten an 39 Live-Spielen und 90 Highlight-Magazinen für die Spielzeiten
2003 bis 2006. Pressemeldungen über den vereinbarten Preis schwanken zwischen 23 und
35 Mio. Euro pro Saison.610
Im Mai 2001 einigte sich die KirchGruppe, die von der FIFA gemeinsam mit der Vermarktungsagentur ISMM/ISL die weltweiten Übertragungsrechte für die Fußball-Weltmeisterschaften 2002
(Japan/Südkorea) und 2006 (Deutschland) für insgesamt jeweils 810 Mio. Euro erworben hatte,
mit ARD und ZDF über die Weiterveräußerung der Erstausstrahlungsrechte für die WM 2002. Für
die jeweilige Verhandlungsmacht spielte auch eine Rolle, dass es die Listenregelung des § 5 a RStV,
eingeführt zum 01. 04. 2000, praktisch ausschließt, Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher
Bedeutung, darunter die Olympischen Spiele, ausschließlich im Pay-TV live zu übertragen.
Andererseits umfasste das an ARD und ZDF für 250 Mio. Euro verkaufte Rechtepaket für die WM
2002 lediglich die Live-Übertragung von 24 der insgesamt 64 Spiele. Dies zeigt, dass die Listenregelung, die die Übertragung des gesamten Wettbewerbs im frei empfangbaren Fernsehen
sicherstellen soll, durchaus leer laufen kann, wenn die Veranstalter von frei empfangbarem Fernsehen nicht zum Erwerb der erforderlichen Rechte bereit sind.
Für die Ausstrahlungsrechte an der Weltmeisterschaft 2006 vereinbarte die KirchGruppe mit
ARD und ZDF ein Vorkaufsrecht, das noch bis Anfang 2004 ausgeübt werden kann. Die ARD bekundete bislang, offenbar auch aus den genannten medienpolitischen Gründen im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Gebührenerhöhung, nur „grundsätzliches“ Interesse; dies mag
auch an dem im Jahr 2001 vereinbarten Preis von über 250 Mio. Euro liegen.
Auswirkungen auf die Rechteinhaber
Der Preisrückgang bei den Fußballübertragungsrechten trifft die 36 Erst- und Zweitligaclubs, die
Mitte 2003 über einen addierten Schuldenstand von 599 Mio. Euro verfügt haben sollen; dies
wird insbesondere auf in der Vergangenheit exorbitant gestiegene Spielergehälter und Transferkosten zurückgeführt.611 Auch aus Italien und Spanien wird von einem starken Preisverfall im
Bereich der Fußballübertragungsrechte berichtet. Für die spanische erste Fußballliga wurden
608 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. 04. 2003, Handelsblatt vom 10. 04. 2003.
609 Die Zuschaueranteile der vergangenen Saison (im Schnitt in der Spielzeit 2002/2003: 5,74 Mio. Zuschauer; in der
Saison 2001/2002 noch: 6,87 Mio. Zuschauer) hatten nicht ausgereicht, um die hohen Rechtekosten zu refinanzieren. RTL ließ verlauten, man werde nur noch Rechte erwerben, mit denen sich „zumindest eine schwarze Null“
schreiben lasse, vgl. RTL-Sprecher Bollhöfer laut Potsdamer Neueste Nachrichten vom 28. 05. 2003.
610 Vgl. Pressemitteilung der ProSiebenSAT.1 Media AG vom 26. 06. 2003; Financial Times Deutschland vom 12. 06. 2003.
611 Vgl. FOCUS vom 02. 06. 2003.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
211
ebenfalls Verzögerungen beim Weiterverkauf der Free-TV-Rechte gemeldet; der Ligaverband
habe wegen drohenden „Bankrotts“ die spanische Regierung um Hilfe gebeten.612
Auch die internationale Formel-1-Branche wird von den wirtschaftlichen Folgen stark rückläufiger Fernseh-Gelder getroffen, insbesondere von einem deutlich geschrumpften Sponsorenmarkt und Insolvenzen beteiligter Rennställe (Prost und Arrows). Die Rennställe fordern eine
Beteiligung an den Einnahmen aus Fernsehrechten und haben angekündigt, ab 2008 eine eigene
konkurrierende Rennserie zu veranstalten.613
Ebenso sehen sich verschiedene Vereinsligen so genannter Randsportarten, beispielsweise
Handball und Basketball, mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert, die u. a. darauf zurückzuführen sein sollen, dass ihre – bislang z. T. über Verträge mit der KirchGruppe abgesicherte –
Fernsehpräsenz unsicher geworden sei, die vor allem wegen ihrer Schlüsselfunktion für das
Interesse von Sponsoren Bedeutung habe.614
2.3.2.3
Die Rechteagenturen
Im Bereich des Zwischenhandels ist eine wichtige Entflechtung zwischen Fernsehveranstaltern
und Rechteagenturen zu verzeichnen: Im Zuge der Insolvenzen von Verbundunternehmen wurden die Aktivitäten der ehemaligen KirchGruppe im Handel mit Sportrechten für den deutschen
Raum erheblich reduziert. Aussagen zu Marktanteilen der Sportrechteagenturen sind mangels
Homogenität und Transparenz dieses Marktes nicht möglich. Im Folgenden werden die vier im
Hinblick auf Verflechtungen zu Fernsehveranstaltern wichtigsten Unternehmen dargestellt.
Infront (ehemals KirchSport AG)
Im Zuge der Insolvenz der Kirch Media GmbH & Co. KGaA wurde im Herbst 2002 die KirchSport AG,
Zug (Schweiz), auf die zuvor weitere Agenturen der KirchGruppe, CWL Telesport & Marketing AG
und Prisma Sports & Media AG, verschmolzen worden waren, an die Infront Sports & Media AG
(„Infront“) verkauft. Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter dieser neu gegründeten
Vermarktungsfirma ebenfalls mit Sitz in Zug ist der ehemalige CWL-Geschäftsführer und auch
im Fernsehbereich für ARD und Premiere tätige Günter Netzer. Hauptgesellschafter sind RobertLouis Dreyfus (ehemals Chef des Sportartikelherstellers Adidas) und Christian Jacobs (Jacobs AG).
Bei diesem Management-Buy-Out übernahm Infront neben zahlreichen anderen Sportrechten
die Free-TV-Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga für die Saison 2003/2004 und für die
Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2006 (sowie eine Option gegenüber der DFL auf die
Bundesliga-Rechte für die beiden folgenden Spielzeiten). Sie wurden auf eine 100 %ige Tochtergesellschaft, die Infront Buli GmbH, ausgelagert.615
Infront hat für die deutschen Bundesligarechte gegenüber der DFL eine Bürgschaft auf
Zahlung von 290 Mio. Euro pro Saison übernommen; für die Spielzeit 2003/2004 erzielt sie dafür
aber lediglich Erlöse von ca. 220 Mio. Euro. Die langwierigen Verkaufsbemühungen um diese
612 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. 05. 2003. Es ist von einem Preisverfall von 40–50 % die Rede; die
Gesamtschulden der 42 spanischen Erst- und Zweitligaclubs sollen sich auf 1,6625 Mrd. ; belaufen. In der Folge
sind die Transfer-Ablösesummen der dortigen Vereine für Spitzenspieler drastisch gesunken, vgl. Süddeutsche
Zeitung vom 26. 06. 2003.
613 Vgl. Der Spiegel 10/2003, Financial Times Deutschland vom 07. 03. 2003, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
08. 03. 2003.
614 Vgl. Handelsblatt vom 09. 04. 2002.
615 Dies hat u. a. zur Folge, dass diese Rechteinhaberin ggf. bei fehlgeschlagener Refinanzierung der Rechte unabhängig von Infront Insolvenz anmelden könnte; die von ihr noch gehaltenen Fußballübertragungsrechte würden
dann an die DFL zurückfallen.
212
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Rechte zeigten, dass sich die Agentur, anders als ihr Rechtsvorgänger, beim Weiterverkauf der
Fernsehrechte nicht mehr auf die Verbundenheit mit den Sendern der ehemaligen KirchGruppe
verlassen kann.
Infront vermarktet zudem die Fernsehrechte am FIS World Cup 2002 bis 2006 für den österreichischen Skiverband, organisiert zusammen mit dem österreichischen Eishockeyverband die
Weltmeisterschaft 2005 Wien/Innsbruck und betreibt die Gesamtvermarktung u. a. der WMTourniere für den Internationalen Eishockeyverband.616
SPORTFIVE (RTL Group)
Die SPORTFIVE S. A. ist nach Angaben der RTL Group Europas größter Sportrechtehändler.617 Das
Unternehmen ging Ende 2001 aus einer Fusion des Vermarkters der RTL Group Ufa Sports
(46,4 %), von Sport plus (Canal+ Group) und dem französischen Sportvermarktungsunternehmen
Groupe Jean-Claude Darmon hervor und bündelt deren Sportrechteaktivitäten. Es ist an der
Pariser Börse notiert, verfügt über 20 Tochtergesellschaften in 13 Ländern (in Deutschland: die
SPORTFIVE GmbH) und besitzt Fernseh- und Marketingrechte von über 320 Fußballclubs und
40 nationalen Verbänden sowie für weitere Sportarten wie Basketball, Rugby, Handball und Tennis.
Als ihre Kernkompetenz bezeichnet SPORTFIVE die Fußball-Vermarktung.618 Sie vermarktet die
TV-Rechte an den Heimspielen von 25 der insgesamt 52 europäischen Fußballverbände.619
Daneben ist die Firma im Boxsport aktiv (z. B. Vermarktung der TV-Rechte für die Schwergewichtsboxer Klitschko). SPORTFIVE verfolgt das Konzept der Gesamtvermarktung, die z. B. die Stadionwerbung, Hospitality-Programme, Trikosponsoring und Ticketing umfasst, und setzt es u. a., mit
Ausnahme der Rundfunkrechte, mit den Fußball-Bundesligisten Hertha BSC, Borussia Dortmund
und dem HSV um, für die sie auch die Homepages gestaltet. Sie hält eine 50 %ige Beteiligung
an der niederländischen TV-Produktionsfirma JOHO Service BV, die Sportübertragungen und
TV-Events produziert.620 In der Presse wurde von Problemen auch der SPORTFIVE mit sinkenden
Preisen und von internen Schwierigkeiten nach der Fusion berichtet.621
SportA (ARD/ZDF)
Die 1995 von ARD und ZDF gegründete Sportrechte- und Marketing-Agentur SportA GmbH
erwirbt und veräußert für ihre Gesellschafter Sportübertragungsrechte.622 Internationale Rechte
wie die Olympischen Spiele erwerben ARD und ZDF allerdings über das Sendernetzwerk EBU.
SportA betätigt sich auch in den Bereichen Vermarktung von Sportübertragungen und Gesamtvermarktung von Sportereignissen für Vereine und Veranstalter. „Programmferne“ Aktivitäten
beim Zwischenhandel und bei der Vermarktung von Nebenrechten, z. B. den Marketingrechten
von Fußball-Erst- und Zweitligavereinen riefen die Kritik der Fernsehanstalten hervor, die Ende
2002 eine Kommission einsetzten, um die Tätigkeit der SportA grundsätzlich auf den Prüfstand
zu stellen. Nach Äußerungen der ARD soll sie zwar fortgeführt, aber auf die Kernaufgaben des
gemeinsamen Rechteerwerbs und -verkaufs sowie Sublizenzierungen für ARD und ZDF beschränkt und personell verkleinert werden.623 Die Schwierigkeiten der SportA werden u. a. auf die
neuen Rahmenbedingungen durch den Preisverfall und das dadurch bewirkte neue Interesse der
616
617
618
619
620
621
622
623
Vgl. Angaben unter http://www.kirchsport.com.
Vgl. Pressemitteilung der RTL Group vom 04. 03. 2002, http://www.rtl-group.com.
Vgl. http://www.ufasports.de.
Der Vorsitzende der Geschäftsführung Müller von Vultejus, in: Handelsblatt vom 11. 06. 2003.
Vgl. Pressemitteilung vom 29. 04. 2002, http://www.ufasports.de.
Vgl. Handelsblatt vom 27. 01. 2003.
Vgl. Angaben unter http://www.sporta.de.
So Jobst Plog, in: epd medien vom 05. 04. 2003.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
213
anderen Sporthändler an ARD und ZDF als Verhandlungspartner zurückgeführt.624 Beteiligungen
des Filmrechtehändlers Dr. Kloiber und der Sportrechtetochter des französischen Senders TF1
wurden erwogen, kamen aber nicht zustande. Unklar ist, ob ARD und ZDF langfristig ihren
gemeinsamen Rechteeinkauf fortsetzen wollen; sie haben beim Rechteerwerb zuletzt z. T. unterschiedliche Strategien verfolgt.625
ISPR
Weiterhin tätig ist die Münchener Sportrechteagentur ISPR GmbH, ehemals ein Gemeinschaftsunternehmen der KirchGruppe mit dem Axel Springer Verlag. Sie bezeichnet sich als eine der
größten internationalen Sportrechteagenturen und vermarktet u. a. weltweit (außerhalb Deutschlands) die Fernsehübertragungsrechte an der 1. und 2. Bundesliga, die Rechte für verschiedene
Sportarten, u. a. Fußball und Eishockey, in skandinavischen Ländern626 und die Medienrechte an
Europapokalspielen verschiedener Vereine, z. B. Grashopper-Club Zürich, an den österreichischen
und schweizerischen Nationalligen sowie an Länderspielen der Schweizer Nationalmannschaft.627
Sonstige
Internationale Sportrechte- und Marketingagenturen mit Sitz in der Schweiz sind die AIM International AG und T. E. A. M. Erstere gehört zur AIM Gruppe unter der Leitung von Dr. Herbert
Kloiber, letztere befindet sich zu 80 % im Beteiligungsbesitz des Schweizer Filmrechtehändlers
Highlight Communications AG und vermarktet u. a. die weltweiten Rechte an der UEFA Champions
League. Weitere international tätige Agenturen sind die amerikanischen Unternehmen IMG und
Octagon.
Im Jahr 2001 meldete die Luzerner Agentur ISL/ISMM, die die außereuropäischen Fußball-WMRechte 2002/2006 erworben und sich auch kostspielige Tennis-Grand-Slam-Übertragungsrechte
gesichert hatte, Insolvenz an (ihre WM-Rechte fielen damit an die KirchSport AG).628 Insgesamt
erscheint die wirtschaftliche Situation der Rechteagenturen derzeit schwierig: Großzügig eingeplante hohe Erlöse aus der TV-Vermarktung bleiben aus. In der Vergangenheit erworbene
hochpreisige, oft langfristige Rechtepakete müssen unter den Bedingungen des Preisrückgangs
und der größeren Zurückhaltung der Fernsehveranstalter als Nachfrager refinanziert werden.
2.3.3
Fazit
Im Fernsehbereich ist mit der Loslösung von DSF und Premiere von der ehemaligen KirchGruppe
eine Dekonzentration bei den Sportspartenprogrammen zu verzeichnen. Der Eintritt von KarstadtQuelle bei DSF ist insofern bemerkenswert, als damit ein Unternehmen im Sportfernsehen aktiv
wird, das den Schwerpunkt seiner Aktivitäten bislang nicht im Medienbereich hat und sich von
der Beteiligung im Fernsehbereich in erster Linie Vorteile für das traditionelle Geschäft (hier: den
Sportartikelhandel) verspricht.
Im Hinblick auf vertikale Verbindungen wurden im Vorgängerbericht Konzentrationstendenzen
festgestellt, die ressourcenstarke Medienkonzerne bei der Beschaffung zuschauerattraktiver
624 Vgl. Financial Times Deutschland vom 29. 11. 2002.
625 Ein Beispiel ist das früh signalisierte Interesse der ARD an den Bundesligarechten für 2003/2004, ein anderes die
Selbstverpflichtung der ARD gegenüber dem DFB, für Radioreportagen der Bundesliga künftig ein Entgelt zu
zahlen.
626 Vgl. die Angaben unter http://www.ispr.de jeweils zur Spielzeit 2001.
627 Vgl. Pressemitteilung der ISPR vom 18. 09. 2002.
628 Vgl. Frankfurter Rundschau vom 07. 03. 2002.
214
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Sportübertragungsrechte begünstigten (steigende Rechtekosten, Trend zur Gesamtvermarktung,
Vorwärts- und Rückwärtsintegration von Sportrechteagenturen). Seither haben sich die dargestellten gegenläufigen Tendenzen ergeben, dass die vertikale Konzentration zwischen Rechtehandel und Fernsehveranstaltung infolge der Auflösung der KirchGruppe gelockert wurde und
dass die Preise für attraktive TV-Rechte – trotz fortdauernden Wettbewerbs um das knappe Gut
und teilweise zentraler Vermarktung durch monopolistische Rechteinhaber – stark zurückgehen.
Hier zeigt sich, dass die Sportrechte für die privaten Rundfunkveranstalter (wegen des Rückgangs
der Werbeeinnahmen) und für die öffentlich-rechtlichen Anstalten (wegen der begrenzten
Gebühreneinnahmen) im Verhältnis zu den zu erzielenden Einschaltquoten zu teuer geworden
sind. Das gilt insbesondere auch im Vergleich zu anderen Programmsparten wie Reality Shows,
Soaps, Casting Shows, Quiz Shows usw., die wesentlich billiger produziert werden und gleichwohl
hohe Einschaltquoten verschaffen können.
Möglichkeiten der Ausnutzung von Synergien zwischen Fernsehen, Sportrechtehandel und
Sport zeigen sich auch in personenbezogenen „Verflechtungen“. Paradebeispiele sind die beiden
ehemaligen Fußballstars Günter Netzer, vormals Berater der KirchGruppe und Kommentator bei
Premiere, der mit seiner Rechteagentur die Bundesligarechte an die ARD verkauft hat und
zugleich als Fußball-Kommentator für diesen Sender tätig ist, und Franz Beckenbauer, nunmehr
Sportfunktionär und Fernseh-Kommentator.
In der unter dem Aspekt des Zugangs zu Übertragungsrechten viel diskutierten Frage der
Zentralvermarktung bleibt die Entwicklung abzuwarten.
2.4
Beschaffung von Informationen und Rechten
an Nachrichtenmaterial
Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind bezüglich der Bedeutung der Verbreitung von Informationen über elektronische Medien Leitgedanken zu entnehmen, die für
die Sicherung der Meinungsvielfalt eine wichtige Rolle spielen. Informationen tragen danach
zur Bildung und Überprüfung von Meinungen bei und sind ein wesentlicher Bestandteil des
klassischen Rundfunkauftrags.629 Um vorherrschende Meinungsmacht zu verhindern, bedarf es
ausreichender Vorkehrungen gegen Informationsmonopole. Monopole im Informationssektor
eröffnen nicht nur Missbrauchsmöglichkeiten, sondern begünstigen auch die Verbreitung von
„uniformen“ Informationen. Dagegen ist die Garantie der Rundfunkfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
auf „plurale Informationsvermittlung gerichtet, weil medial vermittelte Information nicht lediglich
Abbild der Wirklichkeit, sondern stets Ergebnis eines Auswahl-, Deutungs- und Aufbereitungsprozesses ist, das nur durch konkurrierende Auswahl-, Deutungs- und Aufbereitungsmuster
relativiert werden kann“.630
Das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Erfordernis der Gewährleistung freier Informationstätigkeit und freien Informationszugangs wurde im Rundfunkstaatsvertrag in den Vorschriften zur Kurzberichterstattung und zur Übertragung von Großereignissen (§§ 5, 5 a RStV)
umgesetzt. Die besondere medienkonzentrationsrechtliche Bedeutung des Genres Information
wird auch anhand der Bestimmung des § 26 Abs. 5 Satz 1 RStV deutlich, wonach ein Veranstalter
eines Programms mit Schwerpunkt Information bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 10 %
verpflichtet ist, unabhängigen Dritten Sendezeit in seinem Programm einzuräumen.631 Inhalt629 Vgl. BVerfGE 73, 118, 158; 97, 228, 257.
630 BVerfGE 97, 228, 258.
631 Abgesehen von dieser Regelung werden an Spartenprogramme geringere Vielfaltansprüche gestellt als an Vollprogramme, vgl. § 25 Abs. 1 Satz 3 RStV, § 41 Abs. 2 RStV.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
215
liche Anforderungen an Berichterstattung und Informationssendungen werden in § 10 RStV gestellt.632
2.4.1
Informations- und Nachrichtensendungen
im bundesweiten Fernsehen
Der Informationsvermittlung durch das Fernsehen kommt ein hohes Beeinflussungspotenzial
für die öffentliche Meinungsbildung zu. Dies kann u. a. damit begründet werden, dass unter den
in Frage kommenden Medien das Fernsehen noch vor Hörfunk und regionalen Tageszeitungen
als die wichtigste Informationsquelle angesehen wird (siehe Tab. II-47).
Eine Studie der SWR Medienforschung zu Spartenangeboten und Spartennutzung im Fernsehen kommt zu dem Ergebnis, dass der größte Teil des Informationsangebots auf die öffentlichrechtlichen Anstalten zurückgeht. Deren Anteil am Gesamtangebot der Sparte Information lag
danach im Jahr 2000 bei 84 %, derjenige der privaten Sender RTL, SAT.1, ProSieben, VOX, Kabel 1,
RTL II, Super RTL, tm3, DSF und Eurosport insgesamt bei 16 % (siehe auch Kapitel II 2.1.1 Stellenwert fiktionaler Programme, Tab. II-28).633 Neben den Nachrichten- und Informationsangeboten
der Vollprogramme existieren aber auch verschiedene Spartenprogramme mit dem Schwerpunkt
Information (siehe Tab. II-48). Neu hinzugekommen ist im Jahr 2001 der Sender XXP, der in verschiedenen regionalen Kabelnetzen und digital über Satellit bundesweit ausgestrahlt wird.
Anteil der Befragten, die das Medium als
sehr/etwas wichtig eingeschätzt haben in Prozent
Fernsehen
Radio
Regionale Tageszeitungen
Zeitschriften
Wochenmagazine (Focus, Spiegel etc.)
Überregionale Tageszeitungen
Internet
85
78
78
54
35
30
30
Tabelle II-47: Medien als Informationsquellen über aktuelle Ereignisse aus Politik und öffentlichem Leben 2000m
Quelle: ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation
Deutschsprachige Informationsspartenprogramme:
n-tv, CNN Deutschland, N24, XXP
Informations- und Dokumentationskanäle:
XXP, Discovery, Planet, ZDF Info, ZDF Doku, Eins Extra,
Phoenix
Wirtschaftsspartenkanäle:
Bloomberg TV
Internationale Informations-/Wirtschaftsspartenprogramme:
BBC World, CNN International, Euronews, CNBC,
Sky News
Tabelle II-48: Spartenprogramme mit Schwerpunkt Information
632 Die Bedeutung des Genres Information wird auch daran deutlich, dass das in § 8 Abs. 2 RStV verankerte Einflussnahmeverbot für Sponsoren auf den Programminhalt um den speziellen Verbotstatbestand für Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen erweitert wird (§ 8 Abs. 4 RStV); vgl. Werner Hahn,
Thomas Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, München 2003, § 8, Rn. 27. Laut amtlicher Begründung zur
entsprechenden Vorschrift im RStV 1991 soll bei diesen für die öffentliche Meinungsbildung besonders wichtigen
Sendungen von vornherein der Eindruck vermieden werden, die Unabhängigkeit und Objektivität könnte durch
den Sponsor beeinträchtigt werden.
633 Vgl. SWR Spartenbericht 2000 auf der Basis der Daten der GfK-Fernsehforschung, in: Media Perspektiven 5/2001,
S. 254.
216
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Auch wenn die Zuordnung von Sendungen zur Sparte Information Abgrenzungsschwierigkeiten bereitet und dementsprechend, wie Tabelle II-49 zeigt, zu unterschiedlichen Ergebnissen
führen kann, so gleicht sich doch der Befund, dass informierende Programmteile bei den privaten
Vollprogrammen, gemessen an der Sendezeit, eine eher untergeordnete Rolle spielen. Dies verdeutlicht auch die nachfolgende Abbildung II-18. Der Sendezeitanteil des als Fernsehpublizistik
eingeordneten Programms hat sich in dem abgebildeten Zeitraum von 10 Jahren weder bei den
öffentlich-rechtlichen noch bei den privaten Sendern grundsätzlich verändert. Die öffentlichrechtlichen Anstalten liegen nach dieser Untersuchung mit deutlichem Abstand vor den Privatsendern; unter diesen weist RTL mit relativ geringem Vorsprung vor SAT.1 die höchsten Werte
auf. ProSieben hat den Anteil an Fernsehpublizistik in seinem Programmangebot seit Anfang der
90er Jahre stark ausgebaut.
Programm
Sendezeitanteile
Informationssendungen (IFEM)
Sendezeitanteile
Fernsehpublizistik
(ALM)
ARD
ZDF
RTL
VOX
RTL II
SAT.1
ProSieben
Kabel 1
40,4
45,5
19,8
29,7
09,7
17,1
14,9
07,1
49,5
53,9
31,9
17,7
05,8
31,9
24,9
07,4
Sendezeitanteile
Nachrichten
(IFEM)
(ALM)
9,6
9,9
4,6
2,7
1,0
3,2
1,3
1,2
Zuschaueranteile
Gesamtprogramm
2001
2002
13,3
13,9
04,3
02,0
00,9
05,1
01,2
01,1
13,7
13,0
14,8
03,1
04,0
10,1
08,0
05,0
13,7
13,8
14,6
03,3
03,9
09,9
07,1
04,5
Tabelle II-49: Anteil von Nachrichten- und Informationssendungen an der Sendezeit der Vollprogramme 2001 in
Prozent
Quelle: ALM Programmbericht 2000/2001; Institut für empirische Medienforschung (IFEM); Udo Michael
Krüger, Thomas Zapf-Schramm: Programmanalyse 2001/I, in: Media Perspektiven 4/2002
50
45
40
in Prozent
35
30
25
20
15
10
5
0
1992
1993
1994
ARD
1995
1996
ZDF
1997
RTL
1998
SAT.1
1999
2000
2001
2002
ProSieben
Abbildung II-18: Anteil von Informationsprogramm an der gesamten Sendezeit bei Vollprogrammen 1992–2001
in Prozent
Quelle: Udo Michael Krüger, Thomas Zapf-Schramm: Media Perspektiven Basisdaten 2002, Programmanalyse
2002/I, in: Media Perspektiven 3/2003
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
217
Nach der ARD/ZDF-Trendbefragung vom Winter 2001634 spricht das nachrichteninteressierte
Publikum den öffentlich-rechtlichen Sendern nach wie vor die größte Nachrichtenkompetenz
zu.635 Das Publikumsurteil über die Nachrichtenkompetenz der privaten Vollprogramme hat sich
nach dieser Befragung nicht spürbar verbessert. Werte für die Spartensender N24 und n-tv werden
allerdings nicht angegeben. In der vorangegangenen Trendbefragung vom Winter 2000 benannten nur wenige Befragte n-tv als den Sender mit den besten Nachrichten.636 Die Einschätzung
der Nachrichtenkompetenz der Privatsender könnte sich im Zuge der Berichterstattung der
Spartensender über bedeutende jüngere Nachrichtenereignisse (Anschläge auf das World Trade
Center am 11. September 2001, Bundestagswahlen 2002, Irakkrieg im Frühjahr 2003) positiv entwickelt haben.637
Dass die Privatsender nach Sendezeitanteilen und Einschätzung der Nachrichtenkompetenz
hinter den öffentlich-rechtlichen Sendern zurückstehen, bedeutet jedoch nicht, dass innerhalb
des informierenden Genres nicht auch bei den privaten Sendern hohe Reichweiten erzielt werden
können. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt (siehe auch Kapitel II 2.1.1 Stellenwert fiktionaler
Programme, Tab. II-28), werden die relativ wenigen Informationsangebote der privaten Vollprogramme überproportional genutzt.
Tabelle II-50 gibt einen Überblick über Reichweiten und Zuschaueranteile ausgewählter
Nachrichtensendungen. Danach erreicht die „Tagesschau“ mit Abstand die meisten Zuschauer
Zuschauer in Mio.
1999
2000
2001
Zuschaueranteile in Prozent
1999
2000
2001
Öffentlich-rechtliche Programme
Tagesschau gesamt1)
Mo.–So., 20:00 Uhr
Heute gesamt2)
Mo.–So., 19:00 Uhr
Heute-Journal
Mo.–So., 21:45 Uhr
Tagesthemen
Mo.–So., 22:30 Uhr
Heute nacht
Mo.–Fr., 0:00 Uhr
ARD-Nachtmagazin
Mo.–Fr., 0:30 Uhr
9,41
5,13
3,72
2,27
0,56
0,45
9,32
4,86
3,61
2,21
0,60
0,48
9,06
4,80
3,65
2,26
0,71
0,48
34,8
24,1
13,9
12,5
08,9
11,0
34,0
22,6
13,3
12,1
09,5
10,8
33,2
22,5
13,5
12,2
10,2
10,4
Private Programme
RTL aktuell
RTL Nachtjournal
SAT.1 18:30
ProSieben Nachrichten
Mo.–So., 18:45 Uhr
Mo.–Fr., 0:00 Uhr
So.–Fr., 18:30 Uhr
Mo.–So., 20:00 Uhr
4,11
1,05
1,94
1,07
3,99
1,05
1,76
1,01
3,81
1,09
1,99
1,13
20,6
15,8
10,7
04,6
19,8
14,8
09,5
03,8
18,9
15,1
10,8
04,4
n-tv Nachrichten
n-tv Nachrichten
20:00 Uhr
22:00 Uhr
∅ 2 Sendetermine 2002: 0,96
∅ 5 Sendetermine 2002: 1,03
∅ 2 Sendetermine 2002: 1,0
∅ 5 Sendetermine 2002: 0,7
1) einschließlich sechs Dritte Programme, 3sat und ab 2000 Phoenix
2) einschließlich 3sat
Tabelle II-50: Durchschnittliche Reichweiten und Zuschaueranteile ausgewählter Fernsehnachrichten (Zuschauer
ab 3 Jahren)
Quelle: Wolfgang Darschin, Heinz Gerhard, Tendenzen im Zuschauerverhalten, in: Media Perspektiven
4/2002, S. 154 ff., hier S. 160, dort angegebene Quelle: AGF/GfK; Der Kontakter (http://www.kontakter.de)m
634 Vgl. Wolfgang Darschin, Heinz Gerhard, Tendenzen im Zuschauerverhalten, in: Media Perspektiven 4/2002, S. 164 f.
635 Auf die Frage „Welcher Sender hat die besten Nachrichten?“ nannten die befragten nachrichteninteressierten
Zuschauer ARD (65,7 %), ZDF (44,4 %), RTL (24,1 %), SAT.1 (10,3 %) und ProSieben (6,8 %). Mehrfachnennungen
waren möglich.
636 4 % der Befragten gaben n-tv an; vgl. Wolfgang Darschin, Camille Zubayr, Die Informationsqualität der Fernsehnachrichten aus Zuschauersicht, in: Media Perspektiven 5/2001, S. 238 ff.
637 Nach der ARD/ZDF-Trendbefragung vom Winter 2002 konnte zumindest RTL seine Nachrichtenkompetenz aus
Zuschauersicht verbessern. Als Sender mit den besten Nachrichten wurden angesehen: ARD (63 %), ZDF (46 %),
RTL (26 %), SAT.1 (9 %), ProSieben (7 %); vgl. Wolfgang Darschin, Camille Zubayr, Was leisten die Fernsehsender?,
in: Media Perspektiven 5/2003, S. 206 ff., hier S. 211. Zu Zuschaueranteilen und Online-Nutzung der Angebote
von n-tv und N24 während des Irakkriegs im Frühjahr 2003 s. u. Kap. II 2.13. 4.
218
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Rang
Sendung
Programm
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Brennpunkt
Sabine Christiansen
ZDF-spezial
Report Mainz
Explosiv
Report München
Fakt
Berlin direkt
Die Reportage
Stern TV (Drittfenster)
Frontal 21
Panorama
Monitor
Auslandsjournal
ZDF.Reporter
WISO
Kontraste
Weltspiegel
ARD-Exklusiv
Spiegel TV (Drittfenster)
ARD
ARD
ZDF
ARD
RTL
ARD
ARD
ZDF
ZDF
RTL
ZDF
ARD
ARD
ZDF
ZDF
ZDF
ARD
ARD
ARD
RTL
Zuschauer in Mio.
Zuschaueranteil in Prozent
5,40
4,71
4,08
3,55
3,55
3,47
3,33
3,26
3,23
3,22
3,21
3,18
3,10
2,84
2,77
2,74
2,73
2,65
2,63
2,57
17,8
17,8
15,3
11,6
16,3
11,5
11,1
13,1
11,1
18,4
11,4
11,4
10,9
10,0
09,6
10,9
09,8
10,3
10,2
11,9
Tabelle II-51: Durchschnittliche Zuschaueranteile und Reichweiten von Informationssendungen nach der Größe
ihres Publikums 2001 (Zuschauer ab 3 Jahren)
Quelle: Wolfgang Darschin, Heinz Gerhard, Tendenzen im Zuschauerverhalten, in: Media Perspektiven
4/2002, S. 154 ff., hier S. 160, dort angegebene Quelle: AGF/GfK
VOX
1%
RTL II
1%
n-tv
3%
ProSieben
2% Kabel 1
SAT.1
1%
4%
ARD
28%
RTL
12%
3sat
1%
ZDF
27%
Dritte
20%
Abbildung II-19: Anteil der einzelnen Sender am Nachrichtenkonsum der Zuschauer im Jahr 2000 (Zuschauer ab
14 Jahren)
Quelle: Wolfgang Darschin, Camille Zubayr, Die Informationsqualität der Fernsehnachrichten aus Zuschauersicht, in: Media Perspektiven 5/2001, S. 238 ff., hier S. 240, dort angegebene Quelle: AGF/GfK
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
219
(9,06 Mio.). Die reichweitenstärkste Nachrichtensendung eines Privatsenders ist „RTL aktuell“ mit
3,81 Mio. Zuschauern.
Im Bereich der Informationssendungen dominieren die öffentlich-rechtlichen Sender ebenfalls
(siehe Tab. II-51). Von den privaten Sendern ist lediglich RTL unter den 20 reichweitenstärksten
Informationssendungen im Jahr 2001 vertreten.
Betrachtet man die Nutzung des gesamten Fernsehnachrichtenangebots, so wird erneut die
Dominanz der öffentlich-rechtlichen Nachrichtenangebote deutlich (Abb. II-19). Von der gesamten
Sehdauer, die Zuschauer ab 14 Jahren im Jahr 2000 durchschnittlich für Nachrichtensendungen
aufgewendet haben, entfallen 76 % auf öffentlich-rechtliche Programme. Unter den privaten Programmen trägt RTL mit einem Anteil von 12 % an der gesamten Sehdauer am stärksten zum Nachrichtenkonsum der Zuschauer bei. Die Anteile anderer privater Sender liegen dagegen zwischen
1 und 4 %. Die Nutzung des Nachrichtenangebots der zur RTL Group gehörigen Sender RTL, RTL II,
VOX und n-tv machte im Jahr 2000 insgesamt 17 % der gesamten Nachrichtensehdauer aus.
2.4.2
Bezugsquellen für Informations- und Nachrichtenmaterial
Als Bezugsquellen für Informationen und Nachrichtenmaterial kommen u. a. nationale und internationale Korrespondentennetze, Nachrichtenagenturen, Programmaustauschsysteme (z. B.
Eurovision, ENEX), Kooperationen mit anderen Veranstaltern und der Fremdbezug kompletter
Nachrichtensendungen von externen Anbietern (z. B. Produktion von Spiegel TV für VOX) in
Betracht. Darüber hinaus stehen diverse weitere Informationsquellen wie Datenbanken, Bibliotheken, Archive, Internetangebote638 etc. zur Verfügung.639
Eine besonders wichtige Rolle für die tagesaktuelle Berichterstattung in den Medien spielen
die Nachrichtenagenturen. Zu unterscheiden sind Universalagenturen (thematisch umfassende
Nachrichtendienste), Spezialagenturen (auf Medientyp oder inhaltliche Sparte festgelegte Dienste)
und kleinere Dienstleister bzw. Journalistenbüros.
Universalagenturen, die deutsche Dienste anbieten, sind die Deutsche Presse-Agentur (dpa),
Associated Press (AP), Reuters, Agence France-Presse (AFP) und der Deutsche Depeschendienst
(ddp). Regionale Dienste bieten dpa und ddp an. Spezialagenturen sind z. B. die Vereinigten Wirtschaftsdienste (vwd), der Sport-Informations-Dienst (sid), der Evangelische Pressedienst (epd) und
die Katholische Nachrichtenagentur (KNA). Als Dienstleister im Bereich der Fernsehnachrichtenproduktion treten u. a. die DFA Deutsche Fernsehnachrichten Agentur GmbH und die Spiegel TV
GmbH auf.
Der Markt für deutsche Nachrichtenagenturdienste gilt nach Brancheneinschätzungen mit
derzeit fünf Universalnachrichtenagenturen als stark umkämpft. Aktuelle Marktdaten zum Bereich
der Nachrichtenagenturdienste sind kaum verfügbar. Bezüglich der Marktanteile der Universalagenturen existieren lediglich Schätzungen älteren Datums.640 Marktführer war danach mit deutlichem Abstand dpa. Dies gilt nach einhelliger Einschätzung auch weiterhin. Mit einem Umsatz
von 106 Mio. Euro im Jahr 2001 liegt die dpa – soweit Umsätze veröffentlicht werden – vor ihren
Wettbewerbern.
Die meisten Rundfunkveranstalter und Tageszeitungsverlage haben mehr als einen Nachrichtendienst abonniert. Eine Untersuchung zum Bezug von Agenturdiensten durch Tageszeitungen
638 Neben der Präsentation von Meldungen durch die einzelnen Medien (Zeitungen, Nachrichtensender etc.) und
Agenturen gehören hierzu auch die Angebote von Suchmaschinen, die Nachrichtenmeldungen auswählen und
den Internet-Nutzer zu diesen hinführen.
639 Vgl. hierzu bereits den Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 189 ff.
640 Vgl. Bernhard Rosenberger, Sigrun Schmid, Nachrichtenagenturen im Wettbewerb, in: Media Perspektiven 5/1997,
S. 282; vgl. auch Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 192.
2001:
106 Mio. Euro
k. A.
2001:
10,2 Mio. DM
(umgerechnet
ca. 5,22 Mio.
Euro)
2001: 700 Mio.
Pfund641
k. A.
dpa,
Hamburg
AP,
Frankfurt
a. M.
AFP,
Berlin
Reuters,
Bonn
ddp,
Unterföhring
rund 400 Kunden bei
Tageszeitungen, Hörfunk, TV und Internet
Finanzmärkte und
Medien
•n99 inländische Bezieher, davon 54 Printund 36 Funkmedien
•nnach Auflage und
Reichweite der
Kunden: 50 % der
Tageszeitungsleser,
80 % der Hörer bzw.
Zuschauer von
Radio- und Fernsehnachrichten
•n85 % der deutschen
Tageszeitungsauflage
•nalle wichtigen Hörfunk- und TV-Sender
•nfast alle deutschen
Zeitungen
•n100 % der nationalen
TV-Sender, soweit sie
überregionale Nachrichten produzieren,
erhalten Basisdienst
•nfast alle regionalen
Radiosender
Kunden
650 Meldungen
k. A.
210 Meldungen
240 Meldungen
750 Meldungen
Meldungen/
Tag
+
+
122 Kunden
über 60 %
Inlandsmeldungen
+
Nationaler
Dienst
5 Landesbüros
–
–
–
12 Landesdienste
Regionaler
Dienst
80–100
Bilder/ Tag
+
250 Bilder/
Tag
100 Bilder/
Tag
500 Bilder/
Tag
Bilderdienst
+
+
54 Kunden,
davon
48 Tageszeitungen
+
+
Grafikdienst
25–30 Audiobeiträge/ Tag
+
–
–
•ndpa/RUFAAudiodienst
(rund 100
Beiträge/
Tag)
•ndpa/RUFA
Radiodienst
Audiodienst
–
+
–
APTN (aus
APTV und WTN
formierte
Videonachrichtenagentur)
–
Videodienst
In Kooperation mit der
SevenOne Intermedia
+
53 Kunden
+
dpa-infocom
(verschiedene
Dienste für
OnlineMedien)
Onlinedienst
641 Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. 12. 2002. Der Wert ist nicht ohne weiteres mit den anderen vergleichbar, da 90 % des Umsatzes von Reuters im Sektor der Finanzdienstleistungen erwirtschaftet werden, Unternehmensangaben unter http://www.about.reuters.com, Stand: Februar 2003.
Tabelle II-52: Universalnachrichtenagenturen
Quelle: Unternehmensangaben
Umsatz in
Deutschland
Agentur
220
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
221
aus dem Jahr 2000642 kam zu dem Ergebnis, dass dpa von nahezu allen Zeitungsverlagen bezogen
wird und in diesem Bereich den Status der „Erstagentur“ inne hat. In Bezug auf die Kundenzahl
sei AP die stärkste „Komplementäragentur“; sie werde von 2/3 der Verlage bezogen, Reuters von
jedem dritten Verlag, AFP von jedem vierten und ddp von jedem fünften. Die Komplementäragenturen stünden in starkem Wettbewerb zueinander und machten vereinzelt durch die Besetzung verschiedener Nischen der dpa ihre Marktführerschaft streitig.
Auch im TV-Bereich verfügt die dpa, soweit bekannt, mit ihrem Basisdienst über die breiteste
Marktabdeckung (siehe Tab. II-52). Eine weitere Untersuchung aus dem Jahr 1996 kam zu dem
Ergebnis, dass von den insgesamt befragten Tageszeitungen und Rundfunkunternehmen 99,4 %
Dienste der dpa bezogen, gefolgt von AP (72 %), Reuters (52,5 %), AFP (34,8 %) sowie vor deren
Zusammenlegung ddp (25,3 %) und ADN (22,2 %).643 Ob dieses Bild noch zutrifft, ist fraglich. Insbesondere im Bereich der Tageszeitungen wurde über Kündigungen von Agenturdiensten im
Zusammenhang mit dem Einbruch des Werbemarkts berichtet.644
Die Agenturen versuchen, dem Wettbewerbsdruck durch eine stärkere Spezialisierung auf
bestimmte Themen, Medien oder Dienste zu begegnen. So hat die ddp beispielsweise die
Zulieferung kompletter Tageszeitungsseiten übernommen.645
Zugleich kooperieren die Agenturen in verschiedenen Geschäftsfeldern. Z. B. hat ddp mit den
Vereinigten Wirtschaftsdiensten (vwd) das Gemeinschaftsunternehmen ddp.vwd gegründet,
das als Anbieter von Wirtschaftsnachrichtendiensten auftritt. Im Bildbereich arbeiten ddp und
AFP in der Weise zusammen, dass ddp nationales und AFP internationales Material dem Partner
zur Verfügung stellt.646 Im Bereich der Wirtschaftsinformationen kooperiert AFP mit der dpa im
Rahmen des Wirtschaftsnachrichtendienstes dpa-AFX.647 Dpa kann des Weiteren auf weltweite
englischsprachige Sportmeldungen von AP zugreifen, dafür wertet AP für seine internationalen
Dienste die dpa-Sportmeldungen aus Deutschland aus.648 Kooperationen bestehen auch zwischen
Nachrichtensendern und Agenturen. Z. B. stellt n-tv dem Radiodienst dpa/Rufa „exklusive O-Töne“
und andere Programmelemente zur Verfügung und kann im Gegenzug Material des Audiodienstes verwenden.649
2.4.3
Vertikale Integration von Nachrichtenagenturen bzw.
-dienstleistern
Der Markt für die Beschaffung von Informations- und Nachrichtenmaterial ist von vertikalen Verflechtungen von Agenturen und Medienunternehmen gekennzeichnet.
Die größte deutsche Nachrichtenagentur, dpa, befindet sich im Eigentum von rund 200
Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen sowie öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkunternehmen. Um die Gefahr einseitiger Interessenbildung zu vermeiden, ist vertraglich geregelt, dass
Gesellschafter nur bis zu 1,5 % der Anteile am Stammkapital halten dürfen, die Rundfunkgesellschaften insgesamt nur bis zu 25 %.650 Auch die Mutterkonzerne der deutschen Dienste von AP
642 Vgl. Jürgen Wilke (Hrsg.), Von der Agentur zur Redaktion, Köln 2000, S. 173 f.
643 Vgl. Jianming He, Die Nachrichtenagenturen in Deutschland: Geschichte und Gegenwart, Frankfurt a. M. 1996.
Der Untersuchungszeitraum lag im Jahr 1993.
644 Vgl. Financial Times Deutschland vom 26. 06. 2002; Verlagshäuser drängen dpa zum Umbau, in: Handelsblatt vom
27. 06. 2003.
645 Vgl. epd medien vom 17. 08. 2002.
646 Vgl. Pressemitteilung der ddp vom 25. 02. 2003.
647 Vgl. epd medien vom 07. 07. 2001.
648 Vgl. Meldung vom 16. 12. 2002 unter http://www.agenturjounalismus.de.
649 Vgl. epd medien vom 11. 07. 2001.
650 Siehe unter http://www.dpa.de.
222
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
und AFP stehen im Eigentum einer Vielzahl von Medienunternehmen.651 An dem Wirtschaftsinformationsdienst vwd sind zu gleichen Teilen die Verlagsgruppe Handelsblatt, die Frankfurter
Allgemeine Zeitung und Dow Jones beteiligt. Gesellschafter der Deutschen Fernsehnachrichten
Agentur DFA sind die Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH (Verleger der
Rheinischen Post) mit 51 %, die Media Contact Verlagsgesellschaft mbH mit 23 % und die Infobonn Text-, Informations- und Pressebüro GmbH mit 26 %.
Agenturähnlich tritt die zu AOL Time Warner gehörige CNN-Gruppe auf. CNN versorgt nicht nur
die eigene Sendergruppierung mit Nachrichtenmaterial, sondern macht anderen Veranstaltern
ihr Nachrichtenmaterial zur Weiterverwertung zugänglich. Der zur CNN-Gruppe gehörige Unternehmensbereich CNN Newsource bezeichnet sich als weltweit größten Zulieferer von Nachrichtenbeiträgen mit 650 network affiliates (d. h. an das Network angeschlossenen Sendern) und unabhängigen TV-Stationen in Nordamerika sowie 200 internationalen affiliates.652 Über die Beteiligung
von CNN bzw. AOL Time Warner an den Nachrichtensendern n-tv und CNN Deutschland werden
die Nachrichtendienste der CNN-Gruppe bis hin zum gemeinsamen Internetauftritt von n-tv und
CNN in eine Wertschöpfungskette eingegliedert.
Eine maßgebliche vertikale Verflechtung eines Fernsehveranstalters mit einer Nachrichtenagentur wurde dagegen jüngst gelöst: Die ddp war zuletzt eine 100 %ige Tochtergesellschaft
der SevenOne Interactive, die wiederum zu 100 % der ProSiebenSAT.1 Media AG gehört. Letztere
ist u. a. Alleingesellschafterin der Veranstalterin des Nachrichtenprogramms N24. Wie nach
Redaktionsschluss bekannt wurde, wurden die Anteile an ddp im Wege eines ManagementBuy-Outs rückwirkend zum 01. 06. 2003 veräußert. Die Beteiligung wird nunmehr von der SFG
Beteiligungs GmbH gehalten, deren Mehrheitsgesellschafter Mitglieder des Managements sind.
Die enge Zusammenarbeit mit der ProSiebenSAT.1 Media AG soll jedoch beibehalten werden.653m
Seltener als diese Fälle der Rückwärtsintegration der Rundfunkveranstalter (und Verleger) in
die Beschaffungsebene ist der umgekehrte Fall des Vordringens einer Agentur in den Bereich der
Fernsehveranstaltung. Ein Beispiel ist die Gründung des Fernsehsenders Bloomberg TV durch
den gleichnamigen Wirtschaftsinformationsdienst. Die DFA hält eine 50 %ige Beteiligung an der
Veranstalterin des Programms CNN Deutschland und ist Mehrheitsgesellschafterin der NBC
(Europe) Ltd. Darüber hinaus ist sie an den Veranstaltern der Ballungsraumsender Hamburg 1
(92,7 %), FAB (40,58 %)654 und Saar TV beteiligt. Ihre Beteiligung an der Veranstalterin des Nachrichtensenders n-tv in Höhe von 0,25 % hat sie dagegen veräußert.655 Ebenfalls einen Fall der
vertikalen Integration stellen die Angebote von Nachrichtenagenturen im Internet dar, mit denen
sich die Agenturen direkt an die Rezipienten wenden.
2.4.4
Zugang zu Rechten an Informations- und Nachrichtenmaterial
Gefahren für die Meinungsvielfalt bestünden, wenn Veranstalter, die nicht mit Rechteinhabern von
Informations- und Nachrichtenmaterial verflochten sind, der Zugang zu den Rechten erschwert
oder durch Exklusivitätsvereinbarungen verwehrt würde. Derartige Tendenzen sind jedoch derzeit
nicht erkennbar. Fernsehveranstalter können sich eines breiten Angebots an Agenturdiensten
und einer Vielzahl möglicher Informationsquellen bedienen. Zudem ist der Markt für die Be651 Vgl. Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 193 f.
652 Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.turner.com. Zur Unterscheidung von „affiliates“ und „station
ownership“ s. Kap. II 1.2.6.2 und 1.2.8.5.
653 Pressemitteilung der SevenOne Intermedia vom 10. 09. 2003.
654 Nach Presseberichten hat die DFA ihre Anteile an FAB an die Fluggesellschaft Germania veräußert; vgl. Promedia
7/2003, S. 36.
655 Vgl. Beschluss der KEK vom 08. 04. 2003 i. S. n-tv, Az.: KEK 172.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
223
schaffung von Informations- und Nachrichtenmaterial in besonderem Maße von Kooperationen
geprägt. Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen ist erforderlich, um weltweite Ereignisse
möglichst vollständig in der Berichterstattung abdecken zu können.
Nicht nur die Nachrichtenagenturen arbeiten in Teilbereichen zusammen, sondern auch die
Fernsehveranstalter sind auf gegenseitigen Programmaustausch vor allem im internationalen
Verhältnis angewiesen. Die Unterhaltung weltweiter eigener Korrespondentennetze ist für einen
Veranstalter in der Regel zu kostspielig. Anders ist die Situation, wenn – wie im Fall von CNN –
ein internationales Sendernetzwerk besteht. CNN ist in den meisten europäischen Ländern mit
eigenen Fernseh-Teams präsent. Das Programm von CNN International ist nach drei Zeitzonen
strukturiert, die jeweils unterschiedlich mit aktuellen Informationen aus der Region und internationalen Nachrichten beliefert werden. Es werden weltweit 35 verschiedene Programme und
Dienste angeboten.656 Für nur einen nationalen Markt würde sich die Unterhaltung einer solchen
Struktur nicht rentieren. Zwar unterhalten die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender657 und in
geringerem Umfang die privaten Sender eigene Korrespondentennetze oder -büros in und
außerhalb Europas; auf bilaterale Kooperationen zwischen Veranstaltern kann dennoch nicht
verzichtet werden. Das ZDF unterhält nach Presseberichten rund 70 Kooperationsverträge mit
internationalen Sendern über den Austausch von Bildmaterial und Informationen.658 Internationale
Kooperationen von Fernsehsendern sind insbesondere im Vorfeld und während besonderer
Nachrichtenereignisse nützlich. Dabei werden – häufig zeitverzögert, aber auch simultan – Beiträge anderer Sender übernommen. Einen Sonderfall stellte die spontane Übernahme der LiveBerichterstattung von CNN über die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York am
11. September 2001 dar. CNN hatte anderen Sendern das Bildmaterial unentgeltlich zur Verfügung gestellt.659 Im Vorfeld des zweiten Golfkriegs im Frühjahr 2003 wurde die Berichterstattung
von den Fernsehveranstaltern in Deutschland außer durch die Entsendung eigener Korrespondenten durch eine Vielzahl von Kooperationsvereinbarungen abgesichert. Das ZDF konnte u. a.
auf Videobilder des arabischen Senders Al Dschazira zugreifen, die ARD hatte u. a. Vereinbarungen
mit CNN, ABC und Fox getroffen.660 Die Sender RTL und n-tv kooperierten vor allem mit CNN. Das
ZDF erweiterte zuletzt den Kooperationsvertrag mit Al Dschazira und sicherte sich die Exklusivrechte auf live ausgestrahlte Nachrichten des Senders. Andere Sender dürfen die Bilder erst
sechs Stunden nach der Erstausstrahlung zeigen.661
2.4.5
Vielfalt der Informationsquellen
Unabhängig von der Ermöglichung des Zugangs zu Nachrichten- und Informationsmaterial
durch den Rechteinhaber kann die Meinungsvielfalt auch dadurch gefährdet werden, dass alle
oder wesentliche Informationen aus einer einzigen Quelle stammen. Inwieweit die Nachrichtenmeldungen und Informationen im Fernsehen auf nur eine oder eine Vielzahl von Informationsquellen zurückgehen, könnte nur durch eine komplexe vergleichende Analyse der ursprünglichen
Meldungen und deren Umsetzung im Programm ermittelt werden. Wie bereits erwähnt, besteht
im Nachrichtenbereich eine Vielzahl möglicher Informationsquellen. Informationsmonopole kön656 Vgl. Promedia 12/2002, S. 26, „Als Erste die News zu haben, ist unser weltweiter Anspruch“.
657 Z. B. verfügen die ARD-Rundfunkanstalten über für das Fernsehen berichtende Auslandskorrespondenten an
27 Stützpunkten weltweit, vgl. ARD Jahrbuch 2002, S. 248. Das ZDF unterhält 18 Inland- und 17 Auslandstudios,
vgl. ZDF Jahrbuch 2002, S. 280.
658 Vgl. Handelsblatt vom 27. 03. 2003.
659 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 04. 09. 2002.
660 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 19. 03. 2003.
661 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. 05. 2003.
224
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
nen aber dann entstehen, wenn nur ein Anbieter über Nachrichtenmaterial zu einem singulären
Ereignis verfügt. Als ein solcher Fall kann die Nachrichtensituation während des ersten Golfkriegs
im Jahr 1991 angesehen werden. Im ersten Golfkrieg verfügte CNN über ein staatlich übertragenes Exklusivrecht für die US-amerikanische Militärberichterstattung. Neben den publizistischen
Auswirkungen einer auf einen Anbieter beschränkten Berichterstattung bei einem Ereignis von
derartiger Bedeutung hatte dies zur Folge, dass CNN als von der US-Regierung bestimmter
Monopolist über Bildberichte zu Kriegshandlungen verfügte. Nach Angaben des Grimme-Instituts
zahlte die ARD während dieses Golfkriegs als „Eintrittsgebühr zu Newsource“ 50.000 US-Dollar
und für jede weitere Satellitenübertragung 5.000 US-Dollar.662
Der Rückgriff auf eine einzige oder wenige Informationsquelle(n) dürfte abhängig vom Nachrichtenereignis bisweilen unvermeidbar sein. Die daraus resultierenden Gefahren für die Meinungsvielfalt sind dabei geringer, solange die Medien die Meldungen selbst redaktionell bearbeiten.
Vor allem im Bereich des Hörfunks ist aber die Tendenz zu beobachten, extern vorgefertigte
Berichte zu senden oder zu verlesen. Eine Analyse der Zulieferbeziehungen zwischen Audiobzw. Radionachrichtendiensten und Hörfunksendern in Deutschland existiert derzeit nicht. Es ist
jedoch erkennbar, dass in diesem Bereich eine Vielzahl von Dienstleistern tätig ist. Als Anbieter
von sende- oder vorlesefähigen Nachrichtenbeiträgen für den Hörfunk fungieren Nachrichtenagenturen (z. B. dpa/RUFA) und spezielle Dienstleistungsunternehmen. Z. B. beliefert das RadioDienst AudioSyndication + Network, an dem ein Konsortium bayerischer Tageszeitungsverleger,
ein Unternehmen der Oschmann-Gruppe und ein Konsortium bayerischer Medienunternehmer
unter der Führung der Burda Broadcasting Media beteiligt sind, 70 Radiostationen (u. a. RTL
Radio und Radio Melodie) stündlich mit Nachrichten.663 Auch in anderen Medienbereichen
tätige Unternehmen beliefern Hörfunksender mit Nachrichtenbeiträgen; z. B. erstellt der InternetNachrichtenanbieter Netzeitung das komplette Nachrichtenprogramm für den bundesweiten
Hörfunksender Klassik Radio und den Berliner Sender Spree-Radio.664
Inwieweit private Fernsehsender in ihren Nachrichten- und Informationsprogrammen sendeoder sprechfertige Meldungen von Agenturen oder Dienstleistern verwenden, ist nicht transparent. Erkennbar ist dagegen die koordinierte Verwertung von Nachrichtenbeiträgen innerhalb
von Sendergruppierungen. Innerhalb der Senderfamilie der ProSiebenSAT.1 Media AG tritt der
Sender N24 als zentraler Informationsdienstleister auf und beliefert SAT.1, ProSieben und Kabel 1
mit Nachrichten. Die Zulieferung von Nachrichteninhalten soll nach Vorstellungen und Maßgabe
der Programmverantwortlichen der jeweiligen Sender erfolgen; es solle keinen „redaktionellen
Einheitsbrei“ geben.665 Seit November 2001 verfügt auch die RTL Group über einen eigenen
Nachrichtensender. Die RTL Television GmbH übernahm einen Anteil von 48,61 %666 an der Veranstalterin von n-tv, der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH & Co. KG.667 Eine N24 vergleichbare
Rolle soll der Sender n-tv innerhalb der RTL Group nach Presseverlautbarungen des Unternehmens nicht spielen. Sendungen von n-tv sollen nicht von anderen Sendern der Gruppe
übernommen werden;668 n-tv solle redaktionell unabhängig bleiben.669 Zumindest aber sollen
662
663
664
665
666
667
668
669
Vgl. Adolf Grimme Institut, Bundeszentrale für politische Bildung (u. a.), CD-Rom Bildbox für Millionen.
Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.radiodienst.de.
Vgl. Pressemitteilung der Netzeitung vom 23. 03. 2003.
So Claus Larass, Vorstandsmitglied der ProSiebenSAT.1 Media AG für den Bereich Nachrichten, Informationen und
politische Sendungen, im Geschäftsbericht 2001, S. 13.
Medienrechtlich genehmigt ist die Übernahme weiterer 1,6 % der Anteile vom Verlag Norman Rentrop.
Vgl. Beschlüsse der KEK i. S. n-tv vom 12. 11. 2002 und 11. 03. 2003, Az.: KEK 156, sowie vom 08. 04. 2003, Az.:
167/172/176.
So Hans Mahr in der Financial Times Deutschland vom 19. 03. 2003.
Kennth Jautz, Aufsichtsratsvorsitzender von n-tv, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. 03. 2003.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
225
Einspareffekte und Synergien durch den koordinierten Einsatz von Korrespondenten und Technik
erzielt werden.670 Möglicherweise kann auch der unter den privaten Sendern im Bereich des
Nachrichtenangebots führende Sender RTL durch einen erleichterten Zugriff auf Material von
n-tv und dem n-tv-Mitgesellschafter CNN seine Nachrichtenkompetenz weiter verstärken.671
Auch wenn eine tatsächliche Verminderung der Meinungsvielfalt durch die Integration von
Nachrichtensendern in Sendergruppierungen und die damit verbundenen Synergien und Rationalisierungsprozesse nicht ohne weiteres angenommen werden kann, so kann doch festgehalten
werden, dass die Chance auf plurale Informationsvermittlung größer ist, wenn voneinander unabhängige Unternehmen in diesem Bereich tätig sind.
2.4.6
Fazit
Dem Fernsehen kommt als einer der Hauptinformationsquellen über aktuelle Ereignisse aus
Politik und öffentlichem Leben in diesem gesellschaftlich relevanten Bereich ein hohes Beeinflussungspotenzial zu. Im Markt für die Beschaffung von Informations- und Nachrichtenmaterial bestehen u. a. vertikale Verflechtungen zwischen Nachrichtenagenturen und Fernsehveranstaltern.
Eine maßgebliche Verflechtung in diesem Bereich wurde durch die Veräußerung der Beteiligung
der ProSiebenSAT.1 Media AG an der Nachrichtenagentur ddp indes gelöst.
Neben Agenturdiensten und bilateralen Austauschvereinbarungen zwischen Veranstaltern
bestehen zahlreiche weitere Informationsquellen. Veränderungen im Bereich des Zugangs von
Fernsehveranstaltern zu Nachrichtenmaterial ergaben sich insoweit, als nach der Integration des
Senders N24 in die ProSiebenSAT.1 Media AG nunmehr auch die RTL Group durch die Beteiligung
an der Veranstalterin von n-tv über einen eigenen Nachrichtensender verfügt. Grundsätzlich besteht bei einer zentralen Belieferung von Sendern einer Sendergruppierung mit Nachrichtenmaterial oder auch einer gemeinsamen Nutzung von Informationsquellen, wie z. B. Korrespondenten, die Gefahr einer Homogenisierung der Inhalte. Die Meinungsvielfalt erscheint aber
angesichts der zahlreichen bestehenden alternativen Informationsquellen nicht gefährdet.
2.5
Programmzeitschriften
Nach der DSF-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts672 erfordert das Gebot der Vielfaltsicherung auch die Berücksichtigung vertikaler Verflechtungen von Fernsehveranstaltern und
Eigentümern von Programmzeitschriften. Die Herausgabe einer Programmzeitschrift ist Teil der
vertikalen Integrationsstrategie eines Fernsehveranstalters; zugleich stellt sie sich aus der Sicht
eines diversifizierten Medienkonzerns als ein Fall diagonaler Konzentration dar, bei der ein Unternehmen verschiedene Medienmärkte miteinander verknüpft.
Als Ursache spielen u. a. Strategien eine bedeutende Rolle, die auf Synergievorteile in Form
von Cross-Promotion abzielen. Unter Cross-Promotion ist im weitesten Sinne eine redaktionelle
Überkreuzwerbung für unterschiedliche Produkte des Medienkonzerns zu verstehen.673 Die in
Tabelle II-53 aufgeführten größten Verlage im Programmzeitschriftenmarkt sind auch an Fernsehveranstaltern (mittelbar) beteiligt. Im Fall der Gruner + Jahr AG & Co. KG besteht eine Verflechtung der Bereiche Programmzeitschriften und Fernsehveranstaltung über die Konzernspitze, die
670 Z. B. berichtete die Korrespondentin Antonia Rados in getrennten Beiträgen sowohl für RTL als auch für n-tv vom
Irakkrieg im Frühjahr 2003.
671 Zu den Beteiligungsverhältnissen bei n-tv siehe auch Kapitel II 1.2.5.2 AOL Time Warner.
672 Vgl. BVerfGE 95, 163,173.
673 Vgl. Gunnar Bender, Cross-Media-Ownership, Heidelberg 1999, S. 71.
226
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Verlag
Fernsehsender
Heinrich Bauer Verlag KG
RTL II
Axel Springer AG
über die Beteiligung an der ProSiebenSAT.1 Media AG: SAT.1, ProSieben, Kabel 1,
N24, NEUN LIVE
Burda Verlag
RTL II
WAZ
über die Beteiligung an der RTL Group: RTL, RTL II, VOX, Super RTL, n-tv
Gruner + Jahr AG & Co. KG
über die Obergesellschaft Bertelsmann AG: RTL, RTL II, VOX, Super RTL, n-tv
Tabelle II-53: Verflechtungen von Programmzeitschriftenverlagen und Fernsehsendern
Bertelsmann AG. Die Kirch Beteiligungs GmbH & Co. KG ist als Gesellschafter der Axel Springer AG
ausgeschieden. Derzeit sind keine weiteren Beteiligungen von Fernsehveranstaltern an Programmzeitschriftenverlagen zu verzeichnen.
Ein im Markt für Programmzeitschriften tätiges Verlagsunternehmen, das mit einem Fernsehveranstalter verflochten ist, hat generell die Möglichkeit, durch Platzierung, optische Aufmachung
und Bewertung einer Sendung oder eines Kanals die Aufmerksamkeit der Leser zu wecken und
in Richtung auf das „eigene“ Programm zu lenken. Es kann durch eine vorteilhafte Darstellung
Anreize für die Leser schaffen, das Programmangebot des verflochtenen Senders zu nutzen, und
somit dessen Erfolgschancen am Markt erhöhen. Inwieweit dies tatsächlich geschieht, ist schwer
zu beurteilen. Dem Rezipienten ist an einer möglichst vollständigen Darstellung des Angebots
gelegen. Hinweise auf spezielle Sendungen orientieren sich in der Regel an der zu erwartenden
Zuschauerattraktivität und sind nicht auf einzelne Sendergruppierungen beschränkt. Gerade
abseits der zuschauerattraktivsten Beiträge bietet sich jedoch die Möglichkeit, durch Hervorhebungen in der Programmpresse einem Angebot größere Öffentlichkeit zu verschaffen. Besonders wichtig dürfte im Zuge der Digitalisierung der Fernsehtechnik und der damit verbundenen
Fülle der Programmangebote der Aspekt der Auffindbarkeit eines Programms innerhalb des
umfangreichen Gesamtangebots werden.
2.5.1
Entwicklung des Programmzeitschriftenmarkts
Für die Marktabgrenzung im Sinne von § 26 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative RStV ist entsprechend
der Praxis des Bundeskartellamts das Bedarfsmarktkonzept anzuwenden. Danach sind Produkte
demselben sachlich relevanten Markt zuzuordnen, die aus der Sicht der Verbraucher nach Preis,
Güte und Verwendungszweck ohne weiteres austauschbar sind. Demgemäß bilden die entgeltlichen Programmzeitschriften einen eigenen Markt. Sie bieten eine mehr oder weniger vollständige Programmübersicht über sämtliche frei empfangbaren deutschen Fernsehprogramme,
zum Teil auch mit dem Pay-TV-Angebot von Premiere, für einen Zeitraum von 1 bis 4 Wochen. Sie
vertiefen die von den Sendern bereitgestellten Programminformationen in einem redaktionellen
Mantel, in dem bestimmte Sendungen, wie z. B. Spielfilme, oder Mitwirkende, wie Schauspieler,
Entertainer, Quizmaster usw., besonders dargestellt werden oder sonstige fernsehrelevante Beiträge
enthalten sind. In diesem unterschiedlich ausgestalteten redaktionellen Mantel der Programmzeitschriften liegt das Differenzierungspotenzial der Verlage, die auf diese Weise Käufer an sich
zu binden suchen. Die eigentliche Programminformation ist bei allen Zeitschriften homogen, da
sie von den Sendern bestimmt und allen Verlagen kostenlos bereitgestellt wird. Der Programmzeitschriftenmarkt hat ein geschätztes durchschnittliches Auflagenvolumen von 20 Mio. Exemplaren.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
227
Der Markt für Programmzeitschriften ist seit langem durch enge Marktstrukturen gekennzeichnet. Bereits im Oktober 1981 hat das Bundeskartellamt den Zusammenschluss Burda/
Springer unter anderem mit der Begründung untersagt, dass er eine Verstärkung der überragenden Marktstellung von Springer auf dem Programmzeitschriftenmarkt erwarten lasse.674
Seinerzeit hatte Springer mit „Hörzu“ und „Funkuhr“ bei Verkaufsauflage, Bruttovertriebserlösen
und Bruttogesamterlösen Marktanteile zwischen 46 und 50 %. Der Heinrich Bauer Verlag war 1981
mit den beiden Titeln „Fernsehwoche“ und „TV Hören und Sehen“ der zweitstärkste Programmzeitschriftenverlag mit Marktanteilen von 38 % (Verkaufsauflage), 35,7 % (Bruttovertriebserlöse)
und 31,6 % (Bruttogesamterlöse). An dritter Stelle lagen Burda mit „Bild und Funk“ (8 bis 9 %)
und Sebaldus mit „Gong“ (7,5 bis 9 %). Billigtitel und 14-tägige Programmzeitschriften gab es zu
diesem Zeitpunkt noch nicht.
Die Marktverhältnisse haben sich mittlerweile wesentlich verändert. Die Anzahl der Titel ist
auf über 20 angestiegen. In den 80er Jahren sind die Billigtitel „TV klar“ aus dem Heinrich Bauer
Verlag und „TV neu“ aus dem Springer Verlag für 1,00 DM auf den Markt gekommen. Das Anfang
der 90er Jahre entstandene Segment der 14-tägigen Titel mit „TV Spielfilm“, „TV Movie“ und „TV
Today“ ist mittlerweile um „TV 14“ aus dem Heinrich Bauer Verlag und „TV direkt“ aus dem Verlag
WAZ/Gong erweitert. Der von Gruner + Jahr erworbene ostdeutsche Wochentitel „ff dabei“ wurde
zwischenzeitlich eingestellt. Seit Dezember 2002 ist mit „TV Sünde“ eine „Programmzeitschrift für
Männer“ auf dem Markt. Der im 3-Wochen-Turnus bei der TV Spezial Media GmbH erscheinende
Titel wird von der zum Axel Springer Verlag gehörigen Presse-Programm-Service GmbH (PPS)
produziert.675
Auch die Beteiligungsverhältnisse haben sich zwischenzeitlich verändert. Durch das Gemeinschaftsunternehmen mit Rizzoli ist Burda mittelbar in unterschiedlicher Höhe an zur Verlagsgruppe Milchstraße gehörigen Zeitschriftenverlagen beteiligt. Nach einer Anteilserhöhung
Anfang 2003 ist Burda über das Gemeinschaftsunternehmen Burda Rizzoli zu 80 % und über die
Burda Holding International GmbH zu 20 % am Verlag von TV Spielfilm beteiligt. Die WAZ hat
75 % der Anteile am Gong-Verlag (Sebaldus) mit den Titeln „Gong + Bild und Funk“ und „TV
direkt“ erworben. Das Bundeskartellamt hat den Zusammenschluss nicht untersagt, weil er nicht
zu einer Marktanteilsaddition geführt hat und der Heinrich Bauer Verlag eine führende Stellung
einnimmt.676
Von den 17 IVW-gemeldeten Titeln entfallen 7 auf den Heinrich Bauer Verlag. Der Heinrich
Bauer Verlag ist mit einem durchschnittlichen Anteil an der Gesamtauflage der IVW-gemeldeten
Programmzeitschriften von 52,47 % im Jahr 2002 marktführend (siehe Tab. II-54). Bei den 14-tägigen Programmzeitschriften liegt der Heinrich Bauer Verlag mit „TV Movie“ und „TV 14“ vor „TV
Spielfilm“ der Verlagsgruppe Milchstraße. Bei den wöchentlichen Titeln erreicht die „Hörzu“ der
Axel Springer AG die höchste Auflage, gefolgt von zwei Titeln des Heinrich Bauer Verlags („Auf
einen Blick“ und „TV Hören und Sehen“). Der Abstand des Heinrich Bauer Verlags zum zweitstärksten Verleger von Programmzeitschriften, der Axel Springer AG (19,60 %), ist mit 32,87 Prozentpunkten erheblich. Es folgen der Burda Verlag (12,76 %), die WAZ-Gruppe (10,67 %) und die zum
Bertelsmann-Konzern gehörige Gruner + Jahr AG & Co. KG (4,68 %).
674 Vgl. BKartA, WuW/E 1929 – Burda/Springer.
675 Vgl. Pressemitteilung der PPS vom 10. 12. 2002.
676 Vgl. Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 1999/2000, S. 101.
228
2.5.2
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Supplements und sonstige Presseerzeugnisse
Dem Markt für Programmzeitschriften nicht zuzurechnen sind die wöchentlichen kostenlosen TVBeilagen in anderen Zeitschriften oder Zeitungen (so genannte Supplements). Diese Supplements
zeichnen sich durch ein kleineres Format, geringeren Umfang der Berichterstattung und vor allen
Dingen auch einen dünnen redaktionellen Mantel aus. Darüber hinaus werden sie nicht bundesweit verbreitet und setzen den Kauf eines anderen Titels voraus. Die Beilage gleichwertiger TVMagazine wird von den Verlagen bewusst vermieden, weil sie sonst in das Risiko des unlauteren
Tatbestands des Verschenkens von Originalware oder übertriebenen Anlockens (§ 1 UWG) laufen,
denn die Copypreise der Zeitung oder Zeitschrift werden am Tag der Beilage nicht erhöht. Zahlreiche regionale Tageszeitungen enthalten keine Fernsehbeilage, sondern lediglich ein bis zwei
Fernsehseiten im redaktionellen Teil der Zeitung. Die Fernsehseiten der Tageszeitungen sind mit
den Programmzeitschriften ebenfalls nicht vergleichbar. Sie drucken nur teilweise das tägliche
Programm ab und enthalten wenig darüber hinausgehende redaktionelle Berichterstattung.
Bei den IVW-gemeldeten, programmbegleitenden Supplements steht die WAZ-Gruppe mit
den Titeln „Prisma“, „IWZ“ und „BWZ“ mit einem Anteil von zusammen 53,63 % im Jahr 2002 vor
der Bertelsmann AG, die über ihre Tochtergesellschaft Deutscher Supplement Verlag den Titel
„RTV“ herausbringt.677 „RTV“ erreicht die mit Abstand höchste Einzelauflage bei den Supplements.
Des Weiteren gibt die Gruner + Jahr AG & Co. KG, an der die Bertelsmann AG maßgeblich beteiligt
ist, zusammen mit dem Magazin „Stern“ eine TV-Beilage heraus. Die Auflage des „Stern“ im Jahr
2002 betrug durchschnittlich 1,06 Mio. Exemplare. Der Deutsche Supplement Verlag stellt seit
September 2002 auch die Redaktion für verschiedene Themenbereiche von „TV Karstadt“, einem
Kundenmagazin mit TV-Programm (14-tägig, Testauflage 250.000 Exemplare, geplante Auflage
für 2003: 350.000 Exemplare).678 Dieses ist nicht am Kiosk, sondern ausschließlich in KarstadtFilialen für einen Preis von 0,50 Euro erhältlich und stellt eine Mischform zwischen Programmund Kundenzeitschrift dar.
Wie auch „TV Karstadt“ gehört das „Tchibo-Magazin“, das kostenlos in Tchibo-Filialen ausliegt
und neben Produktinformationen auch das wöchentliche Fernsehprogramm enthält (wöchentliche Auflage 900.000 Exemplare679), eher in den Bereich der Kundenzeitschriften; Gleiches gilt
für das monatliche Magazin „TV Apotheke“ (gedruckte Auflage 269.000).680 Angeblich plant
auch die Handelskette Aldi eine eigene TV-Programmzeitschrift.681 Die gleichzeitige Präsentation
von Warenangeboten und TV-Programm soll eine längere und intensivere Nutzung der Werbebroschüre bewirken.
Die Auswirkungen von Billig- oder Gratis-Blättern auf den Markt für Programmzeitschriften
können durchaus gravierend sein. Die Markentreue der Kunden wird bei Programmzeitschriften
als eher gering eingeschätzt.682
677 Der zum Bertelsmann-Konzern gehörige Geschäftszweig Arvato AG ist zu 75 % am maul-belser Medienverbund
beteiligt, die wiederum die Anteile am Deutschen Supplement Verlag hält.
678 Vgl. Pressemitteilung der KarstadtQuelle AG vom 12. 02. 2003.
679 Vgl. Handelsblatt vom 20. 09. 2002.
680 Angaben unter http://www.media-daten.de, Stand: 01. 01. 2002.
681 Vgl. Tagesspiegel vom 04. 11. 2002.
682 Vgl. Handelsblatt vom 20. 09. 2002.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
Programmzeitschrift
Bauer
Auf einen Blick
TV Hören und Sehen
Fernsehwoche
TV Klar
TV Movie (14-tgl.)
TV 14 (14-tgl.)
TV Pur (4-wöchentlich)
Σ
Springer
Hörzu
Funkuhr
TV Neu
Bildwoche
Σ
Burda/Verlagsgruppe
Milchstraße
Super TV
TV Spielfilm (14-tgl.)
Σ
WAZ
Gong plus Bild + Funk
Die Zwei
TV Direkt (14-tgl.)
Σ
Gruner + Jahr
TV Today (14-tgl.)
Programmzeitschriften insgesamt
229
1. Quartal 2002
in %
Verkaufte Auflage
2. Quartal 2002
3. Quartal 2002
in %
in %
4. Quartal 2002
in %
1.845.796
1.485.806
939.395
754.856
2.448.600
2.221.489
747.945
9,23
7,43
4,70
3,78
12,25
11,11
3,74
1.796.613
1.451.109
906.162
711.344
2.340.590
2.139.530
731.753
9,35
7,55
4,71
3,70
12,18
11,13
3,81
1.765.034
1.428.603
873.476
689.819
2.233.606
2.113.662
708.580
9,44
7,64
4,67
3,69
11,94
11,30
3,79
1.722.508
1.433.503
871.724
691.950
2.351.803
2.244.487
773.315
9,01
7,49
4,56
3,62
12,30
11,73
4,04
10.443.887
52,24
10.077.101
52,43
9.812.780
52,47
10.089.290
52,75
1.967.086
1.271.492
431.131
397.475
9,84
6,36
2,16
1,99
1.906.255
1.038.422
399.863
378.132
9,92
5,40
2,08
1,97
1.880.470
1.015.031
385.234
372.659
10,05
5,43
2,06
1,99
1.867.591
1.036.119
380.117
375.768
9,76
5,42
1,99
1,96
4.067.184
20,35
3.722.672
19,37
3.653.394
19,53
3.659.595
19,13
349.476
2.178.459
1,75
10,90
339.939
2.103.225
1,78
10,94
338.761
2.070.810
1,81
11,07
343.065
2.101.267
1,79
10,99
2.527.935
12,65
2.443.164
12,72
2.409.571
12,88
2.444.332
12,78
809.486
214.974
993.155
4,05
1,07
4,97
805.515
220.790
1.033.853
4,19
1,15
5,38
786.085
211.671
970.275
4,20
1,13
5,19
785.097
190.413
1.065.669
4,10
1,00
5,57
2.017.615
10,09
2.060.158
10,72
1.968.031
10,52
2.041.179
10,67
10,50
932.603
4,66
921.014
4,79
859.468
4,60
892.898
4,67
4,68
19.989.224
1001)
19.224.109
1001)
18.703.244
1001)
19.127.294
1001)
1001)
TV-Supplements
2002
in %
52,47
19,60
12,76
1. Quartal 2002
in %
Verbreitete Auflage
2. Quartal 2002
3. Quartal 2002
in %
in %
4. Quartal 2002
in %
2002
in %
Bertelsmann AG
RTV (gesamt)
7.114.281
45,91
7.074.474
46,01
7.193.233
46,84
7.191.700
46,72
46,37
WAZ
Prisma (gesamt)
IWZ
BWZ (gesamt)
4.952.479
1.753.398
1.675.069
31,96
11,32
10,81
4.899.825
1.746.745
1.656.027
31,86
11,36
10,77
4.805.998
1.731.472
1.627.896
31,29
11,27
10,60
4.823.741
1.736.275
1.639.888
31,34
11,28
10,65
8.380.946
54,09
8.302.597
53,99
8.165.366
53,16
8.199.904
53,28
53,63
15.495.227
100
15.605.194
100
15.358.599
100
15.391.604
100
100
Σ
IVW-gemeldete
TV-Supplements
insgesamt
1)nDie Auflagen der von der IVW erfassten Programmzeitschriften wurden für eigene Berechnungen gleich 100 %
gesetzt. Der tatsächliche Wert dürfte nur wenig darunter liegen.
Tabelle II-54: Verkaufsauflagen Programmzeitschriften und Supplements
Quelle: IVW Quartalszahlen
230
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
2.5.3
Elektronische Programminformationsquellen
Informationen zum Fernsehprogrammangebot liefern u. a. die Präsentationen der Programmzeitschriften und Supplements im Internet, Internetangebote von Fernsehsendern und anderen
Anbietern (z. B. klack.de, tvgenial.de, TVinfo.de, tvtv.de), Videotextseiten sowie im Bereich des
digitalen Fernsehens elektronische Programmführer (Electronic Programme Guide – EPG).
Eigene EPGs werden bislang bei den digitalen Programmen von Premiere, RTL, ARD Digital und
ZDF Vision, von Kabelnetzbetreibern (z. B. PrimaCom) und Set-Top-Box-Herstellern eingesetzt. Es
bestehen grundsätzlich die gleichen Risiken wie bei Verflechtungen von Veranstaltern und Verlagen von Programmzeitschriften. Noch in stärkerem Maße als bei den Programmzeitschriften
spielen bei den elektronischen Programmführern die Rangfolge und Auffindbarkeit der Programme eine wichtige Rolle. Mit fortschreitender Digitalisierung der Übertragungswege und
der damit verbundenen Kanalvervielfachung werden EPGs an Bedeutung gewinnen.683 Die
Vorteile des EPG sind:
–
–
–
–
ständige parallele Nutzung zum Programmempfang,
aktuelle Programminformation,
direkte Ansteuerung des Videogerätes,
Nutzung interaktiver Dienste.
Verschiedene Medienkonzerne arbeiten an entsprechenden Lösungen. So beschäftigt sich z. B.
die NIONEX GmbH, eine Tochtergesellschaft von Bertelsmanns Arvato AG, mit der Entwicklung
von EPGs. Die zur Axel Springer AG gehörige PPS Presse-Programm-Service GmbH hat zusammen
mit dem Technologieunternehmen GIST Communications einen interaktiven „Hörzu“-Programmführer konzipiert, der unabhängig und plattformübergreifend vermarktet werden soll.684 Der
Heinrich Bauer Verlag sieht sich bei EPGs in Kooperation mit der ARD an der Spitze der Neuentwicklungen.685 Die Informationen sollen aus Modulen des Programm-Informationsdienstes der
ARD und der Programm-Datenbank der Deutschen Mailbox stammen.686
Im Bereich der elektronischen Programminformationen bezeichnet sich der Heinrich Bauer
Verlag mit seiner Marke „TV Movie“ als Vorreiter. „TV Movie“ spricht gezielt via Internet über PC,
PDA (Personal Digital Assistant, tragbare Minicomputer) und Handy Programmempfehlungen
aus.687
Neben diesen den Rezipienten unmittelbar zur Verfügung stehenden Informationsquellen
existieren Informationsdienste, die Programmdaten sammeln und den Medien zur weiteren Verbreitung bereitstellen. Auch bei vertikaler Integration von derartigen Programminformationsdiensten und Programmveranstaltern besteht – sofern eine Auswahl oder Bewertung der Sendungen
stattfindet – die Möglichkeit, eigene Programme vorteilhafter zu präsentieren. Die TV Information
Services GmbH, die zum Bertelsmann-Konzern gehört, beliefert fast 70 Zeitungen, Magazine
und Online-TV-Services im europäischen Raum mit druckfertigen Seiten bis hin zu datenbankgestützten Internet- und Digital-TV-Anwendungen.688 Als führender Anbieter von Programminformationen in Deutschland sieht sich die Presse-Programm-Service GmbH (PPS) an,689 an der
683
684
685
686
687
688
689
Siehe dazu Kap. II 2.7.6.4 Technische und administrative Dienstleistungen für digitales Fernsehen und Pay-TV.
Vgl. Pressemitteilung von GIST zur Präsentation bei den Münchener Medientagen vom 16. bis 18. 10. 2002.
Vgl. Geschäftsbericht der Heinrich Bauer Verlag KG 2002, S. 17.
Vgl. epd medien vom 16. 03. 2002.
Vgl. Geschäftsbericht der Heinrich Bauer Verlag KG 2002, S. 17.
Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.deutscher-supplement-verlag.de.
Vgl. Darstellung unter http://www.pps.de.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
231
die Axel Springer AG zu 90 % beteiligt ist. Sie unterhält eine Datenbank mit Informationen zu
TV- und Radiosendern und beliefert mehr als 70 Tageszeitungen, 23 Programmzeitschriften und
Supplements sowie zahlreiche elektronische Medien je nach Vereinbarung mit Programmdaten,
Bildern und redaktionell aufbereiteten Zusatzinformationen (Inhaltsdarstellungen, Kritiken, Bewertungen). Programminformationen werden nach Darstellungen des Unternehmens u. a. für
sämtliche Programmzeitschriften des Axel Springer Verlags, der WAZ, der Gruner + Jahr AG &
Co. KG sowie für einen Titel des Burda Verlags geliefert.
Eine etwaige Bevorzugung konzernzugehöriger Sender durch Informationsdienste wäre noch
schwerer nachweisbar, als dies im Falle der redaktionellen Bearbeitung durch die Programmpresse ohnehin schon der Fall ist, denn es ist von außen nicht erkennbar, ob eine Bewertung von
einem Programminformationsdienst übernommen oder von der Programmpresse selbst vorgenommen wurde. Da sich aber die Programminformationsdienste nicht nur an konzernzugehörige
Medienunternehmen, sondern an einen möglichst großen Kundenkreis richten, der an einer von
konzerngeleiteten Erwägungen des Dienstleisters freien Darstellung interessiert sein wird, ist es
eher unwahrscheinlich, dass eigene Sender bevorzugt präsentiert werden.
2.5.4
Fazit
Die unternehmerische Verflechtung von Fernsehveranstaltern und im Programmzeitschriftenmarkt tätigen Verlagsunternehmen ist unter dem Blickwinkel der Sicherung der Meinungsvielfalt von Belang, weil sie dem Veranstalter die Möglichkeit einräumt, über eine bevorzugte
Präsentation des eigenen Programms die Zugangschancen zum Zuschauer gegenüber den
Wettbewerbern zu erhöhen. Mit 17 IVW-gemeldeten Titeln besteht ein umfangreiches Angebot
an Programmzeitschriften. In diesem Segment ist der Heinrich Bauer Verlag marktbeherrschend,
aber auch Springer, Burda und die WAZ erzielen hohe Marktanteile. Die Bertelsmann AG verfügt
– neben der WAZ – über eine starke Stellung im Bereich der Programm-Supplements. Neben
den konkurrierenden Programmzeitschriften und Supplements stehen den Zuschauern weitere
Informationsmöglichkeiten zur Verfügung, insbesondere durch elektronische Programmführer,
die im Zuge der Digitalisierung der Übertragungswege an Bedeutung gewinnen werden.
2.6
Fernsehwerbung
Der Werbemarkt ist nach der amtlichen Begründung zu § 26 RStV in die Beurteilung, ob vorherrschende Meinungsmacht vorliegt, als medienrelevanter verwandter Markt mit einzubeziehen.
Kartellrechtlich wird der Fernsehwerbemarkt von der Werbung im Hörfunk- und Printbereich getrennt.690 Der Markt für Fernsehwerbung konstituiert sich aus der Nachfrage der werbetreibenden
Unternehmen nach Sendezeit für Spots und Sponsoring, die von den Programmveranstaltern
gegen Entgelt angeboten wird. Die Veranstalter treten im Werbemarkt als Anbieter auf, weil sie
den werbetreibenden Unternehmen mit der Sendezeit in ihrem Fernsehprogramm Rezipientenbzw. Konsumentenkontakte (access to audience) verkaufen.691 Das bedeutet, dass der Fernsehveranstalter bei der Programmgestaltung neben redaktionellen Leistungszielen die Ansprüche
der Werbetreibenden an das Werbeumfeld mit berücksichtigen wird.
690 Vgl. Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum GWB, 3. Aufl., Vor § 35, Rn. 81.
691 Vgl. Robert G. Picard, Media Economics – Concept & Issues, California 1989; Jürgen Heinrich, Medienökonomie,
Bd. 1, S. 119 ff. und Band 2, S. 177–184.
232
2.6.1
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Bedeutung der Fernsehwerbung für das private Fernsehen
Werbung stellt nach wie vor die wesentliche Finanzierungsquelle im privaten, frei empfangbaren
Fernsehen dar. Mehr als 90 % der Erträge dieser Veranstalter stammten im Jahr 2000 aus überregionaler Werbung.692 Andere Erlösmodelle (wie z. B. die Finanzierung über Zuschaueranrufe
bei Verwendung von sog. Mehrwertnummern oder Teleshopping) sind bislang eher selten. Eine
Nebenerlösquelle ist das Merchandising, d. h. die Vermarktung programmbezogener Produkte
durch den Veranstalter oder andere Unternehmen. Merchandising dient dem Aufbau eigener
Marken und ist vor allem im Bereich der Kinderprogramme nicht unbedeutend. Insbesondere
Kinderserien und Spielwarenhandel befördern wechselseitig ihren Markterfolg. Zum Teil werden
die Erfolgsaussichten im Merchandising zu einem entscheidenden Faktor bei der Programmgestaltung. So entwickelt z. B. der Sender Super RTL neue Programme, basierend auf gemeinsamen
Vorüberlegungen mit der werbetreibenden Industrie.693 Durch den Vertrieb von Merchandisingprodukten wird nicht nur zusätzlicher Umsatz generiert, sondern vor allem auch die Zuschauerbindung verstärkt. Hohe stabile Zuschaueranteile sichern wiederum die Finanzierung des Senders
durch Werbeeinnahmen ab.
Hohe Reichweiten in den werberelevanten Zielgruppen führen zu einer erhöhten Attraktivität
des Werbeträgers für die werbetreibende Wirtschaft. Die dadurch vermehrten Werbeeinnahmen
können in attraktive Programminhalte investiert werden, wodurch weitere Zuschaueranteile
hinzugewonnen werden können. Dies führt erneut zu einer Steigerung der Werbeeinnahmen.
Dieser Zusammenhang wird als Werbeeinnahmen-Reichweitenspirale bezeichnet. Die Sender
können auf diese Weise ihre Marktstellung sichern und weiter ausbauen.
Der Werbeumsatz eines Fernsehveranstalters ist ein Indikator dafür, wie der Markt Reichweite
und Akzeptanz seiner Angebote bewertet. Zu unterscheiden sind Brutto- und Nettowerbeumsätze. Bruttowerbeeinnahmen werden auf Basis der Listenpreise für Werbespots ermittelt. In
Deutschland führt die Nielsen Media Research GmbH (ehemals A. C. Nielsen Werbeforschung S + P)
entsprechende Untersuchungen durch. Den Nettowerbeumsatz erfasst der Zentralverband der
deutschen Werbewirtschaft (ZAW) aufgrund von Meldungen der angeschlossenen Verbände der
Werbewirtschaft. Im Fernsehbereich zählen die ARD-Werbung SALES & SERVICES, ZDF Werbefernsehen, IP Deutschland, ProSiebenSAT.1 Media AG und der VPRT zu den Mitgliedern. Zur
Ermittlung der Nettowerbeeinnahmen werden Rabatte (z. B. Mengen-, Konzern-, Frühbucher-,
Last-Minute-Rabatte), Provisionen der Mediaagenturen und Freispots694 abgezogen. Einige Sender
beziehen neben den Erlösen aus Spotwerbung auch Sponsoringeinnahmen und Gegenleistungen
(sog. Bartering)695 in ihre Kalkulation ein.
692 Vgl. Die Landesmedienanstalten, Beschäftigte und wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 1999/2000,
Schriftenreihe der Landesmedienanstalten, Band 24, Berlin 2002, S. 84.
693 Claude Schmit, Geschäftsführer von Super RTL, laut Süddeutscher Zeitung vom 07. 12. 2002.
694 Freispots werden z. B. dann gewährt, wenn Tausendkontaktpreis-Garantien nicht eingehalten wurden. Der Tausendkontaktpreis (TKP) ist neben der jeweiligen Zielgruppe der entscheidende Indikator für die Auswahl eines Werbeträgers. Er gibt an, wie viel es kostet, mit einem Werbespot in einem bestimmten Programm 1.000 Zuschauer,
d. h. 1.000 Werbekontakte, zu erreichen. Basis der Ermittlung des TKP ist der Werbegrundpreis (auch Spotpreis),
d. h. der Preis für eine bestimmte Zeiteinheit (üblicherweise 30 Sekunden) Werbung im TV-Programm. Der Werbegrundpreis differiert nach Jahres- und Tageszeit, Programmumfeld und vermuteter Reichweite. Da es sich bei der
Reichweitenangabe lediglich um einen Prognosewert handelt, werden häufig Tausenderpreisgarantien gewährt,
die dem Kunden bei Nichterreichen der versprochenen Reichweite das Recht zur kostenlosen Ausstrahlung in
einem anderen Werbeumfeld einräumen.
695 Beim Bartering stellt der Werbetreibende dem Veranstalter Programm zur Verfügung und erhält im Gegenzug
kostenlose Werbezeit.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
233
Die ermittelten Brutto- und Nettowerbeumsätze weichen häufig stark voneinander ab. Die
Bruttozahlen liegen bis nahezu 50 % über den tatsächlich gezahlten Beträgen.696 Insbesondere
die großen Vermarktungsagenturen, die für zahlreiche Sender Werbezeiten verkaufen, können
fein abgestimmte Rabattsysteme in größerem Umfang einsetzen.
2.6.2
Entwicklung des TV-Werbemarkts
Das Fernsehen ist mit einem Anteil von 43,6 % an den gesamten Bruttowerbeaufwendungen in
den klassischen Medien im Jahr 2002 nach den Printmedien (48,0 %) der größte Werbeträger.
Der Abstand zu den nachfolgenden Werbeträgern Hörfunk (5,4 %) und Plakat (3,0 %) ist erheblich. Noch nicht ausreichend erfasst werden die Ausgaben für Online-Werbung. Nielsen Media
Research schätzt den Anteil von Online-Werbeausgaben auf 1,5 % des gesamten Werbevolumens.697 Nach Presseberichten sollen allerdings die Preisabschläge in diesem Bereich wesentlich
höher sein als bei Printmedien oder im TV-Bereich, so dass der Anteil am Nettowerbemarkt noch
unter 1,5 % liegen dürfte.
Bis zum Jahr 2000 sind laut Nielsen Media Research die Bruttowerbeeinnahmen der klassischen
Medien kontinuierlich gewachsen (siehe Abb. II-20). Sie erreichten im Jahr 2000 einen Höchststand
von 18 Milliarden Euro. Mit dem für das Jahr 2001 verzeichneten Einbruch des Werbemarkts
sanken die Bruttowerbeeinnahmen im Bereich des Fernsehens um 5,2 %. Noch stärkere Einbußen
mussten die Werbeträger im Bereich Hörfunk (minus 10,5 %) hinnehmen; im Bereich Print lagen
sie bei 3,7 %. Im Jahr 2002 reduzierten sich die Bruttowerbeeinnahmen gegenüber dem Vorjahr
10000
Bruttowerbeumsatz in Mio. Euro
9000
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
1995
1996
1997
1998
TV
1999
Hörfunk
2000
2001
2002
Print
Abbildung II-20: Bruttowerbeumsatz der Werbeträger TV, Hörfunk und Print in Mio. Euro
Quelle: Michael Heffler, Der Werbemarkt 2002, in: Media Perspektiven 6/2003, S. 269 ff., dort angegebene
Quelle: Nielsen Media Research
696 Vgl. Michael Heffler, Der Werbemarkt 2002, in: Media Perspektiven 6/2003, S. 269 ff., hier S. 275.
697 Vgl. Pressemitteilung vom 21. 10. 2002 unter http://www.nielsen-media.de.
234
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
abermals: Der Umsatzrückgang war jedoch für die Werbeträger TV (minus 4,2 %) und Hörfunk
(minus 3,9 %) nicht mehr ganz so drastisch wie im Vorjahr; dafür gingen die Umsätze im Bereich
Print stärker zurück (minus 4,6 %).698 Die TV-Bruttowerbeeinnahmen, die zum Jahr 2000 sprunghaft gestiegen waren, liegen im Jahr 2002 noch relativ deutlich über dem Niveau von 1999. Die
Werbeausgaben im Internet sind entgegen dem allgemeinen negativen Werbetrend gestiegen.
In den ersten drei Quartalen 2002 wurden nach einer Untersuchung von Nielsen Media Research
174,7 Mio. Euro in Online-Werbung investiert. Dies bedeutet ein Wachstum gegenüber dem
Vorjahreszeitraum von 12,6 %.699
Für 2003 hat das Prognos Institut in seiner Untersuchung eine Steigerung der Fernsehwerbeeinnahmen von 1,1 % vorausgesagt.700 Erst gegen Ende des Jahres 2003 werde die „steigende
Konsumentenneigung und ein langsam wiederkehrendes Vertrauen in die Wirtschaft“ eine
Aufwärtsbewegung bewirken. Für 2004 wird ein Wachstum um 7,3 % prognostiziert.
Die stärkste Nachfrage nach Werbezeiten ging im Jahr 2001 von den Branchen Schokolade/
Süßwaren, Automobilmarkt und Telekommunikation aus (siehe Tab. II-55). Insbesondere Telekommunikationsunternehmen haben ihre Werbeausgaben drastisch zurückgefahren. Die Werbeausgaben wurden innerhalb dieser Branche im Jahr 2001 gegenüber dem Vorjahr um mehr als
38 % gesenkt. Nach einer Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Informationsgesellschaft701
hat allein die Deutsche Telekom AG ihre Werbeausgaben im Jahr 2001 halbiert und dem Werbemarkt so 100 Mio. Euro entzogen. T-Mobile habe die Werbeausgaben von 153 auf 82 Mio. Euro
gesenkt, Viag Interkom von 129 auf 74 Mio. Euro.
Die Kürzung der Werbeetats zahlreicher Unternehmen bewirkt vermutlich einen kurzfristigen
Angebotsüberhang an Werbezeiten auf Seiten der Sender. Laut Presseberichten verliefen die
Einbuchungen für das Jahr 2003 selbst bei großen Veranstaltern zunächst zurückhaltend.702 Dies
kann sich in einer verstärkten Gewährung von Rabatten und sonstigen Vergünstigungen niederschlagen. Der Bruttowerbeumsatz im gesamten TV-Werbemarkt liegt 2001 mit 7,566 Mrd. Euro um
Branche
01. Schokolade und Süßwaren
02. Automarkt
03. Telekommunikation
04. Massenmedien
05. Pharmazie Publikumswerbung
06. Spezialversender
07. Bier
08. Haarpflege
09. Finanzdienstleistungen
10. Bild- und Tonträger
Bruttowerbeaufwand im
Fernsehen 2001
in Tausend Euro
Veränderung
zu 2000
in Prozent
Bruttowerbeaufwand in allen
Medien 2001
in Tausend Euro
Veränderung
zu 2000
in Prozent
559.300
525.181
430.217
353.153
313.072
291.550
246.128
206.874
199.546
195.572
–07,0
–06,7
–27,2
–10,0
+04,9
+35,4
–02,8
+07,5
+06,3
+18,7
0.602.778
1.542.592
0.778.952
1.702.588
0.573.953
0.592.532
0.361.290
0.272.094
0.527.161
0.234.455
–08,0
+00,1
–38,7
–00,5
+02,7
+27,9
–07,2
+11,3
–10,1
+16,4
Tabelle II-55: Bruttowerbeaufwendungen der 10 größten Branchen in der Fernsehwerbung
Quelle: Julia Engländer, Der Werbemarkt 2001, in: Media Perspektiven 6/2002, dort angegebene Quelle:
A. C. Nielsen Werbeforschung S + P; eigene Berechnungen
698
699
700
701
Vgl. Michael Heffler, Der Werbemarkt 2002, in: Media Perspektiven 6/2003, S. 269 ff.
Vgl. Pressemitteilung vom 21. 10. 2002 unter http://www.nielsen-media.de.
Studie im Auftrag von SevenOneMedia, vgl. Pressemitteilung der SevenOneMedia vom 17. 10. 2002.
Vgl. Robin Meyer-Lucht, Sinkende Auflagen, Einbrüche im Anzeigengeschäft, Konkurrent Internet. Die Krise auf dem
deutschen Tageszeitungsmarkt, Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Informationsgesellschaft Nr. 9/2003, S. 8.m
702 Vgl. Financial Times Deutschland vom 06. 11. 2002 und 02. 12. 2002.
6.942,53
211,35
260,75
110,41
3.376,11
1.567,06
1.453,43
355,62
2.745,02
7.977,80
232,26
272,34
134,80
3.591,05
1.656,22
1.518,99
415,84
3.135,66
2.176,47
495,18
168,00
296,01
7.566,36
194,57
229,71
91,54
3.436,58
1.494,82
1.527,47
414,29
3.120,97
2.159,84
469,00
185,01
307,12
Bruttowerbeumsatz
2000
2001
1.947,39
378,37
156,42
262,84
1999
Tabelle II-56: Werbeumsätze der Fernsehsender (in Mio. Euro)
Quelle: Heffler, a. a. O., S. 275; IP Deutschland, Media Perspektiven Basisdaten
6.538,61
209,57
ZDF
Σ TV Gesamt
258,22
3.270,09
Σ ProSiebenSAT.1 Media AG
ARD
1.537,62
1.413,16
319,31
SAT.1
ProSieben
Kabel 1
89,94
2.579,55
Σ RTL Group
n-tv
1.862,96
342,68
123,02
250,89
1998
RTL
RTL II
Super RTL
VOX
Sender
7.248,81
152,22
190,08
75,78
3.272,38
1.437,61
1.456,26
378,51
3.037,00
2.133,27
392,10
168,18
343,45
2002
4.041,70
159,50
180,10
k. A.
1.898,50
909,10
827,80
161,60
1.625,40
1.196,40
213,20
63,40
152,40
1998
4.317,60
160,90
183,60
63,00
1.986,30
943,80
848,20
194,30
1.720,70
1.244,50
227,00
83,30
165,90
1999
4.709,14
178,78
192,77
93,04
2.091,69
982,19
882,49
227,01
1.922,30
1.345,70
293,90
92,70
190,00
4.469,03
147,77
166,73
56,33
1.952,00
858,00
875,00
219,00
1.819,00
1.274,50
255,10
91,10
198,30
Nettowerbeumsatz
2000
2001
3.956,41
116,10
136,71
39,50
1.779,00
795,00
786,00
198,00
1.698,10
1.180,50
214,30
86,60
216,70
2002
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
235
236
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
412 Mio. Euro unter dem Ergebnis des Vorjahrs. Im Jahr 2002 sank er um weitere 317 Mio. Euro auf
7,249 Mio. Euro.703 Da Rabatte etc. bei der Angabe von Bruttowerbeumsätzen nicht abgezogen
werden, können sie u. U. ein positiveres Bild der wirtschaftlichen Lage im Werbemarkt zeichnen,
als es den Tatsachen entspricht. So gingen die Bruttowerbeumsätze im Fernsehen im Jahr 2002
gegenüber dem Vorjahr um 4,2 % zurück. Vergleicht man aber die Nettowerte, so betrug die
Einbuße 11,5 %. Die Abweichung der Brutto- von den Nettowerbeumsätzen im Fernsehen betrug
im Jahr 2002 durchschnittlich 45 % gegenüber 41 % in den Jahren 2001 und 2000.704 Die Entwicklung der Brutto- und Nettowerbeumsätze von 2000 bis 2002 gibt Tabelle II-56 (S. 235) wieder.
Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist zu berücksichtigen, dass Gebühreneinnahmen den
Großteil der Finanzierungsbasis ausmachen. Die ARD erhielt im Jahr 2001 TV-Gebühren in Höhe
von 2.539,88 Mio. Euro, das ZDF 1.540,66 Mio. Euro.705
2.6.3
Marktanteile der Fernsehsender
Die folgende Übersicht (Abb. II-21) zeigt die Entwicklung der Nettowerbeumsätze der größten
Werbeträger unter den privaten Fernsehveranstaltern, RTL, SAT.1 und ProSieben, sowie von ARD
und ZDF. Die Umsätze der abgebildeten privaten Sender sind bis zum Jahr 2000 kontinuierlich
gestiegen. Im Jahr 2001 sind die Umsätze bei nahezu allen privaten Veranstaltern eingebrochen.
Unter den in Abbildung II-21 gezeigten Sendern wird der Umsatzrückgang vor allem bei SAT.1
(minus 12,6 %) deutlich. Stark betroffen vom Rückgang der Werbeaufwendungen war auch der
1600
Nettowerbeumsätze in Mio. Euro
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
1990
1991
1992
1993
RTL
1994
1995
SAT.1
1996
1997
ProSieben
1998
1999
2000
2001
2002
ARD/ZDF
Abbildung II-21: Nettowerbeumsätze der drei größten Werbeträger unter den privaten Sendern und der öffentlichrechtlichen Sender
Quelle: Media Perspektiven Basisdaten und Michael Heffler, a. a. O., S. 274
703 Vgl. Michael Heffler, Der Werbemarkt 2002, in: Media Perspektiven 6/2003, S. 270.
704 Michael Heffler, a. a. O., S. 275.
705 ARD Jahrbuch 2002, S. 322.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
237
Sender n-tv (s. o. Tab. II-56). Die Nettowerbeumsätze gingen dort gegenüber dem Vorjahr um
40 % zurück. Dazu hat sicherlich das Ende der Welle von Börsengängen und der Wegfall der damit
verbundenen Werbung der Unternehmen beigetragen.706 Auch ARD und ZDF verzeichneten
deutliche Rückgänge bei den Werbeeinnahmen.
Betrachtet man die Brutto- und Nettowerbemarktanteile der Fernsehsender in Prozent, so
unterscheidet sich die Aufteilung des Markts nicht wesentlich.707 Tabelle II-57 gibt einen Überblick über die Entwicklung der Bruttowerbemarktanteile der Fernsehsender. RTL nimmt nach
wie vor die führende Position im Fernsehwerbemarkt ein. Der Sender erreichte im Jahr 2002
einen Anteil am gesamten Bruttowerbeumsatz von 29,43 %, gefolgt von ProSieben mit 20,09 %
und SAT.1 mit 19,83 %.
Neben redaktionellen und auf Zuschauerakzeptanz gerichteten Zielen spielt die wirtschaftliche Notwendigkeit, eine gute Werbezeitenauslastung bei möglichst hohen Spotpreisen zu
erreichen, eine bedeutende Rolle bei der Programmgestaltung. Mit den Programmen wollen die
Veranstalter in der Regel nicht nur generell hohe Zuschauerzahlen erreichen, sondern bestimmte
Zielgruppen ansprechen, die die Werbeeinbuchungen der Werbewirtschaft befördern. Zielgruppe
der Werbewirtschaft sind in der Regel die 14- bis 49-Jährigen. Diese Bevölkerungsgruppe gilt bei
Mediaplanern und Werbeagenturen als besonders konsumfreudig und aufgeschlossen bei der
Markenwahl.708 Ausschlaggebend für die Werbeeinbuchungen sind daher hauptsächlich die
Sender
19981)
19991)
20002)
20012)
20023)
RTL
RTL II
VOX
Super RTL
28,5
05,2
03,8
01,9
28,1
05,4
03,8
02,3
27,28
06,21
03,71
02,11
28,55
06,20
04,06
02,45
29,43
05,41
04,74
02,32
Σ RTL Group
39,4
39,6
39,31
41,25
41,90
ProSieben
SAT.1
Kabel 1
N24
NEUN LIVE
21,6
23,5
04,9
00,–
00,–
20,9
22,6
05,1
00,–
00,–
19,04
20,76
05,21
000,–
000,–
20,19
19,76
05,48
00,18
00,16
20,09
19,83
05,22
00,23
00,20
Σ ProSiebenSAT.1 Media AG
50,0
48,6
45,01
45,77
45,57
DSF
02,0
02,4
02,53
02,73
02,98
Σ KirchMedia und ProSiebenSAT.1 Media AG
52,0
51,0
47,54
48,50
48,55
n-tv (seit 11/2002 der RTL Group zuzurechnen)
01,4
01,6
01,69
01,21
01,05
VIVA
k. A.
k. A.
01,27
01,95
02,01
MTV
k. A.
k. A.
01,71
01,50
01,77
tm3
k. A.
01,0
02,16
000,–
000,–
ARD/ZDF
06,5
06,8
06,33
05,61
04,72
Tabelle II-57: Marktanteile der Sender nach Bruttowerbeumsatz in Prozent
Quelle: 1) IP Deutschland, Television 1999 und 2000, dort angegebene Quelle: A. C. Nielsen Werbeforschung
S + P; 2) Julia Engländer, Werbemarkt 2001, in: Media Perspektiven 6/2002, S. 247, dort angegebene Quelle:
ARD Werbung SALES & SERVICES; 3) Michael Heffler, Werbemarkt 2002, in: Media Perspektiven 6/2003,
S. 274, dort angegebene Quelle: Nielsen Media Research; eigene Berechnungen
706 Vgl. Tendenz 3/2002, S. 16.
707 Siehe Tabelle II-58. Eine genaue Angabe der Nettowerbemarktanteile der der KirchMedia zuzurechnenden Sender
ist aber nicht möglich, da nicht zu allen Sendern entsprechende Angaben vorliegen.
708 Vgl. Marc Bauder, Der deutsche Free-TV-Markt: Chancen für neue Anbieter?, S. 49.
238
Sender
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Anteil Zuschauer
ab 3 Jahren
Anteil Zuschauer
14 bis 49 Jahre
Anteil am
Bruttowerbemarkt
Anteil am
Nettowerbemarkt
RTL
RTL II
VOX
Super RTL
14,8
04,0
03,1
02,8
17,9
05,7
04,3
02,4
28,55
06,20
04,06
02,45
28,52
05,71
04,44
02,04
Σ RTL Group
24,7
30,3
41,25
40,71
ProSieben
SAT.1
Kabel 1
DSF
N24
NEUN LIVE
08,0
10,1
05,0
01,0
k. A.
00,5
13,3
11,6
05,2
01,1
k. A.
00,5
20,19
19,76
05,48
02,73
00,18
00,16
19,58
19,20
04,90
k. A.
k. A.
k. A.
Σ KirchGruppe
24,6
31,7
48,50
ca. 43,68 ca.
n-tv
00,7
00,8
01,21
01,26
Tabelle II-58: Zuschaueranteile und Anteile am Bruttowerbemarkt 2001 in Prozent
Quelle: medien aktuell vom 07. 01. 2002, Media Perspektiven 6/2002, eigene Berechnungen
Zuschaueranteile in dieser werberelevanten Zielgruppe. In Tabelle II-58 werden Zuschaueranteile
und Werbemarktanteile der Fernsehveranstalter gegenübergestellt.
Es zeigt sich deutlich der Zusammenhang zwischen dem Zuschaueranteil in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen und dem Anteil am Bruttowerbemarkt. Der Zuschaueranteil von ProSieben liegt bei den gesamten Zuschauern ab 3 Jahren um 2 Prozentpunkte hinter
dem von SAT.1 zurück. In Hinblick auf den Zuschaueranteil in der werberelevanten Zielgruppe
und den Werbemarktanteil liegt ProSieben dagegen noch vor SAT.1. Die Stärke in der werberelevanten Zielgruppe spielt demnach eine bedeutende Rolle für die Stellung von ProSieben im
Werbemarkt. Der Sender Super RTL wird dagegen vor allem von Zuschauern zwischen 3 und
13 Jahren genutzt; der Anteil in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen liegt daher um 0,4 Prozentpunkte unter dem Gesamtzuschaueranteil. Anders als bei den anderen aufgeführten Programmen
liegt auch der Wert des Werbemarktanteils hier unter dem des Gesamtzuschaueranteils.709 Damit
ist jedoch keine abschließende Aussage über die wirtschaftliche Ertragslage der Sender getroffen,
da diese auch, wie gerade Super RTL, andere Erlösmodelle verfolgen können. Zudem ist zu
berücksichtigen, dass für Kinderprogramme gemäß § 44 Abs. 1 RStV nur eingeschränkt Werbung
geschaltet werden darf.710
Die drei größten Anbieter RTL, ProSieben und SAT.1 erreichen im Jahr 2002 zusammen einen
Anteil am Bruttowerbemarkt von 69,35 % (2001: 68,5 %) und erfüllen damit die qualifizierte
Marktbeherrschungsvermutung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB. Das Bundeskartellamt hat in
einer Entscheidung aus dem Jahr 1998711 hinsichtlich dieser drei Sender, die zu diesem Zeitpunkt zusammen einen Anteil von etwa 75 % des Bruttowerbemarkts auf sich vereinigten, offen
gelassen, ob zwischen diesen Unternehmen oder den Senderfamilien der CLT-UFA und der
KirchGruppe noch wesentlicher Wettbewerb besteht. Nach dem Bundeskartellamt steht jedoch
fest, dass der Verhaltensspielraum der Oligopolunternehmen RTL, ProSieben und SAT.1 weder
durch die öffentlich-rechtlichen Sender noch durch die nicht mit den Senderfamilien CLT-UFA
709 Dies gilt auch für NEUN LIVE. Dort werden jedoch zwischen 11 und 24 Uhr keine Werbespots geschaltet.
710 Danach dürfen Sendungen für Kinder nicht durch Werbung unterbrochen werden.
711 Vgl. Bundeskartellamt B6-92201-U-72/98; so auch die Monopolkommission, XII. Hauptgutachten 1996/1997, Tz.
510.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
239
und KirchGruppe verflochtenen übrigen privaten Fernsehveranstalter wirksam eingeschränkt
werde. ARD und ZDF sind aufgrund rundfunkrechtlicher Vorgaben in ihren Werbezeiten beschränkt; so können sie in der Prime Time ab 20:00 Uhr gar nicht am Wettbewerb teilnehmen.
Bei den übrigen Veranstaltern handele es sich vornehmlich um Spartensender mit geringen
Marktanteilen, deren Zuschauerprofile von denen der Vollprogramme bedeutend abwichen.
Auch diese Veranstalter könnten daher nicht in ein wirksames Wettbewerbsverhältnis zu den
Oligopolmitgliedern treten.
Auch wenn die KirchGruppe als Sendergruppierung in der bisherigen Form nicht mehr existiert,
so besteht doch weiterhin ein Oligopol der drei größten Sender im Werbemarkt. Mit der RTL Group
und den Sendern der ProSiebenSAT.1 Media AG bestehen weiterhin zwei große Senderfamilien,
die im Jahr 2002 87,47 % des Werbemarkts untereinander aufteilten.712
Die Monopolkommission hatte in ihrem 1998 veröffentlichten XII. Hauptgutachten ebenfalls
bezweifelt, ob künftig von wesentlichem Binnenwettbewerb zwischen den Oligopolisten auf
dem bundesweiten Fernsehwerbemarkt auszugehen ist. Sie wies darauf hin, dass Gruppeneffekte
im Fall von Verflechtungen zwischen den Oligopolisten auf benachbarten Märkten darauf hinwirken können, dass die Unternehmen auf ihre gegenseitigen Interessen auf den Fernsehwerbemärkten Rücksicht nehmen. Derartige Verflechtungen sind zur Zeit nicht festzustellen. Zwar
betreiben die RTL Group und die ProSiebenSAT.1 Media AG das Joint Venture VG Media. Dabei
handelt es sich um eine Verwertungsgesellschaft, die für Radio- und Hörfunkunternehmen
Urheber- und Leistungsschutzrechte an der Kabelweitersendung nach § 20 b Urheberrechtsgesetz
wahrnimmt. Die EU-Kommission hat das Vorhaben freigegeben, da der gesetzliche Wahrnehmungszwang VG Media verpflichtet, für jeden Urheber- und Leistungsschutzberechtigten
tätig zu werden, und eine Abschottung des Marktes demnach nicht zu erwarten sei.713 Dass diese
Zusammenarbeit zu einer stillschweigenden Koordination im Fernsehwerbemarkt führen könnte,
ist nicht ersichtlich.
2.6.4
Vermarktungsgesellschaften
Die RTL Group und die ProSiebenSAT.1 Media AG verfügen mit der IP Deutschland GmbH bzw.
mit der SevenOne Media GmbH über eigene große Vermarktungsgesellschaften, die den Werbezeitenverkauf für mehrere Sender wahrnehmen. Sowohl IP Deutschland als auch SevenOne Media
verfügen neben einem „Flaggschiff“-Sender über komplementär positionierte Programme mit
einem breiten Spektrum an Zielgruppen.
IP Deutschland vermarktet die Werbezeiten von RTL, RTL II, Super RTL, VOX und dem Teleshopping-Sender RTL Shop. Zudem hat IP Deutschland im Zuge des Gesellschaftereintritts der
RTL Group bei der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH & Co. KG seit dem 01. 03. 2003 auch die
Vermarktung von n-tv übernommen. Nach Presseberichten will die Vermarktung von RTL II ab
dem Jahr 2004 eine 100 %ige Tochtergesellschaft des Senders, die EL Cartel GmbH, übernehmen.
Das Unternehmen will darüber hinaus als Vermarkter für weitere Sender auftreten und soll „als
dritte Kraft im Markt“ etabliert werden.714
SevenOne Media vermarktet Werbezeiten der Sender ProSieben, SAT.1, Kabel 1 und N24. Darüber hinaus besteht eine Vermarktungskooperation der SevenOne Media mit der Axel Springer AG.
Nach dem gemeinsamen crossmedialen Angebot können Werbetreibende in den von SevenOne
712 Zusammen mit dem Sender DSF, der im Jahr 2002 noch der Kirch Media GmbH & Co. KGaA zuzurechnen war, lag
der Bruttowerbemarktanteil der beiden Sendergruppierungen sogar bei 90,45 %.
713 Vgl. Europäische Kommission, Entscheidung vom 21. 05. 2002, COMP/M. 2723 – RTL/ProSiebenSAT.1/VG Media.m
714 So der Geschäftsführer Christian Overlack-Baudis, in: werben & verkaufen vom 27. 06. 2003.
240
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Media vermarkteten TV-Sendern und sämtlichen Zeitungen und Zeitschriften des Axel Springer
Verlags sowie über Internet, Teletext und mobile Dienste Werbung schalten. Nach Angaben der
SevenOne Media erreichen die ProSiebenSAT.1 Media AG und der Axel Springer Verlag zusammen
mit ihren Medienangeboten (ohne Internet, Teletext, mobile Dienste und Direkt-MarketingAngebote) hochgerechnet täglich mehr als drei Viertel der deutschen Gesamtbevölkerung.715 In
der Kommentarliteratur zum Rundfunkstaatsvertrag wird die Auffassung vertreten, dass für die
Bestimmung des medienrelevanten verwandten Marktes nach § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV zu berücksichtigen sei, ob und inwieweit ein Unternehmen, das seine Fernsehprogramme selbst vermarkte,
auch über Vermarktungsstrukturen im Hörfunk- oder Printbereich verfüge, da dies zumindest
mittelbar auch die Finanzierung der Fernsehangebote beeinflussen könne.716 Nach dieser Ansicht
wäre die Kooperationsvereinbarung von SevenOne Media und Axel Springer Verlag bei der
Beurteilung der Stellung der ProSiebenSAT.1 Media AG im Werbemarkt zu berücksichtigen.
Die Werbezeiten von Premiere, Bloomberg TV und verschiedenen Ballungsraumsendern gehören hingegen nicht mehr zum Vermarktungsportfolio von SevenOne Media. Premiere hat
die Vermarktung einer eigenen Vermarktungsabteilung überantwortet. Die Vermarktung von
Bloomberg TV hat die GWP, die zur Verlagsgruppe Handelsblatt gehört, übernommen. GWP vermarktet auch das bundesweite Programm Discovery Channel und verschiedene Printtitel (z. B.
„Wirtschaftswoche“, „Zeit“, „Handelsblatt“, „Rheinischer Merkur“). Die bundesweite Vermarktung
der Ballungsraumsender betreibt nunmehr die Ballungsraumfernsehen in Deutschland Programm- und Vertriebsgesellschaft mbH (siehe Kapitel II 2.9 Ballungsraumfernsehen).
Die übrigen bundesweiten Fernsehveranstalter vermarkten in der Regel ihre Werbezeiten
selbst. Laut Presseberichten haben Tele 5 und Fox Kids einen Vermarktungsverbund geschlossen.717
Bei einer Vorwärtsintegration von Programmveranstaltern in den Vermarktungsbereich sieht
Heinrich allenfalls die wirtschaftliche Freiheit der Vermarktungsgesellschaft beeinflusst, eine
Bedrohung der Programmvielfalt sei hingegen nicht zu erkennen.718 In der Tat ist nicht erkennbar, dass Vermarktungsagenturen, an denen der Programmveranstalter beteiligt ist, über mehr
Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Programmgestaltung verfügen sollen als nicht konzerneigene Agenturen. Allein schon das Ziel des werbefinanzierten Programmveranstalters, Sendezeit
an Werbetreibende zu verkaufen, wird – ungeachtet der Trägerschaft des Vermarkters – bereits
in gewisser Weise Auswirkungen auf die Programmgestaltung haben. Denkbar ist jedoch, dass
einer Sendergruppierung die Möglichkeit der Einflussnahme auf einen außenstehenden Sender
über die Mitvermarktung durch die konzerneigene Media-Agentur erwächst. Derzeit findet eine
solche über die Sender der eigenen Sendergruppierung hinausgehende Vermarktung von Werbezeiten weder durch IP Deutschland noch durch SevenOne Media statt.
2.6.5
Fazit
Der Verkauf von Fernsehwerbezeiten stellt, trotz der Entwicklung alternativer oder komplementärer Finanzierungsmodelle (z. B. Einnahmen aus Merchandising oder Telefonmehrwertdiensten)
nach wie vor die wesentliche Finanzierungsquelle im privaten frei empfangbaren Fernsehen dar.
Insofern waren die privaten Fernsehsender besonders stark von den ab dem Jahr 2001 zu verzeichnenden Umsatzrückgängen im Werbemarkt betroffen. Die negative Entwicklung hielt auch
715
716
717
718
Vgl. Pressemitteilung von SevenOne Media vom 11. 03. 2003.
Vgl. Hartstein/Ring/Dörr/Kreile/Stettner, Kommentar zum RStV, § 26, Rn. 23.
Vgl. Ambitionierte Alternativen, in: werben & verkaufen 23/2003.
Jürgen Heinrich, Medienökonomie, Bd. 2, Opladen 1999, S. 541.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
241
im Jahr 2002 noch an. Dies wird insbesondere anhand eines Vergleichs der um Rabatte etc.
bereinigten Nettoumsätze deutlich, die im Jahr 2002 um 11,5 % gegenüber dem Vorjahr zurückgingen. Das verringerte Werbevolumen fällt im Hinblick auf die Angebots- und Anbietervielfalt
umso mehr ins Gewicht, als über 90 % der Werbeumsätze auf die Sender der RTL Group, der
ProSiebenSAT.1 Media AG sowie auf ARD und ZDF entfallen. Die drei größten Werbeträger RTL,
ProSieben und SAT.1 bilden unverändert ein Oligopol im Werbemarkt. Veränderungen im Vermarktungsportfolio haben sich bei den großen Vermarktungsunternehmen, der IP Deutschland
und der SevenOne Media, ergeben. Beide Unternehmen vermarkten ausschließlich die zur
eigenen Sendergruppierung gehörigen Sender.
2.7
Technische und administrative Dienstleistungen
für digitales Fernsehen und Pay-TV
2.7.1
Medienrelevante Dienstleistungen für den Betrieb
von digitalem Fernsehen und Pay-TV
Pay-TV und Digitalfernsehen sind für viele Fernsehzuschauer gleichbedeutend, weil der Einstieg in
das digitale Fernsehen bislang überwiegend Pay-TV-Kunden vorbehalten war. Nach Informationen
des Satellitenbetreibers SES/Astra über die Anzahl der Satellitenhaushalte in 30 europäischen
Ländern hatten von den Ende 2002 (2001) vorhandenen 19,4 (16,88) Mio. digitalen Satellitenhaushalten 16,1 (14,34) Mio. bzw. 83 % (85,4 %) mindestens ein Pay-TV-Angebot abonniert. Folglich
nutzten 2001 in Europa noch weniger als 15 % den digitalen Empfang ausschließlich für frei
empfangbare Programme; 2002 stieg dieser Anteil auf ca. 17 %. 2002 waren von den 42,6 Mio.
europäischen Satellitenhaushalten 19,4 Mio. (46 %) Digitalhaushalte. Der Satellitenempfang ist
als die überwiegend genutzte Empfangstechnik der Vorreiter bei den europäischen Digitalhaushalten. Dies zeigt sich daran, dass Ende 2002 neben den 19,4 Mio. Satellitenhaushalten mit digitalem Fernsehen von den insgesamt 25,1 Mio. europäischen Digitalhaushalten nur 4,8 Mio. Programme per Digitalkabel und nur 0,9 Mio. terrestrisch verbreitetes Digitalfernsehen empfingen.
Für 2002 zeigen auch die Daten von SES/Astra für Deutschland, Österreich und die Schweiz ein
Anwachsen der Satellitenhaushalte, die per Satellit ausschließlich frei empfangbares Digitalfernsehen nutzten. Danach nutzten von den 2,5 Mio. digitalen Satellitenhaushalten 1,3 Mio. die
digitale Empfangstechnologie nur zum Empfang von Free-TV.719 In Deutschland wird die Bedeutung des frei empfangbaren Digitalfernsehens vermutlich künftig durch DVB-T zunehmen.
Die AGF/GfK-Fernsehforschung bildet im Rahmen ihres panelgestützten Erhebungssystems
auch die digitale Fernsehnutzung ab. Nach ihrer Berechnung nutzten im Jahr 2002 durchschnittlich ca. 7,1 % der 34,10 Mio. Fernsehhaushalte digitale Fernsehprogramme. Dies machte im Jahresdurchschnitt ungefähr 2,44 Mio. Fernsehhaushalte aus. Im ersten Halbjahr 2003 vergrößerte sich
diese Nutzungszahl auf durchschnittlich 2,81 Mio. Haushalte. Nach den Angaben der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) stieg der Anteil des Digitalfernsehens an der von der GfKFernsehforschung gemessenen Fernsehnutzungszeit der Zuschauer ab 3 Jahren von durchschnittlich ungefähr 2,8 % im Jahr 2001 auf durchschnittlich ca. 3,7 % im Jahr 2002. In der Zeit von
Januar bis Juni 2003 erhöhte sich dieser Anteil der digitalen Fernsehhaushalte auf durchschnittlich
fast 4,9 %. Im August 2003 entfielen 5,9 % der Fernsehnutzungszeit auf das Digitalfernsehen.720m
719 Vgl. Astra Reichweiten, Juni 2003; auch Astra Reach, June 2003; auch Astra Coverage, The Satellite Market in Europe,
April 2002.
720 Vgl. http://www.agf.de; TV-Markt – Digital TV, Entwicklung des Digitalisierungsgrades und Marktanteile digitale
TV-Nutzung an TV-Gesamt, Zuschauer ab 3 Jahren, Deutschland, alle Ebenen, Montag–Sonntag, 3:00 bis 3:00 Uhr.m
242
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
In Deutschland sind ungefähr vier Fünftel der Digitalempfänger Kunden der Pay-TV-Plattform
Premiere.721 Zum 01. 09. 2003 zählte Premiere über 2,8 Mio. Abonnenten. Die Pay-TV-Plattformanbieter haben ein großes Interesse an einer schnellen Digitalisierung aller Kundenhaushalte,
weil sie die digitalen Übertragungskapazitäten effektiver nutzen und mit digitalen Angeboten
zusätzliche Einnahmen erzielen können. Deshalb stellte etwa BSkyB den Haushalten die digitalen
Decoder kostenlos zur Verfügung. Auch Premiere subventioniert die Digitalboxen seiner Kunden
und förderte damit die Umstellungsbereitschaft.
Digitales Fernsehen erfordert im Unterschied zur analogen Verbreitungsform zusätzliche
technische Dienstleistungen: Multiplexierung auf der Sendeseite und Digital-Analog-Wandlung
(-Konvertierung) auf der Empfangsseite. Beim digitalen Pay-TV kommen die Verschlüsselung,
Zugangskontrolle (Conditional Access) und Abonnentenverwaltung (subscriber management
system) hinzu. Die Pay-TV-Programme werden regelmäßig in verschiedenen Paketen angeboten,
die vom Betreiber der Programmplattform zusammengestellt werden. Bei (Basis-) Navigatoren
und elektronischen Programmführern (Electronic Programme Guide, EPG) handelt es sich um
weitere Dienstleistungen der digitalen Plattformen. Sie sollen den Zuschauer bei der Auswahl
und beim Auffinden der von ihm bevorzugten Programme unterstützen. Durch die Vielzahl der
Programme führt ein elektronischer Programmführer. Diese Dienstleistungen bei der digitalen
Vermarktung von Fernsehprogrammen werden unter dem Begriff der technischen Plattform
zusammengefasst. Die Digitaltechnik hat neue, mit dem Pay-TV verbundene Dienstleistungsmärkte geschaffen. Die Praxis zeigt, dass die Pay-TV-Anbieter all diese Dienstleistungen selbst
anbieten möchten (vertikale Integration). Dies ist im Bereich des Kabelfernsehens aber selten
möglich, weil der Netzbetreiber ebenfalls an diesen Dienstleistungen interessiert ist.
Programmbündelung, Vermarktung
ConditionalAccess-System
Multiplexierung
Übertragung
(Spannweite möglicher vertikaler Integration)
Demultiplexierung,
Entschlüsselung,
Schnittstellen
(CI, API)
Fernsehgerät
Programmplattformbetreiber
Verschlüsselung
(Encryption)
Eigene Angebote:
Fernsehprogramme,
EPG, weitere
Mediendienste
Angebote von
Dritten:
Fernsehprogramme, EPG,
weitere Mediendienste
techn. Freischaltung (Subscriber
Authorization System)
Subscriber
Management
System
MultiplexBetreiber,
(PlayoutCenter)
(Fernseh-)
Kabelnetze
Decoder,
Set-Top-Box,
API
Abonnent
Satellit
(DBS)
terrestrische
Sendernetze
Vertrag, Abonnentendaten, Entgeltabrechnung, Berechtigungsinformationen, SmartCard
Abbildung II-22: Das System der administrativen und technischen Dienstleistungen zur Veranstaltung von digitalem Pay-TV
721 Vgl. „Sensor Digital TV“ der Mediaagentur Mediaege:cia, Digitales Fernsehen noch wenig verbreitet, Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts Emnid im März 2002 bei rd. 1.300 Bundesbürgern ab 14 Jahren, in: Mediendaten
Südwest vom 30. 08. 2002, hrsg. vom Südwestrundfunk (SWR), Medienforschung, Baden-Baden; auch ARD Projektgruppe Digital, Digitales Fernsehen in Deutschland – Markt, Nutzerprofile, Bewertungen, in: Media Perspektiven,
4/2001, S. 142 f., 196 ff.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.7.2
243
Multiplexierung
Das Multiplexing des digitalen Signals fasst bei der DVB-Übertragungstechnik für digitale Fernsehsignale im MPEG-Standard722 mehrere Programme zu einem einheitlichen Transportdatenstrom
(Transportpaket, Datencontainer oder Multiplexe) zusammen und ermöglicht die gemeinsame
Versendung über die herkömmlichen Übertragungskanäle. Der Betreiber des Multiplex (Multiplexer) transformiert Programminhalte in eine digitale Sendeform und macht sie dadurch für
das digitale Fernsehen nutzbar. Auf der Empfangsseite muss dieser Vorgang wieder rückgängig
gemacht werden (Demultiplexierung), damit auf die Datenströme der einzelnen Programme und
Dienste zugegriffen werden kann.723
Von der technischen Zusammenfassung beim Multiplexing, lässt sich die Programmbündelung
im Sinne der Gestaltung der Programm-Bouquets unterscheiden. Bei letzterer wird aus mehreren
eigenen oder fremden digitalen Programminhalten oder -diensten ein Gesamtangebot oder
Programmpaket zusammengestellt, das für einen Gesamtpreis angeboten wird.724
Die Digitalisierung der einzelnen Inhalte und die Multiplexierung werden in einem so genannten Playout-Center durchgeführt. In der Regel stellen die Playout-Center die Transportpakete
für die bundesweite Ausstrahlung (Up-Link) über Satellit zusammen. Für die Weiterverbreitung
per Kabel werden diese digitalen Fernsehsignale in einer Kabelkopfstation empfangen. In der
Regel werden die Satelliten-Transponder so belegt, dass für die Weiterleitung durch das digitalisierte Kabel nur eine Transmodulation der Signale, aber keine erneute Multiplexierung (Re-Multiplexierung) erforderlich wird. Sollten allerdings zum Beispiel regionale Versionen von Programmen
ins Kabel eingespeist werden, erfordert dies eine im Vergleich zur bloßen Weiterleitung kostenaufwendigere Re-Multiplexierung bzw. ein regionales Playout-Center. Dort können die über
Satellit angelieferten Programmdaten mit regionalen TV-Angeboten wie beispielsweise den
Regionalfenstern von SAT.1 oder RTL oder mit Online-Diensten zu einer neuen Konfiguration
zusammengeführt werden. Auch für DVB-T ist ein Playout-Center erforderlich, weil die digitale
Kapazität eines terrestrischen Kanals geringer ist als diejenige eines Satellitentransponders oder
Kabelkanals. Während über einen Satellitentransponder bis zu 10 digitale Programme verbreitet
werden können, lassen sich über einen terrestrischen Kanal ca. 4 digitale Programme verbreiten.
D. h.: Entweder wird der die Programme heranführende Satellitentransponder mit nur 4 digitalen
Programmen nicht voll ausgelastet, oder der mit ca. 10 Programmen ausgelastete, über einen
Satellitentransponder verbreitete Datenstrom wird entbündelt, um danach eine Re-Multiplexierung
für die 4 Programme durchzuführen, die über DVB-T weiterverbreitet werden sollen. Bei DVB-T
besteht aber ggf. auch die Alternative, die Programme vom Sender über Leitungsnetze (z. B.
Glasfasernetze) und Richtfunk an einen Betreiber für die Multiplexierung heranzuführen. Welche
Alternative jeweils gewählt wird, hängt von den jeweiligen Infrastrukturkosten ab, die insbesondere in ländlichen Regionen, die relativ viele Senderstandorte erfordern, und in städtischen
Ballungsräumen, die mit relativ wenigen Senderstandorten auskommen, sehr unterschiedlich
ausfallen können.
722 MPEG = Moving Pictures Experts Group, eine Expertengruppe für Bewegtbildübertragungen; Entwicklung von
internationalen Standards für das Datenreduktionsverfahren für digitale Videosignale und auch bei der Multiplexbildung. Dieses internationale Gremium hat verschiedene MPEG-Standards für das Datenreduktionsverfahren zur
Übertragung von Bewegtbildern erarbeitet, vgl. dazu Ulrich Freyer, DVB – Digitales Fernsehen, Berlin 1997, S. 52 ff.m
723 Vgl. Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM), ALM-Themen, Digitaler Rundfunk (von Ulrich Freyer),
http://www.alm.de/index2.htm; auch Wolfgang Schulz, Wolfgang Seufert, Bernd Holznagel, Digitales Fernsehen,
Regulierungskonzepte und -perspektiven, Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen, Bd. 31, Opladen 1999, S. 76 ff.
724 Vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, Kommentar, § 53 RStV, 4. EL, Juli 2000, Rn. 23.m
244
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
In der Praxis wird die Multiplexierung von Unternehmen durchgeführt, die mit den größeren
Sendergruppierungen oder den Netzbetreibern verbunden sind. Unabhängige Sender sind darauf
angewiesen, Vereinbarungen mit den Multiplexern der großen Fernsehkonzerne oder mit den
Netzbetreibern einzugehen. Der Betreiber der Astra-Satelliten, Société Européenne des Satellites
(SES), Luxemburg, bietet die Multiplexierung für den Up-Link zu seinen Satelliten an. Dafür stellt
er mehrere Astra-Transponder zur Verfügung, deren Belegung er möglichst nach einzelnen
Regionen sortiert. Der Up-Link zu den Astra-Satelliten ist aber nicht nur vom betreibereigenen
Astra-Sendezentrum aus möglich. Die in Deutschland verbreiteten digitalen Programmplattformen ARD Digital, ZDFvision, Premiere, PrimaTV725 und die regionalen Kabelplattformen der
Kabel Deutschland GmbH verfügen über eigene Playout-Center, die unter anderem den Up-Link
zu den Satelliten ermöglichen. Die ARD betreibt für ihre Digitalplattform ein Playout-Center in
Potsdam-Babelsberg. Premiere hat die Tochterfirma DPC Digital Playout-Center GmbH für Multiplexing und Satelliten-Up-Link gegründet, die diese Aufgabenbereiche von der mittlerweile
insolventen Firma Beta Digital übernahm.726 Außer für Premiere übernimmt DPC die Funktion
des Playout-Centers unter anderem auch für die Programme ProSieben, SAT.1, Kabel 1, Tele 5,
NEUN LIVE, N24, HSE, Sonnenklar TV und TV.Berlin, deren Signale über Glasfaserleitungen angeliefert werden. Die beiden Pay-TV-Kanäle der Vivendi Universal S. A., Studio Universal und 13TH
STREET, die über Premiere bezogen werden können, lassen ihre Sendeabwicklung vom Cologne
Broadcasting Center durchführen und senden das fertige Signal für den Up-Link an DPC. Für die
Kabelverbreitung empfängt zur Zeit die Kabel Deutschland GmbH die über Satellit verbreiteten
digitalen Signale im hessischen Usingen. Dort werden dem Signalstrom eigene Abonnentendaten beigefügt. Über den Satelliten Astra 3 (23,5 Grad Ost) strahlt dann Kabel Deutschland die
Programme für die Kabelnetze aus.
Der Multiplexer hat eine wichtige Funktion für den Zugang zum digitalen Fernsehen, weil
die Programmanbieter auf seine Dienstleistungen angewiesen sind. Schulz/Seufert/Holznagel
stellen deshalb die Frage, ob Multiplexbetreiber durch spezielle Must-Carry-Regeln und andere
Vorschriften gesetzlich verpflichtet werden sollten, bei der Verteilung der im Datencontainer
verfügbaren Kapazitäten zumindest in einem bestimmten Umfang die Angebote Dritter zu
berücksichtigen. Sie weisen darauf hin, dass in Großbritannien Multiplexlizenzen auch unter
Vielfaltgesichtspunkten vergeben werden. So werden dort Lizenzauflagen in Form von MustCarry-Pflichten zugunsten der Public-Service-Anbieter gemacht.727
Konkrete Zugangsprobleme beim Multiplexing können sich etwa ergeben, wenn diese Dienstleistung für unabhängige Programmanbieter nicht erhältlich ist, weil alle Multiplexer lediglich
gruppeneigene Programme aufnehmen. Das ist derzeit nicht der Fall. Weitere Zugangsprobleme
könnten sich aber bei Kapazitätsengpässen ergeben, wenn die Multiplexbetreiber zugleich die
knappen Plätze besetzen bzw. verwalten, wie etwa im digitalen Kabelbereich oder beim digitalen
terrestrischen Fernsehen. Auch weil diese Bereiche eng reguliert sind, sind diese Probleme bislang
nicht praktisch relevant geworden.
725 Zu PrimaCom vgl. Bundeskartellamt, 7. Beschlussabt., B 7-168/01, S. 7 ff., 29.
726 Vgl. Helmut Stein, Chief Technical Officer bei Premiere, Interview in: Digitalfernsehen, 1/2003, S. 13 ff.
727 Vgl. Wolfgang Schulz, Wolfgang Seufert, Bernd Holznagel, Digitales Fernsehen, Regulierungskonzepte und -perspektiven, Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen, Bd. 31, Opladen
1999, S. 79 ff.; auch Bernd Holznagel, Weiterverbreitung und Zugangssicherung beim digitalen Fernsehen, in:
MMR 8/2000, S. 480–486, hier: 484.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.7.3
245
Digitale Programm- bzw. Vermarktungsplattformen
Digitale Programmplattformen stellen Programmpakete zusammen und übernehmen die Akquisition von Abonnenten und die Verwaltung. Digitale Pay-TV-Programme werden häufig in der
Form von Programmpaketen angeboten. Plattformbetreiber bündeln eigen- und fremderstellte
Fernsehprogramme zu Programmpaketen (Bouquets). Sie vermarkten die Pakete zum Beispiel
direkt an Satellitenhaushalte oder indirekt über Kabelnetzbetreiber. Der Plattformbetreiber führt
die Abonnentenverwaltung und -betreuung nicht nur für die Abonnenten seiner eigenen Programme, sondern auch für die Abonnenten der Dritt- bzw. Fremdprogramme durch.
Die Programmbündelung oder Paketierung des Plattformbetreibers geht weit über den technischen Vorgang des Multiplexing hinaus. Die Bündelung zu Paketen ähnelt dem Veranstalten
von Programmen, denn auch hier werden Inhalte aufgrund von inhaltlichen Auswahl- und
Bewertungsentscheidungen zu einem Gesamtprogrammangebot zusammengestellt. Dies trifft
auch dann zu, wenn der Plattformbetreiber selbst keine eigenen Inhalte produziert. Deshalb hat
die Programmbündelung Meinungsrelevanz. Die Vermarktung in Programmpaketen ist ferner
wichtig für den Zugang der Programme zum Endkunden, da für viele Programmangebote die
Einzelvermarktung (à la carte) nicht in Betracht kommt. Veranstalter von Programmen ohne
Premium-Inhalte sind auf die gemeinsame Vermarktung mit Premium-Kanälen angewiesen.
Der Markteintritt über die Plattform eines etablierten Pay-TV-Anbieters ist für Neuankömmlinge oft der einzige Zugang zum Kunden. Nur gemeinsam mit attraktiven Programmen können
digitale Pay-TV-Programmangebote erfolgreich in den Markt eingeführt werden. Für einzelne
Programme wäre der Aufbau einer eigenen Plattform nicht vertretbar, deshalb bleibt nur die
Nutzung der gemeinsamen Vermarktung sowie der Abrechnungs- und Zugangskontrollsysteme
des etablierten Plattformbetreibers. Offeriert ein Pay-TV-Plattformbetreiber seine Dienstleistung
Neuankömmlingen, so trägt er dadurch zur Vergrößerung der Programmvielfalt bei und leistet
insofern einen Beitrag zur Meinungsvielfalt. Er wird dies freiwillig aber nur tun, wenn er damit
höhere Einnahmen erzielen oder seinen Kunden attraktive Zusatzangebote bieten kann, die er
nicht selbst produzieren kann oder will.
Tabelle II-59 ist unvollständig, weil sie nicht die Vielzahl an Fernsehprogrammen enthält, die
digital per Satellit verbreitet werden. Der Satellitenbetreiber Astra führt in seiner Programmliste
allein 63 frei empfangbare Programme aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz auf,
darunter sind außer den Programmen von ARD Digital und ZDFvision unter anderem auch die
digitalen Versionen sämtlicher privater Programme Deutschlands zu finden.
Kartellrechtliche Prüfungen betrachten den Bereich der Veranstaltung und Vermarktung von
Pay-TV als eigenständigen Markt. Dabei stand bei Wettbewerbsprüfungen des deutschen Pay-TVMarktes bislang im Mittelpunkt, dass die Programmplattform von Premiere auf diesem Markt
eine monopolartige Stellung hat:
– Zu diesem Ergebnis kam die EU-Kommission in ihrer Entscheidung zu BSkyB/KirchPayTV.
Die EU-Kommission unterscheidet dabei nicht zwischen einem analogen und einem digitalen Bereich.728
– Ebenso kam das Bundeskartellamt zu dem Ergebnis, dass auf dem Pay-TV-Markt Premiere
eine marktbeherrschende Stellung hat. Nach den Entscheidungen des Bundeskartellamtes
728 Siehe Europäische Kommission, Entscheidung vom 21. 03. 2000, COMP/JV.37, BSkyB/KirchPayTV, Rn. 48, 50, 51,
http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/index/by_nr_jv_0.html.
Basisangebot gemäß
öffentlichem Auftrag
(frei empfangbar)
Pay-TV-Satelliten- und
Kabelplattform
regionale Pay-TVKabelplattformen
Kabel Deutschland
Pay-TV-Kabelplattform
der PrimaCom AG
digitale Satellitenprogramme (frei
empfangbar)
Pay-TV-Kabelplattform
von Eutelsat
ZDFvision
Premiere
DigiKabel
PrimaTV
RTL World
TV
visAvision
–
RTL, RTL II, Super RTL, VOX,
n-tv
UPC-Kanäle: Avante, Club,
Extreme
–
Premiere analog, Basic,
Premiere 1–7, Sport 1–2,
Serie, Krimi & Co., Nostalgie,
ca. 7 Pay-per-View-Kanäle,
Classica
ZDF, ZDFinfokanal,
ZDFtheaterkanal,
ZDFdokukanal, 3sat, ARTE,
KI.KA, PHOENIX
Das Erste, EinsExtra, EinsMuXx, EinsFestival, die Dritten
Programme, BR-alpha, 3sat,
ARTE, KI.KA, PHOENIX
selbst veranstaltete
Programme
mehrere Fremdsprachenpakete
–
Basisangebot (50 Programme), 19 Programme
in Paketen, Pay-per-ViewKanäle
mehrere Pakete deutsch-,
englisch- und einer
Vielzahl weiterer fremdsprachiger Programme
Junior, Discovery Channel,
Goldstar TV, Heimatkanal,
13TH STREET, Studio
Universal, Sci-Fi Channel,
Fox Kids, Planet, Disney
Channel, Beate Uhse
CNBC-Europa, Eurosport,
EuroNews
–
Bündelungen
Dritt-/Fremdprogramme
–
RTL World TV Interaktiv:
EPG, E-Mail-Funktion
über TV-Bildschirm,
SMS versenden
Internet, Telefonie,
PrimaTV Servicekanal,
PrimaFUN – Spiele
–
EPG
EPG, ZDFdigitext
EPG, Online-Kanal
weitere Dienste
Tabelle II-59: Digitale Programmplattformen in Deutschland
Quellen: Infosat, Digitalfernsehen, Informationen der Plattformbetreiber, eigene Recherchen (Stand: April 2003)
Basisangebot gemäß
öffentlichem Auftrag
(frei empfangbar)
ARD Digital
Angebotsform
–
–
–
–
Music Choice
(21 Hörfunkangebote)
3 Hörfunkangebote
22 Hörfunkangebote
Hörfunk
ausgewählte Kabelnetze
Astra digital
Gebiete in den Regionen Leipzig/
Chemnitz/Magdeburg, Mainz/
Wiesbaden, Berlin/Brandenburg/
Mecklenburg-Vorpommern,
Aachen/Osnabrück
Bayern, Berlin/Brandenburg,
Sachsen, Sachsen-Anhalt,
Thüringen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Hamburg, Schleswig-Holstein,
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Bremen
bundesweit per Kabel und Satellit
bundesweit per Kabel und Satellit
bundesweit per Kabel und Satellit
Reichweite
246
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
247
reicht für diese Feststellung bereits der Vergleich der Abonnentenzahlen der vorhandenen
Programmplattformen aus.729
Der Pay-TV-Sender Premiere verfügt über rund 2,8 Mio. reguläre Abonnenten (Stand: 01. 09. 2003).
Zudem wird berichtet, dass es schätzungsweise 1,5 Mio. Schwarzseher von Premiere gibt. Im
Vergleich zu den Premiere-Abonnenten erscheinen andere Pay-TV-Plattformen nur als Nischenangebote. Die Kabelplattform der Kabel Deutschland GmbH (vormals Deutsche Telekom AG und
MediaVision; nunmehr DigiKabel) verfügte Mitte 2002 über lediglich 60.000 Abonnenten.730
PrimaTV (PrimaCom AG) hat rd. 1 Mio. Kabelkunden, darunter aber nur ca. 7.600 Pay-TV-Kunden
digitaler Fernsehangebote.731 Die frei empfangbaren öffentlich-rechtlichen Digitalangebote
ARD Digital und ZDFvision haben bislang nur wenige Zuschauer.732
Anders als bei den Wettbewerbsprüfungen durch EU-Kommission und Bundeskartellamt
wird medienkonzentrationsrechtlich nicht zwischen frei empfangbarem Fernsehen und Pay-TV
differenziert. Die Bestimmungen der §§ 26 ff. RStV zur Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten
Fernsehen gelten für das gesamte Fernsehangebot, das Angebot der werbefinanzierten Fernsehsender ebenso wie das entgeltfinanzierte Angebot, und zwar unabhängig davon, ob die Programme analog oder digital ausgestrahlt werden. Danach ist es auch die Aufgabe der KEK, die
mit Konzentrationsentwicklungen beim Pay-TV-Angebot verbundenen Auswirkungen auf die
Meinungsvielfalt im bundesweiten Fernsehen insgesamt zu würdigen.
Bei Prüfungen von Beteiligungsveränderungen bei Premiere erkannte die KEK, dass Pay-TVProgramme bei der Entwicklung des digitalen Fernsehens in Deutschland eine Schlüsselrolle
einnehmen. Derzeit kommt ihnen aber im Hinblick auf die Bildung der öffentlichen Meinung
noch keine entscheidende Bedeutung zu. Zwar sind bei der Bewertung auch absehbare künftige
Entwicklungen einzubeziehen;733 annähernd genaue Schätzungen über das Wachstum der
Abonnentenzahlen und damit über die in der Zukunft zu erwartenden Zuschaueranteile von
Premiere sind aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Die besondere Struktur des
deutschen Fernsehmarktes mit seinem großen Angebot an frei empfangbaren Programmen
lässt es auch nicht zu, aus der Betrachtung der Entwicklung in benachbarten Ländern, wie Großbritannien oder Frankreich, Folgerungen für die deutsche Entwicklung abzuleiten.
Während bei den früheren medienkonzentrationsrechtlichen Prüfungen der KEK die Zuschaueranteile von Premiere der KirchGruppe zugerechnet wurden, entschied die KEK am 23. 10. 2002
(Az.: KEK 155), dass infolge der Insolvenzen von Unternehmen der KirchGruppe und ihren gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen der Zurechnungszusammenhang zwischen Premiere und den
Programmveranstaltern von SAT.1, ProSieben, Kabel 1, DSF, N24 und NEUN LIVE nicht mehr besteht. Folglich sind Premiere und den an ihr beteiligten Gesellschaften nur noch die Zuschauer-
729 Siehe zum Beispiel Bundeskartellamt, B7-168/01, Entscheidung Liberty Media Corporation, Englewood, Colorado/
USA/Kabel Deutschland GmbH (KDG), Tz. 151, 159.
730 Vgl. Funkkorrespondenz vom 02. 08. 2002.
731 Vgl. Der Kontakter vom 28. 11. 2002.
732 Vgl. Der Spiegel vom 21. 09. 2002. Das ZDF verweist auf eine Umfrage, nach der das Programm ZDF.info an zweiter
Stelle nach Premiere steht, weil 9,9 % von ca. 1.300 Befragten den Kanal kannten und 3,6 % ihn schon einmal gesehen hatten. Für Premiere waren die Umfragewerte 72,8 % und 36,9 %. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass
valide Ergebnisse zur digitalen Fernsehnutzung erst zu erwarten seien, wenn Messungen der AGF/GfK-Fernsehforschung vorliegen. Vgl. epd medien, Nr. 56, 20. 07. 2002, S. 16. Die AGF/GfK-Fernsehforschung misst die Digitalnutzung im Fernsehpanel senderbezogen seit 01. 01. 2003. Die Messergebnisse zu den Digitalprogrammen des
ZDF sind bislang nicht veröffentlicht (Stand: März 2003).
733 Vgl. Beschlüsse i. S. Premiere vom 15. 08. 2000, Az.: KEK 070, vom 26. 01. 1999, Az.: KEK 026, II 3.2.2, und i. S.
ProSieben vom 26. 01. 1999, Az.: KEK 007/029, II 4. 1.
248
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
anteile der Premiere-Programme und ggf. der Premiere zurechenbaren Drittprogramme zuzurechnen.
2.7.4
Errichtung und Betrieb eines digitalen Zugangs- und
Abrechnungssystems (Conditional-Access-(CA-)Systeme)
Als technische Komponenten erfordert digitales Pay-TV ein spezielles System der Zugangskontrolle und eine Smart-Card-Technologie zur Freischaltung. Als administrative Komponente
wird eine Abonnentenverwaltung einschließlich eines Abrechnungssystems notwendig.
Das Zugangskontrollsystem setzt sich aus Verschlüsselungs- und Entschlüsselungsverfahren
zusammen. Programmsignale werden von der Sendeseite mit Berechtigungsinformationen
gebündelt und verschlüsselt. Die Übertragung der verschlüsselten Daten enthält zusammen mit
dem Programmsignal Informationen über die Autorisierung der Pay-TV-Abonnenten. Auf der
Empfangsseite werden dem Abonnenten Smart-Cards zur Verfügung gestellt. Solche Karten
sind erforderlich, damit die verschlüsselten Autorisierungsdaten entschlüsselt werden und die
Entschlüsselungstechnik im Decoder die Programmsignale freischalten kann.734
Pay-TV setzt eine Verschlüsselungstechnik voraus, die verlässlich sicherstellt, dass ausschließlich Berechtigte (die Abonnenten seines Pay-TV-Kanals) Zugang zu seinem Programmangebot
haben.735 In Europa werden von Pay-TV-Plattformen zur Zeit die folgenden Verschlüsselungsbzw. Conditional-Access-Systeme verwendet:
–
–
–
–
–
–
–
Betacrypt (Irdeto)
Mediaguard (Seca)
Videoguard (NDS)
Viaccess (France Telecom)
Nagravision (Kudelski)
Conax (Telenor)
Cryptoworks (Philips)
Die Tabelle II-60 zeigt eine Auswahl europäischer Digitalplattformen und deren Verschlüsselungssysteme.
Neben dem Multiplexing und der kompatiblen Decoderbasis ist das Conditional-AccessSystem das zentrale Element der Systemtechnologie für den Zugang zum Pay-TV-Markt. Veranstalter von Pay-TV-Programmen müssen entweder ein eigenes Conditional-Access-System
und einen damit kompatiblen Decoder selbst betreiben oder ein fremdes System nutzen. Folglich
sind Conditional-Access-Systeme zentrale Bestandteile der Bedingungen, unter denen dritte
Fernsehveranstalter Zugang zum Markt erlangen können. Bei der Prüfung vorherrschender
Meinungsmacht können sie deshalb unbeschadet der Verhaltenspflichten nach § 53 RStV auch
medienkonzentrationsrechtlich erheblich sein.736
Im Fall der vertikalen Integration der Programmplattform und der technischen Plattform
verfügt ein Plattformbetreiber mit dem ihm gehörenden Conditional-Access-System über ein
wichtiges Instrument, den Zugang zum Pay-TV zu kontrollieren. Andere Anbieter von Pay-TVProgrammen könnten auf die Nutzung seiner Systemtechnologie angewiesen sein, weil sie ihre
734 Vgl. Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM), ALM-Themen, Digitaler Rundfunk (von Ulrich Freyer),
http://www.alm.de/index2.htm.
735 Vgl. Jürgen Heinrich, Medienökonomie, Bd. 2, Hörfunk und Fernsehen, Opladen u. a. 1999, S. 71 f.
736 Vgl. Beschluss der KEK vom 15. 08. 2000 i. S. Premiere, Az.: KEK 070, III 3.3.3, auch vom 26. 01. 1999 i. S. Premiere,
Az.: KEK 026, II 6.2.1.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
249
Verschlüsselte
Digitalplattformen
Land
Übertragungsweg
Verschlüsselung
Premiere
Deutschland, Österreich, Schweiz
(über Teleclub)
Satellit
Betacrypt/Irdeto; Umstellung auf
Nagravision/Kudelski ab Herbst 2003
Betacrypt/Irdeto; aktuellen Meldungen
zufolge Umstellung auf Nagravision/
Kudelski ab Herbst 2003
Kabel
DigiKabel, Regionalgesellschaften der
Kabel Deutschland
GmbH (KDG)
Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen/Bremen, Brandenburg/Berlin,
Sachsen, Sachsen-Anhalt/ Thüringen,
Rheinland-Pfalz/Saarland, Bayern
Kabel
Betacrypt/Irdeto
(siehe Premiere)
PrimaTV
Gebiete in den Regionen Leipzig/
Chemnitz/Magdeburg, Mainz/
Wiesbaden, Berlin/Brandenburg/
Mecklenburg-Vorpommern,
Aachen/Osnabrück
Kabel
Conax/ Telenor
VisAvision (Eutelsat)
k. A.
Kabel
Nagravision/Kudelski
ORF digital
Österreich
Satellit
Betacrypt/Irdeto, künftig Cryptoworks/
Philips
SRG
Schweiz
Satellit
Viaccess/France Telecom
Teleclub
Schweiz
Kabel
Betacrypt/Irdeto
Sky digital
Großbritannien, Irland
Satellit
Videoguard/NDS
NTL
Großbritannien
Kabel
Nagravision/Kudelski
Cable & Wireless
Großbritannien
Kabel
Nagravision/Kudelski
Telewest
Großbritannien
Kabel
Nagravision/Kudelski
(ITV Digital/
Ondigital – Konkurs)
Großbritannien
terrestrisch
Mediaguard/Seca
Canal Satellite
France
Frankreich
Satellit
Simulcrypt: Mediaguard/Seca und
Viaccess/France Telecom
FT Cable
Frankreich
Kabel
Viaccess/France Telecom
Lyonnaise Cable
Frankreich
Kabel
Viaccess/France Telecom
NC Numericable
Frankreich
Kabel
Mediaguard/Seca
TPS
Frankreich
Satellit
Viaccess/France Telecom
Canal+ Benelux
Luxemburg, Belgien
Satellit
Betacrypt/Irdeto
Canal Digitaal
Satelliet
Niederlande
Satellit
Simulcrypt: Betacrypt/Irdeto und
Mediaguard/Seca
Cyfra+
Polen
Satellit
Simulcrypt: Cryptoworks/Philips und
Mediaguard/Seca
Telepiù
Italien
Satellit
Simulcrypt: Videoguard/NDS und Mediaguard/Seca; vormals betacrypt/Irdeto
Stream
Italien
Satellit
Simulcrypt: betacrypt/Irdeto und
Videoguard/NDS
Canal Satélite Digital
Spanien
Satellit
Mediaguard/Seca
Via Digital
Spanien
Satellit
Nagravision/Kudelski
Canal Digital
Scandinavien
Dänemark, Finnland, Norwegen,
Schweden
Satellit
Conax/ Telenor
Tabelle II-60: Digitalplattformen und deren Verschlüsselungssystem
Quellen: Infosat, Transponder-Info, Digital-Sat-Tabellen, Stand: November 2002; Medienforum 2001, Stefan
Kaminski, Andersen Business Consulting, Interaktive Dienste im europäischen Vergleich, 23. 08. 2001; Pressemitteilungen von Premiere, Stand: September 2003; eigene Recherchen
250
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Programme nur auf diesem Weg an eine ausreichende Anzahl von Haushalten vermarkten
können. Deshalb ist die Pay-TV-Infrastruktur und das Conditional Access Gegenstand einer dichten
Regulierung auf europäischer und nationaler Ebene.
In ihren Beschlüssen kam die KEK zu dem Ergebnis, dass Premiere den Zugang zum digitalen
Fernsehen kontrollieren kann.737 Grund dafür ist, dass Premiere im Zuge der Einführung der
D-Box-Decoderbasis die verwendete Betacrypt-Verschlüsselungstechnologie als Standard bei
der Zugangskontrolle im digitalen Fernsehen durchsetzen konnte. Dies war möglich, weil für die
meisten Digitalhaushalte die digitalen Programme von Premiere der wesentliche Anreiz waren,
einen Decoder anzuschaffen bzw. von Premiere zu mieten. Hinzu kam die Entscheidung der
Deutsche Telekom AG, als Set-Top-Box die D-Box und als Verschlüsselung Betacrypt als Standards
für ihre Breitbandkabelnetze einzusetzen. Andere Anbieter von Pay-TV-Programmen waren
somit auf die Nutzung der Betacrypt-Technologie angewiesen, weil sie ihre Programme nur auf
diesem Weg über Satellit oder Kabel auf der Premiereplattform platzieren bzw. die große Anzahl
der Haushalte mit D-Box erreichen können.738 Lizenzen der Betacrypt-Technologie vergab die
Firma BetaResearch, die wie Premiere zur KirchGruppe gehörte.739
Premiere kündigte am 26. 03. 2003 an, im Herbst 2003 das Verschlüsselungssystem zu wechseln.
Als neues CA-System soll Nagravision der Schweizer Kudelski-Gruppe eingeführt werden. In diesen
Systemwechsel soll auch BetaResearch eingebunden werden. Über die Details der künftigen
Zusammenarbeit zwischen Premiere, BetaResearch und der Kudelski-Gruppe wurde Stillschweigen vereinbart.740 Jedenfalls wurde das digitale Playout-Center der KirchGruppe, BetaDigital
(nunmehr: DPC Digital Playout-Center GmbH), von Premiere vollständig übernommen.
Die Marktstellung von Premiere auf dem Pay-TV-Markt im Zusammenhang mit der bislang
ausschließlichen Verschlüsselung der Premiere-Programme durch die Betacrypt-Technologie hat
die Konsequenzen,
– dass alternative Decoder-Technologien und Conditional-Access-Systeme nur erfolgreich
am Markt eingeführt werden könnten, wenn über sie zugleich eine attraktive und eine
deshalb mit Premiere konkurrierende Programmplattform angeboten würde, oder
– eine Konkurrenz zur Premiere-Plattform und deren Systemtechnologie z. B. durch die Netzbetreiber aufgebaut werden könnte, wenn über den Konkurrenzdecoder auch PremiereProgramme empfangbar wären.
Zur Behandlung dieser letzten beiden Aspekte wird es erforderlich, die Entwicklung und Marktstruktur bei der Decodertechnologie getrennt vom Conditional-Access-System zu betrachten.m
2.7.5
Betrieb der Decoderinfrastruktur
Eine Verschlüsselung der Programmsignale ist zur Analog-Digital- und Digital-Analog-Wandlung
(-Konvertierung) nicht erforderlich. Lediglich Zusatzgeräte oder bei der Set-Top-Box (s. u.) ein
Empfangsmodul sind notwendig, um die für das Fernsehgerät erforderliche Rückumwandlung
in analoge PAL-Signale durchzuführen. Die Rückumwandlung ist solange notwendig, wie die in
den Haushalten vorhandenen Fernsehgeräte die digitalen MPEG-Signale nicht direkt verarbeiten
können. Als Zusatzgeräte reichen sog. Free-to-Air-Boxen (auch Zapping-Boxen genannt) bzw.
737 Vgl. Beschluss der KEK vom 15. 08. 2000 i. S. Premiere, Az.: KEK 070, III 3.3.3.
738 Vgl. hierzu Beschluss der KEK vom 26. 01. 1999 i. S. Premiere, Az.: KEK 026, II 6.2.1.
739 Mittlerweile hat Dr. Axel Bauer bzw. die Betail Holding GmbH die BetaResearch erworben; vgl. Pressemitteilung
1/2003 von BetaResearch vom 03. 03. 2003.
740 Vgl. Pressemitteilung von Premiere vom 26. 03. 2003.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
251
die der europäischen DVB-Norm entsprechenden Receiver aus, um unverschlüsselte und damit
frei empfangbare digitale Fernsehprogramme auf den Bildschirmen sichtbar zu machen.
Zentraler Bestandteil der technischen Plattform des digitalen Pay-TV ist die Decoderinfrastruktur (Decoderbasis) der Set-Top-Box.741 Die Set-Top-Box ist ein Gerät, das in jedem Pay-TVFernsehhaushalt installiert wird. Bei einem Decoder im engeren Sinne handelt es sich nur um
die Funktionseinheit, die die Verschlüsselung der ausgestrahlten Programme rückgängig macht
(Decodierung). Neben der Entschlüsselung der im Zugangssystem verschlüsselten Signale nimmt
die Set-Top-Box darüber hinaus gegenüber dem autorisierten Zuschauer alle weiteren erforderlichen Funktionen wahr, damit der Fernsehhaushalt ein analoges Fernsehgerät für die Wiedergabe beim digitalen Fernsehempfang verwenden kann. Die Funktionen sind: Empfang des DVBSignals (Empfangsmodul für DVB-S, DVB-C oder DVB-T), Demodulation, Demultiplexierung,
Decodierung und Digital-Analog-Umwandlung der Signale.742 Für den digitalen Kabel- (DVB-C),
den Satelliten- (DVB-S) und den terrestrischen (DVB-T) Bereich werden unterschiedliche Decoder
und Set-Top-Boxen eingesetzt.
Medienkonzentrationsrechtlich steht bei der Set-Top-Box die Frage im Mittelpunkt, wer die
Decoderinfrastruktur betreibt bzw. wer bestimmt, welche Set-Top-Boxen zum Empfang der
Digitalprogramme eingesetzt werden. Wird die Decoderinfrastruktur vom Programmveranstalter
oder Netzbetreiber betrieben oder existiert ein freier Endgerätemarkt für Set-Top-Boxen, auf dem
der Konsument die erforderliche Set-Top-Box auswählen kann?
Die KirchGruppe erlangte auf dem Markt der Zugangsvermittlung zum digitalen Pay-TV eine
marktbeherrschende Stellung. Ihr gelang es, über die dominante Programmplattform Premiere
die patentrechtlich geschützten Standards zum digitalen Programmempfang (D-Box), zur Verschlüsselung (Betacrypt-Conditional-Access-System) und Freischaltung bei der Zugangskontrolle
vorzugeben. Davon ist die Marktsituation in Deutschland noch heute gekennzeichnet.743
Diese Situation bei den Empfangsgeräten konnte entstehen, weil Premiere bislang ausschließlich mit dem patentrechtlich geschützten Betacrypt verschlüsselt wurde und die D-Box nur ein
fest eingebautes CA-System hat. Zum technischen Zugangsstandard und zur Marktbarriere
konnte das Decoder- und CA-System der KirchGruppe werden, weil die digitalen Programme von
Premiere den wichtigsten Anreiz bilden, sich einen Decoder anzuschaffen. Alternative Decoder
würden für die Zuschauer in der Regel erst interessant, wenn sie zugleich damit eine attraktive
alternative Programmplattform nutzen oder über diesen Decoder auch Premiere empfangen
könnten. In der Vergangenheit erteilte Premiere bzw. BetaResearch alternativen Decoderherstellern
keine Lizenzen, d. h., dass mit der D-Box konkurrierende Decoder-Geräte für den Empfang von
Premiere nicht zugelassen wurden. Zum Beispiel war Premiere im Leipziger Kabelnetz nicht über
die Set-Top-Boxen des Kabelnetzbetreibers PrimaCom AG zu empfangen. Der Kabelnetzbetreiber
PrimaCom AG war dort nicht bereit, die D-Box und Betacrypt einzusetzen. Presseberichten zufolge
kam inzwischen eine Vereinbarung zustande, nach der Premiere in Betacrypt verschlüsselt in die
PrimaCom-Kabelnetze eingespeist wird. Diesen Presseberichten zufolge würde ein PremiereKunde, der die Programme von Premiere über die PrimaCom-Kabelnetze empfangen will, zur
Zeit neben der PrimaCom-Set-Top-Box noch eine weitere, als „Geeignet für Premiere“ lizenzierte
Set-Top-Box benötigen. Die eigene Set-Top-Box des Kabelnetzbetreibers sei derzeit für ein
Premiere-CI-Modul (s. u.) noch nicht funktionsfähig.744
741
742
743
744
Für „Set-Top-Box“ wird auch der Begriff „Integrated Receiver/Decoder“ (IRD) verwendet.
Vgl. Ulrich Freyer, DVB – Digitales Fernsehen, Berlin 1997, S. 119 ff.
Siehe Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 221 ff.
Vgl. Digitalfernsehen 3/2003, S. 9.
252
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Nach der ARD Digitalstudie 2000 erreichte in der Zeit der Untersuchung vom 13. 09. bis
15. 10. 2000 die D-Box bei den digitalen Fernsehnutzern einen Marktanteil von 83 %. Dies zeigt,
dass jedenfalls in der näheren Vergangenheit Digitalfernsehen in Deutschland in erster Linie
in Form von Pay-TV angeboten und der Pay-TV-Markt bislang durch die Decoderpolitik und
Alleinstellung der Programmangebote von Premiere geprägt wurde. Deren Empfang war bis
zum Jahr 2002 nur mittels der D-Box möglich (s. u.). Folglich waren die im Jahr 2000 gemessenen
Marktanteile anderer Decoder gering: 4 % Panasonic, 1 % Galaxis, 1 % Kathrein und 6 % andere
Marken.745 Aufgrund der aktuellen Entwicklungen bei der Geschäftsstrategie von Premiere und
am Markt für digitale Empfangsgeräte dürfte sich diese enge Marktstruktur zukünftig auflockern.
Veränderungen der Unternehmensstrategie von Premiere, deren Verschlüsselungspraxis und
Decoderpolitik erfolgten schrittweise parallel zu den Insolvenzen mehrerer Unternehmen der
KirchGruppe:
– Premiere kündigte am 08. 05. 2002 an, dass das „D-Box-Monopol“ (Dr. Georg Kofler,
Premiere-Geschäftsführer) beendet werde. Premiere bewirke eine „Öffnung des Marktes
für digitale TV-Receiver“, weil seit März 2002 Premiere außer über die D-Box auch über
andere Digital-Receiver empfangen werden kann. Solche alternativen Set-Top-Boxen sind
an dem Gütesiegel „Geeignet für Premiere“ zu erkennen.746 Die Hersteller TechniSat, Galaxis,
Humax und Micronik erhielten eine Lizenz, die es ihnen erlaubt, Set-Top-Boxen mit einem
integrierten Betacrypt-CA-Modul herzustellen und zu verkaufen. Berichtet wird, dass es
Voraussetzung für den Erhalt einer Lizenz sei, das Funktionieren der Jugendschutzvorsperre
von Premiere sicherzustellen und die Premiere-spezifischen interaktiven Anwendungen
bei Formel-1- und Fußball-Übertragungen zu unterstützen. Letzteres bezieht sich darauf,
dass beispielsweise bei Formel-1-Übertragungen per Fernbedienung ein Menü aufgerufen
wird und zwischen mehreren verfügbaren Perspektiven umgeschaltet werden kann. Bei
Fußballübertragungen sollen per Fernbedienung die Menüfunktionen und die Konferenzschaltungen wiedergegeben werden.
– Am 10. 10. 2002 meldete Premiere, dass ihre Programme über Common-Interface-(CI)Receiver zu empfangen seien. Dazu werde ein firmeneigenes CI-Modul eingeführt, das die
Premiere-Programme entschlüsselt. Zugleich werde Premiere auch Herstellern von CIReceivern eine Lizenz erteilen.747 Zu diesem Punkt wird berichtet, dass das Premiere-CIModul ein spezielles CA-Modul ist, das von SCM Microsystems, Inc., Ismaning, hergestellt
wird. Diese Firma wird als der alleinige Zulieferer des Premiere-CI-Moduls bezeichnet.
Bei einem CA-Modul (CAM = auch PCMCIA-Karte) handelt es sich um eine Steckkarte bzw.
um eine externe Baugruppe, die ungefähr die Größe einer Kreditkarte hat. Am Decodergerät befindet sich eine für das CA-Modul vorgesehene Steckverbindung. Bei diesem
Steckplatz für das CA-Modul handelt es sich um die äußere Schnittstelle der Set-Top-Box,
die als Common Interface (CI, einheitliche Schnittstelle) bezeichnet wird. Sie ist eine
europaweit genormte Steckverbindung für CA-Module. Dort wird das CA-Modul eingeführt.
Die Funktion des CA-Moduls ist, die Verschlüsselung des Conditional-Access-Systems wieder
745 5 % der befragten Nutzer digitalen Fernsehens konnten keine Auskunft zu ihrem Decoder geben; vgl. ARD-Projektgruppe Digital, Digitales Fernsehen in Deutschland – Markt, Nutzerprofile, Bewertungen, in: Media Perspektiven
4/2001, S. 202 ff.
746 Vgl. Pressemitteilung der Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG vom 08. 05. 2002, KirchPayTV beantragt Eröffnung
des Insolvenzverfahrens, Kofler: „Ballast der Vergangenheit abwerfen“, Sendebetrieb von Premiere nicht gefährdet,
Fortschritte bei der Sanierung des Kerngeschäfts.
747 Vgl. Pressemitteilung der Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG vom 10. 10. 2002, Premiere ab Ende Oktober mit
CI-Modul empfangbar, Erste Premiere geeignete Common-Interface-Receiver von Kathrein und Nokia.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
253
zu entschlüsseln. Ein CA-Modul ist von der Smart-Card zu unterscheiden. Die Smart-Card
ist die Abonnentenkarte. Hierbei handelt es sich um eine Chipkarte, die einer Kreditkarte
gleicht. Sie wird in einen dafür vorgesehenen Einsteckschacht eingeführt. Dieser Einsteckschacht befindet sich im CA-Modul bzw. in dem speziellen Premiere-CI-Modul; d. h., in das
Premiere-CI- bzw. CA-Modul wird wiederum die Smart-Card des Pay-TV-Veranstalters
hineingesteckt. Die Funktion der Smart-Card kann mit einem elektronischen Schlüssel
verglichen werden. Sie wird dem Abonnenten vom Pay-TV-Veranstalter bereitgestellt, weil
sie die Daten der Teilnehmer zur Identifizierung bzw. zur Prüfung der Zugriffsberechtigung
enthält. Auf Basis dieser Daten werden von der Verwaltung des Programmveranstalters
programm- und teilnehmerspezifische Schlüsselsignale zur Freischaltung des Decodergeräts übertragen. Von anderen am Markt erhältlichen CA-Modulen unterscheidet sich
das spezielle Premiere-CI-Modul, weil darin eine Abfrage eingebaut wurde, die beim EinCI-Steckplätze (Anzahl)
Embedded
CA
D-Box
Mietreceiver, Kaufreceiver
(Restposten), D-BoxÜbernahmeangebote
Nokia D-Box 1
Nokia D-Box 2
Philips D-Box 2
Sagem D-Box 2
0
0
0
0
1
1
1
1
Betacrypt fest eingebaut
Axis Premium S
Galaxis Easy World
Galaxis Classic World
Galaxis pop plus
Hirschmann CSR 5012 CI
Humax BTCI-5900
Katelco CI 3000/P
Orbitech CI 350
Panasonic TU DSF 40 P
Samsung SBCCI-703-E (geplant)
TechniSat Digibox Beta 1
TechniSat Digibox Beta 2
TechniSat DIGITAL P
TechniSat DIGITAL CIP
2
2
2
0
2
2
2
1
1
2
0
2
0
1
2 u. a. für Premiere CI-Modul
2 u. a. für Premiere-CI-Modul
2 u. a. für Premiere-CI-Modul
1 für Premiere-CI-Modul
2 u. a. für Premiere CI-Modul
2 u. a. für Premiere CI-Modul
1 für Premiere CI-Modul
1 für Premiere CI-Modul
1 für Premiere CI-Modul
2 u. a. für Premiere CI-Modul
Premiere-Decoder1)
für Premiere-CI-Modul
Grundig Selio DTR 5210 S CI
Kathrein UFD 350
Loewe, DTV Aufrüstsatz 2
Nokia Mediamaster 211 S
Philips DSR 2000
Philips DSR 2015
Philips DSR 5600 MHP
TechniSat DIGIT CI
Telstar CI Diginova 2 CI
Telstar CI Diginova 2 P
Satellit (S)
Kabel (C)
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
Betacrypt
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
–
ja
–
ja
–
ja
–
–
–
–
–
–
ja
ja
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
1) Eigene Recherche der KEK
Abbildung II-23: Premiere-Decoder
Quellen: Premiere, Händlerinformationen, Zeitschriften Digitalfernsehen und infosat; Stand: September 2003.
Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei den Preisen ist eine dynamische Entwicklung zu
verzeichnen. Hierzu ist auch der Hinweis wichtig, dass Kaufreceiver des Öfteren in Abhängigkeit vom Abschluss eines Premiere-Abonnementvertrages und der Vertragslaufzeit deutlich preiswerter erhältlich sind.
254
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
stecken in den Decoder das Gerät auf die Lizenzierung durch Premiere überprüft. Handelt
es sich um einen CI-Digitalreceiver, der keine Lizenz von Premiere hat, funktioniert das
Modul nicht. Demnach entspricht das Premiere-CI-Modul nicht anderen, am Markt erhältlichen Betacrypt-CA-Modulen. Der Premiere-Abonnent erhält es gratis bei Abschluss eines
Abonnentenvertrages. Er kann es bereits bei Abschluss des Mindest- bzw. Einsteigerpakets
(Premiere Start) erhalten. Anders als in der Vergangenheit ist es somit nicht mehr erforderlich, dass der Premiere-Kunde auch einen Decoder von Premiere kauft oder mietet. Das
Premiere-CI-Modul verbleibt allerdings im Eigentum von Premiere. Berichtet wird, dass alle
Decoder mit CI, die das Prädikat „Geeignet für Premiere“ tragen, das Modul unterstützen.
Folglich erfüllen die ansonsten im Fachhandel erhältlichen CI-Decoder zwar auch den
technischen Common-Interface-Standard. Premiere zufolge erfüllen sie aber nicht die
darüber hinausgehende, von den Landesmedienanstalten den Geräteherstellern auferlegte
Jugendschutzfunktion. Deshalb können sie auch nicht die Premiere-Programme empfangen.748
– Die aktuellen Entwicklungen bei der Decoderbasis betreffen vor allem die Digitalkunden
von Premiere, die ihre Programme über Satellit empfangen. Schwieriger stellt sich zur Zeit
die Situation im Kabelbereich dar. Zwar sind außer der Kabel-D-Box einige alternative SetTop-Boxen mit fest eingebautem Betacrypt-CA-Modul für den Kabelempfang von Premiere
erhältlich. Für den Kabelempfang scheinen zur Zeit aber von Premiere für das PremiereCI-Modul lizenzierte Set-Top-Boxen im Fachhandel nicht erhältlich. Hierin drückt sich vermutlich auch die Unsicherheit über die Zukunft des Fernsehkabels aus, d. h. darüber, welche
Strategie die neuen Eigentümer der Netze verfolgen werden.
Bekanntlich hat die Deutsche Telekom AG (DTAG) ihre verbliebenen sechs Kabelfernsehregionen an ein Finanzinvestorenkonsortium aus Apax Partners, Goldman Sachs Capital
Partners und Providence Equity verkauft.749 Offen ist, ob und inwieweit die Zusammenarbeit mit der BetaResearch Gesellschaft für Entwicklung und Vermarktung digitaler Infrastrukturen mbH (BetaResearch) fortgesetzt wird und welche anderen Überlegungen zur
Decoderinfrastruktur angestellt werden. Die DTAG hatte als marktbeherrschender Kabelnetzbetreiber entschieden, ausschließlich die D-Box- und Betacrypt-Technologie für ihre
Kabelnetze zu nutzen.750 Ob die Deutsche Telekom im Zuge des Verkaufs ihres Kabelnetzes
die neuen Eigentümer vertraglich zur Nutzung einer bestimmten Technologie verpflichtet
hat, ist noch nicht bekannt.751
– Zur Zeit zeichnen sich grundlegende Veränderungen bei dem technischen Zugangssystem
von Premiere ab. Deren konkrete Auswirkung ist aber noch schwer einzuschätzen. Bislang
war BetaResearch der technische Dienstleister im Bereich der Middleware für die D-Box
(D-Box-API/Betanova) und des Betacrypt-Verschlüsselungssystems. Nach der Unternehmensmitteilung wird die Betacrypt-CA-Technologie künftig nicht mehr die Grundlage
der Systemtechnologie bilden. Premiere hat aber auch angekündigt, BetaResearch in den
Systemwechsel einzubinden.752 Die konkrete, zukünftige Funktion von BetaResearch erscheint zur Zeit noch unklar.
748 Vgl. Pressemitteilung der Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG vom 10. 10. 2002.
749 Vgl. Pressemitteilung der Deutsche Telekom AG vom 28. 01. 2003, Deutsche Telekom verkauft Kabel-TV-Aktivitäten
der verbliebenen sechs Regionen an ein Investorenkonsortium.
750 Siehe Beschluss der KEK vom 26. 01. 1999 i. S. Premiere, Az.: KEK 026, II 6.2.1; auch MMR 1/2001: S. X f.
751 Dazu ausführlich Beschluss der KEK vom 26. 01. 1999 i. S. Premiere, Az.: KEK 026, II 6.2.1.
752 Vgl. Pressemitteilung von Premiere vom 26. 03. 2003.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
255
Zwischen der BetaResearch und Premiere bestanden über die Conditional-Access-Technologie lizenzvertragliche Vereinbarungen. Danach ist BetaResearch Inhaberin ausschließlicher und unbefristeter Lizenzen für die Betacrypt-(Irdeto-)Verschlüsselungstechnologie
zur Verschlüsselung von Programmen auf der Basis des D-Box-Decoders. Sie verfügt über
die Lizenzen für Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Lizenzgeber ist
die niederländische Firma DigCo B. V., an der die KirchGruppe und die zur südafrikanischen
MIH-Gruppe gehörende Irdeto B. V. mit jeweils 50 % beteiligt sind (Stand: 27. 05. 1998).
Bislang hatte BetaResearch die Funktion, die Zugangstechnologie an Pay-TV-Veranstalter,
Anbieter technischer Dienstleistungen für digitales Fernsehen und Hersteller von Decodergeräten zu lizenzieren.753
Der Firma BetaDigital erteilte BetaResearch die für die Entwicklung und Vermarktung
digitaler Infrastrukturen notwendigen Lizenzen.754 Der Betrieb von BetaDigital ist nach
ihrer Insolvenz von der von Premiere neu gegründeten Tochterfirma DPC Digital PlayoutCenter GmbH vollständig übernommen worden.755 DPC betreibt ein Playout-Center und
Sendezentrum für Premiere, in dem für die digitalen Programme die Verschlüsselung,
Datenkompression, Multiplexierung und Satelliten-Up-Link zur digitalen Programmplattform durchgeführt werden. Außer für Premiere erbringt DPC solche Dienstleistungen auch
für Dritte.756
– Am 26. 03. 2003 kündigte Premiere an, im Herbst 2003 das derzeitige Verschlüsselungssystem Betacrypt gegen das CA-System Nagravision der Kudelski-Gruppe auszuwechseln.
Hierzu führen Premiere und die Kudelski-Gruppe auch Gespräche mit den Unternehmen
der deutschen Kabelbranche.757 Der Systemwechsel würde für die Premiere-Kunden problemlos durch einen Austausch der jeweiligen Smart-Card durchgeführt. Berichtet wird,
dass alle offiziellen Set-Top-Boxen zum Premiereempfang, d. h. die als Premiere-geeignet
lizenzierten D-Boxen und die Premiere-CI-Module, weiterhin funktionieren werden.758
Presseberichten zufolge werde bei der Umstellung BetaCrypt 1 und Nagravision gleichzeitig ausgestrahlt (Simulcrypt-Verfahren).759
2.7.6
Elektronische Programmführer
2.7.6.1
Bedeutung von elektronischen Navigationssystemen
beim Digitalfernsehen
Aufgrund der gestiegenen Angebotsvielfalt haben Programmführer (Navigatoren, elektronische
Programmführer bzw. Electronic Programme Guide (EPG) oder Interactive Programme Guide
(IPG)) eine große Bedeutung für den Zugang zum digitalen Fernsehen. Bereits heute werden
mehrere 100 Kanäle digital über Satellit verbreitet. So strahlt zum Beispiel das Satellitensystem
Astra über die Orbitalposition 19,2 Grad Ost per 07. 01. 2003 insgesamt 159 teils frei empfang753 Vgl. Beschluss der KEK vom 26. 01. 1999 i. S. Premiere, Az.: KEK 026, II 6.2.1 und II 2.3; auch Europäische Kommission,
Entscheidung vom 27. 05. 1998, IV/M.1027, Deutsche Telekom/BetaResearch, Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften, Abl. L 053 vom 27. 02. 1999, S. 31–45, hier: Tz. 9, S. 3, abgedruckt in: Media Perspektiven, Dokumentation, Nr. II, 1998, S. 61.
754 Vgl. ebenda.
755 Vgl. infosat 2/2003, Nr. 179, S. 10; auch Digitalfernsehen 1/2003, S. 12–15.
756 Siehe oben Kap. II 2.7.2 Multiplexierung.
757 Siehe Pressemitteilung von Premiere vom 26. 03. 2003; auch Digitalfernsehen 10/2003, S. 7.
758 Vgl. Digitalfernsehen 8/2003, S. 14.
759 Vgl. infosat 5/2003, Nr. 182, S. 8 f.
256
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
bare, teils abonnierbare digitale Fernsehprogramme für den deutschsprachigen Raum aus. Darunter sind 63 freie Programme aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz, 51 internationale
Programme, 1 internationaler Pay-TV-Kanal und die 44 Programme von Premiere, die das einzige
im deutschen Sprachraum beziehbare Pay-TV-Bouquet darstellen. Andere, ebenfalls über diese
Orbitalposition von Astra vertriebene Pay-TV-Digitalbouquets (z. B. Canalsatellite, Canal Digitaal,
Canal Satélite Digital) können in Deutschland nicht abonniert werden, denn aus urheberrechtlichen Gründen werden alle Bouquetangebote immer nur im Land ihres Ursprungs vertrieben.
Eine Vielzahl deutschsprachiger Programme strahlt auch das Eutelsat-Satellitensystem (Hotbird)
über die Orbitalposition 13 Grad Ost aus.
Aufgrund der unübersehbaren Vielzahl möglicher Digitalprogramme ist der Zuschauer darauf
angewiesen, möglichst schnell und bequem zu den gewünschten Programmen zu finden. Diese
Dienstleistungsfunktion erfüllen elektronische Programmführer bzw. Navigationssysteme. Sie
sollen den Zuschauer bei der Auswahl und beim Auffinden der von ihm bevorzugten Programme
unterstützen. Einige Studien zur Fernsehnutzung in digitalen Haushalten heben hervor, dass
unter den Angeboten an interaktiven Fernsehdiensten die elektronischen Programmführer den
größten Zuspruch erfahren. GoldMedia Consulting & Research hat ermittelt, dass in Großbritannien
drei Viertel der Digitalhaushalte vornehmlich den EPG nutzen.760 Während interaktive Dienste für
Digitalfernsehnutzer nur eine untergeordnete Bedeutung haben, nutzen 73 % der Befragten den
EPG regelmäßig.761 Zudem geben ca. die Hälfte der Zuschauer in britischen Digitalhaushalten
an, sie würden den ihnen zur Verfügung stehenden EPG häufiger nutzen als irgendeine andere
Quelle für Programminformationen.762 Horst Stipp, National Broadcasting Company (NBC), betont,
dass sich in den USA beim jungen Publikum ein im Vergleich zu Deutschland starker Rückgang
in der Nutzung von Programmzeitschriften feststellen lässt. Allerdings bestehe eine Nachfrage
nach Programminformationen, die dazu führe, dass EPGs bei digitalen Fernsehzuschauern sehr
beliebt seien.763
2.7.6.2
Navigationssysteme, EPG und Medienkonzentration
Wegen der Orientierungsfunktion der Programmführer für den Nutzer des digitalen Fernsehens
hat er eine wichtige Bedeutung für den Zugang zum digitalen Fernsehen. Die Platzierung eines
Programms im Programmführer kann ausschlaggebend dafür sein, wie viele Zuschauer das Programm nutzen. Wettbewerbs- und auch meinungsrelevante Zugangsfragen entstehen, weil der
Bedarf des Zuschauers an anbieterneutraler Zugangsinformation u. U. nicht im Interesse eines
veranstalter- oder plattformeigenen EPG-Anbieters steht, der keine Werbung für seine Konkurrenten machen und eher die eigenen Programme hervorheben wird.
Zu unterscheiden ist zwischen einem bouquet-übergreifenden (Basis-) Navigator und dem
bouquet-eigenen elektronischen Programmführer (Electronic Programme Guide, EPG). Der
Rundfunkgesetzgeber unterwirft (Basis-) Navigatoren einer eigenen Zugangsregulierung (§ 53
Abs. 2 RStV). Der Basisnavigator soll quasi das Einstiegsportal zur digitalen Plattform darstellen
und im ersten Nutzungsschritt gleichgewichtig auf die verschiedenen Angebote hinweisen sowie
760 Siehe Financial Times Deutschland vom 17. 12. 2002.
761 So eine Befragung im Auftrag des Office of Telecommunications (OFTEL) von Mai und Juli 2000. Vgl. auch Jochen
Zimmer, Großbritannien und Frankreich: Vorreiter für digitales und interaktives Fernsehen, in: Media Perspektiven
10/2000, S. 444.
762 Vgl. Uwe Hasebrink, Das Zuschaueranteilsmodell: Herausforderung durch Pay-TV und Online-Medien, abgedruckt
in: Jahresbericht der KEK 2000/2001, S. 160–213, hier: S. 198.
763 Vgl. Horst Stipp, Der Konsument und die Zukunft des interaktiven Fernsehens, in: Media Perspektiven 7/2001,
S. 375 f.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
257
ein unmittelbares Einschalten der einzelnen Programme ermöglichen. Alle verfügbaren Angebote
sollen gleichberechtigt und ohne positive oder negative Bewertung aufgeführt werden.
Bei einem Navigator handelt es sich um eine im Rechner der Set-Top-Box installierte Betriebssoftware. In seiner einfachsten Form stellt er das gesamte Programmangebot auf der Grundlage
einer Auswertung der Service-Informationen (SI) dar. Die Fernsehveranstalter strahlen die SI
gemeinsam mit dem digitalen Datenstrom ihres Programms aus. Die SI sind ein integraler
Bestandteil eines Digitalfernsehsystems, das dem DVB-Standard entspricht. Sie enthalten im
Wesentlichen grundlegende Programminformationen wie Programmnamen, Sendungstitel,
Beginn, Ende, Dauer der Sendung und Genrebezeichnung, damit die Software der Set-Top-Box
einfache Verzeichnisse erstellen kann. SI können dazu verwendet werden, dem Benutzer unmittelbar nach dem Einschalten der Set-Top-Box die wichtigsten Informationen zur Navigation
innerhalb der Programmvielfalt anzuzeigen.
Die Gerätehersteller entwickeln zur Auswertung und Darstellung der SI eine für die Set-TopBox-Nutzer möglichst nutzerfreundliche Software. Solche Navigatoren können auch von Dritten
entwickelt werden, wie zum Beispiel von Kabelnetzbetreibern. Letztere können sich etwa dafür
interessieren, dass ihren Kunden eine Benutzeroberfläche zur Verfügung steht, die auf den SI
basierende Verzeichnisse für das Fernsehen darstellt und dies zugleich in eine Benutzeroberfläche
integriert, die auch den Zugang zu weiteren Anwendungen wie z. B. Internet oder E-Mail aufführt.
Elektronischer Programmführer (EPG): Zusätzlich zum (Basis-) Navigator bieten Plattformbetreiber oder Bouquetanbieter in der Regel eine weitere elektronische Orientierungshilfe an,
die dem Zuschauer vor allem ihr Programm oder das Bouquet aller von ihnen bereitgestellten
Programme optisch attraktiv präsentiert, viele Zusatzinformationen liefert und möglichst einfache
und nützliche Hilfsfunktionen zur Suche und Auswahl ermöglicht. Der Vergleich mit den Funktionen
des Basisnavigators zeigt, dass es sich beim EPG um einen technisch deutlich anspruchsvolleren
und redaktionell gestalteten Programmführer handelt, der mit verschiedenen Zusatzinformationen und Software-Anwendungen versehen sein kann. Im Unterschied zum Basisnavigator
erstellt ein EPG nicht nur einfache Verzeichnisse. Vielmehr handelt es sich um eine umfassende
Programminformation, die redaktionell gestaltet und als eigener (Medien-) Dienst vom EPGAnbieter ausgestrahlt wird. Somit ähnelt die Funktion eines EPGs derjenigen einer sendereigenen
Programmzeitschrift. Hierzu bedarf es unter Umständen einer sehr komplexen Software, die ausreichend Speicherkapazität der Set-Top-Box voraussetzt. Anders als der Basisnavigator benötigt
der EPG auch zusätzliche Übertragungskapazität. EPGs werden medienrechtlich nicht als eigenständiges Rundfunkprogramm behandelt, sondern als eine Mediendienstleistung, und unterliegen insoweit den Bestimmungen des Mediendienstestaatsvertrags.764
EPGs gibt es in unterschiedlichen Erscheinungsformen:
– programmgebundene EPGs einzelner Veranstalter, die den Zuschauern insbesondere
das jeweils eigene Programm bzw. Programmbouquet erschließen wollen (z. B. PREMIERE
EPG, ARD EPG, ZDF EPG), und
– unabhängige EPGs von Dritten, die den Zuschauern bouquetübergreifend anbieterneutral spezifische Dienstleistungen anbieten (z. B. Hörzu EPG, SiehFern INFO).
Regulatorisch ist zu überlegen, ob für anbieterneutrale, bouquetübergreifende EPGs eine Zugangsregulierung vorgesehen werden sollte, die mit derjenigen für Basisnavigatoren vergleichbar ist.m
764 Vgl. Zulassungsantrag der RTL Television GmbH zur Veranstaltung eines digitalen Programmbouquets, Beschluss
der KEK vom 19. 10. 1999, Az.: KEK 052, II 1.3.
258
2.7.6.3
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Entwicklungsstand
Basisnavigator der D-Box ist das Tele Online Navigation Instrument (TONI). TONI kann die ServiceInformationen der Programme vollständig auswerten. Ergänzend dazu wertet er auch einen
Datenstrom mit weiteren Informationen zu den Programmen aus, die hierzu von Premiere parallel
übertragen werden. TONI listet zwar auch die Programme anderer Bouquets tabellarisch auf,
ihre Programmdaten werden aber nicht zu der vollständigen Zufriedenheit der Veranstalter angezeigt.
Seit Ende 2001 ermöglicht Premiere bei der D-Box 2 über spezielle Funktionstasten auf der
Fernbedienung zusätzlich zu TONI noch den Zugang zum neuen premiereeigenen elektronischen
Programmführer (PREMIERE EPG). Voraussetzung für die Verfügbarkeit dieses EPGs ist, dass der
Abonnent auf seiner D-Box die neueste Betriebssoftware-Version betanova 2.01 installiert. Es
handelt sich um einen speziell für die Programme der Premiereplattform entwickelten und von
Premiere redaktionell betreuten Programmführer. Die übrigen über die D-Box empfangbaren
digitalen Programme werden nicht dargestellt.
Auch die ARD hat für ihr digitales Bouquet einen EPG geschaffen. Er ermöglicht eine integrierte
„Lesezeichen“-Funktion. Damit wird den Redaktionen die Möglichkeit gegeben, die Zuschauer
auf andere interessante Sendungen hinzuweisen, die mit dem Thema der laufenden Sendung zu
tun haben. Der Zuschauer kann aufgrund des Hinweises bei Interesse die Sendung auswählen
und vormerken. Daraufhin erinnert eine Zeiteinrichtung zum gegebenen Zeitpunkt an die vorgemerkten Sendungen. Außerdem können über einen Katalog Stichwörter ausgewählt und
gespeichert werden. Der EPG weist dann jeweils automatisch auf alle aktuellen Sendungen mit
diesem Stichwort hin. Das ZDF hat für sein Programmbouquet ZDFvision ebenfalls einen EPG
entwickelt. Auch RTL bietet mit RTL World TV Interactiv unter anderem einen kostenlosen EPG
an, der einen aktuellen Überblick über die Programme aller deutschsprachigen über den Satelliten
Astra ausgestrahlten Sender gibt.
Nicht nur Fernsehveranstalter, auch Gerätehersteller und Verlage von Programmzeitschriften
arbeiten an übergreifenden EPGs. Kabelnetzbetreiber sind ebenfalls an solchen EPGs interessiert.
So weist zur Zeit die Entwicklung der Angebote an EPGs eine bemerkenswerte Dynamik auf.
Zum Beispiel startete Anfang 2003 der Axel Springer Verlag in Anlehnung an die von ihm herausgegebene Programmzeitschrift einen Hörzu EPG. Die Entwicklung des Hörzu EPGs basiert auf einer
Zusammenarbeit der Berliner Firma GIST Communications, von Canal+ Technologies und dem Axel
Springer Verlag. Bislang können diesen EPG nur solche Zuschauer empfangen, die Digitalfernsehen
über Satellit und Set-Top-Boxen von Philips (MHP Receiver DSR 5600) empfangen. Geplant ist, dass
der EPG auf allen Set-Top-Boxen funktioniert, die den Standard MHP erfüllen. Die aktuelle redaktionelle Bearbeitung der Programmdaten soll direkt durch den Axel Springer Verlag erfolgen.
Ein weiteres Beispiel sind die Satelliten-Set-Top-Boxen der Firma TechniSat. Nach Angaben
des Herstellers sind alle Boxen mit einem für die Nutzer kostenlosen, von TechniSat redaktionell
gestalteten und programmübergreifenden EPG (SiehFern INFO) ausgestattet. Der EPG wird seit
1999 über das digitale Astra-Satellitensystem ausgestrahlt und läuft auf der von TechniSat selbst
entwickelten Betriebssoftware Apitech 1. 0.
2.7.6.4
EPG und Application Programming Interface (API)
EPGs Dritter benötigen eine Schnittstelle bzw. Application Programming Interface (API) in der
Betriebssoftware der Set-Top-Box. EPGs sind multimediale Anwendungen, Anwendungsprogramme (Application Program) bzw. Software-Anwendungen. Sie werden grundsätzlich für ein
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
259
bestimmtes API erstellt. Folglich muss die EPG-Software-Anwendung passend zum API der
Set-Top-Box geschrieben werden. Von einer „offenen Schnittstelle“ spricht man, wenn für diese
Schnittstelle eine eindeutige Vereinbarung oder eine verbindliche Standardisierung existiert und
die Daten dieser Schnittstelle allen Anwendern bekannt sind und frei zur Verfügung stehen.
Je nach Leistungsfähigkeit der Set-Top-Box sind entsprechende APIs enthalten, andernfalls
ist die Interoperabilität mit Drittanwendungen beschränkt. Zudem ist es erforderlich, dass der
zugehörige Prozessor der Set-Top-Box leistungsfähig genug ist. Außer beim EPG besteht diese
Problematik der geeigneten Betriebssoftware-Schnittstelle der Set-Top-Box auch bei allen anderen
interaktiven Anwendungen und Abrufdiensten.
Die D-Box ist nur bedingt für den EPG des Bouquets ARD Digital und dessen Online-Kanal geeignet. Die Darstellung der interaktiven Anwendungen der ARD erfordert eine Set-Top-Box, die
mit dem API von OpenTV oder der Multimedia Home Platform (MHP) ausgestattet ist. OpenTV
erfüllt die Voraussetzungen, die dem Standard entsprechen, den eine Set-Top-Box nach dem
Interessenverband Free Universe Network e. V. (F. U. N.-Universaldecoder) erfüllen muss. F. U. N.
vertritt unter anderem die Forderung nach Einführung von MHP als offenen Standard für interaktive Anwendungen im digitalen Fernsehen. Ähnlich wie für die ARD stellt sich die Situation für
das ZDF dar. Der EPG des ZDF funktioniert nicht vollständig über die D-Box 2. Auch das bislang
nur über Satellit ausgestrahlte interaktive Angebot von RTL, RTL World TV Interactiv, lässt sich
nicht auf der D-Box darstellen. Es funktioniert nur bei Set-Top-Boxen, bei denen OpenTV oder
MHP als Betriebssystem installiert ist.
Im September 2001 verständigten sich ARD, ZDF, KirchGruppe, RTL und die Landesmedienanstalten mit der gemeinsamen „Mainzer Erklärung“ auf die eine gemeinsame und offene API
ermöglichende Multimedia Home Platform (MHP). Die wesentlichen Inhalteanbieter verabredeten
sich, alle neuen interaktiven Funktionen auf Basis von MHP zu entwickeln und alle bestehenden
interaktiven Anwendungen in einem überschaubaren Zeitraum auf MHP zu überführen. Zudem
sollte nach der Mainzer Erklärung MHP im Juli 2002 mit dem Verkauf der MHP-Set-Top-Boxen im
Handel starten. Außerdem sollten die Fernsehsender mit der Bereitstellung ihrer MHP-Dienste
beginnen. In der Einigung wurden die Gerätehersteller aufgefordert, bis zum 01. 07. 2002 MHPkompatible Empfänger auf dem Markt einzuführen. MHP-fähige Endgeräte in Form von Set-TopBoxen und Fernsehgeräten mit integrierter MHP-Funktionalität werden von Panasonic, Philips,
Sony und ADB angeboten (Stand: Oktober 2002).
Diese – unverbindliche – Erklärung bedeutet eine Abkehr vom bisher vorherrschenden (API-)
Middleware-Standard der D-Box, betanova. Premiere kündigte zwar an, die D-Box technisch auf
MHP zu erweitern und die alten Boxen auszutauschen. Premiere nimmt eine zentrale Position bei
der Vergrößerung des Marktanteils von MHP-fähigen Set-Top-Boxen ein. Allerdings ist der Zeitpunkt
für die Umstellung der D-Box 2 auf MHP durch eine Software-Aufspielung aktuellen Meldungen
zufolge offen (Stand: September 2003). Im Vergleich zu MHP-Boxen gibt es erheblich preiswertere,
Premiere-geeignete Boxen, die ein schnelleres Anwachsen der Abonnentenzahlen versprechen.m
Erhebliche Unsicherheiten für die Einführung von MHP als gemeinsamen Standard ergeben
sich auch im Bereich des Kabelfernsehens. Bislang ist von den Kabelnetzbetreibern noch keine
Grundsatzentscheidung zu MHP bekannt. Liberty Media hatte vor Untersagung des Netzerwerbs
durch das Bundeskartellamt beabsichtigt, kostenlos an die digitalen Kabelkunden einfache und
preiswert herzustellende Set-Top-Boxen zu verteilen, die aber möglicherweise nicht MHP-fähig
sind.765 Nach bisherigen Verlautbarungen sind auch die neuen Eigentümer der Kabelnetze an
765 Vgl. Bundeskartellamt, B 7-168/01, Entscheidung Liberty Media Corporation, Englewood, Colorado/USA/Kabel
Deutschland GmbH (KDG).
260
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
einer zügigen Digitalisierung der Netze interessiert und wohl auch bereit, die hierfür erforderlichen Set-Top-Boxen zu subventionieren. Je höher die Kosten der Box, desto schwieriger und
langwieriger wird der Umstellungsprozess zum Digitalfernsehen ausfallen. Es besteht hier also
ein Zielkonflikt zwischen einer schnellen Umstellung und einer für die Veranstalter möglichst
komfortablen Ausrüstung der Endgeräte mit MHP. Die Veranstalter lehnen es allerdings ab, sich
an den Zusatzkosten für MHP zu beteiligen. Mangels entsprechend attraktiver interaktiver
Anwendungen dürfte es unwahrscheinlich sein, dass die Fernseh-Haushalte Mehrkosten für MHP
in Kauf nehmen wollen.
2.7.7
Fazit
Die Technik des Digitalfernsehens hat neue Dienstleistungsmärkte geschaffen. Die Multiplexierung
und die Digital-Analog-Wandlung (-Konvertierung) sind zusätzliche technische Dienstleistungen,
die beim digitalen Fernsehen im Unterschied zur analogen Verbreitungsform erforderlich sind.
Beim digitalen Pay-TV kommen Verschlüsselung, Zugangskontrolle (Conditional Access) und
Abonnentenverwaltung (subscriber management system) hinzu. Auch werden die Pay-TV-Programme regelmäßig von Plattformbetreibern in Paketen angeboten. Weitere Dienstleistungen
digitaler Plattformen sind (Basis-) Navigatoren und elektronische Programmführer (Electronic
Programme Guide, EPG).
Die Digitalisierung der einzelnen Inhalte und die Multiplexierung werden in einem PlayoutCenter durchgeführt. Konkrete Zugangsprobleme beim Multiplexing bestehen derzeit nicht.
Zugangsprobleme könnten sich aber bei Kapazitätsengpässen ergeben. Auch weil diese Bereiche
eng reguliert sind, sind diese Probleme bislang nicht praktisch relevant geworden.
Digitale Plattformbetreiber bündeln eigen- und fremderstellte Fernsehprogramme zu Programmpaketen (Bouquets) und vermarkten sie an die Haushalte. Der Plattformbetreiber führt die
Abonnentenverwaltung und -betreuung nicht nur für die Abonnenten seiner eigenen Programme,
sondern auch für die Abonnenten der Dritt- bzw. Fremdprogramme durch. Die Bündelung zu
Paketen ähnelt dem Veranstalten von Programmen, denn auch hier werden Inhalte aufgrund
von inhaltlichen Auswahl- und Bewertungsentscheidungen zu einem Gesamtprogrammangebot
zusammengestellt.
In Deutschland sind zur Zeit etwa vier Fünftel der Digitalempfänger Kunden der Pay-TV-Plattform Premiere. Bei kartellrechtlichen Prüfungen des deutschen Pay-TV-Marktes stand bislang die
monopolartige Stellung der Programmplattform von Premiere im Mittelpunkt. Die KEK wies bei
medienkonzentrationsrechtlichen Prüfungen der Beteiligungsveränderungen bei Premiere darauf
hin, dass Pay-TV-Programme bei der Entwicklung des digitalen Fernsehens in Deutschland eine
Schlüsselrolle einnehmen. Derzeit kommt ihnen aber im Hinblick auf die Bildung der öffentlichen
Meinung noch keine entscheidende Bedeutung zu.
Als technische Komponenten erfordert digitales Pay-TV ein spezielles System der Zugangskontrolle und eine Smart-Card-Technologie zur Freischaltung. Als administrative Komponente
wird eine Abonnentenverwaltung einschließlich eines Abrechnungssystems notwendig. Neben
dem Multiplexing und der kompatiblen Decoderbasis ist das Conditional-Access-System das
zentrale Element der Systemtechnologie für den Zugang zum Pay-TV-Markt.
Zentraler Bestandteil der technischen Plattform des digitalen Pay-TV ist die Decoderinfrastruktur der Set-Top-Box. Hierbei gelang es der KirchGruppe, über die dominante Programmplattform Premiere die patentrechtlich geschützten Standards zum digitalen Programmempfang
(D-Box), zur Verschlüsselung (Betacrypt-Conditional-Access-System) und Freischaltung bei der
Zugangskontrolle vorzugeben. Von dieser früheren Geschäftspolitik der KirchGruppe ist noch
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
261
heute die Marktsituation in Deutschland gekennzeichnet. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen
bei der Geschäftsstrategie von Premiere und am Markt für digitale Empfangsgeräte dürfte sich
aber diese enge Marktstruktur zukünftig auflockern.
Aufgrund der gestiegenen Angebotsvielfalt haben Programmführer eine große Bedeutung für
den Zugang zum digitalen Fernsehen. Der Rundfunkgesetzgeber unterwirft (Basis-) Navigatoren
einer eigenen Zugangsregulierung (§ 53 Abs. 2 RStV). Im Unterschied zum Basisnavigator erstellt
ein EPG nicht nur einfache Verzeichnisse. Vielmehr handelt es sich um eine umfassende Programminformation, die redaktionell gestaltet und als eigener (Medien-) Dienst vom EPG-Anbieter
ausgestrahlt wird. Die Entwicklung der Angebote an EPGs weist eine beachtenswerte Marktdynamik auf. Regulatorisch ist zu überlegen, ob für anbieterneutrale, bouquetübergreifende EPGs
eine Zugangsregulierung vorgesehen werden sollte, die mit derjenigen für Basisnavigatoren
vergleichbar ist.
EPGs Dritter benötigen eine Schnittstelle bzw. ein Application Programming Interface (API) in
der Betriebssoftware der Set-Top-Box. Mit der – unverbindlichen – „Mainzer Erklärung“ verständigten sich ARD, ZDF, KirchGruppe, RTL und die Landesmedienanstalten auf die eine gemeinsame und offene API ermöglichende Multimedia Home Platform (MHP). Dies bedeutet eine
Abkehr vom bisher vorherrschenden (API-) Middleware-Standard der D-Box. Der Zeitpunkt für
die Umstellung der D-Box 2 auf MHP durch Premiere ist aktuellen Meldungen zufolge allerdings
offen.
2.8
Übertragungswege (Kabel, Terrestrik, Satellit, Internet)766
2.8.1
Die Digitalisierung der Kommunikationswege
Die Verwendung digitaler Technik führt dazu, dass sich die Verbreitung von Fernsehprogrammen
mittels Kabel, Satellit und Terrestrik erheblich verändert. Sie ist seit dem Eindringen des Computers
und moderner Telekommunikationssysteme in alle menschlichen Lebensbereiche allgemein
bekannt und per se nicht mehr als revolutionär anzusehen. Jedoch erlangt sie von neuem eine
große Bedeutung für den Informations- und Kommunikationsbereich, da sie im Begriff ist, die
traditionelle Verbreitungsform – die analoge Sendetechnik – zu ersetzen. Dieser analoge SwitchOff ist nicht nur von Seiten der Medienwirtschaft erwünscht, sondern inzwischen auch politischer
Konsens. Die Bundesregierung ist deshalb der Empfehlung der Initiative „Digitaler Rundfunk“
gefolgt767 und hat in § 8 Abs. 3 der neuen Frequenzzuteilungsverordnung festgelegt, dass die
Frequenzzuteilungen für die analoge Rundfunkverbreitung für den Fernsehrundfunk bis spätestens
2010 und für den UKW-Hörfunk bis spätestens 2015 widerrufen werden sollen, was zur Folge
hat, dass danach nur noch eine digitale Übertragungsform768 möglich ist.
766 Die Darstellung zu Kabel, Satellit und Terrestrik ist im Wesentlichen dem Gutachten des Mainzer Medieninstituts
entnommen, vgl. Dieter Dörr, Viktor Janik, Nicole Zorn, Der Zugang zu den Kabelnetzen und die Regelungen des
europäischen Rechts, in: Schriftenreihe der Landesmedienanstalten, Der Zugang zum digitalen Kabel, Bd. 22,
Berlin 2002, S. 11 ff., 21 ff.
767 Vgl. Startszenario 2000, BMWi Dokumentation Nr. 481, S. 3 f.
768 Definitionen: 1) Bei einer analogen Darstellung wird die zu übertragende Größe (meist kontinuierlich verlaufend,
z. B. Spannung, Strom, Lautstärke, Helligkeit oder Farbe) durch eine andere physikalische Größe dargestellt (z. B.
Amplitude, Frequenz), die sich gemäß einer festen Beziehung entsprechend der zu übertragenden Größe verhält.
Diese Beziehung muss nicht linear sein. 2) Bei einer digitalen Darstellung wird die zu übertragende Größe in
diskrete Werte zerlegt und diese durch eine Ziffern-, Zahlen- oder sonstige Zeichenfolge dargestellt, wobei eine
festgelegte, eindeutige Beziehung – „Codierung“ – zwischen der zu übertragenden Größe und dem Codewert
existiert. Dabei entspricht jedes digitale Codewort genau einem Wert der darzustellenden Größe und umgekehrt.
Vgl. Fernsehen heute und morgen, Deutsche TV-Plattform, Nr. 15.1 – A1.
262
2.8.2
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Kabel
Von den derzeit verfügbaren analogen Übertragungswegen ist das Breitbandkabelnetz (BKNetz)769 der wichtigste, da fast 60 Prozent der deutschen Bevölkerung (ca. 21 Mio. Haushalte) an
diese Infrastruktur angeschlossen sind und weitere 4 Mio. Haushalte verkabelt werden können.770
Damit ist das deutsche Breitbandkabelnetz das größte in Europa.771 Diese Dominanz des Kabels
ist – außer in Dänemark, den Niederlanden und Belgien772 – in anderen EU-Ländern nicht vorhanden, da dort die Rundfunksignale in erster Linie über Terrestrik und Satellit verbreitet werden.
Dagegen ist im Bereich der digitalen Übertragung die Satellitenübertragung europaweit der
vorherrschende Übertragungsweg. Auch hier bildet die Bundesrepublik Deutschland eine Ausnahme, da von den „Digitalhaushalten“ rund 1 Mio. über Kabel und nur 0,75 Mio. über Satellit
empfangen773 und die anderen digitalen Kommunikationswege derzeit weder mit dem Kabel
noch mit den Satelliten konkurrieren können.
Das Breitbandkabelnetz beruht bisher auf einer Baumstruktur, das eine Punkt-zu-MultipunktKommunikation ermöglicht und als reines Verteilnetz genutzt wird.774 Im Hinblick auf die
zukünftige Entwicklung der digitalen Breitbandkommunikation ist die faktische Vorherrschaft des
Kabels als Rundfunkübertragungsweg nur ein Grund dafür, dass immer noch große Entwicklungspotenziale im Bereich der Kabelübertragung liegen dürften. Ein weiterer wichtiger Grund für
diese Prognose liegt darin, dass der mögliche digitale Ausbau des Kabelnetzes, der allerdings ins
Stocken geraten ist, dessen Charakter im Sinne eines reinen (Rundfunk-) Transportweges verändert und völlig neue Nutzungs- und Wertschöpfungspotenziale erschließen kann. Denn ein
auf 862 MHz aufgerüstetes rückkanalfähiges Kabelnetz ermöglicht – als ein Full-Service-Netz –
nicht nur die Verbreitung von Rundfunksignalen, sondern auch den Aufbau einer multimedialen
Wertschöpfungskette.775 Über das BK-Netz können dann auch ein High-Speed-Internetzugang,776
Telefonie und diverse Informationsdienste sowie Unterhaltungsangebote angeboten werden
(sog. „Triple-Play“). Die Möglichkeit der Kombination und Verbreitung verschiedener multimedialer
Angebote über denselben Kommunikationsweg macht das Kabel zu einer ökonomisch attraktiven
Infrastruktur. So halten manche die Vermarktung von Kabeltelefonie für erfolgversprechend, da
das BK-Netz einen zur Telefonleitung konkurrierenden Teilnehmeranschluss anbietet, so dass
769 Das BK-Netz ist in vier rechtlich selbständige Ebenen untergliedert:
NE 1:nTransportweg zwischen dem Inhalteproduzenten (z. B. Fernsehstudio) zu den Schaltstellen der DTAG (ausschließliches Eigentum der DTAG).
NE 2:nTransportweg (terrestrisch oder via Satellit) von den Schaltstellen zu den Breitbandkabel-Verstärkerstellen
(Headend).
NE 3:nTransportweg (via Kabel) zwischen Headend und dem Übergabepunkt (sog. ÜP 40), der meist an der
Grundstücksgrenze oder am Beginn einer Wohnsiedlung liegt.
NE 4:nTransportweg vom ÜP zur Kabelsteckdose in der Wohnung.
770 Vgl. XIII. Hauptgutachten der Monopolkommission, Tz. 634. Zur Jahresmitte 2000 stellten sich die Fernsehempfangsebenen in Deutschland wie folgt dar: 55,7 % Kabel, 35,7 % Satellit, 8,6 % Terrestrik. Vgl. Ergebnisse des
SES/ASTRA Satellite Monitors 2000, Studie in: Annette Keinath, Fernsehempfang und PC/Online-Ausstattung in
Europa, in: Media Perspektiven 10/2000, S. 452 f.
771 Vgl. zu den Penetrationsraten auch die Statistiken des Swiss Cable Yearbook 2000/2001, abrufbar unter http://
www.anga.de/statistik/statistik.html.
772 Diese Länder verfügen über weniger angeschlossene Kabelhaushalte, aber die Penetrationsrate ist vergleichsweise
höher als in Deutschland (64 %). So sind in Belgien und in den Niederlanden über 95 % der Haushalte verkabelt,
in Dänemark 66 %.
773 Vgl. Keinath, a. a. O., S. 452 f.
774 Vgl. Werner Möschel, Die Öffnung der Breitbandkabelnetze für den Wettbewerb, in: MMR Beilage 2/2001, S. 13.m
775 Vgl. Klaus Schrape, in: Global Media. Dokumentation der Münchner Medientage 2000, S. 231.
776 Es wird eine effektive Downstream-Rate von mehr als 1,5 MBit/s und damit eine bis zu 25-mal schnellere
Datenübertragung als bei herkömmlichen ISDN-Lösungen erwartet.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
263
nicht nur im Bereich der Ferngespräche, sondern auch für Ortsnetzgespräche ein Marktzugang
entsteht, der über ein großes ökonomisches Potenzial verfügt.
Der größte Vorteil des aufgerüsteten BK-Netzes dürfte im Bereich des Internetzugangs liegen,
da über ein Kabelmodem Daten mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von bis zu 10 MBit/s
empfangen werden können. Ferner kann das Internet als „always on“-Medium vermarktet werden,
so dass nur für die empfangenen bzw. versendeten Datenmengen, nicht aber für die „Online-Zeit“
Entgelte berechnet werden.777 Neben der Kabeltelefonie kann in den folgenden Jahren auch
„Voice over IP“ (VoIP) einen hohen Marktanteil erreichen.778 Diese Form der Telekommunikation
ist vor allem durch die Integration von PC und Telefonanlage interessant und ermöglicht dem
Kunden, ein Telefongespräch zu einem beliebigen Teilnehmer auf der Welt zu führen, wobei nur
die Kosten der Einwählverbindung von dem PC bis zum Provider anfallen.779 Die besondere
Attraktivität des Kabels besteht somit darin, den Endkunden einen Zugang zu den verschiedenen
multimedialen Anwendungen sowie vernetzte Systemlösungen „aus einer Hand“ anzubieten.
Zudem eröffnet die Möglichkeit, das „multimediale Portfolio“ über das populäre Fernsehgerät
zu empfangen, auch die Chance, solche Bevölkerungsgruppen mit der Anwendung moderner
Kommunikationsformen vertraut zu machen, die im beruflichen Alltag keinen Zugang zu diesen
Technologien (insbesondere Internet) haben. Dieser Umstand kann dazu beitragen, den gesellschaftspolitisch beklagten Prozess der Teilung der Bevölkerung in „information rich“ und
„information poor“ zu überwinden.780 Darüber hinaus verfügt das Kabel noch über ein großes
technisches Entwicklungspotenzial und kann dem steigenden Kommunikationsbedarf der
Informationsgesellschaft dadurch gerecht werden, dass es der Explosion der versendeten Datenvolumina mit einer entsprechenden Erweiterung der Bandbreiten begegnen kann. So können
auch die herkömmlichen Koaxialkabel technisch aufgerüstet werden, so dass sie in der Lage sind,
Datenströme mit einer Übertragungsrate von 10 MBit/s zu transportieren.781
Bislang wurde das Breitbandkabelnetz von der Deutsche Telekom AG aber nur in einem sehr
geringen Maß zur digitalen Nutzung ausgebaut. So wurde in der sog. Digitalphase 1 das Hyperband auf digitale Übertragung umgerüstet. Dadurch stehen 13 Kanäle zur Belegung mit digitalen
Fernsehprogrammen zur Verfügung.782 Trotz der Möglichkeit, die digitalen Kanäle mittels Datenkompression effektiv zu nutzen, werden diese auf Dauer nicht ausreichen, um den Rezipienten ein
Programmangebot zu bieten, das dazu geeignet ist, das Ende der „analogen Ära“ einzuleiten.783
Denn einerseits wurden aufgrund der Kanalknappheit im analogen Bereich (bis 300 MHz) die für
die digitale Übertragung vorgesehenen Kanäle im Hyperband (300 bis 450 MHz) teilweise zurück777 Vgl. Möschel, a. a. O., S. 15. Ein entsprechendes Internetangebot unterbreitet die Firma PrimaCom ihren Kabelkunden in Leipzig.
778 Die Marktforscher der Gartner Group gehen davon aus, dass in Deutschland im Jahr 2004 die Hälfte der verkauften
Endgeräte IP-Telefone sein werden, vgl. http://www.gartner.com.
779 Die VoIP-Lösungen sind jedoch technisch noch nicht in der Lage, qualitativ mit der herkömmlichen Kabeltelefonie
(z. B. ISDN-Telefone) zu konkurrieren, wenn über ein (öffentliches) Netz mit verschiedenen Betreibern kommuniziert
werden soll. Deshalb wird VoIP in den nächsten Jahren zunächst in den Intra-Netzen großer Unternehmen eingesetzt werden und dort zu merklichen Kostensenkungen im Telekommunikationsbereich führen, vgl. zu den
neueren Entwicklungen von VoIP Würtenberg, Sprache im Paketversand, Elektronik 15/2001, S. 44 ff.
780 Diese Informationskluft basiert in erster Linie darauf, dass einem großen Bevölkerungsteil das Verständnis zur
Anwendung moderner Digitaltechnik fehlt, was häufig mit dem Begriff „digital divide“ beschrieben wird.
781 In diesem Zusammenhang wird die dynamische Steigerung der Übertragungsbandbreiten als wesentlich wirkungsvoller angesehen als eine technisch aufwendigere und deshalb teurere Verbesserung der Kompressionstechniken,
vgl. hierzu Kaufmann, Kompression und Bandbreite im Wettlauf, Elektronik 16/2000, S. 68 und 73.
782 Vgl. epd medien 85/1999, S. 25, Belegungsvorschlag der Deutsche Telekom AG zur digitalen Nutzung des Hyperbandes.
783 Vgl. Funkkorrespondenz 8/2000, S. 12, UPC TV plant derzeit die Verbreitung weiterer Spartenprogramme, für die
aber kein Platz im digitalen Kabel zur Verfügung steht.
264
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
gebaut und mit analogen Programmen belegt,784 was den Digitalisierungsprozess zusätzlich verzögert. Andererseits wird spätestens die Simulcastphase zu einem dramatischen Frequenzengpass
führen, wenn nicht zuvor ein Ausbau der Übertragungskapazitäten erfolgt ist. Dieser notwendige
Frequenzausbau wurde von der bisherigen Netzeigentümerin, der Deutsche Telekom AG (DTAG),
nicht vorangetrieben, da das Kabelgeschäft defizitär verlief und zudem kein Interesse bestand,
den eigenen Telekommunikations- und Internetangeboten Konkurrenz zu verschaffen. In diesem
Zusammenhang erwies sich die doppelte Eigentümerposition der DTAG bei Telefon- und BK-Netz
als großes Hemmnis für die Entwicklung des Netzausbaus und dadurch auch für den Digitalisierungsprozess im Ganzen.785
Das volle Potenzial des BK-Netzes kann erst durch einen Frequenzausbau in der sog. Digitalphase 2 entfaltet werden, in der die Erweiterung des Frequenzbereichs von bisher 450 MHz auf
862 MHz sowie die Einrichtung eines Rückkanals zur Ermöglichung bidirektionaler Kommunikation von neuen Netzeigentümern durchgeführt wird.786 Um die bestehende Baumstruktur des
Kabelnetzes durch eine Punkt-zu-Punkt-Kommunikationsstruktur zu ersetzen, muss zwingend
der Ausbau und die Umrüstung des herkömmlichen Koaxialkabels erfolgen. Dies erfordert auch
die Verwendung moderner Kabeltechnik wie den Aufbau großräumiger Glasfaser-BackboneNetze. Doch der Erwerb und die flächendeckende technische Aufrüstung der Kabelnetze zu
Full-Service-Netzen mit eigenen vermarktungsfähigen Angeboten verlangen den Einsatz großer
Finanzressourcen (Schätzungen nennen ein Investitionsvolumen von insgesamt 100 Mrd. DM),787
die jedoch nur von der Privatwirtschaft erbracht werden können.788 Die notwendigen Investitionskosten für die technische Aufrüstung des BK-Netzes hängen dabei von dem jeweiligen Ausbaustand der einzelnen Netze und der Siedlungsdichte ab und sind deswegen sehr uneinheitlich.
Pro angeschlossenem Haushalt wurden die Kosten für den Kauf und die Ausbaukosten (ohne
die laufenden Betriebskosten) auf ca. 3.500 DM bis 4.200 DM geschätzt (Marktkapitalisierung).789
Derart hohe Investitionskosten wurden von der Deutsche Telekom AG gescheut und der notwendige Ausbau der Kabelnetze nicht konsequent vorangetrieben.
Nach dem nun vollständig vollzogenen Verkauf des BK-Netzes durch die DTAG an ausländische
Investoren ist die Erwartung eines raschen digitalen Ausbaus einer erheblichen Ernüchterung
gewichen. Die bisher noch unterschiedlichen Besitzverhältnisse an dem Kabelnetz der Ebenen 3
und 4 verhindern, dass die auf der Netzebene 3 erzielte Marktmacht auch vollständig ausgeschöpft werden kann. Denn dazu bedarf es des direkten Zugangs zu den Haushalten der
Verbraucher, der über die stark fragmentierte Netzebene 4 kontrolliert wird. Ferner muss das
Kabelnetz ausgebaut werden, um sein volles ökonomisches Potenzial zu entfalten. Da der
Ausbau des Kabels aber nicht staatlich verordnet werden kann, muss sich dieser letztlich unter
marktwirtschaftlichen Bedingungen vollziehen, was nur durch gewinnversprechende Anreize für
private Investoren in Gestalt multimedialer Wertschöpfungsketten verwirklicht werden kann.
784 Beispielsweise sind im Breitbandkabel der Firma PrimaCom im Bereich Mainz 6 Hyperbandkanäle mit analogen
Programmen besetzt.
785 Vgl. Möschel, a. a. O., S. 17.
786 Vgl. epd medien 7/2000, S. 13, und 19–20/2000, S. 22, Der Kabelbetreiber PrimaCom baut in Leipzig sein Kabelnetz
mit einer Bandbreite von 862 MHz und voller Rückkanalfähigkeit aus. Vgl. auch epd medien 11/2000, S. 17.
787 Vgl. Schrape, a. a. O., S. 238.
788 Das Investitionsvolumen für die Aufrüstung aller (Telekom-) Fernsehkabel auf eine Bandbreite von 862 MHz und die
Herstellung der Rückkanalfähigkeit wurde zunächst auf ca. 10 Mrd. DM geschätzt, vgl. Funkkorrespondenz
8/2000, S. 10, aber allein für die Aufrüstung des Kabelnetzes in Nordrhein-Westfalen stellt Kabel NRW mit dem
US-Investor Callahan 4 Mrd. DM bereit, dpa-Meldung vom 17. 05. 2001.
789 Vgl. Schrape, a. a. O., S. 238.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.8.3
265
Terrestrik
Der klassische Weg der Fernsehversorgung über analoge terrestrische Sender spielt in den letzten
Jahren eine immer geringere Rolle. So empfangen zur Zeit deutlich unter zehn Prozent der Seher
ihre Fernsehprogramme über die herkömmliche Hausantenne oder eine Gemeinschaftsantennenanlage – mit weiter stark abnehmender Tendenz. Dies kann sich bei der digitalen Datenübertragung ändern.
So ist im Ballungsraum Berlin/Potsdam bis zum Sommer 2003 die Fernsehversorgung über
analoge terrestrische Sender vollständig auf die digitale Übertragung umgestellt worden. DVB-T
(Digital Video Broadcasting-Terrestrial) löste erstmalig in Deutschland die herkömmliche analoge
terrestrische Fernsehübertragung komplett ab. Dies hatte die Bundesregierung auf Empfehlung
der Initiative Digitaler Rundfunk (IDR) am 24. 08. 1998 beschlossen und einen Zeitrahmen bis
spätestens zum Jahr 2010 vorgegeben. Weitere Einführungsszenarien für das terrestrische digitale
Fernsehen sind in den anderen Bundesländern ab 2004 geplant, wobei zunächst eine Versorgung
der Ballungsräume angestrebt wird.
Wegen des dem Rundfunk begrenzt zugewiesenen Frequenzspektrums konnte bislang nur
ein Teil der vorhandenen Programme analog terrestrisch ausgestrahlt werden. Die bei der Digitaltechnik effizientere Frequenzausnutzung erlaubt erstmals die Ausstrahlung vieler Programme,
die bisher nur über Kabel oder Satellit zu empfangen waren. So ist die Digitalisierung der
terrestrischen Übertragung auch Voraussetzung für die Entwicklung und Verbreitung neuer
Angebote. Es erscheint daher realistisch, dass die terrestrische Technik nach einem längeren Übergangszeitraum durchaus wieder Akzeptanz finden und sich zu einem ernsthafteren Konkurrenten
des Breitbandkabels bzw. der Satellitentechnik entwickeln kann, als dies derzeit der Fall ist. Anders
als bei den letztgenannten Übertragungsmedien fallen bei DVB-T für den Zuschauer auch keine
laufenden Kosten an; ebenfalls entfällt ein zum Teil hoher Installationsaufwand für die Antennen,
da eine kleine Stabantenne in der Regel ausreicht, um ein Fernsehbild in hochwertiger Qualität
empfangen zu können.
2.8.4
Satellit
Schon bei der analogen Verbreitung hat der Satellitendirektempfang erheblich und kontinuierlich
an Bedeutung gewonnen. Im Bereich der digitalen Rundfunkübertragung ist der Satellit das
innerhalb Europas am weitesten verbreitete Übertragungsmedium und wird diese dominante
Position noch ausbauen.790 Die Satellitentechnik verfügt über eine größere Übertragungskapazität
als das Breitbandkabel und kann den Empfängern somit deutlich mehr Programme anbieten.791
Die Satellitenübertragung dient dem Kabel als Programmlieferant, ist aber als Direktempfang
mit privater Parabolantenne gleichzeitig dessen stärkster Konkurrent. Der Vorteil des Satelliten
liegt zum einen darin, große Gebiete flächendeckend und kostengünstig versorgen zu können,
und zum anderen in der geringeren Regelungsintensität, der diese Verbreitungstechnik unterworfen ist.792 Über Satellit können auch Internet-Dienste zu den Empfängern gesendet werden,
wobei dieser Übertragungsweg über sehr hohe Datenraten verfügt und deshalb extrem kurze
790 Vgl. Statistik TV Verbreitung in Europa 1999/2004, Swisscable 2000, abrufbar unter http://www.anga.de/statistik/
t7/t7.html.
791 Der Satellit verfügt über ca. 120 Transponder, die jeweils mit 6–10 Programmen belegt werden können. Dagegen
verfügt das ausgebaute Breitbandkabel nur über ca. 90 Kanäle, die ebenfalls mit 6–10 Programmen belegt werden
können; vgl. Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 211.
792 Vgl. Entwicklung der BK-Netze in Deutschland, Teil 2, S. 92.
266
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Download-Zeiten gewährleisten kann, was insbesondere für die Vermarktung von Video-onDemand-Angeboten eine wesentliche Voraussetzung bildet. Die Rückkanalfähigkeit des Satelliten,
der eine klassische Point-to-Multipoint-Struktur aufweist, ist hingegen nur schwer zu realisieren,
weshalb in der bisherigen Praxis die volle Interaktivität nur über eine Rückverbindung via
Telefonkabel hergestellt wird, was wiederum die Koordination zweier unterschiedlicher Provider
voraussetzt. Deshalb bemühen sich die führenden Unternehmen SES/ASTRA und Eutelsat um
den Aufbau eines echten interaktiven Multimediaangebotes via Satellit. Dazu bauen sie die
breitbandigen Übertragungswege aus und machen sie rückkanalfähig. SES hat hierzu die Tochtergesellschaft SES Multimedia gegründet, die mit DVB-RCS ein Breitband-Satelliten-RückkanalSystem einführen wird. Ferner wirbt SES mit der Einführung von BBI, einem interaktiven Übertragungssystem, das eine Übertragungsgeschwindigkeit von 38 MBit/s im downstream und
2 MBit/s im upstream aufweist.793 Eine ähnliche Initiative wurde von Eutelsat mit der ServicePlattform Open-Sky und dem Dienst D-Sat 2000 gestartet.794 Aufgrund der flächendeckenden
Verbreitung der Satellitensignale und der Möglichkeit, die Kunden direkt über die privaten
Satellitenschüsseln zu erreichen, hat die Satellitenübertragung bisher die größten Möglichkeiten,
dem BK-Netz im Bereich Rundfunkübertragung und Internetzugang Konkurrenz zu machen. Diese
beiden Marktsegmente bilden in Zukunft eine Einheit, in der noch viel Entwicklungspotenzial
steckt. Hingegen ist der Bereich der Telefondienste wegen der schon weit fortgeschrittenen
Marktliberalisierung weitgehend gesättigt, so dass in diesem Bereich weniger Marktpotenzial
vorhanden ist.
2.8.5
Internet
Der Rundfunk ist nicht nur an die Übertragung per terrestrischer Verbreitung, Kabel oder Satellit
gebunden. Einen vierten möglichen Weg bietet die Internettechnologie.795 Dafür nutzt das Internet
in erster Linie das digitalisierte Telefonnetz und rückkanalfähige Fernsehkabel als physischen
Übertragungsweg. Durch die Digitalisierung wird die Konvergenz bislang getrennt genutzter
Empfangsgeräte und Inhalte möglich.796 Deshalb lässt sich das Internet auch als Verbreitungsmedium für Fernsehen verwenden. Vorausgesetzt die Endgeräte sind entsprechend ausgerüstet,
können am Computerbildschirm im Internet abgerufene Fernsehprogramme wiedergegeben und
am Fernsehbildschirm Web-Seiten dargestellt werden. Für die Verbreitung von Fernsehangeboten
bietet das Internet spezifische Vorteile. Zum Beispiel erzielt Fernsehen über das Internet eine
weltweite technische Reichweite. Auch kann das Internet ggf. für manche Special-Interest-Programme Vorteile aufweisen.
Fraglich ist jedoch, ob die Verbreitung von Rundfunk über Internet heute bereits eine ernst zu
nehmende Konkurrenz gegenüber den klassischen Wegen darstellt.
Radio- oder Fernsehangebote, die das Internet als Übertragungsweg nutzen, qualifiziert die
Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) nicht als Rundfunk, sondern als Mediendienst gemäß dem Mediendienstestaatsvertrag (MDStV). Nach der DLM wird mit Fernsehangeboten über Internet aufgrund der geringen Übertragungsgeschwindigkeiten und der damit
erreichbaren Bildqualitäten und Bildgrößen keine mit dem herkömmlichen Fernsehen vergleichbare Suggestivkraft und Breitenwirkung erzielt. Allerdings ist mit der technischen Weiter-
793
794
795
796
Vgl. Darstellung, abrufbar unter http://www.ses-astra.com/multimedia/platform.htm.
Vgl. hierzu Meldungen vom 10. 04. und 19. 04. 2001, abrufbar unter http://www.digiTV.de/meldungen.
Vgl. Technische Kommission der Landesmedienanstalten (TKLM), Radio und TV über Internet, Stand: 05. 03. 2003.m
Siehe Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 46 f.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
267
entwicklung von Hard- und Software eine andere medienrechtliche Bewertung möglich.797 Für die
nach rechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Unterscheidung von Rundfunk und Mediendienst gilt die Einschätzung der DLM, nach der „bei den derzeit bekannten Abrufangeboten im
Internet selbst bei Pendants klassischer Rundfunksendungen798 (noch) von Mediendiensten auszugehen“ ist.799 Derzeit kann sich die Frage nach einer Überprüfung dieser Unterscheidung aber
vermutlich nur beim Internet-Hörfunk (Web-Radio) stellen. Die Qualität der Übertragung von
Audiosignalen im Echtzeitbetrieb hat sich erheblich verbessert.800
Im Folgenden wird nicht auf die rundfunkrechtliche Begriffsbestimmung eingegangen,801
sondern es wird geprüft, ob oder inwieweit das Internet ein Übertragungsweg für Fernsehen ist.m
2.8.5.1
Technische Grundlagen für Fernsehübertragungen per Internet
Die Frage, ob das Internet ein weiterer Übertragungsweg für Fernsehen ist, stellt sich aufgrund
der Möglichkeiten, die die Streaming-Technologien bieten. So genannte Streaming-Angebote
ermöglichen auf Basis des Internet-Protokolls einen kontinuierlichen und gleichmäßigen Datenstrom. Die Übertragung auf Basis des Internet-Protokolls lässt damit den Abruf von Fernseh-,
Video-, Bild- und Tonsequenzen in Echtzeit zu.
Dateien für Audio- oder Videowiedergaben bestehen aus sehr großen Datenmengen. Aufgrund
der begrenzten Übertragungskapazitäten müssen sie komprimiert werden. Für die Komprimierungstechnik nimmt die 1998 gegründete Expertengruppe Motion Pictures Experts Group (MPEG)
die Aufgabe wahr, weltweit anerkannte Standards zur Quellcodierung von Audio- und Videosignalen zu entwickeln. MPEG-Übertragungsstandards für Audio- und Videodateien erlauben
sehr große Einsparungen, ohne dass ein Qualitätsverlust entsteht.
Anstatt eines PCs kann mit dem Internet auch ein Fernsehgerät verbunden werden. Die
Rechnerfunktionen erfüllt ein Decoder. Somit können Bild- und/oder Ton-Inhalte auf dem mit
dem Internet verbundenen Rechner auf dem PC oder dem Fernsehgerät in Echtzeit wiedergegeben werden, ohne dass die Daten auf die Festplatte des Rechners geschrieben werden
müssen. Die Daten verbleiben auf einem externen Server. Sie werden auf dem Rechner des
Nutzers nur zwischengespeichert. Folglich ist es nicht nötig, große Datenmengen vor Beginn der
Wiedergabe aus dem Netz herunterzuladen, sondern die Daten werden während der Wiedergabe
fortlaufend heruntergeladen und bereits abgespielte Daten gelöscht. Dadurch wird vergleichsweise wenig Speicherplatz benötigt; die Wartezeit bis zum Herunterladen sämtlicher Daten entfällt. Dieses Verfahren eignet sich zum Abruf von Bildern und Tönen (Video-Streaming) für Fernsehprogramme und Videos. Es können damit auch nur Töne (Audio-Streaming) für das Web-Radio
übertragen werden. Streaming erlaubt somit die Nutzung des Internets als Weg für die Verbreitung
klassischen Rundfunks.
797 Vgl. Pressemitteilung der DLM, Erstes Strukturpapier zur Unterscheidung von Rundfunk und Mediendiensten,
aktualisierte Fassung: Stand Dezember 1998; abgedruckt auch in: Reinhard Hartstein, Wolf-Dieter Ring, Johannes
Kreile, Dieter Dörr, Rupert Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, Kommentar, hier: Begriffsbestimmung § 2 RStV, Rn. 9.m
798 Z. B. „Tagesschau“ auf Abruf.
799 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, Kommentar, hier: Begriffsbestimmung § 2 RStV,
Rn. 25.
800 Vgl. Thomas Hirschle, Radio und Internet, Wie können Radio-Programme vom Internet profitieren?, Eine Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) und der Landesanstalt für Kommunikation BadenWürttemberg (LfK) am 11. 07. 2000, Berlin.
801 Siehe zum Rundfunkbegriff Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, a. a. O., Begriffsbestimmung § 2 RStV, Rn. 5 ff.; auch Werner Hahn, Thomas Vesting (Hrsg.), Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht,
München 2003, S. 120 ff.
268
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Beim Rundfunk handelt es sich herkömmlicherweise um einen Echtzeit-Betrieb.802 Im Folgenden werden bei den Streaming-Angeboten anhand von übertragungs- bzw. internettechnischen
Kriterien die Echtzeitübertragungen (Live-Streams) von den On-Demand-Streams und diese
wiederum vom Video-on-Demand (VoD, Offline-Betrieb) unterschieden.
Echtzeitübertragungen sind ständig fortlaufende Datenströme, in die sich der Nutzer einklinken kann. Der Nutzer hat hier keine Einflussmöglichkeit auf die gesendeten Bilder oder Töne.
Diese Technik wird für Internetradio, Internetfernsehen, aber auch von Webcams genutzt. LiveStreams werden nicht nur zum Dauerbetrieb angeboten. Es gibt auch das so genannte „Event
TV“, das singuläre Ereignisse wie z. B. Pressekonferenzen, Kultur- oder Sport-Veranstaltungen in
Echtzeit verbreitet.803
On-Demand-Streams werden erst abgespielt, wenn der Nutzer den entsprechenden Wiedergabe-Befehl aktiviert. Sie werden z. B. genutzt, um Film- oder Nachrichtenbeiträge aus Fernsehoder Hörfunkprogrammen, Musikvideoclips, Kinofilmtrailer, Werbespots, aber auch um Kurzfilme
im Netz zur Verfügung zu stellen.
Das Abspielen von Fernseh- oder Videoangeboten im Wege des Streaming stellt hohe Anforderungen an den Rechner des Nutzers, der bestimmte Systemvoraussetzungen an Rechenleistung, Speicherplatz, Bildschirmdarstellung und Download-Geschwindigkeit erfüllen muss.804
Viele Streaming-Angebote werden parallel in verschiedenen Datenformaten bereitgestellt, so
dass der Nutzer nicht gezwungen ist, alle Abspielprogramme zu installieren.
Außer vom Rechner wird die Qualität der Wiedergabe von der Übertragungsgeschwindigkeit
bestimmt, die ihrerseits von der Bandbreite der Internetverbindung abhängt. Um Fernsehen
über das Internet zu ermöglichen, bedarf es trotz der Datenkompression aufgrund der großen
Datenmengen einer breitbandigen Übertragungstechnologie. Die maximale Größe der Bandbreite und der Übertragungsgeschwindigkeit wird durch die Art des vom Sender und Empfänger
gewählten leitungsgebundenen Netzes bestimmt. Es stehen verschiedene breitbandige Internetzugänge bereit:
– xDSL (Digital Subscriber Line, digitalisierte Telefon-Anschlussleitung805) über das Telefonkabel (freier Frequenzbereich im Kupferkabel bzw. in der Kupferdoppelader),
– Satellitenverbindungen mit separatem Rückkanal über Kabel806 und
– rückkanalfähiges Fernsehkabel (Koaxialkabel).
Außer xDSL, Fernsehkabel und Satellitenfunk sind UMTS (Universal Mobile Telecommunication
System), Fixed Radio Access/Breitband Festnetz Richtfunk und Glasfaserleitungen weitere Zugangstechnologien, die Breitbandanwendungen zulassen.
DSL-Telefonleitungen
Bei Telefonleitungen (herkömmliche Kupferleitungen) ist mit der DSL-Technologie inzwischen ein
leistungsfähiger, schneller Internetzugang vorhanden. Als Übertragungsmedium für Fernseh802 Ob ein Abruf- oder Zugriffdienst im verfassungsrechtlichen Sinne als Rundfunk verstanden wird, hängt nicht von
der Wahlfreiheit des Nutzers hinsichtlich des Rezeptionszeitpunkts ab; siehe Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner,
Rundfunkstaatsvertrag, a. a. O., Begriffsbestimmung § 2 RStV, Rn. 5 ff., und auch Hahn, Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, a. a. O., S. 120 ff., hier insbesondere Rn. 19.
803 Vgl. http://www.streamworld.de/produkt2_1/index.htm.
804 Vgl. http://www.landesfilmdienste.de/streams/systemvoraussetzungen.html.
805 Das x kennzeichnet nur eine Leerstelle, denn beispielsweise T-DSL (Standard-DSL der DTAG), ADSL (Asymmetric),
HDSL (high data rate), SDSL (single line), VDSL (very high data rate) sind Bezeichnungen für unterschiedliche xDSLAngebote, die sich bezüglich der Leistungsfähigkeit unterscheiden. Außer bei SDSL und HDSL weicht auch die
Downstream-Kapazität (Empfangsübertragungsrate) von der Upstream-Kapazität (Rückkanalübertragungsrate) ab.
806 Für Internet über Satellit gibt die RegTP rd. 10.000 Nutzer an.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
269
programme ist die standardmäßige breitbandige DSL-Telefonleitung, wie z. B. das T-DSL der
Deutsche Telekom AG (DTAG), zur Zeit nur in Grenzen geeignet.
Bei einem DSL-Telefonnetz handelt es sich um eine grundlegend andere Netztechnik als
beim herkömmlichen Fernsehkabel. Werden Fernsehprogramme über das Internet abgerufen,
ist dies der gezielte Zugriff eines einzelnen Nutzers auf die Server von Vermittlungsstellen und
dem Anbieter des Fernsehprogramms. Anders als das herkömmliche Fernsehkabelnetz, das nur
als Verteilnetz aufgebaut ist, handelt es sich beim Telefonnetz um ein Vermittlungsnetz. Darüber
können einzelne Programmanbieter über Vermittlungsstellen angewählt und die Programme an
einzelne Adressaten gezielt übertragen werden. Beim Fernsehkabel wird das Programm eines
Senders nur verteilt, d. h., es wird zeitgleich an alle Haushalte ausgestrahlt. In der Bedeutung von
Vermittlungsstellen oder Netzknoten liegt der wesentliche Unterschied zwischen Telefonnetz
und herkömmlichem Fernsehkabelnetz. Bei der Übertragung von Fernsehprogrammen über DSLTelefonleitungen stehen deshalb die Kapazitäten und die Leistungsfähigkeit der Vermittlungsstellen oder Netzknoten im Mittelpunkt. Hier können Engpässe auftreten, wenn eine große Anzahl
von Teilnehmern auf Bewegtbilder für Fernsehen, Filme oder Videos zeitgleich zugreift. Dafür
müssten das Netz und die Vermittlungsstellen in der Lage sein, die gleichzeitige Übermittlung
der jeweils individuell abgerufenen, großen Datenmengen zu bewerkstelligen. Zur Vermeidung
der Engpässe sind Investitionen in die Knotenpunkte bzw. in die Vermittlungsstellen der Netzinfrastruktur erforderlich.
Als weiterer Engpassfaktor kommt noch die Länge der so genannten letzten Meile (aus Sicht
des Teilnehmers die erste Meile) hinzu. Dies ist der Bereich des Telefonkabels, der zwischen der
Vermittlungsstelle am Netz und dem hausinternen Anschluss liegt. Auch mit der DSL-Technologie
lassen sich nur Leitungslängen von wenigen Kilometern überbrücken. Deshalb ist vermutlich eine
flächendeckende Versorgung bzw. eine Versorgung dünn besiedelter Gebiete sehr kostspielig.m
Im Vergleich zum Fernsehkabel stellt auch die Übertragung über DSL-Telefonleitungen Anforderungen an die MPEG-Datenreduktion. An Übertragungsgeschwindigkeit ermöglicht das von
der DTAG angebotene asymmetrische T-DSL Datenübertragungsraten von 768/128 Kilobyte/s
(Empfangsgeschwindigkeit/Rückkanalgeschwindigkeit), d. h., der Teilnehmer kann mit einer
Übertragungsgeschwindigkeit von maximal 0,75 MBit/s Daten empfangen. Hierbei handelt es
sich um maximale Übertragungsraten, deren Erreichen vor allem von der Entfernung des Teilnehmeranschlusses von der nächsten Vermittlungsstelle abhängt. Ist die Entfernung zur Vermittlungsstelle größer als ca. 4 km, ist eine T-DSL-Anbindung nicht mehr möglich.807 Ein analoges
bzw. unkomprimiertes Fernsehprogramm benötigt gemäß dem heute angewandten Übertragungsstandard einen Kanal mit einer Bandbreite von 7 oder 8 MHz bei Verbreitung über das
Fernsehkabel,808 die Übertragungsrate dafür beträgt 38 MBit/s. Als Echtzeitkompression mit dem
MPEG-2-Verfahren können pro Kanal 7 bis 9 digitale Programme mit einer Übertragungsrate von
4 bis 6 MBit/s je Programm ausgestrahlt werden.809 Selbst daran gemessen, erscheinen die als
Standard angebotenen DSL-Telefonleitungen für Fernsehübertragungen eher nachteilig.
Über DSL-Telefonleitungen können zwar auch Fernsehprogramme im Echtzeitbetrieb empfangen werden. Die Bildqualität ist aber immer noch relativ schlecht und mit dem herkömmlichen
807 Vgl. T-Online mit T-DSL, unter http://www2.service.t-online.de/dyn/t-on/hilf/faq/tdsl/cc/cc-tdsl-faq.html.
808 Bei der Satellitenausstrahlung werden größere Bandbreiten je analogem Fernsehkanal benötigt.
809 Damit wird eine PAL vergleichbare Qualität erreicht, vgl. Technische Kommission der Landesmedienanstalten
(TKLM), a. a. O. Andere Quellen bezeichnen Übertragungsraten zwischen 3,5 bis 5 MBit/s oder 6 bis 8 MBit/s für
die Ausstrahlung digitaler Programme bei Echtzeitkompression als ausreichend. Die Höhe der Datenrate ist auch
abhängig von dem zu übertragenden Bild. Je schneller die Bilder, desto höhere Übertragungsraten sind erforderlich (Actionfilm versus Dokumentation über Landschaften).
270
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Empfang von Fernsehbildern nicht zu vergleichen. Ein scharfes Bild lässt sich nur etwa postkartengroß darstellen, die Bildfolge „ruckelt“ und Ton und Bild sind oft nicht synchron. Der Ton ist
jedoch meist gut verständlich. Für einige Nutzer mag daher interessant sein, einen Live-Stream
im Hintergrund ablaufen zu lassen und zunächst nur den Ton zu hören, während z. B. mit einer
Textverarbeitungssoftware gearbeitet wird. Sobald ein wichtiger Beitrag beginnt, kann der Nutzer
dann schnell zu dem Bildfenster hin umschalten.
Mittelfristig wird es über Telefonleitungen per Internet wahrscheinlich keine Fernsehangebote
in Echtzeit in der vom Zuschauer gewohnten PAL-Qualität für die bei Fernsehgeräten typischen
Bildschirmgrößen geben. Zwar wird erwartet, dass sich der Übertragungsstandard MPEG-4 beim
Internet durchsetzt. In diesem Fall würden abhängig von der Bildgröße 700 KBit/s bis 2,5 MBit/s
ausreichen.810 Ob oder wann mittels einer standardgemäßen DSL-Technologie bildschirmfüllende, scharfe und störungsfreie Fernsehbilder zur Verfügung stehen werden, ist derzeit jedoch
nicht absehbar.811
Hinzu kommt der Nachteil, dass die Nutzung des Telefonnetzes zeitabhängige Entgelte kostet.
Zugunsten des Fernsehempfangs per Internet könnten sich die angebotenen monatlichen Festpreise (Flat Rates) für Internetnutzung und -zugang auswirken. Unklar ist zur Zeit jedoch, ob
attraktive Flat Rates auch für die großen Datenmengen angeboten werden, die das Netz bei der
Übertragung von Fernsehen über das Internet transportieren muss.812
Fernsehkabel
Für Fernsehen über das Internet bestehen bessere Möglichkeiten, wenn das Fernsehkabel (Koaxialkabel) auch für breitbandige Internetzugänge verwendet werden kann. Beim Fernsehkabel
reicht die maximal nutzbare Frequenzbreite bis in den Mega- oder Gigahertzbereich.813 Das
Fernsehkabel nutzt im Wesentlichen den Frequenzbereich oberhalb von 47 MHz und lässt zur
Zeit eine Bandbreite bis 450 MHz zu. Es kann bis zu 1 GHz ausgebaut werden und Übertragungsraten von mehr als 10 MBit/s ermöglichen.
Das Koaxialkabel kann zwar für Internetanwendungen im Vergleich zum Telefonnetz deutlich
höhere Kanalkapazitäten und damit Übertragungsgeschwindigkeit bereitstellen. Um das Koaxialkabel für das Internet bzw. sowohl für das Herunterladen (Empfangen) wie für das Senden von
Daten zu nutzen, ist ein leistungsfähiger Rückkanal erforderlich.814 Außerdem wäre erforderlich,
im Zuge der Digitalisierung die mögliche Bandbreitenkapazität über 450 MHz hinaus auf bis
zu 865 MHz auszubauen. Der Grund dafür ist, dass unterhalb der Bandbreite von 450 MHz die
Nutzungsart bzw. die Belegung des Kabels größtenteils bereits durch die Regulierung des
Kabelfernsehens vorgegeben ist. Deshalb erscheint für Angebote an HochgeschwindigkeitsInternetzugängen der Platz begrenzt.
810 Vgl. Technische Kommission der Landesmedienanstalten (TKLM), a. a. O.
811 Auch die Monopolkommission betrachtet die DSL-Telefonnetze nicht als einen alternativen Übertragungsweg, der
dem Fernsehen beim Infrastrukturwettbewerb zur Verfügung steht. Konkurrenzverhältnisse bestehen zwischen
DSL-Telefonnetz und rückkanalfähigem Fernsehkabel bei der Versorgung der Teilnehmer mit Telefonie, breitbandigem Internetzugang, Computerspielen oder Video-on-Demand; vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten
1998/1999, Wettbewerbspolitik in Netzstrukturen, Baden-Baden, Tz. 638 ff.
812 Vgl. Technische Kommission der Landesmedienanstalten (TKLM), a. a. O.
813 Anders beim Telefonnetz: DSL nutzt Frequenzbereiche unterhalb von 30 MHz. Für die Übertragung von digitalen
Signalen mit hoher Bandbreite stehen weniger als 20 MHz zur Verfügung. Das Frequenzspektrum beim schmalbandigen Telefonnetz reicht von 300 Hz bis 4 KHz; es ist die Bandbreite, die das Telefonieren benötigt. Das Kupferkabel ist nicht abgeschirmt. Deshalb würden Fernsehübertragungen die Umgebung durch Störabstrahlung der
Frequenzen belasten bzw. ganze Frequenzbänder beeinflussen. Dagegen ist das Fernsehkabel (Koaxialkabel)
abgeschirmt.
814 Es kann auch das analoge, ISDN- oder DSL-Telefonkabel als bloßer Rückkanal genutzt werden.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
271
Über den Ausbau von Rückkanälen und größeren Kapazitäten hinaus müsste zur Vermeidung
von Engpässen die baumartige Verteilstruktur des derzeitigen Fernsehkabels stärker in eine
einem Vermittlungsnetz ähnelnde, sternförmige Kommunikationsstruktur umgewandelt werden.
Es müssten also vermittelnde Funktionen, die die individuelle Adressierung von Informationen
für ausgewählte Anschlüsse ermöglichen, in das Verteilnetz integriert werden. Dies erfordert
kostenintensive Investitionen in komplexe technische Lösungen. Solche Investitionen werden
jedenfalls dann erforderlich, wenn die Teilnehmerzahlen stark zunehmen.
Derzeit gibt es in Deutschland beim Fernsehkabel nur ca. 45.000 Internetzugänge per Kabelmodem.815 Damit unterscheidet sich Deutschland deutlich von den weit höheren Anteilen von
Kabelmodems an breitbandigen Internetzugängen in den USA oder den Niederlanden.816
Anders sieht die Situation beim DSL-Telefonkabel aus. Ende 2002 gab es in Deutschland bereits
ungefähr 3,2 Mio. DSL-Anschlüsse.817
Der wesentliche Grund für die relativ geringe Anzahl an Internetzugängen über das Fernsehkabel ist, dass in Deutschland solche Netze bislang kaum für entsprechende Rückkanäle aufgerüstet wurden. Folglich gibt es kaum Haushalte, die über einen Anschluss an ein entsprechend
technisch aufgerüstetes Kabelnetz verfügen können, das ihnen interaktive Anwendungen wie
schnelle Internetzugänge ermöglicht.
Als Beispiele für Kabelnetzbetreiber, die entsprechende Ausbaupläne aufgestellt haben,
können unter anderem die hessische Kabelgesellschaft iesy Hessen GmbH & Co. KG (iesy), die
Kabel Deutschland GmbH (KDG) und die nordrhein-westfälische Kabelnetztochter der Callahan
Associates International, Inc., die ish GmbH & Co. KG (ish), genannt werden. Die Umsetzung der
Pläne erweist sich aber als schwierig. Infolge finanzieller Probleme und korrigierter Erfolgserwartungen wurden sie weitgehend zurückgestellt. Zu iesy wird berichtet, dass nur 2.500 Haushalte in zwei Stadtteilen der Mainmetropole Frankfurt die Möglichkeit hätten, den Hochgeschwindigkeits-Internet-Zugang von 3 MBit/s/512 KBit/s zu abonnieren. Ish hat nach eigenen Angaben
bis Oktober 2002 für 1,1 Mio. Haushalte in Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf, Neuss, Köln, Dortmund, Bochum) die Kabelnetze auf eine Bandbreite bis 862 MHz ausgebaut und die Möglichkeit
für einen schnellen Internetzugang mit einer Empfangsgeschwindigkeit von 2 MBit/s geschaffen.
Auch die KDG hat in Berlin und Leipzig für ungefähr 1 Mio. Haushalte ihre Netz auf 862 MHz und
mit Rückkanal aufgerüstet, so dass auch dort ein technisches Potenzial für HochgeschwindigkeitsInternet-Zugänge besteht. Auch einige Netzebene-4-Kabelnetzbetreiber teilen mit, dass sie einen
Teil ihrer Fernsehkabelnetze aufgerüstet haben. Somit verfügen auch sie über ein Potenzial an
Kabelhaushalten, dem sie schnelle Internetzugänge anbieten. Beispiele dafür sind die Robert
Bosch GmbH (blue-cable), ewttss, PrimaCom AG, wilhelm.tel GmbH und Tele Columbus GmbH
(infocity-Portal).818
Über die tatsächlichen Abonnenten- oder Nutzerzahlen der aufgezählten Angebote an
schnellen Internetzugängen per Koaxialkabel liegen keine Angaben vor. Die wirtschaftlichen
Erwartungen an die Möglichkeiten des Triple Play aus Fernsehen, Internet und Telefon scheinen
in Deutschland zur Zeit eher zurückhaltend zu sein.819
815 Angabe der RegTP; anderen Berichten zufolge seien es mittlerweile 86.000 Internetzugänge per Kabelmodem.
816 Siehe hierzu z. B. Jahresbericht der KEK 2001/2002, S. 197.
817 Vgl. Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, Jahresbericht 2002, Marktbeobachtungsdaten der
RegTP, S. 20 ff.
818 Siehe z. B. die Auflistungen unter http://www.teltarif.de.
819 Vgl. Richard Sietmann, In der Warteschleife, in: c’t, Januar 2003, Nr. 1.
272
2.8.5.2
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Video-on-Demand über das Internet
Das Streaming-Verfahren wird in der Regel nur für kurze Filme oder für Live-Übertragungen
genutzt. Längere Filme werden als Video-on-Demand (VoD) über das Internet angeboten.820 Im
Unterschied zu den Live-Streams oder On-Demand-Streams werden VoD-Angebote für die
Wiedergabe vollständig heruntergeladen. Die Wiedergabe auf dem PC oder Fernsehgerät kann
zwar zeitversetzt schon während des Downloads erfolgen. Sie findet aber dann von der Festplatte
des Rechners beim Nutzer und nicht von einem entfernten Server aus statt. Die benutzten Datenund Kompressionsformate sind zwar dieselben wie bei Streaming-Angeboten. Weil die Wiedergabe direkt und nicht über eine Internetverbindung erfolgen kann, ist eine erheblich bessere
Wiedergabequalität möglich.
Video-on-Demand funktioniert wie eine Online-Videothek. Die VoD-Anbieter verkaufen dem
Nutzer in der Regel eine Nutzungslizenz für 24 Stunden, die über Kreditkarte oder die Telefonrechnung abgerechnet wird. Der Nutzer erhält einen Schlüssel, mit dem er die auf der Festplatte abgelegte Datei öffnen kann. Der elektronische Schlüssel verfällt nach der bezahlten Zeitspanne automatisch. In Deutschland wird VoD zum Beispiel von Arcor821 und von T-Online Vision angeboten.822
Der Zugriff auf ausländische Anbieter ist aus urheberrechtlichen Gründen zumeist nicht möglich.m
Trotz der besseren Wiedergabequalität ist auch VoD von der Übertragungsgeschwindigkeit
der Internetverbindungen abhängig. Einen Spielfilm herunterzuladen, dauert ohne DSL mehrere
Stunden; mit DSL kann schon während des Ladevorgangs, jedoch nur mit Zeitverzögerung, mit
der Wiedergabe begonnen werden. Neben den technischen gibt es auch lizenzrechtliche Einschränkungen. Insbesondere die Hollywood Studios halten sich mit der Vergabe von entsprechenden Lizenzen zurück. Deshalb verzeichnen die Kataloge der Online-Videotheken meist nur
wenig Filme, die für ein breites Publikum interessant sind.823 Es wird aber erwartet, dass die
Hollywood Studios ihr Filmgeschäft durch VoD ausweiten werden.824
2.8.5.3
Angebote an Fernsehen im Internet
2.8.5.3.1
Abruf von Fernsehprogrammen in Echtzeit (Live-Video-Stream)
In Deutschland übertragen die bundesweiten Fernsehprogramme n-tv, Phönix, NBC Giga und
ONYX und das Regionalfernsehprogramm R.TV Böblingen ihre Programme in Echtzeit im Internet.825 N-tv, Giga und ONYX werden 24 Stunden am Tag, Phönix 11 Stunden pro Tag übertragen.
Bei diesen ständigen Live-Stream-Angeboten handelt es sich vorwiegend um Nachrichten und
Informationsprogramme. ONYX als Musiksender bildet dabei eine Ausnahme. Auch der Teleshopping-Sender QVC bietet die Fernsehübertragung in englischer Sprache über das Internet
an. Hinzu kommen Echtzeit-Übertragungen von besonderen Ereignissen („Event-TV“). Beispiele
dafür sind WM-Fußballspiele oder eine Karnevalsitzung. Ähnliche Angebote gibt es von einigen
der öffentlich-rechtlichen Dritten Programme, aber auch von Privatleuten, Firmen oder Verbänden.
Ein weiteres Beispiel ist der Deutsche Bundestag,826 der seine Plenardebatten als „Bundestagsfernsehen“ überträgt. Tabelle II-61 zeigt eine Auswahl von Streaming-Angeboten im Internet.
820 Die TKLM merkt an, dass VoD als breitbandiger Filetransfer via Satellit, Breitbandkabel oder DSL ggf. effizienter
realisierbar ist als über das Internet, vgl. Technische Kommission der Landesmedienanstalten (TKLM), a. a. O., S. 6.m
821 Vgl. http://www.arcor.de/EaYid0wVAZ5Q8i5rzJ4_TQg/vod/vod_1_0.jsp.
822 Vgl. http://www.t-online-vision.de.
823 Vgl. Zurückhaltung aus Hollywood, in: Blickpunkt Film vom 17. 03. 2003.
824 Vgl. z. B. Handelsblatt vom 22. 05. 2003, Mit Mickey Mäuse machen – T-Online verhandelt mit Disney.
825 Siehe http://www.n-tv.de; http://www.phoenix.de; http://www.giga.de; http://www.onyx-tv.de; http://www.rtvlive.de.
826 Vgl. http://www.bundestag.de/aktuell/tv/index.htm.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
273
Sender/Web-Seite
Streaming-Angebot
3sat/3sat.de
Beiträge aus „Kulturzeit“ als Stream-on-Demand
ARD/tagesschau.de
Stream-on-Demand, z. B. letzte Sendung oder einzelne Beiträge, auch ein
Archiv
Bloomberg Television/bloomberg.com
Live-Stream
CNN/cnn.com
Stream-on-Demand
Eurosport/eurosport.com
Stream-on-Demand
KI.KA/kika.de
Ausschnitte als Programmvorschau als Stream-on-Demand
L-TV Rems-Murr/l-tv.de
Fernsehprogrammbeiträge als Stream-on-Demand
MDR/mdr.de
Live-Stream für besondere Ereignisse, z. B. „Leipzig liest“
MTV/mtv.de
Konzertmitschnitte, Musikvideos als Stream-on-Demand („webclusive“)
N24/n24.de
Live-Stream für besondere Ereignisse, z. B. TV-Duell vor der Bundestagswahl
NBC Giga/giga.de
Live-Stream und Stream-on-Demand von Archivbeiträgen
n-tv/n-tv.de und cnn.de gemeinsam
Live-Stream des n-tv-Programms 24 Std. am Tag
ONYX/onyx-tv.de/tv/tvstream
Live-Stream
ORB/orb.de/unternehmen
gremien/index.jsp
Live-Streaming der ORB-Rundfunkratsitzungen, letzte Sitzung jeweils als
Stream-on-Demand
Phönix/phoenix.de
11 Stunden am Tag Live-Stream-Übertragung des Fernsehprogramms
ProSieben/prosieben.de
Programmvorschau und Archivbeiträge als Stream-on-Demand
QVC/qvc.com/videostream
Live-Stream des Teleshopping-Senders in englischer Sprache
R.TV Böblingen/rtv-live.de
Regionalfernsehprogramm als Live-Stream
Radio Bremen/radiobremen.de/
online/knie/livestream/start.shtml
Live-Stream für besondere Ereignisse, wie z. B. Knieoperation Mai 2000
mit Chat
radiobremen.de/online/
fussball_wm2002/livestream.html
Fußball-WM 2002, Spiel um den 3. Platz, danach als Stream-on-Demand
RTL/rtl.de
Musikvideos, Interviews etc. (keine Ausschnitte aus Fernsehsendungen)
als Stream-on-Demand
SAT.1/sat1.de
Programmvorschau und Magazinbeiträge, aber z. B. auch Kinofilmtrailer
als Stream-on-Demand
SuperRTL/superrtl.de
Stream-on-Demand, kurze Filmbeiträge (keine Ausschnitte aus Fernsehsendungen)
WDR/wdr.de/themen/freizeit/
brauchtum/karneval_2003/session/
streaming/index.jhtml
Live-Stream für besondere Ereignisse, z. B. Karneval 2003, danach als
Stream-on-Demand
ZDF/zdf.de
Nachrichtensendungen und Magazinbeiträge als Stream-on-Demand
Weitere Streaming-Angebote
britshorts.com
britische Amateur-Kurzfilme als Stream-on-Demand
champions.tv
Pferderennen als Live-Stream
CINA Life-TV
religiöse Beiträge als Stream-on-Demand
CityTV/creativ-mediengruppe.de/citytv
Hotelfernsehen, 100 Min. Stream-on-Demand für verschiedene Städte
Deutsche Welle/dw-world.de
24 Std. Live-Stream, Informationsprogramm und Nachrichten in mehreren
Sprachen
Deutscher Bundestag/bundestag.de/
aktuell/tv/
Live-Stream und Fernsehtext als „Bundestagsfernsehen“, Übertragung
der Plenardebatten
kanal-global.de
Amateur-Kurzfilme aus Deutschland als Stream-on-Demand
spiegel.de
Nachrichtenbeiträge als Stream-on-Demand
virtuetv.com
Musikvideos, Kinofilmtrailer, Filmausschnitte, Sportberichte als
Stream-on-Demand
Tabelle II-61: Streaming-Angebote deutscher Fernsehsender im Internet
Quelle: Eigene Recherche der KEK, keine vollständige Auflistung aller Angebote
274
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Auf die Entwicklung von Angeboten an Fernsehen oder Videos über das Internet wirkt sich
auch aus, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Internets hinter vielen Erwartungen zurückgeblieben ist. Medienunternehmen einschließlich Fernsehsender betrachteten die bereitgestellten
Kapazitäten und ihre Pläne für Online-Angebote teilweise als zu euphorisch und haben sie dementsprechend deutlich korrigiert. Als zu optimistisch erscheinen derzeit auch die Erwartungen
an das Internetfernsehen bzw. an die Möglichkeiten der technischen Konvergenz zwischen
Internet und Fernsehen. Hinzu kommt, dass die Investitionen in neue und für digitale und interaktive Nutzung aufgerüstete Breitbandkabelnetze in Deutschland bislang insgesamt nur schleppend vorankommen. Zur Zeit gilt der Markt für Live-Streams weitgehend als eingebrochen.827
Auch das Internet über den Fernsehbildschirm (Web-TV) hat sich bislang nicht etablieren können.
Ein Beispiel für die derzeitige Lage beim Fernsehen per Internet ist der erste deutsche InternetFernsehsender TV1. Medienrechtlich gilt er als ein Mediendienst. Er ging mit einer Sendung vom
Münchner Oktoberfest 1999 auf Sendung und eröffnete im März 2000 ein eigenes Studio in
München.828 Im August 2001 wurde dieses Projekt jedoch aus Mangel an Werbeerlösen wieder
eingestellt.829
In den USA verfügen ca. 13 % aller Internethaushalte durch ein Kabelmodem über einen
Hochgeschwindigkeits-Internetzugang.830 Dort gibt es zum Beispiel mit ABCNews.com, Yahoo!
und RealNetworks mehrere Anbieter, die 24 Stunden Live-Video-Streams über das Internet senden
und diesen Service Nutzern gegen Entgelt anbieten. RealNetworks hat 900.000 Abonnenten.831m
2.8.5.3.2
Stream-on-Demand
Stream-on-Demand sind die häufigsten Streaming-Angebote. Zahlreiche Fernsehsender bieten
bereits gesendete Beiträge aus Magazinsendungen oder Ausschnitte aus angekündigten Programmen als Stream-on-Demand an. Teilweise werden auch ganze Sendungen angeboten832
oder das Online-Angebot ergänzende Videos, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem
Fernsehprogramm stehen (z. B. Musikvideos auf www.rtl.de oder Tierfilme auf www.superrtl.de).
Teilweise werden diese Videos auch nur gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt (z. B. der Zugriff
auf Ausschnitte aus den „Deutschland sucht den Superstar“-Shows).833
Die abrufbaren Videos haben zumeist eine ergänzende Funktion zum Fernsehprogramm. Die
enthaltene Information wird fast immer auch durch Text und Graphiken transportiert. Stream-onDemand-Angebote eignen sich, um Informationen aus bereits gesehenen Sendungen nochmals
abzurufen bzw. sich von angekündigten Sendungen ein Bild zu machen.
Außer von Fernsehsendern wird Stream-on-Demand auch von anderen Anbietern hauptsächlich bereitgestellt, um den Internetnutzern Videos als zusätzliche Informationsquelle zur Verfügung zu stellen, wie z. B. Anbieter von Informations-, Musik- oder Kinoportalen (www.virtuetv.
com, www.rtlmusic.de, www.spiegel.de), aber auch Künstler (www.britshorts.com, www.kanalglobal.de) oder Firmen, die Präsentationen ins Netz stellen (www.streamworld.de).
827
828
829
830
831
832
833
Vgl. Stefan Krempl, Möge das Geld streamen, in: Handelsblatt vom 05. 03. 2003.
Vgl. Simone Zell, Ein Ingenieur geht auf Sendung, in: VDI-Nachrichten Nr. 10, 10. 03. 2000.
Vgl. epd medien vom 08. 08. 2001, auch http://www.tv1.de.
Vgl. IP, Internet 2002, International Key Facts, 2nd Edition, September 2002, S. 237.
Vgl. Richard Waters, Yahoo! to launch online video, in: Financial Times vom 17. 03. 2003.
Siehe z. B. http://www.tagesschau.de.
Vgl. http://www.deutschlandsuchtdensuperstar.rtl.de, Stand: 12. 03. 2003.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.8.5.4
275
Bedeutung der Entwicklung des Internets für Fernsehübertragungen
Das Internet als Übertragungsmöglichkeit für Fernsehprogramme wird bisher fast ausschließlich
von Informations- und Nachrichtensendern genutzt. Sie bieten aktuelle Informationen in erster
Linie für PC-Nutzer, die über eine schnelle Internetverbindung verfügen und damit ständig Zugriff
auf das Internet haben. Daneben bieten Fernsehangebote im Internet eine Möglichkeit, weltweit
auf deutschsprachiges Fernsehen zuzugreifen.
Wegen der eingeschränkten Bildqualität und der fehlenden Standardisierung der Datenformate ist die Akzeptanz von Live-Video-Streaming bei den Konsumenten noch gering.834 Es
fehlen derzeit die erforderlichen Bandbreiten, um eine Fernsehübertragung im Internet in hoher
Qualität zu gewährleisten. Für das breite Fernsehpublikum stellen diese Live-Streams daher
(noch) keine Alternative zum klassisch übertragenen Fernsehprogramm dar.
Die Akzeptanz von Stream-on-Demand-Angeboten als Komplementärangebot zum klassischen Fernsehen scheint größer zu sein, denn es gibt ein weitaus umfangreicheres Angebot. Dafür
spricht auch, dass sich solche Angebote, wenn das Interesse groß genug ist, auch als entgeltpflichtige Inhalte vermarkten lassen (z. B. „Deutschland sucht den Superstar“ von RTL).835 Anders
als Live-Streams, die der Nutzer nicht beeinflussen kann, bietet Stream-on-Demand dem Nutzer
die Möglichkeit, über Auswahl und Reihenfolge der abgerufenen Videos selbst zu entscheiden.
Bei On-Demand-Angeboten der Fernsehsender handelt es sich um Teile bereits ausgestrahlter
oder noch auszustrahlender Fernsehprogramme.836 Häufig werden von ihnen die On-DemandStreams in ein redaktionell gestaltetes Umfeld aus Text, Standbildern und Animationen eingebettet. Damit ergänzen sie das Fernsehprogramm.
Festzuhalten bleibt, dass das Internet für das Fernsehen derzeit insgesamt keine echte Alternative zu den herkömmlichen Übertragungswegen terrestrische Verbreitung, Kabel und Satellit
darstellt.
2.8.6
Fazit
Die Verwendung digitaler Technik führt dazu, dass sich die Verbreitung von Fernsehprogrammen
mittels Kabel, Satellit und Terrestrik erheblich verändert.
Von den derzeit verfügbaren analogen Übertragungswegen ist das BK-Netz der wichtigste. Zur
digitalen Nutzung wurde das Breitbandkabelnetz von der Deutsche Telekom AG nur in einem
sehr geringen Maß ausgebaut. Auch nach dem mittlerweile vollzogenen Verkauf des BK-Netzes
durch die DTAG an ausländische Investoren ist die Erwartung eines raschen digitalen Ausbaus
einer erheblichen Ernüchterung gewichen.
Der klassische Weg der Fernsehversorgung über analoge terrestrische Sender spielte in den
letzten Jahren eine immer geringere Rolle. Eine positivere Entwicklung wird im Falle der Digitalisierung dieses Übertragungsweges erwartet. So ist im Ballungsraum Berlin/Potsdam im Jahr 2003
die terrestrische Fernsehversorgung auf die digitale Übertragung umgestellt worden. Weitere
Einführungsszenarien sind in anderen Bundesländern geplant.
Der Satellitendirektempfang hat bereits bei der analogen Verbreitung erheblich und kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Im Bereich der digitalen Rundfunkübertragung ist der Satellit das
834 Vgl. Stefan Krempl, Möge das Geld streamen, in: Handelsblatt vom 05. 03. 2003.
835 Vgl. http://www.deutschlandsuchtdensuperstar.de; Zurückhaltung aus Hollywood, in: Blickpunkt Film vom
17. 03. 2003.
836 Beispiele sind die jeweils letzte Sendung der Tagesschau auf http://www.tagesschau.de oder die jeweils nächste
Folge der RTL-Fernsehsereie GZSZ auf http://www.t-online-vision.de.
276
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
innerhalb Europas am weitesten verbreitete Übertragungsmedium, und er wird diese dominante
Position noch ausbauen.
Für das Fernsehen stellt das Internet als vierte Übertragungsmöglichkeit derzeit insgesamt
noch keine echte Alternative zu den herkömmlichen Übertragungswegen terrestrische Verbreitung, Kabel und Satellit dar.
2.9
Ballungsraumfernsehen
Auch die Veranstaltung von Fernsehen unterhalb der bundesweiten Verbreitungsebene kann bei
der medienkonzentrationsrechtlichen Beurteilung nach § 26 Abs. 2 RStV eine Rolle spielen. Dies
gilt insbesondere für die Veranstaltung von Ballungsraumfernsehen. Mit diesem Begriff werden
Programme bezeichnet, deren Verbreitungsgebiet sich auf Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte konzentriert. Verbreitungsgebiete sind folglich städtische Ballungsräume; dünn besiedelte,
ländliche Gegenden werden allenfalls in den Randzonen einbezogen.837 Zu den vom Marktforschungsunternehmen A. C. Nielsen abgegrenzten 13 Ballungsräumen gehören zwar nur
13,2 Prozent der Fläche der Bundesrepublik Deutschland, in ihnen leben aber 41 % der Gesamtbevölkerung.838 Für Ballungsraumsender in Großstädten wird auch der Begriff Metropolensender
verwendet.839
Medienkonzentrationsrechtlich ist das Ballungsraumfernsehen unter verschiedenen Aspekten
relevant. Zum einen sind Ballungsraumfernsehprogramme publizistisch nicht unbedeutend, weil
sie Zuschauer mit lokalen und regionalen Informationen versorgen und im Verhältnis zur Größe
des Verbreitungsgebiets relativ hohe Reichweiten erzielen können. Beteiligungen an Ballungsraumsendern bieten zudem Veranstaltern von bundesweitem Fernsehen eine weitere Verwertungsmöglichkeit für Programmrechte. Die Bildung eines überregionalen Verbunds von
Ballungsraumsendern zwecks koordinierter Vermarktung und Programmgestaltung könnte die
Einflussmöglichkeiten der beteiligten Gesellschafter oder Programmzulieferer auf ein Maß vergrößern, das in die Nähe von bundesweiter Fernsehveranstaltung kommen könnte. Die Situation
des Ballungsraumfernsehens in Deutschland soll daher im Folgenden näher untersucht werden.m
2.9.1
Wirtschaftliche Voraussetzungen
Die Erzielung ausreichender Einnahmen aus dem Verkauf von Sendezeiten an Werbetreibende
stellt das Hauptproblem des Ballungsraumfernsehens dar. Bei der Generierung von regionalen
und subregionalen Werbeerlösen konkurrieren die Veranstalter von Ballungsraumfernsehen mit
Tageszeitungen und Anzeigenblättern.840 Als weitere lokale Werbeträger kommen vor allem
Hörfunk, Lokalfernsehen und Filmtheater in Betracht. Aufgrund der gegenüber bundesweiten
Fernsehangeboten deutlich geringeren technischen Reichweite ist auch das Erlöspotenzial aus
837 Vgl. Rolf Nafziger, Wirtschaftlichkeitsanalysen für Ballungsraumfernsehen, Wiesbaden 1997, S. 8.
838 Vgl. Matthias Kurp, Lokal- und Regionalfernsehen zwischen Krise und Konsolidierung, in: Funkkorrespondenz
2/2003, S. 5.
839 Der Begriff des Lokalfernsehens ist hingegen weiter gefasst und erfasst die auf jede denkbare Stadt oder Gemeinde
bezogene Berichterstattung. Der Begriff des Regionalfernsehens knüpft an einen nach bestimmten Kriterien
abgegrenzten Kommunikations- und Ereignisraum an. Die bestehende Struktur des Regionalfernsehens folgt in
Deutschland weitgehend der föderalen Gestaltung der Bundesrepublik. Vgl. Nafziger, a. a. O., S. 7 und 10.
840 Zwischen lokalem Fernsehwerbemarkt und lokalem Zeitungsanzeigenmarkt kommen grundsätzlich wettbewerblich relevante substitutive Beziehungen in Betracht. Entscheidend ist, ob sich die Werbung in den verschiedenen
Medien in Form und Inhalt in einem Ausmaß ähnelt, dass die Werbetreibenden sie zumindest teilweise als alternatives Angebot zur Bedarfsdeckung nutzen. Vgl. Beschluss des Bundeskartellamts vom 15. 04. 1999, B6-92200141/98 („Zeitungsmarkt München“), Rn. 10.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
277
überregionaler Werbung relativ beschränkt. Dem soll durch die gemeinsame Vermarktung der
einzelnen Sender im Verbund begegnet werden. Des Weiteren stellt sich das Problem, dass bislang
Zuschaueranteile und Reichweiten nicht ausreichend gemessen werden. Das Fehlen einer von
der Werbewirtschaft als „verbindliche Währung“ akzeptierten diesbezüglichen Datengrundlage
mindert die Attraktivität des Ballungsraumfernsehens als Werbemedium.841 Die Möglichkeiten,
mehr Zuschauer zu erreichen, werden zudem dadurch eingeschränkt, dass es für attraktive Programminhalte im Allgemeinen kostenintensiver Investitionen in Programmrechte oder Produktionen bedarf, die die Veranstalter in Hinblick auf die zu erwartenden Werbeerlöse nur begrenzt
aufbringen können. Hinsichtlich der Versorgung der Fernsehzuschauer mit lokalen Informationen
sind die Veranstalter von Ballungsraumfernsehen starker Konkurrenz durch die Dritten Programme
der ARD und die nach den Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags eingerichteten Regionalfenster im bundesweit verbreiteten privaten Fernsehen ausgesetzt.
Nach einer Untersuchung im Auftrag der Landesmedienanstalten im Jahr 2000 erzielten
unter den Anbietern nicht bundesweit verbreiteter Fernsehprogramme (landesweite, lokale und
Ballungsraumsender) die Veranstalter von Ballungsraumfernsehen mit Abstand das schlechteste
wirtschaftliche Ergebnis.842 Die Kosten der Ballungsraumsender wurden danach im Durchschnitt
lediglich zu 38 % durch erwirtschaftete Erlöse (Werbung, Sponsoring, Teleshopping, Auftragsproduktionen, sonstige Erlöse) gedeckt. Als Gründe wurden die im Vergleich zu lokalen Programmen (mit in der Regel geringerer täglicher Sendezeit) hohen Programmkosten und vor
allem die nicht ausreichenden überregionalen Werbeeinnahmen benannt. Die Einnahmen aus
regionaler und überregionaler Werbung deckten nur rund 1/5 der Gesamtaufwendungen der
Veranstalter ab.
Im Jahr 2002 haben die Veranstalterinnen der Ballungsraumprogramme B.TV Baden und B.TV
Württemberg Insolvenz beantragt. Als Ursache hierfür wurde – neben den hohen Kosten für die
Satellitenverbreitung des bundesweiten Programms von B.TV – u. a. die auch im regionalen
Markt spürbare Werbekrise angesehen.843 Die Insolvenzen bei Unternehmen der ehemaligen
KirchGruppe erfassten auch den Sender tv.berlin. Für diesen Sender sowie für tv.münchen und
Hamburg 1 konnten neue Investoren gefunden werden. Der Veranstalter des Sachsen Fernsehens
kündigte im Oktober 2002 allen Mitarbeitern. Das Gemeinschaftsprogramm der Sender in Dresden,
Chemnitz und Leipzig soll reduziert und vornehmlich lokaler Inhalt durch die Regionalstudios
produziert werden. Der SLM-Medienrat hat darauf hingewiesen, dass dadurch der Veranstalterbegriff nicht ausgehöhlt werden dürfe.844
2.9.2
Programmangebote
Zur Zeit wird Ballungsraumfernsehen in den Großstädten Hamburg (Hamburg 1), Berlin (FAB,
tv.berlin) und München (tv.münchen) sowie in Dresden, Leipzig, Chemnitz und Umgebung
(Sachsen Fernsehen), in Mittelfranken (Franken Fernsehen), im Rhein-Neckar-Dreieck (RNF) und
im Saarland (Saar TV) angeboten. Der Sendebetrieb von B.TV Baden und B.TV Württemberg
wurde im Januar 2003 insolvenzbedingt eingestellt.845 Das bundesweite Programm B.TV wird
von einer neuen Veranstalterin unter dem Namen BTV 4 U weitergeführt.
841 Vgl. Ulrike Handel, Albrecht Kutteroff, Die Stärke liegt in der Nähe, in: ALM Programmbericht 1998/1999, S. 158.m
842 Vgl. Die Landesmedienanstalten, Beschäftigte und wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 1999/2000,
Schriftenreihe der Landesmedienanstalten, Band 24, Berlin 2002, S. 89.
843 Vgl. Funkkorrespondenz vom 16. 08. 2002.
844 Vgl. Pressemitteilung der SLM vom 15. 12. 2002.
845 Vgl. Pressemitteilung der Insolvenzverwalter von der Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vom
22. 01. 2003.
Veranstalter
KG Hamburg 1 Fernsehen
Beteiligungs GmbH & Co.,
Hamburg
TV.BERLIN NEU Produktions
GmbH, Berlin
FAB Fernsehen aus Berlin
GmbH, Berlin
Das Stadtfernsehen
Programmgesellschaft mbH,
München
TVF Fernsehen und Franken
Programm GmbH,
Nürnberg
Sachsen Fernsehen
GmbH & Co. Fernsehbetriebs KG, Leipzig
tv NRW GmbH & Co. KG,
Dortmund
Rhein-Neckar Fernsehen
GmbH, Mannheim
Programm
Hamburg 1
tv.berlin
FAB Fernsehen
aus Berlin
tv.münchen
Franken Fernsehen
Sachsen Fernsehen
(Dresden Fernsehen,
Leipzig Fernsehen,
Chemnitz Fernsehen)
tv.nrw
(Köln aktuell)
RNF Plus
Bert Siegelmann
WAZ (30 %)847
DuMont Schauberg (30 %)
Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft (30 %)
Neue Welle Sachsen (Oschmann) (69,3 %)
Sachsen Funk und Fernsehen (26,6 %)
Axtmann Beteiligungs GmbH (4,1 %)
Neue Welle Franken „Antenne Nürnberg“
Hörfunkgesellschaft mbH (Oschmann) (74,9 %)
Hans Rudolf Wöhrl (25,1 %)
Thomas Kirch (60 %)
Kanal 1 Fernsehbetriebsgesellschaft mbH
(Hanno Soravia) (40 %)
DFA Deutsche Fernsehnachrichten Agentur
(40,58 %)846
Thomas Grimm (18,99 %)
Hans-Gerhard Roth (15,69 %)
Manuel Werner (15,76 %)
und weitere 17 Gesellschafter (vornehmlich mittelständische Film- und Fernsehproduzenten)
Kanal 1 Fernsehbetriebsgesellschaft mbH
(Hanno Soravia) (100 %)
DFA Deutsche Fernsehnachrichten Agentur
(92,7 %)
Axel Springer AG (7,3 %)
Gesellschafter
Terrestrisch: 0,6 Mio. HH
Kabel: 1,3 Mio. HH
ca. 600.000 HH848
0,83 Mio. HH
1,65 Mio. Personen
Terrestrisch: 0,6 Mio. HH
Kabel: 0,35 Mio. HH
Terrestrisch: 0,306 Mio. HH
Kabel: 0,89 Mio. HH
3,8 Mio. Personen ab
14 Jahren
2,22 Mio. HH
3,6 Mio. Personen ab
14 Jahren
2,1 Mio. Personen ab
14 Jahren
Technische Reichweite
Rhein-Neckar-Dreieck,
(Vorder-/Südpfalz,
Nordbaden, Südhessen)
Programmfenster für
den Raum Köln,
weitere für Dortmund
und Düsseldorf geplant
Ballungsraum Dresden,
Leipzig, Chemnitz
Mittelfranken
Ballungsraum München
Großraum Berlin
Berlin und
Brandenburg
Ballungsraum Hamburg
Sendegebiet
AK BallungsraumFernsehen e. V.
AK BallungsraumFernsehen e. V.
AK BallungsraumFernsehen e. V.
Kooperation mit
AK BallungsraumFernsehen e. V.
Kooperation mit
AK BallungsraumFernsehen e. V.
AK BallungsraumFernsehen e. V.
Kooperation mit
AK BallungsraumFernsehen e. V.
AK BallungsraumFernsehen e. V.
Bundesweite
Vermarktung
278
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Fernsehen GmbH & Co. KG,
Saarbrücken
Rhein-Main Ballungsraumfernsehen Verwaltungsgesellschaft mbH, Bad
Homburg
Saar TV
Rhein-Main TV
Bibo TV Studiobetriebs GmbH
Eurostar Fernseh-Projektgesellschaft mbH
Heinz-Reinhard Schneider
Plan Plus Faktor Entwicklungsgesellschaft mbH
Bernhardt Gruppe
Go! TV Media Production GmbH & Co. KG
Klaus Rehm
Eintracht Frankfurt u. a.
Media Information Broadcasting (41,03 %)
Saarland Sporttoto GmbH (3,85 %)
Dolmen-Medien-GmbH (7,69 %)
Europa Plus (3,85 %)
MRS Gruppe (20,5 %)
DFA Deutsche Fernsehnachrichten Agentur,
Ingo Borsum, Werner Klatten (23,08 %)
Gesellschafter
ca. 1,1 Mio. HH
361.014 HH
Technische Reichweite
Südhessen (u. a. Darmstadt, Frankfurt am
Main, Offenbach,
Wiesbaden, RheingauTaunus-Kreis)
Saarland
Sendegebiet
AK BallungsraumFernsehen e. V.
AK BallungsraumFernsehen e. V.
Bundesweite
Vermarktung
846 Nach Presseberichten hat die DFA ihren Anteil an die Fluggesellschaft Germania verkauft; vgl. Promedia 7/2003, S. 36. Nach diesem Bericht soll Germania 43 % der Anteile an der
Veranstalterin von FAB halten.
847 Die WAZ und die Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft beabsichtigen, ihre Anteile zu verkaufen. Die apm medien Agentur GmbH & Co. KG soll dann 70 % (inklusive
10 % bislang treuhänderisch durch Rechtsanwalt Roger Schaak gehaltene Anteile) und DuMont die restlichen 30 % der Anteile halten; vgl. Pressemitteilung der LfM vom 11. 07. 2003.
Die LfM hat aufgrund der ungeklärten Beziehungen zwischen apm und DuMont die Unbedenklichkeit dieser Beteiligungsveränderung nur unter der Auflage bestätigt, dass bis zur
Anzeige einer unbedenklichen Gesellschafterstruktur auf das Fensterprogramm für den Raum Köln/Leverkusen verzichtet wird; vgl. Pressemitteilung der LfM vom 25. 07. 2003. Das
Fensterprogramm für Köln wurde zunächst eingestellt.
848 Das landesweite Programm von tv.nrw erreicht 4,2 Mio. HH.
Tabelle II-62: Privates Ballungsraumfernsehen
Quelle: ALM Programmberichte 1998/1999 und 2000/2001, ALM Jahrbuch 1999/2000, Landesmedienanstalten, Unternehmensangaben, www.ballungsraum.tv,
Spots Planungsdaten 2/2003
Veranstalter
Programm
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
279
280
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
In Nordrhein-Westfalen wurde Ballungsraumfernsehen erst durch die Änderung des Mediengesetzes Nordrhein-Westfalen vom 02. 07. 2002 möglich. Der zu diesem Zeitpunkt bereits landesweit ausstrahlende Sender tv.nrw veranstaltet seit dem 02. 12. 2002 ein zweistündiges tägliches
Programmfenster für den Ballungsraum Köln; weitere Programmfenster für Dortmund und Düsseldorf sind geplant. Es existieren in diesem Raum bereits die öffentlich-rechtlichen Ballungsraumfernsehangebote des WDR (WDRpunktKöln und WDRpunktDortmund). In Hessen wurde die
Veranstaltung von Ballungsraumfernsehen nach der Novellierung des Hessischen Privatrundfunkgesetzes vom 22. 12. 2000 zulässig. Eine entsprechende Lizenz wurde im April 2002 an eine
Veranstaltergemeinschaft vergeben, die im Rhein-Main-Gebiet das Programm Rhein-Main TV
ausstrahlen will. Der für Mai 2003 geplante Sendestart wurde verschoben, die LPR Hessen setzte
eine Frist zur Aufnahme des Sendebetriebs bis zum November 2003.849
Einen Überblick über Veranstalter und Programme im privaten Ballungsraumfernsehen gibt
Tabelle II-62 (S. 278/279).
2.9.3
Vermarktung von Ballungsraumsendern
Zum 01. 01. 2000 gründeten mehrere Ballungsraumsender einen Vermarktungsverbund mit dem
Ziel, durch gemeinsame Vermarktung von Werbezeiten überregionale Werbung zu akquirieren.850
Es wurden zu diesem Zwecke verschiedene Senderkombinationen angeboten. Im Jahr 2002
standen den Werbetreibenden neben dem Angebot aller Sender im so genannten DeutschlandNetwork ein Metropolen-Network und nach Regionen unterteilte Networks (West-, Südwest-,
Süd-, Bayern-, Ost-Network) zur Verfügung.
Bis zum Ende des Jahres 2002 übernahm die Vermarktung die SevenOne Media GmbH, eine
100 %ige Tochter der ProSiebenSAT.1 Media AG. Danach gab sie die Vermarktung zurück an die
Sender, die sich im neu gegründeten AK BallungsraumFernsehen e. V. zusammenschlossen. Mitglieder des Vereins sind die Sender Hamburg 1, FAB, RNF, TV Bayern, Saar TV, Sachsen Fernsehen,
tv.nrw und Rhein-Main TV. Mit tv.münchen, tv.berlin und Franken Fernsehen bestehen Kooperationsvereinbarungen.851 Funktion des Arbeitskreises ist die konzeptionelle Ausrichtung des
Ballungsraum-TV-Verbunds hinsichtlich Vermarktung, Marktforschung, Programmaustausch und
Gattungsmarketing.852
Die Vermarktung des Ballungsraumfernsehens findet nunmehr auf drei Ebenen durch verschiedene Vermarkter statt. Die lokale und regionale Einzelvermarktung der Sender wird von
den einzelnen Sendern mittels der eigenen Vertriebsstruktur betrieben. Regionale Werbekombis
werden vom AK BallungsraumFernsehen e. V. für die beteiligten Sender übernommen und von
einer kombinierten Vertriebsstruktur abgewickelt. Das Angebot an Vermarktungs-Kombis bleibt
unverändert. Für die nationale Vermarktung ist die neu gegründete Ballungsraumfernsehen in
Deutschland Programm- und Vertriebsgesellschaft mbH zuständig.853 Gesellschafter sind zu je
849 Vgl. Pressemitteilung der LPR Hessen vom 31. 03. 2003.
850 Ähnliche Vermarktungsverbünde gibt es auch im Bereich des Lokalfernsehens. Z. B. haben sich die lokalen Fernsehveranstalter in den neuen Bundesländern und FAB zum Bundesverband lokales Fernsehen (BLF) zusammengeschlossen. Er soll für die 166 Lokalfernsehsender durch eine gemeinsame Programm- und Marketingstrategie
eine Plattform für überregionale und nationale Werbung bieten. Vgl. Pressemitteilung von FAB vom 04. 12. 2002.
851 Auskunft des Vorsitzenden des Arbeitskreises Ballungsraumfernsehen e. V., Frank Müller, vom 30. 04. 2003.
852 Vgl. Präsentation des Ballungsraum-Verbunds durch die SevenOne Media bei den Münchener Medientagen am
18. 10. 2002.
853 Vgl. Angaben der Ballungsraum-Vermarktungs GmbH unter http://www.ballungsraum.tv.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
281
50 % die Sachsen Fernsehen GmbH & Co. Fernsehbetriebs KG und die ABF Arbeitsgemeinschaft
bayerischer Fernsehprogrammanbieter GmbH (TV Bayern).854
Um die kombinierte Vermarktung zu ermöglichen, wurden die Programmschemata sowohl
zeitlich als auch inhaltlich vereinheitlicht. Die harmonisierte Programmstruktur sieht Beiträge
bestimmter Genres zu festen Zeiten vor.
2.9.4
Seherkreis
Zum Deutschland-Network gehörten im Jahr 2002 die Sender tv.berlin, tv.münchen, Hamburg 1,
tv.nrw, FR TV Südbaden, RNF Plus, Franken Fernsehen, Sachsen Fernsehen, Saar TV und TV
Bayern. Enthalten sind darin demnach auch landesweit ausgestrahltes Programm (tv.nrw) und
dem Lokalfernsehbereich zuzuordnende Programme (FR TV Südbaden, TV Bayern). Die Sender
des Deutschland-Networks erreichten laut Reichweitenuntersuchung Juni 2002 der SevenOne
Media GmbH 2,357 Mio. „Seher gestern“.855 Die Zahl der „Seher gestern“ des Metropolen-Networks
(Hamburg 1, tv.berlin, tv.münchen) lag bei 893.000 Zuschauern.
Eine Übersicht über den „Weitesten Seherkreis“ der einzelnen Ballungsraumsender, d. h. über
die Anzahl der Personen, die den Sender innerhalb von 2 Wochen mindestens einmal eingeschaltet haben, gibt Abbildung II-24. Die Angaben des „Weitesten Seherkreises“ und der
„Seher gestern“ erlauben keine Rückschlüsse auf die Zuschaueranteile der Programme. Sie legen
jedoch den Schluss nahe, dass die Ballungsraumsender durchaus eine hohe Zahl an Zuschauern
erreichen können. Zum Teil sind sie insofern in ihrem Stellenwert mit bundesweit verbreiteten
2
1,78
1,8
1,56
1,6
Seher in Mio.
1,4
1,2
0,99
1,05
1
0,77
0,8
0,69
0,61
0,57
0,6
0,38 0,35
0,4
0,54
0,39
0,23 0,26
0,2
0
Hamburg 1
tv.berlin
tv.münchen
Franken
Fernsehen
2001
Sachsen
Fernsehen
RNF Plus
Saar TV
2002
Abbildung II-24: Weitester Seherkreis („Innerhalb der letzten 14 Tage gesehen“) der Ballungsraumsender
Quelle: Seher gestern: SevenOne Media, Reichweitenuntersuchung Juni 02 Ballungsraum-Fernsehen
854 Vgl. werben & verkaufen vom 02. 05. 2003.
855 Personen, die das Programm am Stichtag mindestens einmal eingeschaltet haben. Die Sehdauer ist dabei unerheblich. Basis E 14+ in Empfangshaushalten, Mo.–Fr. 05:00–01:00 Uhr, Erhebungszeitraum 21. 01. 2002–24. 03. 2002.m
282
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Programmen vergleichbar. Das Programm Hamburg 1 lag z. B. nach einer Reichweitenstudie
von Infratest Burke bei den Haushalten, die Hamburg 1 empfangen können, unter den „Sehern
gestern“ an neunter Stelle und beim „Weitesten Seherkreis“ an zehnter Stelle aller empfangbaren
Programme.856
2.9.5
Programmzulieferung
Die Sender des Vermarktungsverbunds verfügen wochentags in der Zeit von 17:00 bis ca.
22:30 Uhr über eine „genreharmonisierte Programmstruktur“, d. h., auf allen Sendern des Networks
werden zur gleichen Zeit Nachrichten, Regionalmagazine, Sport und Unterhaltungssendungen
etc. gezeigt. Das harmonisierte Programm beläuft sich auf ca. 34 Stunden pro Woche.857
In der Vergangenheit belieferte die KirchGruppe die Sender mit einem Rahmenprogramm
aus mehrfach wiederholten, älteren Serien und zuletzt mit preiswert produziertem Unterhaltungsprogramm („sun tv“). Im Zuge der Insolvenz verschiedener Unternehmen der ehemaligen KirchGruppe wurde diese Programmzulieferung beendet. Die Übernahme desselben Programms
durch mehrere Sender erstreckt sich nicht mehr auf sämtliche Sender des Verbunds und betrifft
nur noch einzelne Formate. So wird derzeit z. B. – neben hauptsächlich eigenproduzierten Beiträgen – von den meisten Anbietern täglich eine von tv.nrw produzierte Entertainment-Show
(„Nur mit Nummer“) im Abendprogramm gesendet. Das von einem Beteiligungsunternehmen
der NDF GmbH produzierte Magazin „tv vital“ wird von Hamburg 1, tv.münchen und tv.berlin in
das Programm übernommen; Produktionsunternehmen sowie die ausstrahlenden Sender gehörten ehemals zur KirchGruppe. Darüber hinaus werden Formate von den Informationsspartensendern Bloomberg TV (RNF, Sachsen Fernsehen, tv.nrw) und CNN Deutschland (Saar TV),
Fiction-Programme von Fox Kids (tv.münchen, tv.berlin), NEUN-LIVE-Sendungen (Saar TV) sowie
Teleshoppingsendungen von QVC und RTL Shop (Hamburg 1, RNF) ausgestrahlt. Im Spätprogramm läuft vielfach Erotikprogramm („Sexy night“ bei Hamburg 1, tv.berlin und tv.münchen).
Das einheitliche bzw. von verschiedenen Sendern zugelieferte Programm macht jedoch nur
einen geringen Anteil des Gesamtprogramms der Ballungsraumsender aus.
2.9.6
Fazit
Im Bereich des Ballungsraumfernsehens hat in medienkonzentrationsrechtlicher Hinsicht das
Ausscheiden der ehemaligen KirchGruppe einen deutlichen Wandel bewirkt. Die KirchGruppe
verfügte bis zum Beginn der Reihe von Insolvenzen konzernzugehöriger Unternehmen im April
2002 durch Anteilsbesitz, Vermarktung und Programmzulieferung über maßgeblichen Einfluss
auf einen nahezu bundesweiten Verbund von Ballungsraumsendern.858 Diese Sender dienten als
zusätzliche Abspielstätte der Erweiterung der Wertschöpfungskette der KirchGruppe. Nach dem
Verkauf der Anteile an tv.berlin und Hamburg 1 besteht nur noch eine Beteiligung von Thomas
Kirch am Veranstalter von tv.münchen.
Zwar sind auch jetzt verschiedene Unternehmen zugleich an mehreren Veranstaltern von
Ballungsraumfernsehen beteiligt (z. B. DFA Deutsche Fernsehnachrichten Agentur, OschmannGruppe), es lässt sich jedoch keine anteilsmäßige oder programmbeeinflussende Dominanz auf
856 Grundgesamtheit: Gesamtverbreitungsgebiet Hamburg, Empfang von Hamburg 1 im Haushalt, Mo.–So. 05:00–
01:00 Uhr, Erwachsene ab 14 Jahren, Reichweitenstudie Ballungsraumfernsehen Hamburg, März 2002, veröffentlicht unter http://www.hamburg1.de.
857 Vgl. Angaben der Ballungsraum-Vermarktungs GmbH unter http://www.ballungsraum.tv.
858 Vgl. Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 138 ff.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
283
das Ballungsraumsendernetzwerk als solches mehr erkennen. Die gemeinsame überregionale
Vermarktung der Ballungsraumsender erfordert nach wie vor eine gewisse Harmonisierung des
Programmschemas. Eine einheitliche Rahmenprogrammzulieferung und Vermarktung, wie in
der Vergangenheit durch die KirchGruppe, erfolgt jedoch nicht mehr.
Demnach ist weder über Beteiligungen an Ballungsraumsendern noch über die Vermarktung
oder Rahmenprogrammzulieferung eine maßgebliche Einflussnahme eines Unternehmens, insbesondere eines bundesweit tätigen Fernsehveranstalters, zu verzeichnen. Insofern leistet die
Veranstaltung von Ballungsraumfernsehen mit seiner lokalen und regionalen Schwerpunktberichterstattung durchaus einen Beitrag zur Meinungsvielfalt.
2.10
Teleshopping
Die Veranstaltung von Teleshopping, d. h. die „Sendung direkter Angebote an die Öffentlichkeit für
den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen (…) gegen Entgelt“ (§ 2 Abs. 2
Nr. 8 RStV), bietet den Fernsehkonzernen die Chance, in ein weiteres Geschäftsfeld zu expandieren.
Teleshopping eröffnet den Veranstaltern eine alternative Erlösquelle zu Werbeeinnahmen durch
Umsatzbeteiligungen und Provisionen. Das Einkaufsfernsehen findet auch als Programmfenster
im Rahmen verschiedener Rundfunkprogramme zunehmende Verbreitung im bundesweiten
privaten Fernsehen.
2.10.1
Rechtliche Einordnung
Die in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit veranstalteten Teleshopping-Programme Home
Shopping Europe (vormals H. O. T.), QVC, RTL Shop, sonnenklar TV und TV Travel Shop werden
von den Landesmedienanstalten als Mediendienste im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) eingestuft. Dadurch unterfallen sie nicht dem Rundfunkrecht und sind
zulassungsfrei.
Obwohl in § 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV Verteildienste für Fernseheinkauf (Fernseheinkaufsdienste) als
Beispiel für einen Mediendienst im Sinne des Mediendienstestaatsvertrages aufgeführt werden,
bleibt die Unterscheidung von Rundfunk und Mediendienst gerade bei Teleshopping-Programmen
problematisch und wird auch vielfach diskutiert.859 Entscheidend dafür, ob ein Mediendienst
oder Rundfunk vorliegt, sind die abstrakten Definitionen in § 1 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 1 Abs. 1
Satz 1 MDStV. Dabei unterscheidet sich ein Mediendienst vom Rundfunkdienst allein dadurch,
dass ihm das Merkmal der Darbietung fehlt. Durch das Merkmal der Darbietung wird nach
zutreffender Auffassung die besondere Rolle des Rundfunks als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung gekennzeichnet. Demnach kommt es für die Einordnung als Rundfunk
oder als Mediendienst auf den Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung an. Für die Gesamtbewertung, ob eine dem herkömmlichen Rundfunk vergleichbare Meinungsrelevanz gegeben
ist, hat die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) einige Kriterien in einem
Strukturpapier aufgeführt.860 Danach ist Teleshopping u. a. bei einer Integration der Produkt-
859 Vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Kommentar zum Rundfunkstaatsvertrag, § 2, Rn. 5 ff. und 37 ff.; Claudia
Braml, Das Teleshopping und die Rundfunkfreiheit, Frankfurt a. M. 1999; Reiner Hochstein, Teledienste, Mediendienste und der Rundfunkbegriff, in: NJW 1997, 2977; S. Hansjörg Kuch, Der Staatsvertrag über Mediendienste,
ZUM 1997,S. 225.
860 Vgl. DLM (Hrsg.), 1. Strukturpapier über die Zuständigkeit der Landesmedienanstalten im Grenzbereich zwischen
Rundfunk und Mediendiensten und die Unterscheidung von Rundfunk und Mediendiensten vom 16. Dezember
1997, abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a. a. O., § 2, Rn. 9.
284
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
präsentation in eine Unterhaltungsshow oder in ein Gewinnspiel als Rundfunk anzusehen.861 Die
Tatsache allein, dass TV-Programme, die ausschließlich dazu dienen, Produkte und/oder Dienstleistungen zu verkaufen, redaktionell gestaltet sind, nimmt ihnen nicht den Charakter als Fernseheinkaufskanal und Mediendienst.
Trotz der Qualifizierung des Teleshoppings als Mediendienst kann die Stellung eines Unternehmens in diesem Bereich dennoch im Rahmen der medienkonzentrationsrechtlichen Prüfung
nach dem Rundfunkstaatsvertrag eine Rolle spielen. Sie ist als Stellung auf einem medienrelevanten verwandten Markt in die Beurteilung mit einzubeziehen. Die Stellung eines Unternehmens
auf dem Markt für Teleshopping ist auch vor dem Hintergrund der künftigen Entwicklungen im
Kabelnetz von Bedeutung. Derzeit erfolgt die Bestellung der Waren und Dienstleistungen per
Telefon oder über das Internet. Es wird erwartet, dass bei zukünftiger Ermöglichung interaktiver
Anwendungen durch Aufrüstung der Kabelnetze und Einrichtung eines Rückkanals die direkte
Bestellung über den Fernsehbildschirm per Fernbedienung zu einem weiteren Anstieg der Umsätze im Teleshoppingbereich führen wird. Auch wenn die Vermarktungs- und Refinanzierungsmodelle der künftigen Kabelnetzbetreiber noch unklar sind, ist anzunehmen, dass TeleshoppingProgramme aufgrund der zu erwartenden Umsatzerlöse für die neuen Kabelnetzbetreiber ein
attraktives Angebot darstellen.
2.10.2
Programmangebote
Das von der RTL Shop GmbH veranstaltete Teleshopping-Programm RTL Shop startete am
01. 03. 2001 und wird als eigenständiges 24-Stunden-Programm über das ASTRA-Satellitensystem
ausgestrahlt. Gesellschafter der RTL Shop GmbH sind die RTL Television GmbH mit 55 %, die RTL
New Media GmbH mit 25 % und die französische Sendergruppe M6, an der die RTL Group maßgeblich beteiligt ist, mit 20 % der Anteile. RTL Shop produziert Teleshopping außer für die zur
RTL Group gehörigen Programme RTL, VOX und n-tv auch für Onyx, NBC und eine Anzahl lokaler
Kabelprogramme (Sachsen Fernsehen, Franken Fernsehen u. v. m.). Die RTL Shop GmbH verfügt
nach eigenen Angaben über 1,25 Mio. Kunden und weist für das Jahr 2002 einen Bruttoumsatz
von 114 Mio. Euro aus.862
Die ProSiebenSAT.1 Media AG ist über ihre Beteiligung an der EUVIA Media AG & Co. KG, deren
100 %ige Tochtergesellschaft Euvia Travel GmbH den Reise-Teleshoppingsender sonnenklar TV
betreibt, im Teleshopping-Markt vertreten. Das tägliche 24-Stundenprogramm wird digital und
analog über Satellit verbreitet und in Baden-Württemberg in die Kabelnetze eingespeist. Fensterprogramme werden für NEUN LIVE und tv-münchen produziert. Mit der Reisevermittlung wurde
im Jahr 2002 ein Bruttoumsatz von 89,7 Mio. Euro erzielt.863
Bereits seit 1995 ist das Teleshopping-Programm Home Shopping Europe (HSE) auf Sendung.
Das unter dem Namen H. O. T. Home Order Television gestartete Programm firmierte im Mai
2001 in HSE um; zudem schieden Thomas Kirch und Dr. Georg Kofler als Gesellschafter der Veranstalterin aus. Die Anteile an der HSE Home Shopping Europe AG halten nunmehr zu 89,99 %
die HSN Home Shopping Network GmbH (HSN) und zu 10,01 % die Quelle AG. Die Quelle AG ist
eine 100 %ige Tochtergesellschaft der KarstadtQuelle AG, die eine mittelbare Beteiligung an der
Veranstalterin von DSF hält. HSE hat Teleshopping-Fenster bei SAT.1 und Kabel 1 eröffnet. Nach
861 Vgl. 1. Strukturpapier, a. a. O., 2.2.2.1.2.
862 Vgl. Pressemitteilung von RTL Shop vom 20. 02. 2003; Nettowerte werden nicht angegeben.
863 Vgl. Pressemitteilung von sonnenklar TV vom 28. 02. 2003; Nettowerte werden nicht angegeben.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
285
Unternehmensangaben wurde mit Warenverkäufen an 1,5 Mio. Kunden ein Nettoumsatz von
288,2 Mio. Euro erwirtschaftet.864
HSN ist neben der Beteiligung an HSE mit zwei weiteren Teleshopping-Veranstaltern verflochten (s. u. Abb. II-25). Eine 100 %ige Tochtergesellschaft von HSN, die H. O. T. Networks AG, hält
eine Beteiligung in Höhe von 45,6 % an der EUVIA Media AG & Co. KG, der Muttergesellschaft der
Veranstalterin von sonnenklar TV (s. o.). HSN steht im vollständigen Eigentum der USA Interactive,
Inc., deren größter Gesellschafter mit ca. 70 % der Anteile Bary Diller ist; weitere Gesellschafter
sind Liberty Media (ca. 20 %) und Vivendi Universal (13,0 %).865 USA Interactive ist mittelbar zu
49,9 % an der Veranstalterin des Reise-Shoppingprogramms TV Travel Shop, der TV Travel Shop
Germany GmbH & Co. KG, beteiligt. Neben USA Interactive ist zu 50,01 % die TUI Group GmbH an
der TV Travel Shop Germany GmbH & Co. KG beteiligt. Das Programm wird analog über Satellit
sowie in verschiedenen regionalen Kabelnetzen ausgestrahlt.
Die Veranstalterin des Teleshopping-Programms QVC, die QVC Deutschland GmbH, steht
über Zwischengesellschaften vollständig im Eigentum der QVC, Inc., USA, die mit einem Nettoumsatz von 4,4 Mrd. US-Dollar im Jahr 2002 zu den weltweit führenden elektronischen Einzelhandelsunternehmen zählt. Haupteigner der QVC, Inc. ist mit 57 % der Anteile die Comcast
Corporation, die größte Kabelnetzbetreiberin in den USA.866 42 % der Anteile hält die Liberty
Media Corporation, USA, die, wie weiter oben erwähnt, auch über ihre Beteiligung an USA Interactive im Teleshopping-Markt aktiv ist. In Deutschland ist Liberty Media darüber hinaus mittelbar
zu 49,9 % an der Veranstalterin des Discovery Channel beteiligt. Die QVC Deutschland GmbH
erzielte im Jahr 2002 einen Nettoumsatz von 289 Mio. Euro und ist damit mit geringem Abstand
vor HSE führend im deutschen Teleshopping-Markt.867
Über Satellit ist darüber hinaus der von der TV Shop Europe GmbH veranstaltete TeleshoppingSender TV Shop zu empfangen. Die TV Shop Europe GmbH gehört zur Modern Times Group,
Stockholm, einem Medienkonzern, der vornehmlich in Nordeuropa und der baltischen Region
u. a. in den Bereichen frei empfangbares Fernsehen, Pay-TV, Hörfunk, Produktion und Rechtehandel tätig ist.
Eingestellt wurde das von der Via1 GmbH veranstaltete Reiseshopping-Programm Via1 –
Schöner Reisen. An der Via1 GmbH war die RTL New Media GmbH zu 10 % beteiligt.868
Neben den genannten Teleshopping-Kanälen und Programmfenstern werden bei verschiedenen Sendern Teleshopping-Formate angeboten, wie z. B. das von der KarstadtQuelle AG und
Tele 5 als Gemeinschaftsunternehmen produzierte zweistündige Reiseshopping-Fenster „Neckermann Urlaubswelt TV“ im Programm von Tele 5 oder der „Vox Reise Shop“ auf VOX.
Abbildung II-25 zeigt die Verflechtungen im Bereich der Veranstaltung von Teleshopping durch
die Beteiligungen der USA Interactive, Inc. und der Liberty Media Corporation. Davon unabhängig
besteht das Teleshopping-Angebot RTL Shop, das zur RTL Group zugehörig ist (s. o.).
864 Vgl. Angaben unter http://www.homeshoppingeurope.net.
865 Vgl. Angaben der Universal Studios Networks Deutschland GmbH im Prüfverfahren KEK 161 i. S. Sci-Fi Channel;
SEC, Commission File No. 0-20570, Annual report pursuant to section 13 or 15 (d) of the Securities Exchange Act
of 1934, USA Networks, Inc., Fiscal Year ended December 31, 2001, S. 4, 7 ff.; Liberty Media Company Profile,
Stand: 30. 09. 2002.
866 Nach Presseberichten hat Liberty Media QVC, Inc. vollständig übernommen; vgl. Financial Times Deutschland
vom 04. 07. 2003.
867 Vgl. Pressemitteilung von QVC vom 09. 05. 2003.
868 Vgl. Handelsblatt vom 31. 10. 2001; Jahresbericht der KEK 2000/2001, S. 228 f.
286
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Barry Diller
ca. 70
Vivendi Universal S.A.
13th Street
Sci-Fi Channel
Studio Universal
48,4
13
USA Interactive, Inc.
Liberty Media
Corporation
ca. 20
Planet,
Seasons,
CineClassics 1
und 2,
Jimmy
EUVIA Media AG &
Co. KG
100
45,6 (Z)
Discovery Channel
100
HSN Home Shopping
Network GmbH
89,99
Sonnenklar TV
Euvia Travel
GmbH
Home Shopping
Europe
HSE Home Shopping
Europe AG
10,01 (Z)
ProSiebenSAT.1
Media AG
SAT.1
ProSieben
Kabel 1
N24
KarstadtQuelle AG
100 (Z)
TV Travel Europe
Limited
42
QVC, Inc.
57
100 (Z)
49,9
TV Travel Shop
TV Travel Shop
Germany GmbH &
Co. KG
QVC
QVC Deutschland
GmbH
50,1 (Z)
TUI AG
Comcast Corporation
DSF
Mediendienst
Rundfunkrechtlich zuzurechnendes
Programm
NEUN LIVE
Z: Zwischengesellschaften ausgeklammert
Abbildung II-25: Verflechtungen von USA Interactive und Liberty Media im Bereich des Teleshopping
Quelle: KEK, Geschäftsberichte der Comcast Corporation, Liberty Media Corporation, USA Networks (nunmehr USA Interactive), Stand: 07/2003
2.10.3
Fazit
Teleshopping-Programmen ist ein potenzieller Einfluss auf die Meinungsbildung nicht generell
abzusprechen. Mit der RTL Group und der ProSiebenSAT.1 Media AG sind beide großen Veranstaltergruppen im bundesweiten privaten Fernsehen auch im Teleshopping-Bereich aktiv. Die
Veranstaltung von Teleshopping-Programmen verschafft den Fernsehkonzernen die Möglichkeit,
zusätzliche Umsätze zu erwirtschaften bzw. Einbußen bei den TV-Werbeumsätzen auszugleichen.
Durch die Einräumung von Teleshopping-Fenstern im Programm der eigenen Sendergruppierung
können die in einen Fernsehkonzern eingebundenen Teleshopping-Programme Reichweite
hinzugewinnen und ihre Umsatzchancen weiter erhöhen. Sowohl die Umsätze von RTL Shop
als auch von sonnenklar TV liegen jedoch deutlich unter denen der im Teleshopping-Markt
etablierten Anbieter QVC und HSE.
2.11
Presse
2.11.1
Verflechtungen von bundesweitem Fernsehen und Presse
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem 4. Rundfunkurteil (BVerfGE 73, 118 (175)) zur Verbindung von Rundfunk und Presse ausgeführt: „Das Grundgesetz verwehrt Presseunternehmen
nicht den Zugang zum Rundfunk; der Satz, solche Unternehmen hätten sich im Sinne einer
publizistischen Gewaltenteilung auf die Printmedien zu beschränken, ist kein Verfassungssatz.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
287
Über die erörterten Gefahren vorherrschenden Einflusses auf die öffentliche Meinung hinaus
sind daher gleiche, möglicherweise größere Gefahren zu befürchten, wenn Meinungsmacht im
Bereich des Rundfunks sich mit Meinungsmacht im Bereich der Presse verbindet. Das gilt nicht
nur für überregionale Zeitungen und Zeitschriften; auch im Verbreitungsbereich regionaler und
lokaler Zeitungen und Zeitschriften können solche Gefahren entstehen, zumal diese zu einem
großen Teil für ihren Bereich eine Monopolstellung innehaben. Demgemäß erfordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung freier Meinungsbildung gesetzliche Vorkehrungen auch
dagegen, dass vorherrschende Meinungsmacht sich aus einer Kombination der Einflüsse in
Rundfunk und Presse ergibt.“
Für das bundesweit verbreitete private Fernsehen existieren keine gesetzlichen Bestimmungen, die die wechselseitige Beteiligung von Fernsehveranstaltern und Presseunternehmen
reglementieren.869 Damit unterscheidet sich die deutsche Konzentrationskontrolle von derjenigen
in anderen europäischen Ländern und den USA.870 Derartige Verflechtungen spielen aber bei
der Beurteilung der Stellung eines Unternehmens auf medienrelevanten verwandten Märkten im
Rahmen des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV eine Rolle.
2.11.2
Beteiligungen von Presseunternehmen an Veranstaltern
von bundesweitem Fernsehen
Die folgende Übersicht (Tab. II-63) zeigt die Beteiligungen von Presseunternehmen an Fernsehveranstaltern. Es engagieren sich im bundesweiten privaten Fernsehen die drei auflagenstärksten
Verlagsgruppen im Bereich der Publikumspresse: die Heinrich Bauer Verlag KG, die Axel Springer
AG und – mit einem allerdings geringen Anteil – Hubert Burda Medien.871 Der nach der Axel
Springer AG auflagenstärkste Zeitungskonzern Westdeutsche Allgemeine Zeitungs- und Verlagsgesellschaft E. Brost & Funke GmbH & Co. KG (WAZ) hält ebenfalls Veranstalterbeteiligungen.872
Der Zeitungsverlag Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH ist über seine
Mehrheitsbeteiligung an der DFA Deutsche Fernsehnachrichten Agentur an zwei informationsorientierten Programmen beteiligt;873 derselben Sparte gehören die Sender DCTP und XXP an, an
denen die Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG Anteile hält. Gerade zwischen Tageszeitungen oder politischen Magazinen auf der einen Seite und Informationsspartenprogrammen
auf der anderen Seite dürften Einsparungseffekte durch koordinierten Personaleinsatz und Mehr-
869 Für den regionalen und lokalen Bereich existieren hingegen explizite Cross-Ownership-Regelungen in den
Mediengesetzen der Länder. Das BVerfG hat bezüglich dieses Bereichs festgestellt: „Grundsätzlich gilt für lokalen
Rundfunk verfassungsrechtlich nichts anderes als für landesweiten Rundfunk: Er muss rechtlich so ausgestaltet
werden, dass er imstande ist, dem verfassungsrechtlichen Ziel freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung
zu dienen. Dieses Ziel verlangt auch im lokalen Bereich gleichgewichtige Vielfalt der Meinungen im Gesamtangebot
des Sendegebiets. Dafür hat der Gesetzgeber Sorge zu tragen (vgl. BVerfGE 74, 297 (327)). Bei der Regelung muss
er jedoch den Besonderheiten des lokalen Bereichs Rechnung tragen. Zu diesen gehört namentlich die häufig
anzutreffende Monopolstellung der örtlichen Zeitungsverlage. Diese erfordert besondere Vorkehrungen gegen
die Entstehung vorherrschender multimedialer Meinungsmacht (vgl. BVerfGE 73, 118 (177)). Wie der Gesetzgeber
diese Aufgabe im einzelnen erfüllt, ist Sache seiner politischen Entscheidung.“, BVerfGE 83, 238 (324).
870 Vgl. Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 385 ff., zu entsprechenden Regelungen in Großbritannien und den
USA siehe auch KEK, Fernsehen im Breitbandkabel – Ein Rechtsvergleich. Die Regulierung in Belgien, Großbritannien, den Niederlanden und den USA, Berlin 2003, S. 230, 244 ff. sowie S. 307 ff. Die Regelungen des
Medienkonzentrationsrechts in Großbritannien und den USA standen bzw. stehen noch auf dem Prüfstand, siehe
auch Kapitel III 1 und 2.m
871 Andreas Vogel, Publikumspresse – Markt und Konzentration im 1. Quartal 2002, Media Perspektiven 9/2002.
872 Vgl. Horst Röper, Zeitungsmarkt 2002: Wirtschaftliche Krise und steigende Konzentration, in: Media Perspektiven
10/2002, S. 484.
873 Die DFA hält auch Beteiligungen an diversen Ballungsraumsendern, s. o. unter Kapitel II 2. 9.
288
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Presseunternehmen
Fernsehveranstalter
Beteiligungshöhe
Advance/Newhouse Communications
Discovery Channel
24,6 % (indirekt)
Bauer
RTL II
31,5 %
Burda
RTL II
1,1 %
DFA (im Mehrheitsbesitz der RheinischBergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH)
CNN Deutschland
50,0 %
NBC Europe
74,4 % an der United Telco Ltd., die
88,49 % an der Veranstalterin hält
Spiegel-Verlag
DCTP
12,5 %
XXP
50,0 %
Springer
Sender der ProSiebenSAT.1
Media AG (SAT.1, ProSieben,
Kabel 1, N24, NEUN LIVE)
41 % an zwei Zwischengesellschaften, die
26,8 % und 1,22 % an der ProSiebenSAT.1
Media AG halten (durchgerechnet 11,5 %)
WAZ
Sender der RTL Group (RTL,
RTL II, Super RTL, VOX, n-tv)
20 % an der BW TV und Film Verwaltungs
GmbH, die 37 % an der RTL Group hält
Tabelle II-63: Beteiligungen von Presseunternehmen an Veranstaltern von privatem bundesweitem Fernsehen
fachverwertung von Inhalten (z. B. Recherchen, Agenturzulieferungen, Korrespondenten) erzielt
werden können.
Die Verlagsgruppe Frankfurter Allgemeine Zeitung hält nach ihrem Ausscheiden bei der Veranstalterin von RTL II keine Beteiligungen im bundesweiten privaten Fernsehen mehr, ebenso
wie die Verlagsgruppe Holtzbrinck nach der Veräußerung ihrer Anteile an der Veranstalterin von
n-tv. Auch die DFA hat ihre Beteiligung an der Veranstalterin von n-tv veräußert. Eine Ausweitung der Aktivitäten des Heinrich Bauer Verlags im TV-Bereich kam bislang nicht zustande.
Ursprünglich hatte der Bauer Verlag den Erwerb der Anteile der von der Kirch Media GmbH &
Co. KGaA direkt gehaltenen Anteile an der ProSiebenSAT.1 Media AG beabsichtigt, sich dann
aber aus einem Bieterwettstreit mit der Saban Capital Group zurückgezogen.
Die Axel Springer AG ist mit durchgerechnet 11,48 % an der ProSiebenSAT.1 Media AG beteiligt.
Ob diese Beteiligung langfristig beibehalten werden soll, ist derzeit noch nicht entschieden.
Nach der Übernahme der Anteilsmehrheit an der ProSiebenSAT.1 Media AG durch die Saban
Capital Group hat die Axel Springer AG jedenfalls einen zweiten Vertreter in den neunköpfigen
Aufsichtsrat der Gruppe entsandt.874
Das kürzlich von Axel Springer Verlag AG in Axel Springer AG umbenannte Unternehmen ist
– auch wenn die Bezeichnung Verlag gestrichen worden ist – in erster Linie ein Printunternehmen
geblieben. Im Geschäftsjahr 2002 erzielten die Zeitungen und Zeitschriften gut drei Viertel
(77 %) des Gesamtumsatzes. Nachdem im Jahr 2003 die Buchverlage verkauft worden sind, die im
Jahr 2001 für sechs Prozent des Umsatzes standen, dürfte das relative Gewicht der Zeitungen und
Zeitschriften noch steigen. Nur drei Prozent machte 2002 der Umsatz des Bereichs elektronische
Medien aus (2001: 1 %), in dem beim Springer-Konzern Beteiligungen und Aktivitäten in den
Medien Hörfunk und Fernsehen sowie in der Fernsehproduktion und im Multimediabereich
zusammengefasst werden.
Der derzeitige Vorstand hat die Prioritäten für die künftige Entwicklung des Konzerns neu
definiert und sich weitgehend von dem über mehrere Jahrzehnte verfolgten Ziel der Diversifikation in den Rundfunkbereich gelöst. Die Absicht, die TV-Produktionsunternehmen zu ver874 Den folgenden Ausführungen zur Axel Springer AG lagen Untersuchungen des FORMATT-Instituts, Dortmund,
zugrunde.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
289
äußern, ist zum Teil bereits realisiert worden.875 Zwar wurde eine Expansion im Hörfunkbereich in
Aussicht gestellt (s. auch Kap. II 2.12.4), die Printmedien stellen aber aus der Sicht des Vorstandsvorsitzenden Döpfner weiterhin die Kernkompetenz des Konzerns dar. Entsprechend sollen
diese Aktivitäten ausgebaut werden.
Im Bereich der Tageszeitungen (Abonnementzeitungen und Kaufzeitungen zusammengefasst)
ist die Axel Springer AG die mit Abstand auflagenstärkste Verlagsgruppe. Die Beteiligungen des
Springer-Konzerns an Tageszeitungen zeigt Tabelle II-64.
Im Bereich der Sonntagszeitungen ist die Axel Springer AG marktbeherrschend (s. Tab. II-65).
Allein Bild am Sonntag (BamS) kommt auf knapp die Hälfte der für den Sonntagsmarkt ausgewiesenen Gesamtauflage (inklusive regionaler Titel).
Titel1)
Bild
Hamburger Abendblatt
B. Z. (7 × wö)
Die Welt
Elmshorner Nachrichten2)
Berliner Morgenpost (7 × wö)
Bergedorfer Zeitung2)
Ostsee-Zeitung3)
Leipziger Volkszeitung4)
LVZ/Muldentalzeitung5)
Dresdner Neueste Nachrichten6)
Lübecker Nachrichten7)
Naumburger Tageblatt8)
Pinneberger Tageblatt9)
Harburger Anzeigen und Nachrichten2) 10)
Kieler Nachrichten11)
Beteiligung in Prozent
Verkaufte Auflage 2002
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
074,5
050,0
050,0
050,0
049,0
037,5
028,7
024,8
024,5
4.083.300
0.288.200
0.262.500
0.233.700
00.11.400
0.157.700
00.20.800
0.182.100
0.220.200
00.11.800
00.35.300
0.109.500
00.18.300
00.22.700
00.22.200
0.106.300
Gesamtauflage
5.786.000.
01)nNicht aufgeführt werden kleinere, indirekte Beteiligungen des Konzerns, z. B. am nordkurier in Neubrandenburg
oder der Segeberger Zeitung.
02)nDie Bergedorfer Zeitung, die Elmshorner Nachrichten und die Harburger Anzeigen und Nachrichten gehören zur
Redaktionsgemeinschaft Norddeutsche Nachrichten mit der Hauptredaktion in Hamburg.
03)nOstsee-Zeitung: Das Blatt gehört je zur Hälfte den Lübecker Nachrichten und dem Springer-Konzern. Der Konzern
ist also direkt und indirekt beteiligt, durchgerechnet 74,5 %.
04)nLeipziger Volkszeitung: Der Konzern ist direkt mit 50 % beteiligt. Die andere Hälfte der Anteile gehört zur Verlagsgruppe Madsack.
05)nLVZ/Muldentalzeitung: Das einst eigenständige Blatt in Wurzen gehört inzwischen vollständig zum Verlag der
Leipziger Volkszeitung.
06)nDresdner Neueste Nachrichten: Der Springer-Konzern hält die Beteiligung über den Verlag der Leipziger Volkszeitung.
07)nLübecker Nachrichten: 49 % gehören der Axel Springer AG. Eine indirekte Beteiligung über die Hanseatische Verlagsbeteiligungs AG bleibt unberücksichtigt.
08)nAm Tageblatt in Naumburg ist der Verlag der Leipziger Volkszeitung mit 75,1 % beteiligt.
09)nPinneberger Tageblatt: Der Springer-Konzern hält direkt 23,4 % und ist über die Beteiligung in Kiel an weiteren
21,6 % beteiligt. Insgesamt wird der Verlagsgruppe eine Beteiligung von 28,7 % angerechnet. Die übrigen Anteile
am Pinneberger Verlag hält der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag in Flensburg.
10)nHarburger Anzeigen und Nachrichten: Der Konzern hält direkt einen Anteil von 24,8 %. Eine indirekte Beteiligung
bleibt unberücksichtigt.
11)nKieler Nachrichten: Der Konzern hält direkt knapp 25 % der Anteile. Eine indirekte Beteiligung bleibt unberücksichtigt.
Tabelle II-64: Beteiligungen der Axel Springer AG an Tageszeitungen
875 So wurden beispielsweise Anteile an Gemeinschaftsunternehmen mit Studio Hamburg verkauft.
290
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Titel
Verbreitung
Auflage
Marktanteil in Prozent
Bild am Sonntag, Hamburg
Welt am Sonntag, Hamburg
Euro am Sonntag1)
B. Z. am Sonntag, Berlin
national
national
national
Berlin/Brandenburg
2.221.566
406.568
141.978
139.340
049,6
009,1
003,2
003,1
2.909.452
064,9
255.401
005,7
1.052.672
023,5
Springer gesamt
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
national
Sonntag aktuell, Stuttgart
Baden-Württemberg
HNA-Sonntagszeit, Kassel
Hessen
187.298
004,2
Morgenpost am Sonntag, Dresden
Sachsen
75.158
001,7
3.025.513
070,1
4.479.981
100,0
mit nationaler Verbreitung gesamt
Sonntagszeitungen gesamt
Auflagen nach IVW für das 1. Quartal 2002.
Die Liste ist unvollständig, da nur ein Teil der Sonntagszeitungen der IVW die jeweiligen Auflagenzahlen meldet. Es
fehlen beispielsweise der „Sonntags Express“ (Region Köln) oder Sonntagsausgaben einzelner Abonnementzeitungen
wie z. B. der „Lübecker Nachrichten“.
1) Der „Euro am Sonntag“ wird von der IVW als Publikumszeitschrift geführt.
Tabelle II-65: Sonntagszeitungen der Axel Springer AG
Marktsegment
Programm
Frauen
Computer
Auto
Sport
Jugend
Lifestyle
Titelzahl
Verkaufte Auflage
04
03
02
06
14
04
04
3.660.000
2.040.000
1.700.000
1.360.000
1.050.000
0.860.000
0.450.000
Tabelle II-66: Titel der Axel Springer AG in einzelnen Marktsegmenten
Auch im Bereich der Publikumszeitschriften zählt der Springer-Konzern zu den führenden
Verlagshäusern. Für das letzte Quartal 2002 hat der Konzern der IVW inklusive der Verlage, an
denen Beteiligungen gehalten werden, insgesamt 37 Titel gemeldet (s. Tab. II-66).
Im Markt der Programmzeitschriften steht Springer mit einem Marktanteil von 19,60 % im
Jahr 2002 an zweiter Stelle nach dem Bauer Verlag (s. o Kap. II 2.5, Tab. II-54). Die Akzeptanz von
Programmen und einzelnen Sendungen hängt nicht nur von ihren Ankündigungen in den Programmzeitschriften ab, sondern auch von jenen in der Tagespresse. Berücksichtigt man Springers
mit enormem Abstand führende Rolle bei der Tagespresse, wird im Verbund mit den TV-Zeitschriften das große Potenzial Springers deutlich.876
2.11.3
Beteiligungen von Fernsehveranstaltern an Presseunternehmen
Das am weitläufigsten mit Printmedien verflochtene, auch an Fernsehveranstaltern beteiligte
Unternehmen ist die Bertelsmann AG. Sie ist über ihre 74,9 %ige Beteiligung an der Gruner +
Jahr AG & Co. KG im Zeitungs-, vor allem aber im Zeitschriftenmarkt stark vertreten. Eine Über876 Beobachter führen beispielsweise selbst den Erfolg des Formats „Deutschland sucht den Superstar“ (ein Quotenhit
im Programm von „RTL“) auf die begleitende Berichterstattung von „Bild“ zurück. Bei den ersten Ausstrahlungen
sei das Format noch nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Erst als „Bild“ mit Geschichten über die Stars in spe
für Echo auf die Sendung gesorgt habe, sei auch die Quote gestiegen.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
Verlag
Beteiligungshöhe
G+J Berliner Verlag, Berlin
100 %
Dresdner Druck- und Verlagshaus,
Dresden
060 %
Financial Times Deutschland
GmbH & Co. KG, Hamburg
050 %
291
Zeitung
Auflage
1. Quartal 2003 (IVW)
Berliner Kurier
139.561
Berliner Zeitung
192.230
Sächsische Zeitung
318.986
Morgenpost Sachsen
102.074
Financial Times Deutschland
090.433
Tabelle II-67: Beteiligungen von Gruner + Jahr an Zeitungsverlagen
Quelle: Geschäftsbericht der Bertelsmann AG 2000/2001, IVW
sicht geben die Tabellen II-67 und II-68. Die Beteiligungen an den Zeitungsverlagen (außer der
Financial Times Deutschland) stehen allerdings zur Disposition.877 Der beabsichtigte Verkauf des
Berliner Verlags an die Verlagsgruppe Holtzbrinck wurde indes vom Bundeskartellamt untersagt.878 Im Bereich der Publikumspresse stand Gruner + Jahr im Jahr 2000 mit einem Anteil von
10,12 % an der gesamten Auflage an vierter Stelle nach Bauer, Springer und Burda.879
Unternehmen der ehemaligen KirchGruppe sind nicht mehr an Presseunternehmen beteiligt. Im
Zuge der Insolvenz der Kirch Beteiligungs GmbH & Co. KG wurde das bis dahin von ihr gehaltene
Aktienpaket an der Axel Springer AG (40,05 %) von der Deutschen Bank ersteigert; 10,4 % der
Anteile wurden an Friede Springer veräußert. Weitere nennenswerte Beteiligungen von Veranstaltern von bundesweitem Fernsehen an Presseunternehmen sind demnach zur Zeit nicht ersichtlich.
2.11.4
Cross-Promotion
Die Möglichkeit, durch Cross-Promotion verschiedene Medienprodukte wechselseitig zu bewerben, versetzt diversifizierte Konzerne in die Lage, ihren publizistischen Einfluss und ihre wirtschaftliche Stärke weiter zu steigern.880 Im Jahr 2001 standen die Massenmedien in Hinblick auf
ihren Bruttowerbeaufwand in den klassischen Medien unter den werbungtreibenden Branchen
an erster Stelle.881 Dies ist zu einem erheblichen Teil auf Eigenwerbung im jeweiligen Medienprodukt (Trailer/ Teaser im Fernsehen, Jingles im Hörfunk, Image- und Abonnement-Anzeigen
in der Presse) und Cross-Promotion (Werbung in einem anderen unternehmenszugehörigen
Medienprodukt derselben oder einer anderen Mediengattung) zurückzuführen. Diese Sonderwerbestrategien fließen zwar in die Brutto-Werte mit ein, sind aber in der Regel für den Medienkonzern ausgabenneutral. Nach einer aktuellen Analyse für das Jahr 2001 bestand die im Fernsehen geschaltete Werbung für Fernsehsender zu 53 % aus Cross-Promotion (Werbung bei
Sendern derselben Sendergruppierung), zu 34 % aus Eigenwerbung (Werbung beim beworbenen
Sender selbst) und nur zu 13 % aus Werbung bei externen Sendern.882 Die RTL Group verwendete
80 % ihrer Bruttowerbeinvestitionen auf Eigenwerbung, die Sender der KirchGruppe setzten hingegen eher auf Cross-Promotion (65 % der Bruttowerbeausgaben).883
877 Vgl. Pressemitteilung von Gruner + Jahr vom 24. 10. 2002; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. 06. 2002.
878 Vgl. Entscheidung des Bundeskartellamts vom 10. 12. 2002, B6-22121 – U – 98/02.
879 Vgl. Andreas Vogel, Publikumspresse – Markt und Konzentration im 1. Quartal 2002, in: Media Perspektiven
9/2002. Im 1. Quartal 2002 lag der Anteil bei 9,73 %.
880 Vgl. Insa Sjurts, Strategien in der Medienbranche, Wiesbaden 2002, S. 359.
881 Vgl. Julia Engländer, Der Werbemarkt 2001, in: Media Perspektiven 6/2002, S. 242 ff., hier S. 245.
882 Vgl. Silvia Knobloch, Werbestrategien der deutschen Medien, in: M&K 1/2003, S. 38 ff., hier S. 47.
883 Dabei entfiel mehr als die Hälfte der Brutto-Werbeaufwendungen auf Werbung für das Programm von Premiere,
vgl. Silvia Knobloch, a. a. O., S. 48.
292
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Verlag
Gruner + Jahr AG & Co. KG und
100 %ige Tochterunternehmen
Beteiligungs- Zeitschrift
höhe
(Erscheinungsweise)
100 %
M. C. Verlagsgesellschaft
Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH &
Co. KG
National Geographic
50 %
24,75 %
Manager Magazin Verlagsgesellschaft
Vereinigte Motor-Verlage GmbH & Co. KG
24,9 %
15 %
50 %
Auflage
1. Quartal 2003 (IVW)
Art (mo.)
Biografie
Börse online (wö.)
Brigitte (14 t.)
Brigitte Young Miss (mo.)
Capital (14 t.)
Eltern (mo.)
Eltern for family (mo.)
Essen & trinken (mo.)
Flora Garten (mo.)
Frau im Spiegel (wö.)
Gala (wö.)
Geo (mo.)
Geolino (mo.)
Geo Epoche, Saison, Saison für
Genießer, Spezial, Wissen
Häuser (6x j.)
Impulse (mo.)
Living at home (mo.)
Neues Wohnen (mo.)
PM (mo.)
PM Logik Trainer, IntelligenzTrainer, History, Kreativ-Trainer,
Fragen & Antworten, Perspektive
00.71.952
000000..–
0.133.063
0.874.405
0.162.532
0.221.570
0.377.348
0.147.971
0.249.539
0.194.600
0.460.350
0.344.567
0.505.975
0.223.489
000000..–
Schöner essen (mo.)
Schöner wohnen (mo.)
Schöner Wohnen Decoration (6x j.)
Stern (wö.)
Tip, Berlin (14 t.)
TV Today (14 t.)
Woman
Marie Claire (mo.)
Der Spiegel (wö.)
0.132.917
0.316.329
00.87.500
1.141.293
00.70.450
0.854.873
000000..–
0.154.589
1.123.803
National Geographic Deutschland
(mo.)
Manager Magazin (mo.)
auto motor und sport etc.
0.292.598
00.42.959
0.140.618
0.201.734
0.105.185
0.414.079
000000..–
0.120.257
000000..–
Tabelle II-68: Beteiligungen von Gruner + Jahr an Zeitschriftenverlagen
Quelle: Unternehmensangaben unter http://www.guj.de, 25. 02. 2003, Geschäftsbericht der Bertelsmann AG
2002, IVW Quartalszahlen
Werbung für TV-Programme wird darüber hinaus in Produkten anderer Mediengattungen
geschaltet. Während die KirchGruppe weniger Gewicht auf Werbung in den Printmedien legte
(15 % der Bruttowerbeausgaben für Zeitschriften, 10 % für Zeitungen), investierte die RTL Group
40 % ihrer Aufwendungen in Zeitschriften- und 14 % in Zeitungswerbung.884 Dies legt den
Schluss nahe, dass die stark diversifizierte RTL Group in größerem Umfang von ihrer Möglichkeit
884 Vgl. Silvia Knobloch, a. a. O., S. 47.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
293
der mediengattungsübergreifenden Cross-Promotion in Printmedien Gebrauch gemacht hat.
Die KEK hat mehrfach festgestellt, dass in der Bundesrepublik Deutschland der BertelsmannKonzern das mit Abstand finanziell stärkste, in allen Medienbereichen maßgeblich vertretene
und zur Nutzung möglicher Querverbindungen am ehesten befähigte Medienunternehmen ist
(siehe Kapitel II 1.2.1 Bertelsmann AG/RTL Group).885
2.11.5
Fazit
Die auflagenstärksten Verlagsgruppen im Bereich der Publikumspresse und/oder der Tageszeitungen (Springer, Bauer, Burda, WAZ) sind jeweils auch an Veranstaltern von bundesweitem
privatem Fernsehen beteiligt. In diesem Bereich wurden jedoch auch unternehmerische Verflechtungen gelöst: So ist z. B. kein Fernsehveranstalter mehr an der Axel Springer AG beteiligt;
die Verlagsgruppe Holtzbrinck hat ihre Beteiligung an der Veranstalterin von n-tv veräußert. Die
stärksten diagonalen Verflechtungen zum Zeitschriften- und Zeitungsmarkt weist die RTL Group
über die Beteiligung ihrer Konzernspitze, der Bertelsmann AG, an der Gruner + Jahr AG & Co. KG
auf. Das Unternehmen beabsichtigt allerdings, sich von verschiedenen Zeitungsbeteiligungen
zu trennen. Diagonale Verbindungen von Fernsehen und Presse sind kritisch zu beobachten, da
sie die Möglichkeit zur Steigerung des Einflusses auf die Meinungsbildung durch multimediale
Meinungsmacht und Cross-Promotion bieten.
886
2.12
Hörfunk
2.12.1
Die Angebots- und Anbieterstruktur im privaten Hörfunk
Der Hörfunkmarkt in Deutschland folgt im Wesentlichen der föderalen Gliederung. Bundesweite
Angebote sind sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im privaten Teilsystem die Ausnahme
und spielen insgesamt im Markt nur eine untergeordnete Rolle. In einzelnen Ländern sind lokale
Programme von Gewicht. Diese Organisation des Hörfunks hat zur Folge, dass heute eine Vielzahl
von Anbietern im privaten Teilmarkt engagiert ist. Im Folgenden wird diese Anbieterstruktur
näher beschrieben und analysiert.
Von erheblicher Bedeutung für die Marktanteile von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ist die Anzahl der jeweiligen Programme in den einzelnen relevanten Teilmärkten. Während
die großen Landesrundfunkanstalten heute zwischen fünf und acht Programmen anbieten und
selbst die kleinen Anstalten Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk noch drei bzw. vier Programme veranstalten, haben die Landesmedienanstalten für die einzelnen Bundesländer eine
sehr unterschiedliche Zahl von privaten Angeboten lizenziert: z. B. in Bremen nur ein Programm;
in Hamburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt je vier; in Berlin und Brandenburg zusammen elf.
Hinzu kommen mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen aus den jeweiligen Nachbarländern
einstrahlende Programme. Der Marktanteil des Privatfunks auf Basis der regionalen Hördauer
schwankt in den einzelnen Bundesländern entsprechend stark. Den geringsten Marktanteil erreicht
der Privatfunk mit 22,5 Prozent in Bremen, den größten in Berlin (63,4 %) und in Brandenburg
(59,8 %). Wie stark neben der Anzahl der Programme auch die Akzeptanz einzelner Programme
den Marktanteil des Privatfunks prägt, zeigt sich bei einem Vergleich der in Schleswig-Holstein
885 Zuletzt Beschluss der KEK vom 13. 05. 2003 i. S. RTL, Az.: KEK 158, III 3.2.6.2.
886 Diesem Abschnitt liegt ein Gutachten zugrunde, das das FORMATT-Institut, Dortmund, im Auftrag der KEK erstellt
hat.
294
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
(Marktanteil des Privatfunks 50 %) und Niedersachsen (35,9 %) zugelassenen Programme. Während die drei in Schleswig-Holstein lizenzierten Programme zusammen einen Marktanteil von
knapp 40 Prozent erreichen, kommen die drei Sender in Hamburg nur auf knapp 30 Prozent.
Tabelle II-69 gibt einen Überblick über das Verhältnis von öffentlich-rechtlichen und privaten
Sendern in den einzelnen Bundesländern.
Bei den Marktanteilen des Privatfunks ist zu berücksichtigen, dass sich die privaten Sender auf
die Altersgruppe bis 50 Jahre konzentrieren, da diese Altersgruppe für die werbende Wirtschaft
besondere Relevanz hat. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten versuchen hingegen, die Gesamtbevölkerung zu erreichen. Der größere Marktanteil der öffentlich-rechtlichen Sender gegenüber
dem Privatfunk ist auch auf diese unterschiedliche Ausrichtung zurückzuführen. Nach dem Aufbau
des Privatfunks ab Mitte der 80er Jahre, seines Ausbaus und der Reaktion der öffentlich-rechtlichen
Anstalten mit der Neuausrichtung einzelner Programme in den 90er Jahren hatte sich im Jahr
2000 eine Parität der beiden Teilsysteme mit dem exakt gleichen Marktanteil ergeben. In den
letzten Jahren haben die öffentlich-rechtlichen Sender wieder einen Vorsprung gegenüber dem
Privatfunk aufgebaut (vgl. Tab. II-70).
Der Privatfunk hat sich bei den Angebotsstrukturen im Wesentlichen so entwickelt wie der
öffentlich-rechtliche Hörfunk: mit einem deutlichen Übergewicht der landesweiten Programme.
Sie stehen entsprechend im Folgenden im Fokus.
Bundesland
Radio gesamt
Schleswig-Holstein
Hamburg
Niedersachsen
Bremen
Mecklenburg-Vorpommern
Hessen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Sachsen
228
183
220
204
224
187
185
196
205
185
194
194
219
216
227
222
Hördauer in Min.
ARD gesamt Private gesamt
115
091
142
158
112
096
118
099
115
102
094
072
090
100
127
115
114
093
079
046
116
092
069
099
092
082
100
123
131
117
108
110
Marktanteil in Prozent
ARD gesamt Private gesamt
50,4
49,7
64,5
77,5
50,0
51,3
63,8
50,5
56,1
55,1
48,5
37,1
41,1
46,3
55,9
51,8
50,0
50,8
35,9
22,5
51,8
49,2
37,3
50,5
44,9
44,3
51,5
63,4
59,8
54,2
47,6
49,5
Zu den Kategorien Hörer gestern, Hördauer und Marktanteil siehe die Anmerkungen unten im Kap. II 2.12. 2.
Tabelle II-69: Private und öffentlich-rechtliche Sender nach Bundesländern (Hördauer und Marktanteil)
2000
2001
2002
2003
Hörer gestern in Mio.
ARD
Private
Hördauer in Min.
ARD
Private
31,732
32,414
32,855
33,037
106
106
108
109
29,108
28,620
28,838
28,379
106
101
097
092
Marktanteil in Prozent
ARD
Private
50,7
51,7
52,9
54,8
50,7
49,3
47,5
46,2
AG.MA, Mo. bis So. Eine Darstellung früherer Hörerzahlen scheint wenig geeignet, da für die MA im Jahr 2000 ein Wechsel
der Erhebungsmethode vorgenommen worden ist; Erläuterungen zu Hörer gestern, Hördauer und Marktanteil siehe
unten im Kap. II 2.12. 2.
Tabelle II-70: Private und öffentlich-rechtliche Sender gesamt (Hörer gestern, Hördauer und Marktanteil)
232
173
144
delta radio
alster radio
Energy Hamburg
168
345
340
Rockland Radio
Radio Salü
big.fm
268
Radio TON
726
236
98 8 Kiss FM
76
600
94.3 r.s.2
87,9 Star FM
104.6 RTL
2.450
915
Regenbogen
Antenne Bayern
612
Radio 7
1.062
705
RPR Zwei
Antenne 1
1.171
316
planet radio
RPR Eins
1.924
Hit Radio FFH
123
3.910
Radio Wir von hier
radio NRW
187
1.273
Hit-Radio Antenne
Radio21
1.437
571
radio ffn
Radio Hamburg
97
245
Radio NORA
Oldie 95.0
943
R.SH
insgesamt
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
–
–
8
20
161
22
36
37
129
182
738
SH
1
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
17
36
275
61
98
106
49
47
99
HH
0
0
–
–
2
–
–
–
1
–
–
–
–
0
0
17
2
61
182
1.029
1.125
119
13
8
23
37
8
57
Nds
2
1
2
0
0
0
1
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
0
61
0
29
46
HB
3
2
–
–
3
–
1
–
1
–
–
0
149
178
0
59
3.863
–
0
130
150
2
–
0
–
–
–
2
NRW
3
–
–
–
–
–
0
–
0
–
–
–
68
–
42
–
12
5
–
22
85
97
272
1.531
11
–
–
16
Hes
–
–
–
1
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
6
–
151
–
18
29
36
138
379
785
29
172
15
RP
–
1
–
–
–
–
–
–
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
5
–
–
–
309
1
23
30
Sl
–
–
–
1
1
–
0
–
–
–
1
1
–
–
–
–
99
252
696
504
996
293
–
5
70
80
0
37
BW
–
–
–
–
1
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
2.230
16
13
106
34
13
–
–
–
–
13
77
Bay
–
–
2
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
181
360
56
370
Ber
0
–
–
–
1
–
–
–
–
–
1
–
–
–
–
–
1
0
–
–
0
–
–
–
50
358
20
229
Bra
–
2
–
–
4
–
–
–
–
–
–
–
–
1
–
–
–
–
–
2
9
7
–
–
7
17
7
44
MV
–
–
1
0
–
–
–
–
–
–
2
–
–
–
2
–
–
–
–
–
–
–
–
–
2
–
–
13
Sn
4
–
–
–
–
–
–
–
2
–
1
–
–
2
–
–
–
–
1
–
–
1
1
–
–
0
4
43
SAn
–
–
3
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
24
–
1
–
–
–
–
–
–
–
0
28
Thü
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
295
257
342
291
1.106
Ostseewelle
Hit-Radio Brocken
Projekt 89.0
Radio SAW
295
474
R.SA (zuvor oldie.fm)
Sachsen Funkpaket
434
416
773
sunshine live
Radio Melodie
RTL Radio
–
–
–
–
–
–
1.853
1.087
11
6
14
55
6
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
4
12
SH
9
–
–
0
–
–
0
–
–
–
–
–
0
3
–
0
–
–
–
–
973
586
9
4
2
44
HH
–
–
–
–
0
1
5.141
2.461
39
24
37
50
30
0
1
–
–
–
–
–
–
18
93
22
–
27
Nds
4
4
2
5
3
–
–
–
–
–
–
–
–
0
1
–
0
0
–
–
–
–
–
–
412
137
HB
10.413
9.774
166
69
41
79
43
–
1
1
–
–
–
–
–
3
5
–
–
–
–
–
–
–
1
–
NRW
–
0
0
–
–
–
0
–
–
3.526
3.429
67
26
22
32
16
1
33
0
–
0
0
–
–
0
11
Hes
7
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
2.494
2.413
54
18
39
18
RP
8
4
4
1
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
679
641
69
Sl
–
0
–
0
1
0
–
–
0
–
–
1
1
–
–
–
–
–
–
5.945
5.709
97
54
121
63
21
BW
–
–
6
–
–
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
7.384
7.296
72
119
42
144
22
25
58
13
Bay
2.060
1.968
71
8
2
121
8
–
4
2
–
5
–
–
–
0
–
2
1
1
133
46
164
211
248
78
Ber
1,893
1.832
45
7
18
30
13
–
–
70
18
5
28
14
–
10
–
12
10
27
69
2
56
197
129
596
Bra
1.279
872
16
10
30
7
1
0
1
0
–
–
0
–
–
–
–
0
240
595
–
–
–
1
–
10
MV
Tabelle II-71: Hörer gestern der privaten Programme – nach Bundesländern; Angaben in 1.000
Quelle: MA 2003 I; Hörer gestern netto; durchschn. Stunde 6:00 bis 18:00 Uhr, Mo. bis. Sa., „–“ = keine Hörer, „0“ = gerundet kleiner als 1.000
51.011
690
Klassik Radio
gesamt
227
Jam FM
28.379
413
Landeswelle Thür.
Alle privaten
713
Antenne Thüringen
1.184
474
Hit-Radio Ant. Sn.
Radio PSR
312
Energy Sachsen
83
665
Antenne MV
Rockland Sachs.-A.
202
219
Hundert,6
Spreeradio 105,5
411
Energy 103,4 Berlin
48
378
Berliner Rundfunk
Jazz Radio 101,9
715
BB Radio
insgesamt
3.260
3.066
21
31
33
31
30
13
27
986
435
268
397
271
6
67
8
5
3
–
–
–
–
–
–
22
Sn
–
–
–
–
–
1
–
7
1.917
1.708
15
17
13
6
3
13
12
56
13
1
34
20
76
762
1
293
SAn
8
–
–
–
–
–
0
–
–
1.785
1.706
17
1
13
1
5
361
579
54
8
1
9
6
0
84
73
Thü
296
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
0
1
1
3
2
2
1
7
1
0
2
0
Rockland Radio
Radio Salü
big.fm
Antenne 1
Radio 7
Regenbogen
Radio TON
Antenne Bayern
104.6 RTL
87,9 Star FM
94.3 r.s.2
98 8 Kiss FM
0
Radio Wir von hier
2
1
Radio21
3
3
Hit-Radio Antenne
RPR Zwei
3
radio ffn
RPR Eins
2
Radio Hamburg
1
0
Oldie 95.0
planet radio
0
Energy Hamburg
6
0
alster radio
11
0
delta radio
Radio FFH
1
Radio NORA
radio NRW
3
R.SH
hochgerechnet
auf die bundesweite Hördauer
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
–
0
0
–
0
1
13
3
2
2
7
14
69
SH
0
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
–
–
–
–
1
3
41
4
8
11
4
5
13
HH
0
0
–
–
0
–
–
–
0
–
–
–
–
0
0
0
0
1
7
29
28
3
0
0
0
1
0
1
Nds
0
0
0
0
0
0
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
0
0
18
0
9
14
HB
0
0
–
–
0
–
0
–
0
–
–
0
2
2
0
1
53
–
0
1
1
0
–
0
–
–
–
0
NRW
–
0
–
–
–
1
–
1
–
0
–
–
1
3
3
8
68
0
–
–
0
0
–
–
–
–
–
0
Hes
0
–
–
–
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
–
6
–
1
1
2
7
21
46
2
10
RP
0
4
5
–
0
–
–
–
–
–
–
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
1
–
–
–
69
Sl
5
–
0
1
2
0
0
–
–
–
0
0
–
0
–
–
–
0
0
–
–
–
–
2
5
14
11
24
BW
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
43
0
0
1
1
0
–
–
–
–
0
1
–
–
–
–
0
Bay
–
–
0
–
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
–
–
–
–
–
–
–
9
26
3
22
Ber
0
–
–
–
0
–
–
–
–
–
0
–
–
–
–
–
0
0
–
–
0
–
–
–
2
28
1
17
Bra
MV
–
0
–
–
0
–
–
–
–
–
–
–
–
0
–
–
–
–
–
0
1
0
–
–
0
2
0
3
Sn
–
0
–
–
0
–
–
0
0
–
–
–
–
–
–
0
–
–
–
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
–
0
–
–
0
–
–
–
–
0
–
–
0
0
–
–
0
2
1
1
–
–
–
–
–
–
SAn
–
–
–
–
1
–
0
–
–
–
–
–
–
–
0
3
–
–
0
0
–
–
–
–
–
–
–
–
Thü
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
297
1
1
1
3
0
1
2
1
1
3
2
1
1
1
1
1
2
Ostseewelle
Hit-Radio Brocken
Projekt 89.0
Radio SAW
Rockland Sachs.-A.
Energy Sachsen
Hit-Radio Ant. Sn.
Sachsen Funkpaket
R.SA (zuvor oldie.fm)
Radio PSR
Antenne Thüringen
Landeswelle Thür.
Jam FM
Klassik Radio
sunshine live
Radio Melodie
RTL Radio
1
0
1
3
1
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0
0
1
–
–
–
–
–
–
29
114
142
SH
1
0
0
5
1
–
–
0
–
–
0
–
–
–
–
–
0
0
–
0
–
–
–
0
20
93
112
HH
48
79
125
1
0
1
1
0
0
0
–
–
–
–
–
–
4
2
0
–
0
–
–
–
–
0
–
Nds
1
1
1
1
0
–
–
–
–
–
–
–
–
0
0
–
0
0
–
–
–
–
–
–
100
46
142
HB
107
69
171
2
1
0
1
1
–
0
0
–
–
–
–
–
0
0
–
–
–
–
–
–
–
–
0
NRW
–
–
89
92
179
2
1
1
1
0
0
3
0
0
–
0
–
–
0
0
–
0
0
–
–
–
0
Hes
3
1
1
1
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
93
99
188
RP
1
0
0
0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
93
99
193
12
Sl
2
1
2
1
0
–
0
–
0
0
0
–
–
0
–
–
0
0
–
–
–
–
–
–
97
82
176
BW
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
93
100
188
1
2
0
2
0
0
1
0
–
–
0
–
–
0
Bay
Tabelle II-72: Hördauer der privaten Programme – nach Bundesländern; Angaben in Minuten
Quelle: MA 2003 I; durchschn. Stunde 6:00 bis 18:00 Uhr, Mo. bis Sa., „–“ = keine Hörer, „0“ = gerundet kleiner als 1
92
2
Antenne MV
– davon öff.-rechtl.
1
Spreeradio 105,5
85
0
Jazz Radio 101,9
174
1
Hundert,6
– davon privat
1
Energy 103,4 Berlin
Werbefunk ges.
2
1
BB Radio
Berliner Rundfunk
hochgerechnet
auf die bundesweite Hördauer
63
123
182
4
0
0
6
1
–
0
0
–
1
–
–
–
0
–
0
0
0
9
2
9
10
5
17
Ber
84
131
208
3
1
1
2
1
–
–
4
0
–
3
1
–
1
–
0
0
2
5
0
5
12
50
8
Bra
–
–
–
0
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29
116
143
1
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4
1
0
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0
–
–
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–
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–
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–
0
23
79
MV
9
0
2
0
0
0
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–
–
–
1
–
100
110
206
1
1
1
1
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1
46
10
17
21
Sn
65
117
179
2
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1
0
0
1
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4
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1
3
1
5
71
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0
1
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115
213
2
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0
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1
1
1
1
0
4
6
1
–
–
–
–
–
0
–
–
Thü
298
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.12.2
299
Bedeutende Eigner von landes- und bundesweiten Sendern
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit den Angebots- und Anbieterstrukturen des privatkommerziellen Hörfunks in Deutschland. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen zur ökonomischen
Konzentration, nicht die Inhalte der Programme. Die Angebotsstruktur des Hörfunks folgt im
Wesentlichen der föderalen Gliederung. Marktdominant sind landesweite Sender. Nur in Bayern
und Nordrhein-Westfalen spielt der Lokalfunk eine herausragende Rolle. Bundesweite Sender
haben dagegen im Gesamtmarkt nur eine begrenzte Bedeutung. Bei der Differenzierung nach
lokalen, landes- und bundesweiten Sendern steht die Reichweite der einzelnen Programme im
Hörermarkt im Vordergrund. Daher werden nur vier private Programme als bundesweit charakterisiert, nämlich jene, die nach der MA 2003/I in allen oder zumindest fast allen Bundesländern
Hörer aufweisen. Ginge es nach dem Kriterium der technischen Reichweite, also der theoretischen
Möglichkeit, dass eine Person oder ein Haushalt aufgrund der geografischen Lage im Verbreitungsgebiet das Programm empfangen könnte, müssten deutlich mehr Sender als bundesweite
Anbieter qualifiziert werden, weil ihre Programme über Satelliten oder über Kabel großflächig
verbreitet werden. Entscheidend für die Marktverhältnisse beim Hörfunk ist aber nach wie vor
allein die terrestrische Ausstrahlung über UKW. Weder die Mittelwelle (analog oder digital) noch
die DAB-Technologie haben sich bisher durchsetzen können. Die wenigen Programme, die
ausschließlich über Mittelwelle bzw. DAB ausgestrahlt werden, bleiben wegen fehlender Marktrelevanz in dieser Untersuchung unberücksichtigt.
Da insbesondere bei den Erstlizenzierungen in den einzelnen Ländern bei den nötigen Auswahlentscheidungen unter oft zahlreichen Interessenten eine Vielzahl von Anteilseignern bei den
einzelnen Antragstellern als Selektionskriterium einen hohen Stellenwert hatte, sind Konsortien
lizenziert worden, bei denen zunächst in der Regel kein Einzelunternehmen dominant war.
Dabei wird nicht verkannt, dass in einigen Fällen die sog. Binnenpluralität, dargestellt über eine
häufig beeindruckende Anzahl von Anteilseignern, nur eine scheinbare war, da sich einzelne
Unternehmen über eine Vielzahl von Tochterunternehmen beteiligten und die Einflussmöglichkeiten auf der Ebene der Mutterunternehmen kumuliert deutlich größer waren als beim oberflächlichen Blick auf die jeweils kleinen Kapitalanteile. Bei fast allen Sendern hat es inzwischen
– in der Regel zahlreiche – Veränderungen im Kreis der Anteilseigner gegeben, wobei meistens
kleine Eigner ihre Beteiligungen an größere Eigner veräußert haben. Über derartige Zukäufe
haben einzelne Unternehmensgruppen und Konzerne inzwischen bei einzelnen Sendern erhebliche Anteile aufgebaut. In der Summe ist die damit verbundene Konzentration aber immer noch
viel geringer als etwa in der Fernseh- oder der Zeitschriftenbranche.
Relevant für die horizontale Konzentration im Hörfunk war der Strategiewechsel bei einzelnen Landesmedienanstalten in den weiteren Lizenzierungsrunden. Bei den Zulassungen von
weiteren Landessendern ist vielfach das bis dahin vorherrschende Vielfaltpostulat – operationalisiert über Konsortiumsstrukturen – aus wirtschaftlichen Gründen nachrangig geworden. Erstrangig ging es darum, die Wirtschaftlichkeit zusätzlicher Sender abzusichern. Dabei wurden
Verflechtungen mit anderen Sendern in Kauf genommen, um scharfen Wettbewerb, u. U. gar
Verdrängungswettbewerb, zu vermeiden. Exemplarisch sei für diese Entwicklung auf die Vergabe der zweiten Sendelizenz in Rheinland-Pfalz verwiesen, die an den Lizenznehmer des ersten
zugelassenen Programms ging („RPR Eins“ und „RPR Zwei“). In anderen Fällen wurden Lizenznehmer aus der ersten Lizenzierungsphase auch wegen ihrer Erfahrungen als Teilhaber bei
weiteren Sendern akzeptiert. Diese Beteiligungspolitik hat zu einer Verflechtungsstruktur bei den
Hörfunkanbietern geführt, die nur mit Mühen überschaubar ist. So hält beispielsweise einer der
ersten lizenzierten Anbieter, die Radio Schleswig-Holstein GmbH & Co. KG, über ein Schwester-
300
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
unternehmen zahlreiche Beteiligungen an landesweiten Sendern auch außerhalb von Norddeutschland.
Im Folgenden wird der Versuch unternommen, diese komplexe Beteiligungsstruktur transparent zu machen und dabei jene Unternehmen in den Vordergrund zu rücken, die mit Veranstaltern von bundesweitem privaten Fernsehen verflochten sind und im Sinne der horizontalen
Konzentration über Mehrfachbeteiligungen heute zu den wichtigsten Unternehmen im privaten
Hörfunk zählen. Nicht zuletzt aus Gründen der Übersichtlichkeit bleibt diese Darstellung auf die
bundes- und landesweiten Sender mit kommerziellem Interesse beschränkt. Die sog. Bereichssender in Baden-Württemberg werden dabei wie landesweite Sender behandelt. Die insbesondere in Bayern und in Nordrhein-Westfalen zahlreich angebotenen Lokalsender werden jedoch
nicht berücksichtigt. Die beiden Rahmenprogrammanbieter in Nordrhein-Westfalen und Bayern,
die nrw Radio GmbH und die BLR Dienstleistungsgesellschaft für Bayerische Lokal-Radioprogramme mbH & Co. KG, werden nicht zuletzt wegen ihrer großen Bedeutung im Markt berücksichtigt.
Die Reihenfolge der Präsentation der relevantesten Unternehmen im Hörfunk entspricht
keiner Rangfolge.887 Zunächst werden Hörfunkbeteiligungen von Unternehmen dargestellt, die
auch im nationalen Fernsehmarkt engagiert bzw. mit Fernsehveranstaltern verflochten sind
(Abschnitt II 2.12.2.1 bis 2.12.2.5). Anschließend werden Unternehmen ausgewiesen, die über
mehrere Beteiligungen im Hörfunkmarkt verfügen, ohne im nationalen Fernsehmarkt engagiert
zu sein (Abschnitt II 2.12.2.6 bis 2.12.2.11). Die in den tabellarischen Übersichten zu einigen
Hörfunkunternehmen vorgenommenen Summenbildungen fassen zunächst direkte Beteiligungen in Höhe von mindestens 25 Prozent sowie indirekte Beteiligungen zusammen, wenn das beschriebene Unternehmen an dem Hörfunkeigner einen Kapitalanteil von mindestens 50 Prozent
hält. Die Summenbildung dient ausschließlich dazu, einen vorläufigen Überblick über die Größenordnung von Beteiligungen im Hörfunkmarkt zu geben. Ergänzend sind die weiteren Beteiligungen angegeben.
Neben etwaigen Zurechnungsfragen stellt die Bemessung der Konzentration anhand von
Nutzungsdaten ein zweites Problem dar. Die wichtigste Quelle über Nutzungsdaten von Hörfunkprogrammen ist die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse, kurz AG.MA, deren Daten insbesondere
die Werbeagenturen für ihre Schaltplanungen und die Sender für ihre Programmentscheidungen
nutzen. Anders als die GfK-Werte für das Fernsehen werden die Daten zur Hörfunknutzung aber
nicht kontinuierlich erhoben, sondern jährlich in zwei Wellen. Die Ergebnisse werden den Kunden
der AG.MA zur Verfügung gestellt. An der AG.MA beteiligen sich fast alle landes- und bundesweiten Sender.888 Die Untersuchungen sind sehr aufwändig, da wegen der regionalen Gliederung
des Hörfunks für solide Daten eine hohe Fallzahl angesetzt werden muss. Derzeitig umfasst die
Basis der Untersuchung mehr als 60.000 Fälle.
Für die Auswertung des Materials sind im Laufe der Zeit mehrere Konventionen entwickelt
worden, z. B. das Splitting nach Altersgruppen889 und nach Nutzungsintensität (Verweildauer,
Hördauer). Auf der Basis der AG.MA-Daten werden von einzelnen Sendern oder Sendergruppen
887 Die Angaben zu den Eignern von Hörfunksendern und ihren jeweiligen Beteiligungshöhen entsprechen dem
Stand von Ende März 2003. In Einzelfällen sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Aktualisierungen bis zum
31. 07. 2003 vorgenommen worden.
888 Für lokale Programme werden gesonderte Erhebungen durchgeführt, die sich am AG.MA-Standard orientieren.
889 Berücksichtigt werden in der AG.MA alle Personen ab 14 Jahren. Anders als anhand der GfK-Werte zum Fernsehen, können mit den AG.MA-Daten entsprechend keine Aussagen zur Radionutzung von Kindern gemacht
werden.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
301
bzw. deren Werbekombis weitere Werte berechnet, wie etwa der „Marktanteil“, der auf den Daten
zur Hördauer basiert, oder die „Reichweite“, die auf den Daten zum Kriterium „Hörer gestern“
beruht.
Die Hörfunknutzung wird – anders als bei den minutengenauen Messungen für das Fernsehen – mit der relativ groben Einteilung nach Viertelstunden bei den Probanten ermittelt. Die
Hochrechnungen zur Hördauer in Minuten sind dadurch ungenau, implizieren Verzerrungen.
Diese werden beim Vergleich von Teilmengen mit der Gesamtzahl deutlich. Nach den Ergebnissen der ersten Untersuchungswelle der AG.MA für 2003 lag die Hördauer durchschnittlich bei
199 Minuten pro Tag. Addiert man die Angaben für die drei Teilmengen ARD gesamt (109 Minuten), Private gesamt (92 Minuten) und sonstige Sender (3 Minuten),890 ergibt sich ein Wert von
204 Minuten.m
Die Angaben zur Kategorie „Reichweite“, basierend auf der Hörerzahl, sind genauer. Bei der
Bildung von Sendergruppen und der Feststellung ihrer gesamten Reichweite ergeben sich freilich
gleichfalls Probleme, da einzelne Hörer mehrere Programme gehört haben können und entsprechend mehrfach berücksichtigt werden. Bei Nutzung der Rohdaten der AG.MA lassen sich
solche Fehler vermeiden, nicht aber auf der Basis der veröffentlichten Datenzusammenstellungen.
Die Fehlerquelle ist insbesondere bei Addition von räumlich benachbarten Sendern relevant,
deren Hörerschaft sich überschneiden kann. Bei räumlich getrennten Sendern ist die Fehlerquelle marginal. Im Gegensatz zur „Netto-Reichweite“, bei der jeder Hörer nur einmal berücksichtigt wird, können bei Verzicht auf die Rohdaten nur Angaben zur „Brutto-Reichweite“ gemacht
werden. Für diese Studie bestand nur Zugang zu den veröffentlichten Daten. Am Ende des
Abschnitts II 2.12.2 wird ein Gesamtüberblick über die wichtigsten Eigner (Anteil mindestens
10 Prozent) der bundes- und landesweiten Sender gegeben (s. Tab. II-84).
2.12.2.1
RTL Group
Nach der Übernahme der in der Summe gewichtigen Hörfunkbeteiligungen des HoltzbrinckKonzerns, der bis dahin selbst zu den bedeutendsten Hörfunkeignern zählte, durch die RTL
Group ist diese das mit Abstand führende Unternehmen im privaten Hörfunk. Bei dieser herausragenden Positionierung sind Parallelen zu einer Zeit vor der Zulassung des Privatfunks in
Deutschland gegeben, als die Vorläuferorganisation der RTL Group, die CLT, das einzige private
Hörfunkprogramm für Deutschland anbot. Die RTL Group veranstaltet als einer der wenigen
Anbieter auch heute noch ein bundesweit ausgestrahltes Programm. „RTL Radio – Die besten Hits
mit Gefühl“ (zuvor „RTL Radio – Die größten Oldies“) kann durchaus in der Tradition des früheren
Programms aus den 70er Jahren gesehen werden, das damals mit dem Etikett „Die fröhlichen
Wellen“ beworben wurde. Bundesweit kommt „RTL Radio“ auf eine Hördauer von zwei Minuten
und liegt damit doppelt so hoch wie die übrigen vier bundesweit verbreiteten Programme (vgl.
Tab. II-72). „RTL Radio“ ist dabei das einzige Programm, das in allen Bundesländern von der
AG.MA mit einer Hördauer von zumindest einer Minute ausgewiesen wird. Mit zwölf Minuten
erreicht das Programm seinen höchsten Wert im Saarland, in der Nachbarschaft zu Luxemburg.
Auch das gleichfalls in Berlin ansässige Regionalprogramm „104.6 RTL“ gehört der RTL Group vollständig. „104.6 RTL“ liegt mit einer Hördauer von 22 Minuten im wettbewerbsintensiven Berliner
Markt auf Rang zwei der Privatprogramme und kommt in Brandenburg auf 17 Minuten Hördauer.n
890 Unter den sonstigen Sendern werden beispielsweise ausländische Sender und Militärsender sowie offene Kanäle
zusammengefasst.
302
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Direkte Mehrheitsbeteiligungen besitzt die RTL Group ansonsten nicht, sehr wohl aber mehrere qualifizierte Beteiligungen an landesweiten Sendern. Den höchsten Anteil hält die RTL
Group mit 48,9 Prozent, also knapp unter einer Mehrheitsbeteiligung, an „Hit-Radio Antenne
Sachsen“. Darüber hinaus besteht noch eine indirekte Beteiligung. Mit einer Hördauer von
21 Minuten ist der Sender in Sachsen zweitgrößter Anbieter (nach „Radio PSR“) und kommt
in den Nachbarländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt auf eine Hördauer von jeweils drei
Minuten sowie in Thüringen auf eine Minute. Seine Akzeptanz außerhalb von Sachsen ist also
begrenzt.
Mit 40 Prozent an der GmbH und mit 30 Prozent an der KG ist die RTL Group auch bei „BB
Radio“ in Berlin und Brandenburg größter Eigner. Eine Beherrschung des Senders dürfte aber
u. a. deshalb nicht gegeben sein, weil der Burda-Konzern über ähnlich große Beteiligungen verfügt und zudem auch beim dritten Großeigner, Studio Gong, engagiert ist, also auch über eine
indirekte Beteiligung verfügt (vgl. Kap. II 2.12.2.3). „BB Radio“ ist in Brandenburg mit einer Hördauer von 50 Minuten mit deutlichem Abstand Marktführer. In Berlin (5 Minuten) und den anderen
neuen Bundesländern ist die Hördauer aber gering.
Eine starke Position hat die RTL Group als größter Eigner mit direkt gehaltenen 27 Prozent
auch beim „Hit-Radio Antenne“. Hinzu kommen weitere 9 Prozent, die von der RB Rundfunk
Beteiligung GmbH mit gesamt 18-Prozent-Anteil gehalten werden, an der die RTL Group mit
50 Prozent beteiligt ist. Nach den jüngsten MA-Daten liegt „Hit-Radio Antenne“ im Stammland
mit einer Hördauer von 29 Minuten knapp vor dem erst lizenzierten Programm „radio ffn“
(28 Minuten). Beide Sender werden auch in Bremen häufig gehört (9 bzw. 14 Minuten), in den
anderen Nachbarländern ist die Hördauer von „Hit-Radio Antenne“ aber eher gering (Hamburg
und Nordrhein-Westfalen je 1 Minute, Thüringen 2 Minuten). Der Sender besitzt zudem eine
Beteiligung in Höhe von 20 Prozent am dritten niedersächsischen Programm, an „Radio21“.
„Radio21“ wird in Niedersachsen sieben Minuten lang gehört und erreicht selbst in den Nachbarländern nur noch Werte von unterhalb einer Minute.
Bei dem Sender „Berliner Rundfunk 91!4“ hält die RTL Group wie zwei andere Gesellschafter
einen Anteil von 30 Prozent. Das Programm liegt mit einer Hördauer von 17 Minuten in Berlin
auf Rang drei unter den privaten Sendern, kommt in Brandenburg auf acht Minuten und damit
bundesweit auf eine Minute. Nach der Übernahme der Holtzbrinck-Beteiligungen ist die RTL
Group damit an drei Berliner Programmen beteiligt, und zwar jeweils mit erheblichen Anteilen:
am „Berliner Rundfunk 91!4“, an „BB Radio“ und an „104.6 RTL“ (vollständig). Hinzu kommt das
bundesweite Programm „RTL Radio“, das gleichfalls seinen Sitz in Berlin hat. Das Bundeskartellamt
hat die RTL Group wegen dieser Mehrfachbeteiligungen aufgefordert, sich von einem Beteiligungsunternehmen in Berlin zu trennen. Zwischenzeitlich hat die RTL Group die Beteiligung am
„Berliner Rundfunk“ veräußert.
Schließlich besteht eine Direktbeteiligung an „Radio Hamburg“ (29,2 %). An diesem Sender
halten allerdings auch der Springer- und der Bauer-Konzern jeweils qualifizierte Beteiligungen.
Das Programm hat in Hamburg mit großem Abstand die Marktführerschaft inne und kommt
auf eine Hördauer von 41 Minuten. In Schleswig-Holstein liegt der Sender mit 13 Minuten auf
Rang drei. In Niedersachsen beträgt die Hördauer 3, in Sachsen-Anhalt 1 Minute. Trotz der hohen
Einzelwerte ergibt das wegen der relativ kleinen Länder bundesweit nur eine Hördauer von
3 Minuten.
Beim Sender „Hit-Radio Brocken“ hält die RTL Group 24 Prozent, erreicht aber dennoch eine
qualifizierte Beteiligung, weil der Sender über eine Tochter eigene Anteile in Höhe von 4,5 Prozent
besitzt, das stimmberechtigte Kapital sich dadurch reduziert und die RTL Group an diesem Kapital
einen Anteil von 25,1 Prozent erreicht. Die RTL Group ist dort wegen der im Übrigen kleinteiligen
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
303
Verteilung der Senderanteile wichtigster Gesellschafter. Der Sender veranstaltet unter dem Titel
„Project 89,0 digital“ ein zweites Programm, das auch analog-terrestrisch ausgestrahlt wird. Dieses
noch junge Programm kommt allerdings auf nur bescheidene Reichweiten: in Sachsen-Anhalt
auf eine Hördauer von 5, in Thüringen auf 6 und in Niedersachsen auf 2 Minuten. „Hit-Radio
Brocken“ ist in Sachsen-Anhalt mit 21 Minuten wesentlich stärker, liegt aber im Stammland und
in den Nachbarländern deutlich hinter dem Marktführer „Radio SAW“. Die schwache Position im
Hörermarkt geht einher mit wirtschaftlichen Problemen des Anbieters. „Besonders in SachsenAnhalt haben Sender wie Hit-Radio Brocken massive Probleme und sind heftig von der Werbekrise betroffen,“ stellte jüngst der Geschäftsführer von RTL Radio Deutschland, Jürgen Filla,
fest.891
Mit 24 Prozent liegt der Anteil an der „Antenne MV“ in Mecklenburg-Vorpommern knapp
unter der Sperrminorität. Mit indirekten Anteilen ist der Springer-Konzern relativ stark vertreten.
Ansonsten ist das Stammkapital breit verteilt, wodurch der RTL Group eine Führungsrolle
zuwächst. „Antenne MV“ erreicht im Stammland eine mehr als dreimal so hohe Akzeptanz wie der
zweite landesweite Sender, die „Ostseewelle“. In Mecklenburg-Vorpommern kommt „Antenne MV“
bei der Hördauer auf den absoluten Spitzenwert aller Sender in allen Ländern von 79 Minuten.
In den Nachbarländern Brandenburg (2 Minuten) und Schleswig-Holstein (1 Minute) erzielt der
Sender kleine Reichweiten.
Die Übernahme der Beteiligungen an dem Bereichssender „Radio Regenbogen“ im Zuge des
Kaufs der AVE von der Holtzbrinck-Gruppe hat das Bundeskartellamt zunächst nicht genehmigt,
da die RTL Group im Verbreitungsgebiet des Senders entlang der Rheinschiene in Baden-Württemberg zudem eine qualifizierte Beteiligung an einem neuen Lokalsender in Karlsruhe hielt. Die
RTL Group hat sich inzwischen entschieden, zu Gunsten der Beteiligung an „Radio Regenbogen“
die Beteiligung am Lokalsender in Karlsruhe aufzugeben. Der dann bestehende Einfluss der RTL
Group bei „Radio Regenbogen“ in Baden-Württemberg wäre schwierig einzuschätzen. Die RTL
Group wäre der größte Eigner mit einem direkt gehaltenen Anteil von 23,8 Prozent und wäre
zudem über die Rundfunkbeteiligungs- und Betriebsgesellschaft Blauen mbH an einem Anteil
von 9,2 Prozent beteiligt. Auch bei dieser Gesellschaft wäre die RTL Group mit 41,3 Prozent mit
Abstand größter Eigner. „Radio Regenbogen“ erzielt unter den subregionalen Sendern im Südwesten mit einer Hördauer von 14 Minuten den zweithöchsten Wert. Mit 6 Minuten kommt der
Sender auch in Rheinland-Pfalz auf eine stattliche Hördauer und zudem in Hessen und dem
Saarland auf je eine Minute. Bundesweit beträgt die Hördauer 2 Minuten. Der Sender ist zudem
mit einem Anteil von 48 Prozent größter Eigner des Programms „big.FM“, dessen Hördauer in
Baden-Württemberg bei 5 Minuten liegt, das aber jenseits der Landesgrenzen kaum gehört
wird.
In Baden-Württemberg besitzt die RTL Group zudem noch Anteile an zwei weiteren subregionalen Sendern:892 bei „Radio 7“ 6,7 Prozent und bei „Radio TON“ 2 Prozent. „Radio 7“ kommt
in Baden-Württemberg auf eine Hördauer von 11, „Radio TON“ auf 5 Minuten. Die Reichweiten
in der Nachbarschaft sind begrenzt. Bundesweit kommen die beiden Sender auf 2 Minuten bzw.
eine Minute.
Über den Veranstalter Antenne Thüringen ist die RTL Group sowohl an dessen gleichnamigem
Programm als auch an dem DAB-Programm „radio top 40“ (ohne nennenswerte Reichweite) beteiligt. Der Anteil liegt bei 16,7 Prozent und damit in einer Größenordnung, die in etwa auch von
anderen Eignern erreicht wird. Die RTL Group ist bei diesem Sender nur ein Gesellschafter unter
891 Vgl. dazu Handelsblatt vom 13. 05. 2003.
892 Zudem hält die RTL Group 25,2 Prozent des Lokalprogramms „RTL Radio“ in Karlsruhe.
304
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
vielen. „Antenne Thüringen“ ist mit großem Abstand in Thüringen Marktführer und kommt auf
eine Hördauer von 61 Minuten. In Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind es je eine Minute,
In Hessen 3 und bundesweit 2 Minuten.
Mit 16,1 Prozent ähnlich hoch ist der Anteil am Mantelprogramm „radio NRW“, das in NordrheinWestfalen über die Lokalsender ausgestrahlt wird. Den Anteil hält die RTL-Muttergesellschaft,
die Bertelsmann AG. Der Einfluss auf den Anbieter ist allerdings bescheiden, da die Zeitungsverleger des Landes über ein Gemeinschaftsunternehmen die Mehrheit bei der radio NRW GmbH
halten. Als einziges landesweit verbreitetes „Programm“ erreicht „radio NRW“ im Stammland eine
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
RTL Radio Deutschland1)
RTL Radio
100,0
0.773
02
1,0
104.6 RTL Berlin GmbH
104.6 RTL Berlin
100,0
0.600
01
0,5
Antenne Sachsen HörfunkVersorgung GmbH2)
Hit-Radio Antenne
Sachsen
048,9
0.474
02
1,0
BB Radio Landeswelle
Brandenburg
BB Radio
040,0
0.715
02
1,0
Antenne Niedersachsen
Hit-Radio Antenne
027,0
1.273
03
1,5
Neue Berliner Rundfunk3)
Berliner Rundfunk 91!4
030,0
0.378
01
0,5
Radio Hamburg
029,2
0.571
02
1,0
1. Hit-Radio Brocken
2. Project 89.0
025,1
0.342
0.291
01
01
0,5
0,5
5.417
15
7,5
0.665
02
1,0
0.915
02
1,0
0.713
02
1,0
3.910
11
5,5
2.450
07
3,5
Radio Hamburg
AH Antenne Hörfunk-Sender
4)
50,0 von 18,0
Zwischensumme
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
Weitere Beteiligungen
Antenne MecklenburgVorpommern
Antenne MV
024,0
Radio Regenbogen Hörfunk
Radio Regenbogen5)
023,8
Antenne Thüringen
Antenne Thüringen
016,7
Radio NRW GmbH
radio NRW (Mantelprogramm)
016,1
Antenne Bayern
Antenne Bayern
016,0
Rock Antenne
Rock-Antenne
keine
16,0 von 100
k. A.
k. A.
k. A.
NiedersachsenRock 21
Radio21
009,8
ca. 35 von 20,0
0.187
01
0,5
Big FM in Baden-Württemberg
big.fm
keine
über Radio
Regenbogen
u. Radio TON
0.340
01
0,5
Radio 7
Radio 7
006,7
0.612
02
1,0
Radio TON-Regional
Radio TON regional
002,0
0.268
01
0,5
41,3 von 9,2
>1
1)nBundesweite Ausstrahlung; Sitz in Berlin.
2)nNicht berücksichtigt ist die indirekte Beteiligung über AH Antenne Hörfunk-Sender.
3)nBeteiligung ist nach dem Untersuchungszeitraum aufgegeben worden.
4)nAnteil in Höhe von 24,0 % bei Eigenanteil des Veranstalters in Höhe von 4,5 %.
5)nDie Übernahme der Beteiligungen an dem Bereichssender „Radio Regenbogen“ im Zuge des Kaufs der AVE von der
Holtzbrinck-Gruppe hat das Bundeskartellamt zunächst nicht genehmigt, da die RTL Group im Verbreitungsgebiet
des Senders entlang der Rheinschiene in Baden-Württemberg zudem eine qualifizierte Beteiligung an einem neuen
Lokalsender in Karlsruhe hielt. Die RTL Group hat sich inzwischen entschieden, zu Gunsten der Beteiligung an
„Radio Regenbogen“ die Beteiligung am Lokalsender in Karlsruhe aufzugeben.
Tabelle II-73: Hörfunkbeteiligungen der RTL Group
Quelle: MA 2003/I, Hörer gestern und Hördauer, jeweils von Mo. bis So.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
305
RTL Group
Lu xemburg
RA DIO
RTL Radio
Die größten Oldies
(bundesweit)
Berlin
RA DI O
100
100
Hamburg
Oberhausen
9
RA DIO
8,6
RA DI O
(Schleswig-Holstein)
41,3
24
Freiburg
RA DI O
Hit-Radio Brocken
Project 89.0 digital
(Sachsen-Anhalt)
Halle
9,2
16
10
RA DI O
(Schle swig-Holstein)
30
RA DI O
Oldie 95
16,4
Antenne Bayern
(landesweit)
München
16,7
Hamburg
Berliner Rundfunk 91!4
(landesweit)
(Bete iligung aufgegeben)
RA DI O
Antenne Thüringen
radio top 40 (DAB)
(landesweit)
Weimar
4,5
RA DIO
Radio Regenbogen **
(ges. 28%; subregional)
Mannheim
RA DI O
16 ,1
Radio NORA
Delta Ra dio
Berlin
Rundfunkbeteiligungs- u.
Betriebsges. Blauen mbH
radio NRW
(Mantelprogramm)
29 ,2
RA DIO
104,6 RTL
RA DIO
Radio Hamburg
RA DI O
23,8
48,9
RA DIO
Hit-Radio Antenne
Sachsen
(landesweit)
Dresden
R AD IO
40
BB Radio
24
Berlin/Brandenburg
Antenne MV
(Mecklenb.-Vorpommern)
48
RA DI O
R AD IO
RA DIO
big.FM
(Baden-Württemberg)
Hit-Radio Antenne
27
(landesweit)
(ges. 35,1%)
20
RA DI O
Radio 21
(Niedersachsen)
10
Radio Gong 96,3
(lokal)
München
5
RA DI O
RA DI O
RA DI O
2
Radio TON Regional
(lokal)
Heilbronn
6,7
RA DIO
Radio 7
(subregional)
Ulm
Hit-Radio RTL *
(lokal)
Ka rlsruhe
RA DI O
RA DIO
100
RA DI O
100
FUN Radio
RTL
100
Frankreich
25,2
Frankreich
R AD IO
Sud Radio
RTL 2
20
Frankreich
RA DI O
Frankreich
RA DI O
35
43
RA DI O
RTL Radio Letzebuerg
Lu xemburg
BEL RTL
(dir. und indirekt)
Be lg ien
Radio Contact 2
Radio Contact
Belgien
ca.
35
Belgien
RA DIO
100
10 0
yorin
(zuvor: Veronica FM)
Niederlande
** Beteiligung wird verkauft.
** Beteiligung noch ohne Zustimmung des Bundeskartellamtes.
Abbildung II-26: Hörfunkbeteiligungen der RTL Group
© FORMATT-Institut Dortmund 2003/2 Stand: März 2003
306
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Hördauer von 53 Minuten, hochgerechnet auf das Bundesgebiet sind es insgesamt 11 Minuten.893
Auch die Beteiligungshöhe an „Antenne Bayern“ ist mit 16,0 Prozent ähnlich hoch. Bei „Antenne
Bayern“ sind die Zeitungsverlage – ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen – stärker vertreten, ohne
eine eigene Mehrheit zu erreichen. In Bayern kommt das Programm auf eine Hördauer von
43 Minuten, in Baden-Württemberg auf 2 Minuten, in Thüringen und Hessen auf eine Minute.
Bundesweit macht das eine Hördauer von 7 Minuten. Für das Tochterprogramm von „Antenne
Bayern“, die „Rock Antenne“, liegen keine MA-Daten vor.
Über die Beteiligung an „Radio Hamburg“ bestehen indirekt auch Verbindungen zu den norddeutschen Programmen „Radio NORA“ und „Delta Radio“ in Schleswig-Holstein sowie zu „Oldie 95“
in Hamburg.
Bis ins Jahr 2002 hielt die RTL Group zudem mit 51 Prozent die Mehrheit an dem SyndicationUnternehmen FM Radio Network GmbH in Augsburg, das zahlreichen Programmveranstaltern
komplette Sendungen und Beiträge zuliefert (vgl. II 2.12.3.2).
2.12.2.2
Axel Springer AG
Die Axel Springer AG (oder: Springer-Konzern) ist direkt an neun landesweiten Hörfunksendern
beteiligt. Der Konzern hält aber nur an einem Sender eine Beteiligung oberhalb von 25 Prozent.
Insofern zählt der Konzern nur bedingt zu den einflussreichsten Anteilseignern im privaten Hörfunk. Wesentlich für die Bewertung der Rolle des Springer-Konzerns ist die Beurteilung der Frage,
ob und in welchem Ausmaß ihm die Beteiligungen der Radio Schleswig-Holstein KG GmbH & Co.
(RSH) zuzurechnen sind (vgl. unter II 2.12.2.5). Nach einzelnen Anteilsverschiebungen ist der
Konzern mit einem direkten Anteil von 17,3 Prozent nur noch viertgrößter Eigner von RSH. Neben
dieser direkten Beteiligung ist der Springer-Konzern aber auch indirekt über die Verlage der
„Lübecker Nachrichten“ (RSH-Anteil 19,2 %) und der „Kieler Nachrichten“ (18,4 %) an RSH beteiligt.
In Lübeck liegt der Konzern mit 49,9 Prozent knapp unter einer Mehrheitsbeteiligung, ist aber
zudem auch indirekt beteiligt. In Kiel liegt die Beteiligung bei 24,5 Prozent, hinzu kommt aber
auch in Kiel eine indirekte Beteiligung. Würden sowohl die Anteile der Kieler als auch jene der
Lübecker an RSH dem Springer-Konzern zugeordnet, läge sein Anteil an RSH über 50 Prozent und
entsprechend müssten dem Konzern wohl die RSH-Beteiligungen zugerechnet werden. Würde
nur die RSH-Beteiligung der Lübecker dem Springer-Konto zugeschlagen, läge Springers Anteil
an RSH immerhin über 25 Prozent.
Eine komplizierte Beteiligungsstruktur besteht auch bei jenen Sendern, an denen sowohl RSH
als auch der Springer-Konzern beteiligt sind. Das Ausmaß dieser Verflechtungen veranschaulicht
die Abbildung II-27. Letztlich kommen bei der Bewertung der Stellung des Springer-Konzerns im
Hörfunk auch Zuordnungsprobleme durch „Radio Hamburg“ hinzu, da der Sender gleichfalls
Beteiligungen an anderen Hörfunksendern hält.
Springer besitzt an „Radio Hamburg“, dem führenden Anbieter in Hamburg, einen Kapitalanteil in Höhe von 35 Prozent. Wegen seiner marktbeherrschenden Stellung im Zeitungsmarkt
Hamburgs sind seine Stimmrechte durch landesrechtliche Bestimmungen allerdings reduziert.
Da auch die RTL Group sowie der Bauer-Konzern bei „Radio Hamburg“ über qualifizierte Beteiligungen verfügen, ist der Einfluss des Konzerns begrenzt. Andererseits ist der Konzern auch an
einem der beiden kleinen Gesellschafter von „Radio Hamburg“ beteiligt, direkt mit knapp unter
25 Prozent und indirekt an einem weiteren Anteil in Höhe von gut 38 Prozent.
893 Zu den Reichweiten in den anderen Ländern liegen keine MA-Daten vor.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
Abbildung II-27: Hörfunkbeteiligungen des Springer-Konzerns
307
308
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
Radio Hamburg
Radio Hamburg
35,0
24,8 von 5,8
0.571
02
1,0
Radio Schleswig-Holstein
Radio RSH
17,3
mehrere indir.
Beteiligungen
0.943
03
1,5
Antenne Bayern
Antenne Bayern
16,0
2.450
07
3,5
Rock Antenne
Rock-Antenne
keine
k. A.
k. A.
k. A.
1. Hit Radio FFH
2. planet radio
12,5
1.924
0.316
06
01
3,0
0,5
Funk und Fernsehen
Nordwestdeutschland
radio ffn
07,7
1.437
03
1,5
Antenne MecklenburgVorpommern2)
Antenne MV
keine
mehrere indir.
Beteiligungen
0.665
02
1,0
radio NRW GmbH
radio NRW
keine
12,4 von 59,0
3.910
11
5,5
Weitere Beteiligungen
Radio/ Tele
1)
16,0 von 100
1) Hinzu kommt eine indirekte Beteiligung über den Verlag Blitz-Tip in Frankfurt.
2) Springer hält indirekte Beteiligungen über die Verlage der „Ostsee-Zeitung“ und des „nordkurier“ sowie über RSH.
3) Zu indirekten Beteiligungen über Radio Schleswig-Holstein vgl. Abschnitt II 2.12.2.5.
Tabelle II-74: Hörfunkbeteiligungen des Springer-Konzerns3)
„Radio Hamburg“ wiederum hält Beteiligungen an drei weiteren norddeutschen Sendern
(jeweils deutlich unter 25 Prozent). Auch bei diesen Sendern sind ggf. weitere indirekte Beteiligungen von Springer über RSH und andere Unternehmen zu berücksichtigen.894
Bei „Antenne Bayern“, dem Marktführer in Bayern, hält der Springer-Konzern ähnlich wie die
RTL Group einen Anteil von 16 Prozent. Der Einfluss des Konzerns dürfte entsprechend begrenzt
sein. Dies gilt genauso für das Programm „Rock Antenne“, das von einem Tochterunternehmen
von „Antenne Bayern“ veranstaltet wird.895
Trotz des nominell größten Anteils in Höhe von 12,5 Prozent an der Radio/ Tele FFH in Frankfurt896 dürfte auch dort der Einfluss des Konzerns begrenzt sein, da insbesondere hessische
Zeitungsverlage ähnlich große Beteiligungen halten. Über einen der zahlreichen Gesellschafter
verfügt der Konzern auch über eine indirekte Beteiligung. Der hessische Sender veranstaltet
neben dem Hauptprogramm „Hit Radio FFH“ auch das kleinere Programm „planet radio“. „FFH“
kommt in Hessen auf eine Hördauer von 68 Minuten (und ist damit unangefochten Marktführer),
in Rheinland-Pfalz auf 10 Minuten, in Thüringen auf 3 sowie in Bayern und Nordrhein-Westfalen
auf je eine Minute. Auf die Bundesebene hochgerechnet ergibt das eine durchschnittliche
Hördauer von 6 Minuten. „planet radio“ erzielt in Hessen 8 und in Rheinland-Pfalz 2 Minuten
Hördauer. Der Sender ist zudem an der Holding Eurocast und an dem Vermarkter RMS beteiligt.m
In Niedersachsen ist der Springer-Konzern mit 7,7 Prozent an der Funk und Fernsehen Nordwestdeutschland beteiligt, die „radio ffn“ veranstaltet. Das Programm hat in Niedersachsen eine
Hördauer von 28 Minuten, in Bremen 14, in Hamburg 3 sowie in Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt je eine Minute und kommt damit bundes-
894 Zu den Marktanteilen von „Radio Hamburg“ s. o. II 2.12.2.1.
895 Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.1.
896 Nach dem Stichtag hat der Springer-Konzern seinen Anteil um 2,5 Prozent aufgestockt.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
309
direkte Beteiligungen
Abbildung II-28: Springer-Konzern: Beteiligungen an Hörfunksendern
weit auf 3 Minuten. Der Sender hält zudem Beteiligungen an drei anderen Programmen in Norddeutschland (jeweils unter 25 %) und an der RMS.
Mehrere indirekte Beteiligungen bestehen am Sender von „Antenne MV“ in MecklenburgVorpommern. Der Springer-Konzern ist über Anteile an den Zeitungsverlagen von „OstseeZeitung“ und „nordkurier“ sowie über RSH beteiligt. Die Beteiligungsstruktur ist kompliziert (s. o.
Abb. II-27).897
Eine indirekte Beteiligung besteht auch am Rahmenprogrammanbieter radio NRW GmbH. Der
Springer-Konzern ist am größten Eigner (59 %) des Senders mit 12,4 Prozent beteiligt.898
2.12.2.3
Hubert Burda Media Holding GmbH & Co. KG
Der Burda-Konzern zählt zu den ersten Investoren in den privaten Hörfunk und hat sich insbesondere in Süddeutschland an zahlreichen lokalen Sendern beteiligt, die in dieser Darstellung
allerdings keine Rolle spielen. Darüber hinaus hält Burda Beteiligungen an elf landesweiten
Sendern, wenn man den Verbund von Lokalsendern in Sachsen und den bayerischen Rahmenprogrammanbieter BLR – Dienstleistungsgesellschaft für Bayerische Lokalradioprogramme mbH &
Co. KG einbezieht. An zwei Sendern bestehen qualifizierte Beteiligungen ohne eigene Mehrheit,
bei zwei weiteren liegt der Anteil zwischen 10 und 16 Prozent, bei den übrigen unter 10 Prozent.
Die Anteilsberechnung ist bei manchen Sendern schwierig, da bei diesen auch die Firma Studio
Gong Anteile hält, eine Rundfunkholding, an der Burda beteiligt ist. Die Holding gehört heute
vollständig der HFB Hörfunk und Fernsehen Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG. Größte
Eigner dieses Unternehmens sind Burda und ein Gemeinschaftsunternehmen bayerischer
Zeitungsverlage mit jeweils 40 Prozent. Die restlichen 20 Prozent sind ungleich auf vier weitere
Eigner verteilt. Die in der Tabelle II-75 ausgewiesenen indirekten Beteiligungen beziehen sich
897 Zu den Marktdaten des Senders s. u. II 2.12.2.5.
898 Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.1.
310
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
auf Anteile der Studio Gong, wobei jeweils der rechnerische Anteil von Burda auf Basis seiner
40-Prozent-Beteiligung ausgewiesen ist.
Die mit 43,1 Prozent höchste Beteiligung hält Burda an der „Ostseewelle“ in MecklenburgVorpommern. Einen Anteil von über 20 Prozent halten die Studio Gong bzw. deren Muttergesellschaft, die HFB. Die weiteren Anteile liegen bis auf einen Anteil der Oschmann-Gruppe
(s. u. II 2.12. 2. 11) unter zehn Prozent. Die „Ostseewelle“ kommt in Mecklenburg-Vorpommern
auf eine Hördauer von 23 Minuten, ist aber selbst in den Nachbarländern ohne MA-Wert.
Beim Sender „BB Radio“ zählt Burda neben der RTL Group und Studio Gong zu den drei Eignern
mit Anteilen von jeweils 30 Prozent. Auch bei „BB Radio“ ist Burda sowohl direkt als auch indirekt
über Studio Gong beteiligt.899
Hubert Burda Media
Holding GmbH & Co KG
100
Burda, Hubert
Offenburg
R AD IO
40
HFB Hörfunk- und Fernsehen Beteiligungsges.
39
München
Sächsischer
Lokalrundfunk
(Mantelprogramm)
8,7
RA DIO
Radio Arabella
(lokal)
München
Ostseewelle
48,9
(Mecklenburg-Vorp.)
22,2
(Baden-Württemberg)
RA DIO
10
(Berlin/Brandenburg)
30
RA DI O
Ra dio Gong 2 000
(lokal)
München
(Bayern)
RA DIO
BB Radio
München
7
Antenne Bayern
16
30
Studio Gong München
Gmb H & Co
Studiobetriebs KG
15
RA DIO
big.FM
100
RA DIO
RA DIO
29
Ra dio Gong Nürnberg
49
(lokal)
100
RA DI O
RA DIO
RA DIO
2,8
1,6
RA DIO
10
RA DI O
15
Regensburg
RA DIO
75
35
32
26,7
19
50
Hit-Radio
Antenne Niedersachsen
Hannover
Die neue 107,7
(lokal)
Stuttgart
RA DIO
50
Dona u 3 FM
(lokal)
Ulm
BLR Dienstleistungsges.
(Mantelprogramm für
bayer. Lokalradios)
RA DI O
1
RP R Eins
RP R Zwei
(Rheinland-Pfalz)
RA DI O
Ra dio Gong Donauspatz
(lokal)
Regensburg
RA DIO
RA DIO
Radio Primavera
(lokal)
Aschaffenburg
Hit Radio FFH
(Hessen)
Radio Galaxy
(DAB-Programm)
RA DIO
96,4
Ra dio Gong Mainla nd
(lokal)
Würzb urg
Roc k-Ante nne
(Bayern)
20
Radio21
Der neue ROCKsender
Niedersachsen
© FORMATT-Institut Dortmund 2003/3 Stand: März 2003
Abbildung II-29: Hörfunkbeteiligungen des Burda-Konzerns
899 Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.1.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
311
Bei „Antenne Bayern“ und damit mittelbar auch bei deren Tochter „Rock-Antenne“ zählt Burda
zu den Gesellschaftern mit einem 16-Prozent-Anteil. Auch an diesem Sender ist parallel Studio
Gong beteiligt (7 %).900
Am Programm „big fm“ in Baden-Württemberg ist Burda mit 10 Prozent beteiligt. Maßgebliche
Eigner sind sog. Bereichssender des Landes. „big fm“ ist ein noch junges Programm, das im
Bundesdurchschnitt auf eine Hördauer von einer Minute kommt, die auf der erzielten Akzeptanz
in Baden-Württemberg (5 Minuten) und Rheinland-Pfalz (eine Minute) beruht.
Eine mit 2,8 Prozent geringe Beteiligung besteht an den beiden hessischen Programmen „Hit
Radio FFH“ sowie „planet radio“. Auch an diesen Programmen ist Studio Gong beteiligt (1,6 %).901n
Beim Verbund von sächsischen Lokalradios waren Burda und die Oschmann-Gruppe gleich
stark vertreten, bis der Burda-Konzern seine Anteile in die HFB einbrachte; er ist seither nur noch
indirekt beteiligt. Die Anteile an der „Zentrale“, der Sächsischen Lokalrundfunk-Dienstleistungsprogramm GmbH & Co. Studiobetriebs KG, werden von den Lokalstationen gehalten, die wiederum
jeweils überwiegend der HFB und der Oschmann-Gruppe gehören. Der Verbund tritt unter den
Programmnamen der Lokalstationen im Markt auf, die in den MA-Daten unter der Kombi „Funkpaket Sachsen“ ausgewiesen werden. Er ist in Sachsen mit einer Hördauer von 17 Minuten unter
den privaten Anbietern die Nummer drei. Hinzu kommt jeweils eine Minute in Berlin, SachsenAnhalt und Thüringen.
Weitere Anteile hält Burda über Studio Gong an der BLR Dienstleistungsgesellschaft in München mit ihrem Rahmenprogramm (32 %), an der „Hit-Radio Antenne“ (19 %) und über diese an
„Radio 21“ sowie an der Rheinland-Pfälzische Rundfunk GmbH & Co. KG (1 %).
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt1)
Privatradio Landeswelle
Ostseewelle
48,9
40,0 von 8,7
40,0 von 22,2
0.257
1
0,5
BB Radio Landeswelle
BB Radio
30,0
40,0 von 30,0
0.715
2
1,0
0.972
3
1,5
2.450
7
3,5
k. A.
k. A.
k. A.
0.340
1
0,5
Zwischensumme
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
Weitere Beteiligungen
Antenne Bayern
Antenne Bayern
16,0
Rock-Antenne
keine
Big FM in Baden-Württ.
big fm
10,0
Radio/ Tele
1. Hit Radio FFH
2. planet radio
02,8
40,0 von 1,6
1.924
0.316
6
1
3,0
0,5
Sächsischer Lokalrundf.
(Sachsen Funkpaket)
keine
40,0 von 39,0
0.474
1
0,5
BLR
Rahmenprogramm
keine
40,0 von 32,0
k. A.
k. A.
k. A.
Hit-Radio Antenne
keine
40,0 von 19,0
1.273
3
1,5
Radio21
keine
0.187
1
0,5
1. RPR Eins
2. RPR Zwei
keine
1.171
0.705
3
2
1,5
1,0
Rock Antenne
2)
Antenne Niedersachsen
NiedersachsenRock
3)
Rheinland-Pfälzische Rundfunk
16,0 von 100
40,0 von 1,0
1)nDie ausgewiesenen indirekten Beteiligungen gehen – wenn nicht anders vermerkt – auf die Holding Studio Gong
zurück, wobei die Prozentangaben durchgerechnet auf Burdas 40-Prozent-Anteil beruhen.
2)nBeteiligung über Burda-Konzern.
3)nBeteiligung über Antenne Niedersachsen.
Tabelle II-75: Hörfunkbeteiligungen des Burda-Konzerns
900 Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.1.
901 Zu den Marktdaten a. o. II 2.12.2.2.
312
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
2.12.2.4
Verlagsgesellschaft Madsack
Die Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG zählt zu den zehn auflagenstärksten Verlagsgruppen im Zeitungsmarkt. Größte Gesellschafter der Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG
sind die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (DDVG) (20,4 %) und die Beteiligungsgesellschaft Madsack (18,46 %). Daneben halten weitere zwanzig Kommanditisten Beteiligungen,
darunter die Verlage Gebr. Gerstenberg GmbH & Co. (6,41 %) und Gruppe Baedeker (5,86 %).902
Die Verlagsgesellschaft hält keine Anteile an bundesweiten Fernsehsendern, besitzt aber eine
Beteiligung (24,8 %) an dem unabhängigen Drittanbieter, der AZ Media TV GmbH (ehemals Center
TV Production GmbH) in Hannover. Der Madsack-Konzern hat einen deutlichen Schwerpunkt im
Stammland Niedersachsen, der sich auch bei den Hörfunkaktivitäten widerspiegelt. Im Radiogeschäft agiert die Verlagsgesellschaft allerdings auch in Bundesländern, in denen sie mit
Zeitungen nicht vertreten ist. Nachdem in jüngster Zeit in einzelnen Ländern die Beteiligungsrestriktionen für Parteiunternehmen verschärft worden sind, musste sich der Konzern, an dem die
SPD über ihre Holding DDVG beteiligt ist, zum Teil von Beteiligungen trennen (z. B. in Hessen).m
Mit einer direkten Beteiligung in Höhe von 11,8 Prozent zählt Madsack bei „radio ffn“ in Niedersachsen zu den größten Eignern. Der Einfluss des Konzerns auf den Sender geht aber deutlich
darüber hinaus, da zahlreiche Verlage mit Madsack-Beteiligung gleichfalls Anteile an „radio ffn“
halten.903
Eine ähnlich hohe Beteiligung hält Madsack auch beim „Hit-Radio Antenne“ und besitzt zudem
noch einen indirekten Anteil in Höhe von durchgerechnet neun Prozent. Beide niedersächsischen
Anbieter sind mit jeweils 20 Prozent am dritten Landesprogramm, dem „Radio21“, beteiligt.904m
Am Veranstalter der Programme „RPR Eins“ und „RPR Zwei“ ist Madsack direkt mit 8,7 Prozent
beteiligt.905 Schließlich ist Madsack auch an einem weiteren Anbieter zweier Programme („HitRadio Brocken“ und „project 89.0 digital“) beteiligt, der AH Antenne Hörfunk in Sachsen-Anhalt.
Madsack hält direkt vier Prozent und ist mit 65 Prozent Mehrheitseigner einer Gesellschaft, die
23 Prozent an dem Sender hält.906
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
Hörer
in 1.000
AH Antenne Hörfunk-Sender
1. Hit-Radio Brocken
2. project 89.0 digital
04,0
65,0 von 23,0
0.342
0.291
1
1
0,5
0,5
Antenne Niedersachsen
Antenne
Niedersachsen
11,0
50,0 von 18,0
1.273
3
1,5
Antenne Thüringen
Antenne Thüringen
10,0
0.713
2
1,0
Funk und Fernsehen
Nordwestdeutschland
radio ffn
11,8
diverse
1.437
3
1,5
NiedersachsenRadio
Radio21
keine
diverse
0.187
1
0,5
Rheinland-Pfälzische
Rundfunk
1. RPR Eins
2. RPR Zwei
08,7
1.171
0.705
3
2
1,5
1,0
Tabelle II-76: Hörfunkbeteiligungen der Verlagsgesellschaft Madsack
902
903
904
905
906
Vgl. w&v (Hrsg.), Medien 2001 – Medienkonzerne in Deutschland, Landsberg/Lech 2000.
Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.2.
Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.1.
Zu den Marktdaten s. u. II 2.12.2.8.
Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.1.
Hördauer
in Min. MA in %
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.12.2.5
313
Radio Schleswig-Holstein KG GmbH & Co.
Im Folgenden steht nicht das Programm von einem der ältesten Privatfunkanbieter im Vordergrund, sondern die Expansion des Unternehmens in der bundesweiten Hörfunklandschaft. Das
Unternehmen gehört zu den Sendern der ersten Generation, war – zunächst als einziger privater
Anbieter – in Schleswig-Holstein schnell erfolgreich und hat das früh erworbene Know-how bei
späteren Gründungen genutzt. Gleichfalls typisch für den frühen Programmstart ist, dass es sich
bei dem Sender um ein Gemeinschaftsunternehmen von Zeitungsverlegern in Schleswig-Holstein
handelt, die ihre Beteiligungshöhen in Analogie zu den Marktanteilen im Zeitungsmarkt festlegten.
Daher gehört der Axel-Springer-Konzern zu den einflussreichsten Eignern (vgl. dazu II 2.12.2.2).
Die Abbildung II-30 gibt einen Überblick über die Eigner des Senders.
In der folgenden Darstellung werden Beteiligungen der Radio Schleswig-Holstein KG GmbH &
Co. (kurz RSH) sowie dessen Schwesterunternehmen, die KOM Kommunikation Marketing
GmbH & Co. Holding KG (kurz KOM), unterschiedslos behandelt. Die KOM ist durch Abspaltung
von RSH entstanden und weist eine identische Eignerstruktur auf.
RSH hat in den letzten Jahren bedeutende Beteiligungen an anderen Sendern übernommen.
Den größten Anteil in Höhe von 43 Prozent hält RSH am Berliner Programm „94.3 r.s.2“. 50 % der
Anteile halten der Verleger und der Verlag der „Nordwest Zeitung“ in Oldenburg (vgl. Abschnitt
RA DIO
Radio RSH
Schleswig-Holstein
VE RL A G
VE RL A G
Schleswig-Holsteinische
La nde szeitung
id entische
EignerStruktur
bei RSH
und KOM
24,5
100
VE RL A G
Anteil an RSH: 18,4%
24,5
21,6
VE RL A G
23,4
Pinneberger Tageblatt
Hols teinischer Courier
Kiel
V ER LAG
49,9
Axel SpringerVerlag AG
Kieler Nachrichten
Anteil an RSH: 26,2%
KOM Kommunikation
und Marketing
GmbH & Co Holding KG
Anteil an RSH: 17,3%
VE RL A G
Lübecker Nachrichten
24,0
Anteil an RSH: 19,2%
23,0
V ER LA G
Hanseatische VerlagsBeteiligungs AG
Flensborg Avis
55
Anteil an RSH: 3,3%
Anteil an RSH: 3,1%
100
V ER LA G
VE RL A G
Ostholsteiner Anzeiger
Anteil an RSH: 1,1%
Segeberger Zeitung
50
Ante il an RSH: 2,5%
VE RL A G
Dithmarscher
Landeszeitung
Anteil an RSH: 4,3%
Anteil an RSH: 1,3%
VERL AG
V ER LA G
Prange Druck und Verlag
(zu v.: Barmstedter Zeitung)
Uetersener Nachrichten
Anteil an RSH: 0,4%
Anteil an RSH: 1,1%
VE RL A G
Fe hmarnsches Tageblatt
Anteil an RSH: 0,4%
100
V E RL A G
Eckernförder Zeitung
Ante il an RSH: 1,4%
Abbildung II-30: Die Eigner von RSH und KOM
© FORMATT-Institut Dortmund 200 3/1 Stand: Feb. 2003
314
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
II 2.12.2.6). Der Sender ist mit einer Hördauer von 26 Minuten Marktführer in Berlin und in Brandenburg mit 28 Minuten auf Rang zwei.
Eine Beteiligung in Höhe von 30,3 Prozent besteht beim Marktführer in Sachsen, „Radio PSR“.
Der Einfluss von RSH auf das Unternehmen ist groß, da die übrigen Anteile breit gestreut sind,
ohne dass ein zweiter Eigner auf eine qualifizierte Beteiligung kommt. „Radio PSR“ veranstaltet
über eine Tochterfirma ein zweites Programm: „R.SA“ (zuvor „oldie.fm“). „Radio PSR“ kommt in
Sachsen auf eine Hördauer von 46 Minuten und in den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt
von je 4, in Thüringen von 3 Minuten. Bundesweit entspricht dies einer Hördauer von 3 Minuten.
Das Tochterprogramm „R.SA“ (zuvor „oldie.fm“) rangiert in Sachsen mit 10 Minuten auf Rang drei
und wird in Sachsen-Anhalt und Thüringen je eine Minute gehört (bundesweit eine Minute).
Eine qualifizierte Beteiligung in Höhe von 25,3 % hält RSH darüber hinaus am Nachbarsender
in Kiel, „Radio NORA“. Auch bei diesem Sender ist der Einfluss von RSH groß, da – ähnlich wie
Sachsen – die übrigen Beteiligungen breit gestreut sind. Ähnlich gilt dies auch für den dritten
Anbieter in Schleswig-Holstein, für „delta radio“. RSH hält eine Beteiligung von neun Prozent.
„delta radio“ ist wiederum mit 10,2 Prozent an „Radio NORA“ beteiligt. An beiden Sendern sind
noch weitere Landessender beteiligt, die allerdings nicht mit RSH verflochten sind.
Die Marktanteile der drei Programme sind nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in Norddeutschland insgesamt sehr ungleich verteilt. RSH kommt im Stammland auf den Spitzenwert
von 69 Minuten, während „Radio NORA“ 14 und „delta radio“ 7 Minuten erreichen. In Hamburg
sind alle drei Sender gut vertreten: RSH mit 13 Minuten, „Radio NORA“ mit 5 und „delta radio“
mit 4 Minuten. RSH und „delta radio“ kommen darüber hinaus in Mecklenburg-Vorpommern auf
Hördauern von 3 bzw. 2 und in Niedersachsen auf jeweils eine Minute. Bundesweit erreicht RSH
damit eine Hördauer von 3, „Radio NORA“ von einer und „delta radio“ von unter einer Minute.m
Beim einzigen privaten Anbieter in Bremen, „Radio Wir von hier“, erreicht kein Gesellschafter
eine qualifizierte Beteiligung. Mit 24,4 Prozent gehört RSH allerdings zu den beiden größten
Eignern. Gegen die Konkurrenz des Landessenders „Radio Bremen“ haben es alle privaten Programme schwer. „Radio Wir von hier“ kommt in Bremen auf eine Hördauer von 18 Minuten und
in Niedersachsen auf eine Minute. Bundesweit ergibt dies eine Hördauer von weniger als einer
Minute.
Eine Beteiligung in Höhe von 16,3 Prozent besitzt RSH beim kleinsten Sender in Hamburg, bei
„Oldie 95.0“. Die Mehrheit der Anteile besitzt der Medienunternehmer Frank Otto (s. u. II 2.12.2.9).
In Hamburg liegt der Sender mit einer Hördauer von vier Minuten deutlich hinter den Konkurrenten zurück. In Schleswig-Holstein kommen drei Minuten hinzu.
Bei der „Antenne MV“ in Mecklenburg-Vorpommern ist RSH mit 10,9 Prozent ein Eigner unter
vielen. „Antenne MV“ kommt im Nordosten auf eine Hördauer von 79 Minuten, zudem in Brandenburg auf zwei und in Schleswig-Holstein auf eine Minute.
Auch bei „Radio SAW“ in Sachsen-Anhalt ist der Anteil mit 10 Prozent begrenzt. Größter Eigner
ohne eigene Mehrheit ist die Verlagsgruppe der „Nordwest-Zeitung“, mit der RSH auch beim
Berliner Sender „94.3 r.s.2“ zusammenarbeitet. „Radio SAW“ ist in Sachsen-Anhalt marktdominant.
Diese Dominanz wird verstärkt über das von einem Tochterunternehmen veranstaltete Programm
„Rockland Sachsen-Anhalt“. „Radio SAW“ kommt in Sachsen-Anhalt auf eine Hördauer von
71 Minuten, das Rockprogramm auf 5 Minuten. Für „Radio SAW“ kommen je 4 Minuten in Niedersachsen und Thüringen, 2 Minuten in Sachsen und eine Minute in Brandenburg hinzu. Bundesweit
hochgerechnet ergibt das 3 Minuten.
Schließlich ist RSH auch bei der Holding Eurocast Rundfunk Beteiligungs GmbH in Berlin
Gesellschafter. RSH hält genau wie vier weitere Eigner 20 Prozent, wobei drei dieser Eigner
wiederum mit RSH verflochten sind. Eurocast hält eine indirekte Beteiligung am „RocklandRadio“ in
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
315
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
Radio-Information AudioService Zwei GmbH
94.3 r.s.2
43,0
0.726
2
1,0
Privater Sächsischer Rundfunk
GmbH & Co. KG
Radio PSR
30,3
1.184
3
1,5
LFS Landesfunk Sachsen
R.SA (zuvor oldie.fm)
keine
0.295
1
0,5
NoRa NordOstsee Radio
Radio NORA
25,3
0.245
1
0,5
2.450
7
3,5
30,3 von 100
Zwischensumme
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
Weitere Beteiligungen
PBR Privater Bremer Rundfunk
Radio Wir von hier
24,4
0.123
< 0,5
< 0,5
Radio 95.0 GmbH & Co. KG
Oldie 95,0
16,3
00.97
< 0,5
< 0,5
Antenne MecklenburgVorpommern
Antenne MV
10,9
0.665
2
1,0
delta radio GmbH & Co. KG
delta radio
09,0
0.232
< 0,5
< 0,5
VMG Verlags- und Medien
GmbH & Co. KG
Radio SAW
10,0
1.106
3
1,5
Rockland Sachsen-Anhalt
Rockland SachsenAnhalt
keine
00.83
< 0,5
< 0,5
10,0 von 100
Tabelle II-77: Hörfunkbeteiligungen von Radio Schleswig-Holstein
Rheinland-Pfalz und zudem Anteile an Hörfunksendern in Österreich, Polen und der Tschechischen
Republik.
Eine wichtige Position hat RSH auch bei dem größten Vermarktungsunternehmen inne, der
RMS Radio Marketing Service GmbH & Co. KG in Hamburg. Wie andere Eigner auch hält RSH
11,1 % der Anteile und ist zudem indirekt über Senderbeteiligungen im Eignerkreis der RMS vertreten. Zu den Beteiligungen von RSH siehe auch Abbildung II-27, II 2.12.2.2.
2.12.2.6
Nordwest Medien GmbH & Co. KG
Die Nordwest Medien GmbH & Co. KG ist eine Holding, die aus dem Verlag der „Nordwest-Zeitung“
in Oldenburg hervorgegangen ist. Die Anteile an der Gesellschaft werden je zur Hälfte von den
Familien Köser und von Bothmer gehalten. Zur Holding gehören der Zeitungsverlag sowie
sonstige Aktivitäten und Beteiligungen hauptsächlich im nord-westlichen Niedersachsen. Das
Engagement im Hörfunk geht allerdings weit über die Region hinaus.
Die höchste Beteiligung an einem Radiosender besteht mit insgesamt 50 Prozent beim Programm „94.3 r.s.2“ in Berlin. Einen Anteil von 43 Prozent hält die Holding. Weitere sieben Prozent
besitzt der Verleger Reinhard Köser. Partner bei dem Sender ist Radio RSH.907
Am „alster radio“ in Hamburg besitzt die Holding einen Anteil von 49,7 Prozent. Die übrigen
Anteile liegen in einer Hand. „alster radio“ liegt mit einer Hördauer von 8 Minuten in Hamburg
zwar deutlich hinter „Radio Hamburg“, andererseits aber vor „Energy Hamburg“ und „Oldie 95.0“.
In Schleswig-Holstein kommen für das „alster radio“ 2 Minuten hinzu.
Mit 32,1 Prozent hält die Nordwest Medien eine qualifizierte Beteiligung an „Radio SAW“ in
Sachsen-Anhalt. Eine Anteilshöhe von über zehn Prozent erreicht bei dem Sender ansonsten nur
907 Zu den Marktdaten vgl. II 2.12.2.5.
316
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
noch Radio RSH. Die restlichen Anteile sind sehr kleinvolumig. „Radio SAW“ ist in Sachsen-Anhalt
mit einer Hördauer von 71 Minuten sehr gut positioniert. Zu dem Sender in Magdeburg gehört
auch der Ableger „Rockland Sachsen-Anhalt“.908
Anteile von unter zehn Prozent hält die Nordwest Medien an vier Sendern. An „Radio PSR“ ist
sie indirekt über ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Bremer Tageszeitungen AG beteiligt
NWZ Funk und Fernsehen
GmbH & Co KG
100
Nordwest-Medien
GmbH & Co KG
Familie von Bothmer
50
50
Oldenburg
Oldenburg
RA DIO
R AD IO
Familie Köser
7
RA DIO
5,2
radio ffn
4
Hannover
RA DIO
32,1
radio SAW
Magdeburg
Hannover
r.s.2
43
Berlin
RA DI O
49,7
BO-Beteiligungsges.
mbH
Alster Radio
Hamburg
Hit- Radio Antenne
Niedersachsen
RA DI O
50
Bremen
R AD IO
R.SA
Radio PSR
18,9
Leipzig
100
(zuvor oldie.fm)
Leipzig
RA DIO
Antenne Bremen
GmbH & Co KG
63
Radio Wir von hier
6
Bremen
Bremen
© FORMATT-Institut Dortmund 2003/3 Stand: März 2003
Abbildung II-31: Hörfunkbeteiligungen der Nordwest Medien
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
Radio-Information AudioService Zwei GmbH
94.3 r.s.2
43,0
alster radio GmbH & Co. KG
alster radio
VMG Verlags- und Medien
GmbH & Co. KG
Rockland Sachsen-Anhalt
plus 7,0
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
0.726
2
1,0
49,6
0.173
< 0,5
< 0,5
Radio SAW
32,1
1.106
3
1,5
Rockland SachsenAnhalt
keine
00.83
< 0,5
< 0,5
2.088
5
3,0
1.184
0.295
3
1
1,5
0,5
1.437
3
1,5
32,1 von 100
Zwischensumme
Weitere Beteiligungen
Privater Sächsischer Rundfunk
GmbH & Co. KG
1. Radio PSR
2. R.SA (zuvor oldie.fm)
keine
Funk und Fernsehen
Nordwestdeutschland
radio ffn
05,2
Antenne Niedersachsen
Hit-Radio Antenne
04,0
PBR Privater Bremer Rundfunk
GmbH & Co. KG
Radio Wir von hier
keine
Tabelle II-78: Hörfunkbeteiligungen der Nordwest Medien
908 Zu den Marktdaten vgl. II 2.12.2.5.
50,0 von 18,5
63,0 von 6,0
1.273
3
1,5
0.123
< 0,5
< 0,5
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
317
(jeweils 50-Prozent-Anteil). Diese Firma hält an „Radio PSR“ 18,9 Prozent des Kapitals.909 Nordwest
Medien ist mit kleinen Anteilen auch an allen drei niedersächsischen Sendern beteiligt: Bei
„radio ffn“ hält sie 5,2 Prozent, bei „Hit-Radio Antenne“ wird von der DG Bank ein Anteil von
4,0 Prozent treuhänderisch gehalten, und letztlich ist sie über diese Sender indirekt auch an
„Radio 21“ beteiligt. Über ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen mit einem Anzeigenblattverlag (NWZ-Anteil 63 %) ist sie darüber hinaus mit sechs Prozent auch an dem kleinen Sender
in Bremen, „Radio Wir von hier“, beteiligt.
2.12.2.7
Ippen-Gruppe
Die nach dem Verleger Dirk Ippen benannte Gruppe von Zeitungsverlagen, verteilt im gesamten
Bundesgebiet, ist sehr unübersichtlich konstruiert. Es gibt keine Holding, in der die zahlreichen
Beteiligungen zusammengeführt sind. Der Verleger Ippen und seine Familie halten die Beteiligungen häufig persönlich, nicht über Firmen. Seit Anfang des Jahres 2002 besteht eine BGBGesellschaft, in der wesentliche Beteiligungen zusammengeführt worden sind. An dieser Gesellschaft halten neben der Familie Ippen (Mehrheit) die Geschwister Dierichs aus Kassel eine qualifizierte Minderheitsbeteiligung. Diese Beteiligung war die Gegenleistung für die Übernahme
eines 90-Prozent-Anteils an dem Regionalzeitungsverlag der „Hessischen/Niedersächsischen
Allgemeinen“, der zuvor den Geschwistern Dierichs gehörte. Informationen über das BeteiligungsPortefeuille oder über die Beteiligungsverhältnisse sind nicht bekannt. Abweichend von der
sonstigen Praxis wird daher in der Übersicht über die Senderbeteiligungen der Gruppe jeweils
das Unternehmen genannt, das die Beteiligungen an einzelnen Sendern hält (vgl. Tab. II-79). Die
Ippen-Gruppe hält Beteiligungen an sechs landesweiten und einem bundesweiten Hörfunkprogramm. Die Hörfunkbeteiligungen werden jeweils über Zeitungsverlage der Gruppe gehalten.
Bei den im Hörfunk engagierten Verlagen hält Ippen jeweils Mehrheiten.
Der größte Verlag der Gruppe, der Münchener Zeitungsverlag, hält zusammen mit der Medien
Union (vgl. Abschnitt II 2.12.2.8) eine Mehrheit an der „Landeswelle Thüringen“. Direkt halten die
beiden Verlage jeweils zwanzig Prozent, indirekt über ein hälftig gehaltenes Gemeinschaftsunternehmen weitere 34 Prozent. Die „Landeswelle“ bleibt mit 29 Minuten in Thüringen unter
der Hälfte der Hördauer des Konkurrenten „Antenne Thüringen“. Hinzu kommt eine Minute in
Sachsen-Anhalt. Zusammen ergibt das bundesweit eine Hördauer von einer Minute.
Die zweitgrößte Beteiligungshöhe erreicht die Ippen-Gruppe mit 24,4 Prozent beim „Radio
Wir von hier“ in Bremen. Diese Beteiligung wird über die „Kreiszeitung“ im benachbarten Syke
gehalten.910
Die übrigen Anteile an Hörfunkanbietern sind deutlich geringer. Über den Verlag der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen“ ist die Ippen-Gruppe an der „Antenne Thüringen“ beteiligt. Der Verlag in Kassel hält 11,1 Prozent. Entsprechend der länderübergreifenden Verlagstätigkeit bestehen zudem Anteile an Anbietern in Hessen und in Niedersachsen. In Hessen ist der
Verlag mit 9,4 Prozent am Anbieter der Programme „Hit Radio FFH“ und „planet radio“ beteiligt, in
Niedersachsen mit 1,4 Prozent an „radio ffn“. Weitere kleine Beteiligungen hält die Ippen-Gruppe
über drei weitere Zeitungsverlage in Niedersachsen an „radio ffn“. Selbst zusammengenommen
bleibt die Anteilshöhe aber deutlich hinter den Anteilen der größeren Eigner zurück.911
909 Zu den Marktdaten vgl. II 2.12.2.5.
910 Zu den Marktdaten vgl. II 2.12.2.6.
911 Zu den Marktdaten vgl. II 2.12.2.4.
318
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Beteiligung über Firma
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
Münchener Zeitungs-Verlag
Landeswelle Thüringen
20,0
Kreiszeitung Verlagsgesellschaft
Radio Wir von hier
1. Oberbayer. Volksblatt
2. Zeitungsverlag Oberbayern
50,0 von 34,0
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
0.413
1
0,5
24,4
0.123
< 0,5
< 0,5
Radio Melodie
(bundesweit)
10,0
10,0
0.416
1
0,5
Verlag Dierichs GmbH & Co. KG
Antenne Thüringen
11,1
0.713
2
1,0
Verlag Dierichs GmbH & Co. KG
1. Hit Radio FFH
2. planet radio
09,4
1.924
0.316
6
1
3,0
0,5
1. Verlag Dierichs
2. C. Beckers Buchdr.
3. F. Wolff
4. Kreiszeitung
radio ffn
01,4
01,0
00,2
03,2
1.437
3
1,5
Zudem bestehen Beteiligungen am Lokalfunk in Bayern und in Nordrhein-Westfalen.
Tabelle II-79: Hörfunkbeteiligungen der Ippen-Gruppe
Schließlich ist die Ippen-Gruppe eines der wenigen Unternehmen mit Anteilen an einem
bundesweiten Anbieter: Über Beteiligungsunternehmen in Bayern ist sie mit zweimal je 10 Prozent
an „Radio Melodie“ in München beteiligt.912
2.12.2.8
Medien Union GmbH
Die Beteiligungen der Medien Union in Ludwigshafen sind in hohem Maße intransparent. Das
Unternehmen veröffentlicht keinen Bilanzbericht und gibt auch ansonsten allenfalls sporadisch
Auskunft, z. B. zu einzelnen Expansionsschritten. Zur Umsatz- und Gewinnentwicklung werden
bislang keinerlei Informationen gegeben. Im Zeitungsmarkt gehört das Unternehmen zu den
größten Verlagsgruppen in Deutschland. Unter Berücksichtigung von Engagements bei Anzeigenblatt- und Buchverlagen und weiteren Aktivitäten gehört die Medien Union auch zu den größten
Medienunternehmen. 50,5 Prozent der Anteile daran hält die Familie Schaub. Den Rest des
Kapitals halten andere Familien.
Im Hörfunkmarkt verfügt das Unternehmen über verschachtelte Beteiligungsstrukturen. Hoch
ist die Beteiligung am bundesweiten Programm „sunshine live“. Die Medien Union hält ein Viertel
der Anteile direkt und hält indirekt weitere Anteile an einem zu 10,5 % am Sender beteiligten
Gesellschafter. Das Programm kommt bei einer bundesweiten Hochrechnung auf eine Hördauer
von einer Minute und erreicht dabei regional nur in Mecklenburg-Vorpommern (4 Minuten) und
in Baden-Württemberg (2 Minuten) mehr als eine Minute Hördauer.
In Rheinland-Pfalz hält die Medien Union genau wie die Verlage der zwei anderen großen
Zeitungen des Landes, „Allgemeine Zeitung“ und „Rhein-Zeitung“, rund ein Viertel der Anteile an
den Programmen „RPR Eins“ und „RPR Zwei“. Marktführend ist „RPR Eins“ mit einer Hördauer von
46 Minuten. „RPR Zwei“ kommt auf 21 Minuten. Zusammen mit den Werten für Baden-Württemberg („RPR Eins“ 2 Minuten; „RPR Zwei“ 1 Minute), das Saarland (5/4), in NRW (2/2) und Hessen
(3/3) kommen die Programme bundesweit auf eine Hördauer von 3 bzw. 2 Minuten.
912 Zu den Marktdaten vgl. II 2.12. 2. 11.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
319
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
RNO Rhein-Neckar-Odenwald
sunshine live
25,0
45,5 von 51,0
von 10,5
0.434
1
0,5
Landeswelle Thüringen
Landeswelle Thüringen
20,0
50,0 von 37,0
0.413
1
0,5
0.847
2
1,0
1.171
0.705
3
2
1,5
1,0
Zwischensumme
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
Weitere Beteiligungen
Rheinland-Pfälzische Rundfunk
1. RPR Eins
2. RPR Zwei
24,5
Radio Regenbogen
Radio Regenbogen
09,9
+ indirekte
Beteiligung
0.915
2
1,0
Radio TON Regional
Radio TON Regional
keine
45,5 von 51,0
0.268
1
0,5
Radio RocklandPfalz
RocklandRadio
keine
10,3 von 37,4;
24,5 von 23,4
0.168
< 0,5
< 0,5
Big FM
big.fm
keine
indirekte
Beteiligung
0.340
1
0,5
Neue Berliner Rundfunk
Berliner Rundfunk 91!4
keine
indirekte
Beteiligung
0.378
1
0,5
Radyo 94,8 Metropol
Makaria (türkisch)
k. A.
k. A
k. A.
100
Tabelle II-80: Hörfunkbeteiligungen der Medien Union
Beteiligung am ehemaligen Programm „Antenne 1“ in Stuttgart nicht ausgewiesen.
Abbildung II-32: Hörfunkbeteiligungen der Medien Union
320
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Die drittgrößte Hördauer erzielt in Rheinland-Pfalz mit sieben Minuten das „Rockland Radio“,
an dem der Sender der beiden „RPR“-Programme mit knapp 25 Prozent beteiligt ist. Die Medien
Union ist zudem über einen Anteil an der Deutschen RockRadio indirekt beteiligt, die 37,4 Prozent
der Anteile an dem kleinen Sender hält. „Rockland Radio“ kommt in Rheinland-Pfalz auf eine
Hördauer von 7 und in Hessen auf eine Minute.
Auf eine Hördauer von 6 Minuten kommt in Rheinland-Pfalz das Programm „Radio Regenbogen“, das im Stammland Baden-Württemberg eine Hördauer von 14 Minuten aufweist (im
Bundesdurchschnitt 2 Minuten). Auch an diesem Programm ist die Medien Union beteiligt:
9,9 Prozent hält sie direkt, kleinere Anteile indirekt. In Baden-Württemberg kommen indirekte
Beteiligungen an „Radio TON Regional“ und an „big.fm“ hinzu. Beide Programme erreichen in
Baden-Württemberg eine Hördauer von 5 Minuten, bundesweit jeweils eine Minute.
In Berlin bestehen Beteiligungen an zwei Programmen. Zum einen ist die Medien Union
Alleingesellschafter des Anbieters Radyo 94,8 Metropol, der das türkisch-sprachige Programm
„Makaria“ veranstaltet.913 Zum anderen besteht indirekt eine kleine Beteiligung am „Berliner
Rundfunk 91!4“.914
Gewichtiger ist die Beteiligung an der „Landeswelle Thüringen“ mit direkt 20 Prozent und
zudem der Hälfte eines weiteren Anteils von 37 Prozent.915
2.12.2.9
Frank Otto Medienbeteiligungs GmbH & Co. KG
Die Beteiligungsgesellschaft im alleinigen Anteilsbesitz des Unternehmers Frank Otto ist direkt
und indirekt an fünf landesweiten Sendern beteiligt. In Hamburg und Berlin hält sie jeweils eine
Mehrheitsbeteiligung. Die übrigen Beteiligungen liegen unter 25 Prozent.
In Hamburg hält Otto 51 Prozent am Programm „Radio 95.0“. Die übrigen Anteile halten die
Sender „Radio Hamburg“, „Radio RSH“ und „radio ffn“. „Radio 95.0“ ist der kleinste der Hamburger
Privatsender mit einer Hördauer in Hamburg von 4 Minuten. In Schleswig-Holstein kommen
3 Minuten hinzu.
Auch der zweite mehrheitlich im Besitz von Otto befindliche Sender zählt zu den kleineren
Sendern. Bei „98 8 Kiss FM“ ist die Europäische Rundfunk und Fernseh AG in Saarbrücken mit
49,8 Prozent Minderheitspartner von Otto. Die Hördauer beträgt in Berlin 9, in Brandenburg 2
und bundesweit unter einer Minute.
Relativ unübersichtlich sind die Verhältnisse bei „Energy Sachsen“. Die Netzwerk Programmanbietergesellschaft mbH Sachsen & Co. Betriebs KG stellt Programmteile her, die von einzelnen
Lokalsendern in Sachsen genutzt werden. Drei dieser Sender (in Dresden, Leipzig und Chemnitz)
sind mit jeweils einem Drittel Eigner des Netzwerkes. Ein Sender in Zwickau ist als Tochterunternehmen des Netzwerks organisiert. Bei der 7010 Radio Leipzig GmbH ist Otto inzwischen
mit 64,3 Prozent beteiligt. An der Radio Elbwelle in Dresden hat Otto 75 Prozent übernommen.
Neben der Beteiligung am Netzwerk hält die „Elbwelle“ auch einen Anteil von 23,5 Prozent an
der Radio Citywelle Chemnitz, dem dritten Eigner des Netzwerks. Damit hält Otto insgesamt
wesentliche Teile des Verbunds. „Energy Sachsen“ hat allerdings eine nur begrenzte Reichweite.
In Sachsen kommt das Programm auf eine Hördauer von neun Minuten, zudem in Brandenburg,
Sachsen-Anhalt und Thüringen auf jeweils eine Minute.
913 MA-Daten zu dem Programm liegen nicht vor.
914 Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.1.
915 Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.7.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
321
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
Radio 95.0 GmbH & Co. KG
Radio 95.0
51,0
097
< 0,5
< 0,5
Kiss FM Radio GmbH & Co. KG
98 8 Kiss FM
50,2
236
< 0,5
< 0,5
333
< 0,5
< 0,5
232
< 0,5
< 0,5
Zwischensumme
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
Weitere Beteiligungen
delta radio GmbH & Co. KG
delta radio
14,4
Radio Hamburg
Radio Hamburg
61,0 von 5,0
571
2
1,0
Netzwerk Programmanbietergesellschaft mbH Sachsen
Energy Sachsen
indirekte
Beteiligungen
312
1
0,5
Tabelle II-81: Hörfunkbeteiligungen der Frank Otto Medienbeteiligungs GmbH & Co. KG
Mit kleineren Anteilen ist Otto auch am „delta radio“ (14,4 %) in Schleswig-Holstein und indirekt
über den Verlag der „Hamburger Morgenpost“ an „Radio Hamburg“ beteiligt.
2.12.2.10 Radio NRJ GmbH
Die Holding Radio NRJ GmbH in München gehört zu der in Frankreich erfolgreichen Radiogruppe NRJ S. A. Das Unternehmen besitzt auch in anderen Ländern Europas Radio-Beteiligungen
und gehört in Deutschland zu den wenigen ausländischen Unternehmen in der Hörfunkbranche.
Die in Deutschland unter der Bezeichnung „Energy“ ausgestrahlten Programme haben nur begrenzte Reichweiten.
Den höchsten Anteil mit gut 80 Prozent hält die Gruppe am Programm „Energy 103,4 Berlin“.
Das Programm kommt in Berlin auf eine Hördauer von 10 Minuten und in Brandenburg auf
12 Minuten, bundesweit auf eine Minute.
Auch in Hamburg besteht eine Mehrheitsbeteiligung. Das Programm „Energy 97.1 Hamburg“
kommt in der Metropole auf eine Hördauer von 8 und in Schleswig-Holstein auf 2 Minuten.
Bundesweit liegt die Hördauer unter einer Minute.
Neben den Beteiligungen an landesweiten Sendern hält Radio NRJ auch Anteile an lokalen
Sendern:
– in München: „Energy München 93,3“ (60 Prozent),
– in Nürnberg: „Radio Energy“ (24,6 Prozent),
– in Stuttgart: „Energy Stuttgart“ (20 Prozent).
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
Radio 2000
Energy 103,4 Berlin
82,6
411
1
0,5
Jazz Welle Plus Hamburg
GmbH
Energy 97.1 Hamburg
56,0
144
< 0,5
< 0,5
555
1
0,5
312
1
0,5
Zwischensumme
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
Weitere Beteiligungen
Netzwerk Programmanbietergesellschaft mbH Sachsen
Energy Sachsen
Tabelle II-82: Hörfunkbeteiligungen der Radio NRJ GmbH
keine
indirekte
Beteiligung
322
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
2.12.2.11 Oschmann-Gruppe
Die Oschmann-Gruppe in Nürnberg ist insbesondere an bayerischen Lokalsendern beteiligt916 und
hat sich zudem bei drei landes- und einem bundesweiten Sender engagiert. An dem Verbund
sächsischer Lokalradios ist sie zusammen mit einem anderen Unternehmen aus der Telefonbuchbranche jeweils hälftig an einem Anteil von 39 Prozent beteiligt.917
Bei dem bayerischen Mantelprogrammanbieter BLR Dienstleistungsgesellschaft für Bayerische
Lokal-Radioprogramme mbH & Co. KG beträgt der Anteil knapp ein Drittel. In etwa gleichrangige
Partner sind eine Gesellschaft von bayerischen Zeitungsverlegern sowie die Holding Studio
Gong.918
Auch bei der „Ostseewelle“ in Mecklenburg-Vorpommern zählt der Burda-Konzern zu den
wichtigsten Partnern. Die Oschmann-Gruppe besitzt eine direkte Beteiligung in Höhe von
17,5 Prozent.919
Entscheidenden Einfluss hat die Gruppe über eine Mehrheitsbeteiligung (62,5 %) auf das
bundesweite Programm „Radio Melodie“. Einer der Partner ist die Ippen-Gruppe (vgl. Kap. II
2.12.2.7). „Radio Melodie“ wird bereits seit 1991 ausgestrahlt. Das Programm kommt in Bayern
auf eine Hördauer von zwei Minuten und liegt in den meisten anderen Bundesländern bei einer
Minute, in manchen auch darunter. Bundesweit beträgt die Hördauer eine Minute.
Veranstalter
Programm
Anteile in Prozent
direkt
indirekt
Radio Melodie
Radio Melodie
62,5
416
1
0,5
BLR Dienstleistungsges. für
Bayerische Lokal-Radioprogramme mbH & Co. KG
Mantelprogramm
32,0
k. A.
k. A.
k. A.
Sächsischer Lokalrundfunk
(Sachsen Funkpaket)
keine
474
1
0,5
Privatradio Landeswelle
Ostseewelle
17,5
257
1
0,5
Tabelle II-83: Hörfunkbeteiligungen der Oschmann-Gruppe
916
917
918
919
Vgl. Konzentrationsbericht der KEK 2000, hier S. 327 ff.
Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.5.
Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.3.
Zu den Marktdaten s. o. II 2.12.2.3.
50,0 von 39,0
Hörer
in 1.000
Hördauer
in Min. MA in %
Ber
SAn
HH
Bay
MV
Nds
BW
Sn
Thü
104.6 RTL Berlin GmbH
AH Antenne Hörfunk-Sender GmbH &
Co. KG
Alster Radio GmbH & Co. KG
Antenne Bayern Hörfunkanbieter
GmbH & Co. Betriebs- und Werbe KG
Antenne Mecklenburg-Vorpommern
GmbH & Co. KG
Antenne Niedersachsen GmbH &
Co. KG
Antenne Radio GmbH & Co. KG
Antenne Sachsen HörfunkVersorgung GmbH
Antenne Thüringen GmbH & Co. KG
Antenne Thüringen
Hit-Radio Antenne Sachsen
Antenne 1
Hit-Radio Antenne
Antenne MV
Antenne Bayern
alster radio
1. Hit-Radio Brocken
2. Project 89.0 digital
104.6 RTL Berlin
Programm
RTL Group
Suhler Verlagsgesellschaft mbH
Verlag Dierichs GmbH & Co. KG (Ippen)
Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH
Verlagsgesellschaft Madsack
RTL Group
Springer
Stuttgarter Zeitung
Dr. Haas GmbH
FAZ
Springer
RTL Group
Studio Gong
Verlagsgesellschaft Madsack
RTL Group
Ostsee-Zeitung GmbH & Co. oHG
kurierverlag + druck GmbH + Co. KG
>Radio Schleswig-Holstein
Springer
Mediengesellschaft der Bayerischen Tageszeitungen
Burda
Springer
RTL Group
Nordwest-Medien GmbH & Co. KG
Bunsmann, Ulrich
Schmidt-Sondermann, Albrecht
Morawietz, Joachim
RTL Group
Verlagsgesellschaft Madsack
RTL Group
Eigner
Tabelle II-84: Private Hörfunkanbieter und ihre größten Eigner (Eigner mit einem Anteil von mindestens 10 Prozent)
Das Zeichen „>“ verweist auf Hörfunkanbieter, die in dieser Tabelle in der Spalte „Veranstalter“ verzeichnet sind.
Land
Veranstalter
10,4 von 65,0
ca. 75 von 59,6 von 65,0
50,0 von 35,0
30,0 von 65,0
10,4 von 65,0
50,0 von 18,0
indirekte Beteiligung
33,3 von 50,3
33,3 von 50,3
33,3 von 50,3
65,0 von 23,0
Anteile in Prozent
indirekt
(Fortsetzung nächste Seite)
16,7
16,7
11,1
11,1
10,0
48,9
27,0
19,0
11,0
25,8
12,2
10,9
10,9
25,0
16,0
16,0
16,0
49,7
24,0
100
direkt
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
323
Bra
Ber
BW
Bay
SH
Nds
Ber
HH
Ber
HH
Thü
Sn
Sn
BB Radio Landeswelle Brandenburg
GmbH & Co. KG
Berlin 87,9 Rundfunkveranstalter
GmbH & Co. KG
big FM in Baden-Württemberg
GmbH & Co. KG
BLR Dienstleistungsgesellschaft
mbH & Co. KG
delta radio GmbH & Co. KG
Funk und Fernsehen Nordwestdeutschland GmbH & Co. KG (ffn)
Jazz Radio und Verlag GmbH
Jazz Welle Plus Hamburg GmbH
Kiss FM Radio GmbH & Co. KG
Klassik Radio GmbH & Co. KG
Landeswelle Thüringen GmbH
LFS Landesfunk Sachsen GmbH
Netzwerk Programmanbietergesellschaft mbH Sachsen & Co. Betriebs KG
Energy Sachsen
R.SA (zuvor oldie.fm)
Landeswelle Thüringen
Klassik Radio
98 8 Kiss FM
Energy 97.1 Hamburg
Jazz Radio 101,9
radio ffn
delta radio
Rahmenprogramm in Bayern
big.fm
87.9 Star FM
BB Radio
Programm
Frank Otto Medienbeteiligungs GmbH & Co. KG
>Privater Sächsischer Rundfunk
Medien Union GmbH
Münchener Zeitungs-Verlag (Ippen)
Euro Media Group GmbH & Co. KG
Frank Otto Medienbeteiligungsgesellschaft
Europäische Rundfunk und Fernsehen AG
Radio NRJ GmbH
Eurojazz-Holding Ltd.
Mediengesellschaft Niedersachsen GmbH (MGN)
Verlagsgesellschaft Madsack
Bremer Tageszeitungen AG
Big-Anlagen Rundfunk-Beteiligungs GmbH
Frank Otto Medienbeteiligungsgesellschaft
Europäische Rundfunk und Fernsehen AG
Mediengesellschaft der Bayerischen Tageszeitungen
Studio Gong
>Radio Regenbogen
Burda
K. F. Schimper-Verlag GmbH
Dr. Haas GmbH
Medien Union GmbH
>Radio Ton Rundfunkgesellschaft mbH
Dornier
RTL Group
Burda
Studio Gong
Eigner
Tabelle II-84: Private Hörfunkanbieter und ihre größten Eigner (Eigner mit einem Anteil von mindestens 10 Prozent)
Das Zeichen „>“ verweist auf Hörfunkanbieter, die in dieser Tabelle in der Spalte „Veranstalter“ verzeichnet sind.
Land
Veranstalter
verschiedene indirekte
Beteiligungen
50,0 von 34,0
50,0 von 34,0
36,0 von 30,3
25,0 von 30,3
25,0 von 30,3
10,5 von 30,3
Anteile in Prozent
indirekt
(Fortsetzung nächste Seite)
100
20,0
20,0
100
50,2
49,8
49,8
100
13,1
11,8
10,1
23,5
14,4
13,9
36,0
32,0
32,0
48,5
10,0
100
30,0
30,0
30,0
direkt
324
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Ber
Nds
SH
HB
Sn
MV
HH
HH
Neue Berliner Rundfunk GmbH &
Co. KG
NiedersachsenRock 21 GmbH &
Co. KG
NORA NordOstsee RAdio GmbH &
Co. KG
PBR Privater Bremer Rundfunk
GmbH & Co. KG
Privater Sächsischer Rundfunk
GmbH & Co. KG (PSR)
Privatradio Landeswelle
Mecklenburg-Vorpommern GmbH &
Co. Studiobetriebs KG
Radio 95.0 GmbH & Co. KG
Radio Hamburg GmbH & Co. KG
Radio Hamburg
Oldie 95
Ostseewelle
Radio PSR
Radio Wir von hier
Radio NORA
Radio21 Der neue ROCKsender
Berliner Rundfunk 91!4
Programm
Springer
RTL Group
Heinrich Bauer Verlag KG
>Frank Otto Medienbeteiligungsgesellschaft
>Radio Hamburg
>Radio Schleswig-Holstein
>Funk und Fernsehen Nordwestdeutschland
Burda
Oschmann-Gruppe
Studio Gong
>Radio Schleswig-Holstein
Nordwest-Medien GmbH & Co. KG
Bremer Tageszeitungen AG
Kreiszeitung Verlagsgesellschaft (Ippen)
>Radio Schleswig-Holstein
Bremer Tageszeitungen AG
AZ Alfelder Zeitung
Nordsee-Medien GmbH & Co. KG
>Radio Schleswig-Holstein
Radio Waterkant GmbH Heimatwelle Schleswig-Holstein &
Co. KG
>delta radio GmbH & Co. KG
Köster Medien GmbH & Co. KG
CMS Cross Media Service GmbH
Verlag Heinz Heise GmbH & Co. KG
>Antenne Niedersachsen
>Funk und Fernsehen Nordwestdeutschland
RTL Group
DuMont
Stuttgarter Zeitung
Neue Pressegesellschaft mbH & Co. KG, Ulm
FAZ
Eigner
Tabelle II-84: Private Hörfunkanbieter und ihre größten Eigner (Eigner mit einem Anteil von mindestens 10 Prozent)
Das Zeichen „>“ verweist auf Hörfunkanbieter, die in dieser Tabelle in der Spalte „Veranstalter“ verzeichnet sind.
Land
Veranstalter
50,0 von 18,5
50,0 von 18,5
40,0 von 51,2
30,0 von 51,2
30,0 von 51,2
50,0 von 30,0
50,0 von 30,0
Anteile in Prozent
indirekt
(Fortsetzung nächste Seite)
35,0
29,2
25,0
51,0
16,4
16,3
16,3
48,9
17,5
22,2
30,0
24,4
24,4
16,0
13,0
10,0
10,2
25,3
14,2
20,0
20,0
10,0
30,0
30,0
direkt
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
325
Ber
Ber
Bay
NRW
BW
RP
Sl
SH
BW
Hes
Radio Hundert,6 Medien GmbH
Radio-Information Audio-Service
Zwei GmbH
Radio Melodie Programmanbietergesellschaft mbH & Co. Studiobetriebs-KG
Radio NRW GmbH
Radio Regenbogen Hörfunk in Baden
GmbH & Co. KG
Radio RocklandPfalz GmbH & Co. KG
Radio Salü – Euro-Radio Saar GmbH
Radio Schleswig-Holstein KG GmbH &
Co.
Radio 7 Hörfunk GmbH & Co. KG
Radio/ Tele FFH GmbH & Co.
Betriebs-KG
1. Hit Radio FFH
2. planet radio
Radio 7
Radio Schleswig-Holstein, R.SH
Radio Salü
Rockland Radio
Radio Regebogen
radio NRW
Radio Melodie
94.3 r.s.2
Hundert,6
Programm
Springer
Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH
(inzw. reduziert)
Schwäbischer Verlag KG
Neue Pressegesellschaft mbH & Co. KG, Ulm
Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag
Lübecker Nachrichten GmbH
Kieler Zeitung
Springer
Europäische Rundfunk und Fernsehen AG
Saarländischer Rundfunk
Radio 2000 Beteiligungs-GmbH
Sparkassenförderungsgesellschaft mbH
Eurocast Rundfunk Beteiligungs GmbH
Medien Union GmbH
>Rheinland-Pfälzische Rundfunk
RTL Group
Dr. Haas GmbH
Westdeutscher Rundfunk
RTL Group
WAZ-Konzern
Springer
Oschmann-Gruppe
Oberbayerisches Volksblatt (Ippen)
Zeitungsverlag Oberbayern (Ippen)
Josef Keller GmbH & Co. Verlags-KG
Nordwest-Medien GmbH & Co. KG
>Radio Schleswig-Holstein
Thomas Kirch Communication
Power Radio Schleswig-Holstein GmbH
Eigner
Tabelle II-84: Private Hörfunkanbieter und ihre größten Eigner (Eigner mit einem Anteil von mindestens 10 Prozent)
Das Zeichen „>“ verweist auf Hörfunkanbieter, die in dieser Tabelle in der Spalte „Veranstalter“ verzeichnet sind.
Land
Veranstalter
+ indir. Beteil.
85,0 von 44,0 von 37,4
10,3 von 37,4
21,5 von 59,0
12,4 von 59,0
Anteile in Prozent
indirekt
(Fortsetzung nächste Seite)
12,5
10,9
37,7
37,3
26,3
19,2
18,4
17,3
45,0
20,0
12,0
10,0
23,4
23,8
16,4
24,9
16,1
59,0
62,5
10,0
10,0
10,0
43,0
43,0
60,0
40,0
direkt
326
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
BW
Ber
RP
BW
Bay
SAn
Ber
Sn
Ber
Ber
SAn
Radio TON – Regional Hörfunk
GmbH & Co. KG
Radio 2000 Gesellschaft mbH
Rheinland-Pfälzische Rundfunk
GmbH & Co. KG (RPR)
RNO Rhein-Neckar-Odenwald-Radio
GmbH & Co. KG
Rock Antenne GmbH & Co. KG
Rockland Sachsen-Anhalt GmbH &
Co. KG
RTL Radio Deutschland GmbH &
Co. KG
Sächsische Lokalrundfunk
Skyline Medien GmbH
Spreeradio Hörfunkgesellschaft Berlin
mbH & Co. Medien KG
VMG Verlags- und Medien GmbH &
Co. KG
Radio SAW
Spreeradio 105,5
JAM FM
(Sachsen Funkpaket)
RTL Radio – Die besten Hits
mit Gefühl
Rockland Sachsen-Anhalt
Rock-Antenne
sunshine live
1. Hit-Radio – RPR Eins
2. Das Schlager Radio –
RPR Zwei
Energy 103,4 Berlin
Radio TON Regional
Programm
Nordwest-Medien GmbH & Co. KG
>Radio Schleswig-Holstein
Dornier
Testrut, Werner
Bimmermann, Matthias
Nordmann, Frank
SBH Seminare Betriebs-GmbH
Telefonbuch-Verlag Sachsen GmbH
Oschmann-Gruppe
Burda
RTL Group
Nordwest-Medien GmbH & Co. KG
>Radio Schleswig-Holstein
Medienges. der Bayer. Tageszeitungen
Burda
Springer
RTL Group
Tabelle II-84: Private Hörfunkanbieter und ihre größten Eigner (Eigner mit einem Anteil von mindestens 10 Prozent)
32,1
11,9
60,4
34,6
33,3
33,3
33,3
39,0
100
25,0
36,0
25,0
20,4
Rhein-Main-Tele GmbH
Dr. Haas GmbH
K. F. Schimper-Verlag GmbH
Medien Union GmbH
24,5
20,4
79,6
26,2
direkt
Medien Union GmbH
Mittelrhein-Verlag GmbH
Radio NRJ GmbH
Medien Union GmbH
Heilbronner Stimme GmbH & Co. KG
Dr. Haas GmbH
Eigner
Das Zeichen „>“ verweist auf Hörfunkanbieter, die in dieser Tabelle in der Spalte „Veranstalter“ verzeichnet sind.
Land
Veranstalter
50,0 von 39,0
50,0 von 39,0
32,1 von 100
11,9 von 100
25,0 von 100
16,0 von 100
16,0 von 100
16,0 von 100
54,0 von 52,5 von 10,5
54,0 von 52,5 von 45,5
von 51,0
45,5 von 51,0
Anteile in Prozent
indirekt
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
327
328
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
2.12.3
Vermarktungsunternehmen und Programmzulieferer
2.12.3.1
Vermarktungsunternehmen
Im Hörfunk hat sich in den letzten Jahren eine eindeutige Dominanz von zwei Vermarktungsunternehmen etabliert. Marktführer ist mit großem Abstand die RMS Radio Marketing Service
GmbH & Co. KG in Hamburg. Der RMS gehören fast alle privaten Sender an. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben ihre Akquisition in der ARD-Werbung Sales & Services GmbH in Frankfurt
zusammengefasst. Die AS&S vermarktet neben den öffentlich-rechtlichen auch einzelne private
Programme. Diese Privatradios sind im Markt eher nachrangig. Die jeweils führenden Sender
gehören der RMS an.
Gegründet wurde die RMS 1990 von zunächst nur drei privaten Sendern. Im Jahr 2002 vermarktete das Unternehmen nach eigener Darstellung 184 Privatsender, die insgesamt einen
Werbeumsatz von 550 Mio. Euro (brutto) erreichten. Die RMS-Sender kamen damit auch im Jahr
2002 auf einen Marktanteil von über 60 Prozent. Anteilseigner der RMS sind ausschließlich private
Sender (vgl. Abb. II-33).
Der hohe Marktanteil der RMS basiert nicht allein auf der eigenen Akquisition des Unternehmens, sondern umfasst auch die Umsätze, die die Sender selbst oder durch kleinere Werbekombis – insbesondere von Lokalsendern gebildet – erzielen. So bestehen beispielsweise in
Nordrhein-Westfalen Kombis von Lokalsendern der größeren Verlagsgruppen (WAZ, DuMont,
Rheinische Post, Neue Westfälische, Ippen-Gruppe). In Baden-Württemberg ist die RK RadioKombiwerbung Baden-Württemberg GmbH & Co. KG aktiv, die zu den Gesellschaftern der RMS
gehört. In Bayern bietet die Firma Studio Gong diverse Kombinationen von bayerischen und
sächsischen Sendern an. Überregional werden auch die Sender dieser kleineren Kombis von der
RMS vermarktet.
Darüber hinaus haben sich auch einzelne Landessender zu Kombis zusammengetan, wobei es
sich in der Regel um Verbünde von Sendern in einem Bundesland handelt. Auch diese Sender
gehören überwiegend der RMS an. Tabelle II-85 gibt einen Überblick über kleinere Radiokombis.m
RMS Radio Marketing
Service GmbH & Co KG
Hamburg
je 11,1
RA DIO
Radio RSH
RA DIO
Radio Hamburg
Hamburg
Schleswig-Holstein
RA DIO
Antenne Bayern
RA DIO
Hit Radio FFH
Bayern
Hessen
RA DI O
radio ffn
Niedersachsen
RA DIO
radio NRW
Nordrhein-Westfalen
RA DIO
Radio RPR
Rheinland-Pfalz
RA DIO
Antenne Niedersachsen
Niedersachsen
RK Radio-Kombiwerbung
Baden-Württemberg
Gmb H & Co KG
© FORMATT-Institut Dortmund 2003/2 Stand: März 2003
Abbildung II-33: Die Eigner der RMS
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
329
Vermarkter
Kombi-Mitglieder
RMS
Mach 3 Marketing GmbH & Co. KG
Radio Schleswig-Holstein; delta Radio; Radio NORA
ja
More
Radio Hamburg; Oldie 95,0
ja
RK Radio Kombiwerbung Baden-Württemberg
GmbH & Co. KG
big.fm; Hit-Radio Antenne 1; Radio Regenbogen;
Radio 7; Radio TON; sunshine live u. a.
ja
SpotCom GmbH & Co. KG
Antenne Bayern; Rock Antenne; Radio Galaxy (DAB)
ja
Top Radio Vermarktungs GmbH
94.3 r.s.2; 98 8 Kiss FM
Mir. Marketing im Radio GmbH & Co. KG
Radio PSR; R.SA; Energy Sachsen
ja
SAR Sachsen-Anhalt Radio Marketing GmbH
Radio SAW; Rockland Sachsen-Anhalt
ja
Radio Energy Werbe- und Vermarktungs GmbH
Energy Berlin; Hit-Radio Antenne Sachsen; Energy
München; Energy Nürnberg
Funk Kontakt Medien Service GmbH
NDR 2; bremen vier; alster radio; Radio21
nein
Umsatzzahlen sind nur von der RK Radio Kombiwerbung bekannt. Sie kam im Jahr 2000 auf 101 Mio. DM (brutto).
Tabelle II-85: Kleinere Radiokombis
Vermarkter
1999
2000
2001
absolut
MA in Prozent
RMS
421,6
449,7
416,3
061,4
AS&S gesamt
– davon ARD
– davon Private
221,1
221,1
000,–
257,6
226,1
031,5
224,2
192,0
032,2
033,1
andere
048,2
025,7
037,5
005,5
Hörfunk gesamt
690,9
732,9
678,0
100,0
Tabelle II-86: Umsätze der Vermarkter in Mio. Euro (netto)
Quelle: ZAW 2002, S. 306
Im bundesweiten Markt steht nur die AS&S im Wettbewerb mit der RMS. Neben den öffentlichrechtlichen Programmen vermarktet die AS&S auch einzelne private Programme: JazzRadio
101,9; RTL Radio; Spreeradio 105,5; 87,9 Star FM; Radio21; 104.6 RTL; Hit-Radio Brocken; project
89.0 und Radio Salü.
Die der AS&S angeschlossenen privaten Sender setzen aber nicht einmal zehn Prozent der
Werbeeinnahmen der RMS-Sender um. Zusammen mit den öffentlich-rechtlichen Programmen
hat die AS&S 2001 einen Marktanteil von rund einem Drittel an der Hörfunkwerbung erzielt. Die
RMS kam auf über 60 Prozent. Auf die übrigen Sender, die keinem der beiden großen Vermarkter
angehören, entfiel ein Marktanteil von gut fünf Prozent.
Wie stark die Marktposition der RMS zumindest in den meisten Teilmärkten (Bundesländern) ist,
zeigte sich auch in einem Kartellverfahren, das von den beiden Lokalsendern im Raum Aachen
gegen die RMS angestrengt wurde. Die RMS hatte es abgelehnt, auch die beiden Lokalsender zu
betreuen, die als einzige in Nordrhein-Westfalen nicht mit radio NRW kooperierten und darüber
hinaus nicht zu den von RMS betreuten Sendern gehörten. Das Bundeskartellamt hat schließlich
1999 entschieden, dass die beiden Sender ohne Aufnahme in die RMS-Kombis keine Überlebenschance hätten, und die RMS zur Betreuung der Sender verpflichtet.920
920 Vgl. Bundeskartellamt B6-127-99.
330
2.12.3.2
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Programmzulieferer
Nicht alles, was private Sender unter ihrem Logo ausstrahlen, wird auch von ihnen produziert. Es
gibt zahlreiche Kooperationsformen und Rahmenprogrammanbieter, die insbesondere in Bayern,
Nordrhein-Westfalen und Sachsen Lokalstationen zu jenen Tageszeiten mit Programm versorgen,
für die die kleinen Anbieter nicht selbst produzieren. Diese Kooperationsform mit großflächigen
Programmzulieferungen ist zwar für die Hörer nicht erkennbar, immerhin aber für Interessierte
transparent. In dieser Studie werden die Rahmenprogrammzulieferer den landesweiten Programmen gleichgestellt (vgl. II 2.12.2). Kenntnisse über weitere Zulieferungen sind gering. Ähnlich,
wie bei der Presse PR-Material in Form von Fotos, Illustrationen und Text in die Berichterstattung
einfließt, verwenden Hörfunkredaktionen auch zugeliefertes Audiomaterial. Die PR-Strategien
sind raffiniert; das Material besteht beispielsweise aus den O-Tönen von Interviews, wobei nur
die Antworten akustisch vorliegen, die passenden Fragen schriftlich. Damit wird es auch kleinen
Redaktionen möglich, scheinbar eigenständig Interviews mit Prominenten zu führen, bei denen
der Moderator einer Sendung als vermeintlicher Interviewer auftritt. Diese journalistisch umstrittene Praxis921 wird inzwischen auch von dem mutmaßlich größten Syndikation-Unternehmen,
der FM Radio Network GmbH, genutzt.
FM Radio Network GmbH, Augsburg
Bis zum letzten Jahr gehörte die Firma mehrheitlich zur RTL Group und wurde dann von der
Euro Media Group GmbH & Co. KG vollständig übernommen, die auch Alleingesellschafter des
bundesweiten Senders „Klassik Radio“ ist. FM Radio Network bietet den Radiosendern vier
fertig produzierte Formate zum Ankauf an. Nach Darstellung des Unternehmens kommen diese
Formate auf stattliche Hörerzahlen:
– „Das Bundesliga Radio mit Franz Beckenbauer“, während der Bundesligasaison wöchentlich auf bis zu 3,5 Mio. Hörer von 40 Stationen;
– „Galileo im Radio“, wöchentlich, basierend auf dem gleichnamigen TV-Format von ProSieben auf bis zu 2 Mio. Hörer;
– „Hollywood affairs“, von Montag bis Freitag;
– „First news“.
„Das Bundesliga Radio“ wird inzwischen auch in einer Version geliefert, die es den Redaktionen
erlaubt, die Aussagen des Experten Beckenbauer für ein vermeintlich selbst produziertes Interview
zu nutzen.
Syndikationsformate scheinen insgesamt keinen großen Stellenwert im Gesamtmarkt zu
haben. Wiederholt hat es im Markt Versuche gegeben, andere Unternehmen neben FM Radio
Network zu etablieren. Der Erfolg neuer Zulieferer scheint aber gering zu sein. Anfang letzten
Jahres meldete beispielsweise die Native Film- und Fernsehproduktion GmbH Insolvenz an, die
Redaktionen über das Internet Ton- und Bildmaterial von und mit führenden Musikstars im internationalen Markt angeboten hatte.
921 Der DJV NRW debattiert derzeitig darüber, diese Praxis als nicht konform mit den journalistischen Berufsregeln
zu behandeln. Dem Gewerkschaftstag 2003 liegt ein entsprechender Antrag vor.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
2.12.4
331
Fazit
Bezogen auf die Hördaueranteile sind die Konzentrationsraten beim Hörfunk auf Bundesebene,
verglichen mit den Werten für den Fernsehmarkt, relativ niedrig. Dies gilt für die Anbieter sowohl
im Teilsystem des öffentlich-rechtlichen wie auch des privaten Rundfunks. Die Gründe dafür liegen
insbesondere in der Regionalisierung sowohl der Angebots- als auch der Anbieterstruktur. Im
Teilsystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind die Landesrundfunkanstalten in der Regel
auf ihr jeweiliges Kernland bzw. auf benachbarte Kernländer beschränkt (Mehrländeranstalten).
Trotz der mit der Kabel- und Satellitentechnik erreichten Vergrößerung der Verbreitungsgebiete
erreichen die Programme von räumlich entfernten Rundfunkanstalten außerhalb ihres gesetzlich bestimmten Berichtsgebietes kaum nennenswerte Marktanteile. Maßgeblich dafür sind die
nach wie vor dominante Bedeutung der UKW-Frequenzen und ihre gegenüber der Kabel- und
Satellitentechnik wesentlich kleineren Verbreitungsgebiete.922
Auch im Privatfunk haben bundesweite Angebote eine ähnlich randständige Bedeutung.
Durchgesetzt haben sich die landesweiten Programme. Dabei folgt die Organisationsstruktur im
Privatfunk noch deutlich stärker dem föderalen Gliederungsprinzip, weil auch in den Sendegebieten der Mehrländeranstalten getrennte Angebote für die einzelnen Länder lizenziert worden
sind; so etwa in Norddeutschland, wo neben den Programmen des NDR jeweils mehrere private
Programme für Schleswig-Holstein, für Hamburg, für Niedersachsen und für MecklenburgVorpommern angeboten werden. In einzelnen Ländern ist auch der Lokalfunk von Gewicht, vor
allem in Nordrhein-Westfalen, wo im Privatfunk ausschließlich lokale Programme angeboten
werden, in Bayern trotz des konkurrierenden landesweiten Senders „Antenne Bayern“ sowie abgeschwächt in Baden-Württemberg und in Sachsen.
Bis auf wenige Ausnahmen haben die Landesmedienanstalten an die einzelnen Veranstalter
jeweils nur eine Lizenz vergeben. Relevante Ausnahmen von dieser Regel sind die Veranstalter
Rheinland-Pfälzische Rundfunk GmbH & Co. KG („RPR Eins“ und „RPR Zwei“), die AH Antenne
Hörfunk-Sender GmbH & Co. KG in Sachsen-Anhalt („Hit-Radio Brocken“ und „Projekt 89,0 digital“),
die Radio/Tele FFH GmbH & Co. Betriebs KG („Hit Radio FFH“, „planet radio“ und „harmony.fm“)923
sowie jene, die ein zweites Programm über ein Tochterunternehmen anbieten: die Antenne
Bayern Hörfunkanbieter GmbH & Co. Betriebs- und Werbe KG mit der Rock Antenne GmbH & Co.
KG („Rock-Antenne“) sowie die Privater Sächsischer Rundfunk GmbH & Co. KG („Radio PSR“) mit
der LFS Landesfunk Sachsen GmbH („R.SA“, zuvor „oldie.fm“). Hinzu kommen bei einzelnen Veranstaltern Beteiligungen an weiteren Sendern im Kernverbreitungsgebiet (z. B. bei RPR).
Relevanter für die Anbieterstruktur im Privatfunk ist die Bereitschaft einer ganzen Reihe von
Anbietern, sich über Beteiligungen auch außerhalb ihres Kernsendegebietes im Privatfunk zu
engagieren. Dadurch ist die horizontale Konzentration im Privatfunk erheblich gestiegen (vgl. dazu
exemplarisch die Entwicklung des Anbieters Radio Schleswig-Holstein GmbH, Kap. II 2.12.2.5).
Ähnliche Strategien zur Expansion im Hörfunk durch Beteiligungen an mehreren Sendern verfolgen insbesondere die in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Unternehmen. Keines
dieser Unternehmen dürfte allerdings bislang auf der nationalen Ebene eine Stellung erreicht
haben, die mit den Konzentrationswerten der führenden Unternehmen im Fernseh- oder Zeit922 Typischerweise erreichen einzelne Programme auch über Landesgrenzen hinaus noch größere Publika, wenn
sie in diesen Regionen terrestrisch über UKW empfangen werden können. Außerhalb dieser Regionen werden
dieselben Programme aber kaum noch wahrgenommen, obwohl sie vielfach über Kabel und/oder Satellit angeboten werden.
923 Für das Programm „harmony.fm“ liegen keine Reichweitendaten der AG.MA vor. Deshalb ist das Programm in den
vorangegangenen Ausführungen unberücksichtigt geblieben.
332
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
schriftenmarkt vergleichbar wäre. Kurzfristig ist dies auch nicht zu erwarten. Die Anbieterstruktur
im Hörfunk ist allerdings stetig von einer Vielzahl von Veränderungen geprägt; die horizontale
Konzentration nimmt zu. Zudem planen einzelne der wichtigsten Hörfunkunternehmen die
weitere Expansion. Zu ihnen zählen die RTL Group, der Burda-Konzern, die Oschmann-Gruppe
und in jüngster Zeit auch der Springer-Konzern.924
Für die Expansionsbestrebungen bestehen inzwischen deutlich bessere Umsetzungschancen
als noch vor wenigen Jahren. Bislang standen im Hörfunkmarkt insbesondere sehr kleine Anteile
von Privatpersonen an einzelnen Sendern zum Verkauf. Mit der konjunkturellen und strukturellen
Krise im Zeitungsmarkt gehen nun Zeitungsverlage, die insgesamt die größte Eignergruppe im
Hörfunk darstellen, vermehrt dazu über, sich wieder auf ihr Kerngeschäft, den Zeitungsverlag
und den Zeitungsdruck, zu konzentrieren. Die häufig lukrativen, weil gewinnträchtigen Anteile
an Hörfunkunternehmen zählen unter den veränderten Rahmenbedingungen für viele Verlage
nicht mehr zum Kerngeschäft und stehen zum Verkauf. Dabei handelt es sich oft nicht um kleine
Anteile wie bei den Privatleuten, sondern um deutlich größere Anteilspakete, z. T. auch um
Beteiligungen an mehreren Sendern. Als eines der ersten Unternehmen hat kürzlich der Verlag der
„Frankfurter Rundschau“ seine Beteiligung in Höhe von gut 10 Prozent am Sender Radio/Tele FFH
verkauft. Auch der bereits länger zurückliegende Verkauf des Anteilspakets des HoltzbrinckKonzerns ist mit einer veränderten Geschäftspolitik und der Konzentration auf die Printmedien
begründet worden.
Die Marktbeobachtungen stützen die These, dass die Konzentrationsentwicklung sich im
Hörfunk nicht nur fortsetzen, sondern beschleunigen wird. Den verkaufswilligen Anteilseignern
stehen als potenzielle Käufer insbesondere andere Hörfunkeigner gegenüber. Der Einstieg
von branchenfremden Investoren konnte bislang allenfalls bei kleineren, nachrangigen Sendern
beobachtet werden. Bei dieser Entwicklung zur Akkumulation von Beteiligungen spielen auch die
vielfach vertraglich festgelegten Vorkaufsrechte zugunsten der anderen Eigner eines Senders
eine wesentliche Rolle.
Bereits gegenwärtig ist die Anbieterkonzentration auf der Ebene einzelner Bundesländer
erheblich. Weniger unter dem Aspekt der Anbieterkonzentration als unter dem der publizistischen
Konzentration könnten sich auch die diversen Kooperationsformen im Hörfunk als problematisch
für die Vielfalt herausstellen. Der Einfluss von redaktionellen Zulieferern einzelner Sendungen ist
dabei quantitativ und qualitativ eher gering (vgl. Kap. II 2.12.3.2). Der Einfluss von Rahmenprogrammanbietern ist größer, da im Sinne einer einheitlichen Programmfarbe wesentliche
Setzungen (bis hin zu dem für den Hörfunk gewichtigen Musikformat) vom Lieferanten festgelegt
werden. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise haben die Setzungen zu erheblichen Diskussionen
zwischen dem Anbieter radio NRW und den angeschlossenen Lokalstationen geführt.925 Als
ähnlich einflussreich könnten sich auch Vermarktungsunternehmen wie RMS (vgl. Kap. II 2.12.3.1)
erweisen. Die von diesen gebildeten Kombis (Gesamtkombination bzw. Auswahl von Sendern)
sind für einzelne Sender wegen ihrer Werbevolumen lukrativ, bedingen aber eine Angleichung
von Programmen untereinander, da im Werbemarkt insbesondere jene Programme gebündelt
vermarktet werden können, die ein unter soziodemografischen Aspekten möglichst homogenes
Publikum erreichen.
924 Vgl. dazu die Äußerungen des zuständigen Vorstandsmitgliedes, Hubertus Meyer-Burckhardt (u. a. in: dpa 0178
vom 11. 7. 2003). Bei einem Anteilszukauf am hessischen Anbieter Radio/Tele FFH ist diese Strategie jüngst erstmals
umgesetzt worden. Der Zukauf wurde nach dem Stichtag dieser Untersuchung vollzogen und daher im Kap. II 2.12.2
nicht berücksichtigt.
925 Vgl. dazu Pätzold u. a. Strukturen und Angebote lokaler Medien in Nordrhein-Westfalen, Schriftenreihe der LfM,
Bd. 47, Düsseldorf 2003, hier S. 127 ff.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
333
Erleichtert werden den Anbietern solche Angleichungen auch, wenn landesgesetzliche oder
lizenzrechtliche Auflagen zur Eigenproduktion mit dem Ziel der Vielfaltsicherung entfallen, wie
dies jüngst in Hamburg mit dem Gesetz zur Neuordnung des Hamburgischen Medienrechts geschehen ist. Wenn Rundfunkveranstalter „in allen Aufgabenbereichen“ (§ 3.2) kooperieren dürfen,
ergeben sich Möglichkeiten für betriebswirtschaftliche Einsparungen insbesondere bei jenen
Programmteilen, die zu den aufwändigeren und damit kostenintensiven zählen, z. B. bei einzelnen
journalistischen Beiträgen bis hin zu den Nachrichtensendungen. Gerade die Eigner von mehreren
Radiostationen können unter derart deregulierten Rahmenbedingungen Synergiepotenziale
erschließen. Deregulierungen können insofern sogar beschleunigende Wirkung auf ohnehin
vorhandene Konzentrationstendenzen entfalten.
2.13
Online-Medien
2.13.1
Cross-Ownership zwischen Fernsehen und Online-Angeboten
Die Anbieter der klassischen elektronischen Medien Radio und Fernsehen sind auch im Internet
mit Online-Angeboten vertreten. Ihre Präsenz im Internet stellt eine Cross-Ownership-Verflechtung zwischen Rundfunkveranstaltern oder mit Rundfunkveranstaltern verbundenen Unternehmen und Online-Angeboten dar.
Diese Cross-Ownership-Verflechtungen werfen die Frage auf, ob dadurch bei steigender
Internetnutzung der potenzielle Meinungseinfluss eines Fernsehveranstalters oder einer Gruppierung von einem Unternehmen zurechenbaren Fernsehsendern zunimmt. Eng damit verbunden
ist auch die Frage, ob sich die hochgradige Medienkonzentration im Fernsehen in Bereichen des
Internets fortsetzt. Die Fragen stellen sich, selbst wenn die Nutzung der Online-Angebote nur als
Ergänzung zu der ansonsten nahezu unveränderten Nutzung des Fernsehens stattfindet.926 Bei
der Prüfung dieser Fragen stehen in erster Linie die redaktionell gestalteten Inhalte von OnlineAngeboten im Mittelpunkt, die über das Internet von Fernsehveranstaltern, anderen Medienhäusern oder mit solchen Inhalten neu auftretenden Unternehmen angeboten werden.927
Für die Untersuchung der Angebotstruktur und der Bedeutung einzelner Anbieter für die
Nutzer des Internets ist es sinnvoll, zwischen
– dem Markt für Internet-Zugangs-Anbieter (Internet Service Provider, ISP; Access Provider)
und
– dem Angebot von Inhalten (Content Providing) im Internet
zu unterscheiden.928
Ein ISP stellt die technischen Voraussetzungen für den Zugang zum Internet über den PC für
private oder geschäftliche Nutzer zur Verfügung. Hierzu gehört in der Regel eine Einwahlnummer,
über die sich der Nutzer ins Internet einwählt. Ein ISP kann somit als ein Anbieter der Technik begriffen werden, der das Eingangstor zum Internet bereitstellt. Die Bereitstellung dieser technischen
Dienstleistung kann erfolgen, indem der ISP mit dem Endkunden für den Zugang eine dauerhafte vertragliche Bindung (= Zugangsabonnement) eingeht. Alternativ dazu kann er Kunden
den Zugang auch über einen Call-by-Call-Tarif ermöglichen. Der ISP ist also ein Unternehmen für
926 Zur These von der komplementären Mediennutzung von Internet und Fernsehen siehe Birgit van Eimeren, Heinz
Gerhard, Beate Frees, ARD/ZDF-Online-Studie 2002: Entwicklung der Onlinenutzung in Deutschland, in: Media
Perspektiven 8/2002, S. 346–362, hier: S. 358 f.
927 Vgl. Konzentrationsbericht der KEK 2000, S. 357 ff.
928 Ähnlich die Unterscheidung des Bundeskartellamts, B6-144/01, Verfahren Bild.de/ T-Online AG.
334
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
internetspezifische Technologien und für mit dem Zugang zum Internet verbundene technische
Dienstleistungen. Presseberichten zufolge findet unter solchen Technologieunternehmen in
Deutschland T-Online (Deutsche Telekom AG) mit ca. 10 Mio. Zugangskunden den größten Zuspruch. Weitere bedeutende ISPs sind in Deutschland Freenet (Mobilcom) mit ca. 3,5 Mio. und
AOL (AOL Time Warner) mit ca. 2,9 Mio. Zugangskunden. Berichtet wird auch, dass das Unternehmen United Internet (u. a. GMX) zu den Aufsteigern im Markt für Internetzugang gehört.929m
Unter den Gesichtspunkten der publizistischen Relevanz oder der Meinungsrelevanz stehen
die Online-Anbieter von Inhalten im Mittelpunkt, die den Nutzern auch ein redaktionelles
Angebot zur Verfügung stellen. Bei redaktionell gestalteten Angeboten im Internet handelt es
sich um
– Nachrichten oder Informationen, vor deren Veröffentlichung auf seiner Webseite der
Anbieter stets Auswahlentscheidungen trifft,
– Beiträge, die als seine eigene redaktionelle Leistung angesehen werden können, oder
– Verweise („Links“) auf Webseiten oder Beiträge anderer Anbieter.
Medienhäuser, insbesondere Verlage und Fernsehveranstalter, sind zwar typische Anbieter von
Inhalten im Internet.930 Die Nutzungszahlen zeigen aber, dass sich die Struktur der Medienbranche
nicht einfach auf das Internet überträgt. Denn die Online-Angebote der traditionellen Medienhäuser treffen im Internet auf neue Konkurrenten. Durchaus mit den Internetinhalten von Medienhäusern vergleichbare Inhalte bieten auch Betreiber von Suchmaschinen und ISPs an, wie zum
Beispiel Google, Yahoo!, Lycos, Freenet.de, T-Online, AOL, Tiscali oder Arcor.
Suchmaschinen beeinflussen über die Art und Weise der Erstellung von Trefferlisten und durch
Such- oder Ordnungskriterien, Rangfolgen oder Empfehlungen Auswahlentscheidungen der
Nutzer.931 Internettechnologieunternehmen wie ISPs gehen für ihre Inhalte auch Kooperationen
mit Unternehmen der Medienbranche ein. Dafür stellt die Kooperation zwischen T-Online, dem
ISP der Deutsche Telekom AG, und dem Online-Angebot der Zeitung Bild (bild.de) der Axel
Springer AG ein Beispiel dar (bild.t-online.de).932 Auch besteht eine Kooperation von T-Online mit
Burda (www.bunte.t-online.de). Bei einer Betrachtung der Entwicklung stellt sich die Frage, ob ein
ISP mit redaktionell gestalteten Online-Angeboten, wie z. B. AOL Deutschland, möglicherweise
über beachtenswerte Wettbewerbsvorteile gegenüber traditionellen Medienhäusern verfügt.
Der Wettbewerbsvorteil des ISP kann entstehen, weil er der Anbieter des Internetzugangs ist,
der dadurch möglicherweise die Eingangstür zum Internet kontrollieren kann. Jedenfalls eröffnet
es ihm die Möglichkeit, seine Webseiten so zu gestalten, dass seine Zugangskunden bei ihm
länger verweilen, weil sie bei ihm auch interessante Inhalte finden. Darüber hinaus kann der ISP
die bevorzugte Nutzung seiner Inhalteangebote noch forcieren, weil er für den Zugang zum
Internet seinen Kunden eine eigene Internetzugangssoftware einschließlich Browser mitliefert.
Zusammen mit dem Angebot attraktiver Online-Inhalte ist zum Beispiel AOL erfolgreich. Dieser
Erfolg drückt sich auch in der bemerkenswert überdurchschnittlich hohen Verweildauer der
Nutzer im deutschen AOL-Angebot aus.933 Für die USA wird sogar berichtet, dass die Internetnutzer ca. ein Drittel ihrer Nutzungszeit alleine bei AOL Time Warner verbringen würden.934 Ohne
929 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. 01. 2003, Ebay und Google bedrängen Marktführer T-Online.
930 Vgl. Insa Sjurts, Strategien in der Medienbranche, Grundlagen und Fallbeispiele, 2. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 314 f.m
931 Vgl. hierzu auch Monopolkommission (Hrsg.), Netzwettbewerb durch Regulierung, Hauptgutachten 2000/2001,
Baden-Baden 2003, S. 341, Tz. 670.
932 Vgl. Bundeskartellamt, B6-144/01, Verfahren T-Online/Bild.de, Beschluss vom 07. 03. 2002.
933 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. 01. 2003, Ebay und Google bedrängen Marktführer T-Online.
934 Vgl. Nicola Liebert, Konzentration bei Internet-Medien, in: Financial Times Deutschland, 06. 06. 2001.
(Online-Shop)
(ISP)
(ISP)
(Reiseauskunft/-shop)
(Medienunternehmen)
(Online-Shop/Auktion)
(Suchmaschine)
(Medienunternehmen)
(Internetdienste)
X
X
X
X
X
X
–
–
–
–
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
–
X
X
X
X
–
X
X
–
–
–
X
X
X (Musik)
X
–
X
X
X (Musik)
X
–
X
X
X
X
–
X
X
Auswahl weiterer, intensiv genutzter Online-Angebote
–
–
–
–
–
X
X
X
–
X
X
X
X
–
X
X (Reise)
X
–
–
–
X
X
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
X
–
–
X
X
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–
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–
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–
X
X
X
X
–
X
X
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X
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X
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–
–
X
X
X
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X
X
X
X
X
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X
X
X
X
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X
X
X
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X
X
X
X
X
X
X
–
X
X
–
X
–
–
–
X
–
–
X
–
–
–
–
–
–
–
Hinweise Bewegtbilder, Produkt- interaktive
kostenauf das
Echtzeit-TV,
und
Angebote:
pflichtiger
eigene
Videoabruf, Marken- E-Commerce, Mitglieder-/
FernsehWeb-Radio, werbung Chat, Online- Abonnentenprogramm
Musikabruf
Spiele etc.
service3)
Online-Angebote von Fernsehsendern
redaktionelles Angebot1)
Nachrichten- eigene Internetauswahl
Beiträge Portal2)
–
X
X
–
(Verweis T-Online)
–
–
(Verweis MSN)
–
–
(Verweis Tiscali)
–
–
–
(Verweise)
–
X (Tiscali,
SAT.1-Browser)
X (RTL NET)
technischer
InternetZugang, ISP
Tabelle II-87: Redaktionelle Angebote bei Online-Auftritten von Fernsehsendern und von besonders viel genutzten Online-Angeboten
Quelle: KEK, eigene Recherchen, Stand: April 2003. Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität und Vollständigkeit.
(Fortsetzung nächste Seite)
1)nDas Online-Angebot enthält Texte, Grafiken, Bilder und/oder andere Elemente, die als eigene redaktionelle Leistung des Anbieters angesehen werden können.
2)nEin Internet-Portal enthält ausgewählte Hinweise auf Beiträge oder Webseiten (häufig in Form eines Katalogs) von anderen Online-Angeboten, die von dem Hinweisenden unabhängig
sind.
3)nAußer Internetzugang (siehe dazu nebenstehende Spalte) sind hierfür Beispiele: Speicherplatz für eigene Internetseiten, E-Mail-Fächer, Kontakt-/Stellenanzeigen, Virenprogramme, SMS.
Amazon.de
AOL, www.aol.de
Arcor
Bahn.de
Bild online, Bild.T-Online.de
eBay
Fireball
Focus online
Fortunecity
RTL World: RTL II, Super RTL, RTL, VOX, Gute Zeiten,
schlechte Zeiten, wahreliebe.de, …
n-tv online
ProSiebenSat.1 Networld (vormals: KirchMedia
Netzwerk): SAT.1, www.sat1.de, Kabel 1,
www.kabel1.de, DSF, www.sport1.de, NeunLive,
ProSieben, www.prosieben.de, …
ARD, www.ard.de, wdr.de, swr3.de, mdr.de,
br-online.de, swr.de, …
ZDF, www.zdf.de
Eurosport, www.eurosport.de
Premiere, www.premiere.de
MTV, mtv.de
VIVA, VIVA Plus
GIGA.de
ausgewählte Online-Angebote von deutschen
Fernsehsendern und eine Auswahl der meistgenutzten deutschsprachigen Online-Angebote
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
335
–
–
–
X
–
–
–
X
X
X
X
–
–
X
–
–
–
–
–
X
X
X
X
X
–
X
X
X
X
X
–
–
X (Stern TV)
X (Spiegel TV)
X (Stern TV)
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Hinweise
auf das
eigene
Fernsehprogramm
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
X
–
–
X
X
–
X
–
–
X
–
–
–
X
X
X
X
X
X
X
–
X
X
X
X
X
X
X
–
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
–
–
X (Händler)
X
X
–
–
X
X
X
X
–
X
X
–
–
Bewegtbilder, Produkt- interaktive
kostenEchtzeit-TV,
und
Angebote:
pflichtiger
Videoabruf, Marken- E-Commerce, Mitglieder-/
Web-Radio, werbung Chat, Online- AbonnentenMusikabruf
Spiele etc.
service3)
X
X
X
X
–
X
X
X
–
X
X
–
–
X
–
X
–
X
X
X
–
X
X
X
–
X
X
–
–
X
X
X (Händler)
–
X
X
–
–
–
–
–
–
–
X
X
X
X
–
(Verweis MSN)
X
–
–
X
X
–
–
–
X
–
–
X
technischer
InternetZugang, ISP
Tabelle II-87: Redaktionelle Angebote bei Online-Auftritten von Fernsehsendern und von besonders viel genutzten Online-Angeboten
Quelle: KEK, eigene Recherchen, Stand: April 2003. Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität und Vollständigkeit.
1)nDas Online-Angebot enthält Texte, Grafiken, Bilder und/oder andere Elemente, die als eigene redaktionelle Leistung des Anbieters angesehen werden können.
2)nEin Internet-Portal enthält ausgewählte Hinweise auf Beiträge oder Webseiten (häufig in Form eines Katalogs) von anderen Online-Angeboten, die von dem Hinweisenden unabhängig
sind.
3)nAußer Internetzugang (siehe dazu nebenstehende Spalte) sind hierfür Beispiele: Speicherplatz für eigene Internetseiten, E-Mail-Fächer, Kontakt-/Stellenanzeigen, Virenprogramme, SMS.
X
–
X
X
–
X
–
–
X
X
–
–
X
X
X
X
X
X
redaktionelles Angebot1)
Nachrichten- eigene Internetauswahl
Beiträge Portal2)
freenet.de
(ISP)
X
GMX, United Internet
(Internetdienste, ISP)
–
Google Deutschland
(Suchmaschine)
X
Handelsblatt.com
(Medienunternehmen)
X
Kicker online, kicker.de
(Medienunternehmen)
X
Lycos Netzwerk, lycos.de
(ISP, Suchmaschine)
X
Microsoft
(Softwarehersteller)
X (Computer)
mobile.de Der Automarkt (Online-Shop)
X (Auto)
MSN, msn.de
(ISP)
X
OMS netto (Vermarktungsgemeinschaft f. Online–
Tageszeitungen)
Otto Versand
(Online-Shop)
–
Scout24
(Online-Shop)
–
ShortNews.com GmbH/sternshortnews
X
Spiegel online
(Medienunternehmen)
X
stern.de
(Medienunternehmen)
X
sueddeutsche.de
(Medienunternehmen)
X
Tiscali
(ISP)
X
T-Online, www.t-online.de (ISP)
X
Vodafone
(ISP/Mobiles Internet)
X
WEB.DE
(ISP)
X
WirtschaftsWoche heute
(Medienunternehmen)
X
wissen.de
(Online-Informationen)
X
Yahoo! Deutschland
(ISP)
X
ZDNet/Cnet Networks
(Software/Internet)
X (Computer)
ausgewählte Online-Angebote von deutschen
Fernsehsendern und eine Auswahl der meistgenutzten deutschsprachigen Online-Angebote
336
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
337
nun solche Presseberichte oder die Ergebnisse der Studien unter methodisch-internetforscherischen Aspekten kritisch zu prüfen, bleibt jedenfalls festzuhalten, dass ISPs bei den Inhalten mit
den Webseiten der traditionellen Medienanbieter konkurrieren können.
Abschließend ist zu bemerken, dass Inhalteangebote der Medienhäuser und ihrer neuen
Konkurrenten im Internet in der Regel für die Nutzer (noch) unentgeltlich sind. Dies ist jedenfalls
zur Zeit ein noch auffallendes Merkmal dieser Inhalteangebote. Eine Finanzierung ihrer OnlineKosten versuchen die Anbieter überwiegend über die Bannerwerbung zu erreichen. Aus diesem
Grund nahm das Bundeskartellamt an, bei den für die Internetnutzer kostenlosen Inhalteangeboten liege kein eigenständiger Markt vor.935 Es wird aber auch das Bestreben bei den OnlineAnbietern erkennbar, Online-Angebote und Geschäftsmodelle zu entwickeln, um die Bereitschaft
der Nutzer zu erhöhen, für Inhalteangebote im Internet zu bezahlen.
In Tabelle II-87 (S. 335–336) ist eine – nicht-repräsentative – Auswahl von in Deutschland viel
genutzten Online-Angeboten und der Online-Auftritte einiger Fernsehsender unter den Aspekten
ihres redaktionellen Gehalts und Informationsangebots zusammengestellt.
2.13.2
Entwicklung der Internet- und Online-Nutzung in Deutschland
Nach der ARD/ZDF-Online-Studie 2003 nutzten im Untersuchungszeitraum im zweiten Quartal
2002 ca. 34,4 Mio. Personen oder 53,5 % der bundesdeutschen Erwachsenen (Personen ab
14 Jahren) das Internet.936 Nach den ARD/ZDF-Online-Studien waren es 2002 44,1 % (28,3 Mio.),
2001 38,8 % (24,6 Mio.), 2000 28,6 % (18,3 Mio.), 1999 17,7 % (11,2 Mio.), 1998 10,4 % (6,6 Mio.),
1997 6,5 % (4,1 Mio.) der Bevölkerung. Im Jahre 2003 fand bei 46 % der Internetnutzer/innen die
Internetnutzung nur zu Hause statt, bei 41 % sowohl im privaten Bereich als auch am Arbeitsplatz
oder in der Universität oder Schule. Der Anteil der Personen, die das Internet nur vom Arbeitsplatz, von der Universität oder Schule aus nutzten, sank von 59 % im Jahr 1997 auf 13 %. Die Entwicklung der Nutzung des Internets, gemessen anhand der durchschnittlichen Verweildauer der
Internetnutzung, im Vergleich zur durchschnittlichen Sehdauer beim Fernsehen stellt Tabelle II-88
dar.
in Minuten
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Sehdauer beim Fernsehen
Grundgesamtheit: Zuschauer ab 14 Jahren
in Deutschland1)
196
201
198
203
209
214
221
Dauer der Internetnutzung
Grundgesamtheit: Online-Nutzer ab 14 Jahren
in Deutschland2)
002
004
008
017
026
035
045
1)nFür einen durchschnittlichen Wochentag ermittelte tägliche Sehdauer; Quelle: AGF/GfK-Fernsehforschung, Methode:
GfK-Fernsehpanel.
2)nQuelle: ARD/ZDF-Online-Studie 2003, Methode: CATI (Computer Assisted Telephone Interviews).
Tabelle II-88: Entwicklung der durchschnittlichen Nutzungszeiten beim Internet und Fernsehen
935 Vgl. Bundeskartellamt, B6-144/01, Verfahren Bild.de/ T-Online AG, Tz. 33.
936 Befragungsmethode: CATI/Computer Assisted Telephone Interviews, Grundgesamtheit: bundesdeutsche Erwachsene ab 14 Jahren, Stichprobe 2003: 2.633 Befragte, darunter 1.050 Online-Nutzer; die Untersuchung wurde vom
Institut für Markt- und Sozialforschung ENIGMA GfK für Medien- und Marketingforschung, Wiesbaden, durchgeführt; zu der Studie vgl. Birgit van Eimeren, Heinz Gerhard, Beate Frees, ARD/ZDF-Online-Studie 2003, Internetverbreitung in Deutschland: Unerwartet hoher Zuwachs, in: Media Perspektiven 8/2003.
338
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Dabei wird unter Internetnutzung verstanden:
– Suchen und Abruf von Informationen zur allgemeinen, beruflichen oder Freizeitorientierung,
– elektronische Kommunikation (Versenden und Empfangen von E-Mails),
– E-Commerce, wie das Tätigen von Bankgeschäften und Einkäufen online,
– Unterhaltung durch den Besuch von Gesprächsforen und Newsgroups,
– Herunterladen von Dateien wie, z. B. Musikdateien,
– Abruf von Videoprogrammen oder Fernsehübertragungen,
– Teilnahme an Online-Spielen,
– Online-Auktionen, Versteigerungen.
Mindestens einmal wöchentlich genutzt, in Prozent
Versenden/Empfangen von E-Mails
zielgerichtet Informationen suchen
zielloses Surfen im Internet
Homebanking
Downloaden von Dateien
Gesprächsforen, Newsgroups, Chats
Audiodateien anhören
Online-Auktionen, Versteigerungen
Computerspiele
Video ansehen
Online-Shopping
live Internetradio hören
Buch-/CD-Bestellungen
live im Internet fernsehen
Gesamt
14- bis 19-Jährige
73
52
51
32
29
18
17
16
11
10
08
07
06
02
74
57
64
08
47
47
36
13
29
20
06
08
06
04
Tabelle II-89: Online-Anwendungen 2003
Quelle: Birgit van Eimeren, Heinz Gerhard, Beate Frees, ARD/ZDF-Online-Studie 2003, in: Media Perspektiven
8/2003, S. 347.
Mindestens einmal wöchentlich genutzt, in Prozent
Aktuelle Informationen über Deutschland und im Ausland
Nachrichten
Informationen über PCs und Software
Sportinformationen
Unterhaltungsangebote
Veranstaltungshinweise ihrer Region
Aktuelle Informationen über ihre Region
Informationen zu Fernsehprogrammen und -sendungen
Aktuelle Informationen über ihr Bundesland
Informationen aus dem Kulturbereich
Wetter-Informationen
Kleinanzeigen (KfZ-/Wohnungsmarkt)
Verbraucher- und Ratgeber-Informationen
Kartenservice für Veranstaltungen
Informationen zu Radioprogrammen und -sendungen
Reiseinformationen
Gewinnspiele
Informationen zu Wirtschaft und Börse
Angebote für Kinder
Kontaktanzeigen
Verkehrsmeldungen
Sex-/Erotikangebote
Gesamt
14- bis 19-Jährige
36
37
30
26
23
31
25
12
19
24
20
14
23
09
04
19
07
24
08
02
06
04
54
44
41
40
36
35
27
26
26
20
20
19
17
17
15
15
12
08
07
06
04
04
Tabelle II-90: Nutzung von Online-Inhalten 2002
Quelle: Birgit van Eimeren, Heinz Gerhard, Beate Frees, ARD/ZDF-Online-Studie 2002, Entwicklung der
Onlinenutzung in Deutschland, in: Media Perspektiven 8/2002, S. 356.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
339
Für die meisten Nutzer dient das Internet zur Kommunikation per E-Mail. Mit Abstand folgt das
zielgerichtete oder ziellose Suchen nach Informationen (s. Tab. II-89).
Bei den abgerufenen Inhalten zeigt sich, dass hierbei das Internet in erster Linie als Medium
zur Information genutzt wird. Aktuelle Informationen und Nachrichten treffen im Internet auf ein
großes Nutzungsinteresse (s. Tab. II-90).
2.13.3
Strategie der Fernsehsender im Internet,
dargestellt am Beispiel der RTL Group
Typische Anbieter von Inhalten im Internet sind Medienhäuser, insbesondere Verlage und Fernsehveranstalter.937 Sie betrachten neben ihren Printprodukten oder Fernsehprogrammen das Internet
als ein weiteres Geschäftsfeld. Die veröffentlichten Nutzungszahlen zeigen, dass die OnlineAngebote der klassischen Medienanbieter für die Internetnutzer attraktiv sind (s. u.). Wie die
Medienunternehmen häufig betonen, spielt bei ihrer Internetstrategie der Transfer ihres bereits
beim Leser oder Zuschauer eingeführten Markennamens eine herausragende Rolle. Ihr Ziel sei,
über ihre im Fernseh-, Radio- oder Printbereich eingeführte Marke auch die Online-Angebote für
die Internetnutzer interessant zu machen. Die Unternehmen begreifen die Möglichkeiten der so
genannten Cross-Promotion als einen Wettbewerbsvorteil im Internet.
Studien zur Nutzung des Internets und zu dem Besuch von Webseiten unterstützen die Internetstrategie der Fernsehsender. Nach der Internetforschung von Nielsen/NetRatings erweist sich die
Vernetzung der Informationsangebote der Fernsehsender mit dem Internet als sehr erfolgreich.
Unter den Top-25-Webseiten des Bereichs Entertainment befanden sich Anfang 2001 14 Fernsehsender oder fernsehbezogene Angebote wie Internet-EPGs. Zum Untersuchungszeitpunkt wirkte
sich für RTL die parallele Nutzung zu der von RTL II ausgestrahlten Realityshow „Big Brother“
besonders positiv aus.938 Parallel dazu steigt aber auch insgesamt die Bedeutung von OnlineAngeboten des Bereichs Entertainment im Internet.939
Die RTL Group stellt ein Beispiel für ein Unternehmen der Fernsehbranche dar, das die Strategie
verfolgt, das mit den Fernsehprogrammen verbundene Image oder den beim Fernsehzuschauer
bereits eingeführten Markennamen zur Einführung von Online-Angeboten ins Internet zu transferieren. Die Medieninhalte der RTL Group lassen sich auch für das Internet verwerten. Dadurch
erzielt der Webauftritt möglicherweise auch positive Effizienz- und Synergieeffekte. Die mit der
Marke „RTL“ verbundenen interaktiven und digitalen Aktivitäten bündelt für Deutschland die
RTL New Media GmbH. Unter der Markenbezeichnung „RTL World“ werden vielfältige OnlineAngebote und zahlreiche Adressen (Domains) der RTL Group und ihrer Kooperationspartner bei
der Gestaltung des Internetauftritts zusammengefasst.
Eine Vielzahl von Untersuchungen zeigt, dass die RTL Group mit ihrer Internetstrategie erfolgreich ist. Es liegen Veröffentlichungen über Studien vor, die von verschiedenen Internetforschern
(IVW, forsa/SevenOne Interactive, AGIREV, NetValue, Nielsen/NetRatings, Jupiter MMXI) durchgeführt wurden (s. u.). Sie messen mit unterschiedlichen Methoden die Nutzung der deutschen
Online-Angebote. Alle Untersuchungen zeigen, dass die RTL Group in Deutschland im Vergleich
zu den anderen traditionellen Medienhäusern mit ihren Online-Angeboten eine führende Stellung
erreicht hat. Das Unternehmen zählt seine Online-Angebote zu den bei den Internetnutzern
937 Vgl. Insa Sjurts, Strategien in der Medienbranche, Grundlagen und Fallbeispiele, 2. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 314 f.m
938 Nielsen/NetRatings führt die Fernsehprogramme unter der Kategorie „Entertainment“ auf; vgl. Nielsen/NetRatings,
Webangebote der Fernsehsender werden immer beliebter – steigende Besucherzahlen im gesamten EntertainmentBereich, Frankfurt/Main, 20. 03. 2001.
939 Siehe Nielsen/NetRatings, Europäische Internet Nutzung, Januar 2002, Frankfurt/Main, 15. 02. 2002.
340
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
Sendergruppierung
RTL Group Sites
BBC Sites
ProSieben/SAT.1 Online Network
Groupe TF1 Sites
ZDF Global Sites
Channel 4 Sites
Besucher (unique visitors) in Mio.
ca. 4,65
ca. 3,42
ca. 1,61
ca. 1,37
ca. 0,55
ca. 0,46
Tabelle II-91: Europäische Sendergruppierungen, Besucherzahlen der Webseiten (unique visitors) in Mio., Dezember
2001
Quelle: RTL Group S. A., Annual Report 2001, S. 51; dort angegebene Quelle: Jupiter MMXI, 12/2001.
beliebtesten Web-Seiten und sah sich 2001 als Marktführer bei den Online-Angeboten der Printund Fernsehanbieter. Dazu wurde unter anderem auf die Zahlen der Interessengemeinschaft zur
Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) verwiesen (Kategorie „General Interest“).940
Außerdem zählt sich die RTL Group bei den Online-Angeboten der Fernsehsender oder der
Sparte Entertainment auch zu den europäischen Marktführern.941 Unter anderem veröffentlichte
sie dazu die in Tabelle II-91 wiedergegebenen Daten.
Die hohen Zahlen an Seitenaufrufen und Besuchern der Online-Angebote von RTL World beruhen vermutlich auf der großen Attraktivität der Komplementärangebote zu Fernsehprogrammen
und zu Fernsehserien. Beispiele dafür sind „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ (GZSZ), „Deutschland
sucht den Superstar“, „Big Brother“, Nachrichtensendungen und Sportübertragungen (z. B.
Formel 1, Skispringen), die Möglichkeit, „live“ während der publikumsattraktiven Quiz-Show „Wer
wird Millionär“ im Internet mitzuspielen. Neben gelegentlichen Live-Übertragungen, wie z. B.
anlässlich der Big-Brother-Show, einigen Abrufmöglichkeiten für Videobeiträge zu Internetseifenopern, Musikstücken oder zu Formel-1-Rennen, stellt RTL World in erster Linie umfangreiche
Präsentationen von Informationen zum Programm, zu Einzelsendungen, Inhalten, Themen und
Fernsehpersonen dar. Zudem gibt es viele Chat- und Shopping-Möglichkeiten, SMS und Spielangebote. Außerdem bietet RTL zu der zuschaueranteilsstarken Sendung „Wer wird Millionär“
Trainingsspiele, ein Online-Quiz und Hintergrundinformationen zu allen möglichen Themen, die
mehr oder weniger mit Elementen der Show zu tun haben, sowie weitere Spiele zum Herunterladen mit oder ohne eine Verbindung zu existierenden (Spiel-) Fernsehsendungen. Die Quiz-Show
„Wer wird Millionär“ wird in mehreren Varianten unter www.rtl.de angeboten. Hohe Zugriffszahlen
hatten auch die Internetpräsentationen zu der Show „Big Brother“ erreicht. Über das Internet
ließen sich unter anderem die Webcams erreichen. Ähnlich wie bei der Seifenoper „GZSZ“ oder
den Quiz-Shows motivierten vermutlich die Hintergrundinformationen und (Mit-) Spielmöglichkeiten zu zahlreichen Zugriffen. Nach einer vom Veranstalter unter seinen Online-Nutzern durchgeführten Umfrage war die hauptsächliche Begründung (93 % der Befragten) für den Besuch der
Big-Brother-Seiten das Motiv, sich über Ereignisse und Personen der Sendung zu informieren.
Danach folgte die Angabe der Motive „Unterhaltung“ (47 %) und „Mitspielen“ (21 %).
Unter dem Namen RTL World tritt die RTL Group auch als ISP auf, der den Zugang zum Internet
über einen Call-by-Call-Tarif ermöglicht. Diesen Zugangsdienst bietet seit Januar 2001 die RTL
NET GmbH an, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der RTL New Media GmbH. Die Nutzung dieses
940 Vgl. RTL Group S. A., Annual Report 2002, Luxembourg 2003, S. 49.
941 Vgl. RTL Group S. A., Annual Report 2002, Luxembourg 2003, S. 48 f.; auch dieselbe, Annual Report 2001, Luxembourg
2002, S. 49 ff.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
341
Internet-Zugangs ist jedoch vergleichsweise gering. Bei einer Befragung der AGIREV von Internetnutzern (Online Reichweiten Monitor 2002 II), die das Internet von zu Hause aus nutzen, teilten
1,1 % (2002 I: 1,3 %) der Befragten mit, dass sie zur Zeit über RTL.net zu Hause in das Internet
gehen. Für T-Online gaben dies 38,4 % (2002 I: 37,9 %), für AOL 20,9 % (2002 I: 20,2 %) und für
freenet.de 13,2 % (2002 I: 13,6 %) der Befragten an.942 Die IP New Media, ein Joint Venture mit IP
Deutschland, vermarktet die Teletext- und Online-Angebote crossmedial; einbezogen ist auch der
Printbereich, da eine Kooperation mit dem Gruner + Jahr-Vermarkter EMS vereinbart wurde. Eine
weitere Tochter der RTL New Media GmbH, die RTL Enterprises GmbH, betreibt Merchandising
und das Lizenzgeschäft für die Senderfamilie und zusätzlich für MTV.943
2.13.4
Daten über die Nutzung der Online-Angebote
der Fernsehsender im Internet
Eine Vielzahl von Studien der Internetforschung gibt Hinweise auf die Bedeutung der OnlineAngebote der Fernsehsender. Für die KEK stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:
– Setzt sich die duale und konzentrierte Marktstruktur des Fernsehbereichs im Internet fort
oder treten dort neue Konkurrenten auf?
– Liegt im Internet durch die Konkurrenz vergleichbarer Angebote ein breites und vielfältiges
Angebot vor?
– Verfügen Fernsehsender über deutlich erkennbare Wettbewerbsvorteile im Internet?
– Stehen die Online-Angebote der Fernsehsender in einem intensiven Wettbewerb?
Hierzu zeigen einige Studien deutlich, dass sich die enge Branchenstruktur des Fernsehbereichs
oder die Marktstruktur des Printbereichs nicht eins zu eins auf den Bereich des Internets übertragen hat. So treten im Internet die Online-Angebote von Fernsehveranstaltern und Printunternehmen als Konkurrenten auf. Für die Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse im Internet
kommt hinzu, dass neue Online-Anbieter auftreten, die ebenfalls redaktionell gestaltete Inhalte
anbieten. Beispiele für die neu entstandene Konkurrenz zu den traditionellen Medienhäusern im
Internet sind ISPs wie T-Online, AOL Deutschland, Freenet oder 1&1. Ebenso sind Web-Portale
wie Web.de zu berücksichtigen. Im Folgenden werden allgemein zugängliche Ergebnisse aus
einigen, für den Konzentrationsbericht als Beispiele herangezogenen Studien aufgeführt.
Die Interessengemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW)
veröffentlicht Daten, die von der Angebotseite her Einschätzungen über die Nutzung der deutschen Online-Angebote ermöglichen. Ermittelt wird die Internetnutzung anhand der elektronischen Spuren, die Nutzer beim Anbieter der Webseite hinterlassen. Dadurch wird unter anderem
die Zahl der Page-Impressions (technische Messung der Seitenaufrufe bzw. von Seitenkontakten)
erhoben.
Nach den der IVW gemeldeten Page-Impressions zählen Webseiten von Fernsehsendern zu
den meistgenutzten Internetangeboten. Bei den Online-Angeboten der Fernsehsender, gemessen
an den bei der IVW gemeldeten Seitenaufrufen, sind die Online-Angebote der RTL Group (RTL
942 Für die Beurteilung dieser Zahlen ist wichtig, dass mit dieser Befragung nicht die Zugangskunden von ISPs erfasst
werden, die vom Arbeitsplatz aus ins Internet gehen. Das Bundeskartellamt (B6-144/01) konnte auf Basis eigener
Recherchen im Verfahren Bild.de/ T-Online AG (Tz. 23) Marktanteile berechnen: „… geht man von einer durchschnittlichen Anzahl von 23 Mio. Internet-Nutzern aus, … ca. 12 Mio. Menschen nutzen einen T-Online InternetZugang (Angabe T-Online, Stand: September 2001), … hat T-Online einen Marktanteil von rund 52 %. … AOL
Deutschland (ca. 20 %), Freenet (ca. 10 %), Tiscali und Arcor (unter 10 %) und ca. 100 kleinere Anbieter (zusammen
unter 5 %).“
943 Vgl. Unternehmensangaben unter http://www.rtlnewmedia.de.
342
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
World und n-tv online) in Deutschland führend. Auf RTL World und n-tv online zusammen entfielen im Zeitraum seit Januar 2002 zwischen 10 und 13 % der von der IVW erfassten PageImpressions (ca. zwischen 380 und 410 Online-Angebote). Unter dem Markennamen RTL World
befinden sich die Online-Angebote der Fernsehsender RTL, RTL II, VOX, Super RTL und eine Anzahl
themenspezifischer Online-Angebote. Das Online-Angebot des Nachrichtensenders n-tv führte
die IVW bis Februar 2003 nicht unter den Online-Angeboten auf, die sie unter RTL World zusammenfasste. Der Nachrichtensender n-tv wird seit Erwerb einer knapp 50 %igen Beteiligung
(Beschluss der KEK vom 12. 11. 2002, Az.: KEK 156-1) der RTL Group zugerechnet. Am 8. April 2003
meldete RTL New Media, dass bei der IVW n-tv.de erstmals als Teil des RTL-Netzwerkes RTL World
ausgewiesen wird.944
Ähnlich hohe Werte wie die RTL Group erreichen auch die unter ProSiebenSAT.1 Networld
(vormals Kirch Intermedia Netzwerk) zusammengefassten Webseiten (u. a. Sat1.de, ProSieben.de,
N24.de, Kabel1.de, wetter.com, Sport1.de, Oktoberfest.de). Vergleichbar hoch sind die Werte, die
die von der IVW aufgeführten Webseiten AOL, Bild.de (Bild.T-online.de), mobile.de Der Automarkt,
MSN, Spiegel online, Focus online und Tiscali aufweisen.
14
13
12
11
10
in Prozent
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Jan 02 Feb 02 Mrz 02 Apr 02 Mai 02 Jun 02 Jul 02 Aug 02 Sep 02 Okt 02 Nov 02 Dez 02 Jan 03 Feb 03 Mrz 03 Apr 03
RTL Group (RTL World + n-tv online)
N24 online
ProSiebenSAT.1 Networld
Bild.de
mtv.de
Spiegel online
n-tv online
Sport 1
AOL Homepage
Focus online
giga.de
kicker-online
Abbildung II-34: Anteile ausgewählter Online-Angebote an den Seitenaufrufen (Page-Impressions) der bei der
IVW gemeldeten Online-Angebote von Januar 2002 bis April 2003 in Prozent
944 Vgl. RTL New Media, Unternehmensmitteilung vom 08. 04. 2003, http://www.rtlnewmedia.de.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
343
Die Daten der IVW berücksichtigen nur einen Teilausschnitt aus der Vielfalt der Online-Angebote. Diese wichtige Einschränkung trifft auch auf die Darstellung der Seitenaufrufe bei den
Online-Angeboten deutscher Fernsehsender zu. So werden zur Zeit die Webseiten der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten nicht ausgewiesen. Für die Aussagekraft der IVW-Daten wäre ihr
Ausweis wohl positiv, denn wie andere Untersuchungen (MMXI, Net Value) zeigen, sind ihre
Online-Angebote für Internetnutzer attraktiv. Auch andere Fernsehsender wie beispielsweise
Single TV, Beate Uhse TV, VIVA oder Premiere fehlen bei den IVW-Veröffentlichungen, weil sie derzeit nicht ausgewiesen werden. Folglich müssten die Anteile der aufgelisteten Online-Angebote
bei den Page-Impressions deutlich nach unten korrigiert werden, würden die Internetauftritte aller
deutschen Fernsehsender erfasst. Im April 2003 wurden erstmals die Page-Impressions des Inhalteangebots von T-Online (T-Online International AG: t-online.de, einschließlich Bunte.T-Online,
FCBayern.T-Online) ausgewiesen. Dies hat eine deutliche Verschiebung der Anteile zur Folge,
denn durch die Mitberücksichtung von T-Online entfallen nunmehr ca. 15 % der Page-Impressions
auf das Inhalteangebot dieses ISPs, so dass daraus wiederum auch für die meisten anderen OnlineAngebote niedrigere Anteilswerte folgen.
Die Entwicklung der Page-Impressions lässt aber auch Deutungen zur parallelen Nutzung
des Internets bei bestimmten Fernsehangeboten zu, wie dies Abbildung II-35 am Beispiel der
Big-Brother-Show bei RTL II zeigt.
Der Beginn des Krieges im Irak im März 2003 spiegelt sich auch in der Nutzung der Nachrichtensender und ihrer Nachrichten-Online-Angebote wider. Dies zeigt die Abbildung II-36.
Dass große Nachrichtenereignisse ein Ansteigen der Internetnutzung bewirken, zeigte beispielsweise auch der Terroranschlag vom 11. September 2001 auf das New Yorker World Trade
Center. Diese Entwicklung betonen unter anderem auch die Studien des Marktforschungsinstituts
forsa. Insgesamt weisen die Web-Seiten der Nachrichtensender n-tv und N24 eine hohe und stark
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Okt 99
Nov 99
Dez 99
Jan 00
Feb 00
Mrz 00
Apr 00
Mai 00
Jun 00
Jul 00
Aug 00
Sep 00
RTL II (Zuschauer ab 3 Jahren; Angaben in Prozent, AGF/GfK-Zuschaueranteile)
RTL II (Zuschauer 14 bis 49 Jahre; Angaben in Prozent, AGF/GfK-Zuschaueranteile)
RTL II (Zuschauer 14 bis 29 Jahre; Angaben in Prozent, AGF/GfK-Zuschaueranteile)
RTL Online (inkl. RTL II Online; IVW-Page-Impressions, Angabe der Zahl der Zugriffe in 10 Mio.)
Abbildung II-35: Zuschaueranteile von RTL II und Nutzung von RTL Online (nunmehr RTL World), inkl. RTL II
Online – Big Brother Reihe; 1. Staffel vom 01. 03. 2000 bis Anfang 09. 06. 2000, 2. Staffel ab 16. 09. 2000
Quelle: AGF/GfK-Fernsehforschung; IVW-Online-Nutzung; KEK, Stand: Oktober 2000
344
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
1,2
1,1
1
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
Jun 02 Jul 02 Aug 02 Sep 02 Okt 02 Nov 02 Dez 02 Jan 03 Feb 03 Mrz 03 Apr 03 Mai 03 Jun 03 Jul 03
n-tv online (IVW-Page-Impressions in 10 Mio.)
n-tv (AGF/GfK-Zuschaueranteile bei den Zuschauern ab 3 Jahren in %)
N24 Online (IVW-Page-Impressions in 10 Mio.)
N24 (AGF/GfK-Zuschaueranteile bei den Zuschauern ab 3 Jahren in %)
Abbildung II-36: Irak-Krieg: Steigende Nutzungszahlen im Internet und bei den Nachrichtensendern
Quellen: AGF/GfK-Fernsehforschung, IVW, KEK
wachsende Nutzung auf. Forsa zufolge drückt sich in diesen Nutzungszuwächsen ein gesteigertes
Informationsbedürfnis der Menschen aus, das u. a. auf herausragende Nachrichtenereignisse
zurückzuführen sei. Diese These von dem stetig zunehmenden und auch stark von Einzelereignissen forcierten Wachstum der Internetnutzung der Angebote der Nachrichtensender lässt sich
auch anhand der in der vorherigen Abbildung angeführten Page-Impressions aufstellen.
Das Marktforschungsinstitut forsa führt seit 1988 im Auftrag der SevenOne Interactive
GmbH, Unterföhring, regelmäßig Befragungen zur Untersuchung des Nutzerverhaltens durch.945
Ein Schwerpunkt dieser Untersuchungen liegt in dem Vergleich der Nutzung der unter ProSiebenSAT.1 Networld (SAT.1 online, ProSieben.de, Sport1, Liebe Sünde Online, N24 Online, Oktoberfest
Online, Kabel 1, wetter.com) zusammengefassten Online-Angebote mit RTL World. Für die
Tabelle II-92 wurde als Nutzer erfasst, wer bei der Befragung angab, innerhalb der letzten
4 Wochen mindestens eine Webseite aus dem Umfeld von z. B. ProSiebenSAT.1 Networld besucht
zu haben.
Die von forsa/SevenOne Interactive veröffentlichten Befragungsergebnisse zeigen, dass die
Online-Angebote der Fernsehsender für die Internetnutzer attraktiv sind und sehr intensiv genutzt
werden. Allerdings liegen die Besucherzahlen bei Yahoo!, der Suchmaschine Google, dem OnlineShop Ebay oder bei Lycos Netzwerk ungefähr auf demselben Niveau oder auch höher. Beachtlich
sind auch die Nutzerzahlen bei den Online-Angeboten führender Printmedien. Sie sind im Internet
als Konkurrenten der Online-Angebote von Fernsehsendern anzusehen.
Wie bei den IVW-Zahlen muss auch hierzu bemerkt werden, dass die Veröffentlichungen nur
ein begrenztes Bild liefern können. Auch diese Studien berücksichtigen nur ausgewählte Internet-
945 SevenOne Interactive zufolge werden hierzu täglich telefonisch etwa 500 Personen (ca. 10.000 Personen je Monat,
Befragte ab 14 Jahren) zu ihrem Internetnutzungsverhalten befragt; vgl. die @facts Quartalsberichte, http://www.
SevenOneInteractive.de.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
345
I. Quartal 2002
III. Quartal 2002
IV. Quartal 2002
Anteil der Internetnutzer an der aus den Befragten
ab 14 Jahren gebildeten Grundgesamtheit in Prozent
47,4
50,0
51,7
Internetnutzer in Mio.
30,4
32,1
33,2
RTL World
ProSiebenSAT.1 Networld
33,7
29,6
35,5
33,8
31,6
32,3
zum Vergleich:
Yahoo!
Lycos Netzwerk
Spiegel online
Focus online
Bild online
38,0
28,6
12,0
10,4
08,3
33,8
31,2
13,3
11,1
09,4
32,2
28,6
14,1
13,2
10,7
Nutzung von
in Prozent der Internetnutzer
Tabelle II-92: Internetnutzung von RTL World und ProSiebenSAT.1 Networld
Quellen: @facts Quartalsberichte, I., III., IV. Quartal 2002, http://www.SevenOneInteractive.de
angebote. Insbesondere heben die Ergebnisse von forsa/SevenOne Interactive hervor, dass die
Webseiten der beiden Sendergruppierungen bzw. von RTL, SAT.1 und ProSieben sowie von
Sport1.de bei der Fußballweltmeisterschaft 2002 oder von N24 und n-tv bei Nachrichtenereignissen für die Internetnutzer sehr attraktiv sind.
Auch die von der Arbeitsgemeinschaft Internet Research e. V. (AGIREV) durch Befragungen
gemessenen Reichweiten (Nutzer pro Woche) zeigen eine starke Position der Fernsehsender bei
den Internetnutzern. Auf den ersten Blick fällt sie zwar weniger deutlich aus als bei den Veröffentlichungen der IVW oder von forsa/SevenOne Interactive. Allerdings werden die verschiedenen,
zu Netzwerken zusammengefassten Webseiten der Sendergruppierungen gesondert aufgeführt.
Deshalb ist nicht sichtbar, welchen Rang die Online-Angebote der RTL Group oder von ProSiebenSAT.1 Networld erreichen würden, wenn die Nutzung zusammengefasst dargestellt werden
könnte (s. Tab. II-93).946
Bei den Nutzern im Alter von 14 bis 69 Jahren erreicht T-Online den ersten Rang. Unter den
ersten Rängen befinden sich auch die ISPs MSN (Microsoft ISP), AOL, Yahoo, Freenet, Lycos und
Web.de. Für den Konzentrationsbericht ist dies deshalb bemerkenswert, weil es sich um ISPs
handelt, die längst auch umfangreiche redaktionell gestaltete Seiten anbieten. Um solche OnlineAngebote herzustellen, kooperieren diese Internettechnologieunternehmen auch mit Medienhäusern. Dafür sind die Kooperationen von T-Online mit dem Online-Angebot bild.de des Axel
Springer Verlags, mit dem ZDF und „Auto Motorsport“ Beispiele. Insoweit sind T-Online und die
anderen ISPs im Internet Konkurrenten der traditionellen Medienhäuser, die die vorher zitierten
Veröffentlichungen kaum ausweisen. Neben den genannten ISPs realisieren auch die Webseiten
u. a. von Fireball, Netscape, GMX, Amazon.de, Google Deutschland und eBay bei den Messungen
der AGIREV höhere Reichweitenwerte als die der Print- und Fernsehunternehmen im Internet.m
Dieses damit erweiterte Bild der Internetnutzung bestätigen auch die Untersuchungen von
Nielsen/NetRatings. Auch hiernach befinden sich unter den 10 meistbesuchten Webseiten in
Deutschland keine Online-Seiten des Bereichs Entertainment bzw. der Fernsehsender. Vielmehr
weisen sie regelmäßig T-Online, Google, eBay, AOL, Microsoft (Firmen-/Softwareseite), Web.de,
MSN, Yahoo!, Lycos Network und United Internet (u. a. GMX) auf den höchsten Rangplätzen aus.947
946 Vgl. AGIREV, Online Reichweiten Monitor, ORM, 2003 I, http://www.agirev.de.
947 Nielsen/NetRatings, Nielsen/NetRatings veröffentlicht erste Internet Nutzerzahlen für Surfen am Arbeitsplatz,
02. 06. 2002.
346
Verflechtungen zwischen Fernsehen und medienrelevanten verwandten Märkten
MTV
Focus online
Bild.T-Online.de
RTL World
VIVA
pro7.de
n-tv online (RTL Group)
Spiegel online
Sport1
SAT.1 online
Kicker online
stern.de
Gute Zeiten, schlechte Zeiten (RTL World)
AOL Entertainment
sueddeutsche.de
RTL II (RTL World)
GIGA.de
WirtschaftsWoche heute
AOL Finanzen
Handelsblatt.com
Rang
Reichweite in Nutzer pro Woche
in Prozent
18
23
24
27
28
29
30
31
32
34
35
36
39
43
46
56
57
58
64
65
1,38
1,23
1,21
1,17
1,14
1,01
1,00
0,97
0,96
0,89
0,88
0,84
0,73
0,67
0,61
0,52
0,51
0,49
0,46
0,45
2,5
2,2
2,2
2,1
2,1
1,8
1,8
1,8
1,7
1,6
1,6
1,5
1,3
1,2
1,1
1,0
0,9
0,9
0,8
0,8
Bemerkenswert ist, dass sich auf den ersten Rängen für die Erhebungszeiträume im Jahr 2002 keine Webseiten von
Printunternehmen oder Fernsehsendern befinden:
T-Online
Google Deutschland
eBay
YAHOO! Deutschland
WEB.DE
AOL
freenet.de
LYCOS
AOL.de
GMX
Fireball
msn.de
OMS netto
Amazon.de
wissen.de
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
9,23
7,14
5,16
5,14
4,32
3,82
3,71
3,30
2,81
2,72
2,46
2,17
2,00
1,92
1,81
16,8
13,0
09,4
09,3
07,8
06,9
06,7
06,0
05,1
04,9
04,5
03,9
03,6
03,5
03,3
Tabelle II-93: Reichweiten der Online-Angebote von Medienunternehmen nach der AGIREV
Quelle: AGIREV, Online Reichweiten Monitor, ORM, 2003 I, Grundgesamtheit, Gesamtbevölkerung, 14 bis
69 Jahre, 55,05 Mio. Personen
Die meisten dieser Online-Angebote stellen mit wachsender Tendenz redaktionell gestaltete
Medieninhalte bereit, auf die auch bei Zugang über andere ISPs zugegriffen werden kann.
Die Bedeutung der hohen Besucherzahlen und die potenzielle Meinungsrelevanz von ISPs
bedarf der weiteren Prüfung. Der Grund dafür ist, dass ISPs ihren Zugangskunden ebenfalls die
erforderliche Internetsoftware (Browser, Zugangssoftware) verkaufen. Auch der Softwarehersteller
Microsoft liefert als Bestandteil seiner Angebote häufig zugleich die Software für das Internet
gratis mit.948 Bei der Internetsoftware der ISPs und bei Microsoft ist die jeweilige Webseite der
Firma bereits standardmäßig als Startseite eingestellt. Sie erscheint dadurch als erste Webseite,
wenn sich der Nutzer ins Internet eingewählt hat. So wird der Internetnutzer quasi automatisch
zum Besucher der vom ISP voreingestellten Webseite. Hierzu wird berichtet, dass viele Internet948 Zu der Wettbewerbsproblematik der Bündelung von Betriebssystem und Internetsoftware bei Microsoft siehe
Monopolkommission (Hrsg.), Netzwettbewerb durch Regulierung, Hauptgutachten 2000/2001, Baden-Baden
2003, S. 352, Tz. 712 f.
Konzentrationsentwicklung im privaten Rundfunk
Domain
Sektor
rtl.de (RTL World)
sat1.de (ProSiebenSAT.1 Networld)
sport1.de (ProSiebenSAT.1 Networld)
wdr.de
prosieben.de (ProSiebenSAT.1 Networld)
ard.de
zdf.de
swr3.de
mdr.de
wahreliebe.de (RTL World)
giga.de
mtv.de
br-online.de
swr.de
vox.de (RTL World)
gzsz.de (RTL World)
Fernsehen
Fernsehen
Fernsehen
Fernsehen und Hörfunk
Fernsehen
Fernsehen und Hörfunk
Fernsehen
Hörfunk
Fernsehen und Hörfunk
Fernsehen
Fernsehen
Fernsehen
Fernsehen und Hörfunk
Fernsehen und Hörfunk
Fernsehen
Fernsehen
347
Reichweite in Prozent
in Mio.
9,4
5,1
3,2
3,2
2,9
2,9
2,5
2,5
1,8
1,7
1,6
1,6
1,6
1,2
1,2
1,1
1,48
0,80
0,51
0,50
0,46
0,45
0,39
0,39
0,28
0,26
0,26
0,26
0,25
0,19
0,19
0,18
Tabelle II-94: Einzelauflistung der Online-Seiten der Fernsehsender (NetValue)
nutzer solche Voreinstellungen nicht ändern, weil sie es nicht können, oder weil es ihnen als
unnötig oder zu aufwändig erscheint. Hinzu kommt, dass die Zugangssoftware der großen ISPs
in der auf dem Markt angebotenen Computer-Hardware vielfach vorinstalliert ist.
Auch die veröffentlichten Untersuchungsergebnisse der Internetforschung von NetValue
bestätigen die Bedeutung der ISPs bei der Internetnutzung.949 Im Unterschied zu den anderen
Veröffentlichungen führt NetValue die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf. Dies zeigt, dass sich im Internet durch die Online-Auftritte sämtlicher Fernsehsender
auch eine durch die duale Rundfunkordnung beeinflusste Angebotsstruktur entwickelt. Unter
den Aspekten der Sicherung der Meinungsvielfalt ist dies hervorzuheben. Es zeigt sich eine
durchaus starke Stellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die sie mit ihren OnlineAngeboten erreichen. Allerdings werden bei solchen Darstellungen häufig unter ard.de die OnlineAngebote aller Dritten Programme zusammengefasst. Sichtbar wird auch die starke Stellung der
unter RTL Television und KirchGruppe zusammengefassten Online-Angebote. Bei einer für
Februar 2002 veröffentlichten Einzelauflistung der Online-Seiten der Fernsehsender nimmt die
Domain rtl.de den ersten Platz ein. Deutlich werden auch die beachtenswerten Reichweiten der
Dritten Programme, des ZDF, von sat1.de und des Sportangebots der ProSiebenSAT.1 Networld
im Internet, sport1.de (s. Tab. II-94).950
2.13.5
Fazit
Im Internet entwickeln sich neue publizistische Wettbewerbsstrukturen; Print- und Fernsehunternehmen sind dort Konkurrenten. Dadurch kommt es zu einer Auflockerung der Marktstrukturen
bei redaktionell gestalteten Online-Inhalten. Aber nicht nur Fernsehsender, Zeitungen oder
Verlage konkurrieren mit ihren Nachrichten- und Informationsangeboten oder unterhaltsamen
Angeboten um die Internetnutzer. Hinzu kommen als Konkurrenten Radiosender, ISPs, WebPortale, Suchmaschinen oder auch ausschließliche Anbieter von Online-Informationen oder
-Nachrichten.
949 Siehe NetValue Deutschland, Internetgemeinde in Deutschland wächst weiter, 07. 06. 2002.
950 Vgl. Fritz Raff, Online heute aus Sicht der ARD, in: Media Perspektiven 3/2002, S. 119.