Reisebericht Tansania

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Reisebericht Tansania
Am 19.01.2015 trafen sich 16 blasse Bielefelder am frühen Morgen an der Martinikirche zu
einer abenteuerlichen Reise nach Tansania, Afrika! Pfarrer Große, der doch nicht wie am
Sonntag zuvor angedroht im Schlafanzug , dafür aber gemeinsam mit seiner Frau zum
Abschied kam, gab uns einen Reisesegen mit auf den Weg, der auch den etwas Bangen
unter uns Mut und Zuversicht gab.
Zwei Mal hatten wir uns im letzten Jahr getroffen um uns kennenzulernen, Informationen
über das Land zu bekommen, Organisatorisches zu besprechen und natürlich für erste
Sprachversuche in Kisuaheli! Karibu! Asante! Habari gani? Nzuri. Uns erwartete eine völlig
andere Kultur.
Tansania, eines der ärmsten Länder der Welt, birgt die Wiege der Menschheit im
ostafrikanischen Rift Valley. Untersuchungen legen nahe, dass hier Frühformen der
heutigen Menschen lebten. Die Region ist einzigartig, voller prächtiger Tiere,
bezaubernder Landschaften – ein Paradies. Mose 1,2 Vers 8 „Und Gott der Herr pflanzte
einen Garten gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hat.“
In dem 945.000 km² großen Land (2,5 x Deutschland) leben ca. 42 Millionen Einwohner.
45% sind unter 15 Jahren! Es gibt ca. 130 verschiedene Ethnien mit entsprechend vielen
Sprachen. Die Landessprache ist Swahili, auf Sansibar arabisch. Europäer, Portugiesen,
Briten, Deutsche und Araber – alle interessierten sich in den vergangenen Jahrhunderten
für Ostafrika. Lag es doch strategisch günstig für die Handelsrouten und barg es viele
Rohstoffe. Die ersten Missionare kamen Mitte des 19.Jahrhunderts ins Land. Die folgende
Kolonialpolitik orientierte sich an eigenen Überzeugungen und Interessen und ging dabei
durchaus brutal mit den Tansaniern um. Zunächst unter deutscher Herrschaft, nach dem
ersten Weltkrieg dann unter britischer Verwaltung, erlangte Tansania 1961 seine
Unabhängigkeit. Nach einer sozialistisch-kommunistischen Ära, die viele gute Ideen und
Ziele verfolgte, an der Nichtfinanzierbarkeit jedoch scheiterte, entwickelt sich allmählich
eine Tendenz zur Demokratie, die jedoch mit Korruption, Profitgier und Ineffizienz zu
kämpfen hat.
Auf unserem insgesamt 10stündigen Flug hatten wir einen Zwischenstopp in Istanbul. Der
Flughafen Atatürk ist derzeit der viertgrößte Flughafen Europas und liegt im europäischen
Teil der Stadt.
Der Anflug war beeindruckend, man konnte die besondere Lage der Stadt am Wasser gut
erkennen, den Bosporus und gigantische Hochhäuser in direkter Nachbarschaft von
Moscheen. Auf dem Flughafen im Transferbereich tummelten sich Menschen
verschiedenster Nationalitäten, bereits hier lag viel Fremdes und Exotisches in der Luft,
die weite Welt schien zum Greifen nah. Nach unserem Weiterflug landeten wir nachts um
1.30 Uhr am Kilimanjaro-Airport, es war warm und große Mückenschwärme schwirrten um
Lampen. Dieser Flughafen ist klein (er wurde auf einer Fläche von 10ha gebaut – im
Vergleich: der Flughafen Atatürk in Istanbul auf einer Fläche von 500 ha!), jedoch von
großer Wichtigkeit, liegt er doch in der Nähe von vielen touristischen Angeboten, wie dem
Kilimanjaro, Nationalparks und den Städten Moshi und Arusha. Regelrecht gemütlich kam
uns die Halle vor, einiges wirkte gar improvisiert. Die erste Herausforderung, sich in
tansanischer Gelassenheit zu üben, stellte sich hier bereits für Zwei von uns: sie mussten
feststellen, dass einer ihrer Koffer irgendwo unterwegs abhandengekommen war. Mit Hilfe
von Lotti Kellner, die in fließendem Kisuaheli auf die Schalterbeamten einredete, wurde
uns zugesichert, dass der Koffer in 24 Stunden wieder da sei....Zum Glück hatten die
Beiden bereits in weiser Voraussicht 2 Koffer mit jeweils gemeinsamer Garderobe gepackt,
so dass sie nun beide zumindest ein wenig zum Anziehen hatten und nicht eine oder einer
von ihnen gar nichts.
Unsere erste Station war Usa River, ein kleiner Ort auf dem Weg nach Arusha, wo wir in
einer Rehabilitationseinrichtung für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und geistigen
Beeinträchtigungen wohnten. Nachdem wir zwar aufgeregt, aber doch auch müde von der
langen Reise ins Bett plumpsten, wurden wir alle am nächsten Morgen von prasselndem
Regen geweckt! Kaum jemand von uns hatte ernst zu nehmendes Regenzeug eingepackt,
damit hatte niemand gerechnet. Der Regen schien auch für die Einheimischen
überraschend gekommen zu sein, es habe drei Wochen nicht mehr geregnet, sagte man
uns.
Zum Frühstück, 200m entfernt, wurden wir mit Autos und großen Regenschirmen abgeholt,
ansonsten wären wir nach nur 2m bereits völlig durchnässt gewesen. Wir erfuhren gleicht
hautnah, wie unbefestigte Wege sich nach nur kurzer Zeit in aufgeweichte
Schlammspuren verwandeln können. Dieser Regenguss, der nach dem Frühstück
aufhörte, sollte der einzige auf unserer Reise bleiben.
Das Usa River Rehabilitation and Training Center (URRC) ist eine Einrichtung der Meru
Diözese der Evangelisch - Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT), Ostafrika. Hier leben
vorwiegend Kinder und Jugendliche mit körperlicher und geistiger Behinderung, die darin
unterstützt werden sollen, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Für
behinderte Kinder in Tansania ist der Zugang zu Schule und Bildung erschwert und oft
unmöglich. In ländlichen Regionen kommt es noch immer vor, dass sie als Schande
angesehen und versteckt werden. Im URRC können sie eine Ausbildung machen in den
Berufen Schreiner/in, Schuster/in, Bäcker/in, Schneider/in und Schlosser/in. Nach einem
erfolgreichen Abschluss der Ausbildung können die "frisch gebackenen" Handwerker
Werkzeuge und Arbeitsausrüstung zu einem symbolischen Preis erhalten, um eigene
Kleinbetriebe in ihren Dörfern aufzubauen.
In einer eigenen orthopädischen Werkstatt werden künstliche Gliedmaßen (Prothesen)
und Stützschienen (Orthesen) aller Art gefertigt. Spezialräder für Menschen mit
Behinderung werden in der Metallwerkstatt gebaut und repariert. Auch gibt es eine
Beratungsstelle für Eltern, deren Kinder mit Klumpfüßen geboren werden, was in Tansania
häufiger vorkommt, als wie wir es kennen. Notwendige Schuhgestelle, die das Wachstum
nach einem kleinen operativen Eingriff positiv beeinflussen sollen, werden in der eigenen
Werkstatt mit einfachen Mitteln angefertigt. Hierzulande kosten entsprechende Schuhe ca.
100€.
Nachdem wir erfuhren, dass der verlorene Koffer immerhin schon gesichtet worden war,
starteten wir von Usa River aus eine 3tägige Safari zu dem Tarangire Nationalpark und
dem Ngorongoro-Krater. Wir teilten uns auf drei Jeeps auf und wurden von Guides
gefahren, die uns viel über das Land und vor allem die Tierwelt erzählen konnten.
Der Tarangirepark hat eine Größe von 2600 km² (etwa die Größe Luxemburgs) und ist
durchzogen von Akazienwäldern, Grassavannen und hügeligen Weiten. Hier gibt es die
größte Elefantendichte Tansanias, was wir mit eigenen Augen sehen konnten!
Die Tiere ließen sich durch unsere Autos überhaupt nicht beirren, sie trotteten, meist in
Gruppen, dicht an uns vorbei oder kreuzten vor uns den Weg. Elefanten lieben das saftige
Holz der Baobab-Bäume (Affenbrotbäume), die wir im Tarangirepark an vielen Stellen
sehen konnten.
Mit ihren Stoßzähnen brechen sie zunächst die Rinde auf und höhlen danach die riesigen
Stämme aus. Diese Höhlen werden von anderen Tieren, Flughunden, Fledermäusen,
Schleiereulen etc. als Schattenspender und Nistplatz genutzt. Vögel sahen wir in allen
Farben, sie waren kleine Kunstwerke. Außerdem begegneten wir hier den ersten
Warzenschweinen, Gazellen, Antilopen, Giraffen, Hyänen, Geparden, Adlern und – Löwen.
Wir hielten es zunächst für „Gruselgeschichten für Touristen“, als man uns abends in
unserer Unterkunft den 50m langen Weg von den Safarizelten zum Speiseraum nicht
alleine gehen ließ mit dem Hinweis auf Löwen, die man gesehen habe. Auch durfte man
die Zelte nachts nicht verlassen (sie verfügten zum Glück über Toiletten). Aber tatsächlich
– in der Nacht streiften 4 Löwinnen hinter unseren Zelten umher! Morgens sahen wir sie
einige hundert Meter entfernt auf einem kleinen Hügel in der Sonne liegen.
Unsere Unterkunft war wunderschön; wir machten morgens die Zelte auf und schauten in
die Weite des Nationalparks, hinunter auf den Tarangire Fluss, der sich von Nord nach
Süd durch den gesamten Park schlängelt und ihm seinen Namen gibt. Direkt vor unseren
Zelten liefen morgens Zwergantilopen, und in den Bäumen saßen kleine Meerkatzen-Affen.
Der Abschied von diesem schönen Ort fiel nicht leicht!
Es erwartete uns jedoch noch ein ganz anderes Erlebnis, der Ngorongoro-Krater. Er ist ein
eingefallener Vulkankegel und mit seinen 304 km² ein kleiner Teil des NgorongoroSchutzgebietes, das insgesamt 8292 km² umfasst. Früher bildete es eine Einheit mit dem
Serengeti-Nationalpark, wurde jedoch 1959 abgetrennt, da die hier lebenden Maasai auf
ihre Rechte zur Landnutzung pochten und man ihnen schließlich das Schutzgebiet wieder
als Weideland zur Verfügung stellte. Serengeti und Ngorongoro-Schutzgebiet sind eng
verbunden mit dem Namen von Bernhard Grzimek; er und sein Sohn Michael erforschten
dieses Land und sorgten für seinen Erhalt. Bei den Dreharbeiten zu dem bekannten Film
„Serengeti darf nicht sterben“ kam Michael Grzimek hier ums Leben. An das Werk von ihm
und seinem Vater erinnert ein Denkmal am Rand des Kraters, das wir uns unterwegs
angeschaut haben.
Im Krater leben sämtliche Tiere, die man sich vorstellt, wenn man an Afrika denkt, in
friedlichem Miteinander. Es gibt Menschen, die von einem „Achten Weltwunder“ sprechen.
Zu den Tieren, die wir bis hierher bereits gesehen hatten, gesellten sich nun noch Büffel,
Zebras, Flusspferde, Gnus, Strauße sowie Nashörner. Tatsächlich wurden wir Zeugen der
Geburt eines kleinen Gnus.
Zurück von dieser eindrucksvollen Safari freuten sich in Usa River Zwei über einen Koffer,
der tatsächlich hier auf sie wartete und führten abends strahlend frische Garderobe vor.
Am 24.1. brachen wir nach Lutindi auf, das vielen aus unserer Gemeinde schon gut
bekannt ist. Wir legten mit dem Bus eine Strecke von ca. 320 km zurück, waren insgesamt
gute 6 Stunden unterwegs. Das war nicht unanstrengend, zumal es sehr warm war, jedoch
gab es uns die Möglichkeit, viel an der Strecke zu sehen. Landschaftlich wechselten sich
Grassavanne und Steppe ab, schließlich kamen wir durch mehr landwirtschaftlich genutzte
Gegenden. Vor allem Sisalfelder sahen wir viele. An der Straße sahen wir immer wieder
Menschen, deren Leben sich dort abzuspielen schien; sie boten Früchte und Gemüse an,
hatten kleine Werkstätten oder Betriebe, alle Waren lagen ausgebreitet auf der Erde, von
Tomaten bis hin zu Bettgestellen.
Oft sahen wir Männer beieinander sitzen, während die Frauen körperlich arbeiteten, z.B.
schwere Lasten auf den Köpfen transportierten.
Die belebte Hauptstraße, die durchgeht bis Dar es Salaam, war meist in befestigtem
Zustand. Ganz anders dann der Abzweig hoch nach Lutindi!
In den wunderschönen Usambarabergen liegt dieses bedeutende psychiatrische
Krankenhaus, umgeben von mehreren kleinen Dörfern, die alle zusammen Lutindi bilden.
Eine Straße, die wir Piste nennen würden, schlängelt sich die Höhe von 1200 m hoch
hinauf. Sie hat Schlaglöcher, wie es sie bei uns einfach nicht gibt; große Felsbrocken
werden kurzerhand gesprengt, dann hat man es eben nur mit „kleineren“ Steinen zu tun.
Die Straße ist nur bei Trockenheit passierbar, bei länger anhaltendem Regen nicht.
Unterwegs kam uns Werner Blauth, der mit seiner Frau Barbara bis Ende Februar 2015
die Leitung des Hospitals innehat, mit einem Toyota Landcruiser (das beste Auto!)
entgegen. Einige von uns fuhren mit ihm hoch, andere stiegen an allzu steilen Stellen aus
– der Bus musste für die Fahrt nach oben entlastet werden.
Endlich oben angekommen, gab es zunächst ein freudiges Wiedersehen: Lilli Hauphoff,
die bis zu ihrer Ausreise im August 2014 in unserer Gemeinde in der Kinder- und
Konfirmandenarbeit aktiv war, macht hier z.Zt. mit der Vereinten Evangelischen Mission
ein freiwilliges soziales Jahr. Die Wiedersehensfreude bei ihr und vor allem ihren Eltern
war groß.
Lilli lernte bereits den Kindergarten der Lutindi-Gemeinde, die Ergotherapie des Hospitals
mit ihrer Sisalwerkstatt, den landwirtschaftlichen Teil sowie den Gartenbereich kennen. Es
gibt Kühe, Schweine, Hühner, Ziegen und Enten, die den Eigenbedarf an Eiern und Milch
decken. Im Garten wird viel Gemüse angebaut, so dass vieles für den täglichen Bedarf
hier geerntet werden kann. Lilli hat ihr Herz an die Landwirtschaft verloren; täglich
kümmert sie sich um die Tiere, melkt die Kühe, füttert die Schweine und sorgt mit guter
Laune dafür, dass die Patienten in dieser Arbeit eine sinnvolle und heilsame Beschäftigung
finden.
Es gibt 120 Patienten in Lutindi, z.Zt. sind es ca. 80 Männer und 40 Frauen. Es sind
Suchtkranke, vor allem Alkohol-, Drogen- und Mehrfachabhängige sowie psychisch
Kranke. Die Ursprünge des Hospitals gehen zurück auf das Jahr 1896; damals wollte man
einen Ort schaffen für die Kinder von freigekauften Sklaven, die sich an der Küste
aufhielten. Das Usambaragebirge schien klimatisch günstiger zu sein als die Küstenregion,
und so ließ man sich hier nieder. Deutsche Missionare entwickelten hieraus unter der
Federführung von Friedrich von Bodelschwingh ein psychiatrisches Krankenhaus.
Wir blieben vier Tage an diesem Ort und hatten somit Zeit für verschiedene Aktivitäten.
Bei Besuchen in Familien, die wir in kleinen Gruppen mit Horst und Lotti Kellner sowie mit
Lilli als unseren Übersetzern machten, bekamen wir Einblicke in das alltägliche Leben der
Menschen von Lutindi, ihre Sorgen und Nöte, Aufgaben und Abläufe, Freuden und Feste.
Wir unsererseits wurden gefragt „Wie kommt es, dass wir in Tansania so viel arbeiten
müssen, und es kommt doch kaum etwas dabei herum, und bei Euch in Deutschland ist
das so anders?“ Wer von Ihnen auf diese Frage im Gegensatz zu uns eine Antwort weiß,
sollte im Rahmen einer Gemeindeveranstaltung dazu einladen.
Wir besuchten den Sonntagsgottesdienst, der für unseren Pfarrer eigentlich der ideale
Arbeitsplatz wäre – es kommt durchaus vor, dass die Predigt bis zu 2 Stunden dauert!
Davon blieben wir an diesem Tag verschont und erfreuten uns stattdessen an
Wanderungen in der Umgebung, einer Führung durch die Teeplantage und, nun ja, einige
von uns auch an der Mitarbeit im Hospital. Ein kleiner operativer Eingriff an einer
entzündeten Hand wurde vorgenommen, in psychiatrischen Aufnahmen und Visiten wurde
miteinander gefachsimpelt. Der Eine oder die Andere mag hier Ideen für das
bevorstehende Rentenalter bekommen haben....
Wir erlebten ein Konzert des Tenashara-Chores, der 2006 und 2009 Gast unserer
Gemeinde war und verbrachten gesellige Abende mit Barbara und Werner Blauth. Ende
Februar werden sie ihre Zelte endgültig abbrechen und nach Deutschland zurückkehren,
eine neue Familie wird gerade in die Aufgaben eingearbeitet.
Mit Lilli im Gepäck – sie hatte ein paar Tage Urlaub - ging unsere Reise am 28.1. weiter
nach Dar es Salaam, dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zentrum Tansanias. So
ruhig und beschaulich es in Lutindi zuging, so laut und quirlig war es hier. Die Stadt am
Indischen Ozean hatte bei der Volkszählung 2012 4,36 Millionen Einwohner. Über
Schlangen in unseren Supermärkten regt sich niemand mehr auf, der hier einkaufen war.
Unser schönes Hotel am Indischen Ozean stand in scharfem Kontrast zu dem, was wir am
Tag hier zu sehen bekamen. Wenn man sich als Urlauber nicht scheut hinzusehen, fallen
einem Armut, Arbeitslosigkeit und auch Drogenkonsum sofort ins Auge. Der Tourismus
boomt wie kein anderer Wirtschaftszweig in Tansania, jedoch profitieren hier nur einige
von. Lediglich 500.000 Tansaniern bietet der Tourismus Beschäftigung und Einkommen.
Einer Studie von 2009 zufolge fließen lediglich 18% der Einnahmen direkt an die
Bevölkerung.
So verwundert es auch nicht, dass wir erwartungsvoll in Augenschein genommen wurden,
als wir uns den Kunstmärkten näherten. Wir besuchten den Tingatingamarkt, wo wir
zusehen konnten, wie die farbenfrohen und naiv anmutenden Tingatingabilder gemalt und
natürlich auch angeboten wurden. Diese für Tansania typische Form der Malerei geht auf
Edward Saidi Tingatinga zurück, der in den 60er Jahren in Ermangelung einer
einträglichen Erwerbstätigkeit begann, bunte Bilder auf quadratische Hartfaserplatten zu
malen. Viele machten es ihm nach und mittlerweile gibt es zahlreiche tansanische
Künstler, die sich eine durchaus ernst zu nehmende Reputation erarbeitet haben.
Außerdem besuchten wir den Holzschnitzermarkt, wo neben vielen Schnitzereien auch
gleich auf die Möglichkeit des DHL-Versandes hingewiesen wurde – irgendwie müssen die
teilweise sperrigen und großen Kunstwerke ja nach Deutschland oder wo immer man
zuhause ist, gelangen...!
Nach 2 Tagen in diesem Schmelztiegel meinten wir, uns erholen zu müssen und
besuchten für die letzten 3 Tage die Insel Sansibar. Hier genossen wir Sonne, Strand und
gutes Essen, machten kleine Wanderungen und Ausflüge und ließen die Seele baumeln.
Der Name Sansibar steht für ein Archipel, der aus Unguja, Pemba und 50 weiteren kleinen
Inseln besteht. Unguja, die größte Insel dieser Gruppe, ist als Sansibar bekannt. Das
äußere Erscheinungsbild war doch anders als das, was wir bislang auf dem Festland
gesehen hatten. Die Bevölkerung ist ein buntes Gemisch aus Afrikanern, Indern, Persern
und Arabern, ca. 95% sind Moslems. Männer tragen vielfach khanzus, lange weiße
Hemden, und eine kofia, eine kunstvoll verzierte Kopfbedeckung. Der Großteil der Frauen
trägt buibuis, lange schwarze Umhänge, über der Kleidung. Fünfmal am Tag wird zum
Gebet gerufen; bereits auf dem Schiff, das uns zur Insel brachte, sahen wir Menschen, die
ihre Gebetsteppiche im Gang ausgerollt hatten und darauf beteten.
Die erste Nacht verbrachten wir in Zanzibar Town, wo wir uns mit einem Guide die Altstadt,
Stone Town, ansahen.
Wir schlenderten über Märkte (einigen machte es Appetit auf Fisch, anderen verschlug es
eben diesen...), bummelten durch enge Gassen und schauten uns Historisches an. So
besuchten wir den Palast des Sultans und auch die Anglikanische Kathedrale, die auf dem
letzten Sklavenmarkt Afrikas errichtet wurde. David Livingstone, Afrikaforscher, Missionar
und Mediziner, setzte sich für die Abschaffung der Sklaverei ein, die 1873 offiziell
verboten wurde. Ein weiterer vehementer Gegner war der Bischof Edward Steer, der auf
dem Hof des Sklavenmarktes diese Kathedrale errichten ließ. Die Sklaverei - ein weiteres
furchtbares Kapitel der Menschengeschichte.
Wir reisten weiter in den Osten der Insel, und nahmen unterwegs an einer Gewürztour teil.
Nach einem Mittagessen im Swahili-Stil, am Boden sitzend, zeigte man uns, wo der
Pfeffer wächst! Wir sahen, wie Muskatnüsse wachsen und geerntet werden, wie Nelken,
Zimt, Vanille, Kardamon und vieles mehr aussehen, bevor sie abgepackt in den
Gewürzregalen unserer Supermärkte landen.
eine Muskatnuss
Vanilleschoten
Die letzten Tage schließlich verbrachten wir an einem „Postkartenstrand“ - weißer Sand,
Kokospalmen, türkisfarbenes Meer.....Wir schwammen und schnorchelten im Indischen
Ozean, und waren immer wieder überrascht, wenn jemand daran erinnerte, dass es
Anfang Februar war!
Aber auch hier stieß unser Genießen an die knallharte Realität des Überlebens der
Menschen vor Ort. An der Küste gibt es Seetangplantagen, die vor allem von Frauen
betrieben werden. Unermüdlich arbeiten sie im Wasser und legen hier Unterwassergärten
an, die regelmäßig gepflegt und von Unkraut befreit werden müssen. Nach ca. 2 Monaten
kann der Seetang geerntet werden, wird in großen Körben an Land getragen und dort
getrocknet. Schließlich wird er für den Transport verpackt. Hauptabnehmer sind Japan und
die USA, hier wird der Tang sowohl als Lebensmittel als auch für die Kosmetikindustrie
genutzt. Man kann sich nun beruhigen, indem man sagt, dass die Frauen hier eine gute
Erwerbsmöglichkeit gefunden haben. Fragt man aber genauer nach, erfährt man, dass sie
für ein Kilo Seetang (natürlich ist hier getrockneter gemeint) 400-500 Tansanische
Schillinge bekommen, was einem Wert von ca. 22 Cent entspricht. Die zugeteilten Flächen
ergeben maximal 100 kg Ernte pro Monat, also einen Verdienst von 40.000-50.000 TSH,
ca. 22 Euro. Und das für unermüdliche, tägliche körperliche Arbeit. Man muss schon sehr
die Augen zumachen, will man das Land ausschließlich als Postkarte sehen.
Zurück in Dar es Salaam nahmen wir Abschied von Lilli, die in einer 8 stündigen Fahrt mit
Überlandbus, bajaji (Dreirad) und pikipiki (Mopedtaxi) zurück nach Lutindi reiste. Wir
verbrachten den Nachmittag in Dar es Salaam und flogen nachts gegen 4.30 Uhr vom
Julius Nyerere Airport über Istanbul nach Hannover.
Am 4.2. kamen wir erschöpft, mit einer Fülle von Eindrücken, begeistert und auch
nachdenklich wieder in Bielefeld an. Lotti und Horst Kellner haben wunderschöne Orte
gefunden, Vieles bis ins Kleinste geplant und nicht zuletzt haben sie uns mit ausgesuchten
Gebeten begleitet. Wieviel Zeit und Mühe sie investiert haben, ging uns allen erst im
Verlauf der Fahrt auf.
Asante sana!