Amtsgericht München - Pressesprecherin

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Amtsgericht München - Pressesprecherin
22.03.2004
Amtsgericht München
- Pressesprecherin -
30.3.2012
Pressemitteilung
Verkehrsstrafgericht
Führerscheinentzug, Fahrverbot, Punkte in Flensburg – in der Verkehrsstrafabteilung wird
manchmal härter vor Gericht gekämpft als bei einem Mordprozess. Ein Delikt im Straßenverkehr kann (fast) jeden treffen und erregt oft die Gemüter.
Was erwartet einen aber wirklich?
Letztes Jahr hatten 15 Richter 3476 Strafverfahren (0,83 % weniger als 2010) und 12.329
Bußgeldverfahren (2,72 % mehr als 2010) zu bearbeiten.
Einer der Schwerpunkte in der verkehrsrichterlichen Praxis sind nach wie vor die Alkoholdelikte (ca. 50 % der Strafverfahren).
Die Versuchung, alkoholisiert ein Auto (oder auch ein Rad) als Fahrzeugführer zu nutzen
ist groß: Neujahrsempfänge, Fasching, Starkbier, Frühlingsfest, Maibock, Biergarten, Oktoberfest, Weihnachtsfeiern. Dabei kann man aber nur raten, nach Genuss von Alkohol
sein Fahrzeug stehen zu lassen, da beim Amtsgericht München auch und gerade bei den
Führerscheinmaßnahmen kaum Ausnahmen gemacht werden.
Bei einem Alkoholgehalt im Blut von 0,5 ‰ liegt bereits eine Ordnungswidrigkeit vor, die
mit einer Geldbuße von 5oo Euro und einem Monat Fahrverbot geahndet wird. War der
Verkehrsteilnehmer bereits einmal vorher wegen eines Alkoholdelikts aufgefallen, erhöht
sich die Geldbuße auf 1000 Euro, das Fahrverbot auf 3 Monate.
Die absolute Fahruntauglichkeit beginnt bei 1,1‰. Auch ohne Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen erfolgt hier eine Verurteilung wegen einer Straftat (Trunkenheit im Verkehr).
Liegen alkoholbedingte Fahrfehler und/oder Ausfallerscheinungen vor, reichen auch
schon weniger Promille.
Die übliche Ahndung liegt bei einem Promillegehalt bis 1,59 ‰ im Bereich von 45 Tagessätzen, Führerscheinentzug und einer Sperrfrist bis zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis von 9 bis 12 Monaten. Die Umstände des Einzelfalls sind natürlich stets zu berücksichtigen.
Ab einem Promillegehalt von 1,6 ‰ drohen 50 Tagessätze und eine Sperrfrist von 12 bis
15 Monaten.
(Verfasserin der Pressemitteilung:
Richterin am Amtsgericht als weitere aufsichtführende Richterin Ingrid Kaps - Pressesprecherin -)
Amtsgericht München
- Pressesprecherin Pacellistraße 5
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Werden bei einer Trunkenheitsfahrt Sachen beschädigt oder Menschen verletzt, erhöht
sich die Ahndung erneut (bis 1.59 ‰ 50 bis 70 TS bei Sachschäden, ab 60 TS bei Personenschäden, Sperrfrist 12 bis 16 Monate, ab 1,6 ‰ 6o bis 80 TS bei Sachschäden, ab 70
TS bei Personenschäden).
Wiederholungstätern drohen Freiheitsstrafen.
Das bedeutet:
Wenn jemand mit einem Nettoeinkommen von 1200 Euro zu 60 Tagessätzen verurteilt
wird, so muss er 2400 Euro zahlen, zuzüglich Verfahrenskosten. Mit dieser Summe kann
man sicher 30-40 Heimfahrten mit dem Taxi und hunderte Fahrten mit dem MVV finanzieren. Hinzurechnen zur Geldstrafe muss man auch noch die Kosten, die individuell entstehen in der Zeit, in der man mangels Führerschein nicht fahren darf. Denn:
Gerade bei den Führerscheinmaßnahmen verfolgt das Amtsgericht München eine sehr
strenge Linie. Die Regel ist das Fahrverbot bzw. der Entzug des Führerscheins. Auch der
Vortrag des Betroffenen, der Führerschein würde dringend benötigt, führt in der Praxis –
auch bei Berufskraftfahrern- selten zum Erfolg. Schwerwiegende berufliche Beeinträchtigungen sind grundsätzlich vom Betroffenen hinzunehmen. Es bestehen für die Verkehrsrichter auch wenig Spielräume, von der Verhängung eines Regelfahrverbots abzusehen.
Allenfalls im Einzelfall kann eine Ausnahme gemacht werden, z.B. bei Nachweis des drohenden Verlustes von Arbeitsplatz oder wirtschaftlicher Existenz. Dies wird aber sehr restriktiv gehandhabt!
Nicht nur Verkehrsverstöße von Autofahrern, sondern auch von Radfahrern werden zunehmend vor dem Verkehrsgericht verhandelt. Dies liegt nicht zuletzt auch an den verstärkten Kontrollen, die gerade in der Landeshauptstadt München durch geführt werden.
Bei Fahrradfahrern liegt die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit bei1, 6 ‰. Bei Kontrollen werden erstaunlich häufig Radfahrer mit Ergebnissen von über 2 ‰ festgestellt und
zwar, ohne dass die Fahrer gleich vom Rad fallen.
Ersttäter erwarten hier 2o bis 30 Tagessätze. Gerichtliche Führerscheinmaßnahmen sind
nicht möglich, da diese das Führen eines Kraftfahrzeuges voraussetzen. Dies bedeutet
aber nicht unbedingt, dass hier keine Folgen drohen. Es sind nämlich durchaus Führerscheinmaßnahmen durch die Fahrerlaubnisbehörde zu erwarten. Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ muss ein medizinisch - psychologisches Gutachten vorgelegt werden, das die Verkehrstüchtigkeit belegt. Es ist daher zwar löblich, z.B. beim Besuch des
Oktoberfests oder in der Starkbierzeit das Auto stehen zu lassen. Der Umstieg auf das
Fahrrad ist aber auch nicht unbedingt zu empfehlen.
Auch bei Rotlichtverstößen geraten Fahrradfahrer zunehmend ins Visier der Polizei.
Gerade hier ist häufig eine geringe Verkehrsdisziplin festzustellen. Die Einlassungen „man
habe ja beim Überfahren des Rotlichts keinen gefährdet, man habe vorher geschaut" sind
nicht erfolgversprechend. Generell gelten die im Bußgeldkatalog vorgesehenen Bußgelder
bei durchschnittlichen Verstößen, fahrlässiger Begehungsweise und ohne Gefährdung.
Bei Vorsatz, Gefährdung anderer oder bei Voreintragungen im Verkehrszentralregister
kann das Bußgeld höher ausfallen.
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Der Regelsatz bei einfachen Rotlichtverstößen mit dem Auto beträgt 90 Euro; bei einer
Rotlichtdauer von über 1 Sekunde erhöht sich dieser auf 200 Euro und einem Monat
Fahrverbot
Der Bußgeldkatalog sieht bei Rotlichtverstößen mit dem Fahrrad grundsätzlich eine Ermäßigung des für Kraftfahrzeuge vorgesehenen Bußgeldes um die Hälfte vor (z.B. einfacher Rotlichtverstoß mit Fahrrad 45 Euro). Aber auch hier gilt: Vorsicht! Ab einer Geldbuße von 40 Euro gibt es Punkte!
Ein weiterer Teilbereich des Verkehrsstrafrechts sind die Geschwindigkeitsverstöße. Sie
machen ca. 50 % der Ordnungswidrigkeiten aus.
Auch hier geht es bei den Einsprüchen häufig um das verhängte Fahrverbot. Im Regelfall
werden bei Überschreitung von über 30 km/h (innerorts) und über 40 km/h (außerorts)
solche verhängt.
Bei Voreintragungen im Verkehrszentralregister können allerdings auch geringere Überschreitungen zu einem Fahrverbot führen (wegen beharrlicher Pflichtverletzung).
Der Nachweis von Geschwindigkeitsverstößen ist im Regelfall unproblematisch. Diese
werden zumeist durch sog. standardisierte Messverfahren festgestellt, bei denen grundsätzlich von zutreffenden Messergebnissen auszugehen ist.
Die Fahrereigenschaft wird im Regelfall durch Radarfotos festgestellt.
Grundsätzlich kann der Verkehrsrichter durch Vergleich des Fotos mit dem in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen selbst die Frage der Identität beurteilen, ohne seine
Überzeugung näher begründen zu müssen. Vielfach werden bei Zweifeln an der Fahrereigenschaft, etwa bei minderer Qualität von Radarfotos, anthropologische Vergleichsgutachten, z.B vom Institut für Rechtsmedizin, erholt. Mit einem recht aufwendigen Gutachten
werden Gesichtsmerkmale verglichen und sodann Übereinstimmungen auf dem Computer
illustrativ dargelegt.
Das zeigt, dass auch in Bußgeldverfahren z.T. erheblicher Aufwand betrieben wird, um
Verstöße nachzuweisen. Da es bei diesen Delikten keine Halterhaftung gibt, muss in jedem Einzelfall die Tat nachgewiesen werden.
Neben dem Alkohol spielen Drogen im Straßenverkehr immer wieder eine Rolle.
In der Praxis stellt sich das Problem, dass nach medizinischen Erkenntnissen keine
Grenzwerte wie beim Alkohol festgelegt werden können. Es muss daher im Einzelfall festgestellt werden, ob aufgrund von Ausfallerscheinungen des Angeklagten von Fahruntauglichkeit auszugehen ist. Dazu werden Tests von den kontrollierenden Drogenbeamten
durchgeführt, deren Ergebnisse von medizinischen Sachverständigen beurteilt werden.
Bei Nachweis der Fahruntauglichkeit erfolgt eine ähnliche Ahndung wie bei Trunkenheitsfahrten.
Immer wieder geschieht es, dass sich Unfallverursacher vom Unfallort entfernen. Dies ist
oft schwer nachzuvollziehen, da für solche Fälle gerade die Haftpflichtversicherung geschaffen wurde.
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Die häufigste Einlassung (z.B. bei einer Schadensverursachung beim Ein- u. Ausparken)
ist, man habe den Anstoß nicht bemerkt.
Im Regelfall kann dies aber durch ein technisches Sachverständigengutachten widerlegt
werden. Die Gutachter kommen in den meisten Fällen zum Ergebnis, dass der Anstoß
zumindest "taktil" (fühlbar) bemerkbar war.
Immer noch häufig herrscht der Irrglaube vor, dass ein Zettel an der Windschutzscheibe
ausreichend ist. Dies ist falsch. Grundsätzlich besteht eine Wartepflicht!
Immer wieder kommt es auch zu Tätlichkeiten und Nötigungen im Zusammenhang mit
dem Straßenverkehr( z.B. " beim Kampf um den Parkplatz")
Solche Taten führen in der Regel zumindest zur Verhängung eines Fahrverbots, in gravierenden Fällen (z.B. bei gefährlichen Körperverletzungen oder Faustschlägen) erfolgt die
Entziehung der Fahrerlaubnis. Grundsätzlich gilt "Wer schlägt, fährt nicht".
Eine weitere Unsitte ist das Telefonieren mit dem Handy im Auto. Verboten ist dabei jede
Benutzung eines Mobiltelefons (z.B. auch das Senden von SMS).Andere technische Geräte (z.B. Bedienung des Navigationsgeräts oder des Radios) fallen nicht unter das Verbot, was zum Teil als ungerecht empfunden wird, da andere Tätigkeiten beim Autofahren
nicht weniger gefährlich erscheinen.
Die Ahndung dafür beträgt 40 Euro und einen Punkt in Flensburg.
Häufig wird versucht, die Beobachtungen der Polizeibeamten (z.B. " rechte Hand am rechten Ohr und Sprechbewegungen") mit Ausreden in Zweifel zu ziehen.
Man habe irgendwas anderes ans Ohr gehalten oder Zahnschmerzen oder sich am Ohr
gekratzt und dabei gesungen. Auch die Entschuldigung, man habe einen dringenden Anruf erhalten, kommt immer wieder vor (z.B. der wichtige Anruf eines Arztes, der eine
schwerwiegende Diagnose mitzuteilen hatte). Die ärztliche Schilderung klingt dann aber in
der Regel anders.
Wenn der Verstoß von der Polizei sicher beobachtet und ausreichend klar schriftlich festgehalten wurde, sind diese Ausreden kaum erfolgreich.
Hin und wieder trifft man bei Betroffenen auf die Fehlmeinung, die Richter hätten Einfluss
auf die Punkte in Flensburg ("die Geldbuße zahl ich gern, aber bitte geben Sie mir keine
Punkte"). Richter entscheiden aber nur über die Verhängung einer Geldbuße und eines
Fahrverbots. Die Punkte sind die automatisch im Gesetz vorgesehene Folge.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass gerade weil es sich um Massendelikte
handelt, eine einheitliche Ahndung gleichartiger Delikte im Vordergrund stehen muss, um
eine Gleichbehandlung der Betroffenen zu erhalten. Natürlich finden besondere Umstände auch Berücksichtigung. Bei „Durchschnittsfällen“ führt ein Einspruch oftmals allerdings
nur zu weiteren Kosten.