Erinnerungen an ein Paradies - Verein für Heimatkunde Krefeld

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Erinnerungen an ein Paradies - Verein für Heimatkunde Krefeld
Erinnerungen an ein Paradies
Rückblick auf 37 Jahre tiergärtnerische Tätigkeit als Leiter des Zoologischen Gartens Krefeld
(1959 – 1996)
von Walter Encke
Mit ein paar tiergärtnerischen Erfahrungen
im Zoo Köln ausgestattet, übernahm ich,
28-jährig, im April 1959 die Leitung des kleinen Tierparks der Stadt Krefeld. Es handelte
sich um ein elf Hektar großes Gelände mit
einem Waldteil, der aus rund 80 Jahre alten
Buchen und Eichen bestand, und dem Grotenburgschlösschen, das einst einem Krefelder Seidenbaron gehört hatte. Das unter
Denkmalschutz stehende Schlösschen war
eingebettet in eine Parkanlage mit einem ausgewählt schönen, zum Teil seltenen Baumbestand. Es diente und dient noch heute der
Gastronomie. Am Eingang des Parks stand
ein circa 300 Jahre altes, dem Verfall ausgeliefertes Bauernhaus. Bis zur Jahrhundertwende war es ein kleiner Bauernhof gewesen, umgeben von Ackerland. Am Rande des
Geländes an der Violstraße befand sich ein
zweistöckiges Backsteingebäude, das früher
eine Töpferei beherbergt hatte. Im oberen
Stockwerk war eine Wohnung eingerichtet,
im Erdgeschoss befanden sich die Wirtschaftsräume des Tierparks. Im Parkbereich
waren die Tieranlagen, meist provisorischer
Natur, untergebracht. An Tierhäusern wären
zu erwähnen ein schreckliches Affenhaus
mit vier Innen- und Außenboxen für Paviane
und Meerkatzen, ein kleines Vogelhaus, eine
kerkerähnliche Behausung für Bären und ein
unvollendetes sogenanntes Hundeasyl.
Bei Null anfangen
Insgesamt war das eine ideale Ausgangssituation, um neue tiergärtnerische Ideen zu
entwickeln und umzusetzen. Dabei musste jedoch Folgendes bedacht werden: Der
schöne Park durfte nicht durch eine monströ-
Abb. 1. Alte Akazie am Zooeingang. Aufn.
Sommer 1977. Der alte Baumbestand wie
auch die Waldkulisse gibt dem Zoo seinen besonderen Reiz und ist sein größter Schatz.
se Architektur zerstört werden. Auf den wunderbaren, alten Baumbestand musste Rücksicht genommen werden. Der Boden bestand
aus Lehm, teils Tonboden, der für die Haltung
schwerer Huftiere ungeeignet war. Die niederrheinische Tiefebene lud also nicht ein,
Gebirgstieren eine neue Heimat zu geben.
Eine städtische Lobby, die Investitionsgelder
freimachen würde, gab es nicht. Hier musste
von Außen geholfen werden. Positiv war, dass
mit Ausnahme des Grotenburgschlösschens
und des alten Bauernhauses alle Festbauten
abgerissen werden konnten beziehungsweise mussten.
Abb. 2. Grotenburgschlößchen. Aufn. 1880, Fotograf unbekannt. Erbaut 1848 als Sommersitz
des Seidenfabrikanten De Greiff.
Bei den knapp bemessenen Geldern, die uns
zum Erhalt und weiteren Ausbau des Tierbestandes zur Verfügung standen, war es ein
Geschenk, dass alle wertvolleren Tiere versichert waren und weiter versichert werden
konnten. Die von der Versicherung gezahlten
Gelder erhöhten automatisch den Tierankaufetat. Das erleichterte die Arbeit auf diesem
Gebiet erheblich. Hinzu kam, dass einem
die Obrigkeit allgemein freie Hand ließ. Dies
spornte Fantasie und kreatives Handeln in
besonderem Maße an.
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Abb. 3. Grotenburghof, jetzt altes Bauernhaus genannt. Aufn. um
1900. Der Hof mit seiner Umgebung ist der Urkern des Tierparks.
Zu bedenken war, dass von Krefeld aus im
Radius von circa 100 Kilometern sechs zum
Teil bereits etablierte Zoologische Gärten lagen. Wir durften nicht in Konkurrenz zu unseren Zoo-Nachbarn treten, sondern mussten
uns durch eigene Ideen absetzen.
Der beschränkte Raum zwang uns zur Bescheidenheit in Bezug auf die Vielfalt der
Tiere und Großtiere, die zu viel Platz beanspruchten. Ein Wort zu den Wirtschafts- und
Personalräumen: Diese waren auch für einen
sehr kleinen Tierpark untragbar. Kühl- und
Sanitärräume waren nicht vorhanden. Die
Räume für die Verwaltung waren unzulänglich. Eine Bibliothek für Fachliteratur fehlte.
Stattdessen beherbergte der Tierpark, in
Kisten aufbewahrt, einen Teil der Bibliothek
des Naturwissenschaftlichen Vereins, für
den es jedoch keinen Raum gab. Auf dieser Grundlage musste 1959 ein schlüssiges
Konzept entwickelt werden, das zur Konsolidierung des fast sterbenden Tierparks führen und richtungweisende Zielvorstellungen
für die zukünftige Planung beinhalten sollte.
Von Seiten der Stadt konnten wir keine große
Unterstützung erwarten, da sie einen gravierenden Ausbau des Parks ablehnte. Unbeeindruckt hiervon wurde eine Entwicklung unter
folgenden Gesichtspunkten angesteuert:
– Aus tiergärtnerischer Sicht sollte der Krefelder Park ein für ihn charakteristisches
Gesicht erhalten, das sich von seinen ZooNachbarn absetzen würde, wobei die optimale Haltung von Wildtieren in einer möglichst natürlichen Umgebung mit hohem
ästhetischem Anspruch im Vordergrund
stand. Ziel war es außerdem, neue Wege
der Präsentation von Tieren auszuprobieren, wobei insbesondere die Erkenntnisse
der neuen Feldbeobachtungen mit verarbeitet werden sollten.
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Abb. 4. Altes Bauernhaus. Aufn. 1961.
– Die Auswahl der Tiere: Je kleiner ein Zoogelände ist, desto genauer muss aus der
Fülle der Möglichkeiten die Wahl der Tiere
getroffen werden. Sie sollten wie Leitfossilien geologischer Zeitepochen den Zoo
prägen. Wir verzichteten weitgehend auf
einheimisches Wild, dessen Haltung eher
die Aufgabe von Wildparks ist. Stattdessen sollte neben der Tierwelt der afrikanischen Steppe die bisher in Zoologischen
Gärten wenig beachtete Tierwelt Südamerikas besonders berücksichtigt werden.
Als Schwerpunkt galt die Haltung seltener,
in der Natur oft gefährdeter Tiere mit dem
Ziel der Erhaltungszucht. Diese Tiere wurden zudem Symbolträger für die Aufgabe
der Erhaltung gefährdeter Tiere, die sich
der Zoo in Zusammenarbeit mit dem Naturschutz unter dem Motto „Rettet die Natur“
gestellt hatte. Weiterhin sollten Tierarten
bevorzugt werden, deren Haltung in Zoolo-
Abb. 5. Altes Wirtschaftsgebäude.
Aufn. 1963. Ein Teil
wurde im Krieg zerbombt.
gischen Gärten bisher auf Schwierigkeiten
gestoßen war – sei es durch Ernährungsprobleme, besonders bei Nahrungsspezialisten, unbekannte Empfindlichkeiten gegenüber Infektionskrankheiten, Parasiten,
Umwelteinflüsse oder durch spezifische
Verhaltensweisen besonders im sozialen
Bereich. Erst wenn wir den gesamten biologischen Komplex einer Tierart kennen,
können wir eine gesicherte Zucht über
Generationen hinweg erreichen, und erst
dann hat der Zoologische Garten seinen
wissenschaftlichen Beitrag zur Erhaltung
einer Tierart geleistet. Deshalb war es ein
weiteres Anliegen, Tiere und Anlagen verstärkt Wissenschaftlern, insbesondere Studenten, zur Verfügung zu stellen, um optimale Haltungsbedingungen für die Tiere
erarbeiten zu können mit dem Ziel, jederzeit
Nachzuchten bedrohter Tierarten der Natur
zurückgeben zu können. Um diesem Ziel
Abb. 6 – 7. Braunbär und Käfig. Aufn. 1960. Ein Glück, die Zeit der Kerkerhaltung ist vorüber.
Abb. 8. Altes Affenhaus. Aufn. 1977. Hier ist ein Affenleben nicht
beneidenswert.
Abb. 9. Altes Vogelhaus. Aufn. 1988. Ursprünglich nur halb so groß,
wurde es 1961 erweitert und modernisiert.
Abb. 10. Damwild. Aufn. 1958 Stadtbildstelle Krefeld. Es musste sehr
bald das Feld für afrikanische Antilopen, Zebras und Strauße räumen.
Abb. 11. Seeadler. Aufn. 1960. Er war so ziemlich der einzige Überlebende des Krieges. Mit seinem Ableben war auch die Greifvogelhaltung in Krefeld beendet. Wer kann schon diesen Tieren ihr Biotop,
den Luftraum mit seinen Aufwinden bieten? Nur eine dringende Erhaltungszucht würde eine Haltung rechtfertigen.
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Abb. 12. Afrikawiese. Aufn. September 1982. Im Vordergrund Blaue
Gnus, im Hintergrund Zebra, Elipsenwasserbock, Paradieskranich
und Strauß.
näher zu rücken, benötigten wir publikumsfreie Flächen.
– Um eine gute Erhaltungszucht im Zoologischen Garten durchführen zu können, war
eine Außenstation erforderlich.
– In Zusammenarbeit mit anderen Kulturinstituten sollte der Zoologische Garten in
das Kulturleben der Stadt mit einbezogen
werden. Ein qualitätsvoller Ausstellungs-,
Vortrags- und Verkaufsraum zur Unterstützung des kulturellen Auftrags wurde angestrebt.
– Eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit sollte den
Bekanntheitsgrad des Tierparks steigern.
– Schaffung einer Zooschule.
– Gründung eines Freundeskreises.
Abb. 13. Wassergeflügel- und Stelzvogelanlage. Aufn. 1985. Sie bietet
genügend Ruheplätze zur Brut von Enten, Flamingos und Kranichen.
Neues harmonisch eingebunden
in alte Bestände
Innerhalb kürzester Zeit musste der ums
Überleben ringende Tierpark ein neues Gesicht mit eigener Prägung bekommen, wobei
besonderer Wert auf den Erhalt des Parkcharakters und des angrenzenden Buchenwalds
gelegt wurde. Konkret bedeutete dies, dass
wir in diesem Bereich auf größere Bauten verzichteten und die Tierunterkünfte architektonisch möglichst unauffällig in den Park integrierten. Wichtig war uns, das Wegenetz nicht
durch Asphalt oder Pflasterung zu verdichten, sondern einen natürlichen Untergrund
zu erhalten. Das ist zwar sehr pflegeintensiv,
hat aber den Vorteil, dass dem Besucher ein
Stück Natur erhalten bleibt. Ziel der Gehegegestaltung war, sie für die jeweiligen Tierarten
in deren Biotop zu verwandeln.
Die relativ weiträumigen zentralen Grasflächen, die quer durch den Park in West-OstRichtung verliefen, sahen wir für afrikanische
Steppentiere vor. Einzug hielten als erstes
verschiedene Antilopenarten, vergesellschaftet mit Zebras, Straußen, Sekretären, Koritrappen und Kranichen. (Die Zebras wurden
später von den Antilopen getrennt, da ihre
angeborene Neugierde bei der Geburt von
Antilopen für die verängstigten Jungtiere gefährlich werden konnte.) Die Unterkünfte in
Form von gut isolierten Holzhäusern wurden
von unseren Handwerkern erstellt und befinden sich sehr unauffällig an der die „Steppe“
begrenzenden Waldkulisse. Eine natürliche
Wassertränke, wie man sie aus den afrikanischen Nationalparks kennt, fehlt leider
noch als Abrundung des Steppenbiotops.
Im äußersten Nordwesten verlängert sich die
„Steppe“ in Form von Freianlagen für Geparden. Ein geräumiges Laufgehege mit un-
Abb. 14. Hyänenhudanlage Zoo Basel. Eine großzügige Freianlage für Hyänenhunde sollte als Verlängerung der Afrikaanlage dienen. Hier ein
Beispiel, wie sie werden sollte.
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Abb. 15. Fischotteranlage. Aufn. 1986. Fast wie in der Natur kann man hier die Fischotter beim Spiel und Fang von Fischen beobachten. Ein
Unterwasserzugang zu ihrer „Zuchthöhle“ ist der Bauweise aus der Natur entnommen.
Abb. 16. Wassergraben mit Brücke. Aufn. Januar 1993. Die neu gestaltete Südamerikaanlage mit Guanakos, Tapiren, Wasserschweinen und
Darwin-Nandus ist an den Wassergeflügelteich mit angeschlossen.
Abb. 17. Ceylonesischer Hulman. Aufn. 20. August 1984. Wenn man
nicht erkennt, ob die Aufnahme aus einem Zoo ist oder aus der Natur,
hat man ein wenig das Gefühl des Glücks.
Abb. 18. Kleiner Panda. Aufn. Januar 1996. Ein neues Freigehege mit
der Möglichkeit hohe Bäume zu erklimmen, machte aus den phlegmatischen Tieren bewegungsfreudige muntere Tiere mit dem Erfolg
von natürlichen Zuchten.
Abb. 19. Kleiner Panda mit chinesischem Muntjak Aufn. 20. April
1995. Eine individuelle Freundschaft. Allerdings können Jungtiere,
wenn sie nicht in erhöhten Wurfboxen geboren werden, durch Muntjaks gefährdet sein, da diese auch ab und zu kleine Säugetiere oder
Vögel zu sich nehmen.
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Abb. 20. Plakette. Aufn. Frühjahr 1979. Stolz
sind wir, für den Bau des Affentropenhauses
diese Auszeichnung erhalten zu haben.
und die Südamerikaanlage mit einbezog. Der
Weg zum Schlösschen führte nun über eine
Brücke. Es entstand eine Teich-Sumpfanlage,
die dem frei herumlaufenden Wassergeflügel,
den Stelzvögeln sowie den „Zoogästen“ in
Gestalt von Fischreihern und Stockenten ein
ihnen angemessenes Biotop bot. Hinter dem
Schlösschen setzt sich die Sumpf- und Wasseranlage fort. In diesem Bereich erhielten
Fischotter und Servale ihre Freianlagen. Die
Kleinen Pandas wurden aus ihren Kleinstbehausungen befreit und erhielten, vergesellschaftet mit chinesischen Muntjaks, ein
Freigehege im Birken-Kiefernhain. Am Rande des alten Grotenburgparks schließt sich
das Dickhäuterhaus für Elefanten, Nashörner
und Zwergflusspferde sowie das Löwenhaus
an. Das im Wald liegende kleine Vogelhaus
ersetzten wir später durch eine gläserne Vogelhalle.
Internationale Anerkennung
durch das Affentropenhaus
terirdischen Höhlen für Hyänenhunde sollte
hieran angeschlossen werden. Aus zeitlichen
Gründen konnte die Planung jedoch nicht
mehr verwirklicht werden.
In den Waldteil zogen Barasinghahirsche,
Elche, Dallschafe und Rentiere ein. Letztere
wurden später durch Moschusochsen ersetzt. Luchse und Eulen erhielten am Waldesrand ihre Unterkünfte. Der Parkcharakter
wurde unterstrichen, indem der kleine Wassertümpel vor dem Grotenburgschlösschen
bis in den Eingangsbereich erweitert wurde
Zu den Marksteinen der Weiterentwicklung
des jungen Zoos gehörten die neu entstandenen größeren Tierhäuser. Es begann mit
einer Begegnung, die der Traum eines jeden
Zoodirektors ist. Ein unbekannter, bescheidener Mann kam und sagte: „Hier haben Sie
zwei Millionen Mark. Schaffen Sie damit etwas ganz Besonderes in Ihrem Zoo, an dem
sich die Krefelder Bürger erfreuen werden.“
Der Mann hieß Walter Gehlen. In der Folge
wurde die Walter-Gehlen-Stiftung in Form
von Immobilien im geschätzten Wert von 2,7
Millionen DM gegründet, womit die Finanzie-
Abb. 21. Walter Gehlen mit dem Modell des Affentropenhauses, daneben Walter Encke mit Orang Dytje und Architekt Erwin Busch. Aufn.
1975. Ohne Walter Gehlens große Stiftungen hätte der Krefelder Tierpark sich nie zu einem Zoologischen Garten entwickeln können.
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rung des ersten großen Tierhauses im Krefelder Zoo gewährleistet war. (Befremdlich ist,
dass das zweckgebundene Stiftungsvermögen von Walter Gehlen bis zum heutigen Tag
niemals im Haushalt des Zoos erwähnt wird
und man nichts von freiwerdenden Geldern
erfährt.)
Es entstand das Affentropenhaus (Baubeginn
1973, Eröffnung 1975, Kosten 1,9 Millionen
DM). Doch zuvor hatten wir ein Problem zu
lösen. Wollten wir unserem Prinzip treu bleiben und den Parkcharakter des Tierparks
erhalten, hatten wir für ein derartiges Gebäude keinen Platz. Also suchten wir nach einer
Erweiterungsmöglichkeit des Geländes. 1970
stellte uns die Stadt schließlich ein angrenzendes circa 60 m breites und circa 350 m
langes Parkgelände entlang der Grotenburgkampfbahn zur Verfügung. Da wir keine Mittel
zur Erschließung des Geländes hatten, baten
wir die in Krefeld stationierte englische Pioniereinheit um ihre Hilfe. Mit der Genehmigung der englischen Königin begannen diese
noch im Frühling 1972 mit ihrer Arbeit. In der
Hauptsache handelte es sich um Erdarbeiten
in Form von der Verlegung des Strom-, Wasser- und Kanalnetzes sowie dem Bau von
Wegen und Vorarbeiten für die geplanten
Freianlagen. Die Planung des Affenhauses
begann gemeinsam mit dem Kölner Zooarchitekten Kurt Meywald 1971.
Auf der Grundlage der Feldbeobachtungen
über Schimpansen und Gorillas von Jane
Goodall und George B. Schaller entstanden
geräumige Taganlagen mit gemeinsamen
Nachtunterkünften, die die Struktur einer natürlichen sozialen Gruppenbildung ermöglich-
Abb. 22. Sergeant Lawrence, Dr. W. Encke, Dr. R. Pirling. Aufn. 1972
Stadtbildstelle Krefeld. Bei seinen Erdarbeiten im Erweiterungsgelände fand Serg. Lawrence, Pionier bei der britischen Rheinarmee, eine
jungsteinzeitliche Steinaxt, Alter ca. 5 000 Jahre. Somit steht unser
Affentropenhaus auf einem uralten historischen Boden.
ten. Auf eine nächtliche Einzeleinstallung, wie
es bis dahin üblich war, verzichteten wir, da
eine solche Haltung dem natürlichen Verhalten der Tiere widerspricht. Einzelboxen wurden lediglich für den „Notfall“, d. h. für kranke Tiere eingeplant. Das Haus wurde im Stil
eines holländischen Treibhauses überbaut;
mit einer fast tropischen Urwaldbepflanzung
schufen wir ein den Tieren angemessenes
Klima. Tagsüber bewegen sich die Tiere wie
auf einer Lichtung, umgeben von Pflanzen,
freifliegenden Vögeln und Flughunden. Über
den Gehegen können die Dächer komplett
geöffnet werden, so dass den Tieren durch
Wind und Regen ein Klimawechsel geboten
werden kann. Durch die neue, sehr freie Haltungsform erübrigte sich jegliche Handaufzucht. Es entwickelten sich besonders bei
den Schimpansen und Gorillas über mehrere
Generationen hinweg harmonische Gruppen,
die mittlerweile die räumlichen Grenzen erreicht haben.
Abb. 23. Affentropenhaus, Außenansicht. Aufn. 1975 Stadtbildstelle Krefeld.
Das Affentropenhaus war für damalige Zeiten, in denen man noch der aseptischen „Ba-
Abb. 24. Borneo Orang Utan. Aufn. August 1979. Mutter Mina mit
ihrem Sohn Tondi, geb. am 09. Februar 1979.
Abb. 25. Flachlandgorilla. Aufn. 23. Juli 1985. Mutter Boma mit Tochter Bagira, geb. am 6. Juni 1985.
Abb. 26. Affentropenhaus Innen.
Aufn. 21. März 1992. Alle zwei
Jahre wird das Affentropenhaus
für drei Tage in ein Orchideenparadies verwandelt.
Abb. 27. Waldhopf mit Jungem.
Aufn. März 1997. Freifliegende
Vögel und Flughunde beleben
das Affentropenhaus.
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Abb. 28. Schimpansengruppe. Aufn. 1981.
Abb. 29. Schimpanse. Aufn. April 1985.
Mutter Trixi mit ihren Zwillingen.
Abb. 30 – 32. Schimpansen. Aufn. 10. April 1985. Mutter zeigt ihrem Sohn, was man mit einer Papierröhre alles machen kann.
dezimmerkachel-Haltung“ huldigte, ein absolutes Novum. Die neuen Haltungsmethoden
fanden weltweit ein positives Echo. Viele Kollegen aus dem In- und Ausland kamen, um
die Anlagen zu besichtigen und Anregungen
für eine Weiterentwicklung im eigenen Zoo
mitzunehmen. Der Krefelder Tierpark wurde
damit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und hatte vom Tag der Eröffnung an
einen jährlichen Mehrbesuch von 50 000 Besuchern.
Darüber hinaus wurde der Krefelder Tierpark
aufgrund seiner hervorragenden tiergärtnerischen Arbeit 1971 in den Internationalen
Zoodirektorenverband gewählt.
Dickhäuter ziehen ein
Es begann 1970 damit, dass die vormalige
Hühnerwiese einen breiten Graben, dimensioniert für Elefanten und Nashörner, erhielt.
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Abb. 33. Zwergflusspferde im Außengehege. Aufn. 1979. Leider vertrugen sie sich später nicht
mehr, so dass es nie zur Zucht kam.
Dahinter wurden zunächst Wildesel gehalten.
Im August 1971 ließen wir uns zwei kleine
indische Elefanten schenken, einen von Jutta
und Bodo Franke, einen von der Brauerei
Rhenania. Es entstand eine provisorische
Holzunterkunft für sie auf dem Freigehege der
Wildesel, die sie jedoch mit zunehmenden Alter und entsprechenden Kräften zu demontieren begannen. Das Provisorium musste durch
einen Massivbau ersetzt werden, wollte man
sich nicht von den Publikumslieblingen trennen. Die Stadt zögerte, das Land NRW sprang
ein und stellte dem Zoo 1976 aus den Konjunkturförderungsmitteln Gelder in Höhe von
848 000 DM zum Bau des Hauses zur Verfügung. Nun war freie Hand zur Planung gegeben. Das Raumprogramm sah Stallungen und
Gehege für vier Elefanten, drei Nashörner und
ein Paar Zwergflusspferde vor.
Vom Löwenhaus zur GuerezaAnlage
Auch das Löwenhaus hat seine eigene Geschichte. Im März 1962 schenkte die Rheinische Post dem Tierpark zwei männliche
Löwen. Solche Spenden können manchmal
zu Danaergeschenken werden. Man muss sie
dann zu nehmen wissen. Damals hatten wir
noch keine geeignete Behausung für derartige Großkatzen und brachten die Jungtiere
provisorisch im Vogelhaus unter. Als diese die
erste Drahtglasscheibe durchbrochen und im
Nebengehege unsere Reiher vertilgt hatten,
war der Druck auf die Stadt, die das Geschenk angenommen hatte, groß genug, um
Gelder für eine Löwenunterkunft zur Verfügung zu stellen. Für 163 000 DM wurde 1963
ein Löwenhaus gebaut.
Nach 32 Jahren Löwenhaltung und -zucht
entschieden wir uns, von einer weiteren Lö-
Abb. 34. Südliches Weißes Nashorn. Aufn. 1983. Aus dem ersten Export von Weißen Nashörnern aus dem Umfolozipark Südafrikas erhielten wir ein Männchen und zwei Weibchen.
Als stark gefährdete Nashornart in Afrika stellten sie für uns eine Herausforderung dar. Viele
Jahre später änderte sich das Bild. Nicht die Weißen – sie vermehrten sich gut in den Nationalparks – sondern die Schwarzen Nashörner drohten durch Wilderer für immer aus Afrika zu
verschwinden. Darüber hinaus machte man die Erfahrung, dass Weiße Nashörner fast nur in
Gruppen zur Zucht schreiten, Schwarze dagegen paarweise züchten. So trennten wir uns von
unseren Weißen, gaben sie in bestehende Nashorngruppen und übernahmen ein junges Paar
Schwarze Nashörner aus der Zoozucht von Berlin und Dvur Kralove.
wenhaltung Abstand zu nehmen. Der Grund
war, dass der Löwenbestand in den Zoologischen Gärten weltweit gesichert ist und
Nachzuchten, da sie nur noch schwer absetzbar sind, häufig eingeschläfert werden müssen. Damit wurde ein weiträumiges Gehege
frei, das wir für die sehr bewegungsfreudigen
Guereza-Affen vorsahen. Das Außengehege
wurde mit einem Netz überspannt. Die hierfür
notwendige Innenstütze ist der Stamm einer
Abb. 35. In eine Guereza-Anlage umgewandeltes Löwengehege.
Aufn. 1995.
Würgefeige aus Kalifornien. Der geräumige
Innenkäfig wurde von einer Studentin (Katharina David) der Fachhochschule Niederrhein
gestaltet. Es war zugleich ihre Diplomarbeit.
Die weiten Maschen des Außenzauns nutzen
die Jungtiere zur Freude der Besucher zum
Durchschlupf in die große Freiheit. Durch den
engen Kontakt zur Mutter entfernen sie sich
jedoch nie weit weg vom Gehege und kehren
stets wieder zurück.
Abb. 36. Guereza. Aufn. 1995. Junger Guereza genießt die Freiheit,
solange er sich noch durch die Maschen zwängen kann.
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Abb. 37. Vogeltropenhalle außen. Aufn. 1995.
Innovative Vogeltropenhalle
Der Bau der Vogeltropenhalle (Baujahr 1988,
Gesamtkosten circa 875 000 DM, davon
Spenden in Höhe von circa 675 000 DM) war
nur möglich durch die großzügige Spende
von Walter Gehlen in Höhe von 400 000 DM.
Hinzu kamen die Mitfinanzierung durch den
Freundeskreis in Höhe von 100 000 DM, die
Makrolonplattenspende der Firma Bayer zur
Dacheindeckung (circa 100 000 DM) sowie
weitere Sach- und Pflanzenspenden in Höhe
von rund 65 000 DM.
An der Stelle des alten Vogelhauses entstand
eine 560 qm große gläserne Freiflughalle mit
Abb. 38. Vogeltropenhalle innen. Aufn. 1990.
fünf eingebauten Volieren. Durch eine feine,
fast unsichtbare Fadenkonstruktion, hergestellt aus einzeln gespannten Stahlfäden,
wird die Einheit des Raumes kaum gestört.
Der Vogelbestand ist in den einzelnen Einheiten nach Kontinenten und Landschaften
getrennt; ausgenommen sind die frei im Besucherbereich fliegenden Vögel. Erstmals in
einem Zoo wurde – wie im gesamten Außenbereich des Zoos – auch im Haus auf einen
befestigten Besucherweg verzichtet. Wir beschichteten den natürlichen Waldweg lediglich mit Rindenmulch, der je nach Abnutzung
jährlich circa zweimal ausgewechselt wird.
Der Mulch hat den Vorzug, dass er bepflanzt
Abb. 39. Katzenvogel. Aufn. 9. Februar 1993. Im Besucherraum baute
er ungestört sein Nest und zog seine Jungen groß.
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werden kann, man keine Schrittgeräusche
hört und beim Eintritt ins Haus in einer natürlichen Atmosphäre bleibt.
Die Stille des Hauses, die nur vom Gezwitscher und Gesang der Vögel unterbrochen
wird, wird erstaunlich stark vom Besucher
respektiert. Im afrikanischen Teil dient eine
zwei Meter tiefe, zwei Meter hohe und vier
Meter breite Lösswand Eisvögeln und Bienenfressern als Brutwand. In selbst gebauten
Bruthöhlen wurden bis 2003 über 80 Bienenfresser (Scharlach- und Weiskehlbienenfresser) erbrütet. Der Sand vor der Wand wurde
zusätzlich beheizt, um den Krokodilwächtern
eine Brutmöglichkeit zu bieten. Nach jahre-
Abb. 40. Senegaltrappe mit Jungtier. Aufn. Herbst 1993. Ein seltener
Zuchterfolg.
Abb. 41. Weißkehlspinte in selbst gebauten
Bruthöhlen der Afrikavoliere. Aufn. 16. Februar
1993.
langem Warten brüten die Krokodilwächter
seit 2001 erfolgreich. Weitere erfolgreiche
Bruten im Haus sind die Fasanentauben,
Weißohr-Katzenvögel, Doppelband-Rennvogel, Blaunacken-Mausvögel, Zwerggänse
und Weißbauchtrappen.
Der lange Weg zum Regenwaldhaus – Schwerpunkt Südamerika
Benannt ist das Regenwaldhaus nach seinem Spender Walter Gehlen (Gehlenhaus).
Eröffnet wurde es im August 1998. Die Gesamtkosten beliefen sich auf circa 4,7 Millionen DM. 1992 erhielt der Freundeskreis aus
dem Nachlass von Walter Gehlen ein Erbe
mit der Auflage, dies für ein zukunftsweisendes modernes Tierhaus zu verwenden. Wie
im Fall des Affentropenhauses stellte sich die
Frage eines geeigneten Platzes für dieses
Abb. 42. Gelbes Wollopossum mit Jungem.
Aufn. 1998. Sie gehören zu den Beutelratten,
die bereits vor 65 Millionen Jahren im Tertiär
in Südamerika lebten. Von hier aus verbreiteten sie sich bis nach Australien und wurden
die Urahnen aller australischen Beuteltiere.
Abb. 43. Zweizehenfaultier mit Jungem, geb.
am 28. Oktober 1995. Aufn. 1995. Hiermit
gelang uns zum ersten Mal diese seltene
Zucht.
Haus. Wir baten die Stadt, uns den seit über
30 Jahren fast ungenutzten Bolzplatz hinter
der Grotenburgkampfbahn im Anschluss an
das Gelände des Affentropenhauses zu überlassen. Wir sahen darin einen idealen Platz
für die geplante große Tropenhalle. Die Idee
war, die Tropenhalle mit einem exquisiten
Tropenrestaurant zu verbinden. Damit wäre
es möglich gewesen, auch abends die Tropenhalle mit ihren nachtaktiven Tieren zu besuchen. Mit einem zusätzlichen Zooeingang
und den nahe gelegenen Parkmöglichkeiten
wäre es ein weiterer Anziehungspunkt vor al-
lem für auswärtige Besucher geworden. Die
erleuchtete Tropenhalle direkt an der Berliner
Straße gelegen, wäre zu einem Wahrzeichen
Krefelds geworden. Aber leider ist im politischen Raum die Sport-Lobby diesbezüglich
größer als die der Kultur, und man vermisst
seit langem eine vorausschauende, mutige und kreative Stadtplanung. So mussten
wir am Ende mit einem sehr beengten, wenig attraktiven Bereich im Anschluss an das
Zooschulgelände vorlieb nehmen, der in der
Zielplanung als zoopädagogisches Zentrum
ausgewiesen worden war.
Abb. 44. Gehlenhaus Außenansicht. Aufn. 9. Oktober 1998.
Abb. 45. Gehlenhaus Innenansicht. Aufn. 15. August 1999.
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Abb. 46. Blattschneider-Ameise. Aufn. 1998.
Nach einer langen Verzögerungstaktik von
drei Jahren nahm die Stadt schließlich 1995
das Erbe an, und im Sommer konnte endlich
der Grundstein gelegt werden. Ein hohes Lob
sei dem Freundeskreis gezollt, der den Mut
hatte, in eigener Regie und Verantwortung
das Haus zu erstellen, um es dann schlüsselfertig der Stadt zu übergeben.
Das Haus ist der südamerikanischen Tropenwelt gewidmet, d. h. es ist ausschließlich mit
Pflanzen und Tieren dieser Region bestückt.
Es ist allseitig transparent, hat eine Höhe von
circa 17 m und eine Fläche von circa 1 430 qm.
Wir haben versucht, durch möglichst wenige
Gitter und andere störende Absperrungen
die Atmosphäre eines tropischen Urwalds zu
imitieren. Hauptthemenbereiche sollten das
Zusammenspiel oder auch die gegenseitige
Abhängigkeit von Mensch, Tier und Pflanze
sein. Einige Beispiele dazu: Blütenbestäubende Insekten (Schmetterlinge), Vögel (Kolibris) und Säugetiere (nektarsaugende Fledermäuse), die Nutzung der Pflanze als Nahrung,
Gewürz und Heilmittel, Blattschneiderameise
als Regulator im Ökosystem und als Beispiel
einer Symbiose zwischen Tier und Pflanze
(Pilz). Ein einzigartiges Phänomen der südamerikanischen Tropen, das gezeigt werden
sollte, sind die großen Schmetterlingsansammlungen. Es handelt sich hierbei meist
um Schmetterlinge aus der Familie der Helekonidae. Sie haben die Besonderheit, dass
sie einen unangenehmen Geruch verbreiten,
scheußlich schmecken und oft sogar giftig
sind. Ihre grellen Farben warnen jeden Insektenfresser vor dem Verzehr. So können
sie es sich leisten, offen ohne Furcht in Massen aufzutreten. Dieses Phänomen haben
sich Schmetterlinge anderer Familien zueigen gemacht, indem sie die Helekoniden
bis zur Nichtunterscheidbarkeit nachgeahmt
haben. Mit Erfolg schützt diese Mimikry die
wohlschmeckenden Schmetterlinge vor ihren Feinden. Ob die im Haus lebenden Kolibris, Echsen und Krallenäffchen auf diese
Täuschung hereinfallen, wäre einen Versuch
Abb. 48. Spitzmaus-Langzungen-Fledermaus. Aufn. 1999. Nektarsaugende Fledermäuse können wie Kolibris auf der Stelle schwirren.
Mit ihren langen Zungen können sie somit den Nektar aus den nur
für sie bestimmten „Fledermausblüten“ saugen, ohne die Blüte zu
verletzen.
114
die Heimat 77/2006
Abb. 47. Schmetterling aus der Familie der
Heleconidae. Aufn. 1998.
wert. Erst einmal müssen sie mit den Ungenießbaren ihre Erfahrung gemacht haben.
Weitere Tiere, die die Fauna der südamerikanischen Tropen in besonderem Maße
charakterisieren, sind: Gürteltiere, Faultiere,
Tamanduas, Krallenäffchen, Anakondas und
Süßwasserrochen. Als Besonderheit wurden
uns Vampire aus dem Forschungsprogramm
des Zoologischen Instituts der Bonner Universität zur Verfügung gestellt. Ein spezielles
Abb. 49. Keilkopfglattstirnkaiman. Aufn. 3. September 1999. Wir hoffen, dass sie in ihrer neuen Behausung in selbstgebauten Nestern
ihre Eier ablegen.
Sumpf- und Überschwemmungsgebiet als
Brutbiotop für Augenbrauenkaimane sollte
dem Haus seine eigene Atmosphäre verleihen.
Ein Dank sei hier an die Botanischen Gärten von Berlin, Bonn, Dresden, Düsseldorf,
Frankfurt, Gießen, Köln und Marburg ausgesprochen, ohne deren Hilfe eine konsequente Spezialisierung auf eine südamerikanische
Pflanzenwelt kaum möglich gewesen wäre.
Leider konnte das Haus von mir nicht vollendet werden; so blieben einige Vorstellungen unverwirklicht. Dazu gehörte auch eine
Informationshalle, die zur Aufschlüsselung
biologischer Zusammenhänge beitragen
sollte, sowie eine begehbare Außenvoliere
für einheimische Schmetterlinge, Amphibien
und Reptilien.
Abb. 50. Junge
Geparden mit
Katzenamme, geb.
am 25. April 1960.
Aufn. Mai 1960.
„Problemtiere“ –
eine wesentliche Aufgabe
Zoologischer Gärten
Als ich meinen Dienst antrat, war zwei Tage
zuvor einer der beiden weiblichen Geparden,
die seit dem 24. Oktober 1957 im Krefelder
Zoo lebten, gestorben. Sie stammten aus
Südwest-Afrika und waren vier Jahre alt. Im
Juli des Jahres 1959 konnte ich einen männlichen Partner erwerben. Zur Eingewöhnung
lebte er zunächst getrennt durch einen einfachen Maschendraht neben dem Weibchen.
Eines Nachts durchbrach er den Zaun, und
wir fanden morgens beide friedlich nebeneinander liegen. Das Ergebnis war die Geburt
von vier Jungen am 25. April 1960. Da ich
unsicher war, ob die Mutter – sie war sehr nervös – sie annehmen würde, nahm ich ihr direkt
nach der Geburt zwei Junge fort und gab sie
in die Obhut einer Katzenamme. Damit gelang es uns, weltweit die ersten in einem Zoo
geborenen Geparden aufzuziehen. Vor dem
Hintergrund, dass schon die Sumerer 4 000 v.
Chr. und die Ägypter 1 200 v. Chr. Geparden
zu Jagdzwecken hielten, aber erst 1960 die
Gepardenzucht in einem zoologischen Garten gelang, kam dieses Ereignis einer kleinen
Sensation gleich. Nach vielen Recherchen
glaubten wir des Rätsels Lösung zu haben:
Gepardenpaare mussten getrennt gehalten
werden, und erst kurz vor der Hitze durfte das
Männchen zum Weibchen gelassen werden.
Auf dieser Erkenntnis beruhten die späteren
Zuchterfolge in Zoologischen Gärten. Um in
Krefeld die Gepardenzucht wieder aufzunehmen, bauten wir getrennte Freigehege – mit
Abb. 51. Junge Geparden. Aufn 2. Dezember 1960 Stadtbildstelle Krefeld. Daphne und Diana, geb. 25. April 1960, sind die ersten Geparden,
die in einem Zoo geboren und aufgezogen wurden.
dem Erfolg, dass ab 1986 kontinuierlich Geparden gezüchtet wurden.
Während eines Besuches bei einem holländischen Tierhändler im Juli 1962 entdeckten
wir in einem dunklen Verließ einen weiblichen
Schneeleoparden (Irbis). Eine Vorderpfote
war stark verletzt – ein Zeichen dafür, dass
es sich um ein Wildtier handelte, dass in einer
Falle gefangen wurde. Zum Glück konnten
wir die Schneeleopardin erwerben und sie
aus ihrer Behausung erlösen. Wir nannten sie
Nuschka. Sie sollte der Grundstein für eine
systematische Irbis-Zucht werden. Irbisse
wurden bis dahin nur sehr selten in Zoologischen Gärten gehalten: Zu jener Zeit gab es
in deutschen Zoologischen Gärten lediglich
Abb. 52. Junge Geparden, geb. am 28. Dezember 1993. Aufn 2. Dezember 1994. Neuer Beginn der Gepardenzucht in der neuen Gepardenfreianlage.
die Heimat 77/2006
115
Abb. 53. Schneeleopard. Aufn. Dezember 1966. Nuschka mit ihren
ersten Jungen, geb. am 13. Juni 1966.
ein Paar in Ost-Berlin. Da wir für Nuschka
keinen Partner fanden, gingen wir mit ihr auf
„Hochzeitsreise“ nach Arnheim. Daraus entstand nicht nur eine sehr enge Freundschaft
mit Anton van Hoff, dem Zoodirektor von
Arnheim, sondern auch die erste florierende
Irbis-Zucht in deutschen Zoos.
Die Heimat der Schneeleoparden sind die
Gebirgszüge des Himalajas in einer Höhe von
4 000 bis 5 000 m. Während die Haltung von
Großkatzen wie Tiger, Löwen, Jaguare und
Leoparden in Zoos auf keine großen Schwierigkeiten stößt, kann man dies beim Irbis nicht
behaupten. Grund hierfür sind wahrscheinlich die geographischen Gegebenheiten mit
ihren extremen Lebensbedingungen, die eine Eingewöhnung besonders schwierig machen. Um auf diesem Gebiet nicht alleine zu
stehen, schlossen sich zunächst die Zoologischen Gärten von Zürich, Helsinki und Krefeld, die die Zucht von Schneeleoparden zu
ihrer vordringlichen Aufgabe gemacht hatten,
zusammen. In einem zweijährigen Rhythmus
trafen wir uns zum Erfahrungsaustausch und
wurden zum Kernpunkt einer europäischen
Erhaltungszucht von Irbissen. Aus unseren
Treffen entwickelte sich ein europäisches und
später ein internationales Symposium mit
Helsinki als Zentrale für ein internationales
Zuchtbuch für Schneeleoparden.
Dank der finanziellen Unterstützung des
Freundeskreises war es möglich, eine Zuchtstation aufzubauen mit dem Erfolg, dass in
der Zeit von 1964 bis 1996 aus unseren Nachzuchten über 20 Schneeleoparden von Krefeld
aus in alle Welt geschickt wurden. Leider ist
es heute nicht mehr einfach, die Nachzuchten
in gute Hände weiter zu vermitteln, so dass
die Zucht gedrosselt werden musste. Positiv
war, dass wir nun die Jungen über zwei Jahre
hinweg – so wie es in der Natur üblich ist – bei
116
die Heimat 77/2006
Abb. 54. Hyänenhundjunge mit Hundeamme, geb. am 17. November
1962. Aufn. Dez. 1962.
der Mutter belassen konnten. Auf diese Weise
entscheidet die Mutter, wann sie sich von den
Jungen trennt. Damit ist sie auch nur alle zwei
bis drei Jahre aufnahmefähig. Es besteht die
Hoffnung, in Zukunft Mutter-Kind-Gruppen
in verwaiste Schneeleoparden-Biotope neu
einbürgern zu können. Vielleicht ist das 1998
geschaffene Biosphärenreservat in Kirgisien
ein geeigneter Ort.
1959 besaß der Krefelder Tierpark drei Hyänenhunde, zwei Weibchen und ein Männchen.
Aus den Erfahrungen, die ich im Kölner Zoo
gemacht hatte, wusste ich, dass ihre Zucht
äußerst problematisch ist. Zum einen war erst
seit den Feldbeobachtungen von Hugo und
Jane van Lawick-Goodall 1970 mehr über ihr
Leben in freier Wildbahn bekannt, vor allem
was ihr soziales Gefüge und ihre gemeinsame
Welpenaufzucht betraf. Zum anderen konnten wir uns auch nicht auf die Erfahrungen
von natürlichen Aufzuchten anderer Zoologischer Gärten stützen. Auch uns misslang der
Versuch, Neugeborene von der Mutter aufziehen zu lassen. Hauptursache war, dass die
Hyänenhundgruppe in der ihnen gebotenen
Umgebung keine Ruhe finden konnte, um ihre Jungen aufzuziehen. Zwischen 1959 und
1966 besorgten wir uns geeignete Hundeammen, wodurch die Aufzucht ohne allzu großen
Aufwand erfolgen konnte. Wir beobachteten
allerdings eine ungewöhnlich große Anfälligkeit für Wurmbefall und Rachitis, was eine
Vitaminisierung und UV-Bestrahlung notwendig machte. Bis 1966 konnten wir auf diese
Weise 36 Junge aufziehen. Allerdings war die
Haltungsweise nicht befriedigend. Denn nur
die natürliche Aufzucht gibt uns die Gewähr,
nicht auf Menschen geprägte Tiere zu erhalten, was unbedingte Vorausetzung ist, wenn
man sie wieder in die freie Wildbahn auswildern möchte. Deshalb entschlossen wir uns,
auf eine weitere Haltung von Hyänenhunden
zu verzichten, bis zur Schaffung eines Freigeheges, in dem sie ungestört ihrer Welpenpflege nachkommen könnten. Die Wiederaufnahme der Zucht ist umso dringlicher, als in
der Zwischenzeit die Überlebenschancen der
Hyänenhunde in ihrer Heimat Afrika beängstigend gering geworden ist.
Meine erste Begegnung mit einem Mähnenwolf hatte ich als Student im Zoo von Antwerpen. Er zog mich so in seinen Bann, dass
ich mir insgeheim schwor, Mähnenwölfe zu
erwerben, sollte ich einmal in einem Zoo etwas zu sagen haben. 1963 war es soweit:
Einem Tierhändler, der sich auf die Tierwelt
Südamerikas spezialisiert hatte, gab ich den
Auftrag, Mähnenwölfe für den Krefelder Zoo
zu besorgen, wohl wissend, dass ich mit vielen Problemen rechnen musste. Es lebten zu
dieser Zeit in Europäischen Zoos lediglich ein
Abb. 55. Mähnenwolf. Aufn. 1981. Jungtiere,
geb. 11. November 1981, im Außenbereich
des Zoos.
Abb. 56. Mähnenwolf. Aufn. 1986. Mähnenwölfe können bis ins Alter hinein sehr kommunikationsfreudig bleiben.
Tier in Antwerpen und je ein Paar in Frankfurt,
London und Barcelona. Eine Zucht war bisher
weltweit nicht gelungen. Zeitgleich mit dem
Frankfurter Zoo gelang uns 1969 die erste
Zucht von Mähnenwölfen. Aber das war noch
nicht der Durchbruch zu einer problemlosen
Mähnenwolfhaltung. Die Verluste waren immer noch zu hoch. Von nordamerikanischen
Zoos erfuhren wir, dass die Hauptverluste
durch eine seuchenhafte unheilbare Darmerkrankung verursacht wurden. Leider mussten
auch wir diese Erfahrung machen. Um so
wichtiger war es uns, nicht aufzugeben, sondern die Ursache der tödlichen Erkrankung
zu finden. Dank der guten Zusammenarbeit
mit unserem Tierarzt, Dr. Reinhold Gandras,
dem Pathologen des Staatlichen Veterinäruntersuchungsamts Krefeld, Dr. Hannes Bienik,
und dem Virologischen Institut der LudwigMaximilian-Universität von München deckten
wir schließlich die Ursache der Darmerkrankung auf. Es handelte sich nachweislich um
ein Parvo-Virus, der bis dato nur als Krankheitserreger bei Katzen bekannt war. Da es
gegen diesen Virus einen Impfstoff gab, war
eines der wesentlichsten Probleme der Mähnenwolfhaltung gelöst. Durch eine nunmehr
kontinuierliche Zucht konnten wir unser Wissen über diese heikle Tierart bezüglich ihres
Verhaltens, der Ernährung, Parasitenanfälligkeit usw. erweitern und somit einen Beitrag
zur Erhaltung dieser Tierart leisten. Bis 1996
konnten wir 25 Tiere aus unserer Zucht an
andere Zoologische Gärten abgeben. Zurzeit
ist der Bestand an Mähnenwölfen in Zoologischen Gärten gesichert.
Eine Herausforderung an einen Tiergärtner
ist die Haltung von Elchen; sie zur Zucht zu
bringen, ist auf jeden Fall spannender, als
Damwild oder Rothirsche zu züchten. Nach
dem Zweiten Weltkrieg war der Elch von
deutschem Boden verschwunden. Das veranlasste uns damals, uns der Elchzucht in
besonderem Maße anzunehmen, zumal es
in deutschen Zoos nur wenige Zuchterfolge
Abb. 57. Elchzwillinge, geb. am 1. 7. 1978. Aufn. Winter 1978 / 79.
zu verzeichnen gab. Hauptgrund der Haltungsschwierigkeiten ist die anspruchsvolle
Ernährung der Elche. Elche leben in Sumpfgebieten und bevorzugen als Nahrung Rinde,
Weichholz, Laub und Wasserpflanzen. Seit
1960 bemühten wir uns um die Zucht dieser heiklen aber auch besonders attraktiven
Hirschart. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten
hatten wir seit 1973 fast jährlich Nachzucht.
Den typischen Baum des Niederrheins, die
Kopfweide, machten wir uns zunutze. Wir
holten uns von der Naturschutzbehörde die
Erlaubnis, das ganze Jahr über Weidenzweige zu schneiden. So konnten wir unseren Elchen ihre Lieblingsnahrung in Form von Weidenlaub und Ästen bieten, was mit Sicherheit
ein Grund war, warum die Haltung und Zucht
relativ komplikationslos verlief.
Wohl zu den größten Raritäten eines Zoos gehören die Berganoas, ein Zwergrind aus Celebes. Über die einzige europäische Zucht im
Berliner Zoo konnte ich 1976 ein Männchen
und ein Jahr später ein Weibchen erwerben.
Das sollte der Grundstock für die weltweit
einzige Zucht außerhalb Südost-Asiens werden. Von den elf Jungtieren, die wir bis 1996
groß zogen, waren nur drei Weibchen, (ein
Weibchen 1986 und zuletzt 1995 zwei Weibchen). Das war ein schlechter Ausgangspunkt
für eine florierende Zucht. Hinzu kam, dass
es uns trotz vieler Bemühungen nicht gelang,
zur Blutauffrischung zusätzliche Tiere zu bekommen. Ein Ende der Zoozucht ist demnach
abzusehen. Das ist umso bedauerlicher, als
eine gut gehende Zucht in Zoologischen Gärten notwendig wäre, da die Tiere in der freien
Wildbahn hochgradig gefährdet sind.
Abb. 58. Berganoa. Aufn. 1991.
die Heimat 77/2006
117
Abb. 59. Moschusochse. Aufn. 1992. Vater
und Mutter mit Jungem, geb.am 21. August
1991.
Zusammenarbeit Zoologischer
Gärten
Der Moschusochse ist ein Beispiel für die gute Kooperation der Zoologischen Gärten untereinander. Durch Abschuss und Entnahme
von Moschusochsen für Zoologische Gärten
war der Wildbestand drastisch zurückgegangen. Da die Lebenserwartung in Zoos für Moschusochsen damals nur ein bis zwei Jahre
betrug, wurde ein Haltungsverbot für Zoologische Gärten ausgesprochen. Erst nach
guten Zuchterfolgen in kanadischen Farmen
wurde dieses wieder aufgehoben. 1960 erhielt der Berliner Tiergarten Friedrichsfelde
das erste Paar.
Während früher jeder Zoo für sich ehrgeizige
Zuchten von seltenen Tieren aufbaute, werden heute bedrohte Tierarten, zu denen auch
der Moschusochse gehört, in internationalen
Zuchtbüchern geführt und Programme zum
Aufbau von Zuchtgruppen erarbeitet. Im Idealfall – das hängt von der Einstellung der jeweiligen Zooleitung ab – wird die Nachzucht
aus dem Handel genommen und kostenlos
einem geeigneten Zoo zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise erhielten wir 1989 ein
Tier vom Zoo Bern und zwei Tiere vom Zoo
Kopenhagen. Um Platz für sie zu schaffen,
verzichteten wir auf die weitere Haltung von
Rentieren. Diese wurden mittlerweile in benachbarten Zoos so gut gezüchtet, dass für
uns eine „Haltungsverpflichtung“ nicht mehr
bestand. Wir hoffen nun, durch eine erfolgreiche Zucht der Moschusochsen einen Beitrag
zu leisten, diese sensiblen und wunderbaren
Tiere der Nachwelt zu erhalten.
118
die Heimat 77/2006
Abb. 60. Uhu in seiner Bruthöhle. Aufn. 1983.
Abb. 61. Eisvogelbrutwand an der Kull in Krefeld. Aufn. 2005.
Neubesiedlung der Natur mit
„Zootieren“
Vom Zoo in die Natur
Der Uhu ist ein Vorreiter der Idee, mit Hilfe von im Zoo geborenen Tieren verwaiste
Landschaften, in denen diese vormals lebten,
wieder zu besiedeln. Durch verantwortungslosen Abschuss war der einst noch recht
häufig vorkommende Uhu 1950 fast überall
in Deutschland ausgerottet. Der Uhu-Aktion,
die 1956 begann, Nachzuchten aus Zoologischen Gärten im Harz, in der Eifel, in Bayern
und Baden-Württemberg wieder einzubürgern, verdanken wir es, dass der Bestand
heute wieder gesichert ist. Mit 13 Junguhus
sind wir an diesem schönen Erfolg mitbeteiligt. Sollten Sie das Glück haben, in der Eifel
einen Uhu zu hören oder gar zu sehen, so
denken Sie daran – es könnte ein Krefelder
sein.
Aus dem Bereich der Vögel seien noch die
Bienenfresser erwähnt. Für sie wurde eine
spezielle Brutwand in der Vogelhalle konstruiert, die zu einem vollen Erfolg führte. Die Bienenfresser gruben Höhlen in die Wand und
zogen über 80 Junge auf. Diese gute Erfahrung sollte in späteren Jahren Pate stehen
für eine ähnliche Brutwand für Eisvögel an
einer Krefelder Kull. Meine Frau und ich hatten Eisvögel beobachtet, wussten aber, dass
sie kaum Steilwände an den Nieper Kullen
für ihre Bruthöhlen fanden. So errichteten wir
nach dem Vorbild im Vogelhaus des Zoos eine Brutwand am Rande der Kull. Kurz nach
der Fertigstellung der Wand wurde diese von
einem Eisvogelpaar besetzt und mit jährlich
drei bis vier Bruten belegt. Das soll als Beispiel gelten, wie Zooerfahrungen auch für die
Natur genutzt werden können.
Abb. 62. Bienenfresserwand in der Vogeltropenhalle.
Abb. 65. Jungfernkranich mit Jungen. Aufn.
1982.
Abb. 63. Kronenkranich mit Jungen. Aufn.
7. Juli 1993.
Abb. 64. Paradieskranich mit Jungtier. Aufn.
20. 8. 1984.
Man muß auch Lieblinge haben
Der Grundstock für eine Kranichzucht war
ein Geschenk des damals bestehenden Verbandes NRW Zoos, der 1959 dem Krefelder
Tierpark ein Paradieskranichpaar schenkte.
Unser Streben fortan war, unterschiedliche
Kranicharten in einem möglichst naturnahen
Biotop zu halten. Kronen-, Grau-, Lilfort-, Pa-
radies- und Jungfernkraniche lebten frei auf
dem Zoogelände. Tagsüber hielten sie sich
auf der Stelzvogelwiese auf. Sobald der letzte
Besucher den Park verlassen hatte, wanderten sie durch das ganze Gelände und suchten sich im Frühjahr geeignete Brutplätze. Die
übrigen Kranicharten wurden auf dem Gelände der Antilopen und Großen Ameisenbären
mit diesen vergesellschaftet.
Abb. 66. Mandschurenkranich. Aufn. Februar
1991.
Abb. 67. Lilfordkranich. Aufn.18. März 1999.
Abb. 68 Weißnackenkranich Jungtier fütternd. Aufn. Juni 1987.
Abb. 69. Klunkerkranich auf dem Nest. Aufn.
1982.
die Heimat 77/2006
119
Abb. 70. Tamandua „Ricki“. Aufn. November
1971. Sie lebte bei uns vom 1. November
1971 bis zum 29. November 1984.
Abb. 71. Tamandua mit Jungem, geb. am 7. November 1984. Aufn. 15. Dezember 1984. Erste
gelungene Aufzucht in einem Zoo.
Unsere Südamerikaner
Ameisenbär, Gürteltier, Faultier
Wenig Beachtung in Zoos fand die Tierordnung der Nebengelenktiere – Ameisenbären,
Gürteltiere und Faultiere. Sie stammen aus
Südamerika und gehörten damit zu unseren
Favoriten. Natürlich hatte es seinen Grund,
dass diese Tierfamilien selten gezeigt wurden. Zum einen sind sie vorzugsweise dämmerungs- und nachtaktiv, zum anderen stellen sie hohe Ansprüche an ihre Ernährung.
In ganz besonderer Weise beschäftigte uns
der Kleine Ameisenbär, auch Tamandua ge-
Abb. 72. Tamandua. Aufn. W. Encke, Januar
1985.
Buni Encke mit „Niñu“, geb. 7. November
1984. Nur ihrer intensiven Beschäftigung mit
den Tamanduas verdanken wir die Haltungserfolge. Die Haltung solcher Tiere bedarf der
besonderen Aufmerksamkeit des Pflegers.
Optimale Haltungsbedingungen für diese
Tierart zu schaffen, gehört zu den reizvollen
Aufgaben eines Zoos. Das Gehlenhaus wäre
hierfür der geeignete Ort. Eine gewisse Vorarbeit wurde in den letzten Jahrzehnten in
Krefeld geleistet.
120
die Heimat 77/2006
nannt. Er ist ein ausgesprochener Ernährungsspezialist und lebt fast ausschließlich
von Baumtermiten. Als wir 1964 ein Jungtier
von einem Tierhändler übernahmen, lag die
durchschnittliche Haltungsdauer laut Literatur bei knapp einem Jahr. Grund hierfür war
eine unzureichende beziehungsweise falsche
Ernährung. Meine Frau beschäftigte sich intensiv mit diesem Problem, indem sie verschiedenste Futtermittel anbot, bis sie das
geeignete Ersatzfutter gefunden hatte. Mit
dem Ergebnis, dass unser erstes Tier über 13
Jahre lebte. Damit war die erste Klippe überwunden, nicht aber die Frage beantwortet,
warum die Zucht nicht gelang. Bekannt wa-
Abb. 73. Weißborstengürteltier. Aufn. Winter 1970 / 71.
Abb. 74. Braunhaargürteltier mit Jungen, geb. am 29. April 1962. Aufn.
24. Mai 1962.
Abb. 76. Zwerggürteltier. Aufn. Sommer 1972.
Abb. 75. Berg- oder Andenborstengürteltier. Aufn. Herbst 1971.
ren lediglich zwei Geburten im Zoologischen
Garten von Lincoln in den Jahren 1959 und
1981. Eine kontinuierliche Zucht aber gab
es nirgendwo. Endlich nach 16 Jahren geduldigen Arbeitens war uns das Glück hold.
Ein Junges kam zur Welt und wurde von der
Mutter problemlos aufgezogen. Inzwischen
besteht zwischen dem Krefelder und dem
Dortmunder Zoo, der sich ebenso wie wir auf
die südamerikanische Fauna spezialisiert hat,
eine Zuchtgemeinschaft, die seit 1984 eine
gut laufende Tamanduazucht unterhält. Leider fehlte uns die Zeit, uns in gleicher Intensität den Gürteltieren zu widmen. Aber einige
Zuchterfolge konnten wir auch bei ihnen verzeichnen. Die begonnene Zucht der Faultiere
fand im Gehlenhaus seine Fortsetzung.
Abb. 78. Neunbindengürteltier mit Jungen, geb. am 22. Dezember
1986. Aufn. 5. Februar 1987.
Abb. 77. Kugelgürteltier. Aufn. August 1970.
Abb. 79. Riesengürteltier. Aufn. April 1970. Es lebte fast ein Jahr und
starb an einem Milztumor. Sein Bewegungsdrang und seine Lust zu
graben erfordern ein dementsprechend großes Gehege, das wir unter
unseren klimatischen Bedingungen nicht bieten können, somit ist eine
„artgerechte“ Haltung kaum zu erreichen.
die Heimat 77/2006
121
Seltenheiten
Abb. 81. Schwarzes
Löwenäffchen.
Aufn. 8. August
1995. Ein wenig
stolz waren wir,
dass wir 1995 von
der Brasilianischen
Regierung über den
Zoo Sao Paulo,
neben den Zoologischen Gärten von
Magdeburg und Jersey, zu den ersten
europäischen Zoos
gehörten, die jeweils
ein Paar dieser
Tiere leihweise zu
Zuchtzwecken erhielten. Sie gehören
zu den bedrohtesten Primaten.1981
lebten nur noch ca.
hundert Tiere in freier Wildbahn.
Abb. 80. Waldhund. Aufn.1995.
Abb. 82. Sumpfhirsch. Aufn. März 1993.
Trotz einer sehr engen Zusammenarbeit
mit dem Berliner Zoo auf dem Gebiet der
Sumpfhirschhaltung konnten weder wir noch
der Berliner Zoo einen dauernden, sich vergrößernden Bestand aufbauen, der bei der
großen Bedrohung in der Natur von Nöten
gewesen wäre.
Abb. 83. Jaguarundi mit Jungem, geb. am 30.
April 1982. Aufn. Juli 1982. Seit Januar 1971
gehören sie zum festen Bestand des Zoos
und seit Juli 1974 bis heute gelingt die Zucht
dieser seltenen Schleichkatze.
122
die Heimat 77/2006
Abb. 84. Großer Ameisenbär. Aufn. September 1983, Südamerika, im Nat. Park Canastra. Er gehört seit 1965 zu unserem festen
Tierbestand. Leider aber ohne Zuchterfolge.
Oft bedarf es großer Ausdauer, vieler Geduld
und immer wieder neuer Ideen bis man das
Rätsel des Haltungsfehlers gelöst hat.
Abb. 85. Darwin-Nandus. Aufn. Oktober
1992.
Kostbarkeiten
Abb. 86. Erdwolf mit Jungem, geb. am 9. Juni 1983. Aufn. Juli 1983.
Die Zucht von Erdwölfen gehört zu den großen Seltenheiten in Zoologischen Gärten.
Abb. 87. Dallschafe. Aufn. 24. Oktober 1992. Sie sind ein Geschenk
von Senator Selbach, mit der Auflage, dass es ein Kanadisches Tier
sein müsse. So konnten wir unserem Prinzip, keine Gebirgstiere zu
halten, nicht treu bleiben. Die Versuchung war zu groß, diese wunderbaren, wenn auch heiklen Gebirgstiere, uns nicht schenken zu lassen.
Ein paar große Findlinge müssen ihnen nun die Illusion vom Gebirge
ersetzen.
Abb. 88. Babirusa. Aufn. 1996. Eine Kuriosität der Natur. Ein Schwein
besonderer Art.
Abb. 89. Seychellen-Riesenschildkröte. Aufn. Aug. 1978. Sie überbieten alle Altersrekorde. Unsere sind ca. 80 Jahre alt, können aber
doppelt so alt werden.
die Heimat 77/2006
123
Elefantenhaltung –
eine lange Diskussion
Als ich mich im Krefelder Stadtrat als Tierparkleiter bewarb und vorstellte, wurde mir
von freundlicher Seite geraten: „Erwähnen
Sie nie den Elefanten! Vor allem sagen Sie
nie, dass er in Ihrem Konzept vorgesehen ist.“
Prompt wurde ich danach gefragt, und ich
antwortete, dass der Elefant wichtig wäre,
wenn wir uns aus dem provinziellen Dasein
heraus entwickeln wollten. Ich wurde trotzdem gewählt … Nun sind die Elefanten da
und haben ihren Zweck erfüllt. Auf Grund
unseres Tierangebots waren wir 1972 der
Meinung, dass wir uns fortan Krefelder Zoo
nennen könnten.
Die Zeiten ändern sich. Elefanten, Menschenaffen und Großkatzen sind Symboltiere unserer alten ehrwürdigen Zoologischen Gärten. Kein Zoo möchte auf sie verzichten. Sie
sind ein Anziehungspunkt für das Publikum,
das wir brauchen, um finanziell überleben zu
können. Dennoch gibt es andere Argumente, die heute zu berücksichtigen sind. Seit
über 5 000 Jahren wird der Elefant zu verschiedenen Zwecken – als Arbeitstier, heiliges Tier, Statussymbol usw. – von Menschen
gehalten. Trotzdem wurde der Elefant nie zu
einem Haustier. Er konnte nur gezähmt werden, indem jeder Elefant seinen Mahout, seinen Pfleger hatte. Dies galt letztlich ebenso
für den Zoo. Der Elefantenpfleger ist speziell für diese Tierart abgestellt. Ohne eine
strenge Dressur wäre unter den gegebenen
Abb. 90. Dressurvorführung von
Wolfgang Nähring.
Aufn. Sommer 1982.
Umständen eine Haltung von Elefanten nicht
möglich. Der Mensch von heute lehnt eine
solche Vergewaltigung eines Wildtieres mit
Recht ab. Das Tierschutzgesetz verlangt eine
artgerechte Haltung, d. h. Herdenhaltung mit
entsprechend großem Auslauf. Nicht mehr
der Mensch ist das Alpha-Tier, sondern der
Artgenosse soll es sein. Eine normale Geburt
mit Aufzucht bei der Mutter in der Herde wird
Voraussetzung für eine artgerechte Haltung.
Ansätze hierfür sind in den letzten Jahren unter anderem in unseren Nachbarzoos Köln,
Wuppertal, Duisburg und Emmen geschaffen
worden. Für Krefeld bedeutet dies, den zu-
künftigen Verzicht auf Elefantenhaltung vorzusehen. Nicht nur ein evidenter Platzmangel
spricht gegen die Haltung von Elefanten. Es
muss außerdem bedacht werden, dass bei
dem jetzt schon florierenden Nachwuchs die
Absatzfrage von Jungelefanten, speziell den
männlichen, zu einem unlösbaren Problem
werden wird. Wer möchte die Verantwortung
übernehmen, einen männlichen Elefanten zu
töten? Solange unsere alten Elefanten Mumptas, Rhena und Jetu munter sind, sollte unser
Zoo jedoch weiter ihre Heimstatt bleiben.
Der publikumsfreie Bereich
Neben dem Wirtschaftsbereich (Personalräume, Werkstätten, Vorratsräume etc.), von
dem alle Fäden der praktischen tiergärtnerischen Arbeit ausgehen, ist die Außenstation ein vom Publikumsbetrieb abgetrennter
Tierbereich, der für jeden Zoo unabdinglich
Abb. 91. Indischer
Elefant beim Waldspaziergang.
Aufn. 19. Januar
1995. Eine Freude
im oft eintönigen
Elefantenleben
ist ein Ausflug in
den Wald. Werner
Bausch zeigt Rhena,
wie sie den Baumstamm transportieren kann.
124
die Heimat 77/2006
Abb. 92. Hausenhof, Außenstation des Zoos.
Aufn. 18. November 1994.
Abb. 93.
Hausenhof,
Käfiganlagen.
Aufn. 29. Juni 2006.
ist. Dieser dem damaligen Tierpark fehlende
Bereich, gehörte zur ersten zentralen Aufgabe, bevor ein größerer Ausbau des Parks
vorgenommen werden konnte. Besonders
erfreulich war, dass wir 1960 in diesem Zuge
die erste Zootierquarantäne in NRW erstellen
konnten. Sie stand am Rande des Zoos und
bot die Möglichkeit, im Ernstfall das Gelände
komplett vom Zoobetrieb zu isolieren, um im
Notfall Infektionsgefahren für den Zootierbestand zu vermeiden. Wichtig war diese Station
auch, um den Quarantäneauflagen beim Import nachzukommen, kranke Tiere in spezielle
Pflege nehmen zu können und einen Platz für
überzählige oder Ersatztiere zu haben.
Diese Einrichtung war wichtig, erwies sich
aber als viel zu klein, um auch nur annähernd
ihren Aufgaben gerecht zu werden. Aus diesem Grund sah der Entwicklungsplan von
1991 ihre Verlegung aus dem Zoobereich
heraus vor. Das wurde umso dringlicher, als
das Quarantänegelände für den Bau des
Gehlenhauses zur Verfügung gestellt werden musste. Wir zogen um in einen wunderschönen alten Bauernhof in Linn, den „Hausenhof“, und richteten ihn mit Hilfe unserer
Zoohandwerker nach unseren Bedürfnissen
ein. Doch kaum waren wir einzugsbereit,
wollte die Stadt dieses städtische Eigentum
veräußern. Zum ersten Mal wurde unsere
Zoobelegschaft politisch. Gemeinsam zogen
wir alle demonstrierend zur entscheidenden
Ratssitzung. Vielleicht hat unser Druck geholfen. Die Entscheidung lautete: Der Hof bleibt
dem Zoo zur Nutzung erhalten; für den Zoo
eine lebenswichtige Entscheidung, denn nur
so konnten wir weiterhin und verstärkt der
uns gestellten Aufgabe der Tierzucht und Erhaltung gefährdeter Tierarten nachkommen.
Darüber hinaus kann vieles, was im Trubel
eines Zoobetriebes nicht möglich ist, in einem solchen Außenbereich in Ruhe erarbeitet werden. Abgesehen davon muss ein
Zoo immer Ausweichquartiere für Ersatztiere,
überzählige, aus der Gruppe ausgestoßene
oder kranke Tiere haben. Außerdem gibt es
im „Hausenhof“ Tierpflegerwohnungen und
eine große Scheune, die den zu kleinen Wirtschaftstrakt des Zoos entlastet. Ferner ist
das Gesamtgelände von 4 270 qm ideal für
Freigehege.
Abb. 94. Harald Nägeli, Sprüher von Zürich,
in Aktion. Aufn. Sommer 1988.
Der Zoologische Garten –
eine Stätte der Kultur
Eine Stadt wird gemessen an ihrer kulturellen Arbeit. Wir haben versucht, unseren Teil
dazu beizutragen, indem wir uns bemühten,
die kulturellen Einrichtungen der Stadt in unsere Arbeit mit einzuschließen. In erster Linie
war es die Fachhochschule Niederrhein, die
uns vor allem bei der Werbung behilflich war.
So entwarf z. B. Prof. Wolfgang Slansky von
der Abteilung Design ein Zoo-Plakat ebenso
wie die Werbeträger vor dem Zoogelände.
In seiner Klasse wurden Plakatwettbewerbe
für uns durchgeführt. Zwei Plakate erhielten
in Mailand eine Silbermedaille. Von seinem
ehemaligen Schüler, Herrn Reiber, wurde
Abb. 95. Hugo Debaere – Marc de Roover arbeitete gut vier Wochen im Zoo an seinem Projekt
aus Elefantenkot, Kamelhaar und Weidenzweigen. Aufn. 1993.
die Heimat 77/2006
125
stellung gezeigt wurden. Harald Nägeli, „der
Sprayer von Zürich“, warb in einer Sprühaktion im Elefantenhaus für den Naturschutz. Für
die Ausstellung „Kein Ei gleicht dem anderen“
verteilten wir 17 Straußeneier an namhafte
Künstler mit der Bitte, sie künstlerisch zu gestalten. Unter anderem organisierten wir zum
50. Zoojubiläum eine Ausstellung über Tiermotive von den Künstlern Gottfried Wiegand,
Wolfgang Kliege, Peter Wörfel und Christel
Burghard-Wörfel sowie der Fotografin Bruni
Encke.
Um Ausstellungen und Vorträge intensiver
durchführen zu können, benötigten wir einen
speziellen Raum. Dies war nur auf völlig unkonventionellem Wege möglich. Nach kurzen
Verhandlungen mit der Firma Rheinbraun, die
Abb. 96. Boris Mattern, Schauspieler aus dem Düsseldorfer Schauspielhaus bei seiner Vorführung „Bericht für eine Akademie“ von Franz Kafka. Aufn. Juni 1988.
eine völlig neue Form eines Zooführers entwickelt. In den Sommermonaten nutzte die
Zeichenklasse von Holzhausen / Zaiser den
Zoo regelmäßig für Tierstudien. Die Studentin Katharina David entwarf und gestaltete die
Inneneinrichtung für die Guerezza Affen. Auf
dem Zoogelände fanden Jugend- und Kindertheateraufführungen des Kresch-Theaters
Krefeld statt. Das Theater Düsseldorf gab eine Gastvorstellung mit dem „Bericht für eine
Akademie“ von Kafka. Die Künstlerin Martel
Wiegand entwarf Zooplakate, die in einer Aus-
Aus der Ausstellung „Kein Ei gleicht dem anderen“. Aufn. 23. Mai 1995.
Abb. 97. Katrin Berger
Abb. 98. Heinrich Görtz
Abb. 100. Axel Vater
126
die Heimat 77/2006
Abb. 99. Claudia Keller
für den Braunkohleabbau bei Gatzweiler zuständig ist, konnten wir kostenlos alte Fachwerkhäuser, die dem Tagebau weichen mussten, erwerben. So transportierten wir eine
Scheune und ein Einfamilienhaus von Gatzweiler nach Krefeld; die Scheune wurde ein
Vortragsraum, das Einfamilienhaus eine Zooschule. Dies war möglich durch die finanzielle
Unterstützung des Freundeskreises, die zur
Verfügungstellung von ABM-Kräften seitens
des Landes und vor allem durch die Fähigkeit
und das Engagement unserer Handwerker,
insbesondere des Herrn Gerresheim, dessen
Umsicht und fachlicher Kenntnis es zu verdanken ist, dass der Ab- und Aufbau beider
Häuser reibungslos und ohne Zwischenfälle
verlief.
Für unsere Jugend
Für einen relativ kleinen Zoo ist es oft schwierig, die anspruchsvollen Aufgaben, die von
einem Zoo erwartet und gefordert werden,
zu erfüllen. Eine sehr wichtige Aufgabe ist
die pädagogische Arbeit, meist manifestiert
in Verbindung mit einer Zooschule. Hier
kam uns das Land NRW zu Hilfe. Es stellte
uns vier, später fünf Studienräte zur Verfügung, die jeweils einmal in der Woche aus
dem Schuldienst für diese Arbeit freigestellt
wurden. Sehr schnell entstand ein Team von
Zoolehrern, die besser nicht hätten sein können. Neben ihrer Arbeit wurden von ihnen von
Zeit zu Zeit Ausstellungen in der Zooscheune
organisiert. Wir stellten die Zooschule und
Zooscheune als Ausstellungs- und Vortragsraum zur Verfügung. Ein angestrebtes leider
nicht verwirklichtes Projekt war die Schaffung
eines therapeutischen Zentrums, in dem in
besonderem Maße auf die Belange von Kindern und Jugendlichen eingegangen werden
sollte. Dies hat nichts mit einem so genannten
Streichelzoo zu tun, der der Vergangenheit
angehören sollte, da er mit der Aufgabe eines
Zoologischen Gartens nicht zu vereinbaren
ist.
Abb. 101. Altes Bauernhaus. Aufn. April 1992.
Eine kleine Geschichte am Rande
Die alten Feldbrandsteine, die wie zu Zeiten
nach dem Krieg aus zusammengefallenen
alten Häusern und Wänden stammten, wurden von einem polnischen Gastarbeiter in
das Fachwerk der Zooschule eingefügt und
verfugt. Er bekam von uns die Anweisung,
über dem Eingang nach altem germanischem
Brauch eine „Hexe“ gegen den bösen Geist
einzubauen. Kurz vor dem Richtfest beichtete
er mir, er habe außerdem im Giebel ein Kreuz
eingefügt. Sicher ist sicher – so war dieses
Haus doppelt gegen den bösen Geist gefeit.
Ob es geholfen hat? Unser polnischer Polier
zumindest hat sein Bestes getan.
Zoofreunde werden gebraucht
Abb. 102. Zooschule und Zooscheune. Aufn.
1992.
Seit den 60er Jahren führten wir in eigener
Regie jährlich eine Zoolotterie durch, die der
Genehmigung des Regierungspräsidenten
bedurfte. Diese sollte uns dann aber als städtisches Unternehmen untersagt werden. Um
die kleine zusätzliche Einnahmequelle nicht
versiegen zu lassen, musste ein Verein die
Lotterie übernehmen. Unser sehr intuitiver
Dezernent griff den Gedanken 1972 auf. Ich
glaube, auf einer Karnevalsfeier fand er sieben Freunde, die bereit waren, einen solchen
Verein aus der Taufe zu heben. Daraus entwickelte sich der sehr aktive und effiziente
Verein der Zoofreunde. In Übereinstimmung
mit gemeinsam erarbeiteten Zielvorstellungen sollte ein – wenn auch kleiner – Zoo
entwickelt werden, der tiergärtnerisch und
ästhetisch vorbildlich und für den Besucher
liebenswert und damit anziehend sein sollte.
Wenn ein Haus erzählen könnte
250 bis 300 Jahre alt schätzt man das kleine
Bauernhaus im Zoo. Um meiner Residenzpflicht als Leiter des Tierparks nachkommen
zu können, zog ich 1959 in dieses Haus ein, in
dem schon mein Vorgänger, Dr. Günther Voss
gewohnt hatte. Das geschah zwar gegen den
Willen des für den Tierpark zuständigen Dezernenten, der einen Chefbungalow auf der
späteren Quarantänewiese vorgesehen hatte. Aber der Spatz in der Hand ist besser als
die Taube auf dem Dach, dachte ich, zog in
das kleine Bauernhaus ein und konnte die
Erfahrung machen, was es heißt in einer solchen Kate zu wohnen. Der Boden war teils
aus Beton, teils aus gestampftem Lehm, nur
im direkten Wohnbereich gab es einen Holzfußboden, Beheizbar war das Ganze nur mit
einem Kachelofen. Das Bad war immerhin
mit einem Kohleboiler versehen. Den größten
Teil des Hauses nahmen eine Scheune und
zwei Stallungen ein. Untermieter waren Esel,
Ponys, Tauben und Ratten. Mein Gedanke
war: „Solange ich in dem Hause lebe, kann
es nicht abgerissen werden. Wo anders in
einer Stadt ist noch Raum für ein solches kulturelles Altertümchen? Hier im Zoo muss es
seine Duldung finden.“ Das städtische Hochbauamt half, es auf Dauer bewohnbar zu machen. Bemerkenswert war das Auslegen der
Diele mit alten handgemachten Fliesen aus
einem holländischen Bauernhaus.
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1967 musste das Haus wegen schwerer Schäden im Dachgebälk grundlegend restauriert
werden. Auf Veranlassung und mit finanzieller
Hilfe der Landes-Denkmalspflege erhielt das
Haus ein Reeddach. Scheune und Stallungen
wurden als Bibliothek, Büro und Wohnräume
umgestaltet. Privat- und Dienstbereich unter
einem Dach inmitten des Zoogeschehens
– die beste Atmosphäre, um planen, arbeiten, träumen und feiern zu können. Hier fanden Begegnungen mit Menschen statt, die
in irgendeiner Form mit dem Zoo verbunden
waren, mit Kollegen und Freunden. Hier wurden meine vier Kinder geboren und verlebten
eine einmalige Kindheit und Jugend. Hier entwickelte sich ein kleines eigenes Biotop und
wurde zum Schmuckstück des Parks.
Schlusswort
Abb. 103. Altes Bauernhaus. Aufn. Sommer
1980.
Alle Aufnahmen, so nicht anders ausgewiesen, stammen
von Bruni Encke und wurden im Krefelder Zoo aufgenommen.
Berichte aus dem Krefelder Zoo
Encke W. (1962): Hand-Rearing Cape Hunting Dogs
(Lycaon pictus) at the Krefeld Zoo. Int. Zoo Yearbook 4,
S. 292 f.
Encke W. (1963): Bericht über Geburt und Aufzucht von
Geparden (Acinonyx jubatus) im Krefelder Tierpark. Zool.
Garten (NF), Bd. 27, S. 177 – 181.
Encke W. (1965): Aufzucht von Borstengürteltieren (Chaetophractus villosus). Zool. Garten (NF), Bd. 31, S. 88 – 90.
Gandras R. / Encke W. (1966): Case Histories Of A Breeding Group Of Cheeths (Acinonyx Jubatus) At Krefeld
Zoo. Int. Zoo Yearbook 6, S. 275 f.
Der Zoo kommt mir im Nachhinein wie eine
kleine Vulkaninsel mit wenigen Eruptionen,
aber voller Energie vor. Aufbauend auf einer
Jahrzehnte lang eingeschworenen Belegschaft konnte auf dem Gebiet der Tierpflege,
gemeinsam mit den eingespielten Zoohand-
Encke W. (1970): Breeding the Red-billed hornbill (Tockus
erythrorynchus) at Krefeld Zoo. Int. Zoo Yearbook 10, S.
101 f. 22.
Encke W.(1970): Beobachtungen und Erfahrungen bei
der Haltung und Zucht von Mähnenwölfen im Krefelder
Tierpark. Freunde des Kölner Zoo, 13. Jahrgang, Heft 2,
S. 69 – 75.
Encke W., Gandras R., Bieniek H. (1970): Beobachtungen
am Mähnenwolf (Chrysocyon brachyurus). Zoologischer
Garten, Bd.38, Heft 1 / 2 , S. 47 – 67.
Encke W. (1972): Milbenbefall beim Orang-Utan (Pongo
pygmaeus). Zoologischer Garten, 42 Heft 5 / 6, S. 236 –
239.
Dittrich S. (1975): Vom Affenkäfig zum Affentropenhaus
– europäische Einmaligkeit in Krefeld. Der Zoofreund, Zoo
Hannover, Nr.13, S.12.
Encke W. (1977): Der Zoo im Aufbau. Die Heimat, Jhrg. 48,
S. 121 – 123.
Encke B. (1966): Die Zucht von Schneeleoparden (Uncia
uncia) im Krefelder Tierpark. Freunde des Kölner Zoos, 9.
Jhrg., Heft 4, S. 145 – 146.
Vogt P. (1977): Tropical House for Apes at Krefeld Zoo. Int.
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Encke B. (1968): Zucht des Weißen Storchs (Ciconia
ciconia) im Krefelder Tierpark. Gefiederte Welt, Jhrg. 92,
Heft 4, S. 65 – 67.
Gandras R., Encke W., Vogt P. (1978): Colitis Ulcerosa
bei einem Schimpansen. Verhandlungsbericht des 20.
Int. Symposiums über die Erkrankungen der Zootiere,
S. 289 – 292.
Encke W.(1968): A Note on Breeding and Rearing of
Tayras (Eira Barbara) at Krefeld Zoo. Int. Zoo Yearbook,
8, S. 132.
Encke B. (1978): Sieben Jahre Tamanduas (Tamandua
tetradactyla) im Krefelder Zoo. Zoologischer Garten 48
(N.F.) Heft 1, S. 19 – 30.
Bieniek H., Encke W., Gandras R. (1968): Eine seuchenhafte Erkrankung des Raubtierbestandes im Krefelder
Tierpark mit protrahiertem Verlauf. Verhandlungsbericht
des X. Int. Symposiums über die Erkrankung der Zootiere,
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Encke B. (1980): Tondi – der gute Geist im Tropenhaus
des Krefelder Zoos. Der Zoofreund, Zoo Hannover, Nr. 35,
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Encke W. (1969): Zucht des Rotschnabeltoks (Tockus
erythrorhynchus). Der Zoologische Garten Bd. 37, Heft 1 –
3, S. 111 – 113.
Encke W.(1970): Birth and Handrearing of a Bactrian Camel at Krefeld Zoo. Int. Zoo Yearbook, 10. S. 90.
128
die Heimat 77/2006
Encke W., Gandras R. (1980): Die Problematik der Primatenhaltung in Zoologischen Gärten. Verhandlungsbericht
des 22. Int. Symposiums über die Erkrankungen der
Zootiere, S.191 – 193.
Golinowska W. (1982): Haltung und Zucht der Straußenwachtel im Krefelder Zoo. Die Gefiederte Welt, 9. Jhrg.,
(106), S. 274 – 276.
werkern, das geleistet werden, was nach 37
Jahren dem Zoo sein Gesicht gab. Nicht zu
vergessen sind die zahlreichen Arbeitskräfte, die uns über ABM und das Sozialamt zur
Verfügung gestellt wurden und beim Aufbau
des Zoos halfen. Hinzu kommen die tatkräftige Unterstützung der Mitarbeiter des städtischen Hochbauamtes und des Staatlichen
Veterinäramtes wie auch der Einsatz des für
uns zuständigen Dezernenten Kurt Honnen,
und später Roland Schneider, gegenüber
dem Rat der Stadt Krefeld.
Mein besonderer Dank gilt meiner Frau, deren Engagement mir nicht nur bei der Bewältigung schwieriger Aufgaben im Bereich
der Tierhaltung, Zoogestaltung und im Umgang mit Menschen half, sondern die mich in
schwierigen Situationen auch immer wieder
anspornte, weiterhin all meine Kraft für die
Zooarbeit einzusetzen. Zudem war sie meine ärgste Kritikerin. Ohne ihr Mitwirken und
ihre Offenheit wäre vieles nicht oder weitaus
schwieriger zu schaffen gewesen. Was gibt
es Schöneres, als 37 Jahre auf einer solchen
Insel zu arbeiten?
Claussen R. (1982): Beobachtungen zur Aufzucht eines
männlichen Weißgesichtsakis (Pithecia Pithecia) im Familienverband, Zoo Krefeld. Zoologischer Garten, 52 (N.F.)
Heft 3 / 4 , S. 188 – 194.
Vogt P. u. Becker C. (1987): Zur ersten Aufzucht eines
Tamanduas (Tamandua tetradactyla) im Krefelder Zoo.
Zoologischer Garten, 57. Heft 4 (NF),.S. 221-233.
Schlüter R. u. Encke W. (1988): 50 Jahre Krefelder Zoo.
Die Heimat, Jhrg. 59, S. 79-84.
Encke W. (1991): Weißnackenkraniche – Leihgabe der Natur – Haltung und Zucht des Grus Vipio im Krefelder Zoo.
Zoo-Pädagogik-Unterricht, 1. Jhrg., Bd. 1, S. 301 – 317.
Encke W. (1992): Haltung von Tamanduas (Tamandua tetradactyla) im Krefelder Zoo in der Zeit von 1968 – 1992.
Der Zoologische Garten 62 (NF) Heft 6, S. 369 – 378.
Osswald C. (1993): Bruterfolg der Senegaltrappe (Eupodotis senegalensis Vieillot) im Zoo Krefeld. Der Zoologische Garten 63, Heft 6, S. 381 – 387.
Encke W. (1994): Drei Jahre Erfahrung mit der neuen
Vogeltropenhalle im Zoo Krefeld. Der Zoofreund, Zoo
Hannover, Nr. 92, S. 11 – 13.
Encke W. (2003): Von der Bienenfresser- zur Eisvogelbrutwand: Erfahrungen aus dem Zoo in die freie Natur übertragen. Der Zoologische Garten 73, Heft 6, S. 402 – 408.
Informationen über die Ereignisse im Zoo sind in den erschienenen Jahresberichten festgehalten. Übersicht über
die Zeit 1959 – 1965 und ab 1970 jährlich.
Ein Sammelordner, bestehend aus fünf Heften, gibt Auskunft über Säugetiere, Vögel und Kriechtiere des Krefelder Zoos. Herausgeber: Zoofreunde e.V. Redaktion:
Encke W. Fotos: Encke B.
Spezielle Hefte sind erschienen über das Affentropenhaus, die Vogeltropenhalle und das Gehlenhaus.