Jura-Studium vs. Wrestling
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Jura-Studium vs. Wrestling
Jura-Studium vs. Wrestling-Karriere Unter der Woche schreibt Maximilian Schneider an seiner Magisterarbeit. Und am Wochenende kämpft er in ausverkauften Hallen gegen die besten Wrestler Europas. Maxi steht in der Studenten-Küche und blickt auf ein einfaches Holzregal. Dessen einziger Inhalt ist Pulver für Eiweißshakes, eimer- und säckeweise. „Die Proteine helfen beim Muskelaufbau, ich muss noch zunehmen“ – ein Problem, mit dem sich die meisten Menschen nicht befassen müssen. „Mein Trainer empfahl mir früher, jeden Tag ein Pfund Hafer zu essen.“ Maxi ist kein gewöhnlicher Student, denn parallel ist er aktiv als professioneller Wrestler. „Die Charaktere fand ich großartig, die Athletik im Ring und der Showaspekt, das alles hat mich fasziniert.“ Eigentlich heißt er Maximilian Schneider, ist 22 Jahre alt und kommt gebürtig aus Hannover. Die längste Zeit verbrachte er mit den Eltern und der zwei Jahre jüngeren Schwester allerdings nahe Hildesheim. Dort ging er auch zur Schule „Als ich ungefähr neun Jahre war, hab ich Wrestling irgendwann mal im Fernsehen gesehen. Es lief aber dann nach Mitternacht bei DSF, das durfte man nachts ja sowieso nicht mehr sehen“, grinst Maxi verschmitzt. Also schoben die Eltern, und schloss diese 2009 mit einem Abiturschnitt von 1,2 ab. Maxi, wie er gerufen wird, hat eine freundliche Erscheinung. Er ist 1,85m groß, seine braunen Haare sind leicht lockig, an den Seiten kurz geschnitten und er hat immer ein Lächeln auf den Lippen. Nicht gerade der Typ Wrestler, wie ihn sich die meisten Leute wohl vorstellen. die Mutter Physiotherapeutin, der Vater Ingenieur, erst einmal einen Riegel vor. Ein paar Jahre später entdeckte Maxi das Wrestling wieder und entwickelte eine große Leidenschaft dafür. „Die Charaktere fand ich großartig, die Athletik im Ring und der Showaspekt, das alles hat mich fasziniert.“ Den Sport selbst aktiv betreiben wollte er allerdings nicht, zumindest während der Schulzeit. Nach dem Abitur jedoch wurde Maxi durch zwei Freunde und heutige Kollegen auf eine Wrestlingschule in Hannover aufmerksam. Interessiert absolvierte er ein Probetraining und ist seitdem Teil der Übungsgruppe. Nach dem Abi zog er nach Heidelberg, um dort im Uniklinikum seinen Zivildienst zu leisten. Trotz der Entfernung zu Hannover pendelte er in diesem Zeitraum regelmäßig hunderte Kilometer, um das Training nicht zu verpassen. Gedünsteter Fisch statt Bier und Chips Mittlerweile hat er vier Semester Jura-Studium an der Leibniz-Universität Hannover hinter sich. In seinem Ergänzungsstudiengang „Europäische Rechtspraxis“ befindet er sich im dritten Semester und schreibt momentan seine Magisterarbeit. Zusammen mit zwei Freunden bewohnt er eine Dachgeschoss-WG im Hannoveraner Stadtteil List. Seine Mitbewohner sind ebenfalls Studenten, aber irgendwie ganz anders als er. Das zeigt sich zum Beispiel beim Essen. Während sein Kumpel Joshua gerade mit der fertigen Tiefkühlpizza in sein Zimmer verschwindet, muss Maxi Disziplin wahren, um den aufgestellten Ernährungsplan einzuhalten. 3.000 Kalorien verschlingt er derzeit täglich, um in Kombination mit regelmäßigem Krafttraining gesund zuzunehmen. „Ich würde auch lieber dreimal die Woche Pizza essen. Das ist manchmal sehr verlockend, aber da muss man halt stark bleiben“, lacht er. Da gibt es dann auch schon mal verbale Seitenhiebe, wie beim gemeinsamen Fußballschauen: „Als bei der WM alle anderen mit Bier und Chips vorm Fernseher saßen und ich meinen gedünsteten Fisch mit Gemüse auspackte, durfte ich mir natürlich einiges anhören“, erinnert er sich schmunzelnd. „Aber unter Freunden ist das ok, da darf man eben nicht zimperlich sein.“ Angst ist keine Lösung Gleiches gilt in Sachen Stressresistenz und Zeitmanagement. Parallel zum Studium arbeitet Maxi bei seinem Professor an der Uni. Viermal pro Woche trainiert er außerdem im Fitnessstudio. Das ungewöhnliche „Hobby“ erzeugt aber auch willkommene Aufmerksamkeit, zum Beispiel im Studienalltag: „Man kommt natürlich sehr schnell ins Gespräch und ist schnell als ‚der Wrestler‘ bekannt im Studiengang. Das kann auch schnell nervig werden, wenn immer dieselben Fragen kommen, aber ich kann gut damit umgehen“, erzählt Maxi. Und beinahe jedes Wochenende geht es dann auf Reisen. In Deutschland und ganz Europa finden die Wrestlingveranstaltungen statt, so auch in Hamburg. Von der Messe in Hannover, wo Maxi unter der Woche noch zusätzlich arbeitete, fuhr er direkt zur Halle, um gerade rechtzeitig für seinen Kampf bei der Show zu sein. Kampf dem Unsympathen Sein Gegner in der Markthalle ist Karsten Beck aus Wesel. Unter den Wrestling-Fans in Deutschland ist er einer der unbeliebtesten, unsympathischsten Kämpfer. Noch dazu ist er Maxi körperlich deutlich überlegen. Nachdem der Ringsprecher beide vorgestellt hat, gibt der Gong der Ringglocke den Kampf frei. Es ist sehr laut, das Publikum klatscht und schreit, hin und wieder schallen Sprechchöre durch die tribünenartigen Seiten der Halle, in deren Mitte der Ring steht. Maxi versucht von Beginn an, mit verschiedenen Haltegriffen Becks Arme und Beine zu überstrecken. Dabei greift er, hinter seinem Gegner stehend, zunächst dessen linken Arm und zieht ihn angewinkelt nach oben und überdehnt dabei das Schultergelenk. Wie wenn ein Krimineller im Polizeigriff abgeführt wird, so hat Maxi seinen Kontrahenten nun unter Kontrolle. Eine Minute später hört man erst ein Raunen, dann lautes Gelächter der Zuschauer. Karsten Beck steckt erneut in einem schmerzhaften Haltegriff, diesmal aber reichlich unkonventionell. Beide Wrestler sitzen sich im Ring breitbeinig gegenüber. Während Maxi beide Handgelenke Becks zu sich heranzieht, drückt er dessen Beine mit den eigenen Füßen so weit auseinander, dass Beck laut aufschreit. Dem Publikum scheint die missliche Lage des ungeliebten Mannes im schwarzrot-grauen Ringer-Anzug deutlich zu gefallen. Auch Maxi kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Den Kampf verliert er am Ende dennoch. Nach einer harten Aktion gegen seinen Nacken kann Beck Maxi pinnen, das heißt: Beide Schultern drei Sekunden auf den Boden zu drücken. „Wichtig ist da einfach, die Zeit gut einzuteilen und sich auch Auszeiten nehmen zu können.“ Trotz der sportlichen Niederlage kann der angehende Jurist dem Wettkampf auch positives abgewinnen. „Mein Zeitmanagement ist durch das Wrestling auf jeden Fall besser geworden, sonst würde das parallel zum Studium gar nicht gehen. Teilweise hab ich komplett durchgetaktete Wochen.“ Er weiß, dass immer die Gefahr besteht, sich zuviel zuzumuten bis schließlich nichts mehr geht. „Wichtig ist da einfach, die Zeit gut einzuteilen und sich auch Auszeiten nehmen zu können. Das kann mir dann auch im späteren Leben eine große Hilfe sein“, ist er sicher. Abgesehen vom Stressrisiko lebt Maxi als Wrestler auch permanent mit dem Wissen, sich verletzen zu können. Auch wenn zum Beispiel das richtige Fallen im Ring in jedem Training geübt wird, kann trotzdem immer etwas schief gehen. „Man muss sich bewusst machen, dass jeder Kampf ein Wagnis bedeutet. Mit Angst in den Ring zu steigen ist aber der falsche Weg, denn dann passieren am ehesten Verletzungen“, meint Maxi. Auch er hat trotz aller Vorsichtsmaßnahmen schon Bänderrisse im Knöchel und mehrere Knochenbrüche erlitten. „Verletzungen sollten natürlich am besten nie vorkommen, aber hin und wieder passiert es eben, das gehört zum Sport dazu.“ „Ich erinnere mich an nichts, was mir je mehr Kraft und Kondition abverlangt hätte.“ Obwohl er sich der gesundheitlichen Risiken ständig bewusst ist, legt Maxi viel Wert darauf, die Freude am Sport nicht zu vergessen. Dass die für Wrestler charakteristische Einzugsmusik in Maxis Fall meist David Hasselhoffs Klassiker „I‘ve been looking for freedom“ ist, sagt einiges über sein Wesen aus. Die Rolle des gut gelaunten Sunnyboys im Ring kommt sehr nah an sein echtes Ich heran, meint er selbst. „Natürlich bin ich nicht immer so laut und aufgekratzt. Weil ich aber gern lache und Spaß habe, versuche ich, die Stimmung auch auf das Publikum zu übertragen.“ Das ist oftmals gar nicht so leicht, wenn er gleichzeitig darauf konzentriert ist, Haltegriffe effektiv anzusetzen oder schwere Würfe durchzuführen. „Ich muss während eines Fights auch immer die Zuschauer im Blick behalten, denn auf deren Reaktion und Unterstützung bin ich ja angewiesen.“ Deshalb hat er kaum mal eine Möglichkeit, in einem Match durchzuschnaufen. Die Anstrengung, die er dabei aufbringen muss, sei mit nichts zu vergleichen, erzählt Maxi. „Ich erinnere mich an nichts, was mir je mehr Kraft und Kondition abverlangt hätte, als ein Wrestlingkampf.“ trainiert von: EWP Wrestling School Hannover Abitur 2009 Durchschnitt: 1,2 Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover Stamm-Promotion: European Wrestling Promotion Jura-Studium / Europäische Rechtspraxis Größe: 186cm / Gewicht: 90kg zwei Auslandssemester in Nottingham typische Moves: Missile Dropkick, Tornado DDT, Double Knee Facebuster den Auftritten. Als die Band dann erste eigene Liedzeilen brauchte, half Maxi mit und steuert seitdem Texte zu den Melodien der Musiker bei. „Ich hab früher mal Klavier gespielt, ist aber schon lang her. Ich bin eher der Sprachentyp. Texte zu schreiben fällt mir leicht und macht auch wirklich Spaß.“ Sowohl beim neuen Album als auch bei den ersten beiden Singles hat Maxi mitgewirkt. Die Songwriter-Qualitäten scheinen anzukommen. Seine Freunde schätzen aber auch noch andere Dinge an ihm. „Als Typ Student ist er auf jeden Fall fleißig“, meint Tilo, woraufhin Joshua lachend einwirft: „Aber nur, wenn er muss!“ Dann fügt er hinzu: „Maxi ist wirklich immer witzig und spaßig. Aber eben auch sehr Erholung in der WG und im Freundeskreis Entspannung ist entsprechend wichtig, gerade nach einem anstrengenden Wochenende wie in Hamburg. In der WG gibt’s dafür eine effektive Methode – mit der Spielkonsole vor dem Fernseher! Gemeinsam mit seinen Mitbewohnern Joshua und Tilo (beide ebenfalls 22 Jahre alt) sitzt Maxi im Wohnzimmer vor dem großen Bildschirm und duelliert sich beim Super-Mario-Kart. Unter lautem Gejohle werden die Manöver der jeweils anderen dabei schonungslos kritisiert. Alle drei verstehen sich blendend. „Mir ist sehr wichtig, dass der Kontakt zu meinen Freunden nicht abbricht, gerade wenn man sehr viel zu tun hat und jedes Wochenende unterwegs ist“, erzählt Maxi. „Es ist wichtig so einen Ausgleich zu finden, damit ich mich nicht nur auf eine Sache fixiere.“ Trotz aller Veränderungen durch Umzug und Studium halten die Beziehungen zu seinen besten Freunden seit der Schulzeit. „Durchs Wrestling sind natürlich auch noch neue Leute dazu gekommen, die man wahrscheinlich sonst nicht kennengelernt hätte.“ Mit seinen Mitbewohnern war Maxi sogar schon zusammen im Kindergarten. Trotzdem hatten sie lange Zeit wenig miteinander zu tun. Erst über die Band von Joshua, der Mathe und Geschichte auf Lehramt studiert, lernten sie sich näher kennen. Tilo, Student für Biochemie, war sowieso regelmäßig als Zuschauer bei zielstrebig bei den Dingen, die ihm viel bedeuten.“ „Maxi hat sowohl das nötige Wissen, als auch das Können im Ring und das richtige Maß an Verantwortungsbewusstsein.“ Ähnlich sieht das auch Christian Eckstein. Er ist Promoter und Maxis Trainer in der hannoverschen Wrestlingschule. „Maxi ist einer, der sehr viel Ehrgeiz entwickelt, mit großen Schritten nach vorn geht und auf jeden Fall auch was erreichen will.“ Anders als Mitte der 90er-Jahre kann heute kaum noch jemand in Deutschland vom Wrestling leben. Für den Nachwuchs ist es daher wichtig, sich ein zweites Standbein aufzubauen. Den Spagat zwischen Studium und Wrestling zu meistern, traut Eckstein ihm auf jeden Fall zu: „Maxi ist sicherlich ein schlaues Kerlchen. Er kennt auch seine Schwachstellen und trainiert wie ein Wilder, um die in den Griff zu bekommen.“ Unter allen, die momentan in Hannover die Wrestlingschule besuchen, zählt ihn der Trainer zu den besten. Wie vor einigen Wochen kommt es dann auch mal vor, dass Maxi selbst das wöchentliche Training leitet. „Er hat sowohl das nötige Wissen, als auch das Können im Ring und das richtige Maß an Verantwortungsbewusstsein. Da kann ich ihm das Training problemlos anvertrauen“, versichert Eckstein. Werte und Vorbilder im Wrestling-Sport Wenn Maxi die Einheiten leitet, versucht er nicht nur das sportliche Wissen weiterzugeben. Eigenschaften wie Respekt, Demut, Dankbarkeit und die Fähigkeit, sich unterordnen zu können, spielen im Wrestling eine ebenso große Rolle. „Man muss sich bewusst machen, welchen Status man als Neuling besitzt. Da ist es wichtig, den Veteranen gegenüber bescheiden und wissbegierig aufzutreten“, erzählt Maxi aus Erfahrung. Diese Werte fehlen ihm heutzutage in manchen Wrestlingschulen: „Bei manchen jungen Wrestlern spürt man einfach, dass dieser Teil der Ausbildung zu kurz gekommen ist.“ Gerade deshalb ist er seinem Trainer sehr dankbar für alles, was er in Hannover gelernt hat und weiterhin lernt. Christian Eckstein ist daher auch in vielen Punkten ein Vorbild, meint Maxi: „Nicht nur wegen seiner Wrestlingerfolge, sondern auch, weil er die Verbindung mit dem Beruf erfolgreich meistert.“ Maxis großes Idol ist Robbie Brookside. Der Engländer ist eine echte Wrestlinglegende und stand auch schon etliche Male in Hannover im Ring. In seiner Wrestlingschule trainierte Maxi im vergangenen Jahr, als er zwei Semester in Nottingham studierte. beurteilen lassen. „Insgesamt war das Feedback für mich sehr positiv und hilft mir auf jeden Fall, mich in nächster Zeit weiterzuentwickeln.“ „Insgesamt war das Feedback für mich sehr positiv und hilft mir auf jeden Fall, mich in nächster Zeit weiterzuentwickeln.“ Ziele und Motivation in der Zukunft Brookside ist zudem Talent-Scout für „World Wrestling Entertainment“ (WWE) aus den USA, die größte Promotion weltweit. Für die meisten Wrestler sind die Vereinigten Staaten neben Japan und Mexiko das Ziel aller Träume. Maxi durfte sogar schon kurz daran schnuppern. Im vergangenen April nahm er an einem sogenannten „Tryout“ der WWE teil. Aufstrebende Wrestler können sich dort den Verantwortlichen präsentieren und Vier Jahre ist Maximilian Schneider mittlerweile aktiv im Ring und damit gleichzeitig oft selbst Vorbild für jüngere Wrestler oder Zuschauer, die nach den Veranstaltungen auf ihn zu kommen: „Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn da Kinder zu mir kommen und ganz verschüchtert ein Foto mit mir wollen. Ich weiß ja, wie viel mir das früher selbst bedeutet hat. Natürlich versuche ich deshalb jetzt auch den Kindern eine Freude zu machen.“ „Wenn ich dann die Chance bekomme, langfristig professionell im Ausland zu wrestlen, dann werd‘ ich das machen.“ Generell ist es ihm unheimlich wichtig, Spaß an dem zu haben, was er macht. Gerade im Wrestling gibt es seiner Meinung nach viele, die den Sport nur als Arbeit auf dem Weg zu den großen Ligen betrachten: „Ich glaube, die verpassen einfach viel Schönes, das einem in dieser Zeit begegnen kann.“ Ob der Traum vom Wrestling in den USA oder Japan irgendwann Realität wird, vermag auch Maxi nicht zu sagen. Zu allererst möchte er aber sowieso sein Studium abschließen, um eine feste Basis zu haben. „Wenn ich dann die Chance bekomme, langfristig professionell im Ausland zu wrestlen, dann werd‘ ich das machen.“ Verschmitzt fügt er hinzu: „Und wenns nicht klappt, werd‘ ich halt Anwalt.“ Felix Grohmann