Mia Hamm RONALDINHO SEHNSUCHT WELTMEISTERSCHAFT

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Mia Hamm RONALDINHO SEHNSUCHT WELTMEISTERSCHAFT
NR. 16, 7. FEBRUAR 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
RONALDINHO
SEHNSUCHT
WELTMEISTERSCHAFT
GEOFF HURST
“DAS WEMBLEYTOR
WAR KORREKT”
PAULO RINK
EIN BRASILIANER
IN DEUTSCHLAND
Mia Hamm
Die Vorkämpferin
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
I N H A LT
15
Kritische Fans bei Hertha BSC
Nachdem die englische Premier League ein Tummelfeld für
schwerreiche Investoren geworden ist, versucht sich mit Hertha
BSC Berlin erstmals ein Bundesligaklub in diesem Geschäft.
Die Fans sind sehr kritisch.
19
Manchester Citys Hegemonie nimmt Schaden
Die Heimniederlage Manchester Citys im “6-Punkte-Spiel” gegen
den Chelsea FC (0:1) lässt erahnen, dass die Citizens einen langen
Weg zum einst angepeilten Quadruple vor sich haben.
23
Nord- und Mittelamerika
35 Mitglieder
www.concacaf.com
Sepp Blatter: Brasilien braucht den Frauenfussball
In Sachen Frauenfussball hat Brasilien Nachholbedarf.
“Das muss sich ändern”, fordert der FIFA-Präsident – und plädiert
für die Etablierung einer kompetitiven Frauenliga im Land des
Rekord-Weltmeisters bei den Männern.
25
P räventionsprogramm FIFA 11+ zeigt Wirkung
In Iran sind dank “FIFA 11+” über alle Leistungs- und Alterklassen
hinweg bis zu 25 % weniger Verletzungen zu konstatieren.
26
W M ohne Ronaldinho
Der 33-Jährige von Altético Mineiro spielte eine starke Saison und
wurde zu “Südamerikas Fussballer 2013” gewählt. Für ein Aufgebot
fürs Nationalteam reicht es trotzdem nicht. Die Geschichte eines
begnadeten Fussballers, der Partys oft seinem Beruf vorzieht.
30
D er Schütze des Wembleytors im Gespräch
Der Engländer Geoff Hurst bleibt auch 47 Jahre nach seinem
umstrittenen Tor im WM-Final 1966 gegen Deutschland dabei:
“Das war ein Treffer.”
36
“ Die Zeit der Niederlande wird kommen”
Auf den Punkt genau analysiert: Unser Experte Günter Netzer
antwortet einer Leserin aus der Ukraine. Sie wollte wissen:
“Was machen die Niederländer falsch, dass sie nie eine
WM gewinnen?”
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E in Brasilianer in der deutschen Nationalelf
Paulo Rink wollte mit Leverkusen-Manager Reiner Calmund nur
ein loses Gespräch führen. Am Schluss unterschrieb er einen
Fünfjahres-Vertrag und zog in die Heimat seiner Vorfahren.
Die Geschichte des ersten Brasilianers in der deutschen Nationalmannschaft.
Mia Hamm
Während ihrer aktiven
Fussballzeit ein Popstar
Ronaldinho
Adieu Seleção
U-17 Frauen-Weltmeisterschaft
15. März bis 4. April 2014, Costa Rica
2
Südamerika
10 Mitglieder
www.conmebol.com
T H E F I FA W E E K LY
Blue Stars/FIFA Youth Cup
28. bis 29. Mai 2014, Zürich
Cover: Frank W. Ockenfels / CPi
6
Die Fussballlegende Mia Hamm im Gespräch
Ihr Name steht für den Frauenfussball in Amerika – um nicht zu
sagen in der Welt. Die zweifache Weltmeisterin und zweifache
Olympia­siegerin Mia Hamm hat als Mittelstürmerin des US-Teams
auf dem Platz alles erreicht. Die dreifache Mutter und Botschafterin
des FC Barcelona widmet sich heute wohltätigen Zwecken.
D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S
Europa
53 Mitglieder
www.uefa.com
Afrika
54 Mitglieder
www.cafonline.com
Asien
46 Mitglieder
www.the-afc.com
Ozeanien
11 Mitglieder
www.oceaniafootball.com
Günter Netzer
Analysiert den
niederländischen Fussball
NR. 16, 7. FEBRUAR 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
RONALDINHO
SEHNSUCHT
WELTMEISTERSCHAFT
GEOFF HURST
“DAS WEMBLEYTOR
WAR KORREKT”
PAULO RINK
EIN BRASILIANER
IN DEUTSCHLAND
Mia Hamm
Die Vorkämpferin
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
Die Vorkämpferin
Ein Shooting für die
Ewigkeit: Unser Cover
zeigt ein Bild von Mia
Hamm, das Kultstatus
erreichte. Die Aufnahme
stammt vom amerikanischen Star-Fotografen
Frank W. Ockenfels und
zeigt unsere Protagonistin
während ihrer Zeit an der
University of North
Carolina (1989-1993).
Zlatan Ibrahimovic
Matchwinner bei
Paris Saint-Germain
Imago / Getty Image
Landry Chauvin
Als Coach bei Club
Africain unter Druck
Fussball-Weltmeisterschaft
12. Juni bis 13. Juli 2014, Brasilien
U-20 Frauen-Weltmeisterschaft
5. bis 24. August 2014, Kanada
T H E F I FA W E E K LY
Olympische Jugendfussball­
turniere
15. bis 27. August 2014, Nanjing
FIFA Klub-Weltmeisterschaft
10. bis 20. Dezember 2014, Marokko
3
UNCOVERED
Grösser als Michael Jordan
Kraft und Geschick Mia Hamm an den Goodwill Games 1998 (New York City).
Thomas Renggli
Alamy / mauritius images
A
chthundert Millionen Zuschauer vor den
TV-Geräten, 82 500 im Stadion von East
Rutherford, Kosten von 4 Millionen Dollar für 30 Sekunden Werbung, allein die
Halbzeitshow ist ein Medien­spektakel
der Superlative – mit den Red Hot Chili
Peppers und Bruno Mars als Hauptdarstellern.
Anlässlich des 48. Superbowl wurde der
Welt am vergangenen Sonntag in Erinnerung
gerufen, dass die USA sportlich anders ticken,
dass es sich beim Ausdruck (American) Football um ein Missverständnis handelt – dass
dies ein Sport ist, bei dem der Ball mit den Händen geworfen (und nur im Ausnahmefall mit
den Füssen gekickt) wird.
Für Frauen hat es bei dieser brachialen
Form der Leibesübungen nur an der Seitenlinie
Platz – als Cheerleader, die zwar ebenfalls
sportliche Höchstleistung erbringen, die faktisch aber nur als optische Garnitur dienen.
Frisur, Gewicht und Bräunungsgrad werden
ihnen von den Klubs vorgegeben.
Mariel Margaret “Mia” Hamm stammt aus
Alabama, im Süden der Vereinigten Staaten –
einer Hochburg der amerikanischen Traditionen und Traditionalisten. Diese lassen den
Frauen sportlich wenig Auslaufmöglichkeiten:
Im Baseball und American Football, den mit
Abstand populärsten Mannschaftssportarten
in den USA, heisst es “Men only”. Und im Basketball sind Frauen im Vergleich zu ihren
männlichen Kollegen sportliche Zwerge.
Bleibt die europäische Form des Fussballs –
in den USA “Soccer” genannt. Für Mia Hamm
war er das Sprungbrett zu einer Weltkarriere. In
einem persönlichen Gespräch mit The-Weekly-­
Redaktor Perikles Monioudis erzählt sie, wie sie
die Leidenschaft für diesen “unamerikanischen”
Sport entdeckte, wie sie statt fürs American-­
Football-Team der Washington Redskins für die
Fussballer der AC Fiorentina schwärmte, wie sie
zur wichtigsten Botschafterin des Fussballs in
den USA avancierte.
Die “New York Times” schrieb: “Sie ist nicht
Amerikas beste Fussballspielerin. Sie ist Amerikas bester Fussballer.” Die “Washington Post”
bezeichnete sie als “die vielleicht wichtigste Athletin der vergangenen 15 Jahre”. Das deutsche
Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” setzte noch
einen drauf und hievte Hamm über die eigenen
Legenden des Fussballs: “Hamm hat entschieden
mehr Sex-Appeal als Gerd Müller, führt den Ball
eleganter als Oliver Bierhoff und jubelt genauso
schön und telegen wie Jürgen Klinsmann.”
T H E F I FA W E E K LY
Mia Hamm: Weltmeisterin, Olympiasiegerin
– Superstar. Als eine von zwei Frauen schaffte sie
es in die “FIFA 100” der besten 125 Fussballer(innen). 1997 wurde sie (sportartenübergreifend) in
den USA zur Athletin des Jahres gewählt.
2004 verabschiedete sich Mia Hamm als
Aktive von der grossen Bühne. Ihre Popularität
ist ungebrochen. Hamm hat im Fussball tiefere
Spuren hinterlassen als jede andere Amerikanerin: Eine Barbie-Puppe wurde nach ihr benannt,
ihr Ausrüster widmete ihr ein Hochhaus, in
­einem TV-Spot degradierte sie den grössten
amerikanischen Sportler der Geschichte,
­Michael Jordan (198 cm), zum Statisten.
Treten die besten Juniorinnen im März in
Costa Rica zur U17-WM an, ist Mia Hamm ein
wichtiger Orientierungspunkt. Fordert FIFA-­
Präsident Blatter in seiner wöchentlichen
­Kolumne für Brasilien eine “Frauen-Liga mit
professionellen Strukturen” (S. 23), ist dies indirekt auch auf die sportliche Pionierarbeit
von Mia Hamm zurückzuführen. Denn ohne
Mia Hamm wäre die Welt des Fussballs nicht
dieselbe – und der Football würde in den USA
nur mit den Händen geworfen. Å
5
MIA HAMM
College Power Mia Hamm während ihrer Zeit an der University of North Carolina (1989-1993).
6
T H E F I FA W E E K LY
MIA HAMM
“Grossartig,
wie der Fussball in
Amerika wächst”
Die amerikanische Fussballlegende Mia Hamm spricht über die Kraft
des Familiensinns, die Suche nach dem Glück – und die Gründe dafür,
dass der Fussball in den USA immer wichtiger wird.
Mit Mia Hamm sprach Perikles Monioudis
Frau Hamm, Sie haben in Florenz zum Fussball
gefunden. Wie kam das?
Mia Hamm: Wir waren anderthalb Jahre
lang in Florenz, als ich klein war. Mein Vater
hat an der Universität dort seinen Master
gemacht. Mutter ging mit uns öfter zur
Piazza. Ich mischte mich unter die Kinder
und trat gegen den Ball.
heute den Fussball viel früher kennen als in
der Vergangenheit. Hinzu kommt, dass der
Fussball mit den Erfolgen des Frauen-Nationalteams, mit der professionellen Frauen-Fussballliga und der erfolgreichen Männer-Liga Major League Soccer eine Fanbasis
bekommen hat.
Und er läuft im Fernsehen.
Sie waren das erste Fussball spielende Familienmitglied.
Mein Vater wusste nicht viel über den
Fussball. Er wuchs in Washington DC auf.
Er lernte diesen Sport in Florenz lieben und
wurde ein grosser Fiorentina-Fan. Gemeinsam
besuchten wir die Spiele.
Will Mcintyre / Time Life Pictures / Getty Images
Das muss in den Siebzigern gewesen sein.
Ja, bis 1976. Mein Vater wuchs mit American Football auf, mit den Washington Redskins. In Florenz aber ging er zur Fiorentina.
Es überrascht so manchen, wie viele Ligen
wir heute in den USA verfolgen können. An
jedem Wochenende strahlen vier, fünf Sender
Fussball aus – Premier League, Serie A, Primera
División, Bundesliga und andere.
Das wäre dann Frühstücksfernsehen.
Ja, in Los Angeles empfange ich am Mittag
über NBC Sports oder ESPN viele Ligen, auch
die Uefa-Champions-League.
Da ist also ein Markt dafür in den USA.
Oh ja.
Wie ist das heute? Lassen die amerikanischen
Eltern ihre Kinder Fussball spielen, oder
bestehen sie auf den traditionellen US-Sports?
Der Fussball ist völlig akzeptiert. Denn
die Leute in meiner Generation, die mit dem
Fussball in Berührung gekommen sind oder
selber gespielt haben, sind heute selbst Eltern.
Fussball ist für sie nicht so fremd wie für ihre
eigenen Eltern. Dadurch lernen die Kinder
T H E F I FA W E E K LY
Vermögen die US-Sports nicht mehr alle
Gesellschaftsgruppen zu erreichen? Sind die
asiatischen und die lateinamerikanischen
Amerikaner eher beim Fussball als beim
American Football?
Die ethnischen Gruppen spielen bestimmt
eine Rolle für den Erfolg des Fussballs in den
USA. Aber weitere Faktoren sind wichtig. Der
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MIA HAMM
Kicken für die Hoffnung Mia Hamm ist in Südafrika im Kampf gegen HIV präsent (2010).
Soccer wird man demnach bald Football
nennen?
Nein, man wird ihn weiter Soccer nennen.
Sonst wird es verwirrend.
Sie haben auf dem Feld Ihre Gegnerinnen
verwirrt. Woher haben Sie Ihre wunderbare
Veranlagung für den Fussball? Ihr Vater war
Kampfpilot …
8
Und meine Mutter Tänzerin. Mein Vater
war sehr konzentriert und ernsthaft, er
arbeitete hart. Er kam aus dem unteren
Mittelstand. Sein Vater war beim Militär
angestellt und bei einer Telefongesellschaft.
Seine Mutter war Lehrerin. Er hatte eine sehr
gute Arbeitsmoral. Seine Auge-Hand-Koordination war hervorragend.
Letzteres ist eher fürs Eishockey wichtig.
Ich wuchs in Texas auf. Das ist es selbst
im Winter nicht sehr kalt.
Mein Vater war stolz auf das, was er tat. Er
ist ein ruhiger Mensch. Ich hoffe, ich habe ein
paar gute Eigenschaften von ihm geerbt.
Sie haben fünf Schwestern und Brüder. Sie
wuchsen in einem Team auf. Wie sind Sie
damit umgegangen, dass Sie stets besser als
die anderen waren?
Mein ältester Bruder war in unserer
Familie athletisch sicher der Beste. Er hat
mich das spüren lassen, von klein auf. (lacht)
T H E F I FA W E E K LY
Contour by Getty Images
Zugang zum Fussball ist besser geworden,
etwa durch das Fernsehen. Ausserdem haben
sich einige US-Sports mit ihrer Hochpreispolitik von den einfachen Leuten weg entwickelt.
Der Besuch eines Spiels der National
Basketball Association kostet 150 bis 200
Dollar. Zu einem Spiel der Major League
Soccer gelangt man selbst als vierköpfige
Familie für 100 Dollar.
Der Verband US Soccer tut vieles, und
Sam’s Army, der Fanklub, reist mit den Nationalteams um die Welt. Es ist wirklich grossartig, wie der Fussball in Amerika wächst.
MIA HAMM
103 Treffer in 100 Spielen Mia Hamms Stern leuchtete schon bei den North Carolina Tar Heels hell.
Ich war allerdings das mittlere Kind. Das
machte es bestimmt leichter für mich, meinen
Platz in der Gruppe zu finden. Und ich verstand dabei, dass es sowohl in einem Team als
auch in der Familie wichtig ist, Verantwortung
zu übernehmen und Würde zu zeigen.
Will Mcintyre / Time Life Pictures / Getty Images
Was bedeutet hier Verantwortung?
Ich kann nicht erwarten, dass mein Team
besser wird, wenn ich selbst nur 50 Prozent
meiner Fähigkeiten abrufe. Aber das gilt auch
in meiner Familie. Meine Eltern waren stets
wohltätig. Sie helfen anderen Menschen bis
auf den heutigen Tag. Von klein auf haben sie
uns vorgemacht, dass man anderen etwas
geben kann und dass es immer jemanden
gibt, der auf Hilfe angewiesen ist. Wir haben
eine Verantwortung, alles zu tun, was in
unserer Macht steht, um zu helfen.
Ihre Eltern haben zwei Jungen adoptiert.
Mein älterer Bruder war acht Jahre alt,
mein kleiner zwei Monate. Sie entstammen
T H E F I FA W E E K LY
unterschiedlichen Ethnien. Mein älterer
Bruder war mein Held. Ich schaute zu ihm
hoch. Ich wollte ihn jeden Tag stolz machen.
Er war 18, ich 15 Jahre alt, als er krank wurde.
Er musste mit dem Sport aufhören. Er hatte
ein Problem mit seinen Blutkörperchen. Im
Februar 1997 kam es zur Knochenmarkstransplantation. Zwei Monate später starb er.
Sie haben eine Stiftung gegründet.
Die Mia-Hamm-Stiftung entstand, weil
mein Bruder so stark war und mich stets so
sehr inspirierte. Und auch deshalb, weil ich
sah, welche Anstrengungen – auch finanzieller
Art – meine Eltern unternommen haben, um
im Knochenmarktransplantations-Register
einen Treffer zu finden.
Meine Stiftung vergibt Beiträge an Institutionen und Gruppen, die Familien in einer
ähnlichen Situation helfen. Ausserdem möchten wir so viele Menschen wie möglich dazu
bewegen, sich als Spender in die Liste einzuschreiben. Jeder kann sich einschreiben. Eine
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MIA HAMM
Speichelprobe reicht aus, um seine Daten
speichern zu lassen.
etwas von ihnen zurück. Das macht eine
Zusammenarbeit für uns einfach.
Arbeiten Sie täglich für die Stiftung?
Was genau tun Sie für den FC Barcelona?
Ich habe einen Geschäftsführer. Zweimal
im Jahr veranstalten wir einen Fundraiser, wie
etwa das Benefizspiel mit dem FC Barcelona in
Washington DC im Juli 2011. Die Zuschauer
können sich in die Liste einschreiben. Einmal
durften wir zwei Übereinstimmungen im
Register verzeichnen. Zwei Menschen konnte
so das Leben gerettet werden.
Ziemlich viel. Ich besuche Krankenhäuser
in Europa und in den USA. Ich helfe dem
Klub, das wohltätige Motto umzusetzen.
Rührt Ihre Verbindung zum FC Barcelona
von diesem Spiel her? Sie sind eine offizielle
Botschafterin des Klubs.
Nein, schon zuvor spielte der Klub in den
USA, und wir kamen ins Gespräch.
Was den FC Barcelona und mich verbindet,
ist nicht zuletzt die Wohltätigkeitsarbeit. “Wir
sind mehr als ein Klub”, lautet das Motto des
FC Barcelona, und das stimmt auch. Sie tun
etwas für die Menschen, und sie bekommen
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Botschafterin des FC Barcelona Mia Hamm und FCB-Fan Kobe Bryant bei
einer Charity in Washington DC (2011).
Wie bekannt ist der FC Barcelona in der
amerikanischen Gesellschaft eigentlich?
Fährt man durchs Land, sieht man da und
dort Kinder und Jugendliche in den Shirts des
FC Barcelona, aber auch in Shirts anderer
europäischer Klubs wie Manchester United.
Ich bringe meine beiden Mädchen zur
Schule, begegne dabei einem Jungen, der fast
jede Woche ein anderes Fussballshirt trägt.
Das gab es früher nicht. Die Kinder trugen
Baseball-Caps und Shirts aus den US-Sports.
Sie haben zwei Töchter und einen Sohn.
Spielen Ihre Kinder Fussball?
Ich wünschte es mir. Der Fussball, Sport
T H E F I FA W E E K LY
AFP, FilmMagic / Getty Images
Vor dem WM-Titel 1999 Mia Hamm trifft bereits im ersten Gruppenspiel.
MIA HAMM
“Man muss das
Training so ernst
nehmen wie das
Spiel selbst.”
Ohne Fleiss kein Preis Das College-Team als Grundlage für Mia Hamms Weltkarriere.
Will Mcintyre / Time Life Pictures / Getty Images
im allgemeinen, lehrt einen so viel über sich
selbst. Man lernt, sich Ziele zu setzen und sie
trotz Hindernissen zu erreichen. Man lernt,
mit Menschen auszukommen und ein gemeinsames Ziel zu verwirklichen. Was ich mir aber
ganz grundsätzlich für meine Kinder wünsche, ist, dass sie anständige, produktive
Menschen werden – ob sie nun gegen einen
Ball treten, ein Bild malen oder als Lehrer vor
einer Klasse stehen. Ich hoffe, dass sie dabei
ihren Träumen folgen.
Und doch ist Ihnen der Wettbewerb wichtig.
Sie sagten einmal, man müsse ein gegnerisches Team nicht einfach bezwingen. Man
müsse sich ihm ins Gedächtnis einbrennen.
Wie hängt das alles zusammen?
chen will. Wenn dann jemand kommt und dir
eine Chance gibt, musst du sie ergreifen. Das
heisst, dass man das Training so ernst nehmen muss wie das Spiel selbst. Nur den
Trainer zu fragen, weshalb man nicht spielt,
reicht nicht aus.
Aber zurück zum Zitat. Wenn man einem
Gegner eine Woche oder einen Monat oder
ein Jahr später etwa in einem Finale wiederbegegnet, muss der Eindruck in ihm nachwirken, den man einst hinterlassen hat. Ich will,
dass man im gegnerischen Team denkt:
Letztes Mal hat es gegen die wirklich keinen
Spass gemacht. Å
Das ist der Sportler in mir. Aber ich meine
damit im Grunde, dass der erste Eindruck
wichtig ist. Man muss zusehen, dass man
stets präsentabel und bereit ist. Man soll
nicht einfach nur auf Gelegenheiten warten,
man muss auf das hinarbeiten, was man erreiT H E F I FA W E E K LY
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MIA HAMM
Name
Mariel Margaret Hamm Garciaparra
Geburtsdatum, Geburtsort
17. März 1972, Selma (USA)
Spielposition
Stürmerin
Stationen als Spielerin
1989–1993: North Carolina Tar Heels
2001–2003: Washington Freedom
Nationalteam USA
1987–2004: 275 Spiele, 158 Treffer
Grösste Erfolge
Weltmeisterin 1991 in China und 1999 in den USA
Olympia-Gold 1996 in Atlanta und 2004 in Athen
Olympia-Silber 2000 in Sydney
Auszeichnungen
US-Spielerin des Jahres 1994, 1995, 1996, 1997, 1998
Weltfussballerin des Jahres 2001, 2002
Aufnahme als erste Frau in die “FIFA 100”
Auf dem Weg zum WM-Titel 1999 Mia Hamm im Shirt der US-Mittelstürmerin.
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T H E F I FA W E E K LY
MIA HAMM
Der Popstar
Alan Schweingruber
Mia Hamm prägte den nordamerikanischen Fussball und avancierte in den
Neunzigerjahren zum Popstar. Diesen
Status erreichte die 41-Jährige wohlverstanden in einer Zeit, da noch keine
Frauen­profiliga in den USA existierte.
Während die Stürmerin die Covers der
Mode-Magazine zierte und es Hamm-BarbiePuppen und Hamm-Sportschuhe zu kaufen gab,
spielte sie neun Jahre lang ausschliesslich für
das Nationalteam. Mit den USA gewann sie
­u nter anderem zwei Weltmeistertitel und zweimal Gold an den Olympischen Spielen.
Hamm, die bis 1993 in North Carolina Politik­
wissenschaft studierte, debütierte bereits mit
15 Jahren für ihr Land. Am Ende ihrer National­
team-Karriere, 2004, hatte sie 158 Tore erzielt.
Mehr Treffer gelangen bis jetzt nur Abby Wambach (160).
Frauenliga nimmt dritten Anlauf
Obwohl sich Fussball in den USA als Frauensport
etabliert hat, ist das Land weit entfernt von ­einem
stabilen Profibetrieb. Nach zwei ­ge­­­scheiterten
Versuchen (2001–2003 und 2009–2012) wurde
letztes Jahr die National Women’s Soccer League
ins Leben gerufen. Die kurze, fünfmonatige
Meisterschaft wird mit neun Vereinen ausgetragen. Das Spezielle am Ligabetrieb ist, dass sich
die jeweiligen Nationalverbände aus den USA, aus
Kanada und aus Mexiko am “Projekt” beteiligen
Ihren Status erreichte Mia Hamm in
einer Zeit, da noch keine professionelle
Frauenliga in den USA bestand.
Dukas / UPI
und für die Löhne der Spielerinnen aufkommen.
So werden die schlecht abgestützten Klubs entlastet, und die Akteurinnen spielen während den
Nationalteam-Pausen auf hohem Niveau – ein
viel­versprechendes Projekt, das Mia Hamm, die
zweifache “Weltfussballerin des Jahres”, als Zuschauerin verfolgt.
Die dreifache Mutter ist mit dem ehemaligen Baseballstar Nomar Garciaparra verheiratet
und betreibt ihre eigene Stiftung für Menschen
mit Knochenmarkserkrankungen. Vergessen
werden die Amerikanerinnen ihr Fussball-Idol
nie. Letztes Jahr wurde Hamm ins beste US-­
Nationalteam aller Zeiten berufen. Å
T H E F I FA W E E K LY
13
emirates.com
Tomorrow
brings us
all closer
To new people, new ideas and new states of mind.
Here’s to reaching all the places we’ve never been.
Fly Emirates to 6 continents.
BLICK IN DIE LIGEN
I
N
Bundesliga
Pakt mit dem Teufel?
Sven Goldmann ist Fussball­
experte beim “Tagesspiegel” in
S
I
aufgenommen. Zum Spiel gegen Nürnberg
hing im Olympiastadion ein Transparent mit
der Aufschrift: “Partner von der Wallstreet –
Pakt mit dem Teufel?” Und die Wirtschafts­
zeitung “Handelsblatt” kommentierte: “KKR
spielt mit Hertha”.
Berlin.
Die Wölfe der Wallstreet
streunen schon seit ein paar
Wochen durch die Berliner Kinos und jetzt
heulen sie auch im Olympiastadion. Pünktlich
zum Bundesligaspiel gegen den 1. FC Nürn­
berg überraschte Hertha BSC die Öffentlich­
keit mit einer Meldung, die der Präsident
Werner Gegenbauer als “bahnbrechende
Vereinbarung” feierte und sein Geschäftsfüh­
rer Michael Preetz als “Quantensprung für
unseren Verein” pries. Hertha BSC, das ewig
und hoch verschuldete Gründungsmitglied
der Bundesliga, hat als erster Klub in
Deutschland einen Finanzinvestor für eine
Partnerschaft gewonnen. Kohlberg Kravis
Roberts & Co. L.P., kurz KKR, investiert 61,2
Millionen Euro in den Klub, der damit auf
einen Schlag seine Schulden in Höhe von 36,8
Millionen Euro los ist und dazu erheblichen
Spielraum für die Ausge­staltung der sportli­
chen Zukunft gewinnt.
Imago
Das klingt nach einer grossartigen Nachricht,
aber sie wurde nicht überall so grossartig
Dazu muss man wissen, dass Finanzinvesto­
ren in Deutschland nicht allzu beliebt sind.
Franz Müntefering, der frühere Vorsitzende
der Sozialdemokratischen Partei (SPD), hat sie
einmal Heuschrecken genannt, weil sie sinn­
bildlich über Felder herfallen, sie abernten
und sich dann wieder davonmachen. Beson­
ders misstrauisch sind die deutschen Fuss­
ballfans, seitdem sie sehen, was die Finanz­
investoren in England so alles anstellen.
Die Bundesliga beharrt in ihren Statuten
darauf, dass kein Investor die Mehrheit an
einem Klub übernehmen darf. Da aber die
Investoren einer Grundregel der Marktwirt­
schaft folgend schon ganz gerne mitbestim­
men wollen, hat sich noch niemand für eine
millionenschwere Minderheitsbeteiligung
gefunden. Mal abgesehen vom Traditions­
verein 1860 München, den ein jordanischer
Unternehmer vor dem Kollaps gerettet hat –
aber das Investment dort reicht auch nur für
einen Mittelfeldplatz in der zweiten Liga.
KKR hält lediglich 9,7% der Hertha BSC
GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf
D
E
Aktien und hat einen Sitz im Aufsichtsrat
übernommen. Was die New Yorker an diesem
Deal so attraktiv finden, liegt auf der Hand.
Die Bundesliga ist eine Wachstumsbranche
und Berlin eine expandierende Boom-Town.
In diesem Umfeld lässt sich schon Geld
verdienen. Die Zusammenarbeit ist für sieben
Jahre geplant, was Hertha BSC die Möglich­
keit eröffnen könnte, mittelfristig wieder in
der Champions League zu spielen. So wie
schon einmal zu Beginn dieses Jahrtausends,
als Chelsea, Milan und Barça im Olympiasta­
dion gastierten. Berauscht von diesen Festta­
gen investierte Hertha so risikofreudig in die
Mannschaft, dass der Verein daran beinahe
zu Grunde gegangen wäre.
Sportlich liess sich der Neuanfang nach dem
Einstieg von KKR nicht besonders gut an. Das
Heimspiel gegen den Abstiegskandidaten
Nürnberg ging 1:3 verloren. Å
Die Ultras von Hertha BSC äussern sich deutlich Das Spiel gegen Nürnberg aber ging 1:3 verloren.
T H E F I FA W E E K LY
15
Nervus Rerum
Sarah Steiner ist redaktionelle
Am 19. April steht der PSG zum fünften Mal
im Ligapokal-­Endspiel, will es – vor allem
nach dem Ausscheiden im Landespokal – unbedingt gewinnen und steht unter Zugzwang.
Mitarbeiterin bei “The FIFA
Weekly”.
Geld regiert momentan die
französische Ligue 1. An der
Tabellenspitze kämpfen Paris Saint-Germain, mit seinem Investor aus Katar, und
die AS Monaco, seit 2013 mehrheitlich in
russischer Hand, um den Titel. Am letzten
Spieltag liess die AS Monaco gegen den
Tabellenachten FC Lorient beim 2:2 Punkte.
Paris Saint-Germain hingegen war zwar
siegreich (2:0 gegen Girondins Bordeaux),
fand aber erst durch ein Tor von Zlatan
Ibrahimovic – der allerdings aus einer
klaren Abseitsposition traf – ins Spiel.
Überragend war diese Vorstellung nicht.
Wenigstens im Ligapokal überzeugten die
Hauptstädter und gewannen das Halbfinal-­
Spiel gegen den FC Nantes 2:1. Auch hier
brachte der schwedische Starstürmer den
Sieg. Mit seinen Toren am Anfang (5.) und
am Schluss (90.) des Spiels bewies er wieder
einmal, dass kein Weg an ihm vorbeiführt
und sich die Investition in ihn mehr als
gelohnt hat.
Gewinnen wollen die Haupstädter auch die
Meisterschaft. Das womöglich vorentscheidende Spiel findet am Sonntag statt. Zum
letzten Mal in dieser Saison stehen sich
Paris Saint-Germain und die AS Monaco
gegenüber. Momentan trennen die beiden
Titelaspiranten fünf Punkte. Gewinnt der
Verein aus dem Fürstentum, könnte die
Meisterschaft noch spannend werden.
PSG-Trainer Laurent Blanc muss für das
Spitzenspiel auf seinen verletzten, 78-Millionen-teuren Stürmer Edison Cavani verzichten, weiss aber um die Wichtigkeit der
Partie. Er erklärte die Begegnung zu einem
“6-Punkte-Spiel” und die nächste Zeit zur
“Money time”. Kein Ausdruck könnte
passender sein.
Ganz anders sieht es im Süden des Landes
aus. Olympique Marseille bleibt weit unter
den eigenen Erwartungen zurück. Der
momentane Tabellenplatz 5 berechtigt nur
dann zur Teilnahme am internationalen
Wettbewerb, wenn der zukünftige Meister
auch Pokalsieger wird. Vom letztjährigen
Auftritt in der Champions League will in
Marseille niemand mehr sprechen (punktloses Aus in der Gruppenphase). Hinzu
kommt nun auch noch, dass die Fans dem
Stadion fernbleiben. Erst ein einziges Mal
waren die Plätze des Vélodromes in dieser
Saison ausverkauft. In einer Stadt, die
normalerweise an Fussballbegeisterung
kaum zu überbieten ist, wirft dies Fragen
auf.
Ganz allgemein ist das Thema Vélodrome
ein heisses Eisen. Im Hinblick auf die EM
2016 wird das Stadion saniert. Ein neuer
Rasen wurde vor wenigen Tagen verlegt,
hält aber (noch) nicht, was er verspricht. Als
“Kartoffelacker” wurde er gar von der
französischen Presse beschimpft. War das
Stadion wegen seiner Atmosphäre auf den
Rängen früher noch vom Gegner gefürchtet, gehört das “Syn­d rome Vélodrome”
längst der Vergangenheit an.
Am Mittelmeer werden Stimmen laut, die
nach einem ausländischen Investor rufen.
“Der Tod für die Tradition”, nennen das
einen, “der Schlüssel zum Erfolg”, die
anderen. Beides mag stimmen, sicher ist
nur: Am Geld führt auch in Frankreich kein
Weg vorbei. Å
Des einen Freud, des anderen Leid Zlatan Ibrahimovic (l.) feiert seinen Treffer im Ligapokal-Halbfinale gegen den FC Nantes.
16
T H E F I FA W E E K LY
Jean-Sebastien Evrard / Getty Images
Ligue 1
Ligue Professionnelle 1
Lautsprecher
statt Fans
März riefen sie darum dazu auf, das eigene
Team von zu Hause aus mit Klatschen, Singen
und Trommeln anzufeuern. Der, na ja, Lärm
wurde mit 40 Lautsprechern rund um das
Terrain ins Stadion übertragen. Hammam-Lif
siegte gegen Stade Tunisien 1:0.
Nicola Berger schreibt über den
afrikanischen Fussball.
Der Samstag war ein guter
Tag für die Anhänger von
Ésperance de Tunis. Der
Rekordmeister siegte gegen Bizertin 2:1, und
obwohl es wirklich kein grosser Auftritt der
Gastgeber war, brandete nach Schlusspfiff
Applaus auf im Radès-Stadion. Die Glückseligkeit der Fans aber hat auch einen anderen
Grund: Bis im November fanden die Fussballspiele in Tunesien unter Ausschluss der
Öffentlichkeit statt – die Fans sind froh, dass
sie nun wieder ins Stadion dürfen. Die Massnahmen rührten einerseits von den Nach­
wehen der Jasminrevolution von 2011 her, von
der sich das Land wirtschaftlich nur schwer
erholt, andererseits war der Ausschluss die
Konsequenz von Spielabbrüchen wegen
Gewaltexzessen.
AFP
Besonders die Fans von Hammam-Lif fanden
den Zustand unhaltbar, es könne doch nicht
sein, dass die Fussballer ohne akustische
Unterstützung spielen müssen. Im vergangenen
Möglicherweise sollten die Anhänger von
Olympique de Béja bald Vergleichbares
versuchen, denn der Tabellenvorletzte versinkt in der Krise. Nach dem 1:1 gegen Kairouanaise stellte Coach Mohamed Kouki sein
Amt zur Verfügung. Weil die Vereinsführung
die Demission nicht akzeptierte, bleibt der
Tunesier im Amt. Kurios: Kouki hatte schon
im November seinen Rücktritt bekannt
gegeben, den Klub aber nicht verlassen.
Dass ein Trainerwechsel nicht immer die
beste Lösung ist, musste der Club Africain
erfahren. Mitte Januar hatten die Verantwortlichen den Fussballlehrer Arie Koster mit der
Begründung freigestellt, der unter dem
Holländer gebotene Fussball sei nicht attraktiv
genug und würde nicht genügend Tore produzieren. Wer das liest, muss denken, der Verein
befinde sich in Abstiegsgefahr, doch weit
gefehlt: Koster wurde auf Platz 1 entlassen.
Unter Nachfolger Landry Chauvin (ex-Nantes)
hat der CA in drei Spielen bis jetzt vier Punkte
errungen und nur zwei Treffer erzielt. Nach
dem enttäuschenden Auftritt vom Sonntag bei
Meister CS Sfaxien (0:2) liegt der Club Africain in der Tabelle bereits vier Punkte hinter
dem ungeliebten Lokal­r ivalen Ésperance, der
zudem noch eine Partie weniger bestritten hat.
Ésperance seinerseits scheint unter dem
eben­­falls erst im Januar eingestellten früheren tunesischen Nationalcoach Ruud Krol
(2013 gewann er mit Sfaxien den Pokal der
afrikanischen Konföderation) und ist auf
gutem Weg zum 26. Titel der Vereinsgeschichte. Gegen Bizertin trafen Yannick N’Djeng
und Oussama Darragi. Letzterer schied mit
einer Blessur am Handgelenk zwar vorzeitig
aus, dem Vernehmen nach dürfte der Regisseur für den Vergleich mit Étoile de Sahel
vom Mittwoch jedoch zur Verfügung stehen.
Die Fans werden das erfreut feststellen – vor
dem TV, nicht im Stadion. Noch müssen sich
die tunesischen Fussballliebhaber nämlich
damit begnügen, einzig die Heimspiele ihrer
präferierten Equipen besuchen zu dürfen. Å
Wieder erwünscht Seit November dürfen die Fans in Tunesien ihre Vereine wieder in den Stadien unterstützen.
T H E F I FA W E E K LY
17
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Premier League
Citys Aura ist
angekratzt
David Winner ist Autor und
Journalist in London. Zu seinen
Büchern über Fussball gehören
“Brilliant Orange” und “Dennis
Bergkamp: Stillness and Speed”.
Nicht jeder ist vom modernen Manchester City
entzückt. Colin Shindler, Autor von “Manches­
ter United Ruined My Life” (ManU hat mein
Leben ruiniert), in dem er seine Liebe zu City
beschreibt, veröffentlichte vor 18 Monaten eine
bittere Fortsetzung des Romans – dabei war
sein Klub gerade zum ersten Mal seit 44 Jahren
Meister geworden. “Manchester City Ruined
My Life” beschreibt seine Entfremdung von
dem mit Petrodollars vollgepumpten Klub.
Brian Glanville, Altmeister der britischen Fuss­­
ballautoren, der die Premier League die “Gierist-gut-Liga” nennt, steht dem Ganzen noch
feind­seliger gegenüber. Er bezichtigt City und
Chelsea, sie würden den “Brunnen des engli­
schen Fuss­balls mit ihren Milliarden vergiften”.
Darren Walsh / AP / Keystone
Und doch ist es verblüffend, wie wenig allgemei­
ne Anfeindungen es seit der Ankunft von Scheich
Mansour Bin Zayed al-Nahyan aus Abu Dhabi
2008 und dem unaufhaltsamen Aufstieg Citys
gegeben hat. Vielleicht waren die gegnerischen
Fans zu beschäftigt damit, ManU oder Chelsea
zu hassen, um City zu beachten. Ausserdem war
auch der Ruf des sympathischen Ver­­lierers
nützlich, den der Klub innehatte. Die Engländer
mögen “Underdogs”. Jahrzehntelang war City die
Witzfigur des Fussballs, schlecht geführt und
zeitweise sogar in die dritte Liga abgestiegen.
Selbst als City mächtiger wurde, hatte es noch
immer diese anziehend wirkende Aura von
Fehlbarkeit. Letztes Jahr brachte man es
tatsächlich fertig, das Finale des FA Cup gegen
den Absteiger Wigan Athletic zu verlieren.
Stürmerstar Mario Balotelli schien perfekt zur
Vereinsgeschichte zu passen: erst genial und im
nächsten Augenblick selbstzerstörerisch.
Diese Saison schien alles anders zu sein. Balotelli
hat City verlassen, und unter dem neuen Coach
Pellegrini avanciert der Klub zum gefürchtetsten
Team der Liga. Es schiesst unzählige Tore, bietet
brillanten Fuss­ball und wartet mit einem un­
glaublichen Kader auf. Beobachter tippen gar
darauf, dass City gleich vier Titel gewinnen wird.
All das erinnerte ein wenig an den berühmten
Witz des Komikers Bob Monkhouse: “Sie
lachten, als ich sagte, ich wolle Komiker
werden. Also, jetzt lachen sie nicht mehr.”
Im Vorfeld der möglicherweise titelentschei­
denden Partie am letzten Montag gegen Chel­
sea war von einer historischen Machtverschie­
bung und Financial Fairplay die Rede. Ein Blick
auf die Zahlen des Jahres 2012/13 zeigte, dass
City 233 Millionen Pfund für Gehälter ausgege­
ben hat – das sind 639 000 Pfund pro Tag. Ein
einfaches Fussballteam würde da sicher nicht
in der Lage sein, diesen Klub aufzuhalten.
Könnten die neuen Regeln der UEFA vielleicht
die Rettung für Citys Rivalen bringen?
Obwohl Manchesters Topstürmer Sergio
Agüero und Mittelfeldspieler Fernandinho
verletzt waren, wurden Chelsea keine Chan­
cen eingeräumt. Und dann begann das Spiel …
Die Titelfavoriten waren gedanklich, kämpfe­
risch und spielerisch unterlegen. Die Kontertak­
tik von Chelseas Trainer José Mourinho war
perfekt, Citys Reaktion schwach. Die Gäste
gewannen 1:0, das Ergebnis hätte höher aus­
fallen müssen.
Die Aura des Unbesiegbaren und die Titel­
chancen Manchester Citys sind nun ange­
kratzt, und die Ambitionen des Klubs auf eine
Dominanz in England und Europa erscheinen
etwas unrealistischer als noch im letzten
Monat. Aber City könnte von dieser Erfahrung
auch profitieren – möglicherweise bleibt der
Klub dadurch noch etwas länger beliebt. Å
Einen Schritt schneller Chelseas Ramires (r.) gewinnt gegen Yaya Touré das Laufduell und sein Team gegen Manchester City das Spiel.
T H E F I FA W E E K LY
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First Love
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T H E F I FA W E E K LY
Or t: Kurdufan, Südsudan
Datum: 5. Dezember 2013
Zeit: 15.53 Uhr
Marco Gualazzini / Fotogloria
T H E F I FA W E E K LY
21
DEBAT T E
Carlas Liebe zum Fussball
Ballkünstlerin In der Chacara-do-Ceu-Favela in Rio de Janeiro spielt ein Mädchen Fussball.
ennen wir sie Carla. Carla ist acht Jahre
alt, sie wohnt in Rio de Janeiro und hat
zwei ältere Brüder, die sie zum Fussball
spielen mitnehmen. Nun, mitnehmen
ist nicht ganz richtig – Carla folgt ihren
Brüdern auf die Strasse und kickt mit.
Sie spielt einen guten Ball, wie man so schön
sagt, und in der Schule ist sie eine der Besten
in diesem Spiel.
Mit 15 Jahren hat Carla ein beachtliches
Spielverständnis erlangt, und ihre Ballbehandlung ist weit fortgeschritten. Mit 16 Jahren aber
gibt sie den Fussball auf.
schaften oder in Nordamerika. Junge Frauen
als potentielle und tatsächliche Fussballspielerinnen zu sehen – damit tut man sich vielerorts
noch sehr schwer. Auf Anreize oder Zuspruch
von der Gesellschaft, mit dem Fussball weiterzumachen, treffen die jungen Frauen in
­Südamerika eher nicht.
Carla ist heute 21 und lernt für die
Abschlussprüfung zur Krankenschwester.
­
Fussball spielt sie nicht mehr, aber sie ist eine
glühende Anhängerin der Seleção unter Coach
Scolari und hofft auf den WM-Titel der Männer
in eigenen Land.
Eine professionelle Liga für den Frauenfussball in Brasilien muss her. Aber was heisst
das? Sollte man alle begabten Strassenfussballerinnen für die sechs oder acht Teams selektionieren, die dann eine Meisterschaft ausspielen? Nein, ohne fussballerische Basis ist das
nicht möglich. Zur höchsten Liga hin aufbauende Ligen müssen ebenfalls her, und genauso
Jugendligen und -turniere.
Das aber wird nur gelingen, wenn man den
Fussball in Südamerika nicht nur unter der
­Maxime des finanziellen Anreizes und mithin
als Quelle für möglichst schnelles Geld, sondern als Lebensschule gerade für die Jüngsten
unter uns begreift.
Keine Anreize
Die Rolle der Frau in Südamerika scheint enger
gefasst als in manchen europäischen Gesell-
Fussball als Lebensschule
Im Team zu gewinnen und zu verlieren, seine
eigene Rolle in einem Kollektiv zu finden,
Perikles Monioudis
N
22
T H E F I FA W E E K LY
s­ owohl gemeinsam als auch individuell auf ein
selbst gestecktes Ziel hinzuarbeiten – diese
A spekte des Fussballs zu gewichten, ist in
­
­einem stark ökonomisierten Umfeld schwer. In
Südamerika wird in Fussball investiert, damit
wiederum Geld herausspringt. Dass der Fussball in Wahrheit ein kraftvolles pädagogisches
und soziales Element ist, geht dabei verloren.
Der eigene Weg
Geheimrezepte gibt es nicht. Wer den Frauenfussball fördern will, muss sich selber etwas
ausdenken: Einfach nur das schwedische, das
deutsche oder das japanische Modell im Frauenund Mädchenfussball zu übernehmen, das
kann für Brasilien kein Weg sein.
Das Land muss ein eigenes Förderungs­
modell und grundsätzlich seinen eigenen Weg
bei der Gründung von Jugendligen gehen – unter
Berücksichtigung des gesellschaftlichen Umfelds. Eine Liga mit professionellen Strukturen
kann dabei der lang ersehnte Startschuss für
einen breit abgestützten Frauenfussball in
­Brasilien sein. Carla würde sich, nunmehr als
Zuschauerin, darüber freuen. Å
Die Weekly-Debatte.
Was brennt Ihnen unter den Nägeln?
Über welche Themen wollen Sie
diskutieren? Ihre Vorschläge an:
[email protected].
Buda Mendes / Getty Images
Der Frauenfussball hat sich in
den vergangenen 40 Jahren
vom exotischen Hobby zum
Spitzensport entwickelt. Was
braucht es jetzt? Die Professionalisierung an der Spitze oder
die Basisarbeit im Sinne des
Breitensports? The FIFA Weekly
diskutiert das Thema am Beispiel Brasiliens.
DEBAT T E
Der Frauenfussball bewegt sich an der
Spitze heute auf sehr gutem Niveau. Er
sollte aber noch professioneller werden.
Damit wird sich die Arbeit an der Basis
automatisch auch anpassen müssen. Heute
gibt es bereits in vielen Ländern ein gutes
Angebot, jedoch kann diese nur besser
­werden, wenn von oben Druck entsteht.
Darum müssen meiner Meinung nach die
bereits vorhandenen Talente besser, schneller
und professioneller an die Spitze geführt und
dort auch gehalten werden.
Flavio Gastaldi, Turin
Beides ist für den Frauenfussball gleichermassen wichtig. Die Professionalisierung an
der Spitze und die Basisarbeit im Sinne des
Breitensports. Ohne breite Basis wächst keine
herausragende Spitze heran. Und ohne
erfolgreiche Spitze, ohne Idole, lässt sich
nicht die nötige, breite Basis aufbauen. Diese
ist unerlässlich, um Nachwuchstalente
hervorzubringen, die zielgerichtet, motiviert
und mit viel Fleiss den Sport vorantreiben.
Noch fehlt es dem Frauenfussball an Glanz,
er steht im Schatten des Herrenfussballs. Da
wartet noch viel Arbeit. Doch wie der Schatten
der mächtigen Eigernordwand zeigt, kann
auch scheinbar Unerreichbares erreicht
werden. Wenn man will.
PRESIDENTIAL NOTE
Um die Professionalisierung in der Elite
voranzutreiben, braucht es zuerst eine
solide Basis und ein Ausbau im Breitensport. In der Verantwortung stehen die Klubs,
die sich vermehrt dem Mädchen- und Frauenfussball widmen sollten.
Sara Blaine, Birmingham
“Die ­FrauenEquipe war D
nur geduldet.”
Ich spiele seit über 25 Jahren Fussball und
bin der Meinung, dass es noch nicht möglich
ist die Begriffe Profi und Frauenfussball
zusammen zu bringen. Die Frauenfussballteams des jeweiligen Vereins erhielten immer
nur ein Minimum an Unterstützung. Die
Frauen-Equipe war stets nur geduldet. Ein
Schritt in die richtige Richtung ist in jedem
Fall, dass der Frauenfussball der breiten
Öffentlichkeit leichter zugänglich gemacht
wird, indem nicht nur die Spiele der Welt- und
Europameisterschaften und die übrigen
Länderspiele der Frauenmannschaften im
Fernsehen übertragen werden, sondern auch
die Champions-League-Spiele und seit Sommer
2013 vor allem auch das jeweilige Highlightspiel des Wochenendes in der deutschen
Frauenfussballbundesliga auf Eurosport live
gezeigt werden. Aus meiner Sicht ist für die
Zukunft des Frauenfussballs beides wichtig,
also die Professionalisierung an der Spitze
und die Basisarbeit.
Ich erlaube mir als langjähriger Fussballtrainer im (Männer-)Amateurfussball,
folgende These aufzustellen: Im Fussball ist
die Physis immer wichtiger geworden und
wird auch in Zukunft noch an Bedeutung
dazugewinnen. Die Attraktivität des Fussballs
besteht weniger aus seiner Grazie als viel
mehr aus seiner Dynamik. Diese wiederum ist
entscheidend, damit sich der Fussball am TV
verkaufen lässt. Der Frauenfussball wird –
Professionalisierung hin oder her – rein
körperlich bedingt niemals so dynamisch sein
können wie der Männerfussball. Und deshalb
lässt er sich auch künftig weniger gut am TV
und damit den Sponsoren verkaufen. Diese
Tatsache wird die Professionalisierung in den
meisten Ländern dieser Erde verunmöglichen.
Im Breitensport besitzt der Frauenfussball
aber einen unschätzbaren Wert, weil die
Werte und die Faszination dieses Mannschaftssports auch Mädchen und Frauen
zugänglich gemacht werden. Diese Tatsache
fördert das Verständnis zwischen Mädchen
und Jungen und zwischen Mann und Frau.
Und in Ländern, in denen Frauen nach wie
vor untergeordnete Rollen spielen, leistet er
einen massgeblichen Beitrag an das Verständnis für Gleichberechtigung.
Gesa Jürgens, St. Gallen
Thomas Maag, Küsnacht
Natascha Knecht, München
“Der Frauenfussball bewegt
sich auf sehr gutem Niveau.”
Brasilien braucht
Frauenfussball!
ie Frage nach dem Höhepunkt des Fussballjahres ist schnell beantwortet: Es ist zweifellos die WM-Endrunde in Brasilien. Der erste
Titel wird aber schon nächsten Monat ausgespielt: anlässlich der U17-WM der Frauen in Costa Rica (15. März bis 4. April). Das Turnier der 16
besten Equipen in dieser Altersstufe spiegelt die
Zukunft des Frauenfussballs. Weitere Meilensteine: in Kanada sowohl die U-20-WM im August dieses Jahres als auch die WM 2015, dann
2016 die U-17-WM in Jordanien, die U-20-WM in
Südafrika und das Olympische Frauenfussballturnier in Rio. Schon die U-17-WM in Aserbaidschan vor zwei Jahren war ein Erfolg – die erste
Frauen-WM in einem muslimischen Land.
Zu den prominenten Abwesenden nächsten
Monat in Costa Rica gehört eine Nation, die für
die unbegrenzten Möglichkeiten im Fussball
steht – für technische Vollkommenheit und
hohe Spielkunst – bei den Männern und den
Frauen: Brasilien. Die Heimat einer der besten
Spielerinnen der Geschichte und fünffachen
Weltfussballerin, Marta, kämpft im Frauenfussball gegen rückläufige Tendenzen – besonders im Juniorinnenbereich.
Anders als in den meisten führenden Nationen im Frauenfussball gibt es für die brasilianischen Fussballerinnen in der Heimat keine
Liga mit professionellen Strukturen. Kein
Wunder musste Marta das Land schon mit­
18 Jahren verlassen und während ihrer ganzen
Karriere im Ausland spielen. Kein Wunder werden die hoffnungsvollsten brasilianischen
­Talente zu diesem Schritt gezwungen.
In Sachen Frauenfussball auf Klubebene hat
das grösste südamerikanische Land Nachholbedarf. Im Sinne einer nachhaltigen Förderung des
Frauenfussballs (und damit der Gleichberechtigung) kann es deshalb nur ein Ziel geben: die
Etablierung einer kompetitiven Liga für Frauen.
Auch das muss ein Thema sein im Jahr der
­grossen Fussball-Festspiele in Brasilien.
Ihr Sepp Blatter
T H E F I FA W E E K LY
23
game onor game over
all in or nothing
adidas.com/worldcup
© 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.
DER EXPERTE
FIFA 11+ im Iran
Gezielter Erfolg Der Iraner Reza Ghoochannejhad (m.) nach seinem Siegtreffer in Ulsan gegen Korea (18. Juni 2013; 1:0).
Über zwei Millionen Menschen sind im Iran
­regelmässig im Männer- und Frauenfussball a
­ ktiv.
Das Präventionsprogramm FIFA 11+ hat über verschiedene Leistungs- und Altersklassen hinweg zu
25 Prozent weniger Verletzungen geführt.
Jiri Dvorak
Kim Hong-Ji/Reuters
F
ür Ärzte, die im Fussball tätig sind, ist die
Zahl Elf ein Synonym für Prävention. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass die
Fussball­spieler gesund sind. Wir möchten
sie vor jeglicher Art von Verletzungen bewahren und den Fussball als gesundheitsfördernde Freizeitaktivität vorantreiben.
Kürzlich begleitete ich den FIFA-Präsidenten Sepp Blatter auf seiner offiziellen Reise in
den Iran, wo er nicht nur mit Präsident Rouhani zusammentraf, sondern ausserdem noch
eine internationale Konferenz zum Thema
“Wissenschaft im Fussball” eröffnete.
Über zwei Millionen Menschen sind in Iran
in Männer- und Frauenfussball aktiv. Die L
­ igen
sind hervorragend organisiert, und die iranische Nationalmannschaft hat sich für die Fussball-WM 2014 in Brasilien qualifiziert.
Die sehr aktive medizinische Kommission
des iranischen Fussballverbands wurde bei der
medizinischen Konferenz der FIFA im Jahr
2009 in Zürich auf das Programm FIFA 11+ zur
Verletzungsprävention aufmerksam. Das Anleitungsmaterial einschliesslich der DVD wurde sogleich ins Persische übersetzt. Unter der
Leitung der medizinischen Kommission machte man sich das starke medizinische Netzwerk
zunutze, um das Programm in aller Stille landesweit zu implementieren. Trainer, Physiotherapeuten und nicht-ärztliches Personal wurden
geschult und das Programm auf regelmässiger
Basis korrekt umgesetzt.
Die Instruktionskurse wurden im Rahmen
der Konferenz Wissenschaft im Fussball präsentiert und fanden die volle Unterstützung
des Publikums. Aber zu zeigen, wie das Programm umgesetzt wird, ist nur die eine Seite
der Medaille. Für Krankenhausärzte und WisT H E F I FA W E E K LY
senschaftler ist es noch wichtiger zu erfahren,
welchen Einfluss ein solches Programm in einem grossen Fussballland auf fussballbedingte
Verletzungen hat.
Während des Besuchs von Präsident Blatter
in der Fussballakademie in Teheran hat Ali
Kafashian, der Präsident des iranischen Fussballverbands, eine kurze Stellungnahme dazu
abgegeben, die auf einer im Iran durchgeführten wissenschaftlichen Erhebung basiert. “Wir
sind überaus glücklich darüber, dass wir im Iran
seit Einführung des Präventionsprogramms
FIFA 11+ über verschiedene Leistungs- und Altersklassen hinweg 25 Prozent weniger Verletzungen verzeichnen können.”
In der Wissenschaftssprache nennen wir
das translationale Forschung: das Problem realisieren, die Risikofaktoren analysieren, Präventivmassnahmen entwickeln, deren Effizienz mit wissenschaftlicher Sorgfalt überprüfen
und die Massnahmen im Falle positiver Ergebnisse grossflächig umsetzen. Å
Prof. Jiri Dvorak ist der medizinische
Leiter der FIFA.
25
C O U N T D O W N B R A S I L I E N 2 0 14 : N O C H 1 8 W O C H E N
Begnadeter auf dem
Abstellgleis
Er spielte seine beste Saison seit Jahren und
­findet in der Seleção doch keine Beachtung. ­Das
Problem: Ronaldinho will sein Leben nicht mehr
dem Fussball unterordnen.
Name
“Ronaldinho” / Ronaldo de Assis Moreira
Geburtsdatum, Geburtsort
21. März 1980, Porto Alegre
Position
Offensives Mittelfeld, Sturm
Vereine
Grêmio, Paris Saint-Germain, Barcelona,
AC Milan, CR Flamengo, Atlético Mineiro
Nationalmannschaft
Alan Schweingruber
D
ie Zeit unmittelbar vor einer Vertragsunterschrift kann anstrengend sein. Dann
nämlich, und vor allem dann, gilt es,
­einen kühlen Kopf zu bewahren und
­keinen Fehler zu machen. Wo stimmt
das Umfeld? Wer zahlt ordentlich? Wie
ist das Klima? Alles soll in Ruhe abgewogen
werden. Eine Entscheidung kann dann ein paar
Tage länger dauern. Ronaldinho hat sich neun
Tage nach Jahreswechsel durchgerungen: nicht
die Türkei, nicht die USA; der 33-Jährige bleibt
in Brasilien bei Atlético Mineiro. Ronaldinho
hat sich für die Unterschrift auf dem Einjahresvertrag Zeit gelassen. Gerade ein Engagement
in Europa, wo die Elite des Fussballs spielt,
wäre kurz vor der WM reizvoll gewesen. Dort
hätte es der alternde Star nochmals allen ­zeigen
können. Und vielleicht wäre der Druck auf
­Nationaltrainer Felipe Scolari gross geworden.
Die Chancen für ein WM-Aufgebot stehen derzeit schlecht.
Aber Ronaldinho hat irgendwann aufgehört, den logischen Argumenten zu folgen. Was
ist schon logisch, wenn am Schluss ohnehin
alles an der Mentalität scheitert, an der Einstellung? Der Mann mit dem Dauerlächeln
muss sich wohl fühlen, sonst ist guter Fussball
zum Vornherein ausgeschlossen.
Dosierte Anstrengungen
Wohlfühlen ist ein weiter Begriff. In der Welt
von Ronaldinho bedeutet Wohlfühlen ­leben und
geniessen. In Barcelona und bei der AC Milan
sind die Klubverantwortlichen fast verzweifelt
an den exzessiven Zeiten des Brasilianers, der
seinen Beruf von heute auf morgen nicht mehr
ernst nahm. Das war 2006, nach der misslungenen WM in Deutschland. Er feierte Party um
Party und begann auf dem Rasen ­seine Anstrengungen zu dosieren. Auch die Verantwortlichen von CR Flamengo, sein erster Klub nach
26
zehn Jahren Europa, richteten die Mannschaft
zuerst nach Ronaldinho aus. Bis sie eines Tages
merkten, dass sich ihre Neuerwerbung eigentlich auf anderen Terrains ­daheim fühlte. Erst
waren es nur lustige ­K arnevalbilder mit Ronaldinho. Dann wurde der ehemalige Weltfussballer Woche für Woche in Discotheken gesehen.
Es ging so weit, dass der Klub eine 24-Stunden-­
Hotline einrichten liess. Wer Ronaldinho auf
der Tanzfläche zu Gesicht bekam, sollte dies CR
Flamengo melden.
Aufgebot nur im Notfall
Ronaldinho bändigen zu wollen, scheint ein
hoffnungsloses Unterfangen. Der Eindruck
täuscht wohl nicht, dass sich der Spielmacher
einen einfachen Grundsatz zurechtgelegt hat:
Friss oder stirb, nehmt mich wie ich bin, oder
lasst es sein. Ronaldinho weiss, was er kann.
Seine Freistösse und seine Ballbehandlung sind
immer noch ein Genuss. Er weiss auch, dass er
mehr könnte. Aber das würde zu Verzicht
­führen. Verzicht, der sich am Ende nicht einmal ausbezahlen könnte. Ronaldinho hat bei
Atlético Mineiro eine gute Saison hinter sich
und wurde vor ein paar Wochen von Journalisten zu “Südamerikas Fussballer 2013” g
­ ewählt
(die Auszeichnung hat seit 1971 Tradition,
schliesst aber nur südamerikanische und mexikanische Klubs ein). Doch Felipe Scolari imponiert das nicht. Man geht davon aus, dass
Ronaldinho nur ins WM-Kader rutscht, wenn
sich die halbe Offensive das Bein bricht.
Eine Rolle in Scolaris Plänen könnte dagegen der einst aussortierte Kaká einnehmen.
Einerseits spielt der 31-Jährige auf konstant
gutem Niveau bei der AC Milan. Andererseits
gilt Kaká als pflegeleichter “Altstar”. Dieser
­A spekt kann für ein vierwöchiges Turnier von
grosser Bedeutung sein. Ronaldinho feierte seine Vertragsverlängerung bei Atlético Mineiro
übrigens mit fünf leicht bekleideten Frauen im
Swimmingpool. Å
T H E F I FA W E E K LY
102 Spiele, 35 Tore
Grösste Erfolge
Weltmeister 2002, Champions-­LeagueSieger 2006, Spanischer Meister 2005
und 2006, Sieger Copa Libertadores 2013
In der zweiten Reihe Routinier Ronaldinho
wird wahrscheinlich zum zweiten Mal in Folge
die WM verpassen.
Lars Baron / Getty Images
C O U N T D O W N B R A S I L I E N 2 0 14 : N O C H 1 8 W O C H E N
Ronaldinho hat irgendwann
­aufgehört, den logischen
­Argumenten zu folgen.
T H E F I FA W E E K LY
→ http://www.fifa.com/worldcup
BR ASILIEN
Trainer
Luiz Felipe Scolari
Stars
Neymar, Thiago Silva, Dani Alves,
Fred
Legenden
Garrincha, Pelé, Zico, Falcao,
Ronaldo, Cafu
Weltmeister
1958, 1962, 1970, 1994, 2002
27
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was born today.
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W E E K LY T O P 11
FREE KICK
Transferrekorde
Winter 2013 / 14
1
2
Die 10 Unterschiede
Thomas Renggli
A
n den Olympischen Spielen in Sotschi
steigt ab Mittwoch das erste mannschaftssportliche Grossereignis des Jahres – mit
dem Showdown der zwölf Top­nationen im
Eishockey. Höchste Zeit auch für alle
Fussballfans, im (theore­tischen) Umgang
mit Puck und Stock Wissenslücken zu schliessen.
Hier die zehn wichtigsten Unterschiede der beiden Sportarten.
Masse und Gewicht. Das abgerundete Eisfeld
hat ein in drei Drittel aufgeteiltes Idealmass von
60 x 30 Metern, der rechteckige Fussballplatz ist
90 bis 120 Meter lang und 45 bis 90 Meter breit.
Das Eishockeytor ist nur halb so hoch wie das
Fussballgehäuse. Trotzdem treffen die sechs Eishockeyspieler öfter ins Netz, als die elf Fussballer.
Möglicherweise liegt’s am Gewicht. Der Fussball
ist 240 Gramm schwerer als der Puck.
Ausrüstung. Die mit einem Stock bewaffneten Wintersportler sind gepolstert. Zu ihrer Ausrüstung gehören Helme mit Plexiglasscheiben
oder Gittern. Das erschwert das gegen­seitige
Küssen nach Torerfolgen oder das Anspucken
der feindlichen Sportfreunde im Nahkampf. Die
helmfreien Fussballer sind von solchen Sachzwängen befreit.
Tempo. Eishockey sei das schnellste Mannschaftsspiel, wird immer wieder behauptet. Dies
ist ein Missverständnis: Der härteste Slapshot
im Rink – durch den Russen Alexander Ryazantsew – erreichte ein Tempo von 183 km/h. Der
schnellste Schuss auf dem Fussballplatz – abgegeben von Hertha-Brasilianer Ronny – wurde
mit 211 km/h gemessen.
Präsenzzeit. Eishockeyspiele dauern zwar
nur 60 Minuten. Weil die Uhr in den Unterbrechungen aber angehalten wird, ist die Arbeitszeit
des Eishockey-Profis rund 30 Minuten länger.
Das längste Spiel der Historie, zwischen Detroit
und Montreal, dauerte am 24. März 1936 exakt
176 Minuten und 30 Sekunden. Für den gleichen
Ticketpreis erhielten die Zuschauer den drei-​
fachen Gegenwert und konnten im Stadion noch
das Frühstück einnehmen.
Weltmeisterschaft. Die Fussball-WM findet
alle vier Jahre statt. Die Eishockeyspieler sind
fleissiger und treffen sich jedes Jahr im Mai,
wenn in Europa die Badesaison beginnt, zu
frühsommerlichen Titelkämpfen.
Arbeitsintensität. Der Fussballtrainer klagt:
“Zwei Spiele in einer Woche, das ist Raubbau.” Er
droht, die Gewerkschaft einzuschalten. Der Eishockeytrainer lobt: “Drei Spiele in einer Woche
sind ideal. So erreichen wir den gewünschten
Rhythmus.”
Globalisierung. Der FIFA gehören weltweit
209 Verbände mit 265 Millionen Aktiven an. Der
ebenfalls in Zürich residierende internationale
Eishockeyverband kommt (mangels Eis in der
Sahara und den Tropen) bloss auf 72 Länder mit
1,5 Millionen Lizenzierten. Keine zu klein, eine
Eishockeynation zu sein: Andorra zählt 56 Aktive.
Torhüter. Fussballtorhüter leben aufrecht.
Ihr Kasten ist 2,44 Meter hoch. Der Eis­hockeyGoalie muss nur 1,22 gross sein, um seinen Kopf
an der oberen Torumrandung anzuschlagen. Er
lebt gebeugt, trägt überdimensionierte Handschuhe und kniet häufiger auf das Eis nieder als
der Gläubige etwa in Kirche oder Moschee.
Schiedsrichter. Sowohl im Fussball als auch
im Eishockey wachen vier Unparteiische über
das Spiel. Doch die Reglementsunterschiede
sind frappant. Verprügelt ein Fussballer seinen
Gegenspieler, muss er mit einer mehrmonatigen
Sperre rechnen. Wechselt ein Eishockeyspieler
kurzfristig zum Boxen, wird er mit einer zweiminütigen Ruhepause belohnt.
Zähne. Fussballer beissen im harten Kampf
um Tore, Siege und Prämien auf die Zähne. Vielen
Eishockeycracks bleibt dies versagt. Sie lassen
ihre Zähne in der Garderobe. Eishockeyjournalisten, die von einem verbissenen Kampf berichten,
übertreiben. Der Präsident des internationalen
Eishockey-Verbandes, der Schweizer René Fasel,
ist gleichwohl Zahnarzt von Beruf. Å
Die wöchentliche Kolumne aus der
The-FIFA-Weekly-Redaktion
T H E F I FA W E E K LY
Juan Mata (ESP/Mittelfeld)
Zu: Manchester United
Von: Chelsea
Transfersumme: 44,7 Millionen Euro
Nemanja Matic (SRB/Mittelfeld)
Zu: Chelsea
Von: Benfica Lissabon
Transfersumme: 25 Millionen Euro
4
Hernanes (BRA/Mittelfeld)
Zu: Inter Mailand
Von: Lazio Rom
Transfersumme: 20 Millionen Euro
6
7
10
11
evin de Bruyne (BEL/Mittelfeld)
K
Zu: Wolfsburg
Von: Chelsea
Transfersumme: 20 Millionen Euro
José Salomón Rondón (VEN/Sturm)
Zu: Zenit St. Petersburg
Von: Rubin Kazan
Transfersumme: 18 Millionen Euro
Konstantinos Mitroglou (GRE/Sturm)
Zu: Fulham
Von: Olympiakos Piräus
Transfersumme: 15 Millionen Euro
9
Yohan Cabaye (FRA/Mittelfeld)
Zu: Paris Saint-Germain
Von: Newcastle United
Transfersumme: 25 Millionen Euro
Kurt Zouma (FRA/Abwehr)
Zu: Chelsea
Von: St. Etienne
Transfersumme: 15 Millionen Euro
Mohamed Salah (EGY/Mittelfeld)
Zu: Chelsea
Von: FC Basel
Transfersumme: 13,2 Millionen Euro
Leandro Damião (BRA/Sturm)
Zu: FC Santos
Von: SC Internationcal
Transfersumme: 13 Millionen Euro
Lacina Traoré (CIV/Sturm)
Zu: AS Monaco
Von: Anschi Machatschkala
Transfersumme: 10 Millionen Euro
Welche Transfers waren im Winter
2013/14 für Sie die wichtigsten?
Ihre Meinung an:
[email protected]
29
Name
Sir Geoffrey Charles Hurst
Geburtsdatum, Geburtsort
8. Dezember 1941, Ashton-under-Lyne (England)
Spielposition
Stürmer
Stationen als Spieler
1959–1972 West Ham United
1972–1975 Stoke City
1975–1976 West Bromwich Albion
1976 Seattle Sounders
1976 Cork Celtic
Nationalmannschaft
1966–1972, 49 Spiele (24 Tore) für England
Grösster Erfolg
Weltmeister 1966
Stationen als Trainer
Bullspress / Mirrorpix
1979–1981 FC Chelsea
30
T H E F I FA W E E K LY
INTERVIEW
“Ich wollte es glauben”
Der Engländer Sir Geoffrey Charles Hurst erzielte im WM-Finale 1966 gegen
Deutschland drei Treffer – darunter das legendäre “Wembleytor”. “Das war
ein Treffer”, sagt Hurst auch heute noch, “und das ist für mich in Ordnung.”
Der Fussball hat Sie als Jugendlichen in
Konflikt mit der Polizei gebracht.
Geoff Hurst: Dort wo ich wohnte, spielten
fast alle Jungen Fussball, bis auf einen einzigen, der mehr Interesse an Modellflugzeugen
hatte. Der Ball landete eines Tages in seinem
Garten, und er rief die Polizei. Es ist ziemlich
unfassbar, aber wir sind vor Gericht gelandet.
Wir mussten ein Pfund Strafe zahlen, und ich
bin deshalb vorbestraft.
Sie gaben Ihr Debüt für England im Februar
1966 gegen die Bundesrepublik Deutschland.
Ja, nur wenige Monate vor dem Finale.
Das ist ziemlich erstaunlich. Wir gewannen
1:0, und Nobby Stiles erzielte den Treffer.
Merkwürdigerweise trug Nobby, der eigentlich Mittelfeldspieler war, an diesem Tag ein
Trikot mit der Rückennummer neun und er
erzielte das Tor aus etwa einem Meter Entfernung! Wir haben nicht besonders gut gespielt
und mussten etwas Kritik einstecken, aber
viele Leute sagten auch, sie wären sehr
glücklich, wenn wir im Juli mit demselben
Ergebnis vom Platz gehen würden. Das war
eine ziemlich prophetische Aussage.
Im Vorfeld der WM-Endrunde hatten Sie in
den letzten 59 Punktspielen 40 Treffer erzielt.
Wie selbstbewusst sind Sie ins Turnier
gegangen?
Nachdem Sie mir das nun gesagt haben,
könnte ich Bäume ausreissen! Das wusste ich
nicht! Das ist eine interessante Statistik.
Wenn ich mir meine Bilanz so anschaue,
glaube ich wirklich, dass ich vielleicht schon
ein oder zwei Jahre früher für England hätte
spielen können, weil ich Tore erzielt habe.
Trotzdem war ich erstaunt, als ich im
Dezember 1965 [in die Nationalmannschaft]
berufen wurde.
Aber Selbstvertrauen hatte ich schon. Ich
hatte drei oder vier Jahre zur ersten Mannschaft von West Ham gehört und gut gespielt.
Wir hatten 1964 den FA Cup gewonnen, und
ich erinnere mich noch daran, wie ich nach
Hause gekommen bin und zu meiner Frau
gesagt habe: ‘Ich glaube, ich weiss jetzt, was
ich tue!’ Das war Mitte 1964. Da hatte ich also
schon Erfahrung und war körperlich in
Höchstform.
Wie fühlten Sie sich kurz vor dem Finale?
Wir haben uns einen Kinofilm angeschaut. Wir gingen zu Fuss vom Hotel bis
Hendon Central und sahen einen Film mit
dem Titel “Die tollkühnen Männer in ihren
fliegenden Kisten”. Der gesamte 22-köpfige
Kader einschliesslich Betreuern ging zu Fuss
dorthin, schaute sich den Film an, holte sich
in der Pause ein Eis und ging den ganzen Weg
zu Fuss zurück. Auf dem Hin- und Rückweg
ist uns kein einziger Kameramann begegnet
und wir wurden auch nicht um Autogramme
gebeten. Können Sie sich das heute vorstellen?
Man könnte es vielleicht machen, aber man
bräuchte bestimmt 15 Bodyguards!
Der Ball sprang hinter den Torhüter, und
von meiner Position aus konnte ich ihn nicht
wirklich sehen. Allerdings wollte ich unbedingt daran glauben, dass der Ball hinter der
Linie war, als hinge mein Leben davon ab!
Mein Teamkamerad Roger Hunt – und das
war für mich immer ausschlaggebend – hätte
nachsetzen und den Ball ins Tor befördern
können, aber er drehte jubelnd ab und rief:
‘Es ist ein Tor’. Das ist bei mir viele Jahre lang
haften geblieben. Er war der Ansicht, dass er
hinter der Linie war. Als guter Stürmer wäre
er instinktiv geneigt gewesen, den Ball über
die Linie zu drücken, aber das hat er nicht
getan. Er hob jubelnd die Arme und rief:
‘Es ist ein Tor’. Das ist für mich ausreichend.
Die Anfangsphase lief nicht nach Plan, oder?
Nein, wir sind in Rückstand geraten.
Paradoxerweise beging unser linker Verteidiger Ray Wilson, der einer unserer Weltklassespieler und für mich damals der weltbeste auf
dieser Position war, in den ersten Spielminuten
einen elementaren Fehler. Und dann lagen wir
0:1 zurück.
Ihr Torjubel nach dem Ausgleichstreffer war
brillant. Sie waren 24 Jahre alt und spielten
bei einer WM im eigenen Land. Und Sie hatten
etwas bewirkt.
Dieses Tor, das sozusagen aus einer
West-Ham-Freistosssituation fiel, löste bei
mir ein Hochgefühl aus. Ich freute mich nicht
nur über das Tor, sondern ganz allgemein
über meine Lage. Ich glaube, dieser wirklich
dumme Torjubel, über den heute noch viele
Leute reden, brachte nur zum Ausdruck, wie
wohl ich mich in meiner Haut fühlte.
Und dann war da noch ein Ereignis, das in die
WM-Geschichte eingegangen ist und wohl
immer in Erinnerung bleiben wird: Englands
drittes Tor. War der Ball hinter der Linie?
Ich würde es der FIFA und jedem anderen
im Weltfussball ja sagen, aber der Ball war
mindestens einen Meter hinter der Linie!
Punkt! Ganz ehrlich, ich stand dort auf dem
Spielfeld, als Ersatz für Jimmy Greaves, und
es stand 2:2 gegen eine hervorragende deutsche Mannschaft. Ich traf den Ball halb aus
der Drehung und fiel zu Boden, so dass ich
eine sehr schlechte Sicht hatte.
T H E F I FA W E E K LY
War das letzte Tor ein Sonntagsschuss oder
wussten Sie, wo Sie den Ball hinhaben wollten?
Die ehrliche Antwort ist, es war mir ganz
egal, wo er hinging! Als ich die Strafraumgrenze erreichte, wusste ich, dass die Partie
fast vorbei war, und ich wollte den Ball mit
dem linken Fuss einfach so hart schiessen wie
ich konnte. Tatsächlich wollte ich ihn über die
Latte in die Zuschauer dreschen. Ich wusste,
dass die Partie sicher zu Ende gewesen wäre,
bis Tilkowski den Ball vom Balljungen zurückbekommen und zum Torabstoss angesetzt hätte. Aber wie Sie wissen, habe ich ihn
falsch getroffen und er ging rein!
Brasilien hat jetzt die Chance, eine WM vor
eigenem Publikum zu bestreiten. Wie war das
für Sie, jede Partie auf heimischem Boden zu
spielen und bei der WM im eigenen Land
dabei zu sein?
Die Weltmeisterschaft ist ein tolles
Ereignis, und eine WM im eigenen Land
auszurichten, ist absolut fantastisch. Ich
glaube, in dem Augenblick ist einem gar nicht
bewusst, wie gross das Ganze eigentlich ist.
Man ist viel zu sehr daran interessiert, aufgestellt zu werden und zu spielen. Aber wenn
man sich dann andere Weltmeisterschaften
als Zuschauer anschaut, ist es fantastisch. Ich
finde, ich habe unglaubliches Glück gehabt. Å
Mit Geoff Hurst sprach Martin O’Boyle
31
ZEITSPIEGEL
T
H
E
N
Barcelona (Camp Nou),
Spanien
“Ho visto Maradona”, sangen die Tifosi in Neapel
zwischen 1984 und 1991 zu Ehren Diego Maradonas.
Seine belgischen Gegenspieler sahen das Fussball-­
Genie schon an der WM 1982 aus nächster Nähe.
Ihre Ehrfurcht entspricht der sportlichen Rollenverteilung nicht ganz: Belgien gewann die Partie
1:0. Argentinien scheiterte in der Zwischenrunde.
Vier Jahre später feierten die Gauchos die weltmeisterliche Krönung – dank Maradona und seiner
“Hand Gottes”.
32
T H E F I FA W E E K LY
Steve Powell / Allsport
1982
ZEITSPIEGEL
N
O
W
Johannesburg (Soccer City),
Südafrika
2010
Gabriel Bouys / AFP
Olympiasieger. Champions-League-Gewinner.
Serienmeister. Cupsieger. Fussballer des Jahres
im Zwölfmonats-Rhythmus. Lionel Messi verkörpert die moderne Spielkunst. An der WM 2010
spielt er mit den Südkoreanern Katz und Maus
und führt Argentinien zum 4:1-Sieg. Das Toreschiessen nimmt ihm Kollege Gonzalo Higuain
ab – mit drei Treffern. Messi & Co. bleibt das
Happy End dennoch verwehrt: Im Viertelfinale
scheitert der Favorit an Deutschland (0:4).
T H E F I FA W E E K LY
33
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SHALL BE HEARD
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“SONY” and “make.believe” are trademarks of Sony Corporation.
DAS FIFA-R ANKING
Rang Team
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
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13
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15
16
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20
21
22
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30
31
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35
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38
39
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43
44
45
46
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49
50
51
52
53
54
55
56
56
58
59
60
61
62
63
63
65
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67
68
69
69
71
72
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74
74
76
77
Rang­veränderung Punkte
Spanien
Deutschland
Argentinien
Kolumbien
Portugal
Uruguay
Italien
Schweiz
Niederlande
Brasilien
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0
0
0
0
0
0
0
0
0
1507
1318
1251
1200
1172
1132
1120
1113
1106
1102
Belgien
Griechenland
England
USA
Chile
Kroatien
Elfenbeinküste
Ukraine
Bosnien und Herzegowina
Frankreich
Mexiko
Russland
Ecuador
Ghana
Dänemark
Schweden
Algerien
Tschechische Republik
Slowenien
Serbien
Ägypten
Costa Rica
Rumänien
Iran
Kap Verde
Panama
Schottland
Armenien
Venezuela
Mali
Nigeria
Peru
Honduras
Tunesien
Türkei
Ungarn
Österreich
Japan
Island
Kamerun
Paraguay
Montenegro
Republik Korea
Südafrika
Wales
Albanien
Australien
Burkina Faso
Norwegen
Slowakei
Guinea
Libyen
Israel
Vereinigte Arabische Emirate
Usbekistan
Finnland
Republik Irland
Senegal
Bolivien
Sambia
Togo
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Marokko
Bulgarien
Sierra Leone
Polen
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0
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0
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1
0
1
-7
14
-1
0
-1
-1
1098
1055
1041
1019
1005
971
912
907
899
893
892
870
852
851
831
793
792
766
762
752
748
743
734
727
726
722
717
716
715
703
701
698
692
689
677
668
648
641
624
616
607
594
581
576
574
571
571
566
558
557
555
552
548
548
546
539
528
526
519
519
509
504
487
486
486
464
461
Rang
Aug. 2013
Sept. 2013
Okt. 2013
→ http://de.fifa.com/worldranking/index.html
Nov. 2013
Dez. 2013
Jan. 2014
1
-41
-83
-125
-167
-209
Platz 1 78
79
79
81
81
83
84
85
85
87
88
89
90
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93
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97
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99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
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110
111
112
113
114
115
116
117
118
119
120
121
122
123
124
125
125
127
128
129
130
130
132
133
134
135
135
137
138
138
138
141
142
143
144
Aufsteiger des Monats Trinidad und Tobago
Oman
Haiti
DR Kongo
Jamaika
Belarus
EJR Mazedonien
Kongo
Gabun
Uganda
El Salvador
Angola
Nordirland
Neuseeland
VR China
Estland
Aserbaidschan
Äthiopien
Moldawien
Botsuana
Liberia
Benin
Kuba
Katar
Georgien
Litauen
Niger
Simbabwe
Kuwait
Zentralafrikanische Republik
Äquatorial-Guinea
Kenia
Bahrain
Kanada
Guatemala
Tadschikistan
Dominikanische Republik
Irak
Lettland
Malawi
Tansania
Sudan
Mosambik
Neukaledonien
Luxemburg
Libanon
Burundi
Zypern
Namibia
Philippinen
Kasachstan
Myanmar
Malta
Ruanda
Suriname
Turkmenistan
Grenada
Syrien
DVR Korea
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Afghanistan
Tahiti
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Vietnam
Antigua und Barbuda
T H E F I FA W E E K LY
0
6
0
1
-1
-2
-1
-1
-8
-1
2
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-1
-1
0
1
0
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2
3
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2
2
-6
3
3
0
-7
2
2
-5
1
1
Absteiger des Monats
441
440
440
439
439
431
425
421
421
413
395
384
381
378
376
366
363
361
359
354
354
335
334
333
330
326
318
312
311
310
309
304
299
291
286
285
282
280
272
265
261
258
256
249
243
236
230
229
229
219
216
204
198
198
197
195
194
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188
185
184
184
184
179
174
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145
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150
151
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156
159
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167
169
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170
172
172
172
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178
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180
181
182
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184
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187
187
189
190
190
190
193
194
194
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196
198
198
200
201
201
203
204
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206
207
207
207
Mauretanien
St. Lucia
Kirgisistan
Thailand
Singapur
St. Kitts und Nevis
Guyana
Belize
Laos
Malaysia
St. Vincent und die Grenadinen
Liechtenstein
Indien
Puerto Rico
Nicaragua
São Tomé und Príncipe
Indonesien
Guam
Malediven
Tschad
Bangladesch
Barbados
Chinese Taipei
Dominica
Sri Lanka
Aruba
Färöer
Salomon-Inseln
Nepal
Pakistan
Bermuda
Seychellen
Mauritius
Curaçao
Vanuatu
Jemen
Mongolei
Fidschi
Samoa
Guinea-Bissau
Bahamas
Swasiland
Madagaskar
Montserrat
Kambodscha
Brunei Darussalam
Osttimor
Tonga
Amerikanische Jungferninseln
Cayman-Inseln
Papua-Neuguinea
Britische Jungferninseln
Amerikanisch-Samoa
Komoren
Andorra
Eritrea
Südsudan
Macau
Somalia
Dschibuti
Cook-Inseln
Anguilla
Bhutan
San Marino
Turks- und Caicos-Inseln
-3
1
1
-2
1
-1
-1
7
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0
-2
-2
-2
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0
0
161
155
155
153
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146
144
143
142
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141
137
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124
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116
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95
95
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86
86
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47
45
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40
37
33
33
28
26
26
26
23
21
21
18
18
17
17
11
10
10
8
6
5
3
0
0
0
35
NET ZER WEISS ES!
DAS OBJEK T
Was machen die
Niederländer falsch, dass
sie nie eine WM gewinnen?
Frage von Olga Cherepowa, Sumy (Ukraine)
Kult im Doppelpack Günter Netzer mit seinem Basset Yorkie 1973 in Madrid.
D
änemark und die Niederlande sind Länder, die mich schon immer fasziniert
haben. Klein wie sie sind, diese Nationen,
haben sie es immer geschafft, sehr guten
Fussball zu spielen. Anfang der 1970er-­
Jahre revolutionierten die Niederländer
sogar die Branche mit ihren neuen, modernen
Fussballschulen. Ich erinnere mich gut an die
Zeit. Junge Talente, die in Amsterdam ausgebildet wurden, verfügten mit zwanzig Jahren
über technische und taktische Qualitäten, die
in unseren Reihen nur die Routiniers besassen.
Totaalvoetbal, wie die Niederländer ihr
Spielsystem bezeichneten, war äusserst ansehnlich und hat ihren attraktiven Fussball bis heute
geprägt. Deshalb glaube ich, Frau Cherepowa,
dass die grosse Zeit der Niederländer noch kommen wird. Zu den Hauptfavoriten gehören sie in
Brasilien nicht, aber das Team von Louis van
Gaal hat reelle Chancen auf den Titel. Mit den
Niederlanden muss man immer rechnen. Gut
möglich, dass die ganze WM-Geschichte anders
verlaufen wäre, wenn das Nationalteam im Final
1974 nicht von Übermut getrieben worden wäre.
36
Die Mannschaft um Spielmacher Johan Cruyff
zog in München ein grossartiges Spiel auf, lag
gegen Deutschland verdient 1:0 in Führung.
Aber dann machten die Niederländer einen entscheidenden Fehler. Sie glaubten, Deutschland
vorführen zu müssen. Das funktionierte nicht.
Es wirkte wie eine Provokation. Eine Demütigung im eigenen Land, das liessen wir Deutsche
nicht zu. Unser Team, ich selbst war im Finale
nur Ersatz, schöpfte Kraft und gewann durch
Tore von Breitner und Müller 2:1 die WM.
Dieses negative Erlebnis, so scheint mir,
hat bei den Niederländern nachgewirkt. So ist
es zumindest zu erklären, dass sie dem deutschen Fussball bis heute viel Respekt entgegenbringen. Å
Was wollten Sie schon immer über
Fussball wissen? Fragen Sie Günter
Netzer: [email protected]
T H E F I FA W E E K LY
Über den beklagenswerten Zustand der Plakatkunst im öffentlichen Raum muss man sich an
dieser Stelle nicht ausbreiten. Lassen wir es mit
dem Hinweis bewenden, dass zu Zeiten, da das
Plakat das wichtigste Werbemittel im Freien
war und die elektronischen Medien weitgehend
noch ihrer Entdeckung harrten, die besten
Köpfe des Business und die besten Illustratoren sich um das Plakat kümmerten. Heute sind
sie in den Neuen Medien zugange.
Das Plakat fristet schon seit sehr langem
künstlerisch betrachtet ein Mauerblümchen-­
dasein – und das Matchplakat im grossen Stil
hat praktisch ausgedient.
Zum Ende der 1930er-Jahre aber, als auch
und gerade die wichtigsten Fussballspiele in
Stadt und Land noch affichiert wurden, setzte
auch der Club Sportif Chénéraillais auf dieses
Werbemittel. Er kündigte seine stets sonntags
abgehaltenen Heimspiele im Assoziationsfussball – wie der Fussball damals in Abgrenzung
etwa zu Rugby genannt wurde – mittels werbefinanzierter Blankoplakate an. Das tut bis auf
den heutigen Tag weltweit so mancher Kleinklub. Gerade auf dem Land macht sich ein
Match­plakat an der Glastür des Bäckers oder
der ­Coiffeurin sehr gut.
In der Sammlung der FIFA ist noch ein Exemplar jener Plakate aus Chénérailles vorrätig.
Der Ort selbst liegt, im Herzen Frankreichs, in
der Region Limousin; die Geschichte des auf einen Hügel gebauten 800-Seelen-Dorfs reicht bis
zu den Römern zurück. Das Plakat zeigt einen
Torhüter beim ­Auskick. Seine Haare sind unter
einer Mütze verborgen. Ausgerechnet – macht
doch die französische Firma Pétrole Hahn, der
Sponsor des Plakats, in Haarwaschmittel.
Wie viele Fläschchen Pétrole Hahn dank
des Matchplakats damals verkaufen konnte, ist
nicht überliefert. Die Marke, die auf einer
­Erfindung des Genfer Apothekers Charles Hahn
aus dem Jahr 1885 gründet, existiert aber noch
immer. Å
Imago / Werek
Perikles Monioudis
TURNING POINT
“Ein Treffen
in São Paolo
veränderte
alles”
Ich wollte nur über die Möglichkeit eines Wechsels nach
Deutschland sprechen. Doch am
Schluss der Verhandlung unterschrieb ich für fünf Jahre.
Christian Grund / 13 Photo
E
in Schlüsselereignis für meine Fussballkarriere ereignete sich schon 69 Jahre vor meiner Geburt – 1904. Damals wanderte mein
Urgrossvater von Heidelberg nach Brasilien
aus. Dort waren ausgebildete europäische
Arbeitskräfte für den Bau von Eisenbahnlinien und Strassen hoch im Kurs. So kam es, dass
meine Vorfahren das Wagnis der mehrwöchigen
Schiffsreise über den Atlantik eingingen.
Wie die meisten brasilianischen Jungen
wuchs ich mit dem Fussball auf. Wir jagten in
meiner Heimatstadt Curitiba praktisch in jeder
freien Minute dem Ball nach. Mit 15 Jahren
schloss ich mich den Junioren von Atlético Paranaense an. Mein Profidebüt gab ich allerdings
bei Atlético Mineiro. Ein Jahr später kehrte ich
zu Paranaense zurück. In Brasilien profitierte ich
überproportional von meiner starken Physis:
70 Prozent der Tore erzielte ich per Kopf. Interessanterweise schlug dies in Deutschland ins Gegenteil um. In der Bundesliga traf ich in 70 Prozent der Fälle mit dem Fuss. Mit anderen Worten:
Ein b
­ rasilianischer Kämpfer ist in Deutschland
ein Techniker.
Der Wendepunkt meiner Karriere war zweifellos die Begegnung mit Leverkusen-Manager
Reiner Calmund 1996 in São Paolo. Ich ging davon
aus, dass wir uns zu einem lockeren G
­ espräch
treffen würden. Als wir uns verabschiedeten, hatte ich einen Fünfjahresvertrag in der Tasche und
musste meiner Frau erklären, dass wir nach
Deutschland ziehen. Es war die beste Entscheidung meines Fussballerlebens, denn in Leverkusen konnte ich meine Qualitäten so ­einbringen,
wie dies in Brasilien kaum möglich gewesen wäre.
Dank meinen Vorfahren hatte ich beste Voraussetzungen, den deutschen Pass zu erhalten. Und
Name
Paulo Rink
Geburtsdatum, Geburtsort
21. Februar 1973, Curitiba
Position
Stürmer
Wichtigste Stationen
Altético Mineiro, Leverkusen,
FC Santos, Nürnberg, Olympiakos
Nikosia, Vitesse Arnheim
Nationalteam Deutschland
13 Einsätze
weil sich Bayer Leverkusen für mich einsetzte,
wurde ich schon Anfang 1997 eingebürgert.
Das erste Aufgebot für die deutsche Nationalmannschaft liess nicht lange auf sich warten.
Damit stellte sich für mich allerdings auch eine
Gewissensfrage: Sollte ich für Deutschland spielen – und damit in meiner brasilianischen Heimat
einige Leute vor den Kopf stossen und meinen
Bubentraum, einmal für die Seleção aufzulaufen,
begraben? Ich führte intensive Gespräche mit
meinen Eltern, aber auch mit den anderen Brasilianern in Leverkusen – Emerson und Zé Roberto.
Ich hatte einige schlaflose Nächte, bevor ich mich
für Deutschland entschied. Es war zunächst ein
Kopfentscheid, denn ich wusste, dass in Brasilien
die Konkurrenz ungleich grösser war. Zu verlieren gab es aber eigentlich nichts. Schliesslich
­hatte ich die Wahl zwischen zwei Top-Nationen.
Dies machte den Entscheid auch in Brasilien für
die meisten Leute nachvollziehbar.
T H E F I FA W E E K LY
Meine Zeit als Nationalspieler fiel in eine Zeit,
als sich die DFB-Auswahl im Umbruch befand. So
blieb ich ohne Titelgewinn. An der EM 2000
stand ich aber bei allen Partien im Einsatz. Und
als der “Kicker” nach dem Turnier von seinen
­Lesern wissen wollte, welche Spieler beim Neuaufbau dabei sein sollten, votierten 78 Prozent für
mich. Das bedeutete mir sehr viel. Denn es bestätigte mich nachträglich in meinem Entscheid für
Deutschland zu spielen. Å
Aufgezeichnet von Thomas Renggli
Persönlichkeiten des Fussballs erzählen
von einem wegweisenden Moment in
ihrem Leben.
37
A FIFA World Cup
in Brazil is just like Visa:
everyone is welcome.
™
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The FIFA Weekly
Eine Wochenpublikation der
Fédération Internationale de Football
Association (FIFA)
FIFA - R ÄT SEL - CUP
Internet:
www.FIFA.com/TheWeekly
WM-Finale Mitte August, ein kurioser Doppelgänger und zwölf Jahre Pause – raten Sie mit!
Herausgeberin:
FIFA, FIFA-Strasse 20,
Postfach, CH-8044 Zürich
Tel. : +41-(0)43-222 7777
Fax : +41-(0)43-222 7878
Präsident:
Joseph S. Blatter
Generalsekretär:
Jérôme Valcke
Direktor Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit:
Walter De Gregorio
1
WM-Endspiel offenbar am 15. August? So wurde es offiziell angekündigt. In welchem Jahr?
B
M
1930
P
1934
T
1978
1990
Chefredakteur:
Thomas Renggli
Art Director:
Markus Nowak
Wer ist das?
2
Redaktion:
Perikles Monioudis (Stv. Chefred.),
Alan Schweingruber, Sarah Steiner
A Michel Platini
E Gerd Müller
O Neymar Senior
Y Blatter Junior
Ständige Mitarbeiter:
Jordi Punti, Barcelona; David Winner,
London; Hanspeter Kuenzler, London;
Roland Zorn, Frankfurt/M.;
Sven Goldmann, Berlin;
Sérgio Xavier Filho, São Paulo;
Luigi Garlando, Mailand;
Bildredaktion:
Peggy Knotz, Andreas Wilhelm,
Adam Schwarz
Produktion:
Hans-Peter Frei (Leitung),
Richie Krönert,
Marianne Bolliger-Crittin,
Mirijam Ziegler, Susanne Egli,
Peter Utz
3
Ein denkwürdiges Endspiel. Die Nachnamen
aller 13 eingesetzten Spieler des Siegerteams …
B beginnen mit S
L enden auf s
K
R
beginnen mit C
enden auf c
Korrektorat:
Nena Morf
Redaktionelle Mitarbeit
in dieser Nummer:
Nicola Berger, Martin O’Boyle
Diese beiden Spieler nahmen an zwei WMs teil,
soweit nichts Besonderes. Seltsam nur, dass zwischen
den beiden Teilnahmen 12 Jahre lagen – dazwischen
bestritten sie auch keine WM-Qualifikation.
Für wen spielten sie?
4
Redaktionssekretariat:
Loraine Mcdouall
Übersetzung:
Sportstranslations.com
D Chi…
L Bel…
Projektmanagement:
Bernd Fisa, Christian Schaub
Druck:
Zofinger Tagblatt AG
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Kontakt:
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Der Nachdruck von Fotos und
Artikeln aus dem The FIFA Weekly,
auch auszugsweise, ist nur mit
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(The FIFA Weekly, © FIFA 2014)
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verpflichtet, unaufgefordert
eingesandte Manuskripte und Fotos
zu publizieren. Die FIFA und das
FIFA-Logo sind eingetragene
Warenzeichen. In der Schweiz
hergestellt und gedruckt.
E
T
Schwe…
Austr…
Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: JUPP (ausführliche Erklärungen auf FIFA.com/theweekly).
Inspiration und Umsetzung: cus
Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 12. Februar 2014 an die E-Mail
[email protected]. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel
bis am 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten
für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil.
Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die
Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis
nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit
stehen: de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf
T H E F I FA W E E K LY
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FR AGEN SIE DIE FIFA!
UMFR AGE DER WOCHE
Wird Atlético
Madrid Meister?
Durften im Fussball ausgewechselte Spieler früher wieder eingewechselt werden?
Michele Angele, Berlin.
5
In den letzten neun Jahren gewannen
stets Barcelona oder Real Madrid die
spanische Meisterschaft. Eine Serie,
die diesen Frühling enden kann, denn
Atlético Madrid hat sich an der Spitze
festgesetzt. Gelingt dem Team von
Diego Simeone der Coup? Meinungen
auf: [email protected]
Platzverweis, Penalty, Sperre – ist die
Dreifachbestrafung sinnvoll?
11%
JA
NEIN
89%
lands gegen Kame-
185
run bei und stellte
Ballkontakte verbuchte
fünf Südamerikaner und
einen bis heute
Bayern Münchens Thiago
je vier Spanier und
gültigen WM-Rekord
beim 5:0 gegen Frankfurt – das
Serben. Die einzigen
auf. Salenko war nur
ist Bundesliga-­Rekord. Nun sind die letzten
Einheimischen waren
ins Kader gerutscht,
kritischen Stimmen zum 25-Millionen-Euro-Trans-
der unverwüstliche Chelsea-Captain John Terry
weil diverse russi-
fer verhallt. Den Weltrekord darf trotzdem sein
(Bild) sein Mitstreiter Gary Cahill, City-Torhüter
sche Spieler das
Ex-Klub beanspruchen: Sergio Busquets hatte im
Joe Hart sowie Schiedsrichter Michael Dean. Den
Turnier boykottiert
Mittelfeld von Barcelona 190 Ballberührungen in
Siegestreffer für Chelsea erzielte Branislav
hatten.
einem Spiel.
Ivanovic. Er stammt aus Serbien.
DER TREFFSICHERE
40
11+
89
19
ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE:
Tore steuerte Oleg
Salenko an der
WM-Endrunde 1994
zum 6:1-Sieg Russ-
DER UMTRIEBIGE
DER ENGLÄNDER
Spieler, die keine Engländer waren, standen beim
englischen Spitzenkampf zwischen Manchester City und Chelsea
auf dem Platz – darunter
T H E F I FA W E E K LY
Getty Images, Dennis Doyle / Getty Images, Adrian Dennis / AFP
Antwort von Chefredakteur Thomas
Renggli: Nein – im Gegensatz zum
Eishockey war dies im Fussball nie
erlaubt. Der entsprechende Passus
im Regelwerk lautet: “Ein Spieler,
der ersetzt wurde, darf später am
Spiel nicht wieder teilnehmen.”
Früher war das allerdings nicht
von Relevanz. Denn bis in die
1960er-Jahre gab es keine Auswechslungen. Wenn sich ein Fussballer verletzte, mussten seine
Kollegen zu zehnt weiterspielen.
1965 hatte der englische Verband
ein Einsehen und erlaubte (aber nur
im Verletzungsfall) eine Auswechslung pro Partie. 1966 zogen das
International Football Association
Board und die FIFA mit und legalisierte das “Jobsharing” weltweit –
und zwar für zwei Spieler pro
Mannschaft und unabhängig von
der medizinischen Schadensbilanz.
1995 wurde das Auswechselkontingent auf drei pro Team erhöht.