Die Verkündigung 1311

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Die Verkündigung 1311
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AnAn
exciting
discovery
waswas
made
in1278–gest.
1989
when
thethe
painting
waswas
examined
by by
duccio
di buoninsegna
(tätig
1318/19)
exciting
discovery
made
in
1989
when
painting
examined
infra-red
reflectography.
Under
thethe
plum-coloured
drapery
across
thethe
Child’s
legslegs
is is
infra-red
reflectography.
Under
plum-coloured
drapery
across
Child’s
Verkündigung
1311
anDie
underdrawing,
which
cancan
convincingly
be be
attributed
to Duccio
himself
andand
whose
an
underdrawing,
which
convincingly
attributed
to Duccio
himself
whose
individual
characteristics
be be
recognised
alsoalso
in panels
from
Duccio’s
Maestà
(see(see
next
Eitempera
aufcharacteristics
Pappel, 43 ! can
44 can
cm ng
1139
individual
recognised
in panels
from
Duccio’s
Maestà
next
page).
TheThe
abrupt,
emphatic
lines
areare
sketched
with
a slightly
scratchy
quill,
whose
page).
abrupt,
emphatic
lines
sketched
with
a slightly
scratchy
quill,
whose
Ebenso
wie
die beiden
in contour
der Näheclearly
hängenden
Bilder
desmagnified
Künstlers,(fig.
Jesus1).
öffnet die Augen eines
split
nib
creates
a
double
visible
when
split nib creates a double contour clearly visible when magnified (fig. 1).
Blindgeborenen und die Verklärung, bildete diese Tafel einen Teil der Predella eines großen
doppelseitigen Retabels, das in Duccios Werkstatt gemalt und dann von dort 1311 im
Triumphzug zum Hochaltar des Doms von Siena getragen wurde. Der größte Teil ist im Dom–
Museum von
Siena erhalten, obwohl
einige
verlorengingen
und andere, wie die in der
duccio
di di
buoninsegna
(active
1278Tafeln
–died 1318
/19)
duccio
buoninsegna
(active
1278 –died
1318
/19Retabel
)
National
Gallery,
ins Ausland verkauft
wurden,
als man
das
1771 zerlegte und in Teile
The
Annunciation
1311
sägte.
Predella, ein kastenförmiger
Untersatz für die Haupttafel, war, wie das gesamte
The Die
Annunciation
1311
Retabel,onauf
der43VorderRückseite bemalt. Die Vorderseite des Retabels war der
Tempera
poplar,
44 cmund
ng 1139
Tempera on
poplar, 43 während
44 cm ngdie
1139Rückseite nur für den Domklerus sichtbar war. Die
Gemeinde
zugewandt,
Haupttafel der Vorderseite zeigt Maria, der die Stadt Siena geweiht war, als thronende
This
small
panel
and
the
other
twotwo
pictures
by
thethe
artist
nearby,
JesusJesus
opens
theals
Himmelskönigin,
von
Engeln
und
Heiligen
umgeben
– hanging
daher
wird
das ganze
Werk
This
small
panel
and
the
other
pictures
by
artist
hanging
nearby,
opens
the
Eyes
of aofMan
bornborn
Blind
andand
thethe
Transfiguration
, come
from
thethe
predella
of aofhuge
double»Maestà«,
italienisch
für
Majestät,
bezeichnet.
unter
dieser
zeitlosen
Szene
Eyes
a Man
Blind
Transfiguration
,Ursprünglich
come
from
predella
a huge
doublesided
altarpiece
painted
in Duccio’s
workshop
andand
carried
there
in in
triumph
todar,
angeordnet,
stellte
die
Predella
bedeutende
Momente
auscarried
demfrom
irdischen
Leben
Mariens
sided
altarpiece
painted
in Duccio’s
workshop
from
there
triumph
to
beginnend
auf
Linken
mit der in
Verkündigung
(s.ofAbb.
Die anderen
beiden
Bilder
der
the
high
altar
ofderof
Siena
Cathedral
1311.
Most
it survives
in in
thethe
Siena
Cathedral
the
high
altar
Siena
Cathedral
in
1311.
Most
of
it2).survives
Siena
Cathedral
National Gallery
bildeten
Teile
der Rückseite
der Predella,
die mit Geschichten
ausapart
dem in
Amt
museum,
although
after
the
complex
structure
was
dismantled
and
sawn
museum, although after the complex structure was dismantled and sawn apart in
Christi
bemalt
warpanels
und einst
eine
Haupttafel
stützte,
die
26 Episoden
aus
der Passion,
der
1771
some
of the
were
lostlost
andand
others,
such
as as
those
in in
thethe
National
Gallery,
1771
some
of the
panels
were
others,
such
those
National
Gallery,
Grablegung
Auferstehung
Christi
darstellte.
sold abroad. und
The der
predella,
a box-like
supporting
structure under the main panel, was,
sold abroad. The predella, a box-like supporting structure under the main panel, was,
likelike
thethe
whole
altarpiece,
painted
on on
both
thethe
front
andand
thethe
back.
TheThe
front
of of
thethe
whole
altarpiece,
painted
both
front
back.
front
ralistischer
als die von
Margarito
einecombined
Generationpresence
früher. Die
grüne
Untermodellierung
des
millstone
around
her
neck.
Their
may
point
to Duccio’s
patron
millstone
around
herher
millstone
around
neck.
Their
combined
presence
may
point
to Duccio’s
patron
Gesichts
scheint
heute
stärker
durch
alsdadies
ursprünglich
der
Fall
war.
having
been
the
Dominican
Niccolò
Prato,
Cardinal
Bishop
of
Ostia
(died
1321).
having
been
the
Dominican
having
been the Entdeckung
Dominican Niccolò
da Prato,
Cardinal
Bishop
Ostiamittels
(died 1321).
aufregende
wurde
1989
als man
das of
Werk
InfrarotAEine
object
such
as this
would
notgemacht,
have
been
available
to everybody.
TheThe
A luxury
luxury
object
A luxury
object
such
as this
not
have
been
available
everybody.
reflektographie
untersuchte.
Unter
derwould
pflaumenfarbenen
Draperie
übertoden
Beinen des
Virgin’s
brilliant
blue
robe,
for
example,
is
painted
in
the
best
ultramarine,
a
mineral
Virgin’s
brilliant
blue
Virgin’s
brilliant
blue
for example,
painted
in theDuccio
best ultramarine,
a mineral
Kindes
befindet
sich
eine robe,
Unterzeichnung,
dieismit
Sicherheit
selbst zugeschrieben
extracted
from
the
semi-precious
lapis
lazuli,
only
source
at the
time
waswas
extracted
from
the
extracted
from
the
semi-precious
stone
lapis
lazuli,
whose
only
source
at the
time
werden
kann
und
deren
individuellestone
Merkmale
auch
inwhose
den
Fragmenten
der
Maestà
Duccios
from
quarries
in
andand
which
waswas
more
expensive
than
pure
gold.
Duccio,
from
quarries
in Afghanistan,
Afghanistan,
(S.
44)
zuquarries
erkennen
Die energischen,
schroffen
Linien
sind mit
einer
leicht
kratzenden
from
insind.
Afghanistan,
which
more
expensive
than
pure
gold.
Duccio,
however,
tempers
sumptuousness
with
tenderness
in the
relationship
of Mother
however,
tempers
sumptuousness
Feder
skizziert,
deren
gespaltene Spitze
eine
doppelte
hinterließ,
inand
der
however,
tempers
sumptuousness
with
tenderness
inKontur
the
relationship
ofwie
Mother
and
Child,
and
his
modelling
is more
naturalistic
thatthat
of Margarito
a generation
earlier.
Child,
andand
hisdeutlich
modelling
Vergrößerung
sichtbar
wird
(Abb.
1). than
Child,
his
modelling
is more
naturalistic
than
of Margarito
a generation
earlier.
The
green
undermodelling
of the
Virgin’s
faceface
now
shows
through
more
than
it would
TheThe
green
undermodelling
green
undermodelling
of the
Virgin’s
now
shows
through
more
than
it would
have
done
originally.
have
done
originally.
have
done
originally.
Abb. 1 Duccio: Maria mit Kind und
Fig.
1 Infra-red
reflectogram
of of
Heiligen
InfrarotFig.
1(Ausschnitt).
Infra-red
reflectogram
Duccio’s
Virgin
and
Child
with
Saints
.. .
Duccio’s
Virgin
and
Child
withwith
Saints
reflektogramm,
das
die
Duccio’s
Virgin
and
Child
Saints
Detail
showing
the
quill-pen
Detail
showing
thefür
quill-pen
Unterzeichnung
die
Draperie
Detail
showing
the
quill-pen
underdrawing
of
Child’s
drapery.
underdrawing
of the
the
Child’s
drapery.
desunderdrawing
Kindes zeigt.
of the
Child’s
drapery.
42
1250–1500
Malerei
von
1250–1500
42 42 Paintings
Paintings
1250–1500
Paintings
1250–1500
43 43
du
udccduccuciico
occi ioo 43
d
43
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schwäbische schule, unbekannter künstler
Bildnis einer Frau der Familie Hofer um 1470
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(15. Jahrhundert)
Öl auf Silbertanne, 54 ! 41 cm ng 722
Der unbekannte Schöpfer dieses Bildes arbeitete in Schwaben, dessen Hauptstadt damals Ulm
war. Die Inschrift gibt an, dass die Porträtierte aus der Familie Hofer stammt. Sie trägt einen
wattierten, gesmokten und mit Nadeln festgesteckten Kopfputz – sicherlich frisch gewaschen
und gebügelt –, zu dessen Bewunderung uns der Maler geradezu einzuladen scheint, genauso
wie wir aufgefordert sind, die sorgfältige Differenzierung von Kragenpelz und Schnallen zu
bestaunen. Der aussagekräftigste Beweis für die Fähigkeit des Künstlers, Dinge wiederzugeben,
ist jedoch die Fliege, die einen Schatten entweder auf die Haube der Dame oder auf die
Oberfläche des Gemäldes wirft; man fühlt sich versucht, sie fortzuscheuchen, und sie verleiht
dem Bild so einen paradoxen Anschein des Flüchtigen, der über die statische Pose und den in
die Ferne gerichteten Blick der Porträtierten hinwegtäuscht. Die Dame hält Vergissmeinnicht
in ihrer Hand, eine Blume, die als Symbol der Erinnerung gilt. Während sie mit der Rechten auf
ihr Herz weist, liegt die Linke teils hinter, teils auf dem unteren Bildrand, als schnitte ein Sims
den Rest des Körpers von unserem Blick ab.
Neben Volumen und Oberflächenbeschaffenheit betont das Bild auch Linie und Muster: Die
von den Fingern gebildeten Diagonalen zum Beispiel tauchen immer wieder auf. Die
Porträtierte wollte sicherlich mit diesem Kopfputz gemalt werden, doch ist er so geschickt
drapiert, dass sich das meiste Licht in ihrem Gesicht und um das Gesicht herum sammelt und
unsere Aufmerksamkeit nicht von den hellen Flächen der Hände abgelenkt wird.
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Malerei von 1250–1500
cosimo tura (vor 1431– 1495)
Allegorische Figur um 1455– 63
Öl auf Pappel, 116 ! 71 cm ng 3070
Cosimo Tura war der erste bedeutende Maler Ferraras (s. auch Costa, S. 35) und arbeitete von
1458 bis 1486 für Borso d’Este und dessen Nachfolger Ercole als Hofkünstler. Es sind nur wenige
seiner Arbeiten erhalten, und die National Gallery besitzt glücklicherweise vier von ihnen.
Beeinflusst von den Jugendarbeiten Mantegnas (S. 64) und von Rogier van der Weyden, der
(ebenfalls verlorene) Tafelbilder an Borsos Bruder und Vorgänger Lionello d’Este geliefert hatte,
wurde Tura einer der originellsten und raffiniertesten Künstler seiner Zeit. Trotz der phantastischen Effekte und der Verwendung von »Bonbonfarben« war er auch fähig, Werke von
großer Erhabenheit und Feierlichkeit zu malen.
Diese Figur stammt höchstwahrscheinlich aus dem für Lionello d’Este in der Villa Belfiore
bei Ferrara begonnenen studiolo. Die Villen des 15. Jahrhunderts ließen die antike römische Idee
tura
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Malerei von 1500–1600
der westflügel
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Ebenso schnell und wirkungsvoll ging er mit Susannas Haar vor, indem er lose Strähnen mit
der Pinselspitze malte oder mit der Spitze des Griffs in die Farbe kratzte. Die flüssige
Handhabung dehnt sich auch auf ihr Gewand aus und beeindruckt besonders in den
eleganten Straußenfedern und den prächtigen abnehmbaren roten Ärmeln, die am Mieder
mit goldbesetzten Bändern befestigt sind und deren kräftige Farbe die warme Röte von
Lippen, Nasenlöchern und Augenlidern aufgreift und verdichtet.
peter paul rubens (1577 – 1640)
Simson und Delila um 1609 –10
Öl auf Holz, 185 ! 205 cm ng 6461
Rubens kehrte 1608 nach einem achtjährigen Italienaufenthalt in dem vergeblichen Versuch,
das Sterbebett seiner Mutter zu erreichen, überstürzt nach Antwerpen zurück. Seine Ankunft
fiel praktisch mit dem Waffenstillstand zwischen dem von Spanien beherrschten Flandern
und den holländischen Vereinigten Republiken zusammen. Umgehend wurde er zum
offiziellen Maler der Regenten der Südlichen Niederlande, des Erzherzogs Albert und der
Erzherzogin Isabella, ernannt, mit der Erlaubnis, in Antwerpen ansässig zu bleiben. Er sollte
nie nach Italien zurückkehren, obwohl ihn das Studium der antiken griechisch-römischen
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Malerei von 1600–1700
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Kunst und der Kunst der italienischen Renaissance unwiderruflich geprägt hatte. In
Antwerpen fuhr er fort, sich für den Wiederaufbau seines vom Krieg zerrissenen Landes zu
engagieren und sich bald als führende Figur im künstlerischen und intellektuellen Leben der
Stadt zu etablieren.
Einer seiner engsten Freunde und Auftraggeber dieser Zeit war der wohlhabende und
einflussreiche Stadtrat Nicolaas Rockocx, für den Rubens Simson und Delila malte, das über dem
Kamin in dessen »großem Salon« in Antwerpen hängen sollte. Als das Bild vor einigen Jahren
anlässlich einer Ausstellung in der National Gallery wie ursprünglich in einer Höhe von etwas
über zwei Metern hing, wurde deutlich, wie präzise Rubens den Blickwinkel berechnet hatte.
Delilas Bett erweckt den Anschein einer wirklichen horizontalen Fläche, und der Raum
erstreckt sich überzeugend nach hinten bis zu der Wand und der Tür, durch die die Philister
eintreten, um den unglücklichen jüdischen Helden gefangenzunehmen. Die verschiedenen
Lichtquellen machen Rubens’ Verpflichtungen gegenüber seinem Freund Elsheimer deutlich
(S. 115). Dem Kohlenbecken, der von der alten Kupplerin gehaltenen Kerze und der Fackel der
Philister müssen wir vor unserem geistigen Auge ein unterhalb des Bildes im Kamin
loderndes Feuer hinzufügen. Es hebt Delilas safranfarbenen Satinüberwurf und den
Orientteppich hervor und wird in den Schatten der Haut und der weißen Stoffe, wo die grobe
braune Schraffur der Untermalung unbedeckt oder kaum bedeckt ist, reflektiert.
Von Simsons fataler Leidenschaft für Delila wird im Alten Testament berichtet (Richter
16:4–6, 16–21). Von seinen Feinden, den Philistern, bestochen, verleitet sie Simson dazu, die
rubens
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Gauguin vertrat eine auf Imagination gründende Malerei, bei der es gilt, für eine vielleicht
von der Literatur inspirierte Idee eine bildliche Form zu finden. Der Stuhl van Goghs dagegen
veranschaulicht die für seine Kunst wesentliche Inspiration: ein einfacher grober Stuhl aus
natürlichen Materialien, im Tageslicht und in »japanischer Perspektive«, mit keimenden
Zwiebeln im Hintergrund, die natürliches Wachstum andeuten. Aber auch eine dunklere
Assoziation könnte mit diesem Bild »in heller Farbe« verbunden sein. In der holländischen
Kunst des 17. Jahrhunderts war, wie van Gogh wohl wusste, Pfeiferauchen ein Symbol der
Vergänglichkeit und illustrierte einen Vers aus der Bibel, mit dem er ebenfalls sehr vertraut
war: »Herr, höre mein Gebet […] Denn meine Tage sind vergangen wie ein Rauch [...]« (Psalm
102:1–4).
vincent van gogh
Sonnenblumen 1888
(1853 –1890)
Öl auf Leinwand, 92 ! 73 cm ng 3863
Im Sommer vor Gauguins Ankunft in Arles begann van Gogh, eine Serie von Sonnenblumenbildern für die Dekoration seines Hauses zu malen, das er mit »dem neuen Dichter,
der hier leben [wird]«, zu teilen hoffte. Gauguin war, in van Goghs Worten, »verrückt nach
meinen Sonnenblumen« und porträtierte diesen beim Malen der Sonnenblumen an seiner
Staffelei. Von allen Werken des Künstlers sind sie die beliebtesten und am häufigsten
reproduzierten. Van Gogh malte insgesamt vier Gemälde, bevor die Blumen verwelkten, hielt
aber nur zwei von ihnen für würdig, seine Signatur zu tragen und im Schlafzimmer Gauguins
zu hängen. Das Bild der National Gallery ist eines dieser beiden signierten Gemälde; das
andere befindet sich heute in München. Sie gehören zu den wenigen Arbeiten, von denen
van Gogh überzeugt genug war, um sie auszustellen, und so wurden sie im November 1889 in
Brüssel gezeigt und bewundert. »Genug Hitze zu erzeugen, um diese Goldtöne
einzuschmelzen […] nicht jeder kann das, es erfordert die Energie und die Konzentration des
ganzen Wesens eines Menschen«, hatte van Gogh an seinen Bruder Theo geschrieben.
Bei den Londoner Sonnenblumen handelt es sich um das erste erfolgreiche Beispiel für van
Goghs »Licht auf Licht«-Technik, die vielleicht den Experimenten in monochromer Malerei
verpflichtet ist, welche sein Studienfreund Louis Anquetin 1887 in Paris ausführte. Der
vorherrschende gelbe Farbton – für van Gogh ein Symbol des Glücks – ist auch ein Tribut an
die Provence und an den zeitgenössischen provenzalischen Maler Monticelli, der »den Süden
[Frankreichs] ganz in Gelb, ganz in Orange, ganz in Schwefel darstellte«.
Im Januar 1889 aber malte van Gogh drei »völlig gleiche und identische Kopien« in der
Absicht, Kopien und Originale als Seitentafeln für die Versionen seines Bildnisses der Mme
Roulin zu präsentieren. Die in lebhaften Grün- und Rottönen gemalte rothaarige Mme
Roulin, die Frau des Briefträgers von Arles, hält die Schnüre einer Kinderwiege. »Ich stelle mir
diese Gemälde [die Porträts] zwischen denen der Sonnenblumen vor, die so Kerzenhalter oder
Kandelaber derselben Größe bilden würden […] Und dann werden die Gelb- und Orangetöne
des Kopfes durch die Nähe der gelben Flügel an Leuchtkraft gewinnen.«
Auf diese Weise unterschied sich van Goghs Interesse an Farbe von dem der Impressionisten, denn obwohl es seine Wurzeln ebenfalls in der Natur hatte, erstreckte es sich doch
auch auf dekorative Kombinationen, in denen die Farbtöne eines Gemäldes diejenigen von
anderen intensivierten und gleichzeitig ihre ursprüngliche Bedeutung veränderten.
Die Sonnenblumen illustrieren den Lebenszyklus, von der Knospe über die Blüte bis zum
Tod. Die stacheligen oder knorrigen Formen der Natur symbolisierten für van Gogh auch die
menschlichen Leidenschaften, was – meiner Meinung nach zu Unrecht – oft als Zeichen
künstlerischer »Raserei« interpretiert worden ist. Die leuchtenden Sonnenblumen wirken
äußerst lebensecht. Die feste Konsistenz der neuen maschinell hergestellten Farben, die
Malern im 19. Jahrhundert zur Verfügung standen, erlaubte es nämlich, mit dick aufgetragener Farbe Plastizität zu gewinnen und dichtbesetzte Samenköpfe und haarige grüne
Kelchblätter genau nachzuahmen. Energische längere Pinselstriche korrespondieren mit der
Ausrichtung von Blüten, Blättern und Stielen. Wie im Kontrast zu diesen natürlichen Formen
300
Malerei von 1700–1900
sind die Tischplatte und die Vase vereinfacht, verflacht und mit einer Umrisslinie
wiedergegeben. Sie erinnern an grobe volkstümliche Druckgraphiken, und van Goghs
Signatur »Vincent« wird zu einer naiven blauen Dekoration auf dem Terrakottakrug.
gogh
301

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