Baustelle Indien - Deutsche Bank Research
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Baustelle Indien - Deutsche Bank Research
8. Mai 2006 Indien Spezial Aktuelle Themen 351 Baustelle Indien Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte Überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum in Indien. Starkes Bevöl- kerungswachstum, qualifizierte Arbeitskräfte und steigende Investitionen aus dem In- und Ausland werden Indien in den nächsten 10 bis 15 Jahren ein Wirtschaftswachstum von knapp 6% p.a. bescheren. Outsourcing von Dienstleistungen kurbelt Büronachfrage an. Indien ist das wichtigste Zielland für Outsourcing von IT-Dienstleistungen. In den nächsten fünf Jahren müssen allein im hochwertigen Bürosegment rd. 55 Mio. m² zusätzliche Bürofläche fertiggestellt werden. 600 neue Einkaufszentren bis 2010. Indiens wachsende Mittelschicht wird die Einzelhandelsumsätze bis 2010 um 10% p.a. steigen lassen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung des filialisierten Einzelhandels zu. Heute beträgt der Anteil dieses Segments nur 3%, im Jahr 2010 wird dieser Wert bereits bei 10% liegen. Bis 2030 müssen bis zu 10 Mio. neue Wohnungen pro Jahr fertig werden. Starkes Bevölkerungswachstum, steigende Einkommen, sinkende Haus- haltsgrößen und ein Wohnungsmangel von heute 20 Mio. Wohneinheiten erzwingen umfangreiche Tätigkeiten im Wohnungsbau. Gerade die Finanzierung von selbst genutztem Wohnraum bietet enormes Marktpotenzial. Autoren Tobias Just DB Research +49 69 910-31876 [email protected] Maren Väth DB Real Estate Research +49 69 71704-204 [email protected] Henry Chin RREEF Research +44 20 754-56611 [email protected] Editor Hans-Joachim Frank Publikationsassistenz Sabine Berger Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland Internet: www.dbresearch.de E-Mail: [email protected] Fax: +49 69 910-31877 DB Research Management Norbert Walter Kapitalmarkt noch unterentwickelt. Insgesamt wird der Bestand an gewerblichen Immobilien auf derzeit gut USD 300 Mrd. geschätzt. Davon entfallen jedoch bisher nur USD 4 Mrd. auf den institutionellen Investmentmarkt. Kapitalmarktprodukte wie CMBS oder Immobilienaktien fehlen noch fast vollständig. Risiken beachten. Immobilieninvestitionen in Indien sind nicht risikolos. So entspricht die Markttransparenz nicht europäischen oder US-amerikanischen Maßstäben. Ein professioneller, lokaler Partner ist unerlässlich. Auch fehlt es an Liquidität auf den Immobilienmärkten, und die Preise sind vielerorts zuletzt deutlich gestiegen. Schließlich folgt der Infrastrukturausbau noch nicht schnell genug der Stadtentwicklung. Wachstumspotenzial auf dem gewerblichen Immobilienmarkt Veränderung des Immobilienbestands, 2006 bis 2010 80 40 60 30 40 20 20 10 0 0 Büro Kapitalwert (Mrd. USD, rechts) Einzelhandel Logistik Entwicklungsfläche (Mio. m², links) Quellen: RREEF Research, DB Research Aktuelle Themen 351 2 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................................................................................... S. 5 Gesamtwirtschaftliches Umfeld ........................................................................................... S. 5 Starke demografische Impulse......................................................................... S. 5 Die Wirtschaft boomt........................................................................................ S. 6 Es bleiben große Aufgaben bestehen .............................................................. S. 7 Regionale Unterschiede beachten ................................................................... S. 7 Städte als Zentrum der Entwicklung..................................................................................... S. 9 Büromärkte profitieren von Offshoring-Aktivitäten ............................................................S. 11 Mumbai – das Finanzzentrum Indiens ............................................................S. 11 Die Hauptstadt Delhi wächst über sich hinaus ............................................... S. 13 Das IT-Zentrum Bangalore stößt an Wachstumsgrenzen............................... S. 14 Trends auf den indischen Büromärkten.......................................................... S. 16 Einzelhandelsimmobilien: Traditionelle Strukturen brechen auf...................................... S. 17 Starkes Wachstum auf dem Wohnungsmarkt programmiert ............................................ S. 19 Immobilienkapitalmarkt noch unterentwickelt ................................................................... S. 22 Investitionsvolumen ....................................................................................... S. 23 Kapitalströme und Zukunftsperspektiven ........................................................ S. 26 Ausbau der Infrastruktur unerlässlich................................................................................ S. 27 8. Mai 2006 3 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte Einleitung Ein paar Definitionen vorab 1 lakh 1 crore = = 100.000 10.000.000 INR/USD (03/2006) = INR/EUR (03/2006) = 44,4 53,0 10 sf. = 0,929 m² Mumbai Kolkata Chennai = = = Bombay Kalkutta Madras 1 Mit dieser Studie legen wir eine Analyse der Chancen und Risiken des indischen Immobilienmarkts vor. Angesichts der Größe und Heterogenität des Landes wäre es vermessen, alle Teilmärkte darstellen zu wollen – die unzureichende Datenlage macht dies letztlich auch unmöglich. Das Hauptaugenmerk liegt daher auf den allgemeinen Trends für die Büro-, Einzelhandels- und Wohnungsmärkte. Die wichtigsten Standorte werden hierbei etwas ausführlicher beleuchtet. Dabei handelt es sich um die Hauptstadt Delhi, das Finanzzentrum Mumbai und die IT-Stadt Bangalore. Die Studie wird schließlich durch eine Darstellung des indischen Immobilieninvestmentmarktes abgerundet. Geburtenhäufigkeit sinkt auch in Indien Zahl der Kinder je Frau 7 6 5 4 3 2 1 0 1955-1960 1970-1975 1985-1990 2000-2005 China Europa Indien 2 Quelle: UN Population Division, mittlere Variante Indiens Bevölkerung wächst weiter Einwohnerzahl in Mio. 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1950 1970 1990 2010 2030 2050 China Europa Indien Quelle: UN Population Division, mittlere Variante Indien gilt als die Geburtsstätte der Zahl Null. In den letzten Jahren hat Indien jedoch eher mit großen Zahlen für Pressemeldungen gesorgt: Indien ist mit rd. 1,1 Mrd. Einwohnern nach China das bevölkerungsreichste Land und dürfte im Jahr 2030 sogar mehr Einwohner zählen als China. Die Wirtschaft hat sich in der letzten Dekade deutlich belebt. Die durchschnittliche Wachstumsrate des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts liegt seit 1992 bei gut 6% p.a. Gerade im Dienstleistungssektor wird Indien als wichtiger Standort entdeckt. Beide Aspekte zusammen, also die günstige demografische Entwicklung und die wirtschaftliche Dynamik machen Indien auch für Immobilieninvestoren interessant, denn die Nachfrage nach Immobilien wird maßgeblich durch die wirtschaftliche Entwicklung und demografische Trends bestimmt. Das heißt aber nicht, dass ein Investment in indische Immobilien risikolos wäre. 3 Gesamtwirtschaftliches Umfeld Starke demografische Impulse Mit rd. 1,1 Mrd. Menschen lebt etwa jeder sechste Mensch der Welt in Indien, und die Bevölkerung wächst noch immer sehr rasch: Derzeit liegt die Fertilitätsrate bei gut drei Kindern je Frau. Damit ist sie zwar deutlich niedriger als in den 1960er oder 1970er Jahren, als jede Frau durchschnittlich fünf bis sechs Kinder zur Welt brachte. Sie ist jedoch deutlich höher als beispielsweise jene in China (1,7 Kinder je Frau) oder jene in Europa (1,4 Kinder je Frau). Da die gesunkene Geburtenhäufigkeit in erster Linie Reflex der verbesserten Lebensbedingungen in Indien ist, hat sich das Bevölkerungswachstum nur moderat auf 1,5% p.a. abgeschwächt. Denn die besseren Lebensumstände haben auch dazu geführt, dass sich die Lebenserwartung seit 1970 um 15 Jahre auf heute rd. 65 Jahre erhöht, und dass sich die Säuglingssterblichkeit in diesem Zeitraum halbiert hat. Die sehr hohen Geburtenraten sowie die deutlich steigende Überlebenswahrscheinlichkeit seit den 1970er Jahren bedeuten, dass die indische Bevölkerung sehr jung ist. Jeder dritte Inder ist jünger als 15 Jahre und nur jeder dritte ist älter als 35 Jahre. In China sind beispielsweise heute fast 50% der Einwohner älter als 35 Jahre, in Europa sind es sogar fast 60%. Die drei demografischen Trends (hohe doch sinkende Geburtenrate, steigende Lebenserwartung und sinkende Säuglingssterblichkeit) werden sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Erst im Laufe der dritten Dekade dieses Jahrhunderts wird die Wachstumsrate der Bevölkerung unter 1% p.a. sinken, sodass Indien ungefähr ab dem Jahr 2030 das bevölkerungsreichste Land der Erde sein dürfte. Zur 8. Mai 2006 5 Aktuelle Themen 351 Mitte des Jahrhunderts werden dann rd. 1,6 Mrd. Menschen auf dem indischen Subkontinent leben – 200 Mio. mehr als in China. Jugendliches Indien Anteil der Bevölkerung unter 35 Jahre, % 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1950 1970 1990 2010 China Indien 2030 2050 Europa 4 Quelle: UN Population Division, mittlere Variante Investitionen treiben Wachstum in Indien real, % gg. Vj. 14 12 10 8 6 4 2 0 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 BIP Privater Konsum Bruttoinvestitionen 5 Quellen: RBI, DB Research Dienstleistungen gewinnen an Bedeutung %-Anteil am BIP 70 60 50 40 30 20 10 0 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 Landwirtschaft Prod. Gewerbe Dienstleistungen Quellen: RBI, DB Research Die bereits heute beeindruckende Zahl der erwerbsfähigen Men1 schen in Indien von 700 Mio. wird in den kommenden 20 Jahren um weitere 250 Mio. zunehmen. Zwar ist starkes Bevölkerungswachstum allein kein Garant für Wirtschaftswachstum. Es ist jedoch eine der Grundvoraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung, denn ceteris paribus produzieren und konsumieren mehr Menschen auch mehr Waren und Dienstleistungen. Daneben hat der erfolgreiche wirtschaftliche Reformkurs seit den frühen 1990er Jahren den geeigneten Nährboden geschaffen, damit das Bevölkerungswachstum auch in kräftiges Wirtschaftswachstum übersetzt werden konnte. Die Wirtschaft boomt2 In den letzten zehn Jahren expandierte die indische Wirtschaft um preisbereinigt 6% pro Jahr und damit deutlich schneller als in früheren Jahrzehnten. 2005 wuchs die Wirtschaft sogar um fast 8%, und für 2006 und 2007 ist allenfalls mit einer mäßigen Tempodrosselung zu rechen. Mit fast 12% legten insbesondere die Investitionen 2005 überdurchschnittlich zu. Diese Beschleunigung lässt sich im Wesentlichen auf drei Gründe zurückführen: Erstens wurde die Wirtschaft liberalisiert; Indien hat sich insbesondere nach 1995 stärker der Weltwirtschaft geöffnet. Davon hat insbesondere der Dienstleistungssektor profitiert, denn viele Unternehmen aus Europa und den USA haben Indien als Standort für 3 ausgegliederte Dienstleistungen entdeckt. Allerdings wäre es vermessen, die Wirtschaft bereits als offene Volkswirtschaft zu bezeichnen. Die Importzölle wurden zwar seit 1990 mehr als halbiert. Sie liegen jedoch noch deutlich über jenen anderer asiatischer Länder. Auch der Kapitalverkehr unterliegt noch starken Beschränkungen. Zweitens verfügt Indien über eine breite Basis hoch qualifizierter Techniker und Ingenieure. Jährlich verlassen rd. 200.000 Ingenieursabsolventen die indischen Hochschulen; rd. sechsmal mehr als in Deutschland jedes Jahr in Ingenieursfächern fertig werden. Dennoch reichen die hohen Absolventenzahlen nicht mehr aus, um die starke Nachfrage nach Hochqualifizierten zu decken. Nach einer Umfrage unter indischen Headhuntern nahm die Zahl der urbanen 4 Jobs 2005 um 21,5% zu und soll 2006 um weitere 23% zulegen. Die logische Konsequenz dieses Nachfrageanstiegs sind deutliche Lohnzuwächse für Hochschulabsolventen. Die Beratungsfirma Hewitt Associates ermittelte in ihrer Studie zu den Gehaltsentwicklungen in Asien, dass die Gehälter in Indien 2005 um durchschnittlich 13,5% zulegten. Unter allen betrachteten asiatischen Ländern war dies der stärkste Anstieg. In der IT-Branche lag der Zuwachs sogar 5 bei fast 18%. 6 1 2 3 4 5 6 Als erwerbsfähig gelten hier die Menschen in der Altersgruppe zwischen 16 und 65 Jahren. Vgl. zu diesem Abschnitt ausführlich Asuncion-Mund, J. (2005). Indien im Aufwind: Ein mittelfristiger Ausblick. Deutsche Bank Research. Indien Spezial. Frankfurt am Main. Vgl. hierzu im Detail Schaaf, J. (2005). Outsourcing nach Indien: Der Tiger auf dem Sprung. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 338. Frankfurt am Main. Goyal, M. (2005). The Job Boom. In India Today, 27.02.2006. Hewitt Associates (2005). The Annual India Salary Increase Survey, http://was4.hewitt.com/hewitt/ap/resource/newsroom/ pressrel/2005/11-2305india.htm. 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte Drittens hat Indien erkannt, dass der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur unabdingbarer Bestandteil einer langfristigen Wachstumsstrategie sein muss. In den nächsten Jahren sollen insgesamt USD 150 Mrd. in die indische Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Dadurch entstehen kurz- und mittelfristig Impulse für die Bauwirtschaft und mittel- bis langfristig wird ein Fundament für einen reibungsloseren Güterverkehr gelegt. Langfristig hoher Wachstumstrend Langfristige Wachstumsraten (2006-2020, p.a.) Indien China USA Deutschland Türkei BIP BIP pro Kopf 5,5 5,2 3,1 1,5 4,1 3,9 4,4 2,1 1,4 2,8 7 Quelle: DB Research 6 Die heutigen Wachstumstreiber Bevölkerungsentwicklung, Humankapital, Öffnung der Wirtschaft und steigende Investitionen sind auch die Faktoren für langfristig überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum. Deutsche Bank Research hat ein ökonometrisches Modell (Formel-G) für die wirtschaftliche Entwicklung von 34 Volkswirtschaften in den Jahren 2006 bis 2020 entwickelt: Für Indien weist das Modell eine durchschnittliche Wachstumsrate des realen BIP von 5,5% pro Jahr aus. Damit erreicht Indien die höchste Wachstumsrate aller untersuchten Länder und liegt noch vor China oder der Türkei. Trotz des starken Bevölkerungsanstiegs dürfte das ProKopf-BIP, gerechnet in Kaufkraftparitäten, bis 2020 um jährlich knapp 4% zulegen. Die Kaufkraft wird sich in den nächsten 15 Jahren also fast verdoppeln. Da das Modell die großen Anstrengungen im Infrastrukturausbau nicht angemessen berücksichtigt, dürfte die durchschnittliche Wachstumsrate in den nächsten 15 Jahren sogar näher an 6% liegen. Es bleiben große Aufgaben bestehen Zahl der Arbeitslosen geht leicht zurück Mio. 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 Quelle: Global Insight 8 Es sollte jedoch nicht verkannt werden, dass die Entwicklung von sehr niedrigem Niveau aus erfolgt. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag 2005 bei nur USD 1.100; selbst in Kaufkrafteinheiten beträgt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2005 nur rd. USD 2.800. Außerdem profitieren keineswegs alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen von dem Aufschwung. Zwar ist die Alphabetisierungsquote in den letzten Jahrzehnten auf rd. 65% gestiegen. Das bedeutet aber, dass noch immer 400 Mio. Menschen in Indien nicht lesen und schreiben können. Das große Angebot an Geringqualifizierten lässt nur wenig Spielraum für Lohnzuwächse. Von den 40 Mio. gemeldeten Arbeitslosen (Arbeitslosenquote von rd. 10%) dürfte der größte Teil aus dieser Qualifizierungsgruppe kommen. Und selbst dies verschleiert die wahre Dimension des Problems, denn von den rd. 400 Mio. Erwerbspersonen werden nur rd. 27 Mio. dem organisierten Sektor zugerechnet, mehr als 330 Mio. Menschen sind im nicht organisierten Sektor und damit mehrheitlich unterbeschäftigt. Es ist plausibel, dass die fehlende industrielle Basis in Indien ein wichtiger Grund dafür ist, dass es zum einen nicht genügend Angebote für Geringqualifizierte gibt und zum anderen noch mehr als 70% der Einwohner auf dem Land wohnen (s. auch unten). Regionale Unterschiede beachten Nun sind Immobilien ex definitione standortgebunden. Bei einem so großen und heterogenen Land wie Indien spielt es für die Wertentwicklung einer Immobilie offensichtlich eine große Rolle, ob sie in einer schnell wachsenden oder in einer stagnierenden Region 7 steht. Insgesamt gibt es in Indien 28 Bundesstaaten, sechs Territo6 7 8. Mai 2006 Vgl. hierzu Bergheim, S. et al (2005). Globale Wachstumszentren 2020: Formel-G für 34 Volkswirtschaften. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 313. Frankfurt am Main. Mit Blick auf die Fläche ist Indien fast zehnmal größer als Deutschland. 7 Aktuelle Themen 351 rien und die Hauptstadt Delhi. Zwischen den Bundesstaaten bestehen gravierende Einkommensunterschiede: In Delhi liegt das durchschnittliche Nettoinlandsprodukt pro Einwohner um 150% über dem Landesschnitt, der Bundesstaat Bihar mit immerhin fast 90 Mio. Einwohnern kommt nur auf 31% des indischen Mittelwertes. Überblick über die Bundesstaaten in Indien Bundesstaaten Name Einwohner Bevölkerungsreichste Stadt d. Bundesstaaten Name Mio. (2003) Andhra Pradesh Arunachal 77,9 Hyderabad 1,1 Itanagar Assam 27,7 Guwahati Bihar 86,8 Patna 21,7 Raipur 14,8 New Delhi Pradesh* Chhattisgarh* 3) Delhi (Hauptst.) Goa* 1,4 Panaji Mittlere 1) Pro-Kopf NIP Wachstumsals Anteil des rate des Proindischen Mittels Kopf NIP Einwohner Index (2003- % (1993- '000 (2001) 2004) 2001) Anteil Prod. Gewerbe am NIP Anteil Dienstleistungen am NIP letzte verfügbare Daten 3.637,5 96,1 4,58 14,9 56,7 35,0 81,3 -0,11 2,6 60,5 809,9 55,3 0,75 17,0 49,4 1.366,4 31,4 1,98 4,1 61,1 50,1 605,7 63,9 1,39 28,1 9.879,2 253,3 4,86 9,9 88,9 98,9 254,9 6,60 34,4 57,1 Gujarat 52,6 Ahmadabad 3.520,1 142,2 3,83 30,5 48,2 Haryana 22,0 Faridabad 1.055,9 133,2 3,13 23,8 50,5 Shimla 142,6 107,4 4,74 17,5 55,2 10,7 Srinagar 898,4 70,1 1,79 1,8 65,4 Jharkhand* 28,0 Ranchi Karnataka 54,4 Bangalore Kerala 32,6 Madhya Pradesh 63,4 Himachal Pradesh Jammu & Kashmir* Maharashtra 6,2 100,3 IIM (Ahmadabad) 70,9 3,05 29,8 50,5 107,1 4,93 13,6 62,7 IIM (Bangalore) Thivandrum 745,0 102,6 3,81 11,1 72,5 IIM (Kozhikode) Damoh 112,2 70,2 1,97 16,4 49,9 IIM (Indore) 11.978,5 136,0 2,33 19,6 67,3 IIT (Mumbai) 8,7 62,1 66,3 Greater Mumbai Imphal 221,5 74,2 3,08 Maghalaya* 2,4 Shillong 132,9 88,3 4,11 8,4 Mizoram* 0,9 Aizawl 228,3 n.v. n.v. 0,4 73,3 Nagaland* 2,1 Kohima 78,6 108,6 3,12 0,2 66,4 Orissa 37,8 Bhubaneswar 648,0 54,5 2,42 13,7 49,4 Punjab 25,1 Ludhiana 1.398,5 133,9 2,26 15,7 43,9 Rajasthan 59,3 Jaipur Tripura* IIT (Delhi) 847,1 2,5 Tamil Nadu IIT (Guwahati) 4.301,3 Manipur Sikkim* Führende Universitäten 2) IIT oder IIM 2.322,6 72,6 4,17 18,1 53,0 0,6 Gangtok 29,2 104,4 5,09 7,3 71,2 63,6 Chennai 4.343,6 113,8 4,48 18,6 68,7 3,3 Agartala 190,0 95,4 8,02 4,4 68,9 2.551,3 50,9 1,46 13,5 52,7 IIT (Kanpur), 527,9 73,8 2,04 9,1 56,3 IIT (Roorkee) 4.572,9 99,4 5,51 13,3 58,7 IIT (Kharagpur), Uttar Pradesh 174,4 Uttaranachal* 8,8 West Bengal 82,8 Kanpur IIT (Chennai) IIM (Lucknow) Dehra Dun Kolkata IIM Kolkata Indien (inkl. 6 Territorien) 1.068,2 100,0 4,28 21,8 59,6 * = letzt verfügbare Daten für NIP 2001 oder 2002 1) NIP = Nettoinlandsprodukt = Bruttoinlandsprodukt abzüglich Abschreibungen 2) IIT = Indian Institute of Technology; IIM = Indian Instiute of Management 3) NCR (National Capital Region) ist eigentlich kein Bundesstaat, wird hier aber wegen der Bedeutung Delhis aufgeführt. Quellen: Census of India 2001, RBI Citypopulation.de, DB Research 8 9 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte Keine Konvergenz der Lebensverhältnisse NIP nach Regionen 9 8 7 6 5 4 3 2 1 y = 0,0001x + 2,2866 0 2 R = 0,0905 -1 10 20 30 % p.a. 1993 bis 2001 0 NIP pro Kopf, 1993; in INR '000 Quellen: CSO, DB Research 10 Tier I Delhi, Mumbai, Bangalore Tier II Hyderabad, Pune, Chennai Tier III Kolkata, Nagpur, Ahmadabad, Chandigarh, Indore, Kochi, Trivandrum, Mangalore, u. knapp 30 weitere Großstädte Quelle: JLL Überall auf der Welt bilden Städte seit Jahrhunderten die Zentren wirtschaftlicher und kultureller Entwicklung, denn die Marktplätze der Städte ermöglichen zum einen kosteneffiziente Tauschprozesse, also sinnvolle Arbeitsteilung. Zum anderen sichern Städte Größenvorteile bei der Finanzierung öffentlicher Güter wie Bildung; und ein besseres Bildungssystem ist der Grundstein für stabiles Wirtschaftswachstum. 11 Die größten Städte und Agglomerationsräume Indiens Einwohnerzahlen, Mio. Stadt Agglomerationsraum 2001 1991 2001 2005 11,9 9,8 4,6 4,2 4,3 3,4 3,5 2,5 2,4 2,5 12,6 8,4 11,0 5,4 4,1 4,3 3,3 2,5 1,5 2,0 16,4 12,8 13,2 6,4 5,7 5,5 4,5 3,8 2,8 2,7 Bemerkenswert ist schließlich, dass es eindeutige Wirtschaftscluster gibt: In manchen kleineren Bundesstaaten ist das Verarbeitende Gewerbe quasi inexistent. In Goa, Gujarat oder Jharkand macht die Industrie immerhin knapp ein Drittel der Wirtschaftsleistung aus. Städte als Zentrum der Entwicklung Einteilung von indischen Städten Mumbai Delhi Kolkata Chennai Bangalore Hyderabad Ahmadabad Pune Surat Kanpur Auch hinsichtlich der Dynamik gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Bundesstaaten. Betrachtet man nur die größeren Bundesstaaten mit mindestens 50 Mio. Einwohnern, wuchs das Nettoinlandsprodukt je Kopf im Zeitraum von 1993 bis 2001 zwischen 1,5% p.a. (Uttar Pradesh) und 5,5% (West Bengal). Hierbei ist bemerkenswert, dass es keinen Konvergenztrend zwischen den Regionen gibt – zumindest nicht für die letzten zehn Jahre. Tatsächlich lässt sich zwischen dem Niveau des Pro-Kopf-NIP von 1993 und der durchschnittlichen Wachstumsrate bis 2001 eher ein positiver Zusammenhang feststellen. Dieser ist zwar sehr schwach ausgeprägt, wird aber deutlicher, wenn der statistische Ausreißer Tripura nicht in der Stichprobe enthalten ist. Das heißt, die Kluft zwischen den Regionen ist in den Aufschwungjahren eher größer als kleiner 8 geworden. 19,9 19,7 15,7 7,6 7,1 6,7 5,6 4,5 3,7 3,3 Anmerkung: Die Abgrenzung der Agglomerationsräume des Census (2001) und von Thomas Brinkhoff (2005) müssen nicht identisch sein. Es ist daher nicht sinnvoll, Veränderungsraten zu ermitteln. Quellen: Census of India, Thomas Brinkhoff: City Population Die indischen Großstädte werden üblicherweise in drei Gruppen unterteilt: Dem so genannten Tier I gehören die Hauptstadt Delhi, das Finanzzentrum Mumbai und die IT-Hochburg Banglore an. Das Tier II enthält Hyderabad, Pune und Chennai, also jene Städte, die von Unternehmen als Offshoring-Ziele der zweiten Runde ins Visier genommen wurden und die jetzt über gut ausgebildete Arbeitskräfte verfügen. Der Kostenvorteil gegenüber Tier I-Städten wird auf 15 bis 20% veranschlagt. Da auch in Tier II-Städten die Kosten in den letzten Jahren gestiegen sind, prüfen Unternehmen zunehmend auch Tier III-Städte, also jene Millionenstädte, die sich noch nicht endgültig als Outsourcing- und Offshoring-Standorte etabliert haben. Die absoluten Kostenvorteile gegenüber Tier I-Städten werden auf 15 9 bis 30% geschätzt. Gemäß der letzten offiziellen Schätzung des Census of India gab es 2001 insgesamt 27 Millionenstädte, in denen fast 75 Mio. Menschen lebten. Mongabay.com schätzt, dass es im Jahr 2005 bereits 35 indische Städte mit mehr als einer Million Einwohnern und fast 500 10 Städte mit mindestens 100.000 Einwohnern in Indien gab. Da viele Städte über die offiziellen Stadtgrenzen hinaus wuchern, ist es jedoch sinnvoller, die Agglomerationsräume in den Mittelpunkt zu stellen: 2001 existierten 35 solcher Agglomerationen mit mindestens 1 Mio. Menschen. Insgesamt lebten dort rd. 108 Mio. Menschen. Mittlerweile dürften fast 150 Mio. Menschen in den 44 Agglomerati- 12 8 9 10 8. Mai 2006 Zu diesem Ergebnis kommen auch Sachs, J.D. et al (2001). Understanding regional economic growth in India. In CID Working Paper No. 88, Harvard University. Jones Lang LaSalle (2005), India, the next IT offshoring locations. Tier III Cities. Vgl. http://www.mongabay.com/igapo/2005_world_city_populations/India.html. 9 Aktuelle Themen 351 onsräumen mit mindestens 1 Mio. Menschen leben. Allein in der Region Mumbai und Delhi leben jeweils fast 20 Mio. Menschen. Indiens Bevölkerung ist ländlich geprägt Anteil der Stadtbevölkerung, % 70 60 Indien 50 China 40 30 20 10 0 Wachstum der Städte wird anhalten 1950 60 70 80 90 2000 10 20 30 13 Quelle: UN Population Division Mega-Städte wachsen weiter Einwohner, Mio. 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1980 1990 2000 2010 2020 2030 Mumbai Delhi Bangalore Kolkata Chennai Quellen: Census of India, DB Research All diese beeindruckenden Zahlen dürfen jedoch nicht über zwei Tatsachen hinweg täuschen: Erstens, Indien ist noch immer eine ländlich geprägte Gesellschaft. Zwar leben heute über 300 Mio. Inder in Städten. Das bedeutet jedoch, dass noch immer fast 800 Mio. Menschen auf dem Land zu Hause sind. Der Urbanisierungsgrad, also der Anteil der Menschen in Städten, hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig auf heute gut 28% erhöht. Er ist damit jedoch deutlich niedriger als der Urbanisierungsgrad in China (40%). Zweitens ist die Stadtbevölkerung in den Jahren zwischen 1981 bis 1991 schneller gewachsen als in den folgenden zehn Jahren bis 2001. Die Wachstumsrate der Stadtbevölkerung hat sich um rd. 0,5%Punkte reduziert. Das gilt nicht nur für die Millionenstädte, sondern auch für die größten 100 Städte des Landes. 14 Die Population Division der UN erwartet, dass der Urbanisierungsgrad bis zum Jahr 2030 auf über 40% steigt. Das bedeutet, dass die Stadtbevölkerung in den kommenden 25 Jahren um gut 2,5% pro Jahr wachsen wird. Während die Landbevölkerung also nur noch geringfügig zunimmt, verdoppelt sich die Zahl der Menschen in diesen Städten bis 2030 auf rd. 600 Mio. Menschen. Wendet man diesen Durchschnittswert auf die größten Agglomerationen des Landes an, folgt daraus, dass im Jahr 2030 Mumbai rd. 35 Mio. Einwohner haben wird, Kolkata und Delhi dürften dann knapp 11 unter 30 Mio. Einwohner zählen. Und dies könnte sogar als konservative Schätzung gelten, denn der Urbanisierungsgrad in Indien läge im Jahr 2030 nur auf dem heutigen Niveau Chinas. Unterstellt man, dass es Indien gelingt, nicht nur bei hochwertigen Dienstleistungen, sondern auch bei Industrietätigkeiten überdurchschnittlich zu expandieren, könnte sich die Landflucht ähnlich zu der Entwicklung in China stark beschleunigen. Würde die Stadtbevölkerung so schnell wachsen wie die chinesische Stadtbevölkerung zwischen 1980 und 2000 (gut 4% p.a.), würde die Zahl der Menschen in indischen Städten von heute 320 Mio. Menschen auf 900 Mio. Menschen im Jahr 2030 anschwellen. Der Urbanisierungsgrad läge dann bei gut 60%, also in etwa auf dem heutigen Niveau vieler osteuropäischer Länder. Würden die Mega-Zentren mit derselben Wachstumsrate zulegen, lebten im Agglomerationsraum Mumbai 2030 gut 50 Mio. Menschen, in den Agglomerationen Delhi und Kolkata gut 40 Mio. Hieraus folgen offensichtlich zwei Schlussfolgerungen: Die indischen Städte müssen sich auf dramatisches Größenwachstum einstellen. Die Infrastruktur (Schulen, Straßen, Flughäfen, Seehäfen etc.) und die Wohnmöglichkeiten müssen kräftig ausgebaut werden. Gerade das zweite Szenario der beschleunigten Urbanisierung veranschaulicht darüber hinaus, dass die etablierten Zentren (Tier IStädte) in den nächsten Dekaden an Wachstums- und ökologische Belastungsgrenzen stoßen könnten. Als Konsequenz könnten dann 12 die Städte der zweiten Reihe überdurchschnittlich expandieren. 11 12 10 Hier wurde mit der Raumabgrenzung des Census of India gerechnet. Die Abgrenzung von Thomas Brinkhoffs Citypopulation (www.citypopulation.de) führt sogar zu noch größeren Werten. Das Ministry of Urban Employment and Poverty Alleviation nennt als einen zentralen Punkt künftiger Wohnungspolitik folgerichtig die Stärkung von kleineren urbanen Zentren (vgl. Ministry of Urban Employment and Poverty Alleviation (2005). National housing and habitat policy, New Delhi, 1.12). 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte Büromärkte profitieren von OffshoringAktivitäten Flächenverbrauch je Arbeitsplatz (2005) Fläche je Arbeitsplatz Flächennutzungskosten je Arbeitsplatz p.a. (EUR) Bangalore 14 m2 2.734 Mumbai 12 m2 7.062 Beijing 10 m2 3.890 Singapur 11 m2 3.970 Frankfurt 22 m2 10.692 London 10,5 m2 15.599 New York 20,9 m2 10.500 Quelle: DTZ, 2006 15 Dank seiner gut ausgebildeten und englischsprachigen Fachkräfte hat sich Indien in den letzten Jahren zu dem wichtigsten Markt für ausgelagerte Software und IT-Dienstleistungen (ITES) sowie für ITgestützte Geschäftsprozesse (BPO) entwickelt. 2004 wurden in Indien insgesamt USD 28 Mrd. in diesen Branchen umgesetzt, und 13 bis 2007 dürfte sich der Umsatz noch einmal verdoppeln. Von dieser Entwicklung hat auch der indische Büromarkt profitiert. Die Nachfrage nach Büroraum wird nach Schätzung der Beraterfirma Jones Lang LaSalle zu 70% durch die gut 7.000 indischen IT und ITES-Firmen getrieben; 15% entfallen auf Finanzdienstleister und die Pharmabranche und die restlichen 15% auf übrige Nachfrager. Der wichtigste Grund für das Nachfragewachstum ist der Lohn- und Gehaltsunterschied von indischen und europäischen sowie nordamerikanischen Arbeitskräften. Zwar sind auch die Flächennutzungskosten in Indien niedriger als in den meisten westlichen Ballungsregionen. Dieser Unterschied dürfte jedoch in den meisten Fällen kein hinlänglicher Grund für eine Standortverlagerung sein. Der Flächenverbrauch für einen Büroarbeitsplatz in Mumbai oder Bangalore ist nicht geringer als in London. Die wichtigsten Bürostandorte befinden sich in den Innenstädten (CBD: Central Business Districts). Erst als in den letzten Jahren die Flächen in der Innenstädten knapper wurden und neue Büros mit hoher baulicher Qualität und niedrigeren Preisen in peripheren Lagen entstanden, verlagerte sich die Nachfrage aus den Innenstädten hin zu den neuen Standorten. In jüngster Zeit werden zusätzlich Entwicklungsgebiete mit einem Mix aus Büro, Einzelhandel und Wohnen gebaut. Ähnlich zu anderen Standorten auf der Welt zählen die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, die Erreichbarkeit durch Auto und öffentlichen Nahverkehr sowie das regionale Wachstumspotenzial zu den wichtigen Standortfaktoren. Darüber hinaus muss gerade in indischen Städten darauf geachtet werden, dass die technische Infrastruktur (Strom, Telefon, Wasserversorgung) den Bedürfnissen entspricht. Tier II-Städte noch sehr intransparent Die transparentesten und liquidesten Büromärkte Delhi, Mumbai und Bangalore werden im Folgenden skizziert. Die stark wachsenden Märkte in Tier II und Tier III-Städten wie Pune, Hyderabad oder Chennai haben zwar großes Potenzial für ausländische Investoren. Für diese Märkte ist die Datenlage jedoch schlechter als für Tier IStädte. Auch sind der Immobilienbestand sowie die Infrastruktur häufig noch unzureichend. Die Märkte sind also weniger liquide und damit risikoreicher. Mumbai : das Finanzzentrum Indiens Mumbai ist das Wirtschafts- und Finanzzentrum Indiens. Die Zentralbank (Reserve Bank of India), zwei wichtige Börsen (National Stock Exchange und Bombay Stock Exchange), die Finanzmarktaufsicht (Securities and Exchange Board) sowie zahlreiche inländische und ausländische Finanzdienstleister haben hier ihre Zentralen. Folgerichtig siedelten sich in Mumbai und seiner Umgebung auch viele IT- und ITES-Unternehmen an, die sich auf Finanzthemen spezialisiert haben. 13 8. Mai 2006 Vgl. Schaaf, J. (2005). Outsourcing nach Indien: Der Tiger auf dem Sprung. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 338. Frankfurt am Main. 11 Aktuelle Themen 351 Im CBD sind viele Büros lediglich Class B-Objekte Insgesamt wird der Büroimmobilienmarkt von Jones Lang LaSalle auf 33 Mio. Quadratfuß (sf.) geschätzt. Davon dürften rd. 12 Mio. sf. 14 auf so genannte Class A und Class B-Flächen entfallen. Er ist damit nicht einmal halb so groß wie der Büromarkt in Düsseldorf oder Amsterdam. Der CBD in der Südspitze Mumbais gilt als die beste Bürolage (Nariman Point). Da Mumbai als Halbinsel ins Meer ragt, sorgt hier die Küstenlinie für Knappheit. Das Stadtbild im CBD wurde durch zahlreiche Kolonialbauten geprägt. Dieses historische Stadtzentrum ist der natürliche Ansiedlungsort für staatliche Einrichtungen, wie die Reserve Bank of India oder der Bombay High Court, aber auch für Unternehmenszentralen, internationale Unternehmen sowie unternehmensbezogene Dienstleister. Für viele Unternehmen ist die zentrale Lage, die Nähe zu sehr guten Hotels oder der Zentralbank ein wichtiger Standortfaktor gewesen. Ein Großteil der Gebäude entspricht hier allerdings noch Class B-Standard. Da großflächige, moderne Gebäude nur begrenzt im CBD gebaut werden konnten, sind in den letzten Jahren mehrere Nebenzentren (Secondary Business Districts, SBD) entstanden. Die Entwicklung verlief im Wesentlichen in nördlicher Richtung entlang der Westküste. So entwickelten sich zunächst die Nebenlagen in Bandra-Kurla, Worli oder Prabhadevi. Noch weiter im Norden wurden auch periphere Standorte in Andheri und Malad entwickelt, um dem wachsenden Bedarf an hochwertigen und gleichzeitig günstigen Büroflächen nachzukommen. Mittlerweile können die SBD in Bandra Kurla und Worli als Erweiterung des CBD gelten. Moderne und großzügige Bürogebäude haben viele Großunternehmen angelockt. So finden sich die National Stock Exchange, die Bank of India, die ICICI Bank aber auch zunehmend Multinationals wie Motorola oder Cisco hier. Viele IT und ITES-Unternehmen sind dann ihren Kunden gefolgt. Die peripheren Standorte liegen entlang der wichtigsten Einfallstraßen und näher an den Wohngebieten. Mumbais Büromieten sind stark gestiegen Mumbai: Leerstände runter, Mieten rauf Leerstandsquote (%, links); BruttoSpitzenmiete (INR pro Monat, rechts) 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 16 14 12 10 8 6 4 2 0 2001 2002 2003 2004 2005 Leerstandsquote Spitzenmiete Quelle: JLL 16 Die Büronachfrage auf dem Gesamtmarkt wird nach wie vor von ITUnternehmen dominiert, gefolgt von Finanzdienstleistern und Pharmaunternehmen. Die IT-Firmen suchen hauptsächlich größere, zusammenhängende Flächen zwischen 10.000 und 30.000 sf. Die starke Nachfrage hat in den letzten Jahren nicht nur die Leerstandsquote von 13% im Jahr 2001 auf gut 5% im Jahr 2005 gesenkt. Auch die Mieten haben reagiert. Die Spitzenmiete kletterte von INR 130 pro sf. und Monat im Jahr 2003 auf INR 160 im letzten Jahr. Vereinzelt werden im CBD für Class A-Flächen sogar bis zu INR 250 vereinbart. Dass die Mieten in den letzten Jahren „nur“ um INR 30 zunahmen, liegt im Wesentlichen an der stetigen Verschiebung der Nachfrage nach Norden. Neue und qualitativ hochwertige Gebäude entstehen auf günstigerem Bauland. So wirken die SBD auch als Preisbremse für die Innenstadt. Das bedeutet aber auch, dass die Mieten im SBD nur geringfügig geringer ausfallen als im CBD. Es werden in Einzelfällen bis zu INR 200 pro sf. für Class A-Büros in Nebenlagen gezahlt. Die hohe Nachfrage hat auch zu umfangreichen Neubauten geführt: 2005 wurden insgesamt rd. 3,2 Mio. sf. fertig gestellt, immerhin ein Viertel der hochwertigen Bürofläche in Mumbai. Gleichzeitig lag die 14 12 Bürogebäude der Klasse A (Klasse B) werden durch sehr hohe (hohe) Bauqualität und professionelles (gutes) Management gekennzeichnet. Dazu zählt für Gebäude der Klasse A insbesondere eine Klimaanlage sowie ein 24h-Notstromaggregat. 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte Nettoabsorption bei rd. 3,5 Mio. sf. In den nächsten Jahren ist mit anhaltend lebhafter Bautätigkeit (2006 rd. 3,5 Mio. sf., 2007 rd. 2,5 Mio. sf.) und hoher Nachfrage zu rechnen. Ein Großteil der Flächen entsteht in Bandra Kurla. Durch die umfangreiche Bautätigkeit wird die Bedeutung der Nebenlagen steigen. Bedeutung der Nebenlagen steigt Daneben werden zunehmend Fabrikgelände in der Stadt an private Investoren veräußert. Insgesamt gibt es 58 solcher Industriebrachen in Mumbai mit rd. 60 Mio. sf. Grundstücksfläche; und an 23 dieser Standorte werden bereits Projekte realisiert. Ab 2007 dürften auch neue Bürogebäude fertig werden. Grundsätzlich hat der Supreme Court den Weg zur Projektentwicklung frei gemacht, allerdings hat das Umweltministerium die Bebauung an ein Genehmigungsverfahren geknüpft. Die entsprechende Freigabe kann bis zu neun Monate dauern. Ein Großteil der für 2006 projektierten Flächen wird erst zum Jahresende 2006 fertig. Daher werden weiter steigende Mieten im Jahresverlauf erwartet. 2007 dürften die Mieten jedoch angesichts des umfangreichen Neubaus nur mäßig zulegen. Die Hauptstadt Delhi wächst über sich hinaus Delhi, die zweitgrößte Stadt Indiens, ist Regierungssitz und der zentrale Verkehrsknotenpunkt im Norden Indiens. Aufholpotenzial bei Bürobestand Der Büromarkt Delhis erstreckt sich über das Stadtgebiet hinaus auf die angrenzenden Städte Gurgaon im Süden und Noida/Greater Noida im Osten. Der Agglomerationsraum wird als Northern Capital Region (NCR) bezeichnet und umfasst einen Flächenbestand von etwa 30 Mio. sf., rd. ein Viertel davon ist in der höchsten Qualitätsklasse A. Diese Zahl ist für eine Stadt dieser Größe sehr gering und signalisiert Aufholpotenzial. Wie auch in den anderen Metropolen sind die Hauptnachfrager ITund ITES-Unternehmen. Darüber hinaus hat sich Delhi als Call Center-Standort etabliert; dafür sprechen die hervorragenden und nahezu akzentfreien Englischkenntnisse der Menschen. Die Nachfrage nach Flächen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Nettoabsorption lag 2005 bei rd. 3,3 Mio. sf. (nach rd. 3 Mio. sf. im Jahr 2004). Das waren immerhin rd. 10% des gesamten Bürobestands. Das Neubauvolumen von rd. 3 Mio. sf. konnte die Nachfrage 2005 nicht decken, sodass die Leerstände zurückgingen. CBD ist noch beste Lage Delhis Büromarkt: Starkes Mietwachstum Leerstandsquote (%, links), BruttoSpitzenmiete (INR pro Monat, rechts) 200 16 14 12 10 8 6 4 2 0 175 150 125 100 75 50 2001 2002 2003 2004 2005 Leerstandsquote Spitzenmiete Quelle: JLL 8. Mai 2006 17 Der CBD befindet sich im Zentrum von New-Delhi. Der Großteil der Bürogebäude ist aus den 80er und 90er Jahren und entspricht lediglich dem B-Standard, also nur der zweithöchsten Qualitätskategorie. Neben zahlreichen Banken sind hier unternehmensnahe Dienstleister (Anwälte, Steuerberater etc.) ansässig, die die Nähe zu den Ministerien suchen. Durch die neue Metro ist die Innenstadt noch besser zu erreichen. Die Gegend um den Connaught Place ist im CBD sowohl für Büronutzer als auch für den Einzelhandel eine der besten Adressen. Allerdings bestehen hier kaum noch Möglichkeiten, neue Gebäude zu errichten. Die Nachfrage nach modernen Flächen kann also nicht mehr gedeckt werden. Daher liegen die Mieten mit INR 150 pro sf. und Monat vergleichsweise hoch und über dem Niveau des Vorjahrs. Neue Bürogebäude entstehen in den Randgebieten im Süden des Stadtgebiets sowie in der Peripherie. 13 Aktuelle Themen 351 Neue periphere Bürostandorte Gurgaon liegt direkt im Süden von Delhi und war der erste außerstädtische Standort, in dem ein internationales IT-Unternehmen (IBM) ein Büro eröffnete. Das deutlich größere Flächenangebot sowie die niedrigen Büromieten machen die Lage sehr attraktiv: Dies wurde zunehmend auch von Nachahmern erkannt (Microsoft, Nortel, Samsung etc.). Den Arbeitsplätzen folgten in einer zweiten Runde auch Wohnungen für die Arbeitskräfte, sodass eine Satellitenstadt mit hochwertiger Infrastruktur gewachsen ist, die zudem günstig zum internationalen Flughafen liegt. Lediglich die Autobahn nach Delhi wird erst im Jahresverlauf 2006 eröffnet. Mittlerweile kommt die Bautätigkeit jedoch den Nachfragezuwächsen nicht mehr nach und die Reserveflächen schrumpfen, sodass die Büromieten auch in Gurgaon zulegen. Mit rd. INR 40 pro sf. und Monat befinden sie sich freilich noch deutlich unter dem Niveau des CBD. Neue Satelliten entstehen Nicht zuletzt die Verknappung in Gurgaon macht andere außerstädtische Standorte interessant. Noida und Greater Noida liegen östlich von Delhi; Noida ist etwa 10 km von Delhi entfernt, Greater Noida entsteht weitere 20 km östlich von Noida. Beide Städte sind wie Gurgaon nach einem Masterplan entstanden, der einzelnen Sektoren bestimmte Nutzungen zuweist. Während in Noida schon zahlreiche Bürogebäude fertig sind, ist Greater Noida noch in der Entstehungsphase. Hier wurde zunächst die Infrastruktur geschaffen (Expressway nach Delhi), bevor mit dem Bau von Büros und Wohnungen begonnen wird. Es entsteht, wie in Gurgaon, eine neue Satellitenstadt mit Bürogebäuden, Shopping Centern und Wohnsiedlungen. Die Expansionsmöglichkeiten sind enorm und die Büromieten in Noida sind mit rd. IND 35 pro sf. noch unterhalb des Niveaus von Gurgaon. Allerdings legten auch in Noida die Mieten im Jahresverlauf 2005 zu. Ungebrochen hohe Flächennachfrage Da die Nachfrage in der Hauptstadtregion NCR ungebrochen hoch ist, wird für 2006 ein Neubauvolumen von rd. 7,5 Mio sf. erwartet. Dies dürfte für die erwartete Zusatznachfrage 2006 ausreichen. Die begrenzten Flächenreserven in Gurgaon zwingen preisbewusste Nachfrager zunehmend nach Noida und Greater Noida. Die modernen und hochwertigen Gebäude als auch die positiven Standortfaktoren der Satelliten dürften auch Nachfrage aus dem CBD abziehen. Die Spitzenmieten würden dann zwar auch in der Innenstadt noch Aufwärtspotenzial haben. Die Wachstumsraten fielen jedoch in der Peripherie höher aus als in der Innenstadt. Für die gesamte Hauptstadtregion rechnen wir für 2006 mit leicht steigenden Mieten. Durch die lebhafte Bautätigkeit wird der Preisauftrieb allerdings etwas gedämpft. Das IT-Zentrum Bangalore stößt an Wachstumsgrenzen Bangalore hat sich in den letzten Jahren zum IT-Zentrum Indiens entwickelt. Es wird auch das „indische Silicon Valley“ genannt. Die Stadt war schon vorher der wichtigste Forschungsstandort für die Luft- und Raumfahrt. Heute sind hier alle namhaften internationalen 15 IT-Unternehmen vertreten. Die Infrastruktur der Stadt konnte jedoch nicht mit der stürmischen Entwicklung auf dem IT-Markt Schritt halten. Sowohl das Straßennetz als auch die Strom- und Wasser15 14 Sehr anschaulich beschreibt dies Thomas Friedman in seiner einführenden Anekdote auf einem Golfplatz in Bangalore, auf dem man alle großen IT-Unternehmen im Umfeld anvisieren kann (vgl. Friedman, T.L. (2005). The world is flat. A brief history of the Twenty-first century, New York). 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte versorgung sind überlastet. Der öffentliche Nahverkehr wird nur von Bussen bedient, eine Metro ist erst jetzt in Planung. Auch der Flughafen ist für eine Stadt dieser Größe und Dynamik viel zu klein. Ein neuer Flughafen entsteht im Norden des Stadtgebiets; Mitte 2007 soll der erste Bauabschnitt eröffnet werden. Vergleichsweise hohe Gebäudequalität Der Büromarkt hat einen Gesamtbestand von rd. 28 Mio. sf. Davon entfallen rd. 38% auf die Qualitätsklassen A und B. Damit ist der Bürobestand deutlich hochwertiger als jener in Mumbai oder Delhi. Die ersten Bürogebäude entstanden im Stadtzentrum (CBD) um die Mahatma Gandhi Road. Da die Nachfrage nach modernen Flächen stetig gestiegen ist, mussten neue Bürostandorte im Süden und Osten des Stadtgebiets entwickelt werden. Die Hauptstandorte der Nebenzentren (SBD) sind Hosur Road, Whitefield und Airport Road. Whitefield gilt trotz seiner suburbanen Lage im Osten der Stadt nach dem CBD als zweitbeste Lage. In der Peripherie sind außerdem die Ringroads wichtige Standorte. In den letzten Jahren stieg die Büronachfrage regelmäßig schneller als das Büroangebot. So erreichte die Nettoabsorption im Jahr 2005 mit rd. 7 Mio. sf. fast das gleiche Niveau wie in 2004 (7,5 Mio. sf.) und lag damit deutlich über dem Neubauniveau: 2005 lag das Neubauvolumen bei rd. 6,5 Mio. sf., also unterhalb der Nettoabsorption. Das heißt, die Leerstandsquote ging auch 2005 leicht zurück. Sie liegt unterdessen deutlich unter 5%; im CBD ist sie sogar noch etwas niedriger. Mieten im CBD von Bangalore spürbar gestiegen Büros in Bangalore sind knapp Leerstandsquote (%, links), BruttoSpitzenmiete (INR pro Monat, rechts) 8 7 6 5 4 3 2 1 0 50 45 40 35 30 2001 2002 2003 2004 2005 Leerstandsquote Spitzenmiete Quelle: JLL 18 Reflex der Büroraumknappheit sind steigende Mieten. Zwischen Ende 2004 und Ende 2005 ist die Spitzenmiete im CBD um rd. 10% gestiegen. Allerdings ist das Niveau der Mieten noch deutlich niedriger als jenes in Mumbai oder Delhi. Im CBD werden Spitzenmieten für Class A-Gebäude von bis zu INR 45 pro sf. und Monat erzielt. Im SBD liegen die Spitzenmieten bei INR 38 und in peripheren Lagen bei 43. Da insbesondere große und zusammenhängende Flächen gesucht sind, und die Innenstadt nahe am Verkehrskollaps ist, liegen die Mieten in der Peripherie nur unwesentlich unterhalb der CBD-Mieten. Außerdem ermöglicht die leichtere Vermehrbarkeit von Flächen in der Peripherie dort stabilere Mieten. Grundstücke in zentralen Lagen sind mittlerweile so teuer, dass sich viele Projektentwickler auf periphere Lagen konzentrieren: Über 50% der neuen Flächen wurden in peripheren Lagen erstellt. Im CBD waren es nur noch rd. 15%. Zahlreiche Projekte werden für die Nutzer entsprechend ihren Anforderungen „built to suit“ errichtet. Daher ist ein Großteil der Gebäude schon vor Fertigstellung voll vermietet. Viele Büroobjekte werden in Business Parks gebaut. Die hohe Bautätigkeit in den nächsten Jahren (2006 und 2007 rd. 6 Mio. sf.) dürfte den Markt nicht wesentlich entspannen, falls die Nachfrage weiterhin so stark wächst wie in den letzten Jahren. Im CBD wird die Bautätigkeit weiterhin niedrig sein. Die Leerstandsquote kann freilich kaum noch sinken. An peripheren Standorten könnte sie mittelfristig sogar leicht ansteigen; denn hier werden in den nächsten Jahren die meisten Büros fertig. Daher ist zu erwarten, dass die Spitzenmieten im Jahresverlauf 2006 und 2007 weiter zunehmen werden. Erst danach könnten sie sich stabilisieren. Nachhaltige Marktentspannung könnte der neue Flughafen im Norden bringen, denn in seinem Einzugsgebiet dürften neue Bürolagen entstehen und die anderen Teilmärkte entlasten. 8. Mai 2006 15 Aktuelle Themen 351 Infrastrukturausbau ist conditio sine qua non Der größte Risikofaktor für den Standort Bangalore sind die aufstrebenden Tier II und Tier III-Städte, die sich ebenfalls als IT-Zentren empfehlen. In Chennai, Hyderabad, Ahmadabad oder Kolkata werden deutlich niedrigere Löhne gezahlt als in Bangalore. Teilweise sind auch die Mieten um 10 bis 20% geringer. Die Erfolgsgeschichte von Bangalore hat auch Nacheiferer in China und Osteuropa auf den Plan gerufen. Kürzlich wurde SAP-Chef Henning Kagermann damit zitiert, dass er aufgrund der stark gestiegenen Kosten in Zukunft stärker auf Osteuropa und China setzen möchte und weniger 16 auf Bangalore. Das heißt jedoch keineswegs, dass die guten Tage für Bangalore gezählt sind. Zwar wächst die Standortkonkurrenz mit anderen indischen, chinesischen und osteuropäischen IT-Outsourcing-Standorten. Das wird zumindest in der ersten Phase jedoch vornehmlich die einfachen Dienste betreffen. Mittlerweile ist Bangalore in der Wertschöpfungskette weiter nach oben gewachsen. Im Dezember 2005 haben Intel und Microsoft erklärt, sie werden ihre Entwicklungsaktivitäten in Bangalore verstärken. Hier besitzt Bangalore durchaus noch ein Alleinstellungsmerkmal. Die Entwicklung in den Tier II und Tier III-Städten wird jedoch die Wachstumsmöglichkeiten in Bangalore mittelfristig etwas dämpfen. Daher ist der Ausbau der Infrastruktur zur conditio sine qua non in Bangalore geworden. Trends auf den indischen Büromärkten Es lassen sich für ganz Indien drei generelle Trends feststellen, die auch in den nächsten Jahren gültig sind. Erstens muss das Büroangebot deutlich wachsen. In den drei beschriebenen Standorten muss die Bürofläche jährlich um insgesamt fast 20 Mio. sf. zunehmen, um der wachsenden Nachfrage zu folgen. In allen Städten Indiens müssten dann jährlich gut 100 Mio. sf. fertiggestellt werden, wenn man eine ähnliche Dynamik unterstellt. Dies könnte sich sogar als konservative Schätzung erweisen: Nicht nur die Leerstandsquoten sanken in den letzten Jahren, auch der Markt für IT-Outsourcing ist noch lange nicht erschöpft. Indien wird von der weiteren Globalisierung der Dienstleistungen überdurchschnittlich profitieren. Verlagerung der Nachfrage vom CBD in Randlagen Zweitens verlagert sich das Flächenangebot weiterhin aus den klassischen CBDs in Nebenzentren. Hierbei folgen Wohn- und Einzelhandelsprojekte i.d.R. neuen Büros. Die Entwicklung erzwingen zum 17 einen die stark gestiegenen Bodenpreise in den Innenstädten. Zum anderen ermöglichen moderne Bürobauten in neu erschlossenen Gebieten hohe Qualitätsstandards, die für IT-Dienste essentiell sind. Tier II und Tier III-Städte legen überdurchschnittlich zu Drittens dürften Tier II und Tier III-Städte insbesondere beim Thema IT-Outsourcing aufholen. Gerade die spürbaren Preissteigerungen auf den Büromärkten der Tier I-Städte machen die preiswerteren Standorte in Tier II und Tier III-Städten attraktiver. Dies gilt insbesondere, weil nicht damit zu rechnen ist, dass in nächster Zeit der Renditerückgang in Tier I-Städten gestoppt wird. Während Delhi Regierungs- und Verwaltungszentrale bleiben wird und Mumbai unangefochten das Finanzzentrum Indiens ist, eifern viele Standorte (z.B. Chennai, Hyderabad) sehr erfolgreich Bangalore nach. Sie sind nicht nur Outsourcing-Städte für indische Unternehmen. Auch 16 17 16 Welt am Sonntag (2006). http://www.wams.de/data/2006/03/19/861978.html. Unterdessen entfällt rd. die Hälfte der Entwicklungskosten in Indien auf die Bodenpreise. In den USA liegt der Anteil der Bodenpreise beispielsweise nur bei einem Viertel (vgl. Roulac, S. (2005). A passage to India, in: Global Quarterly 3,4, S. 1-5). 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte internationale Konzerne haben mittlerweile verstanden, dass Indien mehr ist als die drei Tier I-Städte. Daher ist insbesondere für Bangalore der Standortwettbewerb härter geworden. Einzelhandelsimmobilien: Traditionelle Strukturen brechen auf Private Konsumausgaben nehmen zu Bill. INR 25 20 15 10 5 0 2001 2002 2003 Lebensmittel Miete Gesundheit Erholung 2004 2005 Kleidung Möbel Transport Diverses Quellen: MSPI, DB Research 19 Wachsende Mittelschicht Mio. Haushalte nach Einkommensgruppen 1992-1993 1998-1999 2005-2006 (Schätzung) 120 100 80 60 40 20 0 <=35 36-70 71105- >140 105 140 Jahreseinkommen, '000 INR Quellen: NCAER, DB Research 20 Nach Analysen der Unternehmensberatung A.T. Kearney bietet der indische Einzelhandelsmarkt weltweit das größte Wachstumspoten18 zial für den Einzelhandel. Angesichts der guten Wachstumsaussichten der Gesamtwirtschaft sowie der vorteilhaften demografischen Entwicklung ist dies wenig überraschend. In den nächsten Jahren wird insbesondere die wachsende Mittelschicht Impulse für den Einzelhandel bringen: Heute verfügen rd. 300 Mio. Menschen über ein Haushalts-Jahreseinkommen von mindestens USD 2.000; 58 Mio. Menschen sogar über ein Haushaltseinkommen von mindestens USD 4.400. Außerdem ist zu erwarten, dass v.a. in den Städten die Kaufkraft deutlich zunimmt. Bereits heute zählt Indien mit einem Einzelhandelsumsatz von rd. USD 250 Mrd. zu den zehn größten Einzelhandelsmärkten der Welt. Das entspricht rd. 50% der gesamten privaten Konsumausgaben und rd. einem Drittel des gesamten indischen BIP. Der Beschäftigtenanteil des Einzelhandels wird auf 8 bis 10% der Gesamtbeschäftigung geschätzt. Für die nächsten Jahre prognostiziert A.T. Kearney ein Umsatzwachstum von nominal rd. 10% p.a. Angesichts des hohen Nachholbedarfs werden von diesem Aufschwung alle Einzelhandelssegmente profitieren. Allerdings gibt es gravierende Unterschiede in den Wachstumsraten der einzelnen Segmente. Für die wachsende Mittelschicht wird der Erlebnischarakter von Shopping wichtiger. Einzelhandel und Lifestyle werden enger verbunden, und der reine Versorgungseinzelhandel verliert relativ an Bedeutung. Derzeit geben Inder noch rd. 45% der Konsumausgaben für Lebensmittel und Bekleidung aus. Hier kommt es zu qualitativen Verschiebungen, und das relative Gewicht dürfte sinken. Gleichzeitig werden kurzlebige Konsumgüter wie Kosmetika (fast moving consumer goods), die 2003 ein Marktvolumen von rd. USD 13,1 Mrd. hatten, deutlich zulegen. Bis 2010 könnte sich das 19 Volumen verdreifachen. Ende der Protektion einheimischer Einzelhändler Die Regierung hatte über viele Jahrzehnte den lokalen Einzelhandel vor ausländischer Konkurrenz geschützt. Daher gilt der Einzelhandelsmarkt und auch der Einzelhandelsimmobilienmarkt im Vergleich zum Büromarkt als unterentwickelt. Noch immer ist die Einzelhandelslandschaft durch inhabergeführte Nachbarschaftsläden, so genannte Kiranas, und durch Straßenmärkte geprägt. Der überwiegende Teil dieser Läden hat weniger als 500 sf. Einzelhandelsfläche. Euromonitor International schätzt, dass fast 80% der indischen Einzelhandelsunternehmen kleine Familienbetriebe sind. Zwar gibt es auch große einheimische Einzelhandelsunternehmen wie Pantaloon Retail und Trent Ltd.; der Anteil des filialisierten Einzelhandels lag im Jahr 2004 jedoch bei nur rd. 3% und 96% davon 18 19 8. Mai 2006 Vgl. A.T. Kearney’s 2005 Global Retail Development Index (http://www.atkearney.com/main.taf?p=5,3,1,110). A.T. Kearney (2005). Global Retail Development 2005. 17 Aktuelle Themen 351 20 Strukturverschiebungen auf dem indischen Einzelhandelsmarkt Umsatz nach Einzelhandelsformat, Bill. INR 30 25 20 15 10 5 0 2004 2010 2015 2025 Filialeinzelhandel Traditioneller Einzelhandel Quelle: Trent Ltd. 21 Daher dürfte der filialisierte Einzelhandel deutlich schneller wachsen als der traditionelle. Trent Ltd. erwartet bis 2025 eine durchschnittliche Wachstumsrate im Filialeinzelhandel von über 16% p.a. Im traditionellen Einzelhandel würden die Umsätze um rd. 4% p.a. deutlich langsamer steigen, sodass der Marktanteil des Filialeinzelhandels bis 2025 auf ca. 24% steigen dürfte. Die zunehmende internationale Konkurrenz würde dann gerade im Lebensmittelhandel zu sinkenden Endverbraucherpreisen führen. Aber nicht nur internationale Wettbewerber kommen neu auf den Einzelhandelsmarkt. Zunehmend wachsen auch Industrieunternehmen in die Einzelhandelsbranche hinein. Selbst ohne eine Öffnung des Marktes für internationale Händler wird es also zur Strukturveränderung kommen. Viele Einkaufszentren Zahl und Fläche im Jahr 2008 Delhi Mumbai Bangalore Chennai Kolkata Hyderabad Pune Ahmadabad befindet sich in den zehn größten Städten. Auch findet man in den Großstädten und in den neuen Shoppingcentern Supermärkte (Foodworld) und indische Hypermärkte (Big Bazaar) sowie Waren-/ Kaufhäuser (Pantaloons, Shoppers Stop). Große Marktbedeutung haben sie jedoch ebenfalls noch nicht erlangt. Dies liegt auch daran, dass es ausländischen Einzelhändlern bis Anfang 2006 nur erlaubt war, Cash & Carry-Märkte zu eröffnen oder ihre Produkte über Franchisenehmer bzw. über Lizenzvergabe zu vertreiben. Reebok, Nike, Levi’s oder Benetton haben bereits Outlets eröffnet. Gleiches gilt für Metro mit seinen Cash & Carry-Märkten, die als Großhändler fungieren. Die größten globalen Einzelhandelsketten wie Wal-Mart oder Carrefour durften bisher keine Filialen in Indien eröffnen. Anfang 2006 hat die Regierung nun ausländische Direktinvestitionen im Einzelhandel mit 51% Beteiligung erlaubt. Dies bezieht sich auf Einzelhändler, die ihre Marken unter eigenen Namen verkaufen. Eine weitere Marktöffnung in den nächsten Jahren ist wahrscheinlich. Zahl der Vermietbare Zentren Fläche (Mio. sf.) 96 55 14 6 10 12 19 7 23,5 16,2 8,0 2,5 3,2 4,2 5,6 2,7 Quelle: Trent Ltd. 22 Neue Einkaufsformate Einkaufszentren sind erst in den letzten Jahren aufgrund der hohen Nachfrage nach modernen Einzelhandelsflächen und zuerst in den Metropolen entstanden. Mittlerweile sind sie auch in vielen anderen Großstädten zu finden. Da in den Innenstädten nur begrenzt Raum für großflächigen Einzelhandel verfügbar ist, entstehen neue und moderne Center vornehmlich in den Vorstädten. Diese sind in der Bauweise und Anmutung an westliche Center angelehnt, in der Qualität jedoch häufig noch nicht so weit entwickelt. Unterdessen hat ein regelrechter Bauboom bei Shopping-Centern eingesetzt. Derzeit gibt es rd. 100 Einkaufszentren in Indien – die Hälfte davon in den Ballungsräumen Delhi und Mumbai. Doch dies ist erst der 21 Anfang der Entwicklung. Laut einer Analyse von Trent Ltd. könnten allein in den acht größten 22 indischen Städten bis Ende 2008 in 219 Centern insgesamt 66 Mio. sf. an neuen Shopping-Centerflächen entstehen. Auch in den sieben nächst kleineren Städen (u.a. Jaipur, Kochi oder Mangalore) sind bis Ende 2008 etwa 38 Center mit rd. 13 Mio. sf. Einkaufsfläche geplant. Hierbei ist freilich anzumerken, dass viele dieser Einkaufszentren niedrigere Standards haben als westliche Einkaufszentren. Hohe Nachfragezuwächse schließen Überangebot in Einzelfällen nicht aus In einigen Standorten dürfte das Angebot schneller wachsen als die Nachfrage. Dann muss diese Entwicklung trotz der hohen Wachs20 21 22 18 Vgl. The Economist (2006). Retailing in India. Coming to market. 12. April, 2006. Hindustan Times (2006). Punjab real estate barons cashing in on mall building spree. 6. Januar 2006. Delhi, Mumbai, Bangalore, Chennai, Kolkata, Hyderabad, Pune und Ahmadabad. 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte tumsraten im Einzelhandel dort zu einem Verdrängungswettbewerb führen. Dies könnte gerade in den Vororten der großen Städte geschehen. In Gurgaon in der Nähe von Delhi sind beispielsweise für die Mall Mile zu den bestehenden sechs Einkaufszentren 17 weitere konzipiert. Diese Standorte sind für die Mittelschicht und gehobene Mittelschicht vorgesehen, die dann in ihrer unmittelbaren Wohngegend ihre Einkäufe erledigen kann. Standorte, die heute noch gut angenommen werden, könnten darüber hinaus in Zukunft Konkurrenz durch neue Verkaufsformen in Straßen-/ U-Bahnhöfen bekommen. Die Innenstädte stehen schon heute im Wettbewerb zu den Centern, da sich neue Flächenkonzepte in den Bestandsgebäuden kaum realisieren lassen. Großflächige Märkte im Lebensmittelbereich zu erwarten Neben Shopping-Centern entstehen zunehmend Hypermärkte. Auch hier wird dank der Wachstumsperspektiven im Lebensmittelbereich das Angebot deutlich zunehmen. Gerade ausländische Retailer wie Wal-Mart, Carrefour, Tesco könnten in diesem Segment aktiv werden, sobald die Investitionsregeln gelockert werden. Hohe Wachstumschancen Insgesamt bietet der Einzelhandel in Indien sehr große Potenziale. Die Wachstumsdynamik könnte auch die Vorbehalte der Regierung gegenüber ausländischen Einzelhändlern mindern. Diese internationalen Marktteilnehmer wären gerade auch für Immobilieninvestoren, die am hohen Wachstum des indischen Einzelhandels partizipieren wollen, wichtig. Ein Mangel an Infrastruktur könnte das Wachstum des Einzelhandelssektors jedoch hemmen. Mittlere Haushaltsgröße sinkt langsam, aber stetig Zahl der Einwohner, '000 (rechts); Personen je Haushalt (links) 5,9 5,8 1.200 Einwohnerzahl 1.050 5,7 900 5,6 750 5,5 5,4 Starkes Wachstum auf dem Wohnungsmarkt programmiert 600 Durchschnittl. Haushaltsgröße Heute fehlen 20 bis 30 Millionen Wohneinheiten 450 5,3 300 1970 1977 1984 1991 1998 2005 Quellen: Census of India, UN Habitat, DB Research Um eine Vorstellung der Wachstumsmöglichkeiten nach einer weiteren Marktöffnung zu gewinnen, lohnt der Vergleich mit der chinesischen Entwicklung vor zehn Jahren. Dort brachte die Öffnung des Einzelhandelsmarktes für Ausländer einen starken Schub für die Branche. Nach der Öffnung wuchs der chinesische Einzelhandels23 umsatz um ca. 15% p.a. Allerdings würde die Nachfrageverschiebung auch eine relative Schwächung des traditionellen indischen Einzelhandels bedeuten. Durch den Eintritt global agierender Einzelhandelsunternehmen werden sich moderne Einzelhandelsformen wie Shoppingcenter und Hypermärkte durchsetzen. Da derzeit in sehr vielen Städten umfangreiche neue Flächen entstehen, sollte bei neuen Projekten eine gründliche Marktanalyse – insbesondere auch des Konkurrenzangebots – durchgeführt werden. Dies gilt mittlerweile nicht nur für die Metropolen, sondern auch für einige Tier II und Tier III-Städte. Von flächendeckendem Überangebot kann jedoch keineswegs gesprochen werden. Es bleiben sehr viele Investitionschancen. 23 Die wichtigsten Faktoren für die Wohnungsnachfrage sind die verfügbaren Einkommen, die Finanzierungskonditionen und die Bevölkerungsentwicklung. Hierbei wirkt Bevölkerungswachstum letztlich nur mittelbar, denn auf den Wohnungsmärkten treten nicht Einwohner, sondern Haushalte als Nachfrager auf. Der letzte Zensus hat 2001 rd. 192 Mio. Haushalte in Indien gezählt. Damit gab es rd. 40 23 8. Mai 2006 Vgl. ICICI (2004). Foreign Direct Investment in Retail, Feb. 2004. 19 Aktuelle Themen 351 Mio. mehr Haushalte in Indien als zehn Jahre zuvor. Die Zahl der Haushalte ist also etwas schneller gestiegen als die Zahl der Einwohner. Die durchschnittlichen Haushaltsgrößen gehen folglich leicht zurück. Sie sind mit aktuell rd. 5,4 Personen je Haushalt aber noch immer sehr hoch. 1970 lag die Zahl mit 5,7 Personen je Haushalt nur geringfügig darüber. Nur 50% der Haushalte leben in guten Unterkünften Haushalte nach der Qualität der Unterkunft Baufällig (5%) Gut (51%) Bewohnbar (44%) Zahl der Haushalte insgesamt: 192 Mio. Quelle: Census of India, 2001 24 Die meisten Inder wohnen in kleinen Wohnungen Zahl der Räume je Haushalt Mehr als vier Räume Gemeinschaftsräume Vier Räume Ein Raum Drei Räume Interessanterweise liegen die Haushaltsgrößen in den Städten nur unwesentlich unter jenen auf dem Land. In entwickelten Ländern finden sich üblicherweise in den Städten signifikant kleinere Haushalte als in ländlichen Regionen. Diese Ähnlichkeit der Haushaltsgrößen in Indien könnte darauf hinweisen, dass die familiären Strukturen in Indien auch in den Städten eine große Rolle spielen. Darüber hinaus dürfte zu knappes Wohnungsangebot in den Städten zu größeren Haushalten zwingen. Zwischen 1991 und 2001 nahm die Zahl der Wohneinheiten um rd. 24 54 Mio. zu. Gleichzeitig wurde der Gebäudebestand qualitativ aufgewertet: Die Zahl der Haushalte in beengten Wohnverhältnissen nahm deutlich ab, und die Ausstattungen der Wohnungen wurden verbessert. Die Eigentumsquote stieg in den Städten von 63% auf 67% und auf dem Land um einen Prozentpunkt auf 95%. Dennoch haben sich die indischen Wohnungsmärkte bisher nur unzureichend entspannt. Im Zensus von 2001 lag die Zahl der Haushalte noch immer um fast 5 Mio. Einheiten über der Zahl der Wohneinheiten; rd. ein Drittel des Wohnungsbedarfs befindet sich in den Städten. Der gesamte Nachholbedarf im Wohnungsmarkt dürfte sogar deutlich höher ausfallen, denn gut 5% der Haushalte leben in baufälligen Wohnungen. Nur die Hälfte des Wohnungsbestandes wurde 2001 für gut befunden; in den Städten waren es immerhin knapp zwei Drittel. Außerdem wohnen viele Menschen noch immer sehr beengt: 70% der Haushalte verfügen über nicht mehr als zwei Zimmer; sogar in den sehr großen Haushalten mit über neun Mitgliedern leben über 40% in maximal zwei Räumen. Der Bauverband (National Building Organisation) schätzt den aufgestauten Bedarf an Wohnungen auf rd. 20 Mio. Einheiten; das Ministerium für urbane Entwicklung und Armutsbekämpfung veranschlagt den Nachholbedarf sogar auf gut 31 Mio. Wohneinheiten. Davon entfallen 24 Mio. Einheiten auf 25 ländliche Gebiete und gut 7 Mio. auf Städte. Enormer zukünftiger Bedarf Zwei Räume Zahl der Haushalte insgesamt: 192 Mio. Quelle: Census of India, 2001 25 In Indien sind alle Faktoren für sehr starkes Nachfragewachstum am Wohnungsmarkt in den nächsten Jahrzehnten vorhanden. In einem sehr konservativen (und unwahrscheinlichen) Szenario, bei dem die durchschnittliche Haushaltsgröße unverändert auf dem heutigen Niveau bleibt, der Nachfragestau nicht aufgelöst werden kann und keine qualitativen Verschiebungen einsetzen, müssten bis 2030 jedes Jahr rd. 4,7 Mio. Wohnungen fertiggestellt werden. Dieser Wert setzt sich aus einem Zusatzbedarf von rd. 2,7 Mio. Wohneinheiten und einem jährlichen Ersatzbedarf von rd. 2 Mio. Wohnungen 26 zusammen. 24 25 26 20 Ministry of Urban Employment and Poverty Alleviation (2005). National housing and habitat policy, New Delhi. Für eine Analyse der Handlungsmöglichkeiten, um die Engpässe aufzulösen vgl. z.B. Mahadeva, M. (2004). Arresting dilipidated housing stock: an assessment of the problem, public action and options. In Asian Economic Review 46 No. 1, S. 105-121. Für den Ersatzbedarf wurde eine durchschnittliche Lebensdauer einer Wohnimmobilie von 100 Jahren angesetzt. 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte Prognose von durchschnittlichen Haushaltsgrößen Um einschätzen zu können, wie sich die durchschnittliche Haushaltsgröße in Indien weiterentwickeln könnte, haben wir einfache Cross-Section-Regressionsmodelle geschätzt. Darin fließen die verfügbaren Daten für insgesamt 27 Länder (vornehmlich Industrieländer, aber auch Transformationsländer) ein. Die zu erklärende Variable ist die durchschnittliche Haushaltsgröße im Jahr 2003. Die wichtigste exogene Variable ist die Fertilität aus dem Jahr 1985; das erwartete Vorzeichen ist natürlich positiv, denn die meisten Kinder dürften noch im Elternhaushalt wohnen. Außerdem fließen das Pro-Kopf-BIP, der Urbanitätsgrad und die Lebenserwartung in die verschiedenen Modelle ein. Hierbei ist zu erwarten, dass die Haushaltsgröße mit sinkender Fertilität, steigenden Einkommen, mehr Stadtbevölkerung und höherer Lebenserwartung abnimmt. Die Modelle lassen für die kommenden 30 Jahre deutlich rückläufige Haushaltsgrößen für Indien erwarten. Die Haushaltsgröße könnte von heute 5,4 Personen auf 3,7 bis 4,7 Personen absinken. Zum Vergleich: In Mexiko leben heute gut 4 Menschen in einem Haushalt, in Polen oder Spanien sind es knapp drei und in Deutschland sind es heute nur rd. zwei Menschen. Neubaubedarf sehr hoch Mio. Wohneinheiten p.a., 2005 bis 2030, Gründe Gesamt 6,9 In den letzten Jahren haben sich die Wohnungsmärkte deutlich belebt: Die starken Nachfrageimpulse sorgten für Knappheiten in fast allen Städten, und das hat die Preise für Wohnimmobilien in die Höhe getrieben. Stark steigende Energiepreise und v.a. anziehende Bodenpreise sorgen auch auf der Angebotsseite für höhere Immobilienpreise. In den wichtigsten zehn Städten legten die Wohnungspreise im Jahr 2005 um rd. 25% zu. In begehrten Quartieren war die Wachstumsrate in den letzten 24 Monaten sogar noch deutlich höher. Beispielsweise verdoppelten sich die Wohnungspreise in einigen Vierteln (z.B. Indirapuram, Vaishali) von Ghaziabad im Nordosten von Delhi seit 2003. 1,2 2,8 Schließen der Angebotslücke 1 Ersatzbedarf 2 Bevölkerungswachstum 2,7 0 2 4 6 8 Quelle: DB Research Neben diesem starken Mengenwachstum werden die steigenden Einkommen auch zu qualitativen Nachfrageänderungen führen. Nach Analysen des National Council of Applied Economic Research sank die Zahl der Haushalte in der untersten Einkommensgruppe in den Jahren von 1992/1993 bis 1998/1999 um rd. 20 Mio. In allen anderen Einkommensgruppen nahmen die Haushaltszahlen zu; am stärksten war der prozentuale Anstieg in der Gruppe mit den höchs27 ten Einkommen. Da diese Entwicklung in den späten 1990er Jahren sogar kräftiger ausfiel als Mitte der 1990er Jahre, dürfte sich der Trend zu einer breiteren Mittelschicht seitdem ungebremst fortgesetzt haben. Die Folge sind dann zunehmende Engpässe bei qualitativ höher- und hochwertigen Wohnungen. Das könnte sowohl die Wohnfläche, die Zahl der Zimmer als auch die Grundausstattung betreffen. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass die Wachstumsrate in der höchsten Einkommensgruppe zwar am stärksten ausfiel, das absolut stärkste Mengenwachstum jedoch in der zweitniedrigsten Einkommensgruppe entsteht. Preisentwicklungen in wichtigen Städten 2,8 Kleinere Haushalte Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die durchschnittliche Haushaltsgröße auch in den nächsten Jahren sinkt. Das anhaltende Wirtschaftswachstum ermöglicht immer mehr jungen Menschen, eigene Haushalte zu gründen. Außerdem ist auch in Indien der Trend zu weniger Kindern bislang ungebrochen. Auch die anhaltende Urbanisierung dürfte tendenziell zu sinkenden Haushaltsgrößen führen. Unsere Schätzmodelle (vgl. Box) signalisieren, dass im Jahr 2030 ein durchschnittlicher indischer Haushalt nur noch aus 3,7 bis 4,7 Personen bestehen könnte. Dann müssten jedes Jahr inklusive Ersatzbedarf zwischen 5,9 und 8,7 Mio. Wohnungen entstehen. Berücksichtigt man zusätzlich die heutige Angebotslücke von 20 bis 30 Mio. Wohneinheiten, müssten pro Jahr eine weitere Million Wohnungen fertig werden, um 2030 ein Gleichgewicht auf dem Wohnungsmarkt herzustellen. 10 26 Diese Preissteigerungen bedeuten jedoch für die Haushalte nicht zwangsläufig Lasten, die nicht zu verkraften sind. Zum einen sind gerade für hoch qualifizierte Arbeitnehmer die Einkommen sehr stark gestiegen. Zum anderen liegen die Finanzierungszinsen noch deutlich unter den hohen Niveaus der 1990er Jahre. Ein einfacher Erschwinglichkeitsindex, der am Beispiel Mumbai die mittleren Finanzierungskosten für eine Wohnung in Relation zum Nettoinlandsprodukt in Maharashtra setzt, zeigt, dass Wohnungen zwar nicht mehr so erschwinglich sind wie vor zwei Jahren. Der Index signalisiert jedoch noch keine Übertreibung wie zur Mitte der 1990er Jahre. Die Einkommen und die niedrigen Zinsen erklären das aktuelle Preisniveau zu großen Teilen. 27 8. Mai 2006 NCAER (2003). India Market Demographics Report 2002, New Delhi. 21 Aktuelle Themen 351 Häuser trotz steigender Preise noch erschwinglich 2000=100 120 100 80 60 40 20 0 1995 1997 1999 2001 2003 2005 Wohnungspreise in Mumbai Erschwinglichkeitsindex Der Erschwinglichkeitsindex setzt die durchschnittliche Zinslast bei einer hypothetischen Laufzeit von 25 Jahren für eine 80 m² große Wohnung in Mumbai in Relation zum Pro-Kopf-NIP in Maharashtra. 27 Quellen: HDFC, RBI, DB Research Hypothekenmarkt in Indien noch unterentwickelt Anteil Hypothekenschuld zu BIP, jeweils letzter verfügbarer Wert 25 50 75 100 28 Quellen: RBI, EMF, Eurostat Volumen, März 2003 = 100 320 280 240 200 160 120 80 04 05 Gleichwohl ist der Markt nicht ohne Risiken. Die Reserve Bank of India hat ihre letzten Zinsschritte regelmäßig auch mit einem klaren Hinweis auf den stark anschwellenden Markt für Immobilienkredite (Wohnen und gewerbliche Immobilien) begründet. Seit September 2004 wurde der Hauptrefinanzierungszins, die Repo rate, um insgesamt 100 Basispunkte auf heute 5,5% angehoben. Auch die Reverse repo rate, an die viele variable Zinsen gekoppelt sind, wurde seit Ende 2005 um 50 Basispunkte auf 6,5% erhöht. Darüber hinaus müssen Immobilienkredite seit Juli 2005 mit etwas mehr Eigenkapital unterlegt werden. Das Risikogewicht für Immobilienkredite stieg von 100 bp auf 125 bp. Insgesamt sind also die Vergabekonditionen für Banken ungünstiger geworden. Dennoch bleiben enorme Wachstumsmöglichkeiten auf den indischen Wohnungsmärkten. Wir sehen die Wohnungspreise noch nicht auf ihrer Spitze angekommen. Gerade weil die Nachfrage der privaten Haushalte durch ihren realen Bedarf getrieben wird, ist die Entwicklung bisher auf Landesebene noch gesund. Das schließt jedoch regional begrenzte Übertreibungen nicht aus. Immobilienkapitalmarkt noch unterentwickelt Kreditvolumen nimmt zu 03 Risiken beachten, Chancen nutzen Außerdem bleibt Bauland in der Nähe großer Städte knapp; die stark steigenden Bodenpreise sind sichtbarer Ausdruck dieser Knappheit. Zunehmend lohnt daher die Berücksichtigung von Tier II oder sogar Tier III-Städten bei Investitionsvorhaben. Internationale Investoren müssen darüber hinaus die dreijährige Lock-in Periode für Immobilieninvestitionen auf der Rechnung haben. Ausländische Investoren sind dadurch in ihrer strategischen Ausrichtung weniger flexibel. IN TH KR MY SG TW HK US DE GB DK 0 Darüber hinaus wurden steuerliche Anreize zur Hausfinanzierung gewährt. So sind heute höhere Zins- und Tilgungsdienste steuerlich abzugsfähig als in den 1990er Jahren. Über die Steuerersparnis ist die eigen genutzte Immobilie also interessanter geworden. Angesichts der noch immer niedrigen Quote aus Hypothekenschulden und BIP hat Indien noch großes Wachstumspotenzial bei der Immobilienfinanzierung. Dass zunehmend Banken diesen Markt entdecken, überrascht also nicht. Es ist plausibel, dass der Anteil der Hypothekenschulden in Relation zum BIP von heute knapp 5% auf rd. 15% bis spätestens 2015 ansteigen wird. Dann hätte dieser Markt ein ähnlich großes Gewicht wie in Südkorea. 06 Bankkredite insgesamt Wohnungskredite Sonstige Immobilienkredite Quelle: RBI 29 Bestand an gewerblichen Immobilien und das Investitionspotenzial Um die Chancen und Risiken auf den indischen Immobilienmärkten einschätzen zu können, benötigt man zumindest einen groben Überblick über die Investitionsmöglichkeiten, also die jeweilige Marktgröße. Das ist keineswegs eine triviale Aufgabe, da für viele internationale Immobilienmärkte und insbesondere für die Immobilienmärkte in sich entwickelnden Volkswirtschaften keine verlässlichen Daten vorliegen. Der folgende Abschnitt beschreibt den indischen Immobilieninvestmentmarkt mit Hilfe dreier Kategorien: — Immobilienbestand: Der gesamte Bestand an gewerblichen Immobilien. 22 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte — Investitionspotenzial: Der qualitativ hochwertige Bestand, der bereits von institutionellen Investoren gehalten wird oder gehalten werden könnte. Da institionelle Investoren eine Mindestgebäudequalität suchen und einige Immobilieneigentümer nicht verkaufen möchten, ist das Investitionspotenzial kleiner als der gesamte Immobilienbestand. Indischer Investmentmarkt: Platz für Wachstum — Investitionsvolumen: Das tatsächliche Investitionsvolumen in den Händen institutioneller Investoren. Immobilienbestand und Investitionspotential; USD Mrd. (links) 2500 Für das Jahr 2005 weist RREEF/DB Real Estate Research für Indien einen gewerblichen Immobilienbestand in der Größenordnung von USD 300 Mrd. aus. Dies ist nur ein kleiner Anteil des weltweiten 28 Immobilienbestands von rd. USD 19 Bill. Allerdings verfügt Indien bereits heute nach Japan, China und Südkorea über den viertgrößten Bestand in Asien. 70% 60% 2000 50% 1500 40% 1000 30% 20% 500 10% 0 0% IN KR CN JP Immobilienbestand (li.) Investitionspotenzial (li.) Investitionspotenzial/Immobilienbest.(re.) Quelle: RREEF Research 30 Freilich ist der institutionelle Kapitalmarkt noch unterentwickelt. Das Investitionspotenzial beträgt lediglich USD 83 Mrd., was gerade 27% des gesamten gewerblichen Immobilienbestands entspricht. In China liegt der Anteil bei 35%, in Japan sogar bei 65%. Angesichts der rasch expandierenden indischen Volkswirtschaft ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach Büro-, Einzelhandels- und Logistikimmobilien in den nächsten Jahren signifikant zunehmen wird. Insgesamt könnte sich der Immobilienbestand in den nächsten fünf Jahren um USD 66 Mrd. auf 366 Mrd. erhöhen. Unter der Annahme, dass der Anteil des Investitionspotenzials bei rd. 27% konstant bleibt, folgt daraus ein Anstieg des Investitionspotenzials um USD 18 Mrd. bis 2010. Dies dürfte sogar eine konservative Schätzung sein, da zu erwarten ist, dass zunehmende Professionalisierung der Immobilienbranche auch zu einer Belebung der Investitionstätigkeit führt. Investitionsvolumen Gewerblicher Immobilienmarkt wird wachsen Wachstum des Immobilienbestands, 2006-2010 Geschätzte Entwicklungsfläche Preis je sf. Kapitalwert Gesamtwert Einheit Büro Einzelhandel Logistik Mio. sf. 580 130 125 INR per sf. USD Mio. 2.750 36.621 8.591 25.584 1.400 4.018 USD Mio. 66.223 Quellen: RREEF Research, DB Research 31 Für Investoren ist die Größe und Entwicklung des Investitionspotenzials sehr wichtig, da dies Wachstumsmöglichkeiten signalisiert. Daneben ist es genauso wichtig, das heutige Investitionsvolumen zu kennen, da dies die aktuelle Marktgröße abbildet. Das Investitionsvolumen wird üblicherweise in vier Kategorien unterteilt: private Fremdfinanzierungen (private debt), handelbare Fremdfinanzierungen (public debt), private Eigenkapitalmittel (private equity) und handelbare Eigenkapitalmittel (public equity). Der Begriff “public” kennzeichnet also den börsennotierten Markt wie Immobilienaktiengesellschaften oder Mortgage Backed Securities. Der Begriff “private” bezeichnet dann nicht börsennotierte Vehikel. Diese enthalten 28 8. Mai 2006 Vgl. Hobbs, P., Chin H., Topintzi, E. (erscheint demnächst). Global real estate market size estimates, RREEF/DB Real Estate Research. 23 Aktuelle Themen 351 Anlagen von Pensionskassen, von Versicherungsgesellschaften, Immobilienunternehmen sowie Immobiliendarlehen. Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle unterentwickelt Anteil am gesamten Investitionsvolumen von Immobilien Privates Eigenkapital 39% Aktienmarkt 0,2% Fremdkapitalmarktprodukte 0,1% Private Kredite 61% Private Debt Quellen: RBI, CBIC, Bloomberg, Insurance Corporation of India, RREEF Research 32 Mehr Kredite für gewerbliche Immobilien Kreditvolumen in USD Mio. 3000 2500 2000 1500 1000 Private Equity 0 Private Equity-Investoren spielen eine maßgebliche Rolle auf dem indischen Investmentmarkt. Ende 2005 lag das gesamte Volumen der Private Equity Investitionen auf dem indischen Immobilienmarkt bei rd. USD 1,6 Mrd., also bei etwa 40% des gesamten Immobilienkapitalmarktes. Dieses Marktsegment wächst sehr dynamisch: Im letzten Jahr nahmen die von Unternehmen und Privatpersonen gehaltenen Immobilieninvestments um 40% zu. Quellen: RBI, RREEF Research 33 Private Equity wächst zweistellig USD Mio. 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 2005 Immobilienunternehmen. u. Privatpersonen Versicherungsgesellschaften Pensionsfonds Quellen: CEIC, Insurance Corporation of India, RREEF Research 24 Bankkredite sind die wichtigste Finanzierungsquelle für Immobilienprojekte in Indien. Mehr als 60% aller institutionellen Immobilieninvestments laufen über diese Schiene. Die niedrigen Zinsen, der belebte Investmentmarkt sowie zunehmende Outsourcing-Aktivitäten haben die Nachfrage nach Immobiliendarlehen stark erhöht. In den letzten vier Jahren stieg das Kreditvolumen der Banken für gewerbliche Immobilien um insgesamt 500% auf USD 2,4 Mrd. Obwohl die indische Zentralbank bemüht ist, das Kreditwachstum zu dämpfen, rechnen wir mit weiterhin starkem Zuwachs in den nächsten Jahren. Auch weil Immobiliendarlehen in den Bilanzen der Banken bisher nur eine unbedeutende Rolle spielen, ist mit weiterhin hohen Wachstumsraten zu rechnen. 500 2001 2002 2003 2004 2005 2004 Das gesamte Investitionsvolumen wird von RREEF/DB Real Estate auf USD 4 Mrd. geschätzt. Der überwiegende Teil dieses Marktvolumens befindet sich in nicht börsennotierten Vehikeln. Die öffentlich gehandelten Investmentprodukte sind deutlich unterentwickelt. Sie machen weniger als 0,5% des indischen Investitionsvolumens aus. Der institutionelle Immobilieninvestmentmarkt befindet sich offensichtlich in einer Frühphase: Weniger als 5% des Investitionspotenzials sind auch tatsächlich investiert. Darüber hinaus ist die implizite Eigentumsquote bei Gewerbeimmobilien, also der Anteil des Investitionsvolumens am gesamten Immobilienbestand mit knapp 2% sehr niedrig. Das bedeutet, 98% aller indischen Gewerbeimmobilien werden von den Eigentümern selbst genutzt. In Südkorea liegt die implizite Eigentumsquote für Gewerbeimmobilien bei rd. 80%. Die Arbeitsteilung auf dem Immobilienmarkt ist in Südkorea offensicht29 lich schon weiter vorangeschritten als in Indien. 34 Die indischen Pensionskassen sind noch unterentwickelt. Dennoch sind sie die zweitwichtigste Investorengruppe für Immobilien innerhalb des Private Equity Segments, v.a. weil die anderen Segmente noch weniger entwickelt sind. Die bedeutendste Pensionskasse ist der Public Provident Fund (PPF), der in den späten 1960ern gegründet wurde, um Privatpersonen den langfristigen Vermögensaufbau zu ermöglichen. Die Anlagestrategie der Pensionskassen – auch durch die Regulierung erzwungen – ist sehr sicherheitsorientiert. Sie müssen zu 60% in Staatsanleihen oder anderen genehmigten Anlageformen investiert sein. Folgerichtig sind sie auf dem Aktien- und Immobilienmarkt nur geringfügig investiert, da diese Märkte vergleichsweise volatil sind. Dies wird sich in der kurzen Frist nur durch Regulierungswechsel ändern. Daher ist in den nächsten Jahren keine Beschleunigung bei Immobilieninvestments seitens der Pensionskassen zu erwarten. 29 Eine niedrige Eigentumsquote wird häufig auch als Argument für ein Immobilienengagement benutzt: In China liegt diese Quote bei rd. 80%, in Japan bei 60%. 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte Ähnliches gilt auch für die Versicherungsgesellschaften. Die Regulierungsbehörden schätzen Immobilieninvestments noch als risikoreich ein. Die Möglichkeiten für Versicherungsgesellschaften, auf 30 dem Immobilienmarkt aktiv zu werden, sind daher begrenzt. So ist es kaum verwunderlich, dass Versicherungsgesellschaften bisher nur marginal in Immobilien investiert sind (USD 10 Mio. im Jahr 2005). Auch dies wird sich in der kurzen Frist kaum ändern, solange die Regulierung unverändert bleibt. Pensionsfonds wachsen von niedrigem Niveau USD Mio., Anlagen in Immobilien 700 600 500 400 300 200 100 0 2001 2002 2003 2004 2005 35 Quellen: CEIC, RREEF Research Securitisation wird wichtiger USD Mrd. 8 7 6 5 4 3 2 1 0 2002 ABS 2003 MBS 2004 2005 andere Quelle: ICRA Rating 36 Die Regulierungsbehörde Security Exchange Board of India (SEBI) hat 2005 Immobilienfonds (Real Estate Funds, REF) zugelassen. Es wird allerdings einige Zeit dauern, bis Privatkunden von der Einführung profitieren werden. Derzeit stehen REF nur für wohlhabende Private und institutionellen Investoren wie dem HDFC Property Fund oder ICICI Venture offen. Die Nachfrage nach REF ist stark und könnte sich als Katalysator für die künftige Entwicklung von REITs 31 erweisen. Public Debt Der Public Debt Markt fasst hier offene Unternehmensanleihen und Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS) zusammen und ist noch sehr jung. 2005 erreichte das Volumen in diesem Segment lediglich USD 6 Mio., und dies entfiel ausschließlich auf Unternehmensanleihen. In den letzten Jahren gab es keine Emissionen von 32 CMBS in Indien. Das heißt, der gesamte Markt der Mortgage Backed Securities (MBS) wird durch Besicherungen auf dem Wohnungsmarkt (Residential Mortgage Backed Securities, RMBS) bestimmt. Diese haben in den letzten fünf Jahren aufgrund des rasch wachsenden Wohnungsmarktes und der niedrigen Finanzierungskosten in der Tat eine wichtige Rolle gespielt. Das Fehlen eines funktionierenden CMBS-Markts lässt sich v.a. durch Unsicherheiten hinsichtlich der Kündigungsfristen im indischen Rechtssystem sowie durch Steuerbestimmungen bei Besicherungen erklären. Zusätzlich dürfte die strikte Regulierung von Gewinnmitnahmen und Kapitalerleichterungen als Hürde für den 33 CMBS-Markt wirken. Gleichwohl zeigt die Entwicklung anderer strukturierter Finanzprodukte in Indien wie bei Asset Backed Securities (ABS) und eben den Residential Mortgage Backed Securities (RMBS), dass es durchaus Potenzial auch für einen CMBS-Markt 34 gibt. So lag die Wachstumsrate für die ABS in den letzten drei Jahren bei 150% und für die RMBS-Produkte sogar bei 250% pro Jahr – natürlich ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. 30 31 32 33 34 8. Mai 2006 Lebensversicherungen müssen mindestens 15% ihrer Investitionen in den Segmenten Infrastruktur und Sozialwesen tätigen. Weitere 10% müssen in Versicherungen angelegt sein. Der geschlossene Venture Capital Fonds von KOTAS Mahindra Realty Fund (Kotak India Real Estate Fund-I) hat im Februar 2006 eine inländische Tranche mit USD 100 Mio. aufgelegt. ICRA Rating (2005). Update on Indian Structured Finance Market: Robust volume growth during Financial Year 2005, Mumbai, India. Fitch Ratings (2006). Securitisation in India: 2005 Review, Fitch Ratings, India. Jha, A. (2005). India: Waking the sleeping giant, real estate investment world Asia, Singapore. 25 Aktuelle Themen 351 Public Equity REITs könnten 2007 eingeführt werden Weder Real Estate Investment Trusts (REITs) noch Immobilienfonds 35 (Real Estate Mutual Funds, REMF) existieren in Indien. Das börsennotierte Segment ist also sehr begrenzt. Bisher sind Immobilienaktiengesellschaften der einzige Weg, um an der Börse mit Eigenkapital in Immobilien zu investieren, und davon gibt es derzeit nur eine Handvoll. Börsennotierter Kapitalbesitz auf reiner Eigenkapitalbasis erreichte 2005 nicht mehr als USD 7 Mio., genauso viel wie im Jahr zuvor. In den nächsten Jahren dürfte sich das Segment beleben: DLF Universal, Indiens größter Immobilienentwickler, möchte bei dem größten indischen Börsengang 2006 insgesamt USD 2 Mrd. Eigenkaptial einsammeln. Dies könnte eine Initialzündung für folgende IPOs werden. Zusätzlich könnte ein REIT-Regime dazu beitragen, die Transparenz und Liquidität auf dem Immobilieninvestmentmarkt zu erhöhen. Die Risiken für Investoren würden dadurch ebenfalls sinken. Letzte öffentliche Verlautbarungen lassen die Einführung von indischen REITs und/oder REMF für das Jahr 2007 erwarten. Kapitalströme und Zukunftsperspektiven Kapital strömt in Form von Kreditfinazierung zu Kapitalfluss in gewerbliche Immobilien, 2004 bis 2005; insgesamt: USD 834 Mio. Privates Eigenkapital 34,6 Verbriefte Schulden 0,1 Kreditfinanzierungen 65,3 Quelle: RREEF Research 37 Mietrenditen auf den Büromärkten sinken Nettoanfangsrenditen, Büroraum in CBD, % 15 14 13 12 11 10 9 8 2001 2002 2002 2003 2004 2005 2005 Delhi Mumbai Bangalore Quelle: JLL 38 Zwar ist der Immobilienkapitalmarkt noch verhältnismäßig klein, die Wachstumsdynamik insbesondere in den Private Equity und Private Debt-Märkten ist jedoch beeindruckend: Im Jahr 2005 investierten institutionelle Anleger fast USD 850 Mio. zusätzlich am indischen Immobilienmarkt. Das Wachstum bei Private Equity wurde in erster Linie durch Immobilienfonds und Immobilienunternehmen getrieben. Diese führten dem Markt rd. USD 82 Mio. neues Kapital zu. Auch Privatpersonen investierten verstärkt. Noch kräftiger expandierte freilich der Fremdkapitalmarkt: Gewerbliche Immobilienfinanzierung legte 2005 um USD 545 Mio. zu. Auch weil derzeit noch effiziente Alternativen fehlen, scheint der Bankkredit noch der beste Weg zur Kapitalbeschaffung in Indien zu sein. Gestützt durch zahlreiche Projektentwicklungen, mehr Direktinvestitionen und einen deregulierten Kreditmarkt, dürften sowohl der Private Equity als auch der Private Debt Markt in den nächsten Jahren spürbar wachsen. Im Gegensatz dazu droht das Börsensegment in der nahen Zukunft noch vergleichsweise klein zu bleiben. 2005 kamen hier lediglich USD 1 Mio. zusätzlich an den Markt. Solange sich der indische Kapitalmarkt insgesamt nicht verbreitert und weiter entwickelt, dürfte diesem Segment auch für die gewerbliche Immobilienwirtschaft nur geringe Bedeutung zukommen. Die begrenzte Marktliquidität auf dem Investmentmarkt und die wachsende Nachfrage nach Investitionsobjekten ließen die gewerblichen Immobilienpreise in den meisten Anlageklassen und Regionen schneller steigen als die Mieten. Die Nettoanfangsrenditen sind also auf den meisten Märkten gesunken. Da sowohl der heimische als auch der internationale Investitionshunger in den nächsten Jahren eher zunehmen denn sinken wird, rechnen wir damit, dass die Anfangsrenditen weiter nachgeben werden. Solange Indien auf seinem Reformpfad bleibt und sich weiter der Weltwirtschaft öffnet, bedeuten die sinkenden Renditen freilich auch eine reduzierte Risikoprämie für Immobilieninvestments in Indien. Da jedoch noch immer gravierende Risiken und Spezifika auf dem indischen Immobilienmarkt bestehen bleiben, ist mit einer raschen Renditekonver35 26 Das Securities and Exchange Board of India (SEBI) hat gerade den Rahmen für REMFs festgelegt. REMFs eröffnen Privatanlegern neue indirekte Wege zur Immobilieninvestition und könnten dadurch die Liquidität auf dem Immobilienmarkt erhöhen. 8. Mai 2006 Perspektiven für die indischen Immobilienmärkte genz auf westeuropäisches oder US-amerikanisches Niveau nicht zu rechnen. Zu diesen Risiken zählen: — Liquiditätsrisiko: Der Investmentmarkt steckt noch immer in seinen Kinderschuhen. Es ist noch immer eine Herausforderung, ein passendes Investitionsprodukt zu finden. — Regulatorische Risiken: Hinsichtlich Immobilieneigentum benötigen ausländische Investoren noch immer eine Genehmigung der Reserve Bank of India (RBI). Auch für die Gewinnrückführung ist die Genehmigung der RBI notwendig; außerdem sind ausländische Investitionen auf ein begrenztes Set an Immobi36 lienprodukten beschränkt (z.B. Townships). Indischer Immobilienmarkt wenig transparent Transparenzindex für den Immobilienmarkt, 2004 US SG DE ES PL BR CN IN TR 0 2 4 Anmerkung: Niedrigere Werte signalisieren höhere Transparenz Quelle: JLL 6 39 — Risiko der unzureichenden Immobilienmarkttransparenz: Jones Lang LaSalle schätzt die Transparenz des indischen Immobilienmarktes in seinem International transparency survey aus dem Jahr 2004 als gering ein. Auch wenn sich die Transparenz in den letzten Jahren sichtlich verbessert hat, so ist es noch immer schwierig, verlässliche und konsistente Informationen zum indischen Immobilienmarkt zu finden. Es werden v.a. auch mehr Experten für die Objektbewertung und die Durchführung von seriöser Due Diligence benötigt. Das gilt sogar für die Tier I-Städte. — Risiko durch hohe Korruption: In dem letzten Korruptionsranking von Transparency International belegt Indien Platz 88 von 37 150 Ländern. — Gesamtwirtschaftliche Risiken: Die Zins-, Inflations- und Wechselkursrisiken bleiben natürlich wichtig, auch wenn diese Risiken zuletzt gesunken sind. Die Versorgung mit öffentlichen Gütern ist noch unzureichend (Bildung, Infrastruktur). Trotz hoher Risiken bleiben beachtliche Chancen, v.a. für opportunistische Investoren Keiner dieser Risikofaktoren wird in der nahen Zukunft verschwinden. Sie müssen also bei der Investitionsrechnung berücksichtigt werden. Gleichwohl bietet der indische Immobilienmarkt auch nach der Risikokorrektur noch beachtliche Chancen. Das gilt nicht nur für opportunistische Investoren. Auch konservative Anleger mit einem großen internationalen Portfolio sollten ein Engagement auf diesem dynamischen Markt ernsthaft in Betracht ziehen. Ausbau der Infrastruktur unerlässlich Indien hat enormes Potenzial in allen Immobilienanlageklassen. Die günstige Bevölkerungsentwicklung, das hohe und steigende Qualifizierungsniveau der jungen Menschen sowie die zunehmenden Investitionen aus dem In- und Ausland sorgen für steigende Nachfrage nach Büro-, Einzelhandels- und Wohnimmobilien. Ohne dass dies in der Studie ausführlich dargestellt werden konnte, ließe sich Nachfragewachstum auch auf zahlreiche Spezialimmobilien (z.B. Hotels oder Zweitwohnsitze) übertragen. Weitere Öffnung für internationale Investoren wünschenswert In den nächsten Jahren wird es darauf ankommen, dieses Potenzial auch zu nutzen. Hierbei sind für die Immobilienwirtschaft v.a. drei Aspekte entscheidend: Erstens wäre eine weitere Öffnung für Investitionen aus dem Ausland wünschenswert. Internationale Anleger bringen nicht nur notwendige Mittel zur Finanzierung der Neubauvorhaben mit. Sie importieren auch Expertise in der Marktanalyse, Immobilienbewirtschaftung und letztlich auch beim Bau von Gebäuden. Diese Kenntnisse wirken mittelfristig wie ein positiver externer 36 37 8. Mai 2006 Jones Lang LaSalle (2005). Asia Property Investment Guide, Singapore. http://www.transparency.org. 27 Aktuelle Themen 351 Effekt, denn sie diffundieren rasch durch den Markt. Mehr internationale Marktteilnehmer helfen so, die noch unzureichende Markttransparenz zu erhöhen. Stärkere Kapitalmarktbasis notwendig Zweitens benötigt Indien eine stärkere Kapitalmarktbasis bei der Immobilienfinanzierung. Die Diskussion über die Einführung von REITs und Immobilienfonds in Indien zielt in die richtige Richtung. Sollten REITs tatsächlich 2007 zugelassen werden, hätte dies positive Auswirkungen auf den Immobilienmarkt, da gerade internationale Investoren ein geläufiges Investmentvehikel bekämen. Darüber hinaus könnten auch Privatanleger indirekt in Immobilien investieren. Zwar ist zu erwarten, dass sich in der ersten Runde vornehmlich institutionelle Investoren für das neue Produkt interessieren. Mittelfristig wird jedoch auch die wachsende Mittelschicht nicht nur direkt in Immobilien investieren wollen. Ausbau der Infrastruktur wichtigste Aufgabe der nächsten Jahre Drittens stehen wichtige Hausaufgaben bei der Sanierung und dem Ausbau der städtischen Infrastruktur an. Dies hat die Regierung erkannt: In seiner Rede zum Haushalt für das Fiskaljahr 2005/2006 legte Finanzminister Shri P. Chidambaram mit den markigen Worten „If our cities are not renewed, they will die.“ ein umfangreiches In38 vestitionspaket für Indiens Städte vor. Das im Dezember 2005 gestartete Förderprogramm (Jawaharal Nehru National Urban Renewal Mission) schätzt den jährlichen Investitionsbedarf auf USD 4 Mrd. in den ausgewählten 63 Großstädten. Rund die Hälfte davon entfällt auf die größten sieben Städte. In seiner jüngsten Haushaltsrede vom 28. Februar 2006 hat der Finanzminister darüber hinaus angekündigt, dass die Regierung aktiv die Neugrün39 dung von Städten fördern möchte. Angesichts der Wachstumsszenarien für die Ballungsräume wäre dies ein plausibler Schritt, den Urbanisierungsprozess in neue Agglomerationen zu kanalisieren. Dies erfordert jedoch zusätzliche Finanzmittel und dürfte allenfalls mittelfristig Wirkung zeigen. Tobias Just (+49 69 910-31876, [email protected]) Maren Väth (+49 69 71704-204, [email protected]) Henry Chin (+44 20 754-56611, [email protected]) _______________________________ 38 39 Vgl. http://indiabudget.nic.in/ub2005-06/bs/speecha.htm. Vgl. http://indiabudget.nic.in/ub2006-07/bs/speecha.htm. © 2006. 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