Two-Stage-GITBlow

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Two-Stage-GITBlow
Moritzer, Schäfers, Plugge
Two-Stage-GITBlow
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Zeitschrift Kunststofftechnik
Journal of Plastics Technology
© 2012 Carl Hanser Verlag, München
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archivierte, peer-rezensierte Internetzeitschrift des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Kunststofftechnik (WAK)
archival, peer-reviewed online Journal of the Scientific Alliance of Polymer Technology
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eingereicht/handed in:
angenommen/accepted:
06.05.2011
23.09.2011
Prof. Dr.-Ing. Elmar Moritzer, Dr.-Ing. Martin Schäfers, Dipl.-Wirt.-Ing. Thorsten Plugge
Kunststofftechnik Paderborn (KTP), Universität Paderborn
Two-Stage-GITBlow – Herstellungsverfahren für komplexe
und multifunktionale Spritzgießbauteile
Die Grundidee beim Two-Stage-GITBlow-Verfahren besteht darin, die Vorteile der Spritzgießtechnik
mit dem Prozess des Blasformens zu kombinieren. Dabei wird ein mittels Gasinjektionstechnik (GIT)
hergestellter Preform im Spritzgießwerkzeug aufgeblasen. In den letzten Jahren konnten auf Grundlage umfangreicher experimenteller Befunde eine Fülle spezifischer GITBlow-Verfahrensphänomene im
Bereich der aufgeblasenen Hohlraumanbindung detektiert werden. Basierend auf den vorliegenden
Ergebnissen werden in diesem Beitrag erste Rückschlüsse auf die entstehende Wanddickenhomogenität im Fertigteil getroffen. Hierfür werden die physikalischen Effekte mit den wesentlichen Einflussparametern in einen allgemeingültigen Zusammenhang gebracht.
Two-Stage-GITBlow – a process for complex and multifunctional injection molding parts
The GITBlow process combines the advantages of two established processes of gas injection technique (GIT) and blow moulding "inline", i.e. integrated in the injection moulding process. A hollow core
in the part, which has been created through GIT, is inflated further, enhancing a 2nd inflation of gas. In
recent years, based on extensive experimental findings, a large number of specific GITBlow process
phenomena relating to the inflation of moulded-on hollow areas have been identified. On the basis of
these findings, this contribution shows wide-ranging conclusions about the residual wall thickness homogeneity in the final part. For this purpose physical effects and basic parameters are taken into general consideration.
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Two-Stage-GITBlow – Herstellungsverfahren für
komplexe und multifunktionale Spritzgießbauteile
E. Moritzer, M. Schäfers, T. Plugge
1
EINLEITUNG UND AUSGANGSSITUATION
Die Grundidee beim Two-Stage-GITBlow-Verfahren (im Folgenden als
„GITBlow“ bezeichnet) besteht darin, die Vorteile der Spritzgießtechnik mit dem
Prozess des Blasformens zu kombinieren. Dabei wird ein mittels Gasinjektionstechnik (GIT) hergestellter Preform im Spritzgießwerkzeug aufgeblasen. In Bild
1.1 ist auf der linken Seite ein derartiger Preform abgebildet, der auf die entsprechende, größere Fertigteilgeometrie (rechts) verstreckt wird.
Bild 1.1:
GIT-Preform (links) und GITBlow-Fertigteil (rechts)
Durch die Verstreckung und die damit resultierende (vergrößerte) Hohlraumgeometrie ist dieses Verfahren z.B. für Tankbauteile in Waschmaschinen oder
Medienleitungen im Automobilbau geeignet. Die gegenüber GIT-Geometrien
vergrößerten und je nach Funktion und Wunsch auch komplexeren
Hohlraumgeometrien sind ein GITBlow-Alleinstellungsmerkmal im Rahmen der
Spritzgießsonderverfahren. Darüber hinaus können funktionale Elemente an
den Hohlraum angebunden werden. Einzelheiten zu bereits erfolgreich umgesetzten funktionalen Details werden in Kapitel 2.3 aufgeführt. Weiterführende
Informationen zum Blasformen und zur Gasinjektionstechnik können in [4], [7]
und [11] nachgelesen werden.
In Analogie zur Anwendung von Blaskörperbauteilen ist auch beim GITBlow die
Wanddickenhomogenität der Hohlraumgeometrie das entscheidende Kriterium.
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Ungleichmäßige Wanddickenverteilungen in einem Tankbauteil sind Schwachstellen, die es zu verhindern gilt.
Die Zielsetzung dieser Veröffentlichung liegt darin, den Aufblasvorgang dahingehend zu analysieren, dass eine erste auf Parametereinflüssen beruhende
Vorhersage zur Wanddickenhomogenität getroffen werden kann. Dabei sind die
physikalischen Effekte mit den wesentlichen Einflussparametern in einen Zusammenhang zu bringen.
Die Problemstellungen und Herausforderungen, die sich aus der Zielsetzung
ergeben, lassen sich mit dem folgenden, dreistufigen GITBlow-Prozessschema
verdeutlichen.
Bild 1.2:
GITBlow-Prozessschema
Abgebildet ist in Bild 1.2 von links nach rechts der Weg vom Spritzgussteil zum
GITBlow-Fertigteil inklusive der wirkenden Einflussparameter. Durch das abgebildete Prozessschema wird die Komplexität des Prozesses verdeutlicht.
GITBlow unterscheidet sich dabei sowohl von der Anzahl der Einflussparameter, der einzelnen Prozessstufen als auch im Aufblasverhalten von allen anderen, bereits etablierten Umformverfahren.
Es stellt sich die Herausforderung, das obige Prozessschema mit der Zielgröße
(Wanddickenhomogenität) auf einen „Nenner“ zu bringen. Hierfür werden in
Kapitel 3 zunächst die wesentlichen Grundüberlegungen zum Aufblasverhalten
vorgestellt. Im Anschluss werden die Ansätze aus Kapitel 3 mit den experimentellen Ergebnissen in Kapitel 4 verglichen und in Kapitel 5 in einen Zusammenhang gebracht. Durch den entstehenden Gesamtzusammenhang können zum
Ende der Veröffentlichung erste prozessoptimierende Gesetzmäßigkeiten zur
entstehenden Wanddickenhomogenität abgeleitet und aufgezeigt werden.
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2
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GRUNDLAGEN ZUM VERFAHREN
Im Folgenden werden die verfahrenstechnischen Grundprinzipien des GITBlowVerfahrens erläutert.
2.1
Prozessablauf
Bild 2.1:
Prozessablauf zum Two-Stage-GITBlow-Verfahren
Mit Schmelze- und anschließender Gasinjektion wird zunächst der GIT-Preform
hergestellt (1). Nach Ablaufen der Gashaltezeit, welche die Funktion des Nachdrucks übernimmt, und der Restkühlzeit wird das Werkzeug geöffnet. Mittels
Drehteller oder einer Indexplatte wird das Bauteil um 180° gedreht und vor die
Aufblaskavität bewegt (2). Nach Ablauf der sogenannten Handlingzeit (Bewegungszeiten des Werkzeugs) wird das Werkzeug wieder geschlossen (3). Während in der ersten Kavität der Preform für den nächsten Schuss produziert wird,
erfolgt in der Aufblaskavität der Aufblasvorgang vom Preform zum Fertigteil
durch Gasdruck (4). Nach Abkühlung des neuen Preforms und des entstehenden Fertigteils erfolgen die Werkzeugöffnung und die Entformung (5).
Die Aufblaskavität funktioniert wie in Bild 2.1 abgebildet über einen Backenmechanismus. Der Backenmechanismus erlaubt die Erzeugung und Entformung
von Hinterschnitten.
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2.2
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Anwendungsgebiete
Mit Hilfe von GITBlow ist es möglich, großvolumige Leitungen für flüssige und
gasförmige Medien im Spritzgießverfahren herzustellen. Des Weiteren wird mit
der Expansion der Hohlraumgeometrie das polare Widerstandsmoment erhöht,
was zu höheren Bauteilsteifigkeiten führt. Gepaart mit zusätzlichen ins Werkzeug eingelegten Verstärkungsstrukturen sind in Zukunft auch hybride Tragstrukturen denkbar.
Ein typisches, potentielles GITBlow-Anwendungsbeispiel für große Volumenströme ist das Bauteil in Bild 2.2. Es handelt sich um ein Luftführungsrohr aus
einem Wäschetrockner. Es ist etwa 400 mm lang, die größere Nennweite (links)
beträgt 95 mm, die kleinere (rechts) 80 mm.
Bild 2.2:
Luftführung aus einem Wäschetrockner
Dieses Rohr wird bereits im Spritzgießverfahren hergestellt, mit Hilfe von
GITBlow könnten aber ganz neue Geometrien realisiert werden. So wird das
Bauteil bisher durch Ziehen eines großvolumigen Kernes entformt, der sich
während des Spritzgießvorgangs im Hohlraum befindet und ihn vor dem
Entformen freigibt. Umlenkungen lassen sich mit dieser Technik im Gegensatz
zum GITBlow nicht realisieren, da der Hohlraum entweder nur gerade oder mit
einem konstanten Radius konstruiert werden kann. Durch die GITBlow-Technik
wird damit der Freiheitsgrad in der Hohlraumgeometriegestaltung im Vergleich
zur Kernzugtechnik deutlich erhöht.
Zur übersichtlichen Abgrenzung von anderen, etablierten Verfahren und
GITBlow, werden in Tabelle 2.1 die wesentlichen Einschränkungen gegenübergestellt.
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Etablierte Verfahren
Standard-Spritzgießen [2]
Standard-Gasinjektionstechnik
[7,10]
Wasserinjektionstechnik [9,12]
Streckblasformen [4,11]
Spritzgießen mit anschließendem Fügen
Thermoformen [13]
Einschränkung gegenüber GITBlow
Nur sehr einfache, offene Hohlräume möglich (Kernzug)
Größere Wanddicken und kleinere Gasblasenquerschnitte
Größere Wanddicken und kleinere Gasblasenquerschnitte, Wassereinsatz notwendig
Keine komplexen, „spritzgießtypischen“
kompakten Bauteilbereiche möglich
Zusätzlicher Arbeitsschritt, Zusatzteile wie
Clipse o.ä. notwendig
Keine komplexen, „spritzgießtypischen“
kompakten Bauteilbereiche möglich
Tabelle 2.1: Abgrenzung von GITBlow zu anderen Verfahren
Aus den beschriebenen Abgrenzungen können diverse Anwendungsgebiete
generiert werden. Bild 2.3 zeigt hierzu eine Übersicht. Die Beispiele der einzelnen Klassen sind das Ergebnis einer durchgeführten Industriestudie.
Medienleitungen
Kfz
GITBlow
Klassen
• Stoßfänger (Wischwasser)
• Befüllkanal (Waschwassertank)
• Klimaanlage
• Ansaugkrümmer
• diverse Funktionsbauteile
Kfz
• Stoßfänger
• Cockpit
• Innenverkleidung
• Motorraum
Sonstiges
Weißgeräte
• Abluftrohr (Trockner)
• Kondenswassertank (Trockner)
• Wasserzuleitung (Waschmaschine)
• Einspülkasten (Waschmaschine)
• Wasserableitung
• Sprüharm (Spülmaschine)
• Wärmetauscher (Spülmaschine)
• Wasserzu- und ableitung (Spülm.)
Kabelkanäle
Design
• großvolumige Kanten
(Möbel, Braungeräte)
Weißgeräte
• Blenden
• Gehäuse
Braungeräte
• Resonator (Lautsprecher)
• Transparenter Kanal für
Lichtschlauch
• Blenden
• Gehäuse
Sonstiges
• Tank (Kaffeemaschine)
• Wärmekachel (Fußbodenheizung)
Bild 2.3:
Einteilung möglicher GITBlow-Bauteile in Klassen
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2.3
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Anwendungsnahe Demonstratorgeometrie
Die in Bild 2.3 gesammelten Ergebnisse der Industriestudie wurden zusammen
mit den erwähnten technischen Verfahrensvorteilen (Freiheitsgrade in der Hohlraumkonzeptionierung und Anbindung funktionaler Details) bei der Umsetzung
einer GITBlow-Demonstratorgeometrie berücksichtigt, Bild 2.4. Die
Demonstratorgeometrie selbst ist mit keinem anderen Spritzgießverfahren herstellbar. Gleichzeitig ist sie die Grundlage der in dieser Veröffentlichung aufgeführten Untersuchungen und Analysen.
Überlauf zur
Nebenkavität
Trennstelle
Preform
Halteklammern
Fertigteil
Gasinjektionspunkt
Außengewinde
Ansicht
von unten
Bild 2.4:
Preform- und Fertigteilgeometrie der anwendungsnahen
Demonstratorgeometrie
Linksseitig ist der GIT-Preform und rechtsseitig die GITBlow-Fertigteilgeometrie
abgebildet. Neben der Hohlraumkonzeptionierung wurde darauf geachtet, über
die Anbindung von funktionalen Details das Potential des Verfahrens zu unterstreichen; wie z.B. Einbringung eines Aussengewindes zum Schließen des
Hohlraums über einen Deckel oder Halteklammeranbindungen zur einfachen
Montage des Bauteils in einem Motorraum.
Nach der erfolgten Vorstellung des Demonstratorbauteils wird dem Leser nun
die Wanddickenbestimmung dargelegt. Das Verständnis zur Bestimmung und
Definition der Wanddickenhomogenität ist eine wichtige Voraussetzung für die
in Kapitel 4 und 5 durchgeführten Wanddickenanalysen.
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2.4
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Grundlagen zur Wanddickenbestimmung
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Zunächst werden in Bild 2.5 die Messstellen und Messpunkte an der Bauteilgeometrie gekennzeichnet.
Bild 2.5:
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1 n 17
n i1
Preformgeometrie quer geschnitten (links), Fertigteilgeometrie quer
geschnitten (rechts) und Fertigteil längs geschnitten (unten)
Zur Bestimmung der Wanddickenhomogenität in der Fertigteilgeometrie werden
an einer Messstelle 17 Messpunkte festgelegt und ausgemessen. Mit den 17
gemessenen Werten zur Wanddicke wird die Wanddickenhomogenität (Ω) bestimmt, die in der folgenden funktionalen Beziehung dargestellt ist.
x xi
2
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x Wanddickenmittelwert
x Wanddicke
i Messpunkt
(Gl. 1)
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Es lässt sich für die kommenden Ergebnisse festhalten: je niedriger der resultierende Wert für Ω, desto homogener liegt die Wanddickenverteilung im Fertigteil
vor.
Im Rahmen aller Parameterstudien wird mit Gl. 1 jeweils die Wanddickenhomogenität von fünf Bauteilen pro Versuchspunkt berechnet. Im nächsten Schritt
wird aus diesen fünf Werten das arithmetische Mittel bestimmt. Zur Beurteilung
der Wanddickenreproduzierbarkeit lässt sich an dieser Stelle sagen, dass die
maximale Standardabweichung der fünf Ω-Werte pro Versuchspunkt bei 0,08
mm lag. Damit lässt sich eine gute Prozessreproduzierbarkeit detektieren.
Für die kommenden Wanddickenerhebungen wurde exemplarisch Messstelle 2
festgelegt.
3
DAS AUFBLASVERHALTEN
Auf Basis der verfahrenstechnischen Grundprinzipien aus Kapitel 2 sollen nun
die wesentlichen, physikalischen Effekte zum Aufblasverhalten vorgestellt werden. Aus den Effekten werden Annahmen zur Wanddickenhomogenität abgeleitet, die dann mit den experimentellen Ergebnissen in Kapitel 4 verglichen werden.
3.1
Vergleich und Abgrenzung
Das Aufblasverhalten im GITBlow-Prozess unterscheidet sich erheblich von den
etablierten Aufblasverfahren, wie z.B. dem Streckblasformen oder dem
Extrusionsblasformen. Um die wesentlichen Unterschiede zu verdeutlichen,
sind in Bild 3.1 zunächst die qualitativen Temperaturverteilungen und die
Grundgeometrien
des
GITBlow-,
des
Streckblasformund
des
Extrusionsblasformverfahrens dargestellt.
Bild 3.1:
Vergleich der qualitativen Temperaturverteilung und der Streckwinkel
eines GITBlow-Preforms (rechts) im Vergleich zum Streckblasformen
(Mitte) und zum Extrusionsblasformen (links).
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Vier wesentliche Unterschiede können aus Bild 3.1 identifiziert werden:
1. Beim Extrusionsblasformen und beim Streckblasformen erfolgt die
Verstreckung der kreisrunden Vorformlinge über 360° in die größere
Aufblasgeometrie. Beim GITBlow dagegen wird der Preform über 180° in
eine kreissymmetrische Aufblasgeometrie verstreckt.
2. Die GITBlow-Preformgeometrie ist im Gegensatz zu den beiden anderen
Vorformlingen nicht kreisrund, sondern glockenförmig. Die Glockenformgeometrie setzt sich dabei aus einem Rechteck und einem Halbkreis zusammen. Diese Geometriefestlegung basiert auf Voruntersuchungen, in
denen sich diese Struktur als eine geeignete Grundgeometrie herausstellte. Dreieckige oder viereckige Preformgeometrien konnten dagegen
als nur bedingt bis schlecht geeignet bewertet werden [1].
3. Die Temperaturverteilung über dem Umfang und innerhalb der Wand des
Preforms ist aufgrund der Bodenplatte und der vorhandenen größeren
Kühlangriffsfläche im Dach nicht homogen. Das Preformdach ist somit
immer der Bereich mit dem niedrigsten Temperaturniveau. Das bedeutet,
es liegt ein Temperaturgradient zwischen Preformdach und
Preformflanke vor.
4. Im Unterschied zum Streckblasformen liegt beim GITBlow-Verfahren am
äußeren Rand der Preformwand tendenziell ein niedrigeres Temperaturniveau vor als im Inneren.
Aufgrund der aufgeführten geometrischen und thermischen Unterschiede ist die
Ausgangssituation beim GITBlow vor dem Aufblasen nicht vergleichbar mit anderen Umformverfahren und somit vollkommen neu.
3.2
Theoretische Annahmen zum Aufblasverhalten
Ein möglicher Ansatz, um das tatsächliche Aufblasverhalten im GITBlowProzess vorherzusagen, ist die Betrachtung über Dehndeformationen. Hierbei
verfügt der Preform, seinem Temperaturniveau entsprechend, über einen materialspezifischen Widerstand gegen Verformung. Dieser Widerstand muss vom
Aufblasdruck überwunden werden, um den Preform zu verstrecken. Je höher
das Temperaturniveau und je niedriger die Wanddicke ist, desto geringer fällt
der entgegengebrachte Widerstand aus.
Diese Zusammenhänge scheinen zunächst trivial. Interessant und komplexer
wird die Betrachtung im Zusammenspiel von Temperaturniveau und Temperaturgradient im Preform. Dieses Zusammenspiel soll nun erörtert werden.
Mittels der Finiten Differenzen Methode (FDM) wird dafür zunächst die Temperaturverteilung im Preform eindimensional berechnet. Die mit dem Programm
Microsoft Excel berechneten Ergebnisse sind für die wesentlichen Prozessphasen in Bild 3.2 dargestellt.
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Bild 3.2:
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FDM-Temperaturverlaufberechnung über Preformwanddicke (0X)
und Prozesszeit
Die Berechnung der abgebildeten Temperatur- und Zeitverläufe ist über Hintereinanderschaltung der jeweiligen Randbedingungen möglich:
Phase 1 und 2: Konstante Kontaktkühlung über Werkzeuginnenwand bei
60°C Werkzeugtemperatur
Phase 3: konvektive Wärmeabfuhr über die ruhende Luft mit einem
Wärmeübergangskoeffizienten α = 4,95 W/m2 K
Materialkennwerte für PS: Wärmeleitfähigkeit λ = 0,165 W/m K, Wärmekapazität cP = 2290 J/kg K, Dichte ρ = 1030 kg/m3
Die innenliegende Gasblase wird als adiabat angenommen.
Während der Werkzeugöffnung (Phase 2 bis Phase 3) dominieren die Wärmeausgleichsvorgänge im Kunststoff im Vergleich zur konvektiven Wärmeabfuhr
mit der Luft. Hierdurch erhöht sich die Temperatur in der äußeren Randschicht
der Preformwand (Phase 3). Erst durch diese Ausgleichsvorgänge wird ein Aufblasen theoretisch möglich. Dabei sollte sich die Temperaturkurve nach Abschluss der Ausgleichsphase über der materialspezifischen Mindestumformtemperatur befinden.
Bild 3.2 unterscheidet darüber hinaus Temperaturverläufe bei drei unterschiedlichen Gasverzögerungszeiten (tv,GIT). Die Gasverzögerungszeit ist die Zeitdauer zwischen Schmelzeinjektion und Gasinjektion. Wichtig bei der Betrachtung
der Temperaturkurvenverläufe ist der Hinweis, dass die Kühlzeit (t Kühl) konstant
gehalten wird und dabei die Gasverzögerungszeit beinhaltet. Das bedeutet, je
höher die Gasverzögerungszeit, desto geringer ist die verbleibende Restkühlzeit. Eine steigende Gasverzögerungszeit führt dabei gleichzeitig zu einer
Wanddickenzunahme (x0), einer Wärmeenergiezunahme (aufgrund der ver-
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kürzten Restkühlzeit) und damit zu einer Temperaturniveauerhöhung im
Preform. In diesem Zusammenhang wurde für jedes untersuchte Material eine
maximale Gasverzögerungszeit tv,GIT,max detektiert. Das bedeutet, ab tv,GIT,max
wird der Widerstand für eine Dehndeformation zu groß.
Als Zwischenfazit der FDM-Betrachtungen ist anzunehmen, dass die Gasverzögerungszeit zwei Dehndeformationsaspekte beeinflusst (Temperaturniveau
und Wanddickenzunahme). Damit zählt die Gasverzögerungszeit sicherlich zu
den wichtigen Parametern die das GITBlow-Aufblasverhalten und damit die
Wanddickenhomogenität im Fertigteil beeinflussen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Einfluss des physikalischen Zusammenhangs von Temperaturniveau und Temperaturgradient auf die Dehndeformationen im Preform (Gemeint ist hier der Temperaturgradient zwischen
Preformdach und Preformflanke). Dieser Zusammenhang wird über einen mit
Bild 3.3 dargestellten, theoretischen Ansatz erläutert.
Bild 3.3:
Einfluss unterschiedlicher Temperaturniveaus und konstanter Temperaturgradienten auf die Bruchdehnung und Bruchfestigkeit bei
amorphen Kunststoffen
Zunächst wird in Bild 3.3 mit Kenntnis der berechneten FDMTemperaturverläufe aus Bild 3.2 der Fall von zwei unterschiedlichen
Preformtemperaturniveaus angenommen (grünes T 1 und T2 = niedriges Temperaturniveau; blaues T1 und T2 = höheres Temperaturniveau). Beide Niveaus
liegen innerhalb des beige markierten idealen Umformtemperaturbereichs in
Bild 3.3. Der Temperaturgradient wird konstant angenommen.
Der Dehndeformationsunterschied Δε nimmt laut Kurvenverlauf bei steigendem
Temperaturniveau ab (Δε2 < Δε1).
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Mit diesem Ansatz folgt als erste Annahme, dass die Verstreckung im „kälteren“
Preformdachbereich bei einem niedrigen Temperaturniveau nicht bzw. nur minimal erfolgt. Die Verstreckung wird also im Fall von T1T2 (grün) fast ausschließlich aus den wärmeren Preformflanken erfolgen, was zu einer schlechten
Wanddickenhomogenität im Fertigteil führen müsste, Bild 3.3 (unten). Dabei
wird im Gegensatz dazu im Fall von T 1T2 (blau) die zu erwartende Wanddickenhomogenität verbessert, da sich die temperaturabhängigen Dehndeformationen in Flanke und Dach über ein kleineres Δε angleichen.
Auf Basis dieser theoretischen Überlegungen kann angenommen werden, dass
die Wanddickenhomogenität im Fertigteil verbessert wird, wenn das
Preformtemperaturniveau hoch und der Temperaturgradient zwischen
Preformdach und Preformflanke niedrig vorliegen.
Eine zweite wichtige Annahme bezieht sich auf den Aufblasdruck; sie stellt sich
zusammen mit den postulierten Temperatureinflüssen wie folgt dar.
Amorphe Thermoplaste bestehen aus langkettigen Makromolekülen, die im unbelasteten Zustand statistisch ineinander verknäuelt sind. Bei Belastung werden
die Moleküle zunächst entknäuelt und dann verstreckt. Je höher die Temperatur
ist, desto beweglicher sind die Makromoleküle und umso leichter finden bei Belastung die Entknäuelungsvorgänge statt. Daraus ableitbar ist eine höhere Verformbarkeit. Für den Einfluss der Belastungsgeschwindigkeit gilt: je höher die
Belastungsgeschwindigkeit (Aufblasdruck), desto weniger Zeit bleibt bei Belastung für die Entknäuelungsvorgänge. Hierdurch verringert sich die Verformbarkeit.
Bild 3.4 fasst den Temperaturansatz aus Bild 3.3 mit der Annahme zum Aufblasdruck am Beispiel von PVC in einem Diagramm zusammen.
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Bild 3.4:
Abhängigkeit des E-Moduls (hier: des Speichermoduls E’) von der
Temperatur und der Belastungsgeschwindigkeit (hier: Messfrequenz) am Beispiel von PVC [6]
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35
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Durch die Auftragung in einem 3D-Diagramm werden die Wechselwirkungen
zwischen den Einflüssen von Temperatur und Belastungsgeschwindigkeit auf
den E-Modul berücksichtigt. Dabei wird die Abhängigkeit des Speichermoduls
von Temperatur und Messfrequenz abgebildet. Der Speichermodul E’ ist dabei
der Realteil des komplexen E-Moduls E*:
*
E*
*
E ´ i E ´´
(Gl. 2)
Nach Gleichung 2 berechnet sich dieser als Quotient aus schwingender Spannung σ* und schwingender Dehnung ε* in komplexer Darstellung (die entsprechenden Werte können z.B. mit Torsionsschwingversuchen ermittelt werden).
Die Schwingfrequenz der Belastung entspricht der Messfrequenz ν in Bild 3.4
und ist ein Maß für die Belastungsgeschwindigkeit [6]. Der Speichermodul ist
ein Maß für die Steifigkeit und für die im Werkstoff gespeicherte wieder
gewinnbare Energie bei schwingender Beanspruchung [5]. Nach [8] entspricht
er in etwa dem E-Modul bei einmaliger Belastung, zügiger Beanspruchung und
reversibler Verformung. Er kann zur Beurteilung des elastischen Materialverhaltens herangezogen werden. Auch in [6] werden Speichermodul und E-Modul
analog verwendet. Die Grafik aus Bild 3.4 ist daher geeignet, Veränderungen
der GITBlow-Dehndeformationen in Abhängigkeit von Temperatur und Belastungsgeschwindigkeit qualitativ zu beschreiben.
Beide Annahmen zur Preformdehndeformation können nun auf einen ersten,
qualitativen Zusammenhang gebracht werden:
Preformdehndeformationen sind abhängig von:
-
Temperaturniveau im Preform
-
Temperaturgradient zwischen Preformdach und -Flanke
-
Wanddickenverteilung im Preform
-
Aufblasdruck
Die theoretischen Annahmen sollen nun mit den experimentellen Befunden verglichen und überprüft werden.
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4
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BEEINFLUSSENDE PROZESSGRÖßEN AUF DIE
WANDDICKENHOMOGENITÄT IM FERTIGTEIL
Die nachfolgende Abbildung 4.1 gibt erneut den Weg vom Spritzgießteil zum
GIT-Preform und zum GITBlow-Fertigteil wieder. Anders als in Bild 1.2 wurde
das Prozessschema jedoch um weitere Details erweitert. So sind jetzt jedem
Prozessschritt seine jeweiligen, vorgestellten Eigenschaften zugeordnet.
Bild 4.1:
GITBlow-Prozessschema
Die wesentlichen der in Bild 4.1 gezeigten Einflussparameter werden im Folgenden aufgeschlüsselt und im Zuge der in 3.2 getroffenen Annahmen analysiert. Die Reihenfolge der Aufschlüsselung erfolgt in Abhängigkeit des indirekten bzw. direkten Einflusscharakters auf die Wanddickenhomogenität; siehe
farbliche Abgrenzung in Bild 4.1.
4.1
Wesentliche Verfahrensparameter mit indirektem
Einfluss auf die Wanddickenhomogenität im Fertigteil
4.1.1 Einfluss der Gasverzögerungszeit (tv,GIT)
Wie bereits in Bild 3.2 gezeigt, vergrößert eine verlängerte Gasverzögerungszeit sukzessiv die Preformwanddicken. Die Ergebnisse werden in Bild 4.2 detaillierter dargestellt.
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Bild 4.2:
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Einfluss der Gasverzögerungszeit auf die Wanddicke im Preform und
im Fertigteil
Die Wanddickenzunahme im Preform entspricht dabei den Befunden der GITLiteratur [2,3,7]. Ursache ist die Viskositätserhöhung aufgrund sinkender Temperaturen bei ansteigender Gasverzögerungszeit.
Die Fertigteil-Wanddickenverteilung wiederum liegt exemplarisch bei einer 4sekündigen Gasverzögerungszeit homogener vor als bei einer 3-sekündigen
Gasverzögerungszeit. Hierdurch bestätigt sich die erste getroffene Annahme
aus Kapitel 3.2, Bild 3.3: bei steigender Gasverzögerungszeit wird, aufgrund
des höheren Temperaturniveaus, der Dehndeformationsunterschied zwischen
Preformflanke und Preformdach angeglichen und damit die Wanddickenhomogenität verbessert.
Um die FDM-Berechnungen zur Temperaturniveauerhöhung bei steigender
Gasverzögerungszeit aus Kapitel 3.2 zu überprüfen wurden Wärmebilder aufgenommen. Bild 4.3 zeigt die Ergebnisse.
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Bild 4.3:
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Wärmebildfotos des Preforms nach einer konvektiven Abkühlzeit von
60 Sekunden bei variierter Gasverzögerungszeit
Bei Betrachtung der Restwärmeunterschiede zwischen drei unterschiedlichen
Gasverzögerungszeiten in Bild 4.3 lässt sich mit Hilfe der angegebenen Temperaturskala eine erhöhte Restwärme bei 4 Sekunden Gasverzögerungszeit detektieren. Die Temperaturunterschiede entsprechen damit qualitativ den berechneten Ergebnissen aus der FDM in Bild 3.2.
Beide Befunde, sowohl der gezeigte Temperaturniveauanstieg bei ansteigender
Gasverzögerungszeit als auch die dadurch resultierende verbesserte Wanddickenhomogenität, beweisen die in Kapitel 3 getroffene Annahme.
Die prozesstechnische Relevanz der Gasverzögerungszeit in Wechselwirkung
mit direkten Einflussparametern zeigt sich in Kapitel 4.2.
4.1.2 Einfluss der Werkzeug- und Massetemperatur (TW, TM)
In der Spritzgießliteratur findet sich eine Zusammenfassung verschiedener Parameteruntersuchungen zur Restwanddicke in einem GIT-Bauteil. Dort konnte
für den Parameter der Werkzeugtemperatur kein relevanter Einfluss festgestellt
werden [2]. In den experimentellen Befunden zur Restwanddickenverteilung im
GITBlow-Preform stellt sich die Situation differenzierter dar. Bild 4.4 zeigt den
Befund.
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3,5
Durchschnittliche Wanddicke [mm]
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3
2,5
TW = 40°C
(Preform)
2
TW = 40°C
(Fertigteil)
1,5
TW = 60°C
(Preform)
1
TW = 60°C
(Fertigteil)
0,5
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11 12 13 14 15 16 17
Messstelle [Nr.]
Bild 4.4:
Einfluss der Werkzeugtemperierung auf die Wanddickenverteilung im
Preform und Fertigteil (Styrolux 656 C)
Zunächst können bei Betrachtung der Messstellen 5 bis 12 bei Variation der
Werkzeugtemperaturen von 40°C auf 60°C keine Unterschiede in den Restwanddicken des Preforms festgestellt werden. Anders verhält es sich bei den
Messstellen 1 bis 4 und 13 bis 17. Hier sind die Wanddicken bei einer Werkzeugtemperierung von 40°C deutlich dicker als bei einer 60°C Temperierung.
Die wesentliche Aussage in Bild 4.4 ist, dass durch eine höhere Werkzeugtemperatur eine deutliche Verbesserung der Wanddickenhomogenität im Fertigteil
realisiert werden kann. Dies bekräftigt nach Kapitel 4.1.1 (Gasverzögerungszeit)
erneut die Annahmen zu den temperaturniveauabhängigen Dehndeformationen
aus Kapitel 3.2.
Der Temperaturniveaueinfluss vor dem Aufblasen des Preforms wird bei Betrachtung der Massetemperatureinflüsse ein weiteres Mal bestätigt, Bild 4.5.
Bild 4.5:
Einfluss der Massetemperatur auf die Wanddickenverteilung
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4.1.3 Einfluss der Materialviskosität
Die Untersuchungen zum Einfluss der Materialviskosität werden exemplarisch
an zwei Materialien dargestellt: Polystyrol 495F (PS) und Styrolux 656C (SBS).
In Tabelle 4.1 findet sich ein Materialdatenvergleich.
Tabelle 4.1: Materialdaten für PS und SBS im Vergleich
Im Vergleich der beiden ausgesuchten Materialien fällt auf, dass lediglich der
MVR nennenswerte Unterschiede aufzeigt.
Bei der Betrachtung der Materialviskositätseinflüsse ist jedoch nicht der MVR
entscheidend, sondern vielmehr die Nullviskosität, d.h. die Viskosität bei nicht
vorhandener Scherung. Dies lässt sich damit begründen, dass sich der Preform
vor dem Aufblasvorgang in einem ruhenden Zustand befindet.
Die Approximation der Nullviskosität erfolgt in Bild 4.6 mittels linearer Extrapolation der im HKR detektierten Messwerte.
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Bild 4.6: Viskositätskurven für PS und SBS (bei einer Temperatur von 230°C)
Die Darstellung zeigt, dass die Nullviskosität von PS deutlich über der von SBS
liegt. Die Auswirkungen dieser Viskositätsunterschiede zeigt Bild 4.7.
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Bild 4.7:
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Wanddickenverteilung über Preform- und Fertigteilumfang
Der Wanddickenverlauf des PS-Preforms liegt über dem Dickenverlauf des
SBS-Preforms. Damit geht einher, dass der Fließwiderstand im GIT-Prozess bei
hochviskosen Materialien größer ist als bei niedrigviskoseren Materialien.
Der Wanddickenverlauf im Fertigteil zeigt, dass die resultierende Wanddickenhomogenität bei Polystyrol besser ist als bei Stryrolux. Um eine Aussage treffen
zu können, wie: „je hochviskoser ein Material ist, umso homogener fällt die
Wanddickenverteilung im GITBlow-Fertigteil aus“, müssen weitere Materialien
untersucht werden. Eine allgemeingültige Aussage kann an dieser Stelle noch
nicht getroffen werden. Es werden jedoch erste bestätigende Tendenzen dieser
Aussage im Zusammenhang mit dem Aufblasdruck in Kapitel 4.2.2 aufgeführt.
4.2
Wesentliche Verfahrensparameter mit direktem Einfluss
auf die Wanddickenverteilung im Fertigteil
Die bislang aufgeführten Parametereinflüsse in Kapitel 4.1 determinieren die
Eigenschaften des Spritzgussteils bzw. die Eigenschaften des GIT-Preforms
und verändern damit „indirekt“ die Wanddickenhomogenität im Fertigteil. In diesem Kapitel werden die wesentlichen „direkten Einflussparameter“ analysiert,
die aufbauend auf den Eigenschaften des GIT-Preforms unmittelbar zur resultierenden Wanddickenhomogenität im Fertigteil beitragen.
Gleichzeitig sind die jeweiligen Wechselwirkungen zur Gasverzögerungszeit
abgebildet, da sich dieser Einflussparameter sowohl von seiner Einflussstärke,
als auch von seiner guten, prozesstechnischen Einstellbarkeit von allen anderen indirekten Parametern deutlich abhebt.
4.2.1 Einfluss der Handling- und Kühlzeit (tHandling, tKühl)
In Bild 4.8 wird der Einfluss einer variierten Handlingzeit auf die Wanddickenhomogenität im Fertigteil deutlich. Die Handlingzeit umfasst dabei die Zeit der
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Werkzeugöffnung, d.h. die Zeit in der im Preform ein Wärmeausgleich stattfindet (siehe erneut GITBlow-Prozessablauf in Kapitel 2.1).
Bild 4.8:
Einfluss der Handlingzeit in Abhängigkeit zur Gasverzögerungszeit
(tv,GIT)
Mit Bild 4.8 zeigt sich, dass eine Handlingzeit von 20 Sekunden die Wanddickenhomogenität im Vergleich zu einer Handlingzeit von 30 Sekunden verbessert. Dies ist gerade auch aus wirtschaftlicher Sicht interessant, da sich neben
der verbesserten Wanddickenhomogenität durch eine verkürzte Prozesszeit
auch die Herstellkosten eines GITBlow-Bauteils reduzieren lassen.
Bild 4.9:
Einfluss der Kühlzeit in Abhängigkeit zur Gasverzögerungszeit (tv,GIT)
Noch deutlicher ist jedoch der Einfluss der Kühlzeit im Zusammenspiel mit der
Gasverzögerungszeit, Bild 4.9. Je kürzer die Kühlzeit, desto besser ist die
Wanddickenhomogenität. Dies belegt ein weiteres Mal die in Kapitel 3.2 getroffZeitschrift Kunststofftechnik 8 (2012) 1
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ene erste Annahme, über die Dehndeformationsunterschiede bei steigendem
Temperaturniveau im Preform. Die Kühlzeit liegt mit 22 Sekunden auf ihrem
Minimum. Unterhalb von 22 Sekunden ist die Formstabilität des Preforms nicht
gegeben.
Erwähnenswert ist außerdem, dass sowohl in Bild 4.8 als auch in Bild 4.9 eine
steigende Gasverzögerungszeit zu einer positiven Wechselwirkung mit den untersuchten Einflussparametern führt.
4.2.2 Einfluss des Aufblasdruckes (pBlow)
Im Rahmen der durchgeführten experimentellen Untersuchungen wurden Aufblasdrücke von 2, 5, 10, 15, 20, 30, 40 und 50 bar geschaltet. Das Spektrum
der Drücke genügt somit den Aufblasdrücken, die beim Blasformen verwendet
werden [4,11].
Die folgenden experimentellen Befunde in Bild 4.10 zeigen die Ergebnisse.
Bild 4.10: Einfluss verschiedener Aufblasdrücke
links:
rechts:
bei unterschiedlichen Verzögerungszeiten
bei unterschiedlichen Materialien
Es bestätigt sich die zweite Annahme aus Kapitel 3.2. Ein niedriger Aufblasdruck führt zu einer besseren Verformbarkeit und demnach zu einer homogeneren Fertigteilwanddicke.
Weiterhin kann der in Kapitel 4.1.3 dargestellte Vergleich der PS- und SBSNullviskositäten an dieser Stelle wieder aufgenommen werden. Die
Wanddickenhomogenitäten von PS in Bild 4.10 (rechts), mit einer deutlich höheren Nullviskosität als SBS, sind bei allen Drücken auf einem niedrigeren Niveau und damit homogener.
Der Einfluss des Aufblasdruckes kann abschließend mit Bild 4.11 komplettiert
werden.
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Bild 4.11: Übersicht - Aufblasdruckeinfluss in Kombination mit variierter Gasverzögerungszeit (am Beispiel von Polystyrol)
Es zeigt sich, dass sich die Tendenzen von niedrigen Aufblasdrücken und hohen Gasverzögerungszeiten tendenziell über alle untersuchten Versuchspunkte
gleichermaßen positiv auswirken.
5
ANALYSE ZUR VERGLEICHBARKEIT DER PARAMETER-ABHÄNGIGEN WANDDICKENHOMOGENITÄT
(BEISPIEL: POLYSTYROL 495F)
Bisher wurden in Kapitel 3 die wesentlichen Grundüberlegungen zur Wanddickenhomogenität aufgeführt. Die dort getroffenen Annahmen konnten durch die
experimentell ermittelten Befunde in Kapitel 4 bestätigt werden.
Abschließendes Ziel ist es, die unterschiedlichen Prozesseinflussgrößen des
komplexen, dreistufigen Prozessschemas, Bild 1.2 und Bild 4.1, mit der Wanddickenhomogenität in einen Gesamtzusammenhang zu bringen. Über den Gesamtzusammenhang sollen vergleichbare Aussagen zur Parametereinflussstärke getroffen werden.
In einem ersten Schritt werden dazu die in Kapitel 4 detektierten Einflüsse mit
allen übrigen Parametereinflüssen in Bild 5.1 zusammengefasst.
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Bild 5.1:
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Dreistufiges Prozessschema - Zusammenfassung der Einflüsse
Die in Kapitel 3 getroffene Aufteilung der Parameter in indirekten und direkten
Einfluss auf die Zielgröße „Wanddickenhomogenität“ wird an dieser Stelle in
Bild 5.1 wieder aufgegriffen. So wird die Einteilung in indirekte und direkte Parametereinflüsse jetzt auf die in Bild 5.2 dargestellten Zwischenzielgrößen bezogen.
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Bild 5.2:
Zwischenzielgrößen a und b
Dabei beziehen sich die indirekten Parameter auf den Anstieg oder die Verringerung von Stelle a (Preformdach) und die direkten Parameter auf den Anstieg
oder die Verringerung von Stelle b (Fertigteildach). In Bild 5.1 wird exemplarisch
jeweils von einem Anstieg der Parameter ausgegangen, wobei sich der daraus
ergebende Einfluss über Pfeile darstellt.
Durch den Einsatz der Zwischenzielgrößen a und b wird das ursprüngliche Prozessschema aus Bild 1.2 erheblich vereinfacht. Diese Vereinfachung wird nun
im Detail erläutert.
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Zunächst wird in Bild 5.3 die Korrelation der Wanddickenhomogenität im Fertigteil und der Fertigteilwanddicke b überprüft.
Bild 5.3:
Zusammenhang von b zur Wanddickenhomogenität im Fertigteil
(am Beispiel von Polystyrol)
Durch die vorliegende, deutliche Korrelation zwischen beiden Werten können
die in Kapitel 3 und 4 beschriebenen Zusammenhänge zum Aufblasverhalten
bestätigt werden. Das bedeutet allgemein, je kleiner die Wanddicke an Stelle b,
desto homogener liegt die Wanddicke im Fertigteil vor. Die in Bild 5.3 gewählten
Parameterkombinationen Gasverzögerungszeit (tv,GIT) und Aufblasdruck (pBlow)
sind exemplarisch ausgewählt worden. Die Korrelation gilt darüber hinaus für
alle in Bild 5.1 aufgeführten direkten Parameter.
Ausgehend von der beschriebenen Korrelation zwischen b und der Wanddickenhomogenität muss nun eine Beziehung gefunden werden, die auch die
Zwischenzielgröße a beinhaltet. Nur durch eine geeignete Beziehung der Zwischenzielgrößen a und b kann das Prozessschema im Ganzen vereinfacht und
beschrieben werden.
Die Lösung besteht darin, aus der Wanddicke b und der Wanddicke a einen
Quotienten zu bilden. Dieser Quotient wird an dieser Stelle als Dachwanddickenverhältnis definiert. Bild 5.4 zeigt das Ergebnis.
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Bild 5.4:
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Zusammenhang vom Dachwanddickenverhältnis zur Wanddickenhomogenität im Fertigteil (am Beispiel von Polystyrol)
Das dimensionslose Dachwanddickenverhältnis (b/a) in Bild 5.4 verändert im
Vergleich zum Bild 5.3 die Position der Datenpunkte. Durch die sich ergebende
Anordnung der Datenpunkte kann eine logarithmische Trendlinienfunktion bestimmt werden, die erste qualifizierte Aussagen über die Einflussstärke der hier
vorliegenden Gasverzögerungszeit und dem Aufblasdruck zulassen. So nimmt
der positive Einfluss eines sinkenden Aufblasdruckes bei höherer Gasverzögerungszeit ab.
Für die Wanddickenhomogenität Ω gilt im vorliegenden Fall die Approximationsgleichung:
f
b
a
0,6 ln
b
a
6
(Gl. 3)
Die demnach erreichbare Wanddickenhomogenität für Polystyrol liegt bei
0,18mm (bei detektierten, optimalen Rahmenbedingungen und einem konstanten Aufblasgeometrieradius von 7mm). Um das Wanddickenoptimum (f(b/a)=0)
zu erreichen, müsste das Dachwanddickenverhältnis für diesen Radius nach
der vorliegenden Gleichung (Gl. 3) bei ca. 0,41 liegen. Ohne die Integration von
z.B. variothermer Werkzeugtechnik ist ein solches Verstreckverhältnis zurzeit
nicht zu erreichen.
Allgemein formuliert, vereinheitlicht das Dachwanddickenverhältnis (b/a) alle in
Bild 5.1 abgebildeten Einflussgrößenkombinationen für einen fixen Aufblasradius. Dabei nimmt es die postulierten indirekten Einflüsse über die Wanddicke a
auf und setzt es mit den direkten Aufblasparametern zur Resultierenden b ins
Verhältnis. Je niedriger der Wert des Dachwanddickenverhältnis, desto größer
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ist die Verstreckung vom Preformdach zum Fertigteildach und desto besser
liegt die Wanddickenhomogenität im Fertigteil vor.
Die Einflussstärke ist dabei in Abhängigkeit von der Trendliniensteigung, der
Trendlinienposition und der Datenpunktabstände zu begutachten. Je größer die
Trendliniensteigung und je näher die Abszissen-Positionierung zum Nullpunkt,
desto stärker und positiver sind die Parametereffekte für eine homogene Fertigteilwanddicke. Über den Grad der Streuung der jeweiligen fünf Datenpunkte pro
Parametereinstellung kann zudem eine schnelle Aussage zur Reproduzierbarkeit getroffen werden.
6
FAZIT UND AUSBLICK
Mit Hilfe der gezeigten Dachwanddickenzusammenhänge können die praktischen Verfahrensgrenzen jeder GITBlow-Parameterkombination für jedes Material auf die erreichbare Wanddickenhomogenität dargestellt und verglichen werden.
Durch die Variation des Parameters „Streckweg“ (Differenz zwischen
Preformaussenradius und Fertigteilaussenradius) sowie über die Befunde weiterer amorpher und teilskristalliner Materialien können die Informationen zum
Wanddickeneinfluss komplettiert werden. Die Informationen sind von grundlegender Bedeutung für eine zukünftige Modellbildung. Aus der Modellbildung
sollen konkrete GITBlow-Auslegungsrichtlinien und Gestaltungsvorschriften abgeleitet werden.
Darüber hinaus bilden die dargestellten Gesamtzusammenhänge zur Wanddickenanalyse die Grundlage für anstehende Untersuchungen, in denen
variotherme Werkzeugtechniken integriert werden. Durch die Integration soll der
Temperaturhaushalt im Preform prozessoptimal beeinflusst werden. Dabei kann
mit Hilfe der vorliegenden Korrelationen das Optimierungspotential der
variothermen Werkzeugtechnik abgeschätzt werden.
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München, 2003
Stichworte:
GITBlow, Gasinjektionstechnik, Wanddickenanalyse, Wanddickenverteilung
Keywords:
GITBlow, Gas-Injection-Technique (GIT), wall thickness analysis, wall thickness
distribution
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Autoren:
Prof. Dr.-Ing. Elmar Moritzer
Dr.-Ing. Martin Schäfers
Dipl.-Wirt.-Ing. Thorsten Plugge
Kunststofftechnik Paderborn (KTP)
Universität Paderborn
Warburger-Straße Nr. 100
33098 Paderborn
Herausgeber/Editor:
Europa/Europe
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Gottfried W. Ehrenstein, verantwortlich
Lehrstuhl für Kunststofftechnik
Universität Erlangen-Nürnberg
Am Weichselgarten 9
91058 Erlangen
Deutschland
Phone: +49/(0)9131/85 - 29703
Fax.:
+49/(0)9131/85 - 29709
E-Mail-Adresse: [email protected]
Verlag/Publisher:
Carl-Hanser-Verlag
Jürgen Harth
Ltg. Online-Services & E-Commerce,
Fachbuchanzeigen und Elektronische Lizenzen
Kolbergerstrasse 22
81679 Muenchen
Tel.: 089/99 830 - 300
Fax: 089/99 830 - 156
E-mail-Adresse: [email protected]
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Fax: +49(0)5251/60-3821
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Prof. Prof. h.c Dr. Tim A. Osswald,
responsible
Polymer Engineering Center, Director
University of Wisconsin-Madison
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Beirat/Editorial Board:
Professoren des Wissenschaftlichen
Arbeitskreises Kunststofftechnik/
Professors of the Scientific Alliance
of Polymer Technology
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