Chancen und Grenzen des Transfers der Impulse von Willow Creek

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Chancen und Grenzen des Transfers der Impulse von Willow Creek
 ___________________________________________________________ Chancen und Grenzen des Transfers der Impulse von Willow Creek
nach Deutschland (in Landeskirche hinein)
Vortragsinfos aus Leipzig
Ort: Gemeindesaal der Ev.-­‐Luth. Bethlehemkirchgemeinde Leipzig, Kurt-­‐ Eisner-­‐ Straße 22 in 04275 Leipzig Leitung: Superintendent Henker Referent: Prof. Dr. Michael Herbst (IEEG) Teilnehmer: Ephoraldienstbesprechung in Leipzig mit Pfarrerinnen/Pfarrern, Gemeindepä-­‐
dagoginnen und Kirchenmusikerinnen des Kirchenbezirkes Leipzig und am Thema interessierte Gästen aus anderen Kirchenbezirken. Insgesamt etwa 80 Teilnehmer. Dauer: 90 Min/45 Min Vortrag, Beamer vorhanden. Fragen: Was ist Willow Creek? Konzeption, Wirkungsgeschichte in den USA und in Europa. Chancen und Grenzen des Transfers, Welche Ansätze sind in Deutschland „an-­‐
gekommen“, wo gibt es Impulse, die sich für unsere landeskirchlichen Ge-­‐
meinden als fruchtbar gezeigt haben, wo haben sind die Grenzen gezeigt? Welche neuen Entwicklungen in Willow zeichnen sich ab wie wird das bewer-­‐
tet? Leitungskongress in Leipzig 2014 – wie könnte der sinnvoll genutzt werden für die Ortsgemeinden? Ggbf. Praktische Hinweise zum Kongress (Anmeldung etc. wenn bekannt ). Seite 1 Einstieg
Liebe Schwestern und Brüder, meine persönliche Schlüsselszene für mein Verhältnis zu Willow Creek war bei einem Besuch in der Gemeinde vor knapp zwei Jahren. Vielleicht denken Sie bei Willow Creek zuerst an riesige Gottesdienste in einem Gebäude, das eher an eine Messehalle erinnert als an eine Kirche, mit großem technischem Aufwand. Ich denke eher an eine eher überschaubare Ver-­‐
anstaltung. Wir waren abends zu einer Veranstaltung gegangen, mit der eine Reihe von „recovery groups“ gestartet wurden, Gruppen zur Gesundung von Menschen mit schweren seelischen Verletzungen und Problemen.1 Es war ein überschaubarer Raum, keine Massen, vielleicht 80 Personen. Vorne saßen fünf Menschen auf Barhockern. Sie würden ihre Geschichte erzählen, hieß es. Es waren Jüngere und Ältere, Männer und Frauen, Schwarze und Weiße. Eine junge Frau ist mir in Erinnerung geblieben: Sie erzählte, eher leise, kurz, ziemlich nüchtern von ihrem Leben, von der Gewalt zu Hause, den Übergriffen und dem Abrutschen in die Prostitu-­‐
tion. Und sie erzählte, was diese Gemeinde ihr bedeutete, und vor allem, was Jesus ihr be-­‐
deutete: Hier fand sie ihre Würde, erfuhr Respekt und bekam Hoffnung und schaffte den Start in ein anderes Leben. Und sie wolle den Gästen an diesem Abend eines sagen: „We are all a mess!“ Wir sind keine Heiligen, bei uns ist vieles drunter und drüber gegangen. Wir kennen viel von dem, was Ihr gerade durchmacht. Nach dieser Einleitung begannen die ein-­‐
zelnen Selbsthilfegruppen, für Menschen nach Scheidung, für Überschuldete, für Gewaltop-­‐
fer, für Suchtkranke. Willow Creek rangiert in der religionssoziologischen Terminologie als eine sogenannte Mega-­‐
Church, eine übergroße Gemeinde. Und die Zahlen können den Betrachter schon „erschla-­‐
gen“: Etwa 24.000 Menschen besuchen an einem normalen Wochenende die verschiedenen Gottesdienste auf dem Campus in South Barrington. Aber ich wollte mit meinem Einstieg schon auf eines hinweisen, das auffällt in dieser Mega-­‐Church: Ein Credo von Willow Creek lautet: People matter. Menschen zählen, auf Einzelne kommt es an. Und das kann man bei aller Größe auch erleben, wenn man etwas tiefer schaut und nicht nur auf die riesigen Ge-­‐
bäude oder den für deutsche Augen unvorstellbaren Zustrom zum Gottesdienst. Im „mission statement“ der Gemeinde ist dies der erste Satz: „Willow Creek Community Church was founded on this conviction: People matter to God; therefore they matter to us.“2 Aber gehen wir der Reihe nach vor: Eine Ihrer Fragen, die mich im Vorfeld erreicht haben, ist die Frage nach Geschichte und Konzeption von Willow Creek: Wie alles begann
Es gibt einen programmatischen Satz von Bill Hybels: „The local church ist he hope of the world.“ 3 Diesen Satz hat der Gründer der Gemeinde wieder und wieder als sein eigentliches 1
http://www.willowcreek.org/recovery -­‐ aufgesucht am 10. März 2013. http://www.willowcreek.org/beliefs -­‐ aufgesucht am 9. März 2013. Zu deutsch (Übersetzung M. Herbst): „Die Willow Creek Gemeindekirche wurde auf der Basis dieser Überzeugung gegründet: Menschen zählen bei Gott, und darum sind sie für uns wichtig!“ 3
Bill Hybels 2002, 15. 2
Seite 2 Credo präsentiert und erläutert. Es ist ein – offen gestanden – vollmundiger und auch nicht ganz unumstrittener Satz. Wenn Sie diesen Satz googeln, landen Sie mit Sicherheit bei Bill Hybels und finden 217 Mio Treffer. Das ist selbst für Google-­‐Verhältnisse beachtlich. Bill Hy-­‐
bels hat einmal selbst erzählt, wie diese Überzeugung hinsichtlich der Ortsgemeinde in ihm selbst herangewachsen ist.4 Der 61jährige wuchs in einer Unternehmerfamilie in Michigan auf.5 Die Familie war durchaus kirchlich, und der Gottesdienstbesuch war selbstverständlich. Die Zukunft war Hybels als wohlhabender Obstgroßhändler (und wenn ich Obst sage, meine ich in diesem Fall Obst und nicht Apple) war eigentlich vorherbestimmt. Das Verhältnis von Bill Hybels zum Gemeinde-­‐
leben war ziemlich unterkühlt. Sein Credo als junger Mann wäre wohl eher gewesen: „The church is hopeless“, zu deutsch: „Mit der Kirche ist nichts los!“ Er empfand, was er in der Gemeinde erlebte, langweilig, irrelevant, lebensfern. Das änderte sich erst später, als er in Kontakt mit einer sehr lebendigen Jugendarbeit kam, die South Park Church in Park Ridge. Jetzt lautete seine Überzeugung: „There is hope for the local church!“ Oder: Vielleicht ist doch noch Hoffnung für die Ortsgemeinde. Er entschloss sich, auf das väterliche Unternehmen zu verzichten und studierte Theologie am Trinity Col-­‐
lege in Chicago. Dort kam es zu einer prägenden Begegnung mit Dr. Gilbert Bilezikian, der dort unterrichtete. Dr. B., wie er in Willow Creek nur heißt, infizierte ihn mit der Idee einer Acts-­‐2-­‐Church: einer Gemeinde, die sich an dem lukanischen Urbild von Kirche in Apostelge-­‐
schichte 2 orientiert: Menschen voller Glauben, die verbindlich zusammenleben, deren Le-­‐
ben und Dienst andere anzieht, weil sie spüren, dass hier etwas Besonderes, etwas Heilsa-­‐
mes und Gutes zu erfahren ist. Warum sollte es das nicht auch heute noch geben, fragte Dr. B. seine Studenten. Und warum solltet Ihr nicht Pastoren einer solchen Gemeinde werden?6 Bill Hybels trat 1971, mit gerade 20 Jahren, seine erste Stelle an, in Park Ridge. Er gründete die Jugendgruppe „Son City“, die in kurzer Zeit auf 1000 Jugendliche anwuchs. Wollen wir das, was da passierte, ein bisschen in Schubladen packen, könnten wir sagen: eine dynami-­‐
sche evangelikale Jugendgruppe, charismatisch angehaucht, rasch wachsend. Hybels be-­‐
wegte damals schon eine Frage: Warum kommen Menschen zur Kirche, und warum kom-­‐
men sie gerade nicht zur Kirche? Und genau an dieser Stelle entwickelte sich der Ansatz, für den Willow Creek später berühmt werden sollte: Wenn wir Gottesdienst feiern, dann muss das, was da passiert, für Menschen nachvollziehbar und bedeutsam sein, und zwar zuerst für solche Menschen, die dem Glauben und der Gemeinde noch fernstehen. Nicht das Evangeli-­‐
um dürfen wir marktgerecht zuschneiden, aber alle unsere Ausdrucksformen, unsere Musik, unsere Sprache, unser Benehmen muss sich an möglichen Gästen orientieren, wenn wir denn unserem Auftrag, unserer Mission gerecht werden wollen. Der Begriff des suchersen-­‐
siblen Gottesdienstes („seeker-­‐sensive worship“) würde wenige Jahre später zum Marken-­‐
zeichen von Willow Creek werden. Die theologische Figur dahinter ist die vom kulturellen Graben. Das Hindernis für kirchenfer-­‐
ne Menschen ist eben nicht einfach die Sünde oder die Botschaft vom Kreuz, sondern der kulturelle Graben. Sie verstehen unsere Sprache nicht. Sie finden unsere Musik seltsam und 4
Vgl. Predigt zum „36th Anniversary“ am 16. November 2011. Vgl. auch: http://media.willowcreek.org/weekend/36th-­‐anniversary -­‐ aufgesucht am 8. März 2013. Und: Lynne Hybels und Bill Hybels 1996. 5
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Bill_Hybels -­‐ aufgesucht am 9. März 2013. Vgl. aber auch „den Klassiker“ zur Geschichte von Willow Creek: ibid.. 6
Vgl. http://www.kfg.org/download/artikel/plock-­‐willowcreek_e.pdf -­‐ aufgesucht am 10. März 2013. Seite 3 unser Benehmen bizarr. Sie wissen nicht, wie man sich in der Kirche benimmt. Sie erkennen nicht, was dieses Christliche mit ihrem Leben zu tun hat. Sie möchten nicht so seltsam wer-­‐
den wie die Christen, die sie kennen gelernt haben. Heute denken wir hier an Ekelschranken durch Milieugrenzen.7 Bill Hybels und seine Freunde lernten zu unterscheiden zwischen der Verschlossenheit des Menschen für das Evangelium und seiner Aversion gegen eine kirchli-­‐
che Kultur, die er nicht versteht. Gegen das Erste kann nur der Heilige Geist etwas tun, ge-­‐
gen das Zweite müssen wir schon etwas tun, dachte sich der junge Pastor. Aber noch gab es Willow Creek nicht, noch war Hybels Pastor einer kleinen Jugendkirche. Erst 1975 ging es los, in einem Kino in Palatine, das den Namen Willow Creek trug, zu deutsch Weidenbach. Es war eine echte Pionierzeit: um die Miete zu bezahlen, tat Hybels mit seinen Mitstreitern das, was er von Kindheit auf gelernt hatte: sie kauften und verkauf-­‐
ten Tomaten. Der Gottesdienst im Kino mit kleinen Theaterszenen, Bandmusik, wenig Litur-­‐
gie und einer Predigt, die von einem lebensrelevanten Thema ausging und es dann von der Bibel her deutete, wuchs und wuchs.8 1977 kamen schon 2000 Menschen zum Gottesdienst. Und das ist sicher bis heute das Herzstück der Arbeit: eine evangelistische Leidenschaft treibt diese Gemeinde an. Dieser Motor sorgt dafür, dass alles in der gesamten Arbeit daran gemessen wird, ob es unreligiöse Menschen hindert oder fördert, einen Zugang zum Evange-­‐
lium zu bekommen. Das Ziel der Gemeindearbeit besteht darin: „to turn irreligious people into fully devoted followers of Christ.“9 Unkirchliche Menschen sollen anfangen, Christus nachzufolgen. Aus den Anfangstagen gibt es eine Strategie der sieben Schritte, wie man missionarisch ar-­‐
beiten wollte: Willow Creek setzt 1. auf Christen, die authentische und nicht nur taktische Freundschaften mit anderen pflegen und 2. zugleich über ihren Glauben Auskunft geben können und wollen. Das ist der eine Eckpfeiler. Der andere sind 3. die suchersensiblen Got-­‐
tesdienste, in die diese Freunde eingeladen werden, und wo sie 4. zum Glauben kommen. Anschließend werden sie 5. selbst Teil einer Kleingruppe, entdecken 6. ihre Gaben und arbei-­‐
ten mit und übernehmen auch 7. finanziell Verantwortung für die Gemeinde (Bedenken Sie: Wir sind in einem System ohne Kirchensteuer!). Und dann beginnt alles wieder von vorne.10 Als die Gemeinde merkte, dass das in erstaunlicher Weise gelang, ging sie den nächsten Schritt: Gut 200 Mitarbeiter nahmen daraufhin ein Darlehen auf, um ein Gelände in einer Gegend zu kaufen, die wir wohl höchstens als Bauerwartungsland bezeichnen würden. Dort, auf dem heutigen Campus, entstand 1981 das erste Gebäude und dort ist die Gemeinde un-­‐
ter dem alten Namen Willow Creek an der Algonquin Road geblieben. 2004 wurde ein neues 7
Vgl. Heinzpeter Hempelmann 2012. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Bill_Hybels -­‐ aufgesucht am 9. März 2013: „Willow Creek Community Church has become well known as the prototypical megachurch, with contemporary worship, drama and messages focused toward both Christians and those exploring the Christian faith.“ 9
Bill Hybels und Lynn Hybels 1995, 198. 10
Erster Schritt: „Menschen, die mit Ernst Christen sein wollen, bauen aufrichtige Freundschaften zu Nicht-­‐ Christen auf.“ Zweiter Schritt: „Christen wissen, was sie glauben, können es auch formulieren und wagen es, darüber in passenden Momenten auch zu anderen zu sprechen.“ -­‐ dahinter steht 1. Petr. 3, 15: jedem Rede und Antwort stehen können, der Rechenschaft verlangt über unsere Hoffnung. Dritter Schritt: „Christen laden ihre kirchendistanzierten Freunde zu einem speziell für sie gestalteten Gottesdienst ein.“ Vierter Schritt: „Kir-­‐
chendistanzierte Menschen kommen zum Glauben an Jesus Christus und nehmen regelmäßig am Gemeinde-­‐
gottesdienst „New Community“ teil.“ Fünfter Schritt: „Sie werden Mitglieder einer Kleingruppe.“ Sechster Schritt: „Sie entdecken, entwickeln und nutzen ihre (geistlichen) Gaben und übernehmen eine Aufgabe in der Gemeinde.“ Siebter Schritt: „Sie übernehmen jetzt auch finanzielle Mitverantwortung in der Gemeinde.“ 8
Seite 4 Gebäude errichtet, der größte Saal fasst jetzt 7.500 Menschen. Und 2012 entstand das Care Center für die gesamte sozialdiakonische Arbeit gleich neben dem großen Auditorium. Und diese architektonische Entscheidung ist eben auch eine theologische. Der Gottesdienst wuchs also mit der Zeit auf etwa 24.000 Menschen pro Wochenende. Und aus diesem Gottesdienst heraus entwickelte sich die typische Willow Creek – Gemeindear-­‐
beit. Ich kann das alles heute nur andeuten, bin mit dem, was ich jetzt erzählen werde, aber bei meinem zweiten persönlichen Sympathiepunkt für Willow Creek: Diese Gemeinde ist extrem lernbereit und flexibel. Sie scheut sich nicht, Fehler zuzugeben. Sie scheut sich nicht, Dinge über Bord zu werfen, die ihre Zeit hatten, aber jetzt nicht mehr der Mission der Ge-­‐
meinde dienen. Manchmal musste Willow Creek auf die harte Tour lernen. Krisen etwa in der Leitung, beim Führungspersonal, ziehen sich durchaus wie ein roter Faden durch die Ge-­‐
schichte der Gemeinde. Die Gemeinde hat keine Krise ausgelassen – und aus jeder gelernt. Es ist faszinierend zu sehen, dass Sie nach 37 Jahren noch so jung erscheint. Man wird zu-­‐
gleich angenehm ernüchtert: Auch diese Gemeinde machte erhebliche Fehler, und auch in dieser Gemeinde stellten sich teils heftige Krisen ein. Ich nenne nur vier dieser Lernerfah-­‐
rungen, die zu einem Umsteuern in der Gemeindearbeit führten: Lernerfahrungen und Kurskorrekturen
1. Eine erste Krise kam relativ schnell: Die Gemeinde wuchs, aber das große Wachstum bedeutete auch: Das Ganze wurde sehr unpersönlich. Der Einzelne verschwand in der großen Menge. Viele Menschen wurden erreicht, und das nicht nur durch den Trans-­‐
fer aus anderen Gemeinden, sondern tatsäch „unchurched Harry and Mary“, die unkirchlichen und gänzlich entkirchlichten Menschen im suburbanen Umfeld von Chicago. Aber sie wurden eben auch nur erreicht und nicht verändert; sie wuchsen nicht. Viele gingen auch wieder fort. Erst als Willow Creek ein Netzwerk von über-­‐
schaubaren Kleingruppen schuf, änderte sich. Seither gibt es auch in Willow Creek diesen typischen Zweiklang: Vollversammlung im Gottesdienst und persönliche Ge-­‐
meinschaft in der Kleingruppe. 2. Wenn man große US-­‐amerikanische Gemeinden zu schnell mit dem politisch rechten Lager identifiziert, das sozial eher unsensibel ist und politisch stramm konservativ, dann hat man bei vielen jüngeren evangelikalen Gemeinden nicht richtig hinge-­‐
schaut.11 Die architektonische Entscheidung ist eine theologische: Jeder, der zum Gottesdienst kommt, soll sehen, dass es der Gemeinde um die Bekämpfung von Ar-­‐
mut mit gleicher Leidenschaft geht. Und jeder, der zum Care Center kommt, soll se-­‐
hen, dass diese Gemeinde leidenschaftlich gern Gott anbetet und auf sein Wort hört. Willow Creek hat nicht nur – wie eingangs erwähnt – einen starken seelsorglichen Arbeitszweig. Die Gemeinde ist auch der größte diakonische Dienstleister in der ge-­‐
samten Umgebung. Es gibt eine Food Pantry („Tafel“), es gibt Rechtsberatung und Arbeitsvermittlung, es gibt die „Car Ministries“, wo mittellose Menschen eine Auto-­‐
reparatur oder auch ein Auto bekommen können. Etwa 12.000 Haushalte werden über das Care Center unterstützt. Ungefähr 100 Autos im Jahr werden repariert und weitergegeben, z.B. an alleinerziehende Mütter. Es gibt Partnerschaften mit sozial engagierten Kirchengemeinde im Großraum Chicago und weltweit. Die Gemeinde gibt von allen Einnahmen 10% für „Compassion and Justice“. Und das alles wird ver-­‐
11
Vgl. Marcia Pally 2010. Seite 5 knüpft mit politischer Stellungnahme, mit Anwaltschaft („advocacy“) z.B. für die zahl-­‐
reichen illegalen Immigranten. Bill Hybels unterstützt hier das Vorhaben von Barack Obama, diese Immigranten einzubürgern. Und damit sind wir wieder bei dem theolo-­‐
gisch erst etwas schwer verdaulichen Satz: „Die Ortsgemeinde ist die Hoffnung der Welt“. Als lutherischer Theologe liegt mir sofort auf der Zunge: „Nein, Christus ist die Hoffnung der Welt!“ Und niemand in Willow Creek würde mir da widersprechen. Beim 35. Geburtstag 2010 sagte Bill Hybels aber Folgendes: „We have been living out what it means to be the hands and feet of Jesus in our community for our neighbors in need.”12 Christus hat demnach einen zweiten Wohnsitz auf Erden, die Gemeinde ist mit Worten Dietrich Bonhoeffers „Christus als Gemeinde existierend“. Lebt sie, wie es ihrem Wesen entspricht, entschieden für andere, wirkt also der Gekreuzigte und Auferstandene durch sie auf Erden, dann kann es auch in diesem abgeleiteten Sinn heißen: Die Ortsgemeinde ist die Hoffnung der Welt. Man mag immer noch ein bisschen zurückhaltend sein und sagen: Das könnte auch zu Hochmut führen. Aber der Zusammenhang, in dem etwa Hybels davon redet, ist eher der einer sehr wach-­‐
samen und mitfühlenden Wahrnehmung schlimmer sozialer und prekärer persönli-­‐
cher Verhältnisse. Damit haben wir den dritten Grund meiner Sympathie für Willow Creek: Ihre Mission integriert aufrichtig und fachkundig Wort und Tat. Die Creeker sind fantasie-­‐ und taktvolle Evangelisten und sie sind mitfühlende, fachkundige und politisch aufgeklärte Diakoniker. Diese Verbindung erlebt man nicht so oft. 3. Eine dritte Lernerfahrung erwuchs aus der Einsicht, immer noch eine sehr weiße, an-­‐
gelsächsische Mittelschichtgemeinde zu sein. Als das deutlich wurde, hat die Ge-­‐
meinde einen heftigen Umschwung in Richtung „Diversität“ und „Inklusion“ vollzo-­‐
gen. Es ist nur die Außenseite dieser Kehrtwendung, dass nun auf der Bühne stets da-­‐
rauf geachtet wird, dass alle Ethnien aus dem Großraum auch vertreten sind, alle Al-­‐
tersgruppen und eben auch Frauen wie Männer. Dies setzt sich auch in der Mitarbei-­‐
terschaft fort und bei den Hauptamtlichen. Eine gottesdienstliche Versammlung ist die spanisch sprechende Gemeinschaft von „casa de luz“ (Lichthaus). 60% dieser Got-­‐
tesdienstbesucher halten sich illegal im Land auf. Die Gottesdienste werden über-­‐
setzt ins Spanische, Chinesische, Polnische, Koreanische und – Sie dürfen staunen: -­‐ ins Deutsche. 4. Als Willow Creek merkte, dass etliche, die schon länger mit dabei waren, unzufrieden waren oder auch die Gemeinde verließen, gab sie eine externe Studie in Auftrag. Sie wollte wissen, was da los ist.13 Die sogenannte REVEAL-­‐Studie zeigte: Viele Christen in der Gemeinde fühlen sich unterfordert. Sie möchten geistlich wachsen und haben das Gefühl, das in der Gemeinde nicht zu können und nicht genug unterstützt zu werden. Willow Creek entwickelte daraufhin ein Bildungsziel für Christen. Menschen kommen als Suchende, als „seeker“, sie fangen dann hoffentlich an, den Glauben zu erkunden und erste Schritte in der Nachfolge zu wagen. Sie leben als Christen, aber der Glaube durchdringt noch keineswegs alle Lebensbereiche. Das aber wäre das Ziel: ein christuszentriertes Leben, in dem der Glaube immer mehr im Zentrum steht und alles andere heilsam und förderlich durchdringt. Wir haben mit der „Einbahnstraße“ hier vielleicht ein paar rechtfertigungstheologische Probleme. Aber was ich faszinie-­‐
rend finde, ist das Bestreben, dass die Glaubenden wachsen können, das sie nicht 12
Vgl. https://itunes.apple.com/de/podcast/willow-­‐creek-­‐community-­‐church/id327828246 -­‐ aufgesucht am 8. März 2013. Übersetzung (M. Herbst): Wir leben nun das aus, was es bedeutet, die Hände und Füße von Jesus in unserer Umgebung für unsere Nächsten in Not zu sein.“ 13
Vgl. Greg L. Hawkins und Cally Parkinson 2007; Greg L. Hawkins und Cally Parkinson 2009. Seite 6 Kleinkinder im Glauben bleiben, die nur Milch vertragen, sondern mündige Töchter und Söhne Gottes werden. Willow Creek hat daraus etliche Konsequenzen gezogen und ein paar heilige Kühe geschlachtet. Lange gab es einen Gemeindegottesdienst in der Mitte der Woche und einen suchersensiblen Gottesdienst am Wochenende. Sie haben den Gottesdienst in der Wochenmitte ersetzt durch eine Vielzahl von gemein-­‐
depädagogischen Lernorten, mit Angeboten, in irgendeinem Bereich vertiefte Kennt-­‐
nisse und Fertigkeiten zu erwerben. Und sie haben im Gottesdienst am Wochenende die Möglichkeiten zur Beteiligung erweitert und vermehrt auch Themen der Glau-­‐
bensvertiefung und des Lebens in der Nachfolge in die Wochenendgottesdienste in-­‐
tegriert.14 5. In eine ähnliche Richtung ging die Entscheidung, das Leben in der Nachbarschaft stärker in den Blick zu nehmen. Sie müssen sich klarmachen: Die Siedlungsstruktur im Großraum Chicago ist so weiträumig, dass Sie ohne Auto nirgendwo hinkommen. Aber je größer die Gemeinde wurde, desto größer wurden auch die Entfernungen, die die Gemeindeglieder zu überwinden hatten. Willow Creek sah auch hier Grenzen des Wachstums. Außerdem fanden es die Verantwortlichen wichtig, dass die Christen ihr Leben mit ihren Nachbarn teilen und dort, wo sie leben, Gemeinde erleben. Man könnte fast sagen: Nach 30 Jahren entdeckte Willow Creek den Charme der Parochie. Jedenfalls begründete die Gemeinde fünf „regional sites“, also regionale Tochterge-­‐
meinden, die eigene Mitarbeiterteams haben, eigene Gottesdienste (meist mit der Predigt aus der Zentrale über Video) und ein eigenes Gemeindeleben, durchaus mit der Absicht, diesen Prozess der Tochtergründungen zu vervielfältigen. Niemand sollte mehr als 30 Minuten zur Kirche fahren müssen (das gilt dann noch als nah!). 6. Relativ bekannt war Willow Creek auch stets für seinen Kindergottesdienst „Promise Land“, einen erlebnisstarken Kindergottesdienst für etwa 2.500 Kinder an jedem Wo-­‐
chenende. Hier sah man zwar, dass Promiseland mit seinen Spielstraßen, der kindge-­‐
rechten Worship-­‐Zeit und den festen Kleingruppen wirklich ein Highlight für die Kin-­‐
der war, dass aber der Kindergottesdienst nicht mit dem Leben in der Woche und der Familie verknüpft war. Man überdachte das Konzept noch einmal komplett neu, und der neue Denkansatz heißt nun: Orange: Orange ist die Farbe, die aus „gelb“ und „rot“ entsteht. Gelb steht für das Licht der Gemeinde, rot für die Liebe der Familie. Wenn Kindergottesdienstmitarbeiter „orange“ denken, dann versuchen sie, die Ver-­‐
antwortung der Eltern zu stärken und Eltern Hilfen zu geben, auch zu Hause mit den Kindern den Glauben zu erkunden und Glauben zu leben, etwa durch kleine Rituale, die im Kindergottesdienst wurzeln und zu Hause fortgesetzt werden.15 Noch ein paar Fakten und eine theologische Zusammenfassung
Ich habe mir gedacht, dass Sie vielleicht die Leitungsstruktur interessiert. Bei etwa 500 Hauptamtlichen und einigen Tausend Ehrenamtlichen ist das keine Kleinigkeiten, zumal das 14
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Bill_Hybels -­‐ aufgesucht am 9. März 2013: „Willow Creek's three weekend services were more ‚seeker sensitive’, but have now become less so, since the ‚Reveal Study’ which showed members desiring a deeper dive focused on scripture and spiritual growth. Most recently (September 2011), Willow brought an even deeper dive into scripture by promoting Shane Farmer as Discipleship Director, and having him lead the Mid-­‐week experience, meeting on Wednesday evenings.“ 15
Vgl. Karsten Böhm und Jonathan Rauer 2013. Oliver Ahlbrecht von Willow Creek Deutschland beschreibt das so: Aus „der schönsten Stunde der Woche“ bei Promiseland wurde „partnering with parents to create a faith that sticks“. Seite 7 Budget der Gemeinde alles in allem etwa 50 Mio $ umfasst. Die Leitungsstruktur ist relativ komplex: Es gibt einen zwölfköpfigen Ältestenkreis, zu dem qua Amt auch Bill Hybels gehört. Er ist diesem Ältestenkreis verantwortlich. Der Ältestenkreis hat die Gesamtverantwortung, wirtschaftlich und strategisch. Daneben gibt es den Kreis der Pastoren, die für die Gottes-­‐
dienste zuständig sind. Und dann gibt es als dritte Leitungsebene das Leadership Team, zu dem die Leiter der vielfältigen Arbeitsbereiche wie z.B. der Jugend-­‐ und Junge-­‐Erwachsenen-­‐
Arbeit gehören. Dieses Leadership-­‐Team leitet der Executive Pastor Greg Hawkins. Bill Hyb-­‐
els ist der Gründer der Gemeinde, er ist mit einer kurzen Unterbrechung fast durchgängig der Senior Pastor gewesen, er ist eine Art Vorstandsvorsitzender (CEO) und sicher die chsa-­‐
rismatische Führungsperson, um die sich vieles dreht – und dessen Nachfolge wahrscheinlich einige Schwierigkeiten machen wird. Für Leipzig 2014 ist nun die Willow Creek Association wichtig.16 Sie steht für den internatio-­‐
nalen Einsatz von Willow Creek. Es ist eine eigene Organisation mit etwa 30 Mitarbeitern. Willow Creek veranstaltet in vielen Ländern rund im den Globus Kongresse über Gemein-­‐
deaufbau und Gemeindeleitung mit nationalen Partnern wie Willow Creek Deutschland (zu-­‐
letzt 2012 in 90 Ländern und über 300 Städten). Im Netzwerk Willow Creek Deutschland mit einer kleinen Geschäftsstelle in Gießen zählen gut 300 Gemeinde, etwa 50/50 aus Landeskir-­‐
chen und Freikirchen. Dazu kommt der Global Leadership Summit, immer am zweiten Au-­‐
gust-­‐Wochenende in Chicago, der an viele Orte weltweit übertragen wird und exzellente Referenten versammelt. Das Prinzip ist übrigens dies: Neben Rednern, die theologisch gut zu Willow Creek passen, werden auch säkulare Redner eingeladen, weil sie etwas Besonderes für die Themen Führung und Leitung beitragen können. Dies können Politiker sein, Wirt-­‐
schaftsführer, Wissenschaftler. Meist ist die Rednerliste extrem lukrativ und prominent be-­‐
setzt. In Deutschland gibt es seit 1996 im zweijährigen Abstand solche Leitungskongresse.17 Der Begriff darf nicht zu eng verstanden werden: Es geht im Grunde um persönliches Wachstum, um Führungsqualitäten, um missionarische Leidenschaft, um das Durchstehen von Krisen und Schwierigkeiten und um Grundfragen des Gemeindeaufbaus. Es begann 1996 in Ham-­‐
burg. Seither gab es Kongresse in Nürnberg, Erfurt, Bremen, Oberhausen, Karlsruhe, zuletzt 2012 in Stuttgart. Zwischen 4.000 und 10.000 Menschen nehmen an diesen Kongressen teil. Was erwartet sie im Februar 2014? Einfach gesagt: eine absolut professionell durchgeführte Großveranstaltung erwartet Sie. Ziemlich viel „Frontalunterricht“: also Vorträge, einige auf Englisch (und dann übersetzt), einige auf Deutsch, und in diesem Fall – besonders kompli-­‐
ziert – einer auf Schweizerdeutsch und ich fürchte: ohne Übersetzung, dafür aber langsam. Umrahmt werden die Vorträge von Videoclips, kurzen Theaterstücken, ein paar Interviews und viel Musik. Die Musik machen deutsche und amerikanische Musiker gemeinsam. Der Sound ist Mainstream-­‐Pop, der Stil typische Worship-­‐Songs. Aber vielleicht staunen Sie über eines: Die meisten Lieder werden auf Deutsch gesungen, ein paar kirchliche Klassiker sind vielleicht auch dabei. Und die amerikanischen Musiker haben die deutschen Texte auswen-­‐
dig gelernt. Es wird kleinere Nebenveranstaltungen geben, z.B. für alle Theologiestudieren-­‐
den. Es gibt viele Messestände mit Informationen kirchlicher Werke. Es gibt einen beeindru-­‐
ckend großen Büchertisch. Und es gibt immer einen Empfang für die gastgebende Landeskir-­‐
che. Willow Creek Deutschland legt großen Wert darauf, einen solchen Kongress nicht neben dem kirchlichen Leben zu platzieren, sondern in enger Verbindung mit der Kirche, in der man 16
Vgl. Rainer Schacke 2009, 41-­‐43. Vgl. http://www.willowcreek.de/ueber-­‐willow-­‐dch/geschichte -­‐ aufgesucht am 10. März 2013. 17
Seite 8 zu Gast ist. Und noch etwas wird Ihnen auffallen und das ist der vierte Grund für meine Sympathie für Willow Creek: Es gibt eine Armada ehrenamtlicher Helfer, die alle Gäste freundlich begrüßen und als Ordner höchstfreundlich dafür sorgen, dass alles reibungslos abläuft. Etliche dieser Helfer werden Gemeindeglieder aus South Barrington sein. Ich habe einmal einen Kreis dieser Ehrenamtlichen drüben bei einem Grillfest kennen gelernt. Es sind Menschen aus allen möglichen Berufen, zum Teil mit hoher Verantwortung, aber auch schlichte Menschen. Sie bezahlen selbst für ihre Reise und sie tun das aus einem einzigen Grund: Sie möchten der Kirche Jesu in Deutschland dienen. Das finde ich beeindruckend. Eins nach zur Tagung: Es gibt am Tag vor dem eigentlichen Kongress einen Seminartag mit einigen der Referenten. Der Leitungskongress hat ein Thema: Zwischenland. Das ist eine Anspielung auf einen Vor-­‐
trag von Jeff Manion beim letzten Kongress in Stuttgart: das Zwischenland, die Wüste zwi-­‐
schen der ägyptischen Gefangenschaft und dem verheißenen Land, in dem Milch und Honig fließen. Es ging um die Durststrecken, die Zeiten der kleinen Anfänge, die Rückschläge, es ging darum, dass Gott uns Wüste zumutet, wenn er uns dem neuen Land entgegenführt. Ein sehr seelsorgliches Thema für die, die zu Hause nicht Willow Creek haben, nicht einmal an-­‐
satzweise, sondern kleinste Zahlen, unsichere Zukunft und viel Zagen und Zögern. Es ist ty-­‐
pisch für die Willow-­‐Creek-­‐Kongresse, die Zuversicht und den Zweifel anzusprechen, die Dy-­‐
namik und das Dunkle, die Verheißung und die Anfechtung. So wird es auch 2014 sein. Ne-­‐
ben den amerikanischen Rednern, angeführt von Bill Hybels, Heather Larson und John Ort-­‐
berg gibt es seit 2005 immer auch deutschsprachige Beiträge, im nächsten Jahr z.B. von dem Geigenbauer und Bestsellerautoren Martin Schlieske und dem Schweizerischen Kirchenprä-­‐
sidenten Gottfried Locher, der zugleich Präsident der Leuenberger Kirchengemeinschaft (GEKE) ist. Dazu kommt Pranitha Timothy, die in Indien gegen Sklaverei und Human Traffi-­‐
cking arbeitet. Und Phil Potter wird da sein aus der Church of England, einer der Protagonis-­‐
ten des mission-­‐shaped Aufbruchs in England. Sie werden auf Mike Householder treffen, einen lutherischen Pfarrer aus den USA, der sehr auf Kleingruppen und ehrenamtliches En-­‐
gagement setzt und auf Kara Powell vom angesehenen Fuller Institute in Los Angeles, eine Expertin für Jugendarbeit. Ich will nun diesen ersten großen Teil meines Vortrags zusammenfassen. Dabei hilft mir Dar-­‐
ren Whitehead, einer der Pastoren von Willow Creek, der gerade ausgeschieden ist und in seiner Abschiedspredigt noch einmal zusammentrug, was er für das Wesentliche an Willow Creek hielt. Es sind „five lessons“, für uns Deutsche: fünf Punkte: 1. „Love matters most“. Natürlich ist Glaube entscheidend, aber die Liebe zu Menschen zählt am meisten (1 Kor 13). Und sie äußert sich, indem Menschen in ihrem Alltag, in ihren Kämpfen, Niederlagen, Siegen, in Freude und Not erfahren: Ich bin nicht allein. Meine Gemeinde trägt mich. Und Außenstehende erleben: Die haben Interesse an mir, ich zähle, nicht als mögliches Gemeindeglied, sondern als Mensch. Sie verurtei-­‐
len mich nicht und sie stehen mir bei. Love matters most. 2. „It’s o.k. not to be o.k.“ Ein starker Satz. Ich dachte wieder an Bonhoeffer: Dürfen wir in der Gemeinde wirklich Sünder sein? Oder zeigen wir nur eine rechtschaffene Fas-­‐
sade. Wenn Menschen durchblicken lassen, dass sie durch eine schwierige Phase ge-­‐
hen oder problematische Entscheidungen jetzt ihren Preis fordern, dann soll es hei-­‐
ßen: Willkommen in der Familie! Wir sind alle „Baustellen“, „work in progress“. It’s o.k. not to be o.k.“ Seite 9 3. „Reaching people is worth the risk!“ Mit Bezug auf das Gleichnis von den verlorenen Söhne (Lk 15) sagt es Whitehead so: „From its very inception Willow has been a church that is passionate about reaching people far from God.“ Nicht ein Transfer von Frommen aus einer Gemeinde in die andere ist das Ziel, sondern Menschen „far from God“. Und da wieder gerade die, die es nicht für möglich halten, dass Gott sie liebt. 4. „Diversity in the church is a glimpse from heaven!“: Am Beispiel der Gemeinde von Antiochia (Apg 11) zeigt Whitehead, dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit zum Leib Christi gehören. Das ist deshalb interessant, weil man so stark zielgruppenorientier-­‐
ten Gemeinden wie Willow Creek immer vorgeworfen hat, an der Trennung und Tei-­‐
lung mitzuwirken, die es gesellschaftlich gibt, anstatt sie zu überwinden. Willow Creek arbeitet mit Zielgruppen wie Spanisch sprechenden Immigranten, aber lebt so schnell es irgendwie geht Gemeinschaft, wo es nicht mehr Mann noch Frau, Grieche noch Jude, Hispanic oder White Anglosacxon Protestants gibt. 5. „God is building his church“ (Mt 16). Gott baut seine Gemeinde, nicht wir. Es ist Got-­‐
tes Gemeinde, nicht unsere. Aber er nimmt uns hinein und ehrt uns, indem er uns mittun lässt, wenn er seine Gemeinde baut. So weit die Geschichte, die Idee und ein wenig von den Entwicklungen und ein kleines biss-­‐
chen von der Organisation. Nun aber zu uns: Was haben wir, was haben Sie in Sachsen da-­‐
von, wenn dieses Gemeinde aus dem mittleren Westen der USA hier mit ein paar deutschen Partnern einen Kongress veranstaltet?18 Wie sähe also nach dem ALDI-­‐ und dem APPLE-­‐
Check der Willow Creek Check aus? Ich mache Ihnen ein paar Vorschläge. Der Willow Creek Check
Das ist also der Willow Creek Check: Was verstehen die Willow-­‐Creek-­‐Leute, die nach Leipzig kommen, von der deutschen, besonders von der ostdeutschen Kirchenlandschaft? O.k., hier hilft nur Ehrlichkeit: Machen wir uns also nichts vor, die „Amis“ verstehen sehr wenig von unserer landeskirchlichen Situation. Sie leben in einer völlig anderen „Religions-­‐
kultur“.19 Sicher gibt es mehr gläubige Menschen in den USA als bei uns, aber die Entste-­‐
hungsgeschichte der USA ist eine Geschichte der Flucht vor der Verfolgung anders Glauben-­‐
der. Und darum ist Religionsfreiheit ein hohes Gut: Freiheit davor, glauben zu müssen wie die Mächtigen oder die Mehrheit, Freiheit dazu, glauben zu dürfen, was dem eigenen Gewis-­‐
sen einleuchtet. Die Religionskultur der USA ist also einerseits erstaunlich religionsfreund-­‐
lich, andererseits sehr am „disestablishment“ interessiert. Alle Kirchen sind nach unserer Logik Freikirchen. Kirchensteuer wäre undenkbar. Die Kirchen konkurrieren miteinander, der Wechsel der Loyalitäten geschieht rascher, man ist es gewohnt, sich eine Gemeinde zu su-­‐
chen, die zu einem passt. Unsere Kultur der eher „hinkenden“ oder auch fördernden Tren-­‐
nung von Staat und Kirche ist den Amerikanern fremd. Sie wissen nicht, wie Kirchensteuer funktioniert, was das Parochialsystem ist, welchen Status ein Pfarrer bei uns hat und vieles mehr. Und manchmal lugt dieses Nicht-­‐Wissen durch, wenn sie z.B. darüber reden, wie sich ein Pfarrer im Gottesdienst kleidet oder wenn auch die Bedeutung des Spendens und Op-­‐
ferns ganz aus der Perspektive von Gemeinden gesehen wird, die es morgen nicht mehr gä-­‐
be, wenn heute die Mitglieder aufhörten zu opfern. 18
Vgl. generell zum Lernen von Willow Rainer Schacke 2009, aber auch Silke Obenauer 2008. Vgl. Martin Reppenhagen 2011. 19
Seite 10 O.k., hier hilft nur Ehrlichkeit! Machen wir uns nichts vor: Es kommt der spezielle konfessio-­‐
nelle Hintergrund von Willow Creek hinzu. Willow Creek ist der Theologie nach eine baptisti-­‐
sche Gemeinde. Sie ist keiner Denomination angeschlossen, aber ihr Taufverständnis und ihre Taufpraxis sind eindeutig baptistisch. Die Tauffeiern im See auf dem Campus sind ext-­‐
rem berührend, aber dahinter steckt das Konzept der Glaubenstaufe. Auch das macht es schwer, sich in ein System hineinzudenken, das eben auch Säuglinge tauft, wiewohl wir ja im Osten auch einige Erwachsene taufen. O.k., hier hilft nur Ehrlichkeit! Machen wir uns nichts vor: Hinzu kommt das Alter der Ge-­‐
meinde. Sie ist jetzt im 38. Lebensjahr. Das ist nicht mehr ganz jung, aber: Es ist eine Ge-­‐
meinde, die im wörtlichen Sinn auf der grünen Wiese errichtet wurde. Sie hat weder den Schatz noch den Ballast großer Traditionen. Sie ist relativ rücksichtslos im Heuern und Feu-­‐
ern von Ideen. Gebäude werden nach Zweckmäßigkeit und Spendenstand errichtet oder auch umgebaut. Keine 800 Jahre alten Kirchen, keine bindenden Pflichten aus grauer Vor-­‐
zeit. Wie man als Gemeinde in einer langen Geschichte verankert ist, wissen die Freunde aus South Barrington nicht. Sie kennen aber auch die Ketten (noch) nicht, an denen eine Ge-­‐
meinde dadurch liegen kann. Ihnen ist Gabe und Grenze unserer Kirchenkultur unbekannt: unsere Orientierung am Kirchenjahr, unsere Liturgien und unsere Kirchenmusik. Umgekehrt wird manchem hier die moderne Inszenierung des Gotteslobs mit Video-­‐Clips und populärer und auch nicht immer ganz leiser Musik „ein bisschen ungewohnt“ erscheinen. O.k., hier hilft nur Ehrlichkeit! Machen wir uns nichts vor: Auch das religiöse Umfeld ist ein anderes. Auch in Amerika gibt es massive Abbrüche und Entkirchlichungswellen, aber wer hier jammert, tut es auf einem hohen Niveau. Die Ansprechbarkeit für religiöse Fragen ist erheblich größer, die Hemmungen, über Glauben und Gott zu reden, deutlich geringer. Der religiöse Markt vibriert. Es ist nur schwer für einen Menschen aus South Barrington vorstell-­‐
bar, wie eine säkularisierte Sonderlandschaft wie der gesamte deutsche Osten oder Tsche-­‐
chien sich für die Kirche „anfühlt“. Die intensive, tiefsitzende Glaubensferne, die „forcierte Säkularität“ (Monika Wohlrab-­‐Sahr), der Gewohnheitsatheismus in dritter Generation, die Normalität der Nicht-­‐Zugehörigkeit, die wechselseitige Abgrenzung von denen drinnen und draußen, die notwendige Behutsamkeit in aller kirchlichen Kommunikation – das ist sehr fremd, wenn man aus Chicago kommt. O.k., hier hilft nur Ehrlichkeit! Machen wir uns nichts vor: Diese Gemeinde ist eine Mega-­‐
Church, ihre Mitgliederzahlen und Finanzkraft sind beeindruckend, ihr Gebäude ähnelt eher einer großen Einkaufs-­‐Mall, das Management ist hochprofessionell. Kirchentheoretisch20 ist hier die Kirche als Organisation mit Zielen, Strategien, gezielter Umsetzung von Werten und konsequenter Arbeit an der Struktur nahezu perfektioniert. Kirche als lebendige Gemein-­‐
schaft ist hier in Kirche als professionell gesteuerte Organisation eingepflanzt. Anzumerken ist aber auf jeden Fall, dass Willow Creek die Marktförmigkeit begrenzt: Verkündigt wird kein marktförmiges Evangelium, das alle Ecken und Kanten vermissen ließe. So sehr man sich kulturell auf unkirchliche Menschen zubewegt, so sehr wird zugleich um die Klarheit und Wahrheit des Evangeliums gerungen. Für unsere Kirche hier dagegen gilt: Sie ist teils noch Kirche als Institution, also als vorgegebene alte Heimat, zu der man einfach gehört und die für alles Religiöse in der Gesellschaft einfach zuständig ist (wenn auch im Osten nur noch für einen Teil der Gesellschaft). Sie ist aber gerade mit der DDR-­‐Erfahrung der Minorisierung und Marginalisierung mindestens so stark Kirche als kleine, lebendige Gemeinschaft. 20
Vgl. Eberhard Hauschildt 2007, 56-­‐66; Eberhard Hauschildt 2012, 215-­‐232. Seite 11 Na, das ist ja super: Da bleiben ja nur zwei Fragen. Erstens: Warum sollten wir dann über-­‐
haupt diesen Kongress in unserer Landeskirche zur Kenntnis nehmen? Und zweitens: Was sollen denn unsere Gemeinden davon haben – außer dass sie vorgeführt bekommen, wie klein sie doch sind? Naja, Sie werden schon ahnen, dass das noch nicht mein letztes Wort war: Der mögliche Segen
Vor einigen Jahren war Eduard Berger, der ja meine pommersche und Ihre sächsische Kirche verbindet, in Chicago. Nach der Reise schrieb er an die ostdeutschen Bischöfe: „Ich habe die Willow Creek Gemeinde als Ort reizvollen Lernens, tieferen Begreifens meiner eigenen geist-­‐
lichen Biographie und als fruchtbaren Impulsgeber für das Bedenken unserer deutschen kirchlichen Lage erlebt. Überrascht hat mich vor allem, welche Auswirkungen es für den Umgang miteinander und für das Eingehen aufeinander hat, wenn die Menschen sich gleich-­‐
berechtigt fühlen und gleichwertig als Adressaten des Evangeliums behandelt werden.“21 Da kann ich mich gut anschließen: Wenn wir ohne Ärger anerkennen, dass das meiste in Chi-­‐
cago nicht zu vergleichen ist mit Leipzig, Zwickau, Görlitz, Sebnitz oder Reichenbach, dann können wir auch den Reiz den Fremden spüren. Es ist nicht mehr bedrohlich: Niemand, übri-­‐
gens auch niemand im Willow Creek Team wird erwarten, dass unsere Gemeinden so wer-­‐
den wie die in den USA.22 Niemand wird die Zahlen vergleichen. Niemand wird Kleinheit ver-­‐
achten. Niemand wird das Kopieren von Blaupausen empfehlen. Das alles dürfen wir getrost abhaken. Ich habe dennoch auch manches sehr Praktische etwa bei der Gestaltung alternati-­‐
ver Gottesdienste oder in der Verbindung von Diakonie und Glaubenszeugnis gelernt. Aber das ist nicht des Pudels Kern. Was aber ist des Pudels Kern? Reizvolles Lernen und fruchtbare Impulse, das ist es, was Eduard Berger vor 12 Jahren schrieb. Ein paar Dinge habe ich schon genannt, die ich hier nicht mehr ausführlich wiederhole: das behutsam und liebevoll veränderte Leben von Menschen, die Offenheit und Lernbereit-­‐
schaft, das starke Ehrenamt und auch die ganzheitliche Mission. Ich schließe mit einigen wei-­‐
teren guten Erwartungen an den Kongress im Februar 2014: Christen aus einer anderen Kultur, die ansteckend fröhlich an unseren Gott glauben. Ist das nicht grundsätzlich der Reiz ökumenischer Begegnungen: Die Christen aus der Ferne sind ganz anders und doch sind wir eins durch den gemeinsamen Glauben. Und sie beleben uns, stecken uns an mit der Freude und Zuversicht, mit der sie von Gott reden und ihn loben. Unterschätzen Sie das nicht: Wir neigen so oft zum Jammern, wir Deutschen. Von Willow Creek Kongressen bin ich immer wieder nach Hause ge-­‐
fahren und war geistlich neu vergewissert, getröstet, ermutigt, auch herausgefordert. Willow Creek Kongresse sind Feste des Glaubens. Man geht in der Tat ein bisschen frömmer raus als man rein kam. Man möchte die Bibel etwas neugieriger lesen und etwas erwartungsvoller beten. Man gewinnt Hoffnung für die eigene Gemeinde: Nein, es muss nicht einfach bergab mit uns gehen, es kann auch ganz anders kom-­‐
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Brief an die evangelischen Bischöfe der Kirchen in den neuen Bundesländern vom 16.12.2000. Sie werden auch erleben, dass es viel pauschale und unfaire Kritik an Willow Creek gibt; es lohnt sich immer, kritisch nach den Belegen zu fragen. Manchmal ist es eher eine anti-­‐evangelikale Attitüde, die eine unvoreinge-­‐
nommene Wahrnehmung von Willow Creek verhindert. 22
Seite 12 •
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men! Sollten wir da etwas dagegen haben? Das kann ein erster Gewinn für die Ge-­‐
meinden in Sachsen sein. Wir können weniger lernen, wie wir Gemeinde leiten und bauen sollen. Aber be-­‐
stimmten Haltungen werden uns empfohlen, die weit über eine (amerikanische) Kul-­‐
tur hinaus bedenkenswert sind: dass wir z.B. unsere Gemeinden von außen betrach-­‐
ten und noch ernsthafter prüfen, wie „barrierefrei“ sie sind für Menschen, die bisher in großem Abstand zu Kirche und christlichem Glauben standen. Oder dass wir nicht nur fragen, wie wir unsere Gemeinde um ihrer selbst willen erhalten, sondern auch was sie bedeuten kann für unser Umfeld, unser Dorf, unsere Stadt. Inwiefern sind wir ein Segen, weil wir der Stadt Bestes suchen? Und inwiefern erfahren die Menschen in allem auch, wie großartig Gott ist? Oder: Wie finden wir eine durch Gottes Wort ge-­‐
deckte Vision für unsre Gemeinde? Was ist die Zukunft, die Gott im Sinn hat, für un-­‐
sere kleine Gemeinschaft von Christen im Dorf oder in der Stadt? Die Kongresse set-­‐
zen Fantasie frei für den eigenen Kontext. Das ist sicher ein Gewinn, vor allem, wenn – wozu ich rate! – immer mehrere aus einer Gemeinde diesen Kongress gemeinsam erleben und zum Beispiel mit Hilfe einer DVD von einem der Programme das Die Referenten sind Leitungsprofis. Ich habe immer etwas Sinnvolles und Praktikables gelernt über das Leitungshandwerk.23 In Stuttgart 2012 z.B. sprach Andy Stanley, Pastor in Atlanta, über den Unterschied zwischen Problemen, die zu lösen, und Span-­‐
nungen, die auszuhalten sind – und darüber, wie gute Leiter mit diesem Unterschied umgehen können. In Karlsruhe 2010 sprach John Ortberg, presbyterianischer Pastor in San Francisco, über die Schattenmission von Leitern, also unsere Nebenabsichten und schwierigen Motive. Die deutschsprachigen Referenten werden dafür sorgen, dass es schon auf dem Kongress selbst einen Transfer in die deutsche Kirchenland-­‐
schaft gibt, eine Übersetzung, ein echtes Dolmetschen, damit der „Geist“ und nicht die „Methode“ am Ende die Besucher begeistert. Alles, was wir erleben werden, vermittelt aber diese Grundhaltung, die nach meinem Eindruck den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt: Love matters! People matter to God. People matter to us. Das ist einfach faszinierend, gerade wenn man nicht die berühmten Leute vorne sieht, sondern Christen aus der Gemeinde kennen lernt: Normale Leute, oft mit bitteren Erfahrungen im Rücken, ganz mit den Beinen auf dem Boden, aber in aller Gebrochenheit froh, auf dem Weg der Gesundung und vol-­‐
ler Liebe zu anderen, denen sie etwas von dem vermitteln wollen, was sie erlebt ha-­‐
ben. Love matters. People matter to God. People matter to us. Noch eine allerletzte Ehrlichkeits-­‐Bremse: Es gibt Besucher, und es wird sie auch in Leipzig geben, die den Kongress besuchen und im „Kopier-­‐Modus“ nach Hause fahren, dort etwas hochnäsig auf die bescheidenen Verhältnisse schauen und dann tüchtig auf die Nase fallen, vielleicht sogar Schaden anrichten. Das können sie bei keiner faszinierenden Präsentation guter Ideen ganz vermeiden. Ich bin aber sicher, dass das Zusammenspiel von Akteuren auf dem Kongress und Besuchern, wenn Gott Gnade gibt, zu einem gesünderen Lernen führt: Ermutigt, inspiriert, mit Hoffnung für die Kirche und einem neuen Blick für unkirchliche Mit-­‐
menschen werden die Christen heimkehren. Und das ist es wert! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 23
Vgl. Bill Hybels 2009. Seite 13 Literaturliste
Böhm, Karsten und Rauer, Jonathan: Denkt orange! Gemeinde und Familie -­‐ gemeinsam stark. Asslar 2013 Hauschildt, Eberhard: Hybrid evangelische Großkirche vor einem Schub an Organisationswerdung. PTh 96 (2007), 56-­‐66 -­‐-­‐-­‐: Organisation der Freiheit -­‐ "evangelisch Kirche sein" verändert sich. In: Kirchenamt der EKD (Hg.): Kirche im Aufbruch. Schlüsseltexte zum Reformprozess. Leipzig 2012, 215-­‐232 Hawkins, Greg L. und Parkinson, Cally: Reveal. Where are you? The answer will transform your church. Barrington, IL 2007 -­‐-­‐-­‐: Prüfen. Aufrüttelnde Erkenntnisse der REVEAL-­‐Studie. Asslar 2009 Hempelmann, Heinzpeter: Gott im Milieu. Wie Sinusstudien der Kirche helfen können, Menschen zu erreichen. Gießen 2012 (Kirche lebt -­‐ Glaube wächst) Hybels, Bill: Courageous Leadership. Grand Rapids, MI 2002 -­‐-­‐-­‐: Die Kunst des Führens. Asslar 2009 Hybels, Bill und Hybels, Lynn: Rediscovering Church. Grand Rapids 1995 Hybels, Lynne und Hybels, Bill: Ins Kino gegangen und Gott getroffen. Die Geschichte von Willow Creek. Wiesbaden 1996 Obenauer, Silke: Vielfältig begabt. Grundzüge einer Theorie gabenorientierter Mitarbeit in der evangelischen Kirche. Berlin 2008 (Heidelberger Studien zur Praktischen Theologie Bd. 14) Pally, Marcia: Die neuen Evangelikalen in den USA. Freiheitsgewinne durch fromme Politik. Berlin 2010 Reppenhagen, Martin: Auf dem Weg zu einer missionalen Kirche. Diskussion um eine 'Missional Church' in den USA. Neukirchen-­‐Vluyn 2011 (BEG Bd. 17) Schacke, Rainer: Learning from Willow Creek? Church Services for Seekers in German Milieu Contexts. A Theoretical and Empirical Study with Special Reference to Berlin. Göttingen 2009 Seite 14 Outtakes
Wenn man sich einige Zeit lang mit Willow Creek beschäftigt hat, dann begegnet man immer wieder bestimmten Sätzen, die zur DNS der Willow Creek Community Church in South Bar-­‐
rington IL gehören. Einer dieser Sätze lautet: „Where there is no vision the people perish“ (Spr 29:18). Das ist die King James Übersetzung, zu deutsch: Ohne Vision verdirbt das Volk. Wenn man einen Einstieg sucht, um Willow Creek kennen zu lernen, dann ist das nicht die schlechteste Wahl. Denn davon ist immer wieder die Rede: Wir sind eine Gemeinde mit ei-­‐
ner Vision. Eine Vision, die nicht unseren Wunschträumen entspringt, sondern die uns Gott anvertraut. Visionen, das ist immer wieder das Credo von Senior Pastor Bill Hybels, haben eine eigentümliche Kraft: Sie verleihen dem eigenen Tun in der Gemeinde Flügel: Sie erzeu-­‐
gen Leidenschaft, sie helfen zu sortieren, was eine Gemeinde tut und was nicht, sie dienen zur Überprüfung dessen, was am Ende wirklich herauskommt. Willow Creek ist eine Ge-­‐
meinde mit einer starken Vision. Die Gemeinde wird das Problem der großen Gründerväter haben. O.k., hier hilft nur Ehrlichkeit! Machen wir uns nichts vor: Das Konzept ist mentalitätstheore-­‐
tisch „modern“ und darum anstrengend für Prä-­‐ wie für Postmoderne. Es ist die technikbe-­‐
geisterte Modernität, die hier angesprochen wird. Es sind Menschen, die offen sind für Kir-­‐
che und Glauben, wenn sie Kirche und Glauben anders erleben, als sie es gewohnt waren. Seite 15