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1 2015 Das Magazin für die Kunden der Schindler Aufzüge AG next floor Urbane Verdichtung Richti Wallisellen – lebendiges Wohn- und Arbeitsquartier Knapper Raum klug organisiert: Japan macht es vor Vorbildlich: Mittelalterliche Dorfkerne im Tessin Rückzugsmöglichkeiten – Therapie gegen Dichtestress Inhalt 4 ETH-Professor Kees Christiaanse: «Es hat noch genug Platz in der Schweiz» 8 Richti-Quartier in Wallisellen Urban, dicht und grosszügig 11 Gut entwickelt: Höchste Bevölkerungsdichte der Schweiz im Basler Matthäusquartier 14 Japan macht es vor – knapper Raum klug organisiert 18 Genf baut eine neue Stadt in der Stadt 21 Mittelalterliche Tessiner Dörfer: Vorbilder moderner Verdichtung 24 Rückzugsmöglichkeiten in der Stadt – die Therapie gegen Dichtestress 28 4 World Trade Center – ein neues Wahrzeichen Manhattans 31 Hotel InterContinental Davos – Bündner Tradition hinter goldener Fassade 34 next news Spezielle Projekte aus der Welt von Schindler Impressum Herausgeber Schindler Aufzüge AG, Marketing & Kommunikation, CH-6030 Ebikon Redaktion Beat Baumgartner Redaktionsadresse next floor, Zugerstrasse 13, CH-6030 Ebikon / Luzern, nextfloor @ ch.schindler.com Adressverwaltung address @ ch.schindler.com Titelbild Iwan Baan, Amsterdam Layout aformat.ch Litho click it AG Druck Multicolor Print AG Auflage 32 000 Ex. Ausgaben next floor erscheint zweimal jährlich in deutscher, französischer und italienischer Sprache Copyright Schindler Aufzüge AG, Nachdruck auf Anfrage und mit Quellenangabe www.schindler.ch Titelbild Bauen auf engstem Raum in Tokio – Architekt Ryue Nishizawa wurde für solche und ähnliche schmale Bauten mit dem renommierten Pritzker-Preis ausgezeichnet. Editorial Innere Verdichtung Liebe Leserinnen und Leser Die Schweizer Bevölkerung wächst nach wie vor, letztes Jahr um 1,2 Prozent auf 8,326 Millionen Einwohner. Sie hat sich so seit 1900 (3,3 Millionen) mehr als verdoppelt. Während in andern Industriestaaten wie etwa Japan oder Deutschland aufgrund der demografischen Entwicklung (tiefe Geburtenraten, wenig Einwanderung) die Gesamtbevölkerung stagniert oder langsam zu sinken beginnt, gehört unser Land damit immer noch zu einem der dynamischsten Staaten in Europa bezüglich Bevölkerungswachstum. Diese Entwicklung fördert einerseits den Wohlstand und sichert unsere Altersvorsorge, hat aber andererseits auch ihre Schattenseiten: Stichworte dazu sind Zersiedelung, Verkehrsprobleme, Dichtestress und so weiter. Das im Jahr 2014 in Kraft getretene revidierte Raumplanungsgesetz und die entsprechende Verordnung zielen bewusst auf einen haushälterischen Umgang mit dem Boden und verlangen, dass sich bestehende Siedlungen nach innen entwickeln, etwa durch Verdichtung, Brachen überbauung und Schliessung von Baulücken. Das Gebot der Stunde heisst «verdichtetes Bauen», diesem Hauptthema widmet sich auch die neuste Ausgabe von next floor. Eine Möglichkeit zu verdichten ist, «in die Höhe zu bauen», mehr hohe Häuser und Hochhäuser in der Schweiz zuzulassen. Dazu müssten Städte und Gemeinden ihre Bau- und Zonenpläne ändern. Die Opposition gegen solche Vorhaben, etwa in Luzern, zeigt aber, dass Hochhäuser in der Schweiz immer noch einen schweren Stand haben. Viel mehr Potenzial hat ein zweiter Weg, die Diskussion der Ausnützungsziffer. Diese ist das Verhältnis der Bruttogeschossfläche des gesamten Gebäudes zur anrechenbaren Landfläche. Die Ausnützungsziffer behindert eine sinnvolle Nutzung der Bauzonen und damit die innere Verdichtung. Sie ist ein «alter Zopf» und gehört abgeschafft. Vorschriften zu minimalen Grenz abständen und Gebäudehöhen genügen vollkommen. Oftmals können Estriche oder ein Dachstock bestehender Gebäude nicht sinnvoll umgenutzt oder ausgebaut werden, ein Wintergarten kann nicht angebaut werden, bloss weil die Ausnützungsziffer einer Baute damit überschritten würde. Allzu oft sind zudem die Regeln, wie diese Zahl genau zu berechnen ist, was dazu zuzählen ist und was nicht, zu unübersichtlich und kompliziert. Baulicher Wildwuchs entstünde durch die Abschaffung der Ausnützungsziffer nicht. Bestehende Bauvorschriften wie zum Beispiel verbindliche Gestaltungspläne, genügen, um solchen Fehlentwicklungen den Riegel zu schieben. Rainer Roten CEO Schindler Schweiz next floor 3 Verdichtet bauen «Es hat noch genug Platz in der Schweiz» Obwohl auch in der Schweiz vermehrt verdichtet ebaut wird, gibt es laut Professor Kees Christiaanse g bei uns noch keinen Dichtestress. Das Bild oben zeigt die Seniorenresidenz SüdPark in Basel, jenes unten das moderne Luzerner Wohnquartier Tribschenstadt. 4 Am gleichen Ort leben und arbeiten: Die dynamischer werdende Gesellschaft lebt deshalb künftig häufiger in urbanen Gebieten. Im Bild das neue Geschäfts- und Wohnquartier Europaallee beim Zürcher Bahnhof. Der ETH-Professor Kees Christiaanse beschäftigt sich mit weltweiten Urbanisierungsprozessen. Er stellt auch in der Schweiz eine Renaissance der Städte fest. Viel Potenzial sieht er in der Umnutzung von Industriebrachen und veralteten Siedlungen. TEXT DAVID EPPENBERGER BILD MANUEL RICKENBACHER D as Schweizer Unwort des Jahres 2014 hiess «Dichtestress»: Einverstanden? Kees Christiaanse: Für mich ist diese Diskussion ein Klagen auf extrem hohem Niveau. Wenn man sich andere Standorte in der Welt anschaut, relativiert sich der Begriff von selbst. In der Schweiz gibt es keinen Dichtestress! Viele Leute beklagen sich aber trotzdem über den fortschreitenden Kulturlandverlust und das zubetonierte Mittelland. Finden Sie das alles halb so schlimm? Das Mittelland bietet eine sehr grosse Lebensqualität. Die Schweiz ist prozentual gering besiedelt, weil in über 1500 Metern Höhe kaum mehr jemand wohnt. Selbst im Mittelland gibt es noch viele grüne Flächen. Die Ballungsgebiete liegen vor allem in Agglomerationen um Zürich, Lausanne oder Genf. Und selbst in Zürich sieht man von überall her irgendwo einen bewaldeten Hügel, den man innerhalb von 15 Minuten erreicht. Zum Vergleich: In Holland leben im Viereck zwischen Amsterdam, Utrecht, Rotterdam und Den Haag gleich viele Leute wie im Schweizer Mittelland, die Fläche ist aber halb so gross. Weshalb ist die Schweiz weniger dicht bebaut als Holland? In der Schweiz gibt es eine Vielzahl von rechtlichen Instrumenten, welche die Siedlungsentwicklung steuern. Agrarland darf beispielsweise nicht einfach in Bauland umgewandelt werden, und der Wald ist heilig. Richtpläne regeln, wo was gebaut werden darf. In der Schweiz ist der Konkurrenzkampf zwischen den Gemeinden deshalb eingeschränkt. In anderen Ländern ist das anders, dort zählen mehr ökonomische Argumente. Die künftige Entwicklung der Siedlungen in der Schweiz hängt stark von der Anwendung dieser raumplane rischen Instrumente ab. Ein- und Zweifamilienhäuser besetzen in der Schweiz 70 Prozent der Wohnfläche. Auch hier könnten Häuser aufgestockt werden. Weshalb ist in diesen Zonen verdichtetes Bauen kaum ein Thema? Der Mensch will ein eigenes Grundstück und möglichst wenig mit dem Nachbarn zu tun haben. Das ist ein Urinstinkt. Und so lange das in der Schweiz möglich ist, wird es Einfamilienhäuser geben. Der gut ausgebaute öffentliche Verkehr begünstigt die Zersiedelung zusätzlich. Diese tritt deshalb vor allem um Bahnhöfe in Kleinstädten und Dörfern auf. Die Zersiedelung hält sich aber in der Schweiz eigentlich in Grenzen und führte bisher nicht zu riesigen Grosswohnsiedlungen wie beispielsweise in Rotterdam oder Berlin. Die Bevölkerung nimmt in der Schweiz zu. Sollen diese Leute in Grosswohnsiedlungen wohnen, wie in Zürich Affoltern? Es gibt eine städtebauliche Alternative, die von der Anzahl Einwohner her vergleichbar ist mit Grosswohnsiedlungen, aber eine bessere Lebensumgebung schafft. Die Entwicklung geht mehr in Richtung Kombination von urbanen Stadtblöcken, in denen sowohl Wohnungen als auch beispielsweise Reihenhäuser vorkommen. Monofunktionale Siedlungen wie in Zürich Affoltern sind ja eigentlich nicht dicht gebaut und passen vor allem nicht zur stattfindenden Renaissance der Städte. Wie sieht diese Renaissance der Städte aus? Es handelt sich hier vor allem um eine sozialökonomische Entwicklung. Eine immer dynamischer werdende Gesellschaft besteht c next floor 5 Verdichtet bauen Kees Christiaanse Wohnen in der Stadt wird wieder attraktiver, weil die Einrichtungen des täglichen Bedarfs zu Fuss erreichbar sind. Das zeigt auch das Beispiel der Europaallee. aus viel mehr Singles oder Senioren, und die traditionelle Familie verliert an Bedeutung. Die Wirtschaftseinheiten werden kleiner, es gibt immer mehr Ich-AGs. Haushalte bestehen aus mehreren Leuten, die alle arbeiten. Der Bedarf an Kinderkrippen und anderen Einrichtungen des täglichen Bedarfs steigt deshalb. Die Bewohner wollen alles in Gehdistanz erreichen können. Das ist der Grund, weshalb die urbane Kultur eine Renaissance erlebt. 1989 gründete Kees Christiaanse in Rotterdam sein eigenes Architekturund Planungsbüro. Er spezialisierte sich auf die Erstellung von Master plänen für die Wiederbelebung von ehemaligen Industrieund Hafengebieten und von Flughäfen. Seit 2003 ist der gebürtige Holländer Professor für Architektur und Städtebau an der ETH Zürich. Er beschäftigt sich dort insbesondere mit den Herausforderungen eines nachhaltigen Städtebaus. c Wo sollen solche urbanen Quartiere entstehen? Wir führten Untersuchungen in den Kleinstädten Aarau, Olten und Grenchen durch. Dort gibt es noch sehr viele Flächen in der Bauzone und in ehemaligen Industriegebieten, die verdichtet bebaut werden könnten. Der Bund könnte heute sogar ein totales Bauverbot auf nicht bebautem Land erlassen. Die Nutzung von vorhandenen Flächen mit Industriebrachen und beispielsweise veralteten Sied lungen aus den 50er-Jahren würde problemlos ausreichen, um genug Wohnraum für die zukünftigen Einwohner zu schaffen. Ich glaube allerdings nicht, dass der Schweiz eine wirklich grosse Einwanderungswelle bevorsteht. Braucht es mehr Hochhäuser? Nein, es braucht nicht mehr Hochhäuser. Es bestehen viel mehr Kapazitäten auf den bestehenden Flächen, als man denkt. Es hat noch genug Platz in der Schweiz. Wichtig ist es, kompakte Stadtteile präzis zu entwerfen. Dann wird man sehen, dass der Hochhaus- Aspekt gar nicht so wichtig ist. Aber natürlich habe ich nichts dagegen, wenn ab und zu irgendwo ein Hochhaus steht. Doch offenbar besteht in der Schweiz – mit Ausnahme vielleicht in der Agglo meration Zürich – wenig Bedarf an Hochhäusern. 6 Mit der Zunahme von Kleinhaushalten steigt die in der Schweiz im internationalen Vergleich hohe durchschnittliche Wohn raumfläche pro Person noch mehr an. Nach einem exponentiellen Wachstum der bewohnten Quadrat meter pro Person dürfte der Sättigungspunkt allmählich erreicht sein. Aber ein bisschenLuxus ist ja keine Sünde. Wir sind letztlich auf der Welt, um ein angenehmes Leben zu führen. Eine grosse Wohnung ist kein Problem, solange diese energietechnisch umweltverträglich funktioniert. Und das wird künftig kein Problem sein, weil Nullenergiehäuser Standard sein werden. Das heisst, jedes Haus wird seinen Energiebedarf selbst decken. Wenn urbane und landwirtschaftliche Nutzungs- und Siedlungsformen nebeneinander vorkommen oder gar verschmelzen, spricht man in der Stadtgeografie von Desakota. Der Begriff kommt aus dem asiatischen Raum. Ist die Schweiz ein Desakota? Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt tatsächlich nicht in Städten, sondern in solchen besiedelten Landschaften. Sie sind ein zukünftiges Urbanisierungsmodell. Das Mittelland in der Schweiz ist eine schöne Variante von einem Desakota. Ganz Westeuropa ist ein optimales Beispiel für eine nachhaltige Lebensumgebung. Mit einer guten technischen Infrastruktur, in der die Versorgung mit Energie und Nahrungsmitteln sowie die Entsorgung von Abfällen funktioniert. Man hat eine gute Mobilität zwischen den Städten. Trotz dem Gemecker über eine Krise funktioniert Europa besser als andere Teile der Welt. n Um den Bedarf von neuem Wohnraum zu decken, braucht es nicht unbedingt mehr Hochhäuser. Die Zukunft gehört kompakten eigenständigen Stadtteilen. Das Bild oben zeigt die verdichtete Tribschenstadt in Luzern, jenes unten die Basler Überbauung SüdPark. next floor 7 Verdichtet bauen TEXT ULRIKE NICHOLSON BILD JULIEN VONIER D as Glattal im Norden Zürichs gehört zu den am dynamischsten wachsenden Regionen der Schweiz. Um das Bevölkerungswachstum räumlich zu lenken, wurden im kantonalen Richtplan entsprechende Strategien festgelegt. Die Verdichtung bestehender Siedlungsgebiete wird darin ebenso vorgegeben wie das Fördern ausreichender Durchgrünung und sozialräumlicher Durchmischung. Ein gutes Beispiel dafür ist das mitten im boomenden Glattal liegende Richti-Areal in Wallisellen. Nachdem das Industrieareal zwischen Bahnhof Wallisellen und Einkaufszentrum Glatt rund 20 Jahre lang brach gelegen hatte, wurde das darin verborgene Potenzial erkannt. Da es sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln – S-Bahn, Bus und Glattalbahn – als auch für den motorisierten Individualverkehr hervorragend erschlossen ist, bot es sich für die Umnutzung zu einem neuen Stadtquartier mit Wohnungen, Büros und Gewerbe an. 2010 begannen die Bauarbeiten auf dem 72 000 Quadratmeter grossen Areal. Ab Sommer 2013 konnte die Überbauung etappenweise fertiggestellt werden. Von der Brache zum lebendigen Quartier Um die Industriebrache Richti-Areal in ein lebendiges Wohn- und Arbeitsquartier zu verwandeln, bebaute man sie dicht – mit grossen Blockrandhäusern und einem Turm. Die von sechs Architekturbüros entworfene Überbauung macht deutlich, wie wichtig neben architektonischer Vielfalt und urbanem Flair die Qualität der Zwischenräume ist. Öffentliche Räume als Kompensation Heute bietet das Richti-Quartier Wohnungen für 1200 Bewohner und Büroraum für über 3500 Arbeitsplätze in sechs sechsgeschos sigen Blockrandbauten und einem Bürohochhaus. Inzwischen ist nahezu alles verkauft und vermietet. «Von den insgesamt 488 Wohnungen sind noch eine Mietwohnung und fünf Eigentumswohnungen zu haben», sagt Matthias Meier, Kommunikationsleiter von Allreal. Die Immobilienfirma aus Zürich entwickelte und realisierte das Quartier als Totalunternehmerin. Der Architekt und Städtebauer Vittorio Magnago Lampugnani, Professor an der ETH Zürich und Leiter des «Studio di Architettura» in Mailand, zeichnete für den Masterplan verantwortlich. Nach seinem Leitbild entstand ein Gegenentwurf zu den flächenverschlingenden Einfamilienhausteppichen und mono tonen Bürokomplexen, die man üblicherweise in der Agglomeration vorfindet. Auf dem Richti-Areal wurde ein Stück Stadt realisiert – mit dichter Blockrandbebauung, klar definierten Strassen, einer Allee, Arkaden, begrünten Höfen und einem zentralen Platz. Vittorio Magnago Lampugnanis Konzept zeigt, wie man verdichtet bauen und zugleich attraktive Zwischenräume schaffen kann. «Um die Dichte zu kompensieren, braucht es öffentliche Räume, die den Menschen 8 Strassen, Gassen, Innenhöfe und ein Platz im Herzen des Richti-Quartiers sorgen dafür, dass trotz der hohen Dichte Atmosphäre entsteht. Facts & Figures Bauzeit März 2010 bis Sommer 2013 m2 Investor Allreal-Gruppe Projektentwickler Allreal Generalunternehmung AG, Zürich RichtprojektProf. Vittorio Magnago Lampugnani, Zürich / Mailand Architektur Wiel Arets Architects, Maastricht / Amsterdam / Zürich Totalunternehmer Allreal Generalunternehmung AG, Zürich Nutzfläche 40 680 Aufenthaltsqualität, Bewegungsraum, Begegnungsorte und Identifikationsmöglichkeiten bieten», erläutert Städtebauer Vittorio Magnago Lampugnani, dem die typischen Strukturen einer dichten und durchmischten europäischen Stadt als Vorbild dienten. Gemeint sind damit nicht nur die mit Kinderspielplätzen, Sitzgruppen und Spazierwegen ausgestatteten Innenhöfe, sondern auch der öffentliche Platz im Zentrum des Quartiers und die von italienischer StädtebauKultur inspirierte «Richti-Arkade», die der Länge nach durch das gesamte Areal führt und von Arkaden geschützt Platz für Läden und Cafés bietet. Viele Architekten schaffen Vielfalt Aufzüge 15 Personenaufzüge Schindler 5400 Eurolift: Blockrand, Baufeld 1 6 Duplex- und 3 Simplexanlagen Turm, Baufeld 7 6 Personenaufzüge Schindler 5400 1 Feuerwehraufzug Schindler 2600 Cust Baufeld 6 11 Personenaufzüge Schindler 5500 2 Schindler 2600 www.richti.ch Um im neuen Quartier gut durchmischte Nutzungsangebote und architektonische Vielfalt zu schaffen, wurden sechs unterschiedliche Architekturbüros engagiert: Vittorio Magnago Lampugnani hat nicht nur den Masterplan entwickelt, sondern auch einen der sechs Blockrandbauten entworfen. Die Architekturbüros SAM, Max Dudler, Joos & Mathys und Diener & Diener haben jeweils einem weiteren Bau die architektonische Gestalt verliehen. Die Entwürfe für den knapp 70 Meter hohen Büroturm von Allianz Suisse und den dazugehörenden Blockrandbau stammen vom niederländischen Architekturbüro Wiel Arets. Durch den Bau des Turms – ein Bautyp, der wie der Blockrand für das verdichtete Bauen wesentlich ist – gelang es, im nördlichen Teil des Baufelds 7 die für den Richtiplatz benötigte freie Fläche zu bekommen. c next floor 9 Verdichtet bauen Das neue Richti-Quartier belebt eine ehemalige Industriebrache zwischen Bahngleisen, Glattalbahn und Autobahnzubringer. c Da die Allianz Suisse Hauptmieterin der beiden Gebäudeblocks ist, war ein abgestimmtes Aussenbild erwünscht. Die Glasfassade aus Kastenfensterelementen – mit einem Foto der Marmorwand des Barcelona-Pavillons des Architekten Mies van der Rohe aus dem Jahr 1929 bedruckt – überzieht darum den gesamten Komplex. Um auch die Nutzflächen im Innern der zwei Bauten miteinander zu verknüpfen, war ein entsprechendes Erschliessungskonzept gefragt. Wiel Arets Architects entwickelten eine Idee, bei der sie sowohl Effizienz und Sicherheit als auch das räumliche Erlebnis berücksichtigten. Dazu gehören Passerellen zwischen Blockrandbau und Hochhaus, aber auch eine vielseitige vertikale Erschliessung im Turm selbst. Über eine skulpturale offene Treppenanlage gelangt man beispielsweise vom Foyer durch verschiedene, mehr geschossige Lufträume auf die einzelnen Ebenen. Für eine schnellere Verbindung sorgen sechs Personenaufzüge und ein Feuerwehrlift. Fährt man bis ganz nach oben, ins 17. Stockwerk des Gebäudes, wird man dort mit einer freien Sicht über das komplette Richti-Areal belohnt. Aus dieser Perspektive lassen sich die städtebaulichen Besonderheiten des Quartiers gut erkennen. Denn während die Bauarbeiten auf der ehemaligen Industriebrache inzwischen abgeschlossen sind, wird andernorts im Glattal weitergebaut. Und die urbane und dichte Bauweise, durch die auf dem Richti-Areal ein selbstverständlich wirkendes Stück Stadt entstehen konnte, scheint die Ausnahme zu bleiben. n 10 Die Klybeckstrasse, eine der Hauptachsen des Matthäusquartiers. Verdichtung ist hier kein Modewort, sondern einfach eine Tatsache. Und dies schon seit 100 Jahren. Im Basler Matthäusquartier leben und arbeiten die Menschen eng nebeneinander, viele davon Ausländer. Lange Zeit galt der Stadtteil im unteren Kleinbasel als Ort ohne Qualitäten. Doch aus dem hässlichen Entlein wurde über die Jahrzehnte ein attraktiver Stadtteil, ja sogar ein Trendquartier. Aus dem hässlichen Entlein wurde ein attraktiver Stadtteil Blick auf den Unteren Rheinweg vom Personenschiff-Anlegeplatz am Rhein aus gesehen. TEXT KATRIN AMBÜHL BILD JULIEN VONIER O rozlan, Kotopoulis, Chebbah, Useini oder Kofmel. Die Namensschilder an den Wohnhäusern zeigen hier ein Stück Schweiz, das einem globalen Dorf gleicht. Der Eindruck wird auf dem Quartier rundgang bestätigt. Dönerbuden, indische Restaurants und albanische Reinigungsunternehmen säumen die Feldberg- und die Klybeck strasse, die zwei Hauptachsen des Stadtteils. Die Lokale liegen Tür an Tür mit Trendbeizen und kleinen Designläden. «Das Matthäusquartier ist besonders bei der jüngeren Bevölkerung beliebt, die das lebendige, multikulturelle Quartierleben schätzt», sagt Roland Frank, Leiter Fachstelle Stadtteilentwicklung. «Auch Schweizer Familien ziehen wieder öfters ins Quartier», ergänzt er. Das war nicht immer so, denn während Jahrzehnten galt der Stadt- teil als Problemviertel. «Das Matthäusquartier ist das am dichtesten besiedelte Quartier in Basel und weist mit 51,2 Prozent einen hohen Ausländeranteil auf», sagt Roland Frank, der auch stellvertretender Leiter der Kantons- und Stadtentwicklung Basel ist. Der Grund für diese starke Verdichtung ist einfach: Das Matthäusquartier wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Arbeiterviertel gebaut. Damals etablierte sich die chemische Industrie in Basel zu einem wichtigen Unternehmenszweig. Man brauchte Fabrikarbeiter für die Produktion von Farben und später Medikamenten. «Die Bebauung in der Gründerzeit schritt zügig voran. Das führte zu einem ein heitlichen Erscheinungsbild», erklärt Roland Frank. Neben Wohn häusern gab es auch Ladenlokale, Ateliers und Werkstätten, wo c next floor 11 Verdichtet bauen Sargmacher, Schreiner oder Schneider arbeiteten. «Der Charakter eines Wohn- und Gewerbeviertels blieb bis heute erhalten», sagt der Stadtentwickler. Das einheitliche Erscheinungsbild begann jedoch ab den 60er-Jahren zu bröckeln, was heute deutlich zu sehen ist. Wie Fremdkörper sind mancherorts Betonklötze aus den 70er-Jahren zwischen alte Backsteinhäuser gequetscht worden. Doch es hätte noch viel schlimmer werden können, wenn nicht eine aktive Gruppe Bewohner mit Herzblut für ihr Viertel eingestanden wären. Ein Pionier der ersten Stunde ist der Architekt Ruedi Bachmann. Seine Schaltzentrale war und ist die Bärenfelserstrasse, die mitten im Matthäusquartier parallel zum Rhein und zur Klybeckstrasse verläuft. Eine ruhige, üppig begrünte, ja beinahe idyllische Wohnstrasse. Die Menschen grüssen, die meisten kennen sich. Die Bärenfelserstrasse ist das Herz der Bewohnerbewegung, die in den 60erJahren begann. Damals zog Ruedi Bachmann als Student mit Gleichgesinnten hierher. Es gab hier günstigen Wohnraum, denn viele Gastarbeiter aus Italien oder Spanien hatten wegen der Ölkrise ihre Arbeit verloren und mussten in ihre Heimatländer zurückkehren. Und mit den Studenten kam auch der Widerstand. «Es war ein Un-Quartier», sagt Bachmann und schätzt, dass in den 70er-Jahren etwa 50 Prozent der Häuser abgerissen und mit Wohnblöcken ersetzt wurden. Er und seine Gesinnungsgenossen begannen sich zu wehren. «Wir sind da, wir bleiben da, wir nehmen teil», fasst der Aktivist den damaligen Geist in Worte. c Studenten wurden Hausbesitzer Die Aktivisten um Ruedi Bachmann fanden ein Mittel, wie sie den Zerfall des Viertels und die Bodenspekulation stoppen oder zumindest mildern konnten: kollektiver Hauskauf. Sie gründeten eine Genossenschaft und eine Pensionskassenstiftung, mit denen sie Liegenschaften erwerben konnten. «Die Studenten wurden Haus besitzer, das war entscheidend, um Einfluss nehmen zu können», sagt Ruedi Bachmann. Dank der Einrichtungen kauften die kämpferischen Bärenfelsler, wie sie sich nannten, immer mehr Liegenschaften in ihrer Strasse. In den 80er-Jahren kämpften sie zudem gegen den Abriss einer Jugendstilfabrik, wo einst Heizkörper und später Araldit produziert worden waren. Nach einer über 30-jährigen Zwischennutzung wurde die Fabrik schliesslich umgebaut und ist heute ein gemischter, lebendiger Wohn- und Atelierkomplex. Diese Privatinitiativen wurden ergänzt mit zahlreichen städtischen Massnahmen. Eine davon war das Projekt einer Wohnstrasse, die eigentlich für die Oetlingerstrasse geplant war. Doch wegen des Widerstands der Anwohner wurde es schliesslich 1977 in der quer dazu verlaufenden Bärenfelserstrasse realisiert. «Es war die erste Wohnstrasse der Schweiz», sagt Ruedi Bachmann. Nicht nur schön, sondern auch lebendig Die Bärenfelsler wollten aber nicht nur ein schönes, sondern auch ein lebendiges Quartier. Deshalb organisierten sie ab 1978 regelmässige Strassenfeste mit Flohmarkt, Spiel- und natürlich Essständen, an denen Speisen aus aller Welt angepriesen wurden. «Durch diese Aktivitäten wurden die ausländischen Bewohner des Matthäusquartiers integriert», blickt Ruedi Bachmann zurück. Und werden es noch immer, denn die Tradition des Strassenfestes wird bis heute gepflegt. Ein zentrales Projekt für die Aufwertung des Matthäusquartiers war der Bau der Nordtangente. In den 70er-Jahren gab es Pläne für eine Stadtautobahn, die ursprünglich oberirdisch durch das Matthäus- 12 quartier hätte verlaufen sollen und so noch mehr Verkehr und weniger Lebensqualität zur Folge gehabt hätte. Doch nach langen politischen Diskussionen und dem entschlossenen Kampf der Anwohner wurde die Nordtangente zwischen 1994 und 2000 im Matthäusquartier unterirdisch gebaut. Sie führt durch die Horburgstrasse am nördlichen Rand des Viertels direkt vorbei an der Dreirosenanlage. Diese Grünfläche wurde nach Abschluss der Bauarbeiten an der Stadtautobahn neugestaltet mit Park und Spielbereich. «Wir hatten einen langen Atem», sagt Ruedi Bachmann, der noch heute bei der Quartierkontaktstelle engagiert ist und auch ab und zu für die Quartierzeitschrift Mozaik schreibt. «Mladi mali bazel, junges Kleinbasel», steht dort auf dem Titelbild, und beim Durchblättern finden sich Artikel in Türkisch, Albanisch, Englisch oder Arabisch. Sprachen, die man oft auch auf dem Matthäuskirchplatz hört. «Der Platz ist ein Begegnungsort», sagt Coosje Barink. Sie ist seit 20 Jahren Pfarrerin in der Matthäuskirche, dem Ruhepol im Herzen des Quartiers. «Auf dem Platz treffen sich tagsüber viele Frauen aus der Türkei, Serbien, Kosovo und der Schweiz, sie stricken, häkeln und plaudern, während ihre Kinder auf dem Spielplatz spielen.» Vor einigen Jahren wurde die Kirche renoviert und der Kirchplatz mit einem grosszügigen Spielplatz und grünen Inseln aufgewertet. «Für mich sind Kirche und Platz Teil meines täglichen Lebens», sagt die Pfarrerin. «Deshalb möchte ich auch nach meiner Pensionierung im Sommer hier bleiben.» Wegen Menschen wie ihr, Ruedi Bachmann und vielen anderen, die bleiben und sich einsetzen, ist das Matthäusquartier das, was es heute ist: dicht, lebendig und lebenswert. n Bevölkerungsdichte Genf Basel Zürich Lausanne Bern Winterthur Impressionen aus dem Matthäusquartier, dem mit 27 510 Bewohnern pro Quadratkilometer am dichtesten bevölkerten Gebiet der Schweiz. Oben: Ecke Bläsiring / Unterer Rheinweg. Links: Ruedi Bachmann vor der Bärenfelserstrasse 28. Unten: Wohnüberbauung am Unteren Rheinweg. Rechts mitte unten: Dreirosen-Freizeithalle. Rechts unten: Trotz Verdichtung gibt es wertvolle Hinterhöfe. 11 721 / km² 7 301 / km² 4 046 / km² 2 846 / km² 2 484 / km² 1 470 / km² Die vermutlich höchste jemals erreichte Bevölkerungsdichte der Welt wies die Kowloon Walled City auf, ein Stadtteil in Hongkong, der 1993 abgerissen wurde. Hier lebten 33 000 Bewohner auf nur 0,026 km², was einer Weltrekord-Bevölkerungsdichte von 1 300 000 Einwohnern/km² entspräche. In Europa besitzt Paris mit 21 289 Einwohnern/km² eine sehr hohe Bevölkerungsdichte; das 11. Arrondissement (Popincourt) hat die höchste Dichte von Paris mit 41 744 Einwohnern/km². Der dichtestbesiedelte Stadtteil Europas befindet sich in der spanischen Stadt L’Hospitalet de Llobregat, wo im Stadtteil Florida etwa 77 000 Menschen auf einem Quadratkilometer leben. http://de.wikipedia.org/wiki/Bevölkerungsdichte next floor 13 Japanische Architektur Hiroyuki Shinozaki Architects / Bild: Hiroyasu Sakaguchi Fuse-Atelier / Bild: Shigeru Fuse Sou Fujimoto Architects / Bild: Iwan Baan NAF Architect / Bild: Toshiyuki Yano 14 Nirgendwo auf der Welt sind Architekten so kreativ wie in Japan. Mit einer scheinbar unendlichen Vielfalt von Formen gelingen ihnen immer neue, interessante Raumschöpfungen. SANAA / Bild: Iwan Baan Das typische Schweizer Einfamilienhaus sieht aus, als käme es direkt vom Fliessband. Japanische Architekten sind da mutiger. Dank hoher Steuern, Überbevölkerung und schlechter Lichtverhältnisse erschaffen sie selbst auf 25 Quadratmetern kleine Wohnparadiese. Und zwar für relativ wenig Geld. Japan macht es vor – die kluge Organisation des knappen Raumes TEXT CHRISTIAN TRÖSTER W enn man Schweizer Kinder ein Haus zeichnen lässt, kommt in der Regel ein Viereck mit spitzem Dach dabei heraus – eine Wahl, für die vermutlich die Märchenhäuschen der Gebrüder Grimm sowie die Einfamilienhaus-Tristesse mancher Siedlungen ver antwortlich sein dürften. Das typische Spitzdach-Viereck-Haus scheint so tief in der Schweizer Psyche verwurzelt, dass selbst Architekten wie Kinder entwerfen und Bauämter die Fantasie an der Regenrinne abriegeln, indem sie Satteldächer vorschreiben. Denn wie soll man es sich sonst erklären, dass in manchen Siedlungen schon Formen der klassischen Moderne – so wie sie das Bauhaus ent wickelt hat – als zu gewagt gelten? Obwohl doch diese Moderne bereits 100 Jahre alt ist? Japan macht es vor Wie innovativ man heute bauen kann, ist dagegen am anderen Ende der Welt zu besichtigen, in Japan. Dort entstehen seit einigen Jahren architektonische Meister werke, wie sie hierzulande kaum vorstellbar scheinen. Zum Beispiel Häuser, die auf winzigen Grundstücken enorm viel Wohnraum herbeizaubern und die dennoch oft so schmal sind, dass sie «Unagi-no-nedoko» genannt werden – Aalbetten. Andere sind verwinkelt und verschachtelt, mit geschwungenen Wänden oder aufgetürmt zu alpin anmutenden Schrägen. Die Verwegenheit der Entwürfe geht so weit, dass die Architekten sogar mehrere Satteldachhäuser übereinanderstapeln. Auf diese Weise entsteht seltsam ver- schachtelter Wohnraum – und ganz nebenbei ein ironischer Kommentar zum Thema antiquierte Bauformen und städtische Verdichtung. Doch das Bewundernswerte an den japanischen Häusern ist nicht allein die formale Fantasie oder der Wille zur Spielerei, sondern die oft kluge Organisation des Raumes. Da werden Zimmer gestapelt und verschachtelt, auch spitze Winkel ausgenutzt und überraschende Verbindungen hergestellt. Oder gleich ein völlig neuer Typus entwickelt: Das unter Fachleuten berühmte Moriyama-Haus in Tokio nimmt das Haus auseinander und verteilt die Zimmer einzeln auf dem Grundstück. Die Wohnung wird auf diese Weise zu einer Miniaturstadt mit Wegen und Plätzen. Architekt Ryue Nishizawa, der auch das schmale Haus auf dem Titelbild dieser Ausgabe entwarf, wurde für solche Werke 2010 mit dem Pritzker-Preis ausge zeichnet, dem weltweit wichtigsten Architekturpreis. Die Gründe für den Erfindergeist der Architekten sind vielfältig und oft der Not geschuldet – vor allem der Raumnot. Japan ist eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt. Das Land ist bergig, der Raum für die 127 Millionen Einwohner entsprechend limitiert. In der Metropolregion Tokio mit ihren 36 Millionen Einwohnern leben pro Quadratkilometer 14 000 Menschen – in Zürich sind es 4000, in Lausanne gar nur 2800. Als weiterer Faktor treten die hohen Erbschaftssteuern hinzu. Die nachfolgende Generation ist oft gezwungen, grössere Teile des elterlichen Grundstücks zu c next floor 15 Japanische Architektur verkaufen, um kleinere halten zu können. Deshalb werden die Bauflächen geteilt und noch einmal geteilt, bis manchmal nur noch 50 Quadratmeter mit teils seltsamen Zuschnitten übrig bleiben: T-Formen, superschmale Streifen, Trapeze. c Strengste Bauvorschriften der Welt Als wäre so eine Ausgangslage nicht Herausforderung genug, dürfen die Areale oft nur zur Hälfte bebaut werden – eine Übung, die den Architekten artistisches Können abverlangt. Welcher Schweizer Bauherr musste je auf 25 Quadratmetern ein Einfamilienhaus errichten? «Die Japaner arbeiten unter extremen Bedingungen», beschreibt die Architekturexpertin Cathelijne Nuijsink die Lage. In ihrem Buch «How to Make a Japanese House» stellt sie 21 Architekten mit ihren Bauten vor – und spricht mit grösstem Respekt über die Bauherren: «Sie müssen sich mit den strengsten Vorschriften der Welt auseinandersetzen, wozu regelmässig auch noch die Erdbebensicherheit und ein vorgeschriebener Seitenabstand von 50 Zentimetern zum Nachbargrundstück gehören.» Ein Minimum an Tageslicht sowie Rücksicht auf die Sichtbeziehungen der Nachbarn sind ebenfalls verpflichtend. Keinerlei Beschränkungen gibt es dagegen bezüglich der Ästhetik. Anders als in Europa existieren keine Vorschriften zur Erhaltung lokaler oder historischer Charakteristika im Stadtbild. Entsprechend haben Anwohner keine Möglichkeit, gegen architektonische Extravaganzen ihrer Nachbarn Widerspruch einzulegen, solange ihre Häuser den Vorschriften entsprechen. Bauen mit bescheidenen Budgets Haus I in Tokio wurde von Asai Architects so geplant, dass die Räume im Erdgeschoss leicht von der Strasse abgewandt sind. Zur Diskretion tragen auch extra gepflanzte Bäume bei. Gute Aussicht für die Bewohner, eine vierköpfige Familie, gibt es dafür auf der Dachterrasse. Asai Architects / Bild: Taisuke Ogawa 16 Die Baubudgets in Japan sind – gemessen an den schwierigen Verhältnissen – oft überraschend klein. Der Durchschnittspreis der Häuser beträgt nur 190 000 Schweizer Franken und liegt deutlich unter dem Preis der oft unregelmässig geschnittenen Grundstücke. Architekten und Bauherren aber, so Nuijsink, «tun alles, um ein vermeintlich unbewohnbares Stück Land in einen komfortablen Lebensraum zu verwandeln.» Auf einen anderen Aspekt des Formenreichtums verweist der australische Architekt Alistair Townsend, der in Tokio arbeitet. Japanische Häuser, analysiert er, hätten nur eine geringe Lebensdauer. Und das hat Auswirkungen auf das Design. Im Westen denken viele beim Bau auch an einen Wiederverkauf und bleiben bei ihren Entscheidungen im Mainstream. «Kecke Design-Ideen», so Townsend, «erweisen sich da als Investmentrisiko.» In Japan dagegen, wo totaler Wertverlust meist schon nach 15 Jahren eintritt, müssen sich die Bauherren keine Gedanken über einen späteren Käufer machen – es wird ihn nicht geben. Das führt zwar nach Townsends Analyse im Regelfall zu einer negativen Wertentwicklung jeder privaten Immobilie. Auf der anderen Seite können die Häuser exakt auf die Bedürfnisse und den Geschmack des Bauherrn zugeschnitten werden. 87 Prozent aller neu erworbenen Häuser in Japan sind Erstbezug, also Neubauten, gegenüber einer Quote von 11 bis 34 Prozent in westlichen Ländern. Als Grund für die geringe Wertschätzung von Altbauten nennt Townsend vor allem die häufigen Erdbeben. Durch sie, historisch betrachtet durchaus realistisch, wurden Gebäude im Land der aufgehenden Sonne als etwas wenig Beständiges angesehen und so konstruiert, dass sie schnell und billig wieder aufgebaut werden konnten. Vor diesem Hintergrund entstehen heute die viel bewunderten Entwürfe. Häuser mit offenen Räumen und steilen Leitern, mit freien Ebenen ohne Geländersicherung und Lichtsituationen, die nicht ohne weiteres zu entschlüsseln sind. Es gibt gläserne Fussböden, offene Fenster als Verbindung zwischen zwei Räumen oder halbhohe, offene Räume, bei denen der Fussboden des oberen Raumes zugleich als Tisch für den darunterliegenden dient. Verschiedentlich werden Räume in der Tradition der japanischen Papierschiebetüren mit lichtdurchlässigen Kunststoffpaneelen oder mit Vorhängen abgeteilt. Verblüffend auch die Idee, Schlafzimmer und Küche in einem Raum unterzubringen. Neue Möglichkeiten gemeinschaftlichen Wohnens Die oft bemerkenswerten Konstruktionen ermöglichen auch neue Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Wohnens. Das zeigt insbesondere das MoriyamaHaus, das schon heute als Paradebau der japanischen Supermoderne gilt. Die Aufgliederung in einzelne Baukörper verwandelt nicht nur Flure in Gassen und Dielen in Plätze. Die zehn weissen Kuben, die gemeinsam ein Haus bilden, organisieren auch das menschliche Zusammenleben anders als gewohnt. Wenn ein Haus kein zentral organisiertes Gebilde mehr ist, sondern eine Art verdichtetes Gehöft, dann können die Bewohner Nähe und Distanz, Gemeinschaft und Individualität ganz anders aushandeln als in drei Zimmern mit Küche, Bad und Carport; ein flexibleres Modell für nicht-familiäre Wahl-Wohngemeinschaften ist kaum denkbar. Doch so vorbildhaft die neue japanische Architektur auch daherkommt: Grund zur kulturpessimistischen Selbstgeisselung in Europa liefert der Vergleich nur bedingt. Auch in Japan bleiben die kreativen Schöpfungen eine Ausnahme an der Spitze. Das dort meistverkaufte Fertighaus heisst xevoE. Der Hersteller Daiwa liefert davon pro Jahr rund 15 000 Stück aus und macht xevoE damit zu einer Art Toyota Corolla unter den Fertighäusern. Das Ding ist so unspekta kulär, dass es sich nahtlos in jede Schweizer Agglo merationsgemeinde einfügen könnte. n Literatur: Cathelijne Nuijsink, How to Make a Japanese House Paperback, 324 Seiten, NAi Publishers, 2012 ISBN 905662850X (ISBN13: 9789056628505) Yuko Nagayama & Associates / Bild: Daici Ano Die Lichtführung in eng bebauten Arealen ist für viele japanische Architekten ein Thema. Das Haus im Distrikt Shibuya in Tokio von Yuko Nagayama Architects öffnet sich zu einem Innenhof. Hier sind die schrägen Dach geschosse voll verglast, sodass genügend Licht in das Haus dringen kann. Architekt Yo Yamagata arbeitet bei dem Haus BB, ebenfalls in Tokio, mit einer raffinierten Mischung aus direktem und indirektem Licht. Yo Yamagata Architects / Bild: Forward stroke Inc. next floor 17 Zentrumsentwicklung Genf baut eine neue Stadt in der Stadt Die Stadt Genf macht sich bereit für ein gigantisches, in der Schweiz bisher einmaliges Stadtentwicklungsprojekt. Mit der Umnutzung des Gebiets PAV wird sie das gesamte Stadtzentrum neu gestalten und verdichten. TEXT JEAN-LOUIS EMMENEGGER CAD ARCHITEKTURBÜRO P.-A. DUPRAZ UND PARTNER BILD CLAUDE BOSSEL S chon heute nimmt Genf punkto Verdichtung den Spitzenplatz unter den Städten in der Schweiz ein – mit 11 721 Einwohnern pro Quadratkilometer. Bald werden es noch mehr sein. Im Rahmen der v ollständigen Umgestaltung des Gebiets Praille-AcaciasVernets (PAV) sollen auf der 230 Hektar grossen Fläche sechs neue Stadtviertel entstehen. Den Studien auftrag für die Gestaltung des neuen Teilgebiets Etoile gewann das Genfer Architekturbüro Pierre-Alain Dupraz und Partner. PAV: Ein neues Stadtzentrum In Genf ist das Gebiet PAV allseits bekannt, denn der grosse urbane Perimeter wird gerade komplett neu entwickelt. Auf 140 der insgesamt 230 Hektaren sollen Wohnungen entstehen. Ziel der Urbanisten ist die Umzonung des bisherigen Industrie- und Gewerbege- 18 biets in ein neues, durchmischtes und verdichtetes Stadtzentrum. Insgesamt 11 000 neue Wohnungen für 25 000 Einwohner sind geplant. Mit diesem wegweisenden Projekt setzt Genf auf die Verdichtung des Zentrums. Da das auf allen Seiten begrenzte Territorium der Stadt für die stetig wachsende Zahl von Einwohnern bald zu klein sein dürfte, kann Genf nur noch in die Höhe wachsen. Das Stadtviertel Etoile Das Quartier Etoile im Herzen des Gebiets PAV ist eines der sechs Teilgebiete im Perimeter Praille-AcaciasVernets. Auf 13 Hektaren sollen im Quartier Etoile nicht nur Wohnungen für 6000 Einwohner, sondern auch Kaufhäuser oder kleine Geschäfte, Krippen, vielleicht auch Schulen sowie Alters- und Pflegeheime entstehen. Das Ziel ist, den zukünftigen Einwohnern urbanen Wohnraum mit grösstmöglicher Lebens qualität zu bieten. Der ausgewählte Entwurf berücksichtigt bereits vorhandene Strassen und Wege, den Langsamverkehr und den Zugang zum öffentlichen Verkehr. Er schliesst unter anderem Grünflächen, unterirdische Parkflächen und die Verwendung erneuer barer Energien mit ein. Ein internationales Team Blick auf die «Place de l’Etoile», das lebendige Herz des geplanten Stadtviertels. Sieger des Projektwettbewerbs Etoile ist ein interna tionales Team: Die jungen Architekten des Büros von Pierre-Alain Dupraz, der das Projekt geleitet hat, arbeiten mit zwei Partnern aus Lissabon zusammen. Ferner sind die Ingeni SA aus Genf und die Swisstraffic SA aus Lausanne jeweils für die Bereiche Hochbau und Mobilität/Verkehr zuständig. «Wir hatten zwar einen sehr guten Überblick über die Gegebenheiten vor Ort, aber ich wollte gerne noch andere Fachkompetenzen in mein Team integrieren. Ich habe mich daher mit Gonçalo Byrne aus Portugal zusammengetan, der Experte auf dem Gebiet der Stadtentwicklung ist, und die Landschaftsarchitekten von Proap mit ins Boot geholt, die gerade zwei Wettbewerbe in Genf gewonnen hatten. Die hieraus resultierende umfas- sende Betrachtung des Projekts und die ausgezeichnete Zusammenarbeit der beiden Kreativteams aus Genf und Lissabon haben wohl die Jury letztlich dazu bewogen, unseren Entwurf auszuwählen», sagt Pierre-Alain Dupraz. Sieben Türme Das Projekt Etoile erfüllt die Spezifikationen des Masterplans für den Stadtteil Etoile. «Das heisst konkret, dass insgesamt sieben Hochhäuser gebaut werden sollen – drei hohe (172 m) und vier kleinere (80 m)», präzisiert Pierre-Alain Dupraz. Diese Wolkenkratzer bleiben allerdings die einzigen ihrer Art im gesamten Gebiet PAV. Ihre Höhe wurde aufgrund einer Untersuchung festgelegt, die für die vorhandene Bebauung der Stadt Genf drei verschiedene Gebäudehöhen ermittelt hat. Vorrangiges Ziel ist die Schaffung von Wohnraum: 1500 Wohneinheiten unterschiedlicher Grössen sind geplant, darunter auch gemeinnützige Wohnungen. Mindestens ein Drittel des Projekts sollen Wohnflächen sein; höchstens zwei Drittel der Gesamtfläche werden für Büros, Geschäfte, lokale Dienstleistungen und öffentliche Einrichtungen reserviert. Für die c Lebensqualität – dank sorgfältig gestalteter Zwischenräume mit begrünten Fussgängerund Velowegen – zum Beispiel entlang der künftigen «Avenue de la Praille». next floor 19 Zentrumsentwicklung «Verdichtung mit optimaler Lebensqualität» Nachgefragt beim Architekten Pierre-Alain Dupraz Pierre-Alain Dupraz, Architekt und Leiter des Siegerteams des Architekturwettbewerbs, dem weiter Gonçalo Byrne Architekten und Proap Landschaftsarchitekten (beide Lissabon) sowie Ingeni SA (Genf) und Swisstraffic SA (Lausanne) angehörten. Was verstehen Sie unter urbaner Verdichtung? Pierre-Alain Dupraz: Verdichtung ermöglicht, den in einer Stadt verfügbaren Baugrund so zu nutzen, dass die gewünschten Projekte optimal realisiert werden können. Um in einer Stadt eine gewisse Verdichtung zu erreichen, muss man in der Regel in die Höhe gehen. Die Herausforderung besteht darin, trotzdem eine hohe Lebensqualität für die Bewohner zu erzielen, indem man ein gutes Gleichgewicht zwischen bebauten und freien Flächen oder Grünflächen schafft. Und was ist Umzonung? Umzonung ist ein langer Prozess, in dessen Verlauf eine Stadt sich meist ausdehnt, indem sie einzelne Stadtgebiete anders nutzt oder bestimmte Gebiete zurückstuft. Wir erleben daher heute, dass Gewerbe- oder Industriegebiete, die früher am Stadtrand lagen, häufig in neue Stadtviertel umgewandelt werden, die über den öffentlichen Nahverkehr oder neue Langsamverkehrswege mit dem bestehenden Stadtkern verbunden sind. Wie werden sich Ihrer Ansicht nach die Städte in der Schweiz in den nächsten Jahrzehnten gemäss dem neuen Raumplanungsgesetz entwickeln? Urbane Verdichtung und Umzonung sind hier wirksame, akzeptierte und sinnvolle Antworten. Für mich steht ausser Frage, dass man zunächst die «Stadt in der Stadt» bauen sollte, um die weitere Zersiedelung der Landschaft zu vermeiden. Wenn das Umland und die Qualität der Landschaft bewahrt werden sollen, müssen die Städte in der Schweiz dichter bebaut und einige Vorschriften flexibler angewendet werden. 20 c Gestaltung der öffentlichen Bereiche und Einrichtungen spielt der Landschaftsbau eine entscheidende Rolle. Die Erdgeschosse der Türme sollen in einem intensiven Austausch mit dem öffentlichen Raum stehen, damit das Viertel kulturell und gesellschaftlich lebendig wird. Öffentliche Verkehrsmittel und Langsamverkehr Das Teilgebiet Etoile liegt unweit der künftigen CEVA-Station Lancy-Pont-Rouge und ist über Velowege direkt erreichbar, so können die Bewohner des Viertels mit dem CEVA rasch ins Zentrum von Genf, zum Bahnhof Cornavin und zum internationalen Flughafen von Genf gelangen. Natürlich wird es auch Grünflächen geben. Das Projekt von PierreAlain Dupraz sieht vier grosszügig dimensionierte Inseln und eine Grünfläche im Zentrum vor. Gehwege und Spielplätze sollen das Wohnviertel auflockern. Eine «Place de l’Etoile» wird das grüne, lebendige Herz des Stadtviertels. Die beiden grossen öffent lichen Räume werden durch Fussgänger- und Velowege miteinander verbunden. Das noch überbaute Flüsschen Drize soll renaturiert werden. Für den Langsamverkehr werden zwei Achsen geschaffen. Die aktuell grösste Herausforderung für das Projekt Etoile ist die Integration des neuen Justizgebäudes des Kantons Genf. n Lernbeispiel Tessin Mittelalterliche Dörfer des Mendrisiottos zeigen den Weg zum verdichteten Bauen. Wenn es um verdichtetes Bauen geht, müssen wir nicht nur auf aktuelle Beispiele zurückgreifen. Bereits im Mittelalter wurde verdichtet gebaut. Besonders interessante Beispiele sind im Tessiner Mendrisiotto und in Norditalien anzutreffen. Lernen aus mittelalterlichen Dorfkernen TEXT MARCO ENGELER BILD MANUEL RICKENBACHER D ie meisten Metropolen der Welt haben heutzutage jeden möglichen bebaubaren Platz verbaut. Nach aussen können die meisten dieser Städte nicht mehr wachsen, da sie schon an die umliegenden Gemeinden angrenzen. Um doch noch Wohnraum und Büros bauen zu können, sehen die Stadt- und Raumplaner als einzige Alternative ein «dichteres Bauen» vor. Seit Jahrzehnten wird deswegen auf dieses Konzept gesetzt. Für dessen Umsetzung kommen Anregungen erstaunlicherweise nicht etwa nur von der Wissenschaft und den besseren Baumöglichkeiten, nein, siekommen auch von der Bauweise des Mittelalters. Dichtes Bauen im Mittelalter Um einen Einblick in diese vergangene Bauweise zu erhalten, genügt es, durch die mittelalterlichen Dorfkerne des Mendrisiottos und kleinen oder weniger kleinen Siedlungen der Lombardei zu schlendern. Dort wird ersichtlich, wie eng und dicht die Altstädte gebaut sind. Die Häuser sind manchmal so nahe zusammen, dass auch am helllichten Tag in den einzelnen Zimmern wenig Licht reinkommt. «Wir müssen bedenken, dass in einer ländlichen Gesellschaft der Boden eng mit der Nahrungsherstellung verbunden war», erklärt Gian Paolo Torricelli, Architekturprofessor an der Università della Svizzera Italiana (USI). «Der Platz wurde deswegen für die Landwirtschaft gebraucht, und es musste bei den Siedlungen gespart werden», fährt er fort. Auch heutzutage müssen wir Platz sparen, auch wenn nicht mehr primär für die Nahrungsherstellung. In der modernen westlichen Gesellschaft hat der Boden eher einen Tauschwert. Dies erklärt laut Professor Torricelli die Vergrösserung (wissenschaftlich: Hypertrophie) der Bauflächen und die Zerstreuung der Siedlungen. c next floor 21 Lernbeispiel Tessin c Zersiedeltes Bauen in der Gegenwart «Viele Leute empören sich, wenn in einem abgelegenen Tal ein modernes Haus gebaut wird», meint Roberto Briccola, Dozent an der USI. «Doch die gleichen Leute schauen reglos zu, wie unsere Täler (die des Tessins, Anm. der Red.) rücksichtslos überbaut werden.» Viele Personen seien sich nicht bewusst, dass der Boden ein begrenztes Gut sei. In einer Studie für die USI hat Roberto Briccola aufgezeigt, wie man die Zersiedelung stoppen und mit einem verdichteten Bauen die geschädigten Vororte des Tessins verschönern kann. Als Untersuchungsgegenstand nahm er ein Aussenquartier der Gemeinde Giubiasco, Vorort von Bellinzona. Dieses Quartier hat er mit dem Dorfkern von Arzo, einer kleinen Gemeinde westlich von Mendrisio, verglichen. Die Unterschiede zwischen den beiden Dörfern sind enorm. Arzo hat einen extrem dicht bebauten Dorfkern, die Häuser berühren sich, kein Platz bleibt ungebraucht. Im Aussen quartier von Giubiasco hingegen wird der Boden irrational und verschwenderisch gebraucht, äusserst viele ungenutzte Zonen sind vorhanden, und trotzdem gibt es keinen öffentlichen Raum, wo sich die Leute treffen können. Das Auto dominiert die Strassen des Aussenquartiers, währenddessen der autofreie Dorfkern von Arzo das Zusammenkommen von Menschen ermöglicht. Sehnsucht nach richtigem Stadtleben «Jahrhundertelang war der Vorort Wohnsitz derjenigen, die sich neben einem Stadtpalais auch eine Vorortvilla leisten konnten», so Vittorio Magnago Lampugnani, Professor für Architektur an der ETH Zürich. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Peripherie als Alternative zur verschmutzten und übervölkerten Grossstadt auch den mittleren und niedrigen Einkommensschichten zugänglich gemacht. Heutzutage wohnen in Europa etwa zwei Drittel der Bevölkerung in den Vororten. Doch der Gegentrend lässt nicht auf sich warten: Immer mehr Leute sehnen sich wieder nach dem richtigen Stadtleben. Die Gegen bewegung, also Wegzug vom Land hin zur Stadt, ist seit mehreren Jahren im Gang. «Die räumliche Nähe erleichtert alle Funktionen der Stadt, vom Wohnen zum Arbeiten über die Freizeit, und minimiert dabei den Verkehr», so Vittorio Magnago Lampugnani. Wenn aber immer mehr Leute in die Stadt ziehen wollen, so muss dort offensichtlich dichter gebaut werden. Lernen von Giubiasco Was können die Architekten und Stadtplaner von heute aus dem dichten Bauen, das vor hunderten von Jahren betrieben wurde, lernen? Das Beispiel des Aussenquartiers aus Giubiasco macht klar, dass Handlungsbedarf besteht. «Allein in der Schweiz summieren 22 In einer ländlichen Gesellschaft war der Boden eng mit der Nahrungsherstellung verbunden. Dorfkerne wie zum Beispiel in Arzo TI wurden deshalb sehr dicht gebaut. In der Studie von Roberto Briccola analysiert: der Dorfkern von Arzo (Bild rechts) und ein wenig verdichtetes Aussen quartier in Giubiasco (Bilder links). sich die ungenutzten Flächen zu einem Gebiet, das jenem der Stadt Genf entspricht. Oder anders ausgedrückt: In diesem Raum könnten 13 000 Betriebe mit insgesamt 140 000 Arbeitnehmern wirtschaften und es könnten Wohnungen und Wohnfolgeeinrichtungen für 190 000 Menschen angeboten werden», so Vittorio Magnago Lampugnani. Laut ihm ist die Peripherie in erster Linie nicht wegen der falschen Planung so ausgedehnt, sondern wegen falscher Präferenzen. Die Struktur sei «politisch gewollt und mit gesetzlichen Instrumenten und finanziellen Anreizen forciert». Nun gilt es also, dies zu ändern und neue Verdichtungsstrategien zu entwickeln. Zum Beispiel mit Projekten, wie sie in der Studie von Roberto Briccola präsentiert wurden, nämlich: dichteres Bauen in den Zentren, Vermeidung der Zersiedelung in den Agglomerationen. Doch wie lange wird die Umsetzung dauern? Und sind solche Ideen und Projekte nicht doch ein bisschen utopisch? Roberto Briccola gibt zu, dass man nicht einfach ganze Quartiere abreissen kann. Doch in gewissen Gemeinden, wie etwa in Biasca, steht noch freier Boden zu Verfügung. «Neben dem Bahnhof ist ein zum Teil noch nicht bebautes Gelände verfügbar», erzählt er. Hier könnten mittels seines Projekts – wie bis anhin geplant – nicht 13 Einfamilienhäuser entstehen, sondern 36. Zweifellos könnte mit der Verwirklichung eines solchen Projekts der Zersiedelung der Umgebung von Biasca entgegengesteuert werden. Grundlage für ein verdichtetes Bauen muss eine Überarbeitung der örtlichen Bauvorschriften sein. Die Ausnützungsziffern sind in den meisten Gemeinden viel zu tief, ebenso die Bauhöhen und die Abstände: Die meisten Bauvorschriften erlauben gar kein gezieltes verdichtetes Bauen. Der entscheidende Anstoss muss daher von politischer Seite kommen, sonst bleibt die gute Absicht in geringfügigen Verbesserungen stecken, meint Roberto Briccola. n next floor 23 Öffentlicher Raum Rückzugsmöglichkeiten – die Therapie gegen Dichtestress Hektik und soziale Isolation: Städte stellen die mentale Gesundheit ihrer Bewohner auf eine harte Probe, die nicht jeder durchsteht. Was können Architekten, Städteplaner, aber auch Psychologen tun, um Menschen vor dem Dichtestress zu bewahren? 24 soziale Isolation, von der in der Stadt vor allem allein lebende ältere Menschen betroffen sind. «Wenn soziale Dichte in ihrer negativen Ausprägung und soziale Isolation zusammenkommen, entsteht eine toxische Mischung», sagt Mazda Adli und spricht von der «städtischen Seelenpein». In der Tat rückt die Frage einer für die Psyche des Menschen erträglichen Stadt angesichts der fortschreitenden Verstädterung immer stärker in den Vordergrund. Wie muss die menschenfreundliche Stadt gestaltet sein? Um Antworten zu finden, hat Mazda Adli das Projekt «Stress and the City» ins Leben gerufen. Neurowissenschaftler, Psychologen, Architekten, Geografen und Stadtplaner versuchen, im interdiszipli nären Austausch Konzepte für eine gesunde Urbanität zu entwickeln. Kontaktmöglichkeiten in kurzer Distanz zur Wohnung Der Sechseläutenplatz am Zürcher Bellevue (links) und die Bäckeranlage im Kreis 4 in Zürich sind für die Planungs- und Architektursoziologin Joëlle Zimmerli (auf dem Bild im Restaurant Bäckeranlage) mitten in der Stadt vorbildliche Orte der Entspannung und sozialen Begegnung. Ebenfalls mit dieser Thematik befasst sich die Zürcher Planungsund Architektursoziologin Joëlle Zimmerli. Ist zum Beispiel die heute stark propagierte bauliche Verdichtung ein taugliches Rezept für eine gesunde Stadt? Verträgt sich Verdichtung mit den Vorstellungen der Stadtbewohner von ihrem urbanen Leben? Joëlle Zimmerli hat in einer Studie die «Akzeptanz städtischer Dichte» untersucht und dazu über 1000 Zürcherinnen und Zürcher befragt. Die Antworten ergeben ein klares Bild dessen, was diese von einer attraktiven und stressfreien Stadt erwarten. c TEXT PIRMIN SCHILLIGER BILD JULIEN VONIER E s ist kurz nach Geschäftsschluss, das Tram rumpelt und quietscht, und im Wagen versuchen die Fahrgäste, den Lärm zu übertönen. Sie schreien geradezu in ihre Handys, sodass die privaten Gespräche im dichten Gedränge kaum zu überhören sind. Und bei jedem Halt schieben sich neue Fahrgäste ins Tram. Wer sich jetzt seinen Weg durch die Stadt bahnt, braucht starke Nerven. Jedenfalls ist die tägliche Hektik nicht jeder Psyche zuträglich. So leiden Städter um rund 20 Prozent häufiger an einer Angststörung und gar um 40 Prozent häufiger an Depressionen als Menschen auf dem Land. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher der Universität Amsterdam, die in einer Metaanalyse über 20 Studien zum Thema ausgewertet haben. Die Kehrseite sozialer Dichte Macht also das urbane Leben unsere Seele krank? «Es ist vor allem der soziale Stress, der krank macht», glaubt Mazda Adli, Psychiater und Chefarzt der Fliedner-Klinik in Berlin. Unter sozialem Stress versteht er «die Summe aus sozialer Isolation und sozialer Dichte». Letztere hat laut Mazda Adli zwei Seiten: Im positiven Sinne ist soziale Dichte geradezu ein Qualitätsmerkmal der Stadt. Sie bedeutet dann Kontakte, Begegnungen, Austausch, Netzwerke, Erlebnisvielfalt, und dies alles auf engstem Raum. Die soziale Dichte entblösst jedoch ihre negative Kehrseite dann, wenn der Stadtbewohner die Distanz zu seinen Mitmenschen nicht mehr frei wählen kann und ihm stattdessen eine unangenehme Nähe aufgezwungen wird. Etwa im überfüllten Bus oder Tram, in der Warteschlange vor der Kasse, oder auch zu Hause, wenn die Wände so dünn sind, dass der Fernseher des Nachbarn den Lärmpegel in der eigenen Wohnung übertönt. Der Stressfaktor verstärkt sich weiter, wenn soziale Dichte mit einem Gefühl der Bedrohung einhergeht, zum Beispiel in Quartieren, in denen Kriminalität und Gewalt an der Tages ordnung sind. Zudem ist soziale Dichte keine Versicherung gegen next floor 25 Öffentlicher Raum Der Sechseläutenplatz verströmt mediterranes Flair. Das macht ihn zu einem der beliebtesten Treffpunkte der Zürcherinnen und Zürcher. «Sie wünschen Orte, die ihnen eine grosse Auswahl an gesellschaftlichen Kontaktmöglichkeiten in kurzer Distanz zur Wohnung bieten», sagt Joëlle Zimmerli. Zum urbansten Merkmal der Stadt kürten die Befragten den öffentlichen Raum, der zum Verweilen einlädt, ohne dass die Benutzer etwas konsumieren müssen: Plätze und Parks also, in Zürich zum Beispiel der Sechseläutenplatz beim Bellevue, die Bäckeranlage oder die Quais und Spielwiesen entlang des Sees und der Limmat. Die Vorstellungen einer idealen Stadt offenbaren die Bedürfnisse unterschiedlicher Anspruchsgruppen. Einerseits gibt es die «überzeugten Innenstädter», die grössten Wert auf kurze Wege, ein sozial gemischtes Umfeld und guten Anschluss ans öffentliche Verkehrsnetz legen. Andrerseits sind da die «verwurzelten Quartierbewohner», denen die ruhige Wohnlage am wichtigsten ist. Sie stehen der baulichen und sozialen Verdichtung nicht so offen gegenüber wie die Innenstädter. Eine überraschend grosse Mehrheit der Befragten (77 Prozent) findet jedoch, die Stossrichtung der baulichen Entwicklung sollte in die Höhe und nicht in die Breite gehen. Sie würden es begrüssen, wenn man in Zürich künftig noch zwei bis drei Stockwerke höher bauen könnte. «Im Moment läuft aber der Trend in eine andere Richtung», beobachtet Joëlle Zimmerli. Tatsächlich weist rund die Hälfte der neu gebauten Häuser nicht mehr als vier Stockwerke auf. Verdichtet wird heute in Zürich möglichst in die Breite, indem letzte Grünflächen und Umnutzungsbrachen überbaut werden. «Dabei wäre Verdichtung in die Höhe, auch wegen der effizienteren Nutzung des Bodens, der erwünschte und richtige Ansatz», so Joëlle Zimmerli. c 26 Lebendige Sockelgeschosse Doch wie hoch sollte gebaut werden? Aufgrund der Resultate ihrer Studie plädiert Joëlle Zimmerli für eine differenzierte Sichtweise. Problematisch seien Hochhäuser an den Stadträndern oder gar draussen in der Agglomeration, irgendwo an einer schlechten Ver kehrslage. «Sie werden am besten dort gebaut, wo bereits Dichte herrscht, also an den zentralen, verkehrsmässig gut erschlossenen Lagen.» Für die Akzeptanz der Hochhäuser in der Bevölkerung ist laut Joëlle Zimmerli nicht etwa die Höhe entscheidend. Viel wichtiger ist dafür das Sockelgeschoss. «Wenn dieses gut gestaltet ist, durchlässig wirkt und öffentliche Nutzung bietet, wird das Hochhaus gar nicht als solches wahrgenommen», betont sie und verweist auf vorbildliche Beispiele amerikanischer Architekten. Sowieso ist das mit Shops, Cafés, Restaurants und öffentlichen Einrichtungen gut durchmischte Sockel- oder Erdgeschoss ein Markenzeichen des urbanen Raumes. Es bestimmt mit, ob bauliche Dichte als attraktiv oder negativ empfunden wird. Ausserdem sollte, so der einhellige Wunsch der Zürcherinnen und Zürcher, jede städtische Wohnung unbedingt über einen Balkon oder eine Dachterrasse verfügen. Fehlalarm also mit der urbanen Seelenpein?! Stellt man auf die erwähnte Studie ab, hat das jedenfalls wenig bis gar nichts mit Verdichtung zu tun. «Natürlich empfinden Menschen Dichtestress, etwa im Pendlerstrom in der S-Bahn oder im Stossverkehr», räumt Joëlle Zimmerli ein, «aber er ist das Resultat einer falschen Raumentwicklung, mit immer grösseren Distanzen zwischen Wohnen und Arbeiten, und nicht der baulichen Verdichtung.» n «Mediterranes Stadtleben» Nachgefragt bei Stressforscher Mazda Adli, Berlin Wie lassen sich die urbanen Seelennöte am besten lindern: Was müssen Städteplaner und Architekten beachten? Mazda Adli: Die Gebäude und Quartiere sollten so gestaltet sein, dass sich die Menschen lieber vor der Haustüre aufhalten als dahinter. Die Planung ist darauf auszulegen, den Menschen optimale Kontaktmöglich keiten zu verschaffen. Also braucht es belebte Sockel geschosse, leicht begehbare Strassen, einladende Plätze – alles eben, was ein Leben im öffentlichen Raum nach mediterranem Vorbild ermöglicht. Kann mediterran auch in der Schweiz funktionieren? Das mediterrane Leben ist nicht primär eine Frage der Wärme und des Klimas. Eine Stadt kann so gestaltet werden, dass selbst im kalten Winter die Menschen gerne viel Zeit draussen im Freien verbringen. Und wie lässt sich Dichtestress vermeiden? Dichte ist nicht automatisch gleichzusetzen mit Stress. Die Dichte wird dann zum Problem, wenn man sich ihr nicht entziehen kann, es also keine Rückzugsmöglichkeit gibt. Eigentlich aber suchen und schätzen wir Menschen ein soziales dichtes und lebendiges Umfeld. Es darf uns nur nicht erdrücken. Gute Verdichtung ist also gefragt. Können dafür Hochhäuser oder gar Wolkenkratzer die Lösung sein? Es kommt einfach darauf an, wo ein Hochhaus steht und wie es genutzt wird. Das Erdgeschoss ist das soziale Gesicht des Hochhauses und es entscheidet darüber, wie sich die Leute zwischen den Hochhäusern fühlen. Es muss also ebenfalls lebendig, will heissen gut gestaltet und funktionell durchmischt sein. next floor 27 Schindler global Die Wall Street, die New Yorker Börse und das neue World Trade Center in Downtown Manhattan bilden das Zentrum der internationalen Finanz- und Handelswelt. Hier glitzern die Glasfassaden der Wolkenkratzer nur einen Steinwurf entfernt von der 1697 erbauten Trinity Church mit ihrem historischen Friedhof. Der Geist der hier begrabenen Wirtschaftskapitäne der ersten Stunde lebt fort in den Träumen der heutigen Wirtschaftsführer, die sich seit den Anschlägen vom 11. September 2001 dem Wiederaufbau des Stadtteils und des World Trade Centers verpflichtet fühlen. 4 WTC – ein spektakuläres Symbol Manhattans 28 Facts & Figures Architekt Entwicklung Hauptunternehmer Höhe Fläche Baumaterial Primäre Nutzung Eröffnung Kosten Fumihiko Maki Silverstein Properties Tishman Construction 72 Stockwerke, 297,7 m 216 000 m² Büro- und Verkaufsflächen Stahl und Beton Bürogebäude mit Verkaufsflächen 13. November 2013 1,7 Mrd. US-Dollar Aufzüge / Fahrtreppen 37 kundenspezifische Schindler-7000-Hochleistungsaufzüge: 34Personenaufzüge mit der Schindler-PORT-Technologie 3 Hochhaus-Serviceaufzüge 2 Serviceaufzüge mit Getriebe 2kundenspezifische Aufzüge mit Hydraulik 6 Schindler 9300AE TEXT UND BILD SCHINDLER USA T reibende Kraft hinter dem Wiederaufbau des World-Trade- Center-Komplexes ist die Immobilien- und Investmentfirma Silverstein Properties, Inc. (SPI) mit Sitz in Manhattan. Gemeinsam mit weltweit renommierten Architekten und Geschäftspartnern wagte sich SPI an das 10-Milliarden-Dollar-Projekt, bei dem es vor allem um die Neugestaltung des WTC-Komplexes geht. Ein Paradebeispiel für die Architektur und das Design von Silverstein Properties ist das neue 4 World Trade Center. Das im November 2013 eröffnete Bürogebäude ist der erste Büroturm, der auf dem 6,4 Hektar grossen, neugestalteten Gelände erbaut wurde, und der jüngste Wolkenkratzer im südlichen Teil Manhattans. Er wurde vom Pritzker-Preisträger Fumihiko Maki nach dem LEED®-Gold-Standard geplant und gilt vielen bereits als modernstes Bauwerk des 21. Jahrhunderts. Die schwarze Granitwand der Lobby hebt sich spektakulär von dem mit poliertem afrikanischem Hartholz verkleideten Eingangsbereich zu den Aufzügen ab. Technisches Wunderwerk Das 4 World Trade Center ist mit 72 Stockwerken zurzeit der zweithöchste Wolkenkratzer des Komplexes und bietet 216 000 m² Büround Gewerbeflächen. Vor allem auch der Einsatz modernster Technologien und die nachhaltige, energiesparende Bauweise zeichnen das neue Bauwerk aus: Der Strom für das 4 World Trade Center stammt ausschliesslich aus erneuerbaren Ressourcen wie Wind, Wasser und Sonnenenergie. Zudem verbraucht das Gebäude 20 Prozent weniger Energie als vergleichbare Bauwerke, dank moderner Heiz- und Kühlsysteme, des Einsatzes von Brennstoffzellen und der Rekuperationstechnologie von Schindler: die von den regenerativen Antrieben der Aufzüge erzeugte Energie wird dabei in das Stromnetz des Gebäudes rückgespeist. Der Turm mit dem unverwechselbaren Winkelprofil reckt sich kantig in den Himmel. Seine gläserne, aus Energiespargründen mehrfach beschichtete Fassade glitzert und strahlt im Sonnenlicht. Die Wände der grosszügigen zentralen Lobby sind mit schwarzem Granit verkleidet und reflektieren die umliegenden Gebäude sowie die rund um die Gedenkstätte gepflanzten Bäume. Das 4 World Trade Center wirkt vor allem durch seine Glasfassade und die deckenhohen Fenster. Diese sind übrigens so gut isoliert, dass sie im Winter die Heizung und im Sommer die Klimatisierung unterstützen. Dies und die installierten Durchflussbegrenzer sowie ein Regenwasser-Sammelsystem sorgen dafür, dass das 4 World Trade Center 30 Prozent weniger Wasser als herkömmliche Wolkenkratzer vergleichbarer Grösse verbraucht. Die einzelnen Gebäudesysteme sind zudem durch smarte Kommunikationstechnologie miteinander vernetzt. So soll die Sicherheitstechnik künftig Mieter registrieren, die am Wochenende, wenn alle Systeme abgeschaltet sind, zur Arbeit kommen; die Systeme werden dann so reaktiviert, dass sie die genutzten Büros beheizen oder kühlen. Atemberaubende Aussichten, inspirierte Ästhetik Durch die transparenten, deckenhohen Fenster fällt mehr natürliches Licht in die Büros ein als in jedes andere Gebäude in New York City. Ausserdem ermöglichen die Fenster einen überwältigenden Panoramablick auf die einzelnen Stadtteile, den Hafen, die Freiheitsstatue und auf das jenseits des Hudson gelegene New Jersey. Die schlichte Gestaltung des Gebäudes wurde mit Bedacht gewählt, um der ruhigen Atmosphäre der direkt gegenüberliegenden Gedenkstätte für die Opfer von «9/11» genügend Raum zu gewähren. Die Innenausstattung des Gebäudes wirkt ebenso kunstvoll wie dynamisch. Eine majestätisch weitläufige Lobby im Erdgeschoss gibt den Ton vor. Sie ist auf drei Seiten von 14 Meter hohen Glaswänden umschlossen, die viel natürliches Licht hereinlassen, das von der schwarzen Rückwand aus Granit reflektiert wird. c next floor 29 Schindler global Die Schindler-PORT-Technologie weist jedem Nutzer den richtigen Aufzug zum gewünschten Stockwerk zu. Ein weiteres WTC-Hochhaus mit Schindler-Aufzügen Direkt neben dem 4 World Trade Center entsteht zurzeit das von Richard Rogers von Rogers Stirk Harbour + Partners entworfene 3 World Trade Center. Der 80-stöckige Wolkenkratzer soll 48 Hochleistungsaufzüge vom Typ Schindler 7000 erhalten. Beide WTC-Türme werden an den nahe gelegenen World Trade Center Transportation Hub angeschlossen, den neuen Bahnhof, der das WTC über Busse und Bahnen mit der gesamten Region verbindet. Auch für das 3 World Trade Center wird die LEED®Gold-Zertifizierung angestrebt. Auch bei Nacht herrscht hier lebhaftes Treiben in den Geschäften, Restaurants und anderen Top-Venues. Klare Linien und schlichtes Design der Aufzüge Deckenhohe LED-Wände zwischen den Aufzugsgruppen betonen die vertikale Linienführung des Gebäudes. Sie sind gleichzeitig die Bühne für ein Naturschauspiel aus Himmel, Wasser und Bäumen, das mittels Videoinstallation im Inneren des Gebäudes stattfindet. Mieter im 4 World Trade Center sind unter anderem das Techno logieunternehmen Media Math, die Hafenbehörde von New York und New Jersey und die Büros der City of New York. Ausserdem werden zahlreiche renommierte Marken – unter anderem Apple, Breitling, Disney, Eataly, Godiva, L'Occitane, Michael Kors, Pandora, Swarovski und Victoria’s Secret – hier neue Geschäfte eröffnen. Durch die Neugestaltung des WTC-Komplexes bleibt die Bedeutung von Lower Manhattan als «Herz der Handels- und Finanzwelt» in die Zukunft gesichert. Darüber hinaus verkörpert das neue World Trade Center den ungebrochenen Unternehmergeist Amerikas und ist, neben der berühmten «Dame mit der Fackel», ein bleibendes Symbol für die Freiheit. n c 30 Klare Linien und ein unaufdringliches Design unterstreichen die schlichte Eleganz der Aufzugsgruppen im 4 World Trade Center. Das Verkehrsmanagementsystem Schindler PORT verkürzt Warte- und Fahrtzeiten und spart Energie, indem es die Aufzüge Passagieren mit gleichem Fahrziel zuweist. Sechs Aufzüge von Schindler führen zu den Verkaufsflächen im 4 World Trade Center, weitere 37 Personenaufzüge Schindler 7000 für Hochhäuser wurden installiert. Der Zugang zu den Aufzügen wird über Personenschleusen gesteuert, die direkt mit der Schindler- PORT-Technologie kommunizieren. Architektur Schweiz Bündner Tradition hinter goldener Fassade Das Hotel InterContinental soll Davos den Rücken als Kongresszentrum in den Alpen stärken. Zugleich ist der futuristische Bau ein Luxus-Refugium für Feriengäste und verbindet auf elegante Weise traditionelle Elemente mit topmodernem Chic. Zum Komfort im Hotel tragen auch Schindler-Aufzüge bei. c next floor 31 Architektur Schweiz TEXT CHRISTIAN SCHREIBER BILD JULIEN VONIER D ie Sonne ist ein verlässlicher Partner für das neue Luxushotel InterContinental in Davos. Wenn sie scheint, hebt das nicht nur die Laune der Gäste, dann funkelt auch der futuristische Bau mit der goldenen Fassade so eindrücklich, dass er alle Blicke auf sich zieht. Die Wanderer auf der Parsenn schauen freudestrahlend auf die angezuckerten Bündner Gipfel und hinab ins Tal nach Davos, der höchstgelegenen Stadt Europas. Das «goldene Ei» zieht alle Blicke auf sich In der Mitte der Stadt lässt sich das bedeutende Kongresszentrum ausmachen, wo alljährlich der Weltwirtschaftsgipfel (WEF) stattfindet. Aber letztlich bleiben alle Blicke beim glitzernden Hotel InterContinental hängen, das sich bereits einen Namen gemacht hat als «goldenes Ei» – wegen seiner ovalen Form und der edlen Aussenhülle. Diese besteht aus 790 beschichteten Aluminium-Paneelen. Jedes Teil musste individuell gefertigt werden, weil kein Mass dem anderen gleicht. Das massgeblich vom Architekturbüro Oikios GmbH in München entworfene Objekt sorgte weltweit in der Hotelbranche für Aufsehen. Allerdings betrachten nicht alle Einwohner die aussergewöhnliche Aufzüge für das Hotel Architektur als Bereicherung zu den im Ortszentrum 4Gästeaufzüge Schindler 5400 mit aussenliegender, vorgeschriebenen alpinen Flachdächern, die aus mehrsprachiger Steuerung im 3 Schindler 5500 der Sanatoriumsarchitektur des Höhenkurorts 2 Schindler 2400 20. Jahrhundert hervorgingen. Aus der Höhe betrachtet muss man allerdings von Appartement-Komplexe einer gelungenen Einbettung in die Natur sprechen. 4 Schindler 5500 Die runde Form schmiegt sich an den grünen Berg rücken. Wie kleine Wächter stehen die Bäume und blickt. Erst danach kann man sich auf das Einchecken Wälder ringsum Spalier. Trotz der futuristischen konzentrieren. Der erste Weg zum Zimmer ist ebenFassade reflektiert das Hotel mit 216 Luxuszimmern falls ein Erlebnis: Entlang der elliptischen Gänge reiund Suiten seine alpine Umgebung, indem es im Innern hen sich dunkle Holztüren. Dazwischen hängen redumit den Hauptelementen Holz und Stein spielt. Sobald zierte Gemälde, die wie Scherenschnitte auf weissem man das Haus betritt, fühlt man sich aufgehoben in Grund anmuten und die Bündner Bergwelt einfangen. einer warmen Atmosphäre, die modernen Chic verströmt, auf spielerische Weise aber traditionelle und Die Zimmer sind so, wie man sich das in einem Luxushotel vorstellt: Kingsize-Betten mit Kissen-Menü, regionale Elemente integriert. Silbergraue Natursteinplatten ebnen dem Gast den Weg in die grosszügige Kaffeemaschine, grosszügiges Bad, Parkettboden, Lobby, die den Blick nicht auf Front-Desk und Businessausladender Balkon. Center lenkt, sondern gemütliche Sitzecken mit Neuer Hotspot des Kongresstourismus Lounge-Sesseln und Kaminfeuer verheisst. Das neue Premiumhaus zählt zu den grössten TagungsHohe Holzregale runden das Bild ab, bevor man durch hotels der Schweiz und soll Davos angesichts des die grossen Glasfenster auf Davos und seine Bergwelt Facts & Figures 32 r ückläufigen Skisporttourismus den Rücken als Kongresszentrum in den Alpen stärken. Das Hotel war nach rund dreijähriger Bauzeit gerade noch rechtzeitig zur Eröffnungsfeier des WEF 2014 fertig geworden. Den Planern ist ein genialer Schachzug gelungen, indem sie den Tagungsbereich komplett ins Unter geschoss verlagerten. Nahezu unbemerkt vom eincheckenden Feriengast können Firmen ihre Events im 1500 Quadratmeter umfassenden Kongressareal abhalten. Allein der Ballsaal fasst bis zu 500 Personen, ausserdem stehen sieben weitere Veranstaltungsräume zur Verfügung, die in eleganter Walnuss- Verkleidung gehalten sind. Auch in der Loungebar Nuts & Co gelingt der regionale Brückenschlag. Studio Grigio, das Cocktailbar und eines der drei Restaurants beherbergt, ist dagegen im wahrsten Sinne des Wortes abgehoben: Stardesigner Henry Chebaane verwandelte das zehnte Stockwerk mit silbernen Dürer-Hasen und MangaSteinböcken in eine wahre Kunstgalerie, in der Gourmetessen auf den Tisch kommt. 250 Millionen Franken wurden in das «InterContinental» Davos investiert, zu dem auch noch ein Komplex mit 38 Appartements gehört. Bauherr ist ein Immobilienfonds der Credit Suisse. Pächterin ist heute die Weriwald AG. n Das Hotel InterContinental spielt mit Holz und Stein, den Materialien der alpinen Umgebung, was sich eindrücklich in der Loungebar Nuts & Co (links) und der Gestaltung der Aufzugskabinen (unten) nachvollziehen lässt. Futuristische Architektur, exklusive Lage und exklusive Räume wie die Club Lounge (rechts) mitten in der Bündner Bergwelt. next floor 33 nextnews Erstes energieautarkes Solar-Mehrfamilienhaus der Schweiz SchindlerAufzüge für Luxus- residenz oberhalb des Vierwald stättersees In Brütten ZH entsteht ein Mehrfamilienhaus, das völlig abgekoppelt vom üblichen Stromnetz nur mit eigenem Solarstrom funktioniert. Walter Schmid, Gründer der Firma Kompogas und der Umweltarena in Spreitenbach, will mit seinem neusten Projekt zeigen, dass ein Mehrfamilienhaus auch in der Schweiz einzig nur mit Sonnenenergie funktionieren kann. Die gesamte Energie, die das Haus und die Bewohner in den neun Wohnungen verbrauchen, soll an Ort und Stelle erzeugt werden. Erreicht werden soll das Ziel zum Schindler Luzern gewinnt einen der grössten Aufträge der letzten Jahre und liefert 42 Aufzüge für das Megaprojekt hoch über dem Vierwald stättersee. Auf dem legendären Bürgenberg, wie der Bürgenstock auch heisst, wird zurzeit ein neues Kapitel für ein autofreies Resort aufgeschlagen. Mit drei Hotels mit 400 Zimmern, 68 Residence-Suiten mit Hotelservice, einem breiten Wellness- und Freizeitangebot und einem Gesamtinvestitionsvolumen von 500 Millionen Schweizer Franken handelt es sich um ein Grossvorhaben. PLANSKIZZE DAS NEUE RESORT MEHRFAMILIENHAUS IN BRÜTTEN einen mit der Dämmung der Gebäudehülle und dem Einsatz von energieeffizienten Haushaltgeräten. Dazu gehört übrigens auch der Aufzug von Schindler mit der Energierückgewinnung. Zum anderen bilden das Dach und die Fassade das eigentliche Kraftwerk: Sie bestehen aus Photovoltaikmodulen. Mit der Speicherung der Überschüsse in verschiedenen Systemen während des Sommers kann die Energie beim Haus in Brütten auch in der Nacht und im Winter genutzt werden. Kurzfristig mit Batterien oder mittelfristig mit einem grossen Warmwassertank. Für den Weblink zu weiteren Projektinfos scannen Sie den QR-Code. Anleitungen und Reader-Apps erhalten Sie gratis in Ihrem App Store. 34 AUF DEM BÜRGENSTOCK Investor ist die Katara Hospitality Switzerland AG mit Sitz in Zug, die in der Schweiz bereits für die Projekte Hotel Schweizerhof in Bern und Hotel Royal Savoy in Lausanne verantwortlich ist. Mitte August 2014 konnte Schindler Luzern mit der Katara Hospitality einen Rahmenvertrag unterschreiben. Er beinhaltet die Lieferung und die Montage von insgesamt 42 Aufzügen in zehn Teil projekten. Dabei handelt es sich um 34 Anlagen des Typs Schindler 5500, um fünf Schindler 3300, zwei Schindler 2200 sowie um einen 3400er. Im Frühling 2017 steht die Eröffnung des gesamten Resorts an. Doppeldeckeraufzüge für zwei Hochhäuser der VietinBank in Hanoi Schindler-Mobilität für den höchsten vertikalen Garten der Welt in Sri Lanka Schindler wird den neuen Hauptsitz der vietnamesischen VietinBank in Hanoi mit Aufzügen und Fahrtreppen ausstatten. Die VietinBank ist eine der grössten Banken von Vietnam. Die Fertigstellung des Hauptsitzes mit Büros und Geschäftsräumen von insgesamt 300 000 m2 ist auf 2017 geplant. Geplant haben die beiden Gebäude die bekannten britischen Architekten Foster + Partners. Der höhere Wolkenkratzer, 68 Stockwerke oder 363 Meter hoch, wird das Hauptquartier der Bank beherbergen. Schindler wird für die vertikale Mobilität im Hochhaus «Clearpoint Residencies» in der Hauptstadt von Sri Lanka sorgen. Das nach ökologischen Kriterien konzipierte Wohnhochhaus wird schon jetzt als «höchster vertikaler Garten der Welt» bezeichnet. Clearpoint Residencies wird in Colombo gebaut und gilt als das erste ökologisch nachhaltige Wohnhochhaus des Inselstaates. Es wird ausgerüstet mit Solarpanels für die Elektrizitätsproduktion, einem Abwasser- Recycling-System, mit grün bepflanzten Fassaden sowie mit den energieeffizienten Schind- WOHNHOCHHAUS DIE VIETINBANK IN HANOI Der kleinere der beiden Türme wird 250 Meter hoch. Schindler wird 75 Aufzüge und 46 Fahr treppen liefern, darunter sechs sogenannte Doppeldeckeraufzüge des Typs Schindler 7000, die mit bis zu 10 m/sec laufen und damit zu den schnellsten Aufzügen in Vietnam gehören. Die Aufzüge im Bürohochhaus werden durch die PORT-Technologie gesteuert, dem innovativen und führenden Transit Management System von Schindler. Schindler war eines der ersten ausländischen Aufzugs- und Fahrtreppenunternehmen, das 1996 in Vietnam seine Tätigkeit aufnahm. Der Hauptsitz befindet sich in Ho Chi Minh City, mit Filialen in Hanoi und Da Nang. «CLEARPOINT RESIDENCIES» IN COLOMBO, SRI LANKA ler-7000-Aufzügen. Das Hochhaus wird 52 Stockwerke hoch und umfasst 164 Wohnungen mit einer Fläche von je 214 m2. Jede Wohnung verfügt über eine bepflanzte Terrasse. Ein automatisches Bewässerungssystem, gespeist mit gesammeltem Regenund Brauchwasser, wird die Pflanzen versorgen. Damit kann der Wasserverbrauch um geschätzte 45 Prozent reduziert werden. Alle installierten Schindler-Aufzüge werden über Energierekuperation sowie die Ziel rufsteuerung PORT-Technologie verfügen. Sie reduzieren dadurch den Gesamtenergie verbrauch des Gebäudes und tragen dazu bei, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. «Schindler ist sehr stolz, als Lieferant von vertikalen Mobilitätslösungen für Clearpoint Residencies ausgewählt worden zu sein», sagt dazu Anomal de Soysa, verantwortlicher Leiter der Schindler-Vertretung in Sri Lanka. next floor 35 4 World Trade Center, New York Wir bewegen. In Feusisberg und im weiteren Umkreis. Täglich nutzen weltweit 1 Milliarde Menschen Aufzüge, Fahrtreppen und innovative Mobilitätslösungen von Schindler. Hinter unserem Erfolg stehen 54 000 Mitarbeitende auf allen Kontinenten. www.schindler.ch