Mare-Radio-Rezept

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Mare-Radio-Rezept
Mare Rezepte: Aus Captain Cooks Kombüse
von Hans-Helge Ott
Bagles
Als Nordamerika noch ein fernes, rätselhaftes Land war, sprachen Reisende davon,
wie unglaublich praktisch diese Amerikaner waren, besonders im Vergleich mit den
verzopften, in tausend Traditionen verstrickten Europäern.
Zu der Zeit begann in den Schtetl‘n im Osten Europas nach furchtbaren Pogromen
der Aufbruch vieler Juden, der soundsovielte, in ein besseres Land, und das war für
die meisten das praktische, unverzopfte Amerika.
Und natürlich brachten sie allerlei mit. Den Glauben, die Traditionen - und das
Essen.
Sie gründeten ihre „Delikatessen“, amerikanisch-praktisch abgekürzt zu „Delis“, und
waren damit so erfolgreich, dass viele typische New Yorker Gerichte heute aus der
jüdischen Tradition stammen. Borschtsch, Gefilte Fish, Pastrami Sandwich,
gesäuertes Gemüse, all das ist längst New Yorker Tradition und dort überall zu
bekommen. Und der bekannteste Vertreter boomt sich gerade seinen Weg in die
weite Welt: der Bagel.
Sie kennen ihn doch, dieses Loch mit Brötchen drum herum, oder? Von den zwei
Millionen Arten, ihn zu essen, ist in New York die populärste der „Bagle and Lox“ mit
„Creamcheese“, also mit Frischkäse und Räucherlachs.
Ich schlage vor, dass Sie den Frischkäse fertig kaufen, den Räucherlachs
ausnahmsweise auch, dann fehlt nur noch der Bagle, und da fängt das Problem an,
für mich jedenfalls, denn Backen ist meine Leidenschaft nicht. Ganz besonders
hasse ich es, Hefeteig zu machen, und der Bagle ist aus – na? – richtig, Hefeteig.
Sie können natürlich alle perfekt Hefeteig machen, und wenn nicht: Hier ist ein
Rezept, mit dem selbst ein Back-Vollpfosten wie ich zurechtkommt.
1 Pfund Mehl
1 Tütchen Trockenhefe oder 1 Würfel frische Hefe
1/3 Liter Wasser (lauwarm)
Zucker
Salz
evtl. Sesam, Mohn oder Kümmel
(ergibt 8 Bagels)
Sie nehmen auf ein Pfund Mehl ein Päckchen Hefe, einen Esslöffel Zucker (damit die
Hefe losgehen kann) und einen oder zwei Teelöffel Salz. Dazu kommt ein Drittelliter
Wasser. Das kneten Sie bis der Arzt kommt und der Teig schön homogen und
elastisch ist. Freuen Sie sich, wenn Sie eine Küchenmaschine haben. (Nehmen Sie
nur nötigstenfalls mehr Wasser hinzu, sonst zerfließen Ihnen die Ringe später!)
2
Nach dem Kneten warm stehen lassen (aber nicht über 40 Grad, sonst stirbt die
Hefe!), am besten eine Stunde. Zu lang kann man Hefeteig soviel ich weiß gar nicht
gehen lassen! Dann nochmal kneten, mit Mehl an den Händen, sonst kriegen Sie
den Teig nicht wieder los! In acht Kugeln aufteilen und wieder abgedeckt an einem
warmen Ort gehen lassen. Diesmal muss es nicht so lange sein.
Dann machen Sie mit bemehlten Händen ein Loch in jede Kugel und arbeiten
fingerfertig die Ringform heraus. Achtung, das Loch nicht zu klein, damit es nicht
wieder zuwächst! Und jetzt? Natürlich: gehen lassen. Auf dem bemehlten Backblech,
abgedeckt, wie üblich. Lassen Sie den Teig jetzt nochmal länger gehen, eine
Dreiviertelstunde ist gut.
Die fertig aufgegangenen Kringel werden jetzt (und das gibt es nur beim Bagel!) in
leicht kochendem Wasser blanchiert. Einzeln, je ungefähr ein bis zwei Minuten. Dann
gut abtupfen und wieder aufs Backblech legen
Schließlich ab in den Ofen und bei voller Pulle (über 200 Grad)
ca.20 Minuten backen.
Vor dem Backen (oder auch nach auf halber Strecke) kann man die Kringel auch mit
Eiweiß bepinseln, das gibt eine schön glänzende Kruste. Natürlich kann man sie
dann auch mit Mohn, Sesam oder Kümmel bestreuen.
Das ist also ungefähr so wie beim Brot.
Nun muss der orthodoxe Jude, wenn er mal eben ein Stück Brot verputzen will, erst
einmal den Segen darüber sprechen, was allerlei rituelle Tätigkeiten voraussetzt. So
mal eben an der Bushaltestelle scheint das nicht zu gehen. Was macht man also?
Bevor man den Hefeteig zu Baglen backt, wirft man ihn in kochendes Wasser und
kocht ihn! Und auf diese Weise ist der Bagle kein Brot mehr, sondern ein… na ja,
Bagle eben. Und den kann man knuspern wie und wo man will.
In den USA und sonstwo hat es sich inzwischen durchgesetzt, ihn wie ein Brötchen
zu halbieren und zum Beispiel mit Frischkäse und Lachs zu belegen, wirklich
großartig!, wobei ich Ihnen empfehlen möchte, den Frischkäse noch mit etwas
Meerrettich und ein paar gehackten Kapern zu vermischen, da tut sich dann der
Himmel auf und Schalmeienklang umschmeichelt Ihre Ohren.
Damals zuhause in Russland aßen sie den Knusperkringel noch ohne Belag, einfach
so, am Stück. Und im Schtetl soll es gewimmelt haben von Bäckerburschen, die sie
mit dem Loch auf lange Stangen gespießt von Haus zu Haus trugen.
Sehr praktisch, dieses Gebäck. Passt gut zu New York!