Südostasien – Seebeben und Tsunami
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Südostasien – Seebeben und Tsunami
Erde 219 ➂ ❘ Erde 173 ➂ Südostasien – Seebeben und Tsunami Die Karte zeigt den mittleren und den nördlichen Teil des Indischen Ozeans sowie die angrenzenden Kontinente und Inseln. Vor Nordsumatra fand am 26. Dezember 2004 ein besonders starkes Seebeben statt, das viertgrößte Erdbeben seit 1900. Dort schiebt sich die Indisch-Australische Platte, die unter anderem große Teile des östlichen Indischen Ozeans, Sri Lankas und Indiens aufbaut, unter die Chinesische Platte, auf der unter anderem Thailand, Malaysia und die indonesischen Inseln liegen (s. Karten). Die Plattengrenze verläuft in diesem Bereich parallel zur Hauptküstenlinie, als nördliche Verlängerung des vor Java gelegenen Sundagrabens. Nördlich von Sumatra verläuft sie westlich der Inselketten der Nikobaren und der Andamanen. In der Karte ist diese Plattengrenze braun markiert. An der Plattengrenze wurde am 26. Dezember 2004 ein Hauptbeben der Stärke 9,0 (Seismogramm Bild 1) verzeichnet. Dieses Beben war mit Entspannungsbewegungen über mehrere 100 km entlang der Plattengrenze verbunden. K Auch Renate Stahl, 54, Inhaberin eines Reisebüros in Herrsching am Ammersee, haben die Fluten alles genommen. Sie wartetete nach einer Aryuveda-Kur vor dem Hotel in Alutgama (Sri Lanka) auf den Arzt. Das Meer war ruhig, das Wetter war schön. Eine Buschreihe, eine natürliche Mauer zum Strand, war plötzlich vom Wasser verschluckt. „Ich sah es, wunderte mich und stand schon bis zur Hüfte im Wasser“, sagt Renate Stahl. (…) „Eine gespenstische Szene. Das Wasser war weg, wo das Meer war, nur Krater. Menschen laufen aufs vorgelagerte Riff. Und dann sehe ich die Welle. Eine graue Wand, zehn Meter hoch. Da bin ich um mein Leben gelaufen.“ Die Menschen auf dem Riff haben keine Chance. Renate Stahl läuft und läuft. Greift sich ein kleines Mädchen, läuft weiter. In den Straßen bricht Panik aus. Das Wasser reißt Busse mit, Häuser um, entwurzelt Bäume. Um nicht zu ertrinken, schlagen die Insassen der Busse die Scheiben ein, zwängen sich hinaus. (…) Andere werden von Balken oder Autos erschlagen, die mit rasender Geschwindigkeit vorbeitreiben. Eine Ewigkeit vergeht, bevor das Wasser abläuft. Überall brauner Schlamm. Verletzte schreien, wer kann, hilft … 2 Augenzeugenbericht über den Tsunami am 26.12.04 in Sri Lanka, 1500 km vom Erdbebenherd entfernt (Quelle: SPIEGEL, Ausgabe 1/2005: „Wand aus Wasser“) E2 938.060_Diercke_aktuell_Tsunami.indd 4 Ost-WestKomponente Nord-SüdKomponente Vertikale Komponente SUMATRA-Beben 26-DEC-2004, 3.30 N 95.76E, MS=9,0 01:16:40 UT 01:33:20 UT 01:50:00 UT 1 Seismogramm des Erdbebens am 26.12.04 vor Nordsumatra, Station Rüdersdorf bei Berlin, GFZ – Geoforschungszentrums Potsdam (Quelle: www.gfz-potsdam.de 2005) Unmittelbar danach und in den folgenden Stunden gab es zahlreiche Nachbeben mit Stärken bis zu 7, die durch Spannungen infolge der veränderten Druckverhältnisse an der Plattengrenze ausgelöst wurden. Das Hauptbeben löste einen Tsunami aus, eine Flutwelle, die sich mit einer Geschwindigkeit von zunächst 600 bis 800 km/h im Indischen Ozean, im Golf von Bengalen und im Andamanischen Meer ausbreitete. Die Welle verlief dabei nicht konzentrisch um einen punktförmigen Bebenherd, ihr Ausbreitungsmuster spiegelt die Entspannungsbewegung an den Plattengrenzen auf mehreren 100 km zwischen der Nordspitze Sumatras und den Andamanen wieder. Die Flutwelle traf daher schon wenige Minuten nach dem Beben die Nordspitze Sumatras, die Andamanen und die Nikobaren, ein Gebiet von mehr als 1000 km Länge. Innerhalb einer Stunde nach dem Hauptbeben traf die Flutwelle auf die Küsten Thailands, Myanmars und Malaysias, auf das restliche Sumatra und die vorgelagerten Inseln. Zu diesem Zeitpunkt war das Erdbeben bereits seit 45 min registriert worden und die Information darüber im Internet zugänglich. Nach etwa zwei Stunden erreichte der Tsunami die Küsten Indiens und Sri Lankas, nach drei Stunden die Malediven und nach sieben bis neun Stunden die Ostküste Afrikas und die Südküste Arabiens. Rund um den Indischen Ozean richtete der Tsunami verheerende Schäden an. Mehr als 280 000 Menschen kamen in den anliegenden Ländern ums Leben, davon allein in Indonesien fast 230 000. Dort war selbst vier Wochen nach dem Beben das Schicksal von mehr als 100 000 Menschen unklar. Neben Indonesien waren vor allem Thailand, Sri Lanka, die Ostküste Indiens sowie die zu Indien zählenden Inselgruppen der Nikobaren und der Andamanen betroffen. Die Gesamthöhe der Sachschäden war zu diesem Zeitpunkt nicht zu beziffern. Selbst Küstenbereiche, die nicht exponiert zum Erdbebenherd im östlichen Indischen Ozean lagen, blieben nicht verschont. An den Westküsten Indiens und Sri Lankas waren die Flutwellen noch 1 bis 2 m hoch und richteten starke Schäden an. Entstehung eines Tsunami Der Begriff „Tsunami“ stammt aus dem Japanischen („tsu nami“) und bedeutet etwa „(lange) Welle im Hafen“. Dass Tsunamis so gefährlich sind, liegt vor allem an der besonderen Form dieser Wellen. Sie unterscheiden sich grundlegend von den Wellen, die normalerweise auf dem Meer und am Meeresstrand zu beobachten sind. 1. Wellentyp Wirft man einen Stein ins Wasser, breiten sich die entstehenden Wellen im Wasser konzentrisch um einen Punkt aus. Mit den Wellen wird Energie weitergegen, die beim Auftreffen des Steines auf der Wasserfläche freigesetzt wurde. Sie werden mit zunehmender Entfernung von der Einwurfstelle bzw. mit der Zeit niedriger. Hindernisse tun ihr Übriges, bald „verliert“ die Welle immer mehr Energie und läuft aus. Bei einem Tsunami dagegen entstehen – ausgelöst durch ein Seebeben – Wellen, die nicht auseinanderlaufen und die selbst auf dem Weg durch den ganzen Indischen Ozean nur unwesentlich Energie verlieren. Man nennt diesen Wellentyp in der Physik auch „Solitonen“. 2. Erfasste Wassersäule „Normale“ Meereswellen werden durch Wind erzeugt. Sie betreffen nur die oberste Schicht der Meere. Tsunamis dagegen erfassen die gesamte Wassersäule vom Meeresboden bis zur Oberfläche. i Handbuch Diercke Weltatlas 11.02.2005 13:15:12 Uhr ❘ Erde 173 ➂ 3 Küstennahe Bebauung in Banda Aceh am Nordwestzipfel von Sumatra, Indonesien, aufgenommen aus dem Weltraum im Juni 2004 © DigitalGlobe, www.digitalglobe.com 3. Wellenlänge und -höhe Bei normalen Meereswellen liegen die Wellenkämme höchstens 400 m auseinander, bei Tsunamis sind dies 10 bis 100 km, daher können sie auch von Schiffen auf hoher See nicht bemerkt werden. Auch sind sie dort zunächst nur etwa 1 m hoch, erst an der Küste ändert sich die Wellenhöhe. 4. Ausbreitungsgeschwindigkeit Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Tsunamis hängt von der Wassertiefe ab. Beispiele für Geschwindigkeiten können aus der Grafik 5 abgelesen werden. Im Gegensatz zu Tsunamis sind normale Meereswellen nur bis zu 90 km/h schnell. 4 Starke Zerstörungen durch den Tsunami vom 26.12.2004. Dunkle Areale sind noch überflutet; Ort wie bei 3; Aufnahme des Satelliten QuickBird, © DigitalGlobe, www.digitalglobe.com Die Ausbreitungsgeschwindigkeit berechnet sich nach der Formel v = 3,6 · √ g · h. Geschwindigkeit der Flutwelle in km/h 900 v: Geschwindigkeit in km/h 600 g: Gravitationskonstante g = 9,81 m/s2 Erde 219 ➂ 800 700 500 400 300 h: Wassertiefe in m 200 100 0 6000 5000 3000 2000 4000 Wassertiefe in m 1000 0 Diese Unterschiede erklären die besondere Wucht der Tsunamis, wenn sie auf eine Küste treffen: Die Geschwindigkeit der Welle sinkt, wenn die Wassertiefe abnimmt. Im Prinzip ähnelt dies dem Auflaufen von Wellen am Strand, wenn sie sich dort überschlagen und auslaufen. Da die Energie bei einem Tsunami im Wesentlichen erhalten bleibt, wächst die Wellenhöhe von etwa 1 m auf bis zu 30 m. Häufig, wenn auch nicht immer, trifft zunächst eine kleinere Welle oder ein Wellental die Küste. Dann geht – wie im Augenzeugenbericht, beschrieben – das Wasser sogar zurück, bevor die auflaufende Wellenwand die Küste trifft. 5 Ausbreitungsgeschwindigkeit eines Tsunami in Abhängigkeit von der Wassertiefe Didaktische Hinweise Institutionen und Internet – Erfassen der plattentektonischen Verhältnisse im östlichen Indischen Ozean – Bewerten der Gefährdung durch Erdbeben in dieser Region – Vergleich der Lage der Erdbebenherde am 26.12.2004 mit der Plattengrenze – Ausbreitungsmuster (Ausbreitungsgeschwindigkeit ) des Tsunami beschreiben – Entstehung eines Tsunami – Zerstörung und Schäden benennen – Diskussion von Schutzmaßnahmen (Mangroven, Schutz von Korallenriffen) www.diercke.de/atlanten/monatskarte.html www.gfz-potsdam.de/news/recent/archive/20041226/Downloads/index.html (dort unter anderem eine Animation der Nachbebenaktivitäten, Bilder zur Entstehung eines Tsunami und ein weiteres Seismogramm) www.pmel.noaa.gov/tsunami/ (Webseite des Pacific Marine Environmetal Laboratory; dort: Tsunami Research Program; Informationen über Frühwarnprogramme) M. Felsch, R. Schlimm Handbuch Diercke Weltatlas Karten • Südostasien 166 130 • Schnitt durch die Erdkruste 216 ➂ 170 ➂ • Erde – Tektonik 218 ➀ 172 ➀ • Erde – Erdbeben und Vulkanismus 218 ➁ 172 ➁ 1. Seebeben als Auslöser Literatur Platte bewegt sich Klug, H.: Flutwellen und Risiken der Küste, Stuttgart 1986 Themenheft „Indischer Ozean“, GR: 2005, H. 4 Plattengrenze Erdbebenherd 2. Auflaufen an der Küste Plattengrenze 6 Entstehung eines Tsunami in zwei Phasen E3