Erinnerungen an ein Paradies - Verein für Heimatkunde Krefeld
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Erinnerungen an ein Paradies - Verein für Heimatkunde Krefeld
Erinnerungen an ein Paradies Rückblick auf 37 Jahre tiergärtnerische Tätigkeit als Leiter des Zoologischen Gartens Krefeld (1959 – 1996) von Walter Encke Mit ein paar tiergärtnerischen Erfahrungen im Zoo Köln ausgestattet, übernahm ich, 28-jährig, im April 1959 die Leitung des kleinen Tierparks der Stadt Krefeld. Es handelte sich um ein elf Hektar großes Gelände mit einem Waldteil, der aus rund 80 Jahre alten Buchen und Eichen bestand, und dem Grotenburgschlösschen, das einst einem Krefelder Seidenbaron gehört hatte. Das unter Denkmalschutz stehende Schlösschen war eingebettet in eine Parkanlage mit einem ausgewählt schönen, zum Teil seltenen Baumbestand. Es diente und dient noch heute der Gastronomie. Am Eingang des Parks stand ein circa 300 Jahre altes, dem Verfall ausgeliefertes Bauernhaus. Bis zur Jahrhundertwende war es ein kleiner Bauernhof gewesen, umgeben von Ackerland. Am Rande des Geländes an der Violstraße befand sich ein zweistöckiges Backsteingebäude, das früher eine Töpferei beherbergt hatte. Im oberen Stockwerk war eine Wohnung eingerichtet, im Erdgeschoss befanden sich die Wirtschaftsräume des Tierparks. Im Parkbereich waren die Tieranlagen, meist provisorischer Natur, untergebracht. An Tierhäusern wären zu erwähnen ein schreckliches Affenhaus mit vier Innen- und Außenboxen für Paviane und Meerkatzen, ein kleines Vogelhaus, eine kerkerähnliche Behausung für Bären und ein unvollendetes sogenanntes Hundeasyl. Bei Null anfangen Insgesamt war das eine ideale Ausgangssituation, um neue tiergärtnerische Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Dabei musste jedoch Folgendes bedacht werden: Der schöne Park durfte nicht durch eine monströ- Abb. 1. Alte Akazie am Zooeingang. Aufn. Sommer 1977. Der alte Baumbestand wie auch die Waldkulisse gibt dem Zoo seinen besonderen Reiz und ist sein größter Schatz. se Architektur zerstört werden. Auf den wunderbaren, alten Baumbestand musste Rücksicht genommen werden. Der Boden bestand aus Lehm, teils Tonboden, der für die Haltung schwerer Huftiere ungeeignet war. Die niederrheinische Tiefebene lud also nicht ein, Gebirgstieren eine neue Heimat zu geben. Eine städtische Lobby, die Investitionsgelder freimachen würde, gab es nicht. Hier musste von Außen geholfen werden. Positiv war, dass mit Ausnahme des Grotenburgschlösschens und des alten Bauernhauses alle Festbauten abgerissen werden konnten beziehungsweise mussten. Abb. 2. Grotenburgschlößchen. Aufn. 1880, Fotograf unbekannt. Erbaut 1848 als Sommersitz des Seidenfabrikanten De Greiff. Bei den knapp bemessenen Geldern, die uns zum Erhalt und weiteren Ausbau des Tierbestandes zur Verfügung standen, war es ein Geschenk, dass alle wertvolleren Tiere versichert waren und weiter versichert werden konnten. Die von der Versicherung gezahlten Gelder erhöhten automatisch den Tierankaufetat. Das erleichterte die Arbeit auf diesem Gebiet erheblich. Hinzu kam, dass einem die Obrigkeit allgemein freie Hand ließ. Dies spornte Fantasie und kreatives Handeln in besonderem Maße an. die Heimat 77/2006 103 Abb. 3. Grotenburghof, jetzt altes Bauernhaus genannt. Aufn. um 1900. Der Hof mit seiner Umgebung ist der Urkern des Tierparks. Zu bedenken war, dass von Krefeld aus im Radius von circa 100 Kilometern sechs zum Teil bereits etablierte Zoologische Gärten lagen. Wir durften nicht in Konkurrenz zu unseren Zoo-Nachbarn treten, sondern mussten uns durch eigene Ideen absetzen. Der beschränkte Raum zwang uns zur Bescheidenheit in Bezug auf die Vielfalt der Tiere und Großtiere, die zu viel Platz beanspruchten. Ein Wort zu den Wirtschafts- und Personalräumen: Diese waren auch für einen sehr kleinen Tierpark untragbar. Kühl- und Sanitärräume waren nicht vorhanden. Die Räume für die Verwaltung waren unzulänglich. Eine Bibliothek für Fachliteratur fehlte. Stattdessen beherbergte der Tierpark, in Kisten aufbewahrt, einen Teil der Bibliothek des Naturwissenschaftlichen Vereins, für den es jedoch keinen Raum gab. Auf dieser Grundlage musste 1959 ein schlüssiges Konzept entwickelt werden, das zur Konsolidierung des fast sterbenden Tierparks führen und richtungweisende Zielvorstellungen für die zukünftige Planung beinhalten sollte. Von Seiten der Stadt konnten wir keine große Unterstützung erwarten, da sie einen gravierenden Ausbau des Parks ablehnte. Unbeeindruckt hiervon wurde eine Entwicklung unter folgenden Gesichtspunkten angesteuert: – Aus tiergärtnerischer Sicht sollte der Krefelder Park ein für ihn charakteristisches Gesicht erhalten, das sich von seinen ZooNachbarn absetzen würde, wobei die optimale Haltung von Wildtieren in einer möglichst natürlichen Umgebung mit hohem ästhetischem Anspruch im Vordergrund stand. Ziel war es außerdem, neue Wege der Präsentation von Tieren auszuprobieren, wobei insbesondere die Erkenntnisse der neuen Feldbeobachtungen mit verarbeitet werden sollten. 104 die Heimat 77/2006 Abb. 4. Altes Bauernhaus. Aufn. 1961. – Die Auswahl der Tiere: Je kleiner ein Zoogelände ist, desto genauer muss aus der Fülle der Möglichkeiten die Wahl der Tiere getroffen werden. Sie sollten wie Leitfossilien geologischer Zeitepochen den Zoo prägen. Wir verzichteten weitgehend auf einheimisches Wild, dessen Haltung eher die Aufgabe von Wildparks ist. Stattdessen sollte neben der Tierwelt der afrikanischen Steppe die bisher in Zoologischen Gärten wenig beachtete Tierwelt Südamerikas besonders berücksichtigt werden. Als Schwerpunkt galt die Haltung seltener, in der Natur oft gefährdeter Tiere mit dem Ziel der Erhaltungszucht. Diese Tiere wurden zudem Symbolträger für die Aufgabe der Erhaltung gefährdeter Tiere, die sich der Zoo in Zusammenarbeit mit dem Naturschutz unter dem Motto „Rettet die Natur“ gestellt hatte. Weiterhin sollten Tierarten bevorzugt werden, deren Haltung in Zoolo- Abb. 5. Altes Wirtschaftsgebäude. Aufn. 1963. Ein Teil wurde im Krieg zerbombt. gischen Gärten bisher auf Schwierigkeiten gestoßen war – sei es durch Ernährungsprobleme, besonders bei Nahrungsspezialisten, unbekannte Empfindlichkeiten gegenüber Infektionskrankheiten, Parasiten, Umwelteinflüsse oder durch spezifische Verhaltensweisen besonders im sozialen Bereich. Erst wenn wir den gesamten biologischen Komplex einer Tierart kennen, können wir eine gesicherte Zucht über Generationen hinweg erreichen, und erst dann hat der Zoologische Garten seinen wissenschaftlichen Beitrag zur Erhaltung einer Tierart geleistet. Deshalb war es ein weiteres Anliegen, Tiere und Anlagen verstärkt Wissenschaftlern, insbesondere Studenten, zur Verfügung zu stellen, um optimale Haltungsbedingungen für die Tiere erarbeiten zu können mit dem Ziel, jederzeit Nachzuchten bedrohter Tierarten der Natur zurückgeben zu können. Um diesem Ziel Abb. 6 – 7. Braunbär und Käfig. Aufn. 1960. Ein Glück, die Zeit der Kerkerhaltung ist vorüber. Abb. 8. Altes Affenhaus. Aufn. 1977. Hier ist ein Affenleben nicht beneidenswert. Abb. 9. Altes Vogelhaus. Aufn. 1988. Ursprünglich nur halb so groß, wurde es 1961 erweitert und modernisiert. Abb. 10. Damwild. Aufn. 1958 Stadtbildstelle Krefeld. Es musste sehr bald das Feld für afrikanische Antilopen, Zebras und Strauße räumen. Abb. 11. Seeadler. Aufn. 1960. Er war so ziemlich der einzige Überlebende des Krieges. Mit seinem Ableben war auch die Greifvogelhaltung in Krefeld beendet. Wer kann schon diesen Tieren ihr Biotop, den Luftraum mit seinen Aufwinden bieten? Nur eine dringende Erhaltungszucht würde eine Haltung rechtfertigen. die Heimat 77/2006 105 Abb. 12. Afrikawiese. Aufn. September 1982. Im Vordergrund Blaue Gnus, im Hintergrund Zebra, Elipsenwasserbock, Paradieskranich und Strauß. näher zu rücken, benötigten wir publikumsfreie Flächen. – Um eine gute Erhaltungszucht im Zoologischen Garten durchführen zu können, war eine Außenstation erforderlich. – In Zusammenarbeit mit anderen Kulturinstituten sollte der Zoologische Garten in das Kulturleben der Stadt mit einbezogen werden. Ein qualitätsvoller Ausstellungs-, Vortrags- und Verkaufsraum zur Unterstützung des kulturellen Auftrags wurde angestrebt. – Eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit sollte den Bekanntheitsgrad des Tierparks steigern. – Schaffung einer Zooschule. – Gründung eines Freundeskreises. Abb. 13. Wassergeflügel- und Stelzvogelanlage. Aufn. 1985. Sie bietet genügend Ruheplätze zur Brut von Enten, Flamingos und Kranichen. Neues harmonisch eingebunden in alte Bestände Innerhalb kürzester Zeit musste der ums Überleben ringende Tierpark ein neues Gesicht mit eigener Prägung bekommen, wobei besonderer Wert auf den Erhalt des Parkcharakters und des angrenzenden Buchenwalds gelegt wurde. Konkret bedeutete dies, dass wir in diesem Bereich auf größere Bauten verzichteten und die Tierunterkünfte architektonisch möglichst unauffällig in den Park integrierten. Wichtig war uns, das Wegenetz nicht durch Asphalt oder Pflasterung zu verdichten, sondern einen natürlichen Untergrund zu erhalten. Das ist zwar sehr pflegeintensiv, hat aber den Vorteil, dass dem Besucher ein Stück Natur erhalten bleibt. Ziel der Gehegegestaltung war, sie für die jeweiligen Tierarten in deren Biotop zu verwandeln. Die relativ weiträumigen zentralen Grasflächen, die quer durch den Park in West-OstRichtung verliefen, sahen wir für afrikanische Steppentiere vor. Einzug hielten als erstes verschiedene Antilopenarten, vergesellschaftet mit Zebras, Straußen, Sekretären, Koritrappen und Kranichen. (Die Zebras wurden später von den Antilopen getrennt, da ihre angeborene Neugierde bei der Geburt von Antilopen für die verängstigten Jungtiere gefährlich werden konnte.) Die Unterkünfte in Form von gut isolierten Holzhäusern wurden von unseren Handwerkern erstellt und befinden sich sehr unauffällig an der die „Steppe“ begrenzenden Waldkulisse. Eine natürliche Wassertränke, wie man sie aus den afrikanischen Nationalparks kennt, fehlt leider noch als Abrundung des Steppenbiotops. Im äußersten Nordwesten verlängert sich die „Steppe“ in Form von Freianlagen für Geparden. Ein geräumiges Laufgehege mit un- Abb. 14. Hyänenhudanlage Zoo Basel. Eine großzügige Freianlage für Hyänenhunde sollte als Verlängerung der Afrikaanlage dienen. Hier ein Beispiel, wie sie werden sollte. 106 die Heimat 77/2006 Abb. 15. Fischotteranlage. Aufn. 1986. Fast wie in der Natur kann man hier die Fischotter beim Spiel und Fang von Fischen beobachten. Ein Unterwasserzugang zu ihrer „Zuchthöhle“ ist der Bauweise aus der Natur entnommen. Abb. 16. Wassergraben mit Brücke. Aufn. Januar 1993. Die neu gestaltete Südamerikaanlage mit Guanakos, Tapiren, Wasserschweinen und Darwin-Nandus ist an den Wassergeflügelteich mit angeschlossen. Abb. 17. Ceylonesischer Hulman. Aufn. 20. August 1984. Wenn man nicht erkennt, ob die Aufnahme aus einem Zoo ist oder aus der Natur, hat man ein wenig das Gefühl des Glücks. Abb. 18. Kleiner Panda. Aufn. Januar 1996. Ein neues Freigehege mit der Möglichkeit hohe Bäume zu erklimmen, machte aus den phlegmatischen Tieren bewegungsfreudige muntere Tiere mit dem Erfolg von natürlichen Zuchten. Abb. 19. Kleiner Panda mit chinesischem Muntjak Aufn. 20. April 1995. Eine individuelle Freundschaft. Allerdings können Jungtiere, wenn sie nicht in erhöhten Wurfboxen geboren werden, durch Muntjaks gefährdet sein, da diese auch ab und zu kleine Säugetiere oder Vögel zu sich nehmen. die Heimat 77/2006 107 Abb. 20. Plakette. Aufn. Frühjahr 1979. Stolz sind wir, für den Bau des Affentropenhauses diese Auszeichnung erhalten zu haben. und die Südamerikaanlage mit einbezog. Der Weg zum Schlösschen führte nun über eine Brücke. Es entstand eine Teich-Sumpfanlage, die dem frei herumlaufenden Wassergeflügel, den Stelzvögeln sowie den „Zoogästen“ in Gestalt von Fischreihern und Stockenten ein ihnen angemessenes Biotop bot. Hinter dem Schlösschen setzt sich die Sumpf- und Wasseranlage fort. In diesem Bereich erhielten Fischotter und Servale ihre Freianlagen. Die Kleinen Pandas wurden aus ihren Kleinstbehausungen befreit und erhielten, vergesellschaftet mit chinesischen Muntjaks, ein Freigehege im Birken-Kiefernhain. Am Rande des alten Grotenburgparks schließt sich das Dickhäuterhaus für Elefanten, Nashörner und Zwergflusspferde sowie das Löwenhaus an. Das im Wald liegende kleine Vogelhaus ersetzten wir später durch eine gläserne Vogelhalle. Internationale Anerkennung durch das Affentropenhaus terirdischen Höhlen für Hyänenhunde sollte hieran angeschlossen werden. Aus zeitlichen Gründen konnte die Planung jedoch nicht mehr verwirklicht werden. In den Waldteil zogen Barasinghahirsche, Elche, Dallschafe und Rentiere ein. Letztere wurden später durch Moschusochsen ersetzt. Luchse und Eulen erhielten am Waldesrand ihre Unterkünfte. Der Parkcharakter wurde unterstrichen, indem der kleine Wassertümpel vor dem Grotenburgschlösschen bis in den Eingangsbereich erweitert wurde Zu den Marksteinen der Weiterentwicklung des jungen Zoos gehörten die neu entstandenen größeren Tierhäuser. Es begann mit einer Begegnung, die der Traum eines jeden Zoodirektors ist. Ein unbekannter, bescheidener Mann kam und sagte: „Hier haben Sie zwei Millionen Mark. Schaffen Sie damit etwas ganz Besonderes in Ihrem Zoo, an dem sich die Krefelder Bürger erfreuen werden.“ Der Mann hieß Walter Gehlen. In der Folge wurde die Walter-Gehlen-Stiftung in Form von Immobilien im geschätzten Wert von 2,7 Millionen DM gegründet, womit die Finanzie- Abb. 21. Walter Gehlen mit dem Modell des Affentropenhauses, daneben Walter Encke mit Orang Dytje und Architekt Erwin Busch. Aufn. 1975. Ohne Walter Gehlens große Stiftungen hätte der Krefelder Tierpark sich nie zu einem Zoologischen Garten entwickeln können. 108 die Heimat 77/2006 rung des ersten großen Tierhauses im Krefelder Zoo gewährleistet war. (Befremdlich ist, dass das zweckgebundene Stiftungsvermögen von Walter Gehlen bis zum heutigen Tag niemals im Haushalt des Zoos erwähnt wird und man nichts von freiwerdenden Geldern erfährt.) Es entstand das Affentropenhaus (Baubeginn 1973, Eröffnung 1975, Kosten 1,9 Millionen DM). Doch zuvor hatten wir ein Problem zu lösen. Wollten wir unserem Prinzip treu bleiben und den Parkcharakter des Tierparks erhalten, hatten wir für ein derartiges Gebäude keinen Platz. Also suchten wir nach einer Erweiterungsmöglichkeit des Geländes. 1970 stellte uns die Stadt schließlich ein angrenzendes circa 60 m breites und circa 350 m langes Parkgelände entlang der Grotenburgkampfbahn zur Verfügung. Da wir keine Mittel zur Erschließung des Geländes hatten, baten wir die in Krefeld stationierte englische Pioniereinheit um ihre Hilfe. Mit der Genehmigung der englischen Königin begannen diese noch im Frühling 1972 mit ihrer Arbeit. In der Hauptsache handelte es sich um Erdarbeiten in Form von der Verlegung des Strom-, Wasser- und Kanalnetzes sowie dem Bau von Wegen und Vorarbeiten für die geplanten Freianlagen. Die Planung des Affenhauses begann gemeinsam mit dem Kölner Zooarchitekten Kurt Meywald 1971. Auf der Grundlage der Feldbeobachtungen über Schimpansen und Gorillas von Jane Goodall und George B. Schaller entstanden geräumige Taganlagen mit gemeinsamen Nachtunterkünften, die die Struktur einer natürlichen sozialen Gruppenbildung ermöglich- Abb. 22. Sergeant Lawrence, Dr. W. Encke, Dr. R. Pirling. Aufn. 1972 Stadtbildstelle Krefeld. Bei seinen Erdarbeiten im Erweiterungsgelände fand Serg. Lawrence, Pionier bei der britischen Rheinarmee, eine jungsteinzeitliche Steinaxt, Alter ca. 5 000 Jahre. Somit steht unser Affentropenhaus auf einem uralten historischen Boden. ten. Auf eine nächtliche Einzeleinstallung, wie es bis dahin üblich war, verzichteten wir, da eine solche Haltung dem natürlichen Verhalten der Tiere widerspricht. Einzelboxen wurden lediglich für den „Notfall“, d. h. für kranke Tiere eingeplant. Das Haus wurde im Stil eines holländischen Treibhauses überbaut; mit einer fast tropischen Urwaldbepflanzung schufen wir ein den Tieren angemessenes Klima. Tagsüber bewegen sich die Tiere wie auf einer Lichtung, umgeben von Pflanzen, freifliegenden Vögeln und Flughunden. Über den Gehegen können die Dächer komplett geöffnet werden, so dass den Tieren durch Wind und Regen ein Klimawechsel geboten werden kann. Durch die neue, sehr freie Haltungsform erübrigte sich jegliche Handaufzucht. Es entwickelten sich besonders bei den Schimpansen und Gorillas über mehrere Generationen hinweg harmonische Gruppen, die mittlerweile die räumlichen Grenzen erreicht haben. Abb. 23. Affentropenhaus, Außenansicht. Aufn. 1975 Stadtbildstelle Krefeld. Das Affentropenhaus war für damalige Zeiten, in denen man noch der aseptischen „Ba- Abb. 24. Borneo Orang Utan. Aufn. August 1979. Mutter Mina mit ihrem Sohn Tondi, geb. am 09. Februar 1979. Abb. 25. Flachlandgorilla. Aufn. 23. Juli 1985. Mutter Boma mit Tochter Bagira, geb. am 6. Juni 1985. Abb. 26. Affentropenhaus Innen. Aufn. 21. März 1992. Alle zwei Jahre wird das Affentropenhaus für drei Tage in ein Orchideenparadies verwandelt. Abb. 27. Waldhopf mit Jungem. Aufn. März 1997. Freifliegende Vögel und Flughunde beleben das Affentropenhaus. die Heimat 77/2006 109 Abb. 28. Schimpansengruppe. Aufn. 1981. Abb. 29. Schimpanse. Aufn. April 1985. Mutter Trixi mit ihren Zwillingen. Abb. 30 – 32. Schimpansen. Aufn. 10. April 1985. Mutter zeigt ihrem Sohn, was man mit einer Papierröhre alles machen kann. dezimmerkachel-Haltung“ huldigte, ein absolutes Novum. Die neuen Haltungsmethoden fanden weltweit ein positives Echo. Viele Kollegen aus dem In- und Ausland kamen, um die Anlagen zu besichtigen und Anregungen für eine Weiterentwicklung im eigenen Zoo mitzunehmen. Der Krefelder Tierpark wurde damit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und hatte vom Tag der Eröffnung an einen jährlichen Mehrbesuch von 50 000 Besuchern. Darüber hinaus wurde der Krefelder Tierpark aufgrund seiner hervorragenden tiergärtnerischen Arbeit 1971 in den Internationalen Zoodirektorenverband gewählt. Dickhäuter ziehen ein Es begann 1970 damit, dass die vormalige Hühnerwiese einen breiten Graben, dimensioniert für Elefanten und Nashörner, erhielt. 110 die Heimat 77/2006 Abb. 33. Zwergflusspferde im Außengehege. Aufn. 1979. Leider vertrugen sie sich später nicht mehr, so dass es nie zur Zucht kam. Dahinter wurden zunächst Wildesel gehalten. Im August 1971 ließen wir uns zwei kleine indische Elefanten schenken, einen von Jutta und Bodo Franke, einen von der Brauerei Rhenania. Es entstand eine provisorische Holzunterkunft für sie auf dem Freigehege der Wildesel, die sie jedoch mit zunehmenden Alter und entsprechenden Kräften zu demontieren begannen. Das Provisorium musste durch einen Massivbau ersetzt werden, wollte man sich nicht von den Publikumslieblingen trennen. Die Stadt zögerte, das Land NRW sprang ein und stellte dem Zoo 1976 aus den Konjunkturförderungsmitteln Gelder in Höhe von 848 000 DM zum Bau des Hauses zur Verfügung. Nun war freie Hand zur Planung gegeben. Das Raumprogramm sah Stallungen und Gehege für vier Elefanten, drei Nashörner und ein Paar Zwergflusspferde vor. Vom Löwenhaus zur GuerezaAnlage Auch das Löwenhaus hat seine eigene Geschichte. Im März 1962 schenkte die Rheinische Post dem Tierpark zwei männliche Löwen. Solche Spenden können manchmal zu Danaergeschenken werden. Man muss sie dann zu nehmen wissen. Damals hatten wir noch keine geeignete Behausung für derartige Großkatzen und brachten die Jungtiere provisorisch im Vogelhaus unter. Als diese die erste Drahtglasscheibe durchbrochen und im Nebengehege unsere Reiher vertilgt hatten, war der Druck auf die Stadt, die das Geschenk angenommen hatte, groß genug, um Gelder für eine Löwenunterkunft zur Verfügung zu stellen. Für 163 000 DM wurde 1963 ein Löwenhaus gebaut. Nach 32 Jahren Löwenhaltung und -zucht entschieden wir uns, von einer weiteren Lö- Abb. 34. Südliches Weißes Nashorn. Aufn. 1983. Aus dem ersten Export von Weißen Nashörnern aus dem Umfolozipark Südafrikas erhielten wir ein Männchen und zwei Weibchen. Als stark gefährdete Nashornart in Afrika stellten sie für uns eine Herausforderung dar. Viele Jahre später änderte sich das Bild. Nicht die Weißen – sie vermehrten sich gut in den Nationalparks – sondern die Schwarzen Nashörner drohten durch Wilderer für immer aus Afrika zu verschwinden. Darüber hinaus machte man die Erfahrung, dass Weiße Nashörner fast nur in Gruppen zur Zucht schreiten, Schwarze dagegen paarweise züchten. So trennten wir uns von unseren Weißen, gaben sie in bestehende Nashorngruppen und übernahmen ein junges Paar Schwarze Nashörner aus der Zoozucht von Berlin und Dvur Kralove. wenhaltung Abstand zu nehmen. Der Grund war, dass der Löwenbestand in den Zoologischen Gärten weltweit gesichert ist und Nachzuchten, da sie nur noch schwer absetzbar sind, häufig eingeschläfert werden müssen. Damit wurde ein weiträumiges Gehege frei, das wir für die sehr bewegungsfreudigen Guereza-Affen vorsahen. Das Außengehege wurde mit einem Netz überspannt. Die hierfür notwendige Innenstütze ist der Stamm einer Abb. 35. In eine Guereza-Anlage umgewandeltes Löwengehege. Aufn. 1995. Würgefeige aus Kalifornien. Der geräumige Innenkäfig wurde von einer Studentin (Katharina David) der Fachhochschule Niederrhein gestaltet. Es war zugleich ihre Diplomarbeit. Die weiten Maschen des Außenzauns nutzen die Jungtiere zur Freude der Besucher zum Durchschlupf in die große Freiheit. Durch den engen Kontakt zur Mutter entfernen sie sich jedoch nie weit weg vom Gehege und kehren stets wieder zurück. Abb. 36. Guereza. Aufn. 1995. Junger Guereza genießt die Freiheit, solange er sich noch durch die Maschen zwängen kann. die Heimat 77/2006 111 Abb. 37. Vogeltropenhalle außen. Aufn. 1995. Innovative Vogeltropenhalle Der Bau der Vogeltropenhalle (Baujahr 1988, Gesamtkosten circa 875 000 DM, davon Spenden in Höhe von circa 675 000 DM) war nur möglich durch die großzügige Spende von Walter Gehlen in Höhe von 400 000 DM. Hinzu kamen die Mitfinanzierung durch den Freundeskreis in Höhe von 100 000 DM, die Makrolonplattenspende der Firma Bayer zur Dacheindeckung (circa 100 000 DM) sowie weitere Sach- und Pflanzenspenden in Höhe von rund 65 000 DM. An der Stelle des alten Vogelhauses entstand eine 560 qm große gläserne Freiflughalle mit Abb. 38. Vogeltropenhalle innen. Aufn. 1990. fünf eingebauten Volieren. Durch eine feine, fast unsichtbare Fadenkonstruktion, hergestellt aus einzeln gespannten Stahlfäden, wird die Einheit des Raumes kaum gestört. Der Vogelbestand ist in den einzelnen Einheiten nach Kontinenten und Landschaften getrennt; ausgenommen sind die frei im Besucherbereich fliegenden Vögel. Erstmals in einem Zoo wurde – wie im gesamten Außenbereich des Zoos – auch im Haus auf einen befestigten Besucherweg verzichtet. Wir beschichteten den natürlichen Waldweg lediglich mit Rindenmulch, der je nach Abnutzung jährlich circa zweimal ausgewechselt wird. Der Mulch hat den Vorzug, dass er bepflanzt Abb. 39. Katzenvogel. Aufn. 9. Februar 1993. Im Besucherraum baute er ungestört sein Nest und zog seine Jungen groß. 112 die Heimat 77/2006 werden kann, man keine Schrittgeräusche hört und beim Eintritt ins Haus in einer natürlichen Atmosphäre bleibt. Die Stille des Hauses, die nur vom Gezwitscher und Gesang der Vögel unterbrochen wird, wird erstaunlich stark vom Besucher respektiert. Im afrikanischen Teil dient eine zwei Meter tiefe, zwei Meter hohe und vier Meter breite Lösswand Eisvögeln und Bienenfressern als Brutwand. In selbst gebauten Bruthöhlen wurden bis 2003 über 80 Bienenfresser (Scharlach- und Weiskehlbienenfresser) erbrütet. Der Sand vor der Wand wurde zusätzlich beheizt, um den Krokodilwächtern eine Brutmöglichkeit zu bieten. Nach jahre- Abb. 40. Senegaltrappe mit Jungtier. Aufn. Herbst 1993. Ein seltener Zuchterfolg. Abb. 41. Weißkehlspinte in selbst gebauten Bruthöhlen der Afrikavoliere. Aufn. 16. Februar 1993. langem Warten brüten die Krokodilwächter seit 2001 erfolgreich. Weitere erfolgreiche Bruten im Haus sind die Fasanentauben, Weißohr-Katzenvögel, Doppelband-Rennvogel, Blaunacken-Mausvögel, Zwerggänse und Weißbauchtrappen. Der lange Weg zum Regenwaldhaus – Schwerpunkt Südamerika Benannt ist das Regenwaldhaus nach seinem Spender Walter Gehlen (Gehlenhaus). Eröffnet wurde es im August 1998. Die Gesamtkosten beliefen sich auf circa 4,7 Millionen DM. 1992 erhielt der Freundeskreis aus dem Nachlass von Walter Gehlen ein Erbe mit der Auflage, dies für ein zukunftsweisendes modernes Tierhaus zu verwenden. Wie im Fall des Affentropenhauses stellte sich die Frage eines geeigneten Platzes für dieses Abb. 42. Gelbes Wollopossum mit Jungem. Aufn. 1998. Sie gehören zu den Beutelratten, die bereits vor 65 Millionen Jahren im Tertiär in Südamerika lebten. Von hier aus verbreiteten sie sich bis nach Australien und wurden die Urahnen aller australischen Beuteltiere. Abb. 43. Zweizehenfaultier mit Jungem, geb. am 28. Oktober 1995. Aufn. 1995. Hiermit gelang uns zum ersten Mal diese seltene Zucht. Haus. Wir baten die Stadt, uns den seit über 30 Jahren fast ungenutzten Bolzplatz hinter der Grotenburgkampfbahn im Anschluss an das Gelände des Affentropenhauses zu überlassen. Wir sahen darin einen idealen Platz für die geplante große Tropenhalle. Die Idee war, die Tropenhalle mit einem exquisiten Tropenrestaurant zu verbinden. Damit wäre es möglich gewesen, auch abends die Tropenhalle mit ihren nachtaktiven Tieren zu besuchen. Mit einem zusätzlichen Zooeingang und den nahe gelegenen Parkmöglichkeiten wäre es ein weiterer Anziehungspunkt vor al- lem für auswärtige Besucher geworden. Die erleuchtete Tropenhalle direkt an der Berliner Straße gelegen, wäre zu einem Wahrzeichen Krefelds geworden. Aber leider ist im politischen Raum die Sport-Lobby diesbezüglich größer als die der Kultur, und man vermisst seit langem eine vorausschauende, mutige und kreative Stadtplanung. So mussten wir am Ende mit einem sehr beengten, wenig attraktiven Bereich im Anschluss an das Zooschulgelände vorlieb nehmen, der in der Zielplanung als zoopädagogisches Zentrum ausgewiesen worden war. Abb. 44. Gehlenhaus Außenansicht. Aufn. 9. Oktober 1998. Abb. 45. Gehlenhaus Innenansicht. Aufn. 15. August 1999. die Heimat 77/2006 113 Abb. 46. Blattschneider-Ameise. Aufn. 1998. Nach einer langen Verzögerungstaktik von drei Jahren nahm die Stadt schließlich 1995 das Erbe an, und im Sommer konnte endlich der Grundstein gelegt werden. Ein hohes Lob sei dem Freundeskreis gezollt, der den Mut hatte, in eigener Regie und Verantwortung das Haus zu erstellen, um es dann schlüsselfertig der Stadt zu übergeben. Das Haus ist der südamerikanischen Tropenwelt gewidmet, d. h. es ist ausschließlich mit Pflanzen und Tieren dieser Region bestückt. Es ist allseitig transparent, hat eine Höhe von circa 17 m und eine Fläche von circa 1 430 qm. Wir haben versucht, durch möglichst wenige Gitter und andere störende Absperrungen die Atmosphäre eines tropischen Urwalds zu imitieren. Hauptthemenbereiche sollten das Zusammenspiel oder auch die gegenseitige Abhängigkeit von Mensch, Tier und Pflanze sein. Einige Beispiele dazu: Blütenbestäubende Insekten (Schmetterlinge), Vögel (Kolibris) und Säugetiere (nektarsaugende Fledermäuse), die Nutzung der Pflanze als Nahrung, Gewürz und Heilmittel, Blattschneiderameise als Regulator im Ökosystem und als Beispiel einer Symbiose zwischen Tier und Pflanze (Pilz). Ein einzigartiges Phänomen der südamerikanischen Tropen, das gezeigt werden sollte, sind die großen Schmetterlingsansammlungen. Es handelt sich hierbei meist um Schmetterlinge aus der Familie der Helekonidae. Sie haben die Besonderheit, dass sie einen unangenehmen Geruch verbreiten, scheußlich schmecken und oft sogar giftig sind. Ihre grellen Farben warnen jeden Insektenfresser vor dem Verzehr. So können sie es sich leisten, offen ohne Furcht in Massen aufzutreten. Dieses Phänomen haben sich Schmetterlinge anderer Familien zueigen gemacht, indem sie die Helekoniden bis zur Nichtunterscheidbarkeit nachgeahmt haben. Mit Erfolg schützt diese Mimikry die wohlschmeckenden Schmetterlinge vor ihren Feinden. Ob die im Haus lebenden Kolibris, Echsen und Krallenäffchen auf diese Täuschung hereinfallen, wäre einen Versuch Abb. 48. Spitzmaus-Langzungen-Fledermaus. Aufn. 1999. Nektarsaugende Fledermäuse können wie Kolibris auf der Stelle schwirren. Mit ihren langen Zungen können sie somit den Nektar aus den nur für sie bestimmten „Fledermausblüten“ saugen, ohne die Blüte zu verletzen. 114 die Heimat 77/2006 Abb. 47. Schmetterling aus der Familie der Heleconidae. Aufn. 1998. wert. Erst einmal müssen sie mit den Ungenießbaren ihre Erfahrung gemacht haben. Weitere Tiere, die die Fauna der südamerikanischen Tropen in besonderem Maße charakterisieren, sind: Gürteltiere, Faultiere, Tamanduas, Krallenäffchen, Anakondas und Süßwasserrochen. Als Besonderheit wurden uns Vampire aus dem Forschungsprogramm des Zoologischen Instituts der Bonner Universität zur Verfügung gestellt. Ein spezielles Abb. 49. Keilkopfglattstirnkaiman. Aufn. 3. September 1999. Wir hoffen, dass sie in ihrer neuen Behausung in selbstgebauten Nestern ihre Eier ablegen. Sumpf- und Überschwemmungsgebiet als Brutbiotop für Augenbrauenkaimane sollte dem Haus seine eigene Atmosphäre verleihen. Ein Dank sei hier an die Botanischen Gärten von Berlin, Bonn, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Gießen, Köln und Marburg ausgesprochen, ohne deren Hilfe eine konsequente Spezialisierung auf eine südamerikanische Pflanzenwelt kaum möglich gewesen wäre. Leider konnte das Haus von mir nicht vollendet werden; so blieben einige Vorstellungen unverwirklicht. Dazu gehörte auch eine Informationshalle, die zur Aufschlüsselung biologischer Zusammenhänge beitragen sollte, sowie eine begehbare Außenvoliere für einheimische Schmetterlinge, Amphibien und Reptilien. Abb. 50. Junge Geparden mit Katzenamme, geb. am 25. April 1960. Aufn. Mai 1960. „Problemtiere“ – eine wesentliche Aufgabe Zoologischer Gärten Als ich meinen Dienst antrat, war zwei Tage zuvor einer der beiden weiblichen Geparden, die seit dem 24. Oktober 1957 im Krefelder Zoo lebten, gestorben. Sie stammten aus Südwest-Afrika und waren vier Jahre alt. Im Juli des Jahres 1959 konnte ich einen männlichen Partner erwerben. Zur Eingewöhnung lebte er zunächst getrennt durch einen einfachen Maschendraht neben dem Weibchen. Eines Nachts durchbrach er den Zaun, und wir fanden morgens beide friedlich nebeneinander liegen. Das Ergebnis war die Geburt von vier Jungen am 25. April 1960. Da ich unsicher war, ob die Mutter – sie war sehr nervös – sie annehmen würde, nahm ich ihr direkt nach der Geburt zwei Junge fort und gab sie in die Obhut einer Katzenamme. Damit gelang es uns, weltweit die ersten in einem Zoo geborenen Geparden aufzuziehen. Vor dem Hintergrund, dass schon die Sumerer 4 000 v. Chr. und die Ägypter 1 200 v. Chr. Geparden zu Jagdzwecken hielten, aber erst 1960 die Gepardenzucht in einem zoologischen Garten gelang, kam dieses Ereignis einer kleinen Sensation gleich. Nach vielen Recherchen glaubten wir des Rätsels Lösung zu haben: Gepardenpaare mussten getrennt gehalten werden, und erst kurz vor der Hitze durfte das Männchen zum Weibchen gelassen werden. Auf dieser Erkenntnis beruhten die späteren Zuchterfolge in Zoologischen Gärten. Um in Krefeld die Gepardenzucht wieder aufzunehmen, bauten wir getrennte Freigehege – mit Abb. 51. Junge Geparden. Aufn 2. Dezember 1960 Stadtbildstelle Krefeld. Daphne und Diana, geb. 25. April 1960, sind die ersten Geparden, die in einem Zoo geboren und aufgezogen wurden. dem Erfolg, dass ab 1986 kontinuierlich Geparden gezüchtet wurden. Während eines Besuches bei einem holländischen Tierhändler im Juli 1962 entdeckten wir in einem dunklen Verließ einen weiblichen Schneeleoparden (Irbis). Eine Vorderpfote war stark verletzt – ein Zeichen dafür, dass es sich um ein Wildtier handelte, dass in einer Falle gefangen wurde. Zum Glück konnten wir die Schneeleopardin erwerben und sie aus ihrer Behausung erlösen. Wir nannten sie Nuschka. Sie sollte der Grundstein für eine systematische Irbis-Zucht werden. Irbisse wurden bis dahin nur sehr selten in Zoologischen Gärten gehalten: Zu jener Zeit gab es in deutschen Zoologischen Gärten lediglich Abb. 52. Junge Geparden, geb. am 28. Dezember 1993. Aufn 2. Dezember 1994. Neuer Beginn der Gepardenzucht in der neuen Gepardenfreianlage. die Heimat 77/2006 115 Abb. 53. Schneeleopard. Aufn. Dezember 1966. Nuschka mit ihren ersten Jungen, geb. am 13. Juni 1966. ein Paar in Ost-Berlin. Da wir für Nuschka keinen Partner fanden, gingen wir mit ihr auf „Hochzeitsreise“ nach Arnheim. Daraus entstand nicht nur eine sehr enge Freundschaft mit Anton van Hoff, dem Zoodirektor von Arnheim, sondern auch die erste florierende Irbis-Zucht in deutschen Zoos. Die Heimat der Schneeleoparden sind die Gebirgszüge des Himalajas in einer Höhe von 4 000 bis 5 000 m. Während die Haltung von Großkatzen wie Tiger, Löwen, Jaguare und Leoparden in Zoos auf keine großen Schwierigkeiten stößt, kann man dies beim Irbis nicht behaupten. Grund hierfür sind wahrscheinlich die geographischen Gegebenheiten mit ihren extremen Lebensbedingungen, die eine Eingewöhnung besonders schwierig machen. Um auf diesem Gebiet nicht alleine zu stehen, schlossen sich zunächst die Zoologischen Gärten von Zürich, Helsinki und Krefeld, die die Zucht von Schneeleoparden zu ihrer vordringlichen Aufgabe gemacht hatten, zusammen. In einem zweijährigen Rhythmus trafen wir uns zum Erfahrungsaustausch und wurden zum Kernpunkt einer europäischen Erhaltungszucht von Irbissen. Aus unseren Treffen entwickelte sich ein europäisches und später ein internationales Symposium mit Helsinki als Zentrale für ein internationales Zuchtbuch für Schneeleoparden. Dank der finanziellen Unterstützung des Freundeskreises war es möglich, eine Zuchtstation aufzubauen mit dem Erfolg, dass in der Zeit von 1964 bis 1996 aus unseren Nachzuchten über 20 Schneeleoparden von Krefeld aus in alle Welt geschickt wurden. Leider ist es heute nicht mehr einfach, die Nachzuchten in gute Hände weiter zu vermitteln, so dass die Zucht gedrosselt werden musste. Positiv war, dass wir nun die Jungen über zwei Jahre hinweg – so wie es in der Natur üblich ist – bei 116 die Heimat 77/2006 Abb. 54. Hyänenhundjunge mit Hundeamme, geb. am 17. November 1962. Aufn. Dez. 1962. der Mutter belassen konnten. Auf diese Weise entscheidet die Mutter, wann sie sich von den Jungen trennt. Damit ist sie auch nur alle zwei bis drei Jahre aufnahmefähig. Es besteht die Hoffnung, in Zukunft Mutter-Kind-Gruppen in verwaiste Schneeleoparden-Biotope neu einbürgern zu können. Vielleicht ist das 1998 geschaffene Biosphärenreservat in Kirgisien ein geeigneter Ort. 1959 besaß der Krefelder Tierpark drei Hyänenhunde, zwei Weibchen und ein Männchen. Aus den Erfahrungen, die ich im Kölner Zoo gemacht hatte, wusste ich, dass ihre Zucht äußerst problematisch ist. Zum einen war erst seit den Feldbeobachtungen von Hugo und Jane van Lawick-Goodall 1970 mehr über ihr Leben in freier Wildbahn bekannt, vor allem was ihr soziales Gefüge und ihre gemeinsame Welpenaufzucht betraf. Zum anderen konnten wir uns auch nicht auf die Erfahrungen von natürlichen Aufzuchten anderer Zoologischer Gärten stützen. Auch uns misslang der Versuch, Neugeborene von der Mutter aufziehen zu lassen. Hauptursache war, dass die Hyänenhundgruppe in der ihnen gebotenen Umgebung keine Ruhe finden konnte, um ihre Jungen aufzuziehen. Zwischen 1959 und 1966 besorgten wir uns geeignete Hundeammen, wodurch die Aufzucht ohne allzu großen Aufwand erfolgen konnte. Wir beobachteten allerdings eine ungewöhnlich große Anfälligkeit für Wurmbefall und Rachitis, was eine Vitaminisierung und UV-Bestrahlung notwendig machte. Bis 1966 konnten wir auf diese Weise 36 Junge aufziehen. Allerdings war die Haltungsweise nicht befriedigend. Denn nur die natürliche Aufzucht gibt uns die Gewähr, nicht auf Menschen geprägte Tiere zu erhalten, was unbedingte Vorausetzung ist, wenn man sie wieder in die freie Wildbahn auswildern möchte. Deshalb entschlossen wir uns, auf eine weitere Haltung von Hyänenhunden zu verzichten, bis zur Schaffung eines Freigeheges, in dem sie ungestört ihrer Welpenpflege nachkommen könnten. Die Wiederaufnahme der Zucht ist umso dringlicher, als in der Zwischenzeit die Überlebenschancen der Hyänenhunde in ihrer Heimat Afrika beängstigend gering geworden ist. Meine erste Begegnung mit einem Mähnenwolf hatte ich als Student im Zoo von Antwerpen. Er zog mich so in seinen Bann, dass ich mir insgeheim schwor, Mähnenwölfe zu erwerben, sollte ich einmal in einem Zoo etwas zu sagen haben. 1963 war es soweit: Einem Tierhändler, der sich auf die Tierwelt Südamerikas spezialisiert hatte, gab ich den Auftrag, Mähnenwölfe für den Krefelder Zoo zu besorgen, wohl wissend, dass ich mit vielen Problemen rechnen musste. Es lebten zu dieser Zeit in Europäischen Zoos lediglich ein Abb. 55. Mähnenwolf. Aufn. 1981. Jungtiere, geb. 11. November 1981, im Außenbereich des Zoos. Abb. 56. Mähnenwolf. Aufn. 1986. Mähnenwölfe können bis ins Alter hinein sehr kommunikationsfreudig bleiben. Tier in Antwerpen und je ein Paar in Frankfurt, London und Barcelona. Eine Zucht war bisher weltweit nicht gelungen. Zeitgleich mit dem Frankfurter Zoo gelang uns 1969 die erste Zucht von Mähnenwölfen. Aber das war noch nicht der Durchbruch zu einer problemlosen Mähnenwolfhaltung. Die Verluste waren immer noch zu hoch. Von nordamerikanischen Zoos erfuhren wir, dass die Hauptverluste durch eine seuchenhafte unheilbare Darmerkrankung verursacht wurden. Leider mussten auch wir diese Erfahrung machen. Um so wichtiger war es uns, nicht aufzugeben, sondern die Ursache der tödlichen Erkrankung zu finden. Dank der guten Zusammenarbeit mit unserem Tierarzt, Dr. Reinhold Gandras, dem Pathologen des Staatlichen Veterinäruntersuchungsamts Krefeld, Dr. Hannes Bienik, und dem Virologischen Institut der LudwigMaximilian-Universität von München deckten wir schließlich die Ursache der Darmerkrankung auf. Es handelte sich nachweislich um ein Parvo-Virus, der bis dato nur als Krankheitserreger bei Katzen bekannt war. Da es gegen diesen Virus einen Impfstoff gab, war eines der wesentlichsten Probleme der Mähnenwolfhaltung gelöst. Durch eine nunmehr kontinuierliche Zucht konnten wir unser Wissen über diese heikle Tierart bezüglich ihres Verhaltens, der Ernährung, Parasitenanfälligkeit usw. erweitern und somit einen Beitrag zur Erhaltung dieser Tierart leisten. Bis 1996 konnten wir 25 Tiere aus unserer Zucht an andere Zoologische Gärten abgeben. Zurzeit ist der Bestand an Mähnenwölfen in Zoologischen Gärten gesichert. Eine Herausforderung an einen Tiergärtner ist die Haltung von Elchen; sie zur Zucht zu bringen, ist auf jeden Fall spannender, als Damwild oder Rothirsche zu züchten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Elch von deutschem Boden verschwunden. Das veranlasste uns damals, uns der Elchzucht in besonderem Maße anzunehmen, zumal es in deutschen Zoos nur wenige Zuchterfolge Abb. 57. Elchzwillinge, geb. am 1. 7. 1978. Aufn. Winter 1978 / 79. zu verzeichnen gab. Hauptgrund der Haltungsschwierigkeiten ist die anspruchsvolle Ernährung der Elche. Elche leben in Sumpfgebieten und bevorzugen als Nahrung Rinde, Weichholz, Laub und Wasserpflanzen. Seit 1960 bemühten wir uns um die Zucht dieser heiklen aber auch besonders attraktiven Hirschart. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten hatten wir seit 1973 fast jährlich Nachzucht. Den typischen Baum des Niederrheins, die Kopfweide, machten wir uns zunutze. Wir holten uns von der Naturschutzbehörde die Erlaubnis, das ganze Jahr über Weidenzweige zu schneiden. So konnten wir unseren Elchen ihre Lieblingsnahrung in Form von Weidenlaub und Ästen bieten, was mit Sicherheit ein Grund war, warum die Haltung und Zucht relativ komplikationslos verlief. Wohl zu den größten Raritäten eines Zoos gehören die Berganoas, ein Zwergrind aus Celebes. Über die einzige europäische Zucht im Berliner Zoo konnte ich 1976 ein Männchen und ein Jahr später ein Weibchen erwerben. Das sollte der Grundstock für die weltweit einzige Zucht außerhalb Südost-Asiens werden. Von den elf Jungtieren, die wir bis 1996 groß zogen, waren nur drei Weibchen, (ein Weibchen 1986 und zuletzt 1995 zwei Weibchen). Das war ein schlechter Ausgangspunkt für eine florierende Zucht. Hinzu kam, dass es uns trotz vieler Bemühungen nicht gelang, zur Blutauffrischung zusätzliche Tiere zu bekommen. Ein Ende der Zoozucht ist demnach abzusehen. Das ist umso bedauerlicher, als eine gut gehende Zucht in Zoologischen Gärten notwendig wäre, da die Tiere in der freien Wildbahn hochgradig gefährdet sind. Abb. 58. Berganoa. Aufn. 1991. die Heimat 77/2006 117 Abb. 59. Moschusochse. Aufn. 1992. Vater und Mutter mit Jungem, geb.am 21. August 1991. Zusammenarbeit Zoologischer Gärten Der Moschusochse ist ein Beispiel für die gute Kooperation der Zoologischen Gärten untereinander. Durch Abschuss und Entnahme von Moschusochsen für Zoologische Gärten war der Wildbestand drastisch zurückgegangen. Da die Lebenserwartung in Zoos für Moschusochsen damals nur ein bis zwei Jahre betrug, wurde ein Haltungsverbot für Zoologische Gärten ausgesprochen. Erst nach guten Zuchterfolgen in kanadischen Farmen wurde dieses wieder aufgehoben. 1960 erhielt der Berliner Tiergarten Friedrichsfelde das erste Paar. Während früher jeder Zoo für sich ehrgeizige Zuchten von seltenen Tieren aufbaute, werden heute bedrohte Tierarten, zu denen auch der Moschusochse gehört, in internationalen Zuchtbüchern geführt und Programme zum Aufbau von Zuchtgruppen erarbeitet. Im Idealfall – das hängt von der Einstellung der jeweiligen Zooleitung ab – wird die Nachzucht aus dem Handel genommen und kostenlos einem geeigneten Zoo zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise erhielten wir 1989 ein Tier vom Zoo Bern und zwei Tiere vom Zoo Kopenhagen. Um Platz für sie zu schaffen, verzichteten wir auf die weitere Haltung von Rentieren. Diese wurden mittlerweile in benachbarten Zoos so gut gezüchtet, dass für uns eine „Haltungsverpflichtung“ nicht mehr bestand. Wir hoffen nun, durch eine erfolgreiche Zucht der Moschusochsen einen Beitrag zu leisten, diese sensiblen und wunderbaren Tiere der Nachwelt zu erhalten. 118 die Heimat 77/2006 Abb. 60. Uhu in seiner Bruthöhle. Aufn. 1983. Abb. 61. Eisvogelbrutwand an der Kull in Krefeld. Aufn. 2005. Neubesiedlung der Natur mit „Zootieren“ Vom Zoo in die Natur Der Uhu ist ein Vorreiter der Idee, mit Hilfe von im Zoo geborenen Tieren verwaiste Landschaften, in denen diese vormals lebten, wieder zu besiedeln. Durch verantwortungslosen Abschuss war der einst noch recht häufig vorkommende Uhu 1950 fast überall in Deutschland ausgerottet. Der Uhu-Aktion, die 1956 begann, Nachzuchten aus Zoologischen Gärten im Harz, in der Eifel, in Bayern und Baden-Württemberg wieder einzubürgern, verdanken wir es, dass der Bestand heute wieder gesichert ist. Mit 13 Junguhus sind wir an diesem schönen Erfolg mitbeteiligt. Sollten Sie das Glück haben, in der Eifel einen Uhu zu hören oder gar zu sehen, so denken Sie daran – es könnte ein Krefelder sein. Aus dem Bereich der Vögel seien noch die Bienenfresser erwähnt. Für sie wurde eine spezielle Brutwand in der Vogelhalle konstruiert, die zu einem vollen Erfolg führte. Die Bienenfresser gruben Höhlen in die Wand und zogen über 80 Junge auf. Diese gute Erfahrung sollte in späteren Jahren Pate stehen für eine ähnliche Brutwand für Eisvögel an einer Krefelder Kull. Meine Frau und ich hatten Eisvögel beobachtet, wussten aber, dass sie kaum Steilwände an den Nieper Kullen für ihre Bruthöhlen fanden. So errichteten wir nach dem Vorbild im Vogelhaus des Zoos eine Brutwand am Rande der Kull. Kurz nach der Fertigstellung der Wand wurde diese von einem Eisvogelpaar besetzt und mit jährlich drei bis vier Bruten belegt. Das soll als Beispiel gelten, wie Zooerfahrungen auch für die Natur genutzt werden können. Abb. 62. Bienenfresserwand in der Vogeltropenhalle. Abb. 65. Jungfernkranich mit Jungen. Aufn. 1982. Abb. 63. Kronenkranich mit Jungen. Aufn. 7. Juli 1993. Abb. 64. Paradieskranich mit Jungtier. Aufn. 20. 8. 1984. Man muß auch Lieblinge haben Der Grundstock für eine Kranichzucht war ein Geschenk des damals bestehenden Verbandes NRW Zoos, der 1959 dem Krefelder Tierpark ein Paradieskranichpaar schenkte. Unser Streben fortan war, unterschiedliche Kranicharten in einem möglichst naturnahen Biotop zu halten. Kronen-, Grau-, Lilfort-, Pa- radies- und Jungfernkraniche lebten frei auf dem Zoogelände. Tagsüber hielten sie sich auf der Stelzvogelwiese auf. Sobald der letzte Besucher den Park verlassen hatte, wanderten sie durch das ganze Gelände und suchten sich im Frühjahr geeignete Brutplätze. Die übrigen Kranicharten wurden auf dem Gelände der Antilopen und Großen Ameisenbären mit diesen vergesellschaftet. Abb. 66. Mandschurenkranich. Aufn. Februar 1991. Abb. 67. Lilfordkranich. Aufn.18. März 1999. Abb. 68 Weißnackenkranich Jungtier fütternd. Aufn. Juni 1987. Abb. 69. Klunkerkranich auf dem Nest. Aufn. 1982. die Heimat 77/2006 119 Abb. 70. Tamandua „Ricki“. Aufn. November 1971. Sie lebte bei uns vom 1. November 1971 bis zum 29. November 1984. Abb. 71. Tamandua mit Jungem, geb. am 7. November 1984. Aufn. 15. Dezember 1984. Erste gelungene Aufzucht in einem Zoo. Unsere Südamerikaner Ameisenbär, Gürteltier, Faultier Wenig Beachtung in Zoos fand die Tierordnung der Nebengelenktiere – Ameisenbären, Gürteltiere und Faultiere. Sie stammen aus Südamerika und gehörten damit zu unseren Favoriten. Natürlich hatte es seinen Grund, dass diese Tierfamilien selten gezeigt wurden. Zum einen sind sie vorzugsweise dämmerungs- und nachtaktiv, zum anderen stellen sie hohe Ansprüche an ihre Ernährung. In ganz besonderer Weise beschäftigte uns der Kleine Ameisenbär, auch Tamandua ge- Abb. 72. Tamandua. Aufn. W. Encke, Januar 1985. Buni Encke mit „Niñu“, geb. 7. November 1984. Nur ihrer intensiven Beschäftigung mit den Tamanduas verdanken wir die Haltungserfolge. Die Haltung solcher Tiere bedarf der besonderen Aufmerksamkeit des Pflegers. Optimale Haltungsbedingungen für diese Tierart zu schaffen, gehört zu den reizvollen Aufgaben eines Zoos. Das Gehlenhaus wäre hierfür der geeignete Ort. Eine gewisse Vorarbeit wurde in den letzten Jahrzehnten in Krefeld geleistet. 120 die Heimat 77/2006 nannt. Er ist ein ausgesprochener Ernährungsspezialist und lebt fast ausschließlich von Baumtermiten. Als wir 1964 ein Jungtier von einem Tierhändler übernahmen, lag die durchschnittliche Haltungsdauer laut Literatur bei knapp einem Jahr. Grund hierfür war eine unzureichende beziehungsweise falsche Ernährung. Meine Frau beschäftigte sich intensiv mit diesem Problem, indem sie verschiedenste Futtermittel anbot, bis sie das geeignete Ersatzfutter gefunden hatte. Mit dem Ergebnis, dass unser erstes Tier über 13 Jahre lebte. Damit war die erste Klippe überwunden, nicht aber die Frage beantwortet, warum die Zucht nicht gelang. Bekannt wa- Abb. 73. Weißborstengürteltier. Aufn. Winter 1970 / 71. Abb. 74. Braunhaargürteltier mit Jungen, geb. am 29. April 1962. Aufn. 24. Mai 1962. Abb. 76. Zwerggürteltier. Aufn. Sommer 1972. Abb. 75. Berg- oder Andenborstengürteltier. Aufn. Herbst 1971. ren lediglich zwei Geburten im Zoologischen Garten von Lincoln in den Jahren 1959 und 1981. Eine kontinuierliche Zucht aber gab es nirgendwo. Endlich nach 16 Jahren geduldigen Arbeitens war uns das Glück hold. Ein Junges kam zur Welt und wurde von der Mutter problemlos aufgezogen. Inzwischen besteht zwischen dem Krefelder und dem Dortmunder Zoo, der sich ebenso wie wir auf die südamerikanische Fauna spezialisiert hat, eine Zuchtgemeinschaft, die seit 1984 eine gut laufende Tamanduazucht unterhält. Leider fehlte uns die Zeit, uns in gleicher Intensität den Gürteltieren zu widmen. Aber einige Zuchterfolge konnten wir auch bei ihnen verzeichnen. Die begonnene Zucht der Faultiere fand im Gehlenhaus seine Fortsetzung. Abb. 78. Neunbindengürteltier mit Jungen, geb. am 22. Dezember 1986. Aufn. 5. Februar 1987. Abb. 77. Kugelgürteltier. Aufn. August 1970. Abb. 79. Riesengürteltier. Aufn. April 1970. Es lebte fast ein Jahr und starb an einem Milztumor. Sein Bewegungsdrang und seine Lust zu graben erfordern ein dementsprechend großes Gehege, das wir unter unseren klimatischen Bedingungen nicht bieten können, somit ist eine „artgerechte“ Haltung kaum zu erreichen. die Heimat 77/2006 121 Seltenheiten Abb. 81. Schwarzes Löwenäffchen. Aufn. 8. August 1995. Ein wenig stolz waren wir, dass wir 1995 von der Brasilianischen Regierung über den Zoo Sao Paulo, neben den Zoologischen Gärten von Magdeburg und Jersey, zu den ersten europäischen Zoos gehörten, die jeweils ein Paar dieser Tiere leihweise zu Zuchtzwecken erhielten. Sie gehören zu den bedrohtesten Primaten.1981 lebten nur noch ca. hundert Tiere in freier Wildbahn. Abb. 80. Waldhund. Aufn.1995. Abb. 82. Sumpfhirsch. Aufn. März 1993. Trotz einer sehr engen Zusammenarbeit mit dem Berliner Zoo auf dem Gebiet der Sumpfhirschhaltung konnten weder wir noch der Berliner Zoo einen dauernden, sich vergrößernden Bestand aufbauen, der bei der großen Bedrohung in der Natur von Nöten gewesen wäre. Abb. 83. Jaguarundi mit Jungem, geb. am 30. April 1982. Aufn. Juli 1982. Seit Januar 1971 gehören sie zum festen Bestand des Zoos und seit Juli 1974 bis heute gelingt die Zucht dieser seltenen Schleichkatze. 122 die Heimat 77/2006 Abb. 84. Großer Ameisenbär. Aufn. September 1983, Südamerika, im Nat. Park Canastra. Er gehört seit 1965 zu unserem festen Tierbestand. Leider aber ohne Zuchterfolge. Oft bedarf es großer Ausdauer, vieler Geduld und immer wieder neuer Ideen bis man das Rätsel des Haltungsfehlers gelöst hat. Abb. 85. Darwin-Nandus. Aufn. Oktober 1992. Kostbarkeiten Abb. 86. Erdwolf mit Jungem, geb. am 9. Juni 1983. Aufn. Juli 1983. Die Zucht von Erdwölfen gehört zu den großen Seltenheiten in Zoologischen Gärten. Abb. 87. Dallschafe. Aufn. 24. Oktober 1992. Sie sind ein Geschenk von Senator Selbach, mit der Auflage, dass es ein Kanadisches Tier sein müsse. So konnten wir unserem Prinzip, keine Gebirgstiere zu halten, nicht treu bleiben. Die Versuchung war zu groß, diese wunderbaren, wenn auch heiklen Gebirgstiere, uns nicht schenken zu lassen. Ein paar große Findlinge müssen ihnen nun die Illusion vom Gebirge ersetzen. Abb. 88. Babirusa. Aufn. 1996. Eine Kuriosität der Natur. Ein Schwein besonderer Art. Abb. 89. Seychellen-Riesenschildkröte. Aufn. Aug. 1978. Sie überbieten alle Altersrekorde. Unsere sind ca. 80 Jahre alt, können aber doppelt so alt werden. die Heimat 77/2006 123 Elefantenhaltung – eine lange Diskussion Als ich mich im Krefelder Stadtrat als Tierparkleiter bewarb und vorstellte, wurde mir von freundlicher Seite geraten: „Erwähnen Sie nie den Elefanten! Vor allem sagen Sie nie, dass er in Ihrem Konzept vorgesehen ist.“ Prompt wurde ich danach gefragt, und ich antwortete, dass der Elefant wichtig wäre, wenn wir uns aus dem provinziellen Dasein heraus entwickeln wollten. Ich wurde trotzdem gewählt … Nun sind die Elefanten da und haben ihren Zweck erfüllt. Auf Grund unseres Tierangebots waren wir 1972 der Meinung, dass wir uns fortan Krefelder Zoo nennen könnten. Die Zeiten ändern sich. Elefanten, Menschenaffen und Großkatzen sind Symboltiere unserer alten ehrwürdigen Zoologischen Gärten. Kein Zoo möchte auf sie verzichten. Sie sind ein Anziehungspunkt für das Publikum, das wir brauchen, um finanziell überleben zu können. Dennoch gibt es andere Argumente, die heute zu berücksichtigen sind. Seit über 5 000 Jahren wird der Elefant zu verschiedenen Zwecken – als Arbeitstier, heiliges Tier, Statussymbol usw. – von Menschen gehalten. Trotzdem wurde der Elefant nie zu einem Haustier. Er konnte nur gezähmt werden, indem jeder Elefant seinen Mahout, seinen Pfleger hatte. Dies galt letztlich ebenso für den Zoo. Der Elefantenpfleger ist speziell für diese Tierart abgestellt. Ohne eine strenge Dressur wäre unter den gegebenen Abb. 90. Dressurvorführung von Wolfgang Nähring. Aufn. Sommer 1982. Umständen eine Haltung von Elefanten nicht möglich. Der Mensch von heute lehnt eine solche Vergewaltigung eines Wildtieres mit Recht ab. Das Tierschutzgesetz verlangt eine artgerechte Haltung, d. h. Herdenhaltung mit entsprechend großem Auslauf. Nicht mehr der Mensch ist das Alpha-Tier, sondern der Artgenosse soll es sein. Eine normale Geburt mit Aufzucht bei der Mutter in der Herde wird Voraussetzung für eine artgerechte Haltung. Ansätze hierfür sind in den letzten Jahren unter anderem in unseren Nachbarzoos Köln, Wuppertal, Duisburg und Emmen geschaffen worden. Für Krefeld bedeutet dies, den zu- künftigen Verzicht auf Elefantenhaltung vorzusehen. Nicht nur ein evidenter Platzmangel spricht gegen die Haltung von Elefanten. Es muss außerdem bedacht werden, dass bei dem jetzt schon florierenden Nachwuchs die Absatzfrage von Jungelefanten, speziell den männlichen, zu einem unlösbaren Problem werden wird. Wer möchte die Verantwortung übernehmen, einen männlichen Elefanten zu töten? Solange unsere alten Elefanten Mumptas, Rhena und Jetu munter sind, sollte unser Zoo jedoch weiter ihre Heimstatt bleiben. Der publikumsfreie Bereich Neben dem Wirtschaftsbereich (Personalräume, Werkstätten, Vorratsräume etc.), von dem alle Fäden der praktischen tiergärtnerischen Arbeit ausgehen, ist die Außenstation ein vom Publikumsbetrieb abgetrennter Tierbereich, der für jeden Zoo unabdinglich Abb. 91. Indischer Elefant beim Waldspaziergang. Aufn. 19. Januar 1995. Eine Freude im oft eintönigen Elefantenleben ist ein Ausflug in den Wald. Werner Bausch zeigt Rhena, wie sie den Baumstamm transportieren kann. 124 die Heimat 77/2006 Abb. 92. Hausenhof, Außenstation des Zoos. Aufn. 18. November 1994. Abb. 93. Hausenhof, Käfiganlagen. Aufn. 29. Juni 2006. ist. Dieser dem damaligen Tierpark fehlende Bereich, gehörte zur ersten zentralen Aufgabe, bevor ein größerer Ausbau des Parks vorgenommen werden konnte. Besonders erfreulich war, dass wir 1960 in diesem Zuge die erste Zootierquarantäne in NRW erstellen konnten. Sie stand am Rande des Zoos und bot die Möglichkeit, im Ernstfall das Gelände komplett vom Zoobetrieb zu isolieren, um im Notfall Infektionsgefahren für den Zootierbestand zu vermeiden. Wichtig war diese Station auch, um den Quarantäneauflagen beim Import nachzukommen, kranke Tiere in spezielle Pflege nehmen zu können und einen Platz für überzählige oder Ersatztiere zu haben. Diese Einrichtung war wichtig, erwies sich aber als viel zu klein, um auch nur annähernd ihren Aufgaben gerecht zu werden. Aus diesem Grund sah der Entwicklungsplan von 1991 ihre Verlegung aus dem Zoobereich heraus vor. Das wurde umso dringlicher, als das Quarantänegelände für den Bau des Gehlenhauses zur Verfügung gestellt werden musste. Wir zogen um in einen wunderschönen alten Bauernhof in Linn, den „Hausenhof“, und richteten ihn mit Hilfe unserer Zoohandwerker nach unseren Bedürfnissen ein. Doch kaum waren wir einzugsbereit, wollte die Stadt dieses städtische Eigentum veräußern. Zum ersten Mal wurde unsere Zoobelegschaft politisch. Gemeinsam zogen wir alle demonstrierend zur entscheidenden Ratssitzung. Vielleicht hat unser Druck geholfen. Die Entscheidung lautete: Der Hof bleibt dem Zoo zur Nutzung erhalten; für den Zoo eine lebenswichtige Entscheidung, denn nur so konnten wir weiterhin und verstärkt der uns gestellten Aufgabe der Tierzucht und Erhaltung gefährdeter Tierarten nachkommen. Darüber hinaus kann vieles, was im Trubel eines Zoobetriebes nicht möglich ist, in einem solchen Außenbereich in Ruhe erarbeitet werden. Abgesehen davon muss ein Zoo immer Ausweichquartiere für Ersatztiere, überzählige, aus der Gruppe ausgestoßene oder kranke Tiere haben. Außerdem gibt es im „Hausenhof“ Tierpflegerwohnungen und eine große Scheune, die den zu kleinen Wirtschaftstrakt des Zoos entlastet. Ferner ist das Gesamtgelände von 4 270 qm ideal für Freigehege. Abb. 94. Harald Nägeli, Sprüher von Zürich, in Aktion. Aufn. Sommer 1988. Der Zoologische Garten – eine Stätte der Kultur Eine Stadt wird gemessen an ihrer kulturellen Arbeit. Wir haben versucht, unseren Teil dazu beizutragen, indem wir uns bemühten, die kulturellen Einrichtungen der Stadt in unsere Arbeit mit einzuschließen. In erster Linie war es die Fachhochschule Niederrhein, die uns vor allem bei der Werbung behilflich war. So entwarf z. B. Prof. Wolfgang Slansky von der Abteilung Design ein Zoo-Plakat ebenso wie die Werbeträger vor dem Zoogelände. In seiner Klasse wurden Plakatwettbewerbe für uns durchgeführt. Zwei Plakate erhielten in Mailand eine Silbermedaille. Von seinem ehemaligen Schüler, Herrn Reiber, wurde Abb. 95. Hugo Debaere – Marc de Roover arbeitete gut vier Wochen im Zoo an seinem Projekt aus Elefantenkot, Kamelhaar und Weidenzweigen. Aufn. 1993. die Heimat 77/2006 125 stellung gezeigt wurden. Harald Nägeli, „der Sprayer von Zürich“, warb in einer Sprühaktion im Elefantenhaus für den Naturschutz. Für die Ausstellung „Kein Ei gleicht dem anderen“ verteilten wir 17 Straußeneier an namhafte Künstler mit der Bitte, sie künstlerisch zu gestalten. Unter anderem organisierten wir zum 50. Zoojubiläum eine Ausstellung über Tiermotive von den Künstlern Gottfried Wiegand, Wolfgang Kliege, Peter Wörfel und Christel Burghard-Wörfel sowie der Fotografin Bruni Encke. Um Ausstellungen und Vorträge intensiver durchführen zu können, benötigten wir einen speziellen Raum. Dies war nur auf völlig unkonventionellem Wege möglich. Nach kurzen Verhandlungen mit der Firma Rheinbraun, die Abb. 96. Boris Mattern, Schauspieler aus dem Düsseldorfer Schauspielhaus bei seiner Vorführung „Bericht für eine Akademie“ von Franz Kafka. Aufn. Juni 1988. eine völlig neue Form eines Zooführers entwickelt. In den Sommermonaten nutzte die Zeichenklasse von Holzhausen / Zaiser den Zoo regelmäßig für Tierstudien. Die Studentin Katharina David entwarf und gestaltete die Inneneinrichtung für die Guerezza Affen. Auf dem Zoogelände fanden Jugend- und Kindertheateraufführungen des Kresch-Theaters Krefeld statt. Das Theater Düsseldorf gab eine Gastvorstellung mit dem „Bericht für eine Akademie“ von Kafka. Die Künstlerin Martel Wiegand entwarf Zooplakate, die in einer Aus- Aus der Ausstellung „Kein Ei gleicht dem anderen“. Aufn. 23. Mai 1995. Abb. 97. Katrin Berger Abb. 98. Heinrich Görtz Abb. 100. Axel Vater 126 die Heimat 77/2006 Abb. 99. Claudia Keller für den Braunkohleabbau bei Gatzweiler zuständig ist, konnten wir kostenlos alte Fachwerkhäuser, die dem Tagebau weichen mussten, erwerben. So transportierten wir eine Scheune und ein Einfamilienhaus von Gatzweiler nach Krefeld; die Scheune wurde ein Vortragsraum, das Einfamilienhaus eine Zooschule. Dies war möglich durch die finanzielle Unterstützung des Freundeskreises, die zur Verfügungstellung von ABM-Kräften seitens des Landes und vor allem durch die Fähigkeit und das Engagement unserer Handwerker, insbesondere des Herrn Gerresheim, dessen Umsicht und fachlicher Kenntnis es zu verdanken ist, dass der Ab- und Aufbau beider Häuser reibungslos und ohne Zwischenfälle verlief. Für unsere Jugend Für einen relativ kleinen Zoo ist es oft schwierig, die anspruchsvollen Aufgaben, die von einem Zoo erwartet und gefordert werden, zu erfüllen. Eine sehr wichtige Aufgabe ist die pädagogische Arbeit, meist manifestiert in Verbindung mit einer Zooschule. Hier kam uns das Land NRW zu Hilfe. Es stellte uns vier, später fünf Studienräte zur Verfügung, die jeweils einmal in der Woche aus dem Schuldienst für diese Arbeit freigestellt wurden. Sehr schnell entstand ein Team von Zoolehrern, die besser nicht hätten sein können. Neben ihrer Arbeit wurden von ihnen von Zeit zu Zeit Ausstellungen in der Zooscheune organisiert. Wir stellten die Zooschule und Zooscheune als Ausstellungs- und Vortragsraum zur Verfügung. Ein angestrebtes leider nicht verwirklichtes Projekt war die Schaffung eines therapeutischen Zentrums, in dem in besonderem Maße auf die Belange von Kindern und Jugendlichen eingegangen werden sollte. Dies hat nichts mit einem so genannten Streichelzoo zu tun, der der Vergangenheit angehören sollte, da er mit der Aufgabe eines Zoologischen Gartens nicht zu vereinbaren ist. Abb. 101. Altes Bauernhaus. Aufn. April 1992. Eine kleine Geschichte am Rande Die alten Feldbrandsteine, die wie zu Zeiten nach dem Krieg aus zusammengefallenen alten Häusern und Wänden stammten, wurden von einem polnischen Gastarbeiter in das Fachwerk der Zooschule eingefügt und verfugt. Er bekam von uns die Anweisung, über dem Eingang nach altem germanischem Brauch eine „Hexe“ gegen den bösen Geist einzubauen. Kurz vor dem Richtfest beichtete er mir, er habe außerdem im Giebel ein Kreuz eingefügt. Sicher ist sicher – so war dieses Haus doppelt gegen den bösen Geist gefeit. Ob es geholfen hat? Unser polnischer Polier zumindest hat sein Bestes getan. Zoofreunde werden gebraucht Abb. 102. Zooschule und Zooscheune. Aufn. 1992. Seit den 60er Jahren führten wir in eigener Regie jährlich eine Zoolotterie durch, die der Genehmigung des Regierungspräsidenten bedurfte. Diese sollte uns dann aber als städtisches Unternehmen untersagt werden. Um die kleine zusätzliche Einnahmequelle nicht versiegen zu lassen, musste ein Verein die Lotterie übernehmen. Unser sehr intuitiver Dezernent griff den Gedanken 1972 auf. Ich glaube, auf einer Karnevalsfeier fand er sieben Freunde, die bereit waren, einen solchen Verein aus der Taufe zu heben. Daraus entwickelte sich der sehr aktive und effiziente Verein der Zoofreunde. In Übereinstimmung mit gemeinsam erarbeiteten Zielvorstellungen sollte ein – wenn auch kleiner – Zoo entwickelt werden, der tiergärtnerisch und ästhetisch vorbildlich und für den Besucher liebenswert und damit anziehend sein sollte. Wenn ein Haus erzählen könnte 250 bis 300 Jahre alt schätzt man das kleine Bauernhaus im Zoo. Um meiner Residenzpflicht als Leiter des Tierparks nachkommen zu können, zog ich 1959 in dieses Haus ein, in dem schon mein Vorgänger, Dr. Günther Voss gewohnt hatte. Das geschah zwar gegen den Willen des für den Tierpark zuständigen Dezernenten, der einen Chefbungalow auf der späteren Quarantänewiese vorgesehen hatte. Aber der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach, dachte ich, zog in das kleine Bauernhaus ein und konnte die Erfahrung machen, was es heißt in einer solchen Kate zu wohnen. Der Boden war teils aus Beton, teils aus gestampftem Lehm, nur im direkten Wohnbereich gab es einen Holzfußboden, Beheizbar war das Ganze nur mit einem Kachelofen. Das Bad war immerhin mit einem Kohleboiler versehen. Den größten Teil des Hauses nahmen eine Scheune und zwei Stallungen ein. Untermieter waren Esel, Ponys, Tauben und Ratten. Mein Gedanke war: „Solange ich in dem Hause lebe, kann es nicht abgerissen werden. Wo anders in einer Stadt ist noch Raum für ein solches kulturelles Altertümchen? Hier im Zoo muss es seine Duldung finden.“ Das städtische Hochbauamt half, es auf Dauer bewohnbar zu machen. Bemerkenswert war das Auslegen der Diele mit alten handgemachten Fliesen aus einem holländischen Bauernhaus. die Heimat 77/2006 127 1967 musste das Haus wegen schwerer Schäden im Dachgebälk grundlegend restauriert werden. Auf Veranlassung und mit finanzieller Hilfe der Landes-Denkmalspflege erhielt das Haus ein Reeddach. Scheune und Stallungen wurden als Bibliothek, Büro und Wohnräume umgestaltet. Privat- und Dienstbereich unter einem Dach inmitten des Zoogeschehens – die beste Atmosphäre, um planen, arbeiten, träumen und feiern zu können. Hier fanden Begegnungen mit Menschen statt, die in irgendeiner Form mit dem Zoo verbunden waren, mit Kollegen und Freunden. Hier wurden meine vier Kinder geboren und verlebten eine einmalige Kindheit und Jugend. Hier entwickelte sich ein kleines eigenes Biotop und wurde zum Schmuckstück des Parks. Schlusswort Abb. 103. Altes Bauernhaus. Aufn. Sommer 1980. Alle Aufnahmen, so nicht anders ausgewiesen, stammen von Bruni Encke und wurden im Krefelder Zoo aufgenommen. Berichte aus dem Krefelder Zoo Encke W. (1962): Hand-Rearing Cape Hunting Dogs (Lycaon pictus) at the Krefeld Zoo. Int. Zoo Yearbook 4, S. 292 f. Encke W. (1963): Bericht über Geburt und Aufzucht von Geparden (Acinonyx jubatus) im Krefelder Tierpark. Zool. Garten (NF), Bd. 27, S. 177 – 181. Encke W. (1965): Aufzucht von Borstengürteltieren (Chaetophractus villosus). Zool. Garten (NF), Bd. 31, S. 88 – 90. Gandras R. / Encke W. (1966): Case Histories Of A Breeding Group Of Cheeths (Acinonyx Jubatus) At Krefeld Zoo. Int. Zoo Yearbook 6, S. 275 f. Der Zoo kommt mir im Nachhinein wie eine kleine Vulkaninsel mit wenigen Eruptionen, aber voller Energie vor. Aufbauend auf einer Jahrzehnte lang eingeschworenen Belegschaft konnte auf dem Gebiet der Tierpflege, gemeinsam mit den eingespielten Zoohand- Encke W. (1970): Breeding the Red-billed hornbill (Tockus erythrorynchus) at Krefeld Zoo. Int. Zoo Yearbook 10, S. 101 f. 22. Encke W.(1970): Beobachtungen und Erfahrungen bei der Haltung und Zucht von Mähnenwölfen im Krefelder Tierpark. Freunde des Kölner Zoo, 13. Jahrgang, Heft 2, S. 69 – 75. Encke W., Gandras R., Bieniek H. (1970): Beobachtungen am Mähnenwolf (Chrysocyon brachyurus). Zoologischer Garten, Bd.38, Heft 1 / 2 , S. 47 – 67. Encke W. (1972): Milbenbefall beim Orang-Utan (Pongo pygmaeus). Zoologischer Garten, 42 Heft 5 / 6, S. 236 – 239. Dittrich S. (1975): Vom Affenkäfig zum Affentropenhaus – europäische Einmaligkeit in Krefeld. Der Zoofreund, Zoo Hannover, Nr.13, S.12. Encke W. (1977): Der Zoo im Aufbau. Die Heimat, Jhrg. 48, S. 121 – 123. Encke B. (1966): Die Zucht von Schneeleoparden (Uncia uncia) im Krefelder Tierpark. Freunde des Kölner Zoos, 9. Jhrg., Heft 4, S. 145 – 146. Vogt P. (1977): Tropical House for Apes at Krefeld Zoo. Int. Zoo Yearbook 17, S. 225 – 228. Encke B. (1968): Zucht des Weißen Storchs (Ciconia ciconia) im Krefelder Tierpark. Gefiederte Welt, Jhrg. 92, Heft 4, S. 65 – 67. Gandras R., Encke W., Vogt P. (1978): Colitis Ulcerosa bei einem Schimpansen. Verhandlungsbericht des 20. Int. Symposiums über die Erkrankungen der Zootiere, S. 289 – 292. Encke W.(1968): A Note on Breeding and Rearing of Tayras (Eira Barbara) at Krefeld Zoo. Int. Zoo Yearbook, 8, S. 132. Encke B. 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Die Gefiederte Welt, 9. Jhrg., (106), S. 274 – 276. werkern, das geleistet werden, was nach 37 Jahren dem Zoo sein Gesicht gab. Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Arbeitskräfte, die uns über ABM und das Sozialamt zur Verfügung gestellt wurden und beim Aufbau des Zoos halfen. Hinzu kommen die tatkräftige Unterstützung der Mitarbeiter des städtischen Hochbauamtes und des Staatlichen Veterinäramtes wie auch der Einsatz des für uns zuständigen Dezernenten Kurt Honnen, und später Roland Schneider, gegenüber dem Rat der Stadt Krefeld. Mein besonderer Dank gilt meiner Frau, deren Engagement mir nicht nur bei der Bewältigung schwieriger Aufgaben im Bereich der Tierhaltung, Zoogestaltung und im Umgang mit Menschen half, sondern die mich in schwierigen Situationen auch immer wieder anspornte, weiterhin all meine Kraft für die Zooarbeit einzusetzen. Zudem war sie meine ärgste Kritikerin. Ohne ihr Mitwirken und ihre Offenheit wäre vieles nicht oder weitaus schwieriger zu schaffen gewesen. Was gibt es Schöneres, als 37 Jahre auf einer solchen Insel zu arbeiten? Claussen R. (1982): Beobachtungen zur Aufzucht eines männlichen Weißgesichtsakis (Pithecia Pithecia) im Familienverband, Zoo Krefeld. Zoologischer Garten, 52 (N.F.) Heft 3 / 4 , S. 188 – 194. Vogt P. u. Becker C. (1987): Zur ersten Aufzucht eines Tamanduas (Tamandua tetradactyla) im Krefelder Zoo. Zoologischer Garten, 57. Heft 4 (NF),.S. 221-233. Schlüter R. u. Encke W. (1988): 50 Jahre Krefelder Zoo. Die Heimat, Jhrg. 59, S. 79-84. Encke W. (1991): Weißnackenkraniche – Leihgabe der Natur – Haltung und Zucht des Grus Vipio im Krefelder Zoo. Zoo-Pädagogik-Unterricht, 1. Jhrg., Bd. 1, S. 301 – 317. Encke W. (1992): Haltung von Tamanduas (Tamandua tetradactyla) im Krefelder Zoo in der Zeit von 1968 – 1992. Der Zoologische Garten 62 (NF) Heft 6, S. 369 – 378. Osswald C. (1993): Bruterfolg der Senegaltrappe (Eupodotis senegalensis Vieillot) im Zoo Krefeld. Der Zoologische Garten 63, Heft 6, S. 381 – 387. Encke W. (1994): Drei Jahre Erfahrung mit der neuen Vogeltropenhalle im Zoo Krefeld. Der Zoofreund, Zoo Hannover, Nr. 92, S. 11 – 13. Encke W. (2003): Von der Bienenfresser- zur Eisvogelbrutwand: Erfahrungen aus dem Zoo in die freie Natur übertragen. Der Zoologische Garten 73, Heft 6, S. 402 – 408. Informationen über die Ereignisse im Zoo sind in den erschienenen Jahresberichten festgehalten. Übersicht über die Zeit 1959 – 1965 und ab 1970 jährlich. Ein Sammelordner, bestehend aus fünf Heften, gibt Auskunft über Säugetiere, Vögel und Kriechtiere des Krefelder Zoos. Herausgeber: Zoofreunde e.V. Redaktion: Encke W. Fotos: Encke B. Spezielle Hefte sind erschienen über das Affentropenhaus, die Vogeltropenhalle und das Gehlenhaus.