Kolloquium "Literatur und Schule"

Transcription

Kolloquium "Literatur und Schule"
Valentin Merkelbach
November 2005
Romane für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
Vorbemerkung
Mit Iain Lawrence’ „Die Tochter des Leuchtturmwärters“ schließe ich meine Liste „Romane
für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene“, die ich seit meiner Verabschiedung in den
Ruhestand geführt habe. Das eingeschränkte Arbeitsprogramm, das ich mir noch gönne, enthält
inzwischen andere Prioritäten. Mit Befriedigung stelle ich fest, dass das Interesse, spannende
und motivierende Gegenwartsliteratur für Kinder, Jungendliche und junge Erwachsene im
breiten Angebot der Verlage ausfindig zu machen, unter denen, die in lesepädagogischen und
literaturdidaktischen Institutionen arbeiten und publizieren, in den letzten Jahren sehr stark
gewachsen ist. Gewachsen sind damit auch die Möglichkeiten, den eingeschränkten Kanon an
Schullektüre zu erweitern und ein Fundament an Lesebereitschaft und Leselust zu sichern, das
auch für die Entwicklung einer allgemeinen Lesekompetenz besonders wirksam zu sein scheint.
Meine Liste
Roman-Didaktik spielte in meiner Arbeit an der Universität lange Zeit im Vergleich zu Lyrik
und epischer Kurzprosa eine geringe Rolle. Dieses Interesse, bezogen auf Primarstufe und
Sekundarstufe I, entsprach der Aufmerksamkeit, die auch sonst in der Deutschdidaktik epischen
Langformen zuteil wurde. Das änderte sich mit der wachsenden Bedeutung der Kinder- und
Jugendliteratur in den 70er und 80er Jahren. Auch für mich stellt sich jetzt die Frage, warum die
Schule ausgerechnet dem Genre didaktisch und methodisch so wenig Beachtung schenkt, das in
der außerschulischen literarischen Sozialisation, und damit in der Lesesozialisation generell,
schon vor dem ersten Lesealter eine zentrale Rolle spielt.
Das Nachdenken über diesen Widerspruch und die didaktischen Konsequenzen daraus fanden
einen ersten Niederschlag in meiner Studie „Wie salonfähig ist das Kinder- und Jugendbuch im
Deutschunterricht? Anmerkungen zur Didaktik des Romans“ (Diskussion Deutsch 1989, H.109,
S.441-455). Die romandidaktische Arbeit wurde fortgesetzt und intensiviert in einem
Kolloquium „Literatur und Schule“, das ich mit Mitarbeiterinnen des Instituts für deutsche
Sprache und Literatur I an der Universität Frankfurt veranstaltete. Im Rahmen dieses
Kolloquiums ging es der Projektgruppe zunächst um die Frage, ob und unter welchen
Bedingungen im Literaturunterricht neben dem fragend-entwickelnden Unterrichtsdiskurs auch
das ergebnisoffene literarische Gespräch möglich ist (vgl. Hannelore Christ/ Claudia Fuchs/ Eva
Fischer/ Valentin Merkelbach/ Gisela Reuschling: „ ‚Ja aber es kann doch sein...’ In der Schule
literarische Gespräche führen“, Frankfurt/M 1995).
Nach Abschluss dieser Studie arbeitete die Gruppe, in veränderter Besetzung und wieder im
Rahmen des Kolloquiums „Literatur und Schule“, an dem Projekt „Epische Langformen für
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene“ (Eva Fischer, Valentin Merkelbach, Gisela
Reuschling, Sabine Schindler, Barbara Seeliger). Die Ergebnisse des Projekts fanden ihren
Niederschlag u.a. in der dreibändigen Publikation:
V.Merkelbach (Hg.): Romane im Unterricht. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren:
Lektürevorschläge für die Primarstufe, 1999,
Lektürevorschläge für die Sekundarstufe I, 1998,
Lektürevorschläge für die Sekundarstufe II 2000.
Jedem Band ist ein Kapitel zur Didaktik und Methodik epischer Langformen vorangestellt.
2
Mit den Erfahrungen aus dem Kolloquium und der Arbeit aus dem Projekt „Romane im
Unterricht“ führe ich nach meiner Verabschiedung in den Ruhestand die folgende Liste mit
Lektüreempfehlungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Es handelt sich um
Texte, die in Rezensionen in Fachzeitschriften und im überregionalen Feuilleton sowie in
literaturdidaktischen Beiträgen besondere Beachtung und eine positive Resonanz gefunden
haben und die ich selbst nach eigener Lektüre an Lehrende als mögliche Schul- oder
Freizeitlektüre weiterempfehlen kann.
Aufgenommen in die Liste werden auch schon Texte, die noch nicht als Taschenbücher
erschienen sind, die aber auf Grund ihrer positiven Rezeption eine Taschenbuchausgabe
erwarten lassen. Die Altersangaben für die Lektüre der Texte sind, was die Kinder- und
Jugendromane betrifft, in Auseinandersetzung mit den entsprechenden Angaben der
Rezensent/innen und der Verlage erfolgt und bedürfen natürlich mit Blick auf die konkrete
Lerngruppe der Überprüfung.
Meine Absicht, die ich mit der Liste verfolge, ist, im Unterschied zu den ausgearbeiteten
Lektürevorschlägen und den didaktischen Modellen der oben genannten Publikation „Romane
im Unterricht“, eine eingeschränkte. Ich möchte aus der Fülle der aktuellen Neuerscheinungen
mit Hilfe anderer Sichtungs-Institutionen (Rezensionen, Preise für Bücher, wissenschaftliche
Beiträge) auf Texte aufmerksam machen, die, über den schulischen Textkanon hinaus und ihn
partiell ersetzend, den Unterricht und die Freizeitlektüre von Heranwachsenden bereichern und
Leselust stimulieren könnten, - Leselust als eine unabdingbare Voraussetzung für die
Entwicklung einer zureichenden allgemeinen Lesekompetenz.
Die Liste wird in unregelmäßigen Abständen erweitert und aktualisiert. Alle neuen
Informationen (die bibliografischen Angaben der neuen Texte, das Erscheinen der
Taschenbuchausgabe u.ä.) werden jeweils in der erweiterten Ausgabe fett gedruckt. Um die
Liste überschaubar zu halten, werden Bücher, die vergriffen sind, von der Liste genommen.
Geführt wird die Liste seit August 2002.
Almond, David: Zeit des Mondes. A. d. Engl., Ravensburg: Ravensburger Buchverlag 1999,
176 S., DM 24,80 = Ravensburger Tb. 2002, € 4,95, ab 11.
Michael, der Ich-Erzähler, ist mit seinen Eltern in ein altes, heruntergekommenes Haus
umgezogen. In das kaum bewohnbare Chaos kommt, viel zu früh, ein Schwesterchen auf die
Welt, um dessen Überleben die ganze Familie bangt. In der Garage voller Gerümpel entdeckt
Michael einen Mann, ein Landstreicher wohl, der sich Skellig nennt und um den er sich
kümmert. Er teilt sein Geheimnis mit dem Nachbarmädchen Mina. Als die Garage abgerissen
werden soll, bringen die beiden Skellig, unter dessen Jacke sie Flügel entdecken, in ein
leerstehendes Haus und versorgen ihn, bis er, wieder zu Kräften gekommen, sich eines Tages
verabschiedet.
Almond, David: Zwischen gestern und morgen. A. d. Engl., Ravensburg: Ravensburger
Buchverlag 2000, 92 S., 12,95 € = Ravensburger Tb. 2002, € 5,95 , ab 12.
Der dreizehnjährige Christopher Watson, der die Geschichte erzählt und den sie Kit nennen, ist
mit seinen Eltern nach dem Tod der Großmutter zum Großvater nach Stoneygate gezogen. Der
alte Bergmann, der ein inniges Verhältnis zu seinem Enkel hat, ist voller Erinnerungen, die Kit
zum Aufschreiben animieren und in ihm den Wunsch wecken, Schriftsteller zu werden.
Folgenreich in der neuen Umgebung ist Kits Begegnung mit John Askew, dessen Vater trinkt
und die Familie drangsaliert; der John schlägt und ihn verschlossen und böse macht. John spielt
mit Gleichaltrigen, darunter nun auch Kit, das von Hypnose geprägte Todesspiel, das an ein
Bergwerksunglück erinnert, bei dem auch Kinder als Bergleute verschüttet wurden, darunter,
wie es ein Denkmal zeigt, ein John Askew (13) und ein Christopher Watson (13). Das Spiel
2
3
fliegt auf und John wird von der Schule verwiesen. Bald danach ist John verschwunden. Kit, der
sich so sehr zu diesem Jungen hingezogen fühlt, „weiß“, dass er wiederkommen wird. Er
schreibt eine Geschichte, die in der Eiszeit spielt, deren Protagonist aber an John Askew
erinnert. Kit wünscht sich, dass John die Geschichte lesen und illustrieren wird. John kommt
zurück und spielt nicht, wie er androhte, nun allen Ernstes mit Kit das Todesspiel, sondern geht
auf dessen Freundschaftsangebot ein. Er begreift, wie sehr Kits Geschichte aus der Eiszeit ihm
gilt und ist bereit, in seine Familie zurückzukehren, nachdem Kit ihm vermitteln konnte, wie
sehr die Eltern, auch der Vater, ihn vermissten und die kleine Schwester ihn braucht.
Andruetto, María Teresa: Stefanos weite Reise. A. d. argentinischen Spanisch, Zürich:
Atlantis (Baobab) 2003, 92 S., 14,- €, ab 14
Stefano verlässt Ende der 1940er Jahre wie viele Italiener sein Land, um in Argentinien Armut
und Hunger hinter sich zu lassen. Der Vater ist im Krieg gefallen und die Mutter muss ihr
einziges Kind, das den Vater nie gesehen hat, ziehen lassen. Nur er und sein Freund Pino
überleben den Untergang ihres Schiffes kurz vor der argentinischen Küste. Auf der Farm von
Pinos Onkel finden sie Arbeit. Während Pino eines Tages die Farm des Onkels übernehmen
wird, zieht es Stefano weg. Als leidlich geschickter Saxophonist kommt er bei einem Zirkus
unter. Er verliebt sich in eine Trapezkünstlerin, die aber nicht nur ihn in ihrem Wohnwagen
empfängt und er spürt, dass er noch nicht am Ende seiner Reise angelangt ist. Der Tod der
Mutter und ihr Wunsch vor seiner Abreise, ihre nach Argentinien ausgewanderte Freundin
aufzusuchen, bringt ihn zu der Frau und zu deren Tochter, bei der er zu bleiben gedenkt.
Ani, Friedrich: Wie Licht schmeckt. München: Hanser 2002, 188 S., 13,30 €, = dtv 2005,
7,50 €, ab 14
Lukas wächst in schwierigen Verhältnissen auf. Die Mutter ist depressiv und der wortkarge
Vater verliert zunehmend jeden emotionalen Kontakt zu seinem Sohn. Lukas’ Wunsch, zu
seinem 14.Geburtstag drei Tage wegzugehen in die große Stadt München, verweigern die
Eltern. Der Junge haut ab und gibt, aus Angst vor einer Polizeiaktion, den Eltern täglich ein
Lebenszeichen. Was er erlebt, ist zwar durchweg ungewöhnlich, zum Teil gefährlich, aber
wenig erfreulich bis auf die Begegnung mit Sonja, einem drei Jahre älteren blinden Mädchen,
zu dem er sich, als er seine anfängliche Scheu überwunden hat, immer stärker hingezogen fühlt
und das ihm seine wachsende Sympathie erwidert. Was Lukas am Zusammensein mit Sonja
fasziniert, ist die Art, wie die Blinde ihre Behinderung akzeptiert, die ihr gebliebenen Sinne,
auch als Kellnerin, entwickelt und mit dem zu leben gelernt hat, was andere ihr gelegentlich
zumuten. Ob die ungewöhnliche Freundschaft über die drei Tage hinaus eine Chance hat, bleibt
offen.
Ardagh, Philip: Schlimmes Ende. A. d. Engl., Omnibus Verlag/Jugendbuch Verlag 2002, 125
S., 9,90 €, = Bertelsmann Tb. 2004, 5,90 €, ab 10.
Die Eltern des elfjährigen Eddie Dickens haben eine Krankheit, „von der sie gelb und an den
Rändern etwas wellig wurden und nach alten Wärmflaschen rochen“. Um Eddie nicht
anzustecken, kommen der „wahnsinnige Onkel Jack“ mit der „wahnsinnigen Tante Maud“ in
einer Kutsche, um Eddie zu sich zu holen in ihr Haus „Schlimmes Ende“. Ehe sie dort
ankommen, macht Eddie aufregende Erfahrungen mit Tante Mauds ausgestopftem Wiesel und
mit dem Theaterdirektor Mr Pumblesnook und seiner „streunenden“ Truppe. Höhepunkt der
abenteuerlichen Reise ist Eddie Einweisung ins Waisenhaus „Sankt Fürchterlich“. Dort gelingt
es ihm, „Frau Direktor Grausam-Unsäglich“ auszuschalten, die Waisenkinder aus ihren Zellen
zu befreien und mit ihnen zu fliehen. Unterwegs trifft er nicht nur Onkel, Tante und den
Theaterdirektor wieder, sondern auch seine Eltern, die durch ein gewagtes Therapie-Experiment
zwar ihr Haus verloren, ihre Gesundheit aber wiedererlangt haben und nun mit Eddie in
„Schlimmes Ende“ ein neues Zuhause finden.
Bach, Tamara: Marsmädchen. Hamburg: Oetinger 2003, 160 S., 9,90 €, ab 14.
3
4
Die fünfzehnjährige Miriam, die die Geschichte erzählt, hält sich selbst für eher mittelmäßig im
Vergleich zu ihren Freundinnen, die bereits mit erotischen Abenteuern aufwarten können. Da
taucht die Neue auf. Miriam ist von dieser Laura, die Selbstgedrehte raucht, beeindruckt und
erregt, besonders als sie merkt, dass ihre Gefühle erwidert werden. Es beginnt für Miriam eine
Zeit der Annäherung, in der Augenblicke des Glücks wechseln mit Enttäuschung, tiefer
Beunruhigung und Angst vor dem Entdeckt werden. Ebenso plötzlich wie Laura, The Girl from
Mars“, in der kleinen Stadt auftaucht, um bei der vom Vater getrennt lebenden Mutter zu
wohnen, geht sie zum Vater zurück und erscheint auch nicht zu einem letzten vereinbarten
Treffen. Dennoch zeigt sich zuletzt eine zarte Hoffnung, dass die verlassene Miriam unter
dieser schwierigen und enttäuschten Liebe nicht zerbrechen wird.
Bánk, Zsuzsa: Der Schwimmer. Roman. Frankfurt/M: S.Fischer 2002, 285 S., 19,90 € =
Tb.Januar 2004, 8,90 €, ab 17.
Kata erzählt aus gehöriger zeitlicher Distanz und doch dem kindlichen Blick streng verpflichtet
die Geschichte ihrer Kindheit. Sie lebt mit dem Vater und ihrem jüngeren Bruder Isti
zusammen. Die Mutter hat 1956, kurz nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes,
die Familie und das Land verlassen. Sie ging, soviel hat Kata mitbekommen, im Streit mit dem
Vater, nicht aus politischen Gründen. Nach einer Zeit des Grübelns verlässt der Vater mit den
beiden Kindern das Dorf und es beginnt eine Jahre dauernde Reise durch das Land. Sie
kommen jeweils bei Verwandten unter, bis der Vater sich entschließt, ohne Rücksicht auf die
Gefühle der Kinder, weiterzuziehen. Besonders schmerzlich für die Beiden ist der Aufbruch
vom Haus in den Weinbergen am See, wo sie von der Großmutter nach einem Besuch in
Deutschland erfahren, wie es der Mutter auf ihrer Flucht und danach ergangen ist und warum
die Kinder nichts von ihr gehört haben. Als sie auf ihrer Reise wieder dort landen, wo sie schon
einmal unterkamen, bei der Kusine des Vaters, stirbt Isti nach einem Sturz in den eiskalten
Fluss an den Folgen dieses Unfalls. Vater und Tochter gehen noch einmal dorthin, wo Kata und
Isti fast schon zuhause waren, in das Haus am See. Doch für Kata ist nach dem Tod des Bruders
nichts mehr, wie es war und sie entschließt sich zuletzt – es ist die Zeit nach dem Ende des
Prager Frühlings – wie die Mutter Ungarn zu verlassen.
Boyce, Frank Cottrell: Millionen. A. de. Engl., Hamburg: Carlsen 2004, 254 S., 14,-€, ab 10
Damian, der Ich-Erzähler, lebt mit seinem älteren Bruder Anthony beim Vater. Die Mutter ist
gestorben. Der fromme Damian, der die Mutter sehr vermisst, findet im Garten an seiner Hütte
aus Pappkartons, seiner „Eremitage“, eines Tages eine Tasche voller Pfund-Noten. In Pence
umgerechnet sind es über 22 Millionen. England ist endlich der Eurozone beigetreten und das
Geld der alten Währung muss bis zu einem bestimmten Termin ausgegeben oder in Euro bzw.
Dollar umgetauscht sein. Damian weist nur den älteren Bruder in sein großes Geheimnis ein
und die beiden sind nun voll damit beschäftigt, die heiße Ware – ohne Wissen des Vaters –
sinnvoll anzulegen, wobei es sehr divergierende Vorstellungen und Wünsche zwischen den
Brüdern gibt, dem frommen Damian und dem pragmatischen Anthony. Das Geld, das nicht, wie
Damian zunächst glaubte, vom Himmel fiel, ist der Fehlwurf einer Bande aus einem Alt-GeldTransport der Regierung und wird von dem, der es bergen sollte, gesucht. Das kommt zu den
wachsenden Geldsorgen der Brüder hinzu. Eine dramatische Zuspitzung erfährt die Geschichte
außerdem, als der lange ahnungslose Vater und seine Freundin von den Millionen erfahren und
plötzlich auch noch die Polizei mit großem Aufgebot auf der Bühne erscheint. Da setzt Damian
in seiner Verzweiflung dem schnöden Tanz ums goldene Kalb ein spektakuläres Ende und
erlebt zuletzt doch noch, was er sich so sehr wünschte: eine wunderbare Wendung zum Guten.
Brooks, Kevin: Martyn Pig. Roman. A. d. Engl., dtv extra 2004, 288 S., 8,50 €, ab 14
Der vierzehnjährige Martyn, der die Geschichte erzählt, lebt bei seinem Vater, der trinkt. Die
Mutter ist vor Jahren weggegangen und dem Vater ist es gelungen, das Sorgerecht für den Sohn
zu bekommen. Das aber bedeutet konkret, dass Martyn für den Vater zu sorgen hat. Bis auf ein
Mädchen in der Nachbarschaft hat Martyn wenig Kontakt zur Außenwelt. Seine Leidenschaft
4
5
sind Kriminalromane und Fernsehkrimis. Als bei einer Auseinandersetzung der Vater –
volltrunken – den Sohn tätlich angreift, kommt er dabei so schwer zu Fall, dass er auf der Stelle
tot ist. Martyn ist geschockt. Er fühlt sich schuldig und versäumt es aus Angst, als Mörder des
Vaters angeklagt zu werden, umgehend die Polizei zu verständigen. Er wird nun Zug um Zug
selbst zum Protagonisten einer Kriminalgeschichte, die es an Spannung mit seinen geliebten
Krimi-Klassikern durchaus aufnehmen kann.
Bryce Echenique, Alfredo: Eine Welt für Julius Roman (1970: Un mundo para Julius). A. d.
Spanischen, Frankfurt/M: Suhrkamp 2002, 525 S., 24,90 € = Suhrkamp Tb.2004, 13,- €, ab
17.
Julius war anderthalb Jahre alt, als sein Vater starb und er war fünf beim Tod Cynthias, der
älteren, so innig geliebten Schwester. Die älteren Brüder, Santiago und Bobby, beachten ihn
kaum. Susan, die Mutter, hat viel mit sich, ihrer Schönheit und ihrer gesellschaftlichen Stellung
zu tun, besonders nachdem sie sich in Juan Lucas, den überaus erfolgreichen Geschäftsmann,
den Golfspieler und Stierkampfenthusiasten, verliebt hat. Geborgen fühlt Julius sich in der
Dienerschaft und bleibt doch für sie „der junge Herr“. Der Mutter, die nach dem Tod ihres
Mannes die Diener hat gewähren lassen, rät der neue Herr im Hause nun dringend, die Zeit der
„Verwöhnung“ zu beenden und auch vor Entlassungen von „aufmüpfigen Domestiken“ nicht
zurückzuschrecken. „Onkel“ nennt Julius den Stiefvater im täglichen Umgang und andern
gegenüber „der Mann, den die Mutter geheiratet hat“. Für Juan Lucas ist Julius ein
neunmalkluger „Grünschnabel“, der in seiner stillen, beobachtenden Art mit Vorsicht zu
genießen und mit Ironie und leisem Spott auf Distanz zu halten ist, - ganz anders als die älteren
Brüder, die mit fliegenden Fahnen in die mondäne Welt des Stiefvaters eintauchen und sich
über dessen finanzielle Großzügigkeit und väterliche Nachsicht nicht zu beklagen haben. Auch
wenn neben Julius immer wieder andere Perspektivfiguren auftreten und für kurze Zeit die
Szene beherrschen, - wir blicken durchweg mit seinen staunenden Augen auf diese Welt der
Reichen in Perus Hauptstadt Lima, auf ihre Paläste, ihre Autos, Partys und Geschäfte und auf
die Dienerschaft: Indios aus den Bergen und ein schwarzer Chauffeur, von dem Julius alles über
seine Vorfahren wissen will, die noch Sklaven waren. Offen bleibt, wie Julius, der am Ende des
Romans 11 wird, sich zurechtfinden wird. Wird auch ihn bald das Leben seiner Brüder
faszinieren oder die Distanz wachsen zur Welt des Stiefvaters und der Mutter?
Camp, Richard van: Die ohne Segen sind. A. d. Engl., Ravensburg: Ravensburger Buchverlag
2000, 160 S., € 11,95 = Ravensburger Tb. 2002 5,95 €, ab 16.
Larry, der Erzähler der Geschichte, lebt mit der Mutter und deren Freund zusammen. Larry ist
Dogrib-Indianer und besucht eine Schule, die die Lehrer/innen ihren eigenen Kindern nicht
zumuten. Larry erzählt von seinem Alltag unter ausgegrenzten Jugendlichen, unter denen er als
Indianer noch einmal Außenseiter ist. Wir erfahren von seinem Einstieg in die Drogenszene,
seiner unerwiderten Liebe zu Juliet; von seinem schlagkräftigen Freund Johnny, der, selber
Halbblut, ihn vor den schlimmsten Demütigungen bewahrt; von dem Tag, als er „in“ wurde,
indem er einen von seinen Peinigern niederschlägt. Nur in dunklen Andeutungen spricht er von
dem toten Vater, bis Johnny eines Tages die Brandnarben auf seinem Rücken sieht und Larry
ihm sein Geheimnis lüftet. Auch Juliet erfährt davon, als sie, schwanger, von den „Freunden“
im Stich gelassen wird und Larry mitteilt, dass sie weggehen wird aus einem Ort, wo sie jetzt
nur noch die Hure ist. Bevor sie geht, erlebt Larry mit ihr eine Liebesnacht, die für ihn
schmerzlicher Abschied und ein tiefes Glücksgefühl bedeuten. Endlich ist von dem so lange
vergeblich geliebten Mädchen akzeptiert worden.
Cercas, Javier: Soldaten von Salamis. A. d. Span., Berlin: Berlin Verlag 2002, 223.S.,
18,-€ = Berliner Taschenbuch Verlag 2004, 8,90 €, ab 16.
Cercas, ein Journalist, der es ohne Erfolg mit Romanschreiben versucht hat, kehrt zu seinem
alten Beruf zurück. In einem Interview mit dem Sohn von Rafael Sáchez Mazas, einem
bekannten Autor und Mitbegründer der Falange, erfährt er jetzt, 1994, von der missglückten
5
6
Erschießung des Schriftstellers. Sánchez Mazas war von republikanischen Truppen gefasst
worden, die ihn auf ihrer Flucht vor Francos Soldaten in der Nähe der französischen Grenze in
einem Massaker an gefangenen Faschisten nicht tödlich trafen. Mazas kann flüchten, wird im
Wald von einem republikanischen Milizionär gestellt, der ihn erkennt, aber nicht erschießt.
Diese Geschichte aus den letzten Tagen des Bürgerkriegs reizt den 1962 geborenen Cercas, nun
doch noch einmal ein Buch zu schreiben, - keinen Roman, sondern eine „Erzählung nach der
Wirklichkeit“. Er knüpft Kontakte zu Leuten, die die Retter von Sáchez Mazas kennen und zu
den noch lebenden Rettern selbst. Dabei entsteht die Biografie eines faschistischen Autors, sehr zum Missbehagen von Cercas’ Freundin, die nicht einsehen kann, warum man einem
faschistischen Autor so viel Aufmerksamkeit schenkt. Als Cercas’ Interesse an dem BuchProjekt schon zu schwinden beginnt, erfährt er von einem republikanischen Milizionär, der wie
viele andere Spanier vor Francos Truppen nach Frankreich floh, aus einem Hungerlager dort
sich zur Fremdenlegion meldete, in Afrika und in Europa den Zweiten Weltkrieg mitmachte
und danach eine kleine französische Staatsrente bezog. Getrieben von der fixen Idee, der Mann
könnte bei der Erschießung jener faschistischen Gefangenen an der spanisch-französischen
Grenze dabei gewesen sein, ja vielleicht sogar der Milizionär sein, der Sánchez Mazas stellte
und nicht erschoss. Cercas sucht nach ihm, weil er ihm das liefern könnte, was seinen
Aufzeichnungen bislang fehlt: der republikanische Blick auf den Bürgerkrieg und die Zeit
danach. Er findet den Mann in einem Altenheim in Dijon und kann ihn zu einem Gespräch
bewegen. Er erkennt in ihm einen jener Soldaten, von denen Sánchez Mazas, Oswald Spengler
zitierend, schwärmte, dass sie im Notfall immer bereit seien, die Zivilisation zu retten. Mazas
selber wollte diesen Zivilisationsrettern in einem Buch mit dem Titel „Soldaten von Salamis“
ein faschistisches Denkmal setzen, wozu er nicht mehr kam. Für Cercas ist die Begegnung mit
dem alten Milizionär ein entscheidendes Motiv, sein Buch fertig zu stellen und zu
veröffentlichen, mit all den Namen der Freunde des Milizionärs, die im Bürgerkrieg auf Seiten
der Republik gefallen sind und die vergessen wurden, aber auch mit den Namen jener
republikanischen Deserteure, die Sáchez Mazas retteten, in der Hoffnung, damit die eigene
Haut zu retten, als die Niederlage der Republik besiegelt war.
Cole, Brock: Was wisst ihr denn schon. A. d. Englischen, Hamburg: Carlsen 2002, 208 S.,
13,50 €, ab 13.
Die 13-jährige Linda muss mit ansehen, wie Mr Green, der ihrer Mutter einen guten Job in
seiner Firma verschafft hat, von dem Ex-Freund der Mutter, Frank Perry, niedergeschossen
wird. Der Mörder tötet sich kurz danach selbst. Linda wehrt sich vergeblich gegen die
Heimunterbringung, weil sie ihre beiden jüngeren Brüder nicht im Stich lassen will, für die sie
sich verantwortlich fühlt. Sie wird von verschiedenen Leuten verhört und alle wollen wissen, in
welcher Beziehung sie zu den beiden toten Männern stand. In einer günstigen Situation
verschafft sie sich Einblick in die Aufzeichnungen einer Sozialarbeiterin, die mit ihr intensive
Gespräche geführt hatte. Sie entschließt sich, diesem Bericht über ein sexuell missbrauchtes
Mädchen ihre eigene Sicht der Dinge entgegenzustellen. Als nämlich in der Beziehung der
Mutter zu Frank Perry Mr Green auf der Bildfläche erschien und der Mutter den Job in seiner
Firma anbot, geschah dies nicht, wie der Freund vermutete, der Mutter, sondern der Tochter
wegen, die sich überhaupt nicht wehrte gegen diese „verbotene“ Beziehung, ja sie nach allem,
was sie in ihrem Leben von und mit Erwachsenen erlebt hatte, genoss, bis die Frau ihres
Liebhabers dem ein Ende setzte und bald danach der Mord geschah. Linda genießt zuletzt im
Heim die Ruhe und sie wird für die Leiterin bald, was sie in ihrer Familie von klein auf war,
eine zuverlässige Stütze.
Colfer, Eoin: Benny und Omar. Weinheim: Beltz & Gelberg 2001, 292 S., € 12,40 = Beltz Tb.
2004, 7,90 €, ab 12.
Der zwölfjährige Benny verlässt mit seinen Eltern und dem neunjährigen Bruder Irland. Der
Vater wurde von seiner Firma nach Tunesien versetzt und wohnt die Familie in einem von einer
Mauer umgebenen und bewachten Viertel von Ausländern, mit eigener Schule, mit
6
7
Swimmingpool und allem, wovon die tunesische Bevölkerung außerhalb der Mauer nur
träumen kann. Benny, der seine irischen Freunde und sein geliebtes Hurling-Spiel vermisst und
sich nur schwer an die „Hippie“-Schule gewöhnen kann, akzeptiert diesen goldenen Käfig nicht
und kommt bald mit Omar in Kontakt, der auf der Mauer erscheint. Benny trifft ihn außerhalb
der Mauer und erfährt von ihm, dass die Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen und die
seitdem völlig verstörte kleine Schwester in einer düsteren psychiatrischen Klinik lebt. Bennys
Ausflüge werden entdeckt und unterbunden, bis er auf dem Weg zu einem Ausflug der Schule
in die Wüste den Hilferuf Omars vernimmt. Der Junge hatte die Schwester aus der Klinik
entführt, war in einem leerstehenden Haus des Ausländer-Viertels untergekommen und wurde
nun überall gesucht. Benny hilft den beiden über die Mauer. Auf ihrer Flucht mit Omars altem
Moped geraten sie in einen Wolkenbruch, aus dem Benny und Omars Schwester von ihren
Verfolgern, darunter Bennys Vater, gerettet werden. Omar ist verschwunden. Während es für
das Mädchen eine gute Lösung gibt (Adoption von einem der Wächter), hat Benny Hinweise,
dass Omar lebt. Er braucht darum dringend eine Familiekonferenz für den Fall, dass der Freund
wieder auftaucht.
Cormier, Robert: Nur eine Kleinigkeit. Aarau: Sauerländer 1995, 112 S. = Carlsen Tb. 2001,
€ 6,50, ab 12.
Nach dem Tod von Henrys älterem Bruder Eddie zieht die Familie in die benachbarte Stadt in
die Nähe einer psychiatrischen Klinik. Henry beobachtet über längere Zeit einen alten Mann
dieser Klinik, kommt schließlich in Kontakt mit ihm und gewinnt Einblick in die von der Stadt
eingerichtete Künstler-Werkstatt. Der alter Mann, Jacob Levine, ist da ein anerkannter
Holzschnitzer, der das polnische Dorf rekonstruiert, das er einst verlassen musste. Henry erzählt
Mr. Hairston, bei dem er einen Job hat, von seinem und seiner Mutter Plan, für den toten Eddie
einen Grabstein setzen zu lassen. Mr. Hairston, von einem tiefen Judenhass getrieben, will den
Grabstein bezahlen, für den seit Eddies Tod depressiven Vater eine Therapie finanzieren und
die ausgesprochene Kündigung Henrys rückgängig machen, wenn dieser bereit ist, das
inzwischen preisgekrönte Werk des Jacob Levine zu zerstören. Auch wenn sich alles in Henry
bis in seine Träume hinein dagegen sträubt, lässt er sich in der Künstler-Werkstatt einschließen,
ist jedoch unfähig, mit einem Hammer, den er findet, die „Kleinigkeit“ zu erledigen, bis eine
Ratte in das Dorf springt und er zuschlägt. Henry kündigt bei Mr. Hairston ohne jede
„Entlohnung“. Die Familie zieht in ihre frühere Stadt zurück und Jacob Levine, dem das alles
verborgen blieb und der sein partiell zerstörtes Dorf repariert hat, schenkt Henry zum Abschied
eine kleine Holzplastik, die ihm, Henry, ähnlich sieht.
Cormier, Robert: Nachts, wenn die Schatten fallen. A. d. Amerik., Frankfurt: Sauerländer
1998, 169 S., 26,80 DM = Bertelsmann Tb. 2002, € 6,00, ab 14.
Bei einer Kinderveranstaltung in einem alten Kino ist die Galerie in Brand geraten und kurz
danach eingestürzt. Es gab Tote und es gab Verletzte, darunter Lulu, die mit schweren
Verbrennungen im Gesicht für ihr Leben schwer gezeichnet ist und seitdem verzweifelt auf
Rache sinnt an dem zum Zeitpunkt des Unglücks 16-jährigen John Paul Colbert. John Paul war
Platzanweiser in dem Kino und hat ungewollt auf der Galerie den Brand verursacht. In einem
Prozess wird festgestellt, dass der Brand nicht die Ursache des Einsturzes gewesen ist, was Lulu
und andere Betroffene nicht glauben. John Paul Colbert, seine Frau und Sohn Denny kommen
auch nach einigen Umzügen und auch 25 Jahre danach nicht zur Ruhe. Denny ist inzwischen
16, so alt wie sein Vater damals. Er durchbricht das Verbot des Vaters, auf anonyme Anrufe zu
reagieren und gerät unter den Einfluss von Lulu, die mit Hilfe ihres Bruders ein Treffen
vereinbart. Nur knapp entgeht Denny dem Plan Lulus, sich an dem Sohn des „Killer“-Vaters zu
rächen.
Cormier, Robert: Zärtlichkeit. A. d. Amerik., Aarau: Sauerländer 2000, 221 S.,€ 15,80
=Bertelsmann Tb2002, € 7,00, ab 14.
7
8
Lori, 15, lebt mit der Mutter zusammen. Der Vater starb bei einem Unfall, als Lori zwei Jahre
alt war. Das Mädchen ist ziemlich selbständig in ihren Entscheidungen und rasch in ihren
Entschlüssen. Sie trampt, ohne die Mutter zu informieren, zu einem Rock-Konzert, fest
entschlossen, den Sänger der Gruppe nicht nur zu hören, sondern zu küssen. An dem Ort, wo
das Konzert stattfindet, hat sie mit der Mutter eine Weile gelebt und kennt darum Eric Pool, der
gerade aus der Haft entlassen wurde. Eric hat die Mutter und deren Freund umgebracht für
Misshandlungen, die er sich selber zugefügt hatte, um seine Killer-Obsession zu verheimlichen,
die bei Tieren begann und dann auf Menschen sich richtete. Die Mädchen-Morde, die ihm zur
Last gelegt wurden, konnten ihm nicht alle nachgewiesen werden, was ein Polizeikommissar
vor Eric Entlassung unbedingt aufklären wollte. Vergeblich. Eric wohnt jetzt bei seiner Tante
und zieht Reporter und viele Schaulustig an, darunter Lori, die ihn damals kurz nach einem
Mord traf, ohne zu ahnen, was er gerade getan hatte. Sie will jetzt den Typ, der sie seinerzeit so
großherzig vor einer Motorrad-Gang beschützte, unbedingt wiedersehen. Endlich im Besitz
eines Führerscheins fährt Eric los und entdeckt erst unterwegs Lori in seinem Auto. Die hatte
darin, ohne zu ahnen, wem das Auto gehört, die Nacht verbracht. Eric, auf dem Weg zu einem
Mädchen, mit dem er sich schon in der Haftanstalt verabredet hatte, will Lori rasch loswerden.
Sie ist nicht sein Typ. Doch was hat sie damals bei ihrer ersten Begegnung wirklich
mitbekommen? Wie Cormier diese Komplikation auflöst, sollte fairer Weise an der Stelle nicht
verraten werden.
Cormier, Robert: Heroes. A. d. Amerik., Frankfurt/M: Fischer 2001, 118 S., € 12,14 =
Fischer Tb. 2002, € 6,90, ab 14.
Der Ich-Erzähler, Francis Joseph Cassavant, ist schwer verletzt und im Gesicht entstellt aus
dem Krieg gekommen. Er gelangt unerkannt in seine Heimatstadt, um eine alte Rechnung zu
mit Larry LaSalle, dem ehemaligen Leiter des Freizeitzentrums zu begleichen. LaSalle, von den
Jugendlichen einst anerkannt und geliebt, hatte bei einem Fronturlaub nach einer Tanz-Party
Francis Freundin vergewaltigt, was Francis im Dunkeln miterlebte, ohne eingreifen zu können.
Er wurde von der Freundin dafür verachtet und abgewiesen und meldet sich als
Fünfzehnjähriger mit gefälschter Geburtsurkunde freiwillig zum Militär. Er trifft den
heimgekehrten LaSalle, vermag den, ebenfalls vom Krieg gezeichneten und wie er selbst als
Held hochdekoriert („Heroes“), im entscheidenden Moment nicht zu töten. Er trifft Nicole und
erfährt von ihr, sie hätte ihn damals nicht so sehr verachten und so entschieden zurückweisen
dürfen. Auf seine Frage, ob sie sich wiedersehen könnten, hört er von ihr nur: „Ach, Francis.“
Während LaSalle sich bald nach der Begegnung mit Francis das Leben nimmt, bleibt offen, ob
Francis dasselbe tun wird, was er vorhatte, oder doch für sein Leben eine neue Perspektive
gewinnt.
Cormier, Robert: Das Verhör. A. d. Amerik., München: Bertelsmann 2002, 160 S., 12,30 € =
Bertelsmann Tb. 2004, 5,90 €, ab 14.
Die siebenjährige Alicia ist im Wald tot aufgefunden worden. Der zwölfjährige Jason Dorrant,
der gelegentlich bei ihrem Bruder vorbeischaut und sich mit Alicia anfreundet, ist der Letzte,
der vor der Tat mit dem Mädchen zusammen war. Das Verhör des Jungen bringt vage Indizien
für die Tat, aber kein Geständnis, das die Stadt und die politisch Verantwortlichen immer
dringlicher fordern. In dieser Situation wird ein Kriminalbeamter von außerhalb zugezogen, der
als besonders erfolgreich bei Verhören in Mordfällen bekannt ist. Das spektakuläre Ergebnis
und die Folgen des minutiös geschilderten Verhörs des Jungen dürfen natürlich nicht verraten
werden.
Creech, Sharon: Der beste Hund der Welt. A. d. Amerik., Frankfurt/M: Fischer Schatzinsel
2003, 96 S., 10,90 €, ab 9 und dann unbegrenzt.
Jack weigert sich, Gedichte zu schreiben, weil das nichts für Jungen sei; für Mädchen schon.
Doch dann wird er von Gedichten die seine Lehrerin der Klasse vorliest und auf die er
schriftlich der Lehrerin antwortet, ermutigt, Wörter so wichtig zu nehmen, dass man für sie
8
9
gelegentlich eine ganze Zeile reserviert. Allmählich traut er sich, seine Texte von der Lehrerin
ans „Brett“ heften zu lassen, noch ohne Namen, und ist schließlich bereit, das Gedicht über
seinen geliebten Hund, der überfahren wurde, unter seinem Namen zu veröffentlichen, auch
wenn er Angst hat, es könnte zu traurig sein.
DiCamillo, Kate: Winn-Dixie. A. d. Amerik., Hamburg: Dressler 2001, 160S., 19,80 € = dtv
2003, 5,50 €, ab 9.
Opal, die zehnjährige Ich-Erzählerin, lebt bei ihrem Vater. Die Mutter ist weggegangen, als ihr
Kind drei Jahre alt war. Der Vater, einst Missionar in Indien, ist mit der Tochter gerade
umgezogen und Prediger an einer Baptistenkirche. Bei einem Einkauf im Supermarkt wird Opal
Zeuge, wie ein Hund ein großes Durcheinander am Gemüsestand anrichtet. Das Mädchen gibt
sich kurz entschlossen als die Besitzerin des Hundes aus, nennt ihn, danach gefragt, wie den
Supermarkt Winn-Dixie und kann den Vater davon überzeugen, dass das überaus hässliche und
übelriechende Geschöpf ein Zuhause braucht. Winn-Dixie reißt Opal aus ihrer Einsamkeit, in
die sie nach dem Umzug geraten ist. Sie redet mit dem Hund und fasst dabei den Mut, endlich
den verschlossenen Prediger, der ganz in seinem Dienst aufgeht, nach der Mutter zu fragen. Mit
Winn-Dixie gewinnt Opal rasch Freunde, ältere und gleichaltrige, zuletzt die als Hexe
verschrieene Gloria Dump. Mit ihr organisiert sie eine Party, zu der alle ihre neuen Freundinnen
und Freunde kommen, auch ihr Vater. Als ein schweres Gewitter die Gesellschaft zwingt, die
Gartenparty ins Haus zu verlegen, ist Winn-Dixie plötzlich verschwunden. Opal und ihr Vater
suchen den Hund und dabei erfährt das Kind, dass der Prediger Opals Mutter immer noch liebt,
aber das Warten auf sie aufgegeben hat. Da merkt Opal zum ersten Mal, dass auch sie mit
Winn-Dixie und den neuen Freunden den schmerzlichen Verlust besser ertragen kann, - nun
auch mit einem Vater zusammen, den sie mit Winn-Dixies Hilfe aus seinem Schneckenhaus ein
wenig herauslocken konnte. Zuletzt taucht auch der Hund wieder auf, der sich aus Angst vor
dem Gewitter unter Gloria Dumps Bett verkrochen hatte.
DiCamillo, Kate: Desperaux. Von einem der auszog, das Fürchten zu verlernen. A. d.
Amerik., Hamburg: Dressler 2004, 266 S., 12,- €, ab 9.
Desperaux, die letzte Maus der Eltern, ein Winzling mit viel zu großen Ohren, ist nicht in der
Lage oder auch zu eigensinnig, das natürliche Verhalten von Mäusen zu lernen. Statt in der
Bibliothek sich an Büchern zu knabbern, liest er in einem Buch die Geschichte von einem
Ritter, der eine Prinzessin befreit. Statt sich von Menschen fernzuhalten, nähert er sich dem
König, der seiner Tochter Lieder zur Gitarre singt. Er verliebt sich in die schöne Prinzessin und
wird schließlich für sein „unwürdiges“ Verhalten vom Mäuserat zur Strafe ins Verließ zu den
Ratten verbannt, - für gewöhnlich der sichere Tod einer Maus. Wir erfahren dann, wie
Desperaux dem Verließ und den Ratten entkommt, wie eine von der Prinzessin gedemütigte
Ratte mit Hilfe der Dienstmagd die Tochter des Königs ins Verließ entführt und wie Desperaux
sich, wie jener Ritter in der Geschichte, die er gelesen hat, aufgefordert fühlt, sich auf Aventiure
zu begeben, um die geliebte Prinzessin aus der Gewalt der Ratten zu befreien.
Doyle, Brian: Mary Ann Alice. A. d. kanad. Englisch 2004, Düsseldorf: Sauerländer 2004,
184 S., 13,90 €, ab 12.
Mary Ann Alice, die die Geschichte erzählt, lebt mit ihren Eltern auf einer Farm am Ufer eines
Flusses, der in der Nähe der Farm in einem gewaltigen Wasserfall zu Tale stürzt. Ihr Alltag, der
mit der Zuneigung zu einem Jungen aufregend zu werden beginnt, wird aufregender noch, als
die Regierung Ernst macht mit ihrem Plan, den Wasserfall für den Bau eines Staudammes und
eines Kraftwerkes zu nutzen, um die Gegend mit Strom zu versorgen. Die Bauarbeiten, an
denen Mary Ann Alice bei der Versorgung der Bauleute beteiligt ist, die vieldiskutierte Frage,
wie viel Land der Farmer der Flutung zum Opfer fallen wird und ob es bei der Entschädigung
gerecht zugehen wird, das Verschwinden eines Lehrers in den Höhlen am Fluss und sein
wundersames Auftauchen aus dem steigenden Wasser, der erste Kuss an dem zu einem ruhigen
9
10
See gewordenen Fluss, - das ist Stoff in Fülle für eine Erzählerin, die das Urteil ihrer Umwelt
akzeptiert, dass in ihr die Seele einer Dichterin lebendig sei.
Drvenkar, Zoran: Touch the flame. Hamburg: Carlsen 2001, 204 S., 13,00 € = Tb.2003, 6,90
€, ab 14.
Der 15-jährige Lukas, der die Geschichte erzählt, lebt bei seiner Mutter in Berlin. Er erwartet
nach Jahren der Abwesenheit den Besuch des Vaters, der mit einer anderen Frau zusammen in
Hamburg lebt und mit ihr auch einen Sohn hat. Geplant ist ein mehrtägiges Zusammensein, um
sich wieder näher zu kommen. Der Vater ist, das erfährt Lukas ganz unvermittelt, an Krebs
erkrankt. Der Besuch bei einer Verwandten des Vaters in Berlin wird mitten in der Nacht
abgebrochen und auf der nächtlichen Autofahrt nach Hamburg muss der Vater in einer heftigen
Auseinandersetzung erkennen, dass Lukas nicht bereit ist, sich den groben Anweisungen des
Vaters zu unterwerfen. In Hamburg, wo Lukas die andere Frau des Vaters und seinen
Halbbruder kennen lernt, werden sie in die kriminellen Machenschaften des älteren Bruders des
Vaters verwickelt, der nach einem spektakulären Einbruch fünf Jahre gesessen und jetzt den
Vater im Verdacht hat, ihn um die Beute prellen zu wollen. Wie in dieser lebensgefährlichen
Auseinandersetzung das Verhältnis zwischen Vater und Sohn sich entwickelt, wo die Beute
zuletzt auftaucht und wie Lukas’ Hamburg-Ausflug mit dem schwer kranken Vater endet, soll
nicht verraten werden
Drvenkar, Zoran: Cengiz & Locke. Hamburg: Carlsen 2002, 336 S., 16,50 €, = Tb. 2004,
7,90 €, ab 14
Cengiz, ein 15jähriger Türke und Locke, ein gleichaltriger Deutscher, werden Freunde in einer
deutsch-türkischen Jugendbande, die ihren Revierkrieg mit den „Yugos“ führt. Die ständigen
Auseinandersetzung eskalieren, als aus einem Auto auf die „Yugos“ vor ihrer Disco geschossen
wird und ein Mädchen der „Yugos“, den der geschossen hat, Cengiz, erkannte. Er wird von der
Bande fast zu Tode geprügelt. Das Mädchen, das ihn verraten hat, wird ermordet und Cengiz
bekennt sich in seiner Gruppe zu der Tat. Der Show-down zwischen Cengiz, der eine Waffe
zieht, und dem Anführer der „Yugos“ endet in einem großen Gelächter. In einem Epilog
erfahren wir, wer das Mädchen wirklich ermordet hat und welche Rolle Cengiz dabei zugedacht
war. Neben dieser Krimihandlung zweier Jugendbanden werden die beiden Hauptfiguren,
Cengiz und Locke, auch in ihrem familiären Umfeld gezeichnet. Dabei ergibt sich ihre
besondere Disposition für eine gewaltbereite Jugendbande und ihre je besondere Position in der
strengen Hierarchie der Gruppe.
Engström, Mikael: Brando. A. d. Schwedischen, München: Hanser 2003, 253 S., 14,90 €, ab
12.
Der zwölfjährig Brando, der eigentlich Marlon heißt, lebt nach dem Tod der Mutter bei seinem
Vater, der Filmvorführer ist im einzigen Kino der Stadt. Ein gewonnenes Fußballspiel bringen
Brando und seinen Freund Larsa die Feindschaft einer älteren Jungengruppe ein und das
wiederum bringt Aufregung in die sonst so trostlosen Sommerferien, in denen aus finanziellen
Gründen Urlaub mit den Eltern nicht in Betracht kommt. Ein wenig Abwechslung bedeuten für
die beiden auch die Zorro-Filme im „Thule“, das Angeln in der Quecksilber-verseuchten Bucht,
das Lauern am Fenster der schönen Lora und andere Unternehmungen gegen die Langeweile
und gegen die gewalttätiger werdenden älteren Jungendlichen. Dass Brando und Larsa bei
einem schweren Verkehrsunfall einen Lastwagenfahrer aus dem Führerhaus zerren und vor dem
Verbrennen retten, beendet dann, mit Hilfe der Polizei, auf einem Höhepunkt der
Auseinandersetzung unter den Jugendlichen den Konflikt durch einige wunderbare Zufälle.
Dass der Titel der deutschen Übersetzung neben Brando nicht auch Larsa nennt, liegt wohl an
den tagebuchartig eingestreuten Überlegungen Brandos, die er abends in seinem Zimmer der
toten Mutter mitteilt.
10
11
Enquist, Per Olov: Großvater und die Wölfe. A. d. Schwed., München: Hanser 2003, 116 S.,
11,90 €, ab 8.
Die sechsjährige Mina lässt sich von den Eltern nur schwer überzeugen, dass es ein Traum war,
in dem sie von einem Krokodil in den Po gebissen wurde, und dass die schmerzende Stelle von
eine Mücke verursacht wurde. Mina sucht am Telefon Trost beim Großvater, der sie, ihre kleine
Schwester und seine übrigen Enkelkinder zu sich einlädt. Sie fahren mit Gunilla, der Frau des
Großvaters, und dem sibirischen Schlittenhund zum Ferienhaus an der norwegischen Grenze
und von da plant der Großvater eine Expedition mit den Kindern auf den hohen
Dreihöhlenberg. Das wird für Mina, die anderen Kinder und nicht zuletzt für den Großvater ein
äußerst spannendes Abenteuer, bei dem, wie der Titel verheißt, Wölfe eine wichtige Rolle
spielen.
Frank, E. R.: Das Leben ist komisch. A. d. Amerikanischen, Weinheim: Beltz & Gelberg 2002,
288 S., 14,90 €, = Tb. 2004, 8,90 €, ab 14.
Die Geschichte spielt in Brooklyn, New York, und erstreckt sich über einen Zeitraum von
sieben Jahren. Sie besteht aus einer Reihe von Episoden, in denen aus einem umfangreichen
Personal an weiblichen und männlichen Jugendlichen jeweils eine/ einer als Ich-ErzählerIn
auftritt und ihre/seine sozialen Beziehungen (Familie, Freundinnen/Freunde, Schule, Job,
College) schildert. Jede Episode kann für sich gelesen werden, gewinnt darüber hinaus aber als
Element des Romans ihren besonderen Reiz dadurch, dass in fast jeder neuen Episode uns
bereits bekannte Jugendliche auftauchen, die jetzt nicht selbst erzählen, sondern von andern und
von außen wahrgenommen werden. Dabei gewinnen einige Jugendliche, farbige neben weißen,
mehr an Profil als andere und es entsteht ein Tableau sozialer Beziehungen und Lebensentwürfe
von Jugendlichen, wie es bunter und gegensätzlicher nicht sein könnte.
Frayn, Michael: Das Spionagespiel. Roman. A. d. Englischen, München: Hanser 2004, 223
S., 19,90 €, ab 16
Stephen Wheatley kommt als alter Mann noch einmal zurück in die Straße seiner Kindheit,
einer Vorortstraße Londons, in der die Häuser von damals noch stehen und sich doch alles
verändert hat. Wir erfahren von der ungleichen Freundschaft zwischen Stephen und Keith
Hayward, der mit seinen Eltern in gehöriger sozialer Distanz lebte zu allen, die sonst noch in
der Straße wohnten. Nur Stephen wurde als willfähriger Freund geduldet, auch von den Eltern,
für die er jedoch nicht wirklich existierte. Die Spiele der beiden Jungen nahmen eine ernste
Wendung, als Keith behauptete, seine Mutter sei eine Spionin für Hitler-Deutschland. Ihre
intensive Beschattung der Frau führte zu Entdeckungen, die die beiden nur so interpretieren
konnten, dass die Mutter Kontakt hält zu einem mit dem Fallschirm abgesprungenen deutschen
Spion, dessen Versteck sie ausfindig gemacht hatten. Für Stephen spitzte sich die Lage
dramatisch zu, als Keith’ freundlich-unnahbare Mutter ihn, nicht Keith, ins Vertrauen zog und
ihn bat, den unbekannten Mann in seinem Versteck mit Lebensmitteln und Medikamenten zu
versorgen. Von da an überschlugen sich für den Jungen die Ereignisse, in denen zuletzt die
Polizei das Heft in die Hand nahm. Wie dieses „Spionagespiel“der beiden Jungen endete, was
aus ihrer ungleichen Freundschaft wurde, wer tatsächlich Spionage betrieben bzw. mit ganz
anderen Problemen zu kämpfen hatte, das erfährt, wer den Roman zuende liest, von dem alten
Mann noch in der Straße, in der er vor langer Zeit ein Kind war und fast über Nacht erwachsen
werden musste.
Genazino, Wilhelm: Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman. Roman. München: Hanser 2003,
160 S., 15,90 €, ab 17.
Der Ich-Erzähler, den alle, die ihn im Text ansprechen, nur Weigand oder Herr Weigand
nennen, ist 18. Er ist ein Jahr zuvor vom Gymnasium verwiesen worden und findet mit Mühe
eine Lehrstelle bei einer Spedition. Nebenbei ist er Abendreporter einer Tageszeitung und
schreibt 20-Zeilen-Texte zu Autogrammstunden von Schlagersängern u.ä. Veranstaltungen.
Von seiner Freundin, mit der er schon feste Pläne für die Zukunft hatte, trennt er sich, als Linda
11
12
auftaucht, die auch bei einer Zeitung arbeitet und nebenbei einen Roman schreiben will. Linda,
die Weigand fasziniert, verschwindet auf tragische Weise aus seinem Leben. Das Angebot einer
festen Anstellung bei der Zeitung schlägt er aus und behält sein bisheriges berufliches
Doppelleben bei. Zuletzt bezieht er seine erste eigene Wohnung und wartet in ihr „auf das
Aufzucken des ersten Wortes“ seines ersten Romans.
Glaser, Pernilla: Tanz auf dünnem Eis. A. d. Schwed., Carlsen 1999, 113 S., 24,- DM = Piper
Tb. 2001, € 7,90, ab 16.
Ein junge Frau (21) verliebt sich in einen aus Brasilien stammenden Mann und erfährt, dass der
Mann eine schwere Gehirnoperation (Tumor) glaubt gut überstanden zu haben. Doch die
Hoffnung erweist sich als trügerisch und die Liebe der beiden wird immer mehr überschattet
von der neu aufbrechenden Krankheit, mit immer härteren Eingriffen und Chemotherapien.
Minutiös schildert die Frau den Verlauf der Krankheit bis zum Tod des Mannes, ihre
Anteilnahme und Pflege bis zur Erschöpfung und bis zu dem Wunsch, sich selbst das Leben zu
nehmen, und dem tiefen Gefühl von Befreiung danach.
Grossman, David: Wohin du mich führst. A. d. Hebräischen, München: Hanser 2001, 440S.,
19,90 €= dtv 2003, 8,50 €, ab 14.
Schaj, der begeisterte Gitarist, ist in die Drogenszene geraten. Der eskalierende Konflikt mit
den Eltern endet abrupt, als diese nach Schajs 18.Geburtstag erfahren, dass die Polizei jetzt für
weitere Suchaktionen nicht mehr zuständig sei. Tamar, Schajs zwei Jahre jüngere Schwester,
hat den Eindruck, die Eltern haben den Bruder, für den sie, die Jüngere, immer schon
Verantwortung übernahm, aufgegeben. Sie erfährt, dass Schaj in einem „Künstlerhaus“
untergekommen ist, das in Wahrheit einer Dealer-Bande gehört, die Schaj aufgegriffen hat, mit
„Stoff“ versorgt und wie andere Abhängige als Straßenmusikant brutal ausbeutet. Nach einem
verzweifelten Anruf des Bruders, ihn aus dem Haus herauszuholen, verlässt nun auch Tamar
mit ihrem Hund Dinka das Elternhaus, tritt, als Sängerin ausgebildet, in der Stadt auf und lässt
sich von der Bande aufgegreifen. Sie plant, gegen den Willen des inzwischen fast willenlosen
Bruders, die Flucht, die bei einem gemeinsamen Auftritt der beiden in der Stadt gerade so
gelingt, - allerdings ohne den Hund. Dinka landet im städtischen Tierheim. Dort erhält Assaf,
der bei der Stadtverwaltung einen Ferienjob hat, während seine Eltern in Amerika die ältere
Schwester besuchen, den Auftrag, den Besitzer des Hundes aufzuspüren und von ihm ein
Bußgeld zu kassieren. Dinka schleppt Assaf an verschiedene Orte, wo sie mit Tamar gewesen
ist und der Junge erfährt über die Besitzerin des Hundes so viel, dass sein Auftrag immer mehr
eins wird mit dem Wunsch, das Mädchen unbedingt kennen zu lernen. Tamars ältere Freundin,
die die Flucht der Geschwister ermöglicht hat, kennt das Versteck der beiden und Assaf findet
es mit Dinkas Hilfe. Er erlebt den verzweifelten und tollkühnen Versuch Tamars, den
heroinsüchtigen Bruder zu heilen und ist bereit, sie dabei zu unterstützen. Er muss das Versteck
vorübergehend verlassen, um den Freund seiner Schwester daran zu hindern, bei der Polizei
eine Suchaktion nach ihm zu starten. Er trifft sich in Tamars Auftrag mit den Eltern der beiden
verlorenen Kinder und sein Bericht bricht das Eis der Mutter und des Vaters. Der Freund der
Schwester, dem Assaf seine Situation und die der beiden Geschwister eingehend geschildert
hat, bringt ihn wieder in die Nähe des Verstecks von Schaj und Tamar. Wie die Geschichte von
da an sich zuspitzt und ob sie gut ausgeht oder im Desaster endet, soll hier offen bleiben.
Gwynne, Phillip: Wir Goonyas, ihr Nungas. A. d. australischen Englisch, Frankfurt/M:
Sauerländer 2001, 285 S., 15,80 €= Carlsen Tb.2003, 7,50 €, ab 13.
Gary Black, der vierzehnjährige Ich-Erzähler, lebt mit den Eltern und einer Reihe von
Geschwistern in einem Dorf am Meer, in der Näher eines Reservats der Aborigines, die die
Weißen Nungas oder Boongs oder Schwarze nennen. Im Dorf sind die Nungas nur als Kunden
geduldet oder als Footballspieler; denn ohne sie gäbe es keine eigene Mannschaft im Dorf,
schon gar keine, die in diesem Jahr um die Meisterschaft spielte. Gary hat sich mit Dumby Red,
dem besten Spieler der Nungas und dem Star der Mannschaft, angefreundet. Als nach dem
12
13
Gewinn der Meisterschaft nicht der Freund, sondern ein Weißer als bester Spieler ausgezeichnet
wird, bricht für Gary eine Welt zusammen. War er bislang einverstanden mit dem
Nebeneinander von Weißen und Schwarzen, wird er nun aufmerksam auf den alltäglichen
Rassismus der Weißen. Bei einem Einbruch der Nungas in eine Gaststätte wird Dumby vom
Besitzer des Lokals erschossen und Gary erlebt das achselzuckende Bedauern und die
Gleichgültigkeit, auch beim Trainer der Footballmannschaft. Als einziger Weißer geht er
heimlich zur Beerdigung des Freundes ins Reservat. Höhepunkt und Ende der Geschichte ist
eine spektakuläre Aktion Garys mit all seinen Geschwistern, nach der ein in großen Lettern an
die Landungsbrücke gepinselter Spruch BOONGS VERPISST EUCH verschwunden ist.
Gwynne, Phillip: Blacky, Lovely und der ganze Bullshit. A. d. australischen Englisch,
Düsseldorf: Sauerländer/Patmos 2003, 351 S., 14,90 €, ab 13.
Phillip Gwynnes Roman „Wir Goonyas, ihr Nungas“ endet mit einer kurzen Begegnung Gary
Blacks (Blacky) mit Clarence, der Schwester des toten Freundes Dumby Red. Die
Wiederbegegnung, die sich entwickelnde Freundschaft der beiden ist Hauptthema des neuen
Romans. Blacky schildert die Veränderungen zwischen Weißen und Schwarzen nach der
Ermordung von Dumby Red: Die Nungas meiden das Dorf und fehlen als Kunden, der Football
kommt ohne die schwarzen Spieler zum Erliegen, die Touristen bleiben weg. Da trifft Blacky
bei einem Einkauf in der Stadt Clarence wieder. Sie verabreden sich auf neutralem Boden
zwischen Dorf und Reservat. Die Freundschaft der beiden bleibt nicht geheim im Dorf und
Blacky wird gewarnt, von den eigenen Leuten, aber auch von Lovely, dem Anführer einer
Gruppe jugendlicher Nungas. Den sechzehnten Geburtstag von Clarence wollen die beiden in
ihrer Höhle am Meer feiern. Doch dort erscheint nicht Clarence, sondern Lovely, und der reizt
Blacky, er wolle bei Clarence ja nur dasselbe, was Männer aus dem Dorf, auch Blackys Vater,
bei Nunga-Frauen suchten. Bei der Prügelei wird Blacky von Lovely übel zugerichtet. In einer
nächtlichen Unternehmung verirren sich Blacky und ein Freund ins Reservat und müssen mit
ansehen, wie Blackys Vater mit anderen Männern aus dem Dorf bei Nunga-Frauen einkehren.
Noch in derselben Nacht zündet Blacky das Schiff an, das der Vater mit vielen Helfern über
Wochen hin zu einem Segelschiff umbaute, um Fremde wieder ins Dorf zu locken. Es fällt
Blacky nicht schwer, Lovely der Tat zu bezichtigen, weil alle im Dorf, auch die Polizei, ihm das
gerne glauben. Vor Gericht sagt Blacky die Wahrheit und verschweigt auch nicht sein Motiv.
Eine Anklage gegen ihn wird nicht erhoben. In der Höhle am Meer erfährt Blacky von
Clarence, warum sie nicht zur Geburtstagsfeier kam und sie tun das, was sie damals schon tun
wollten, eine erstes und vielleicht ein letztes Mal. Clarence verlässt das Reservat, um in
Adelaide eine Ausbildung zu beginnen. Blacky wird zur Unperson bei fast allen im Dorf.
Zuletzt entschließt auch er sich wegzugehen, in die Stadt, nach Adelaide.
Haddon, Mark: Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone. Roman. A.
d. Engl., München: Karl Blessing Verlag 2003, 284 S., 18,- €, ab 12.
Der 15-Jährige Christopher Boone lebt nach dem Tod der Mutter beim Vater. Er leidet an einer
milderen Form von Autismus, registriert alles bis in kleinste Detail und droht unter der Last der
gespeicherten Eindrücke zusammen zu brechen, sobald die ihn umgebende Welt auch nur ein
klein wenig aus den Fugen gerät. Er findet den Hund der Nachbarin auf brutale Weise getötet
und will, wie sein Vorbild Sherlock Holmes, den Mörder ausfindig machen, trotz seiner Angst
vor allem Fremden und Ungewohnten, vor jeder Art von Nähe und Berührung. Von seiner
Lehrerin an der Sonderschule dazu ermuntert, beginnt er mit den Aufzeichnungen für einen
Krimi über den Mord-Fall. Bei seinen Recherchen, die er gegen den ausdrücklichen Willen des
Vaters betreibt, erfährt er zunächst wenig in der „Hauptsache“, einiges aber über die Beziehung
der Mutter zu dem Mann der Nachbarin. Bei der Suche nach seinen Aufzeichnungen, die der
Vater ihm weggenommen hat, fallen ihm Briefe der Mutter an ihn in die Hände, aus denen er
erfährt, dass die Mutter nicht im Krankenhaus gestorben ist, sondern mit dem Mann der
Nachbarin in London lebt. Wie dieser Konflikt zwischen Vater und Sohn sich von da an
dramatisch zuspitzt und gelöst wird, welche Rolle die Mutter im fernen London dabei spielt und
13
14
natürlich auch wer den Hund der Nachbarin getötet hat, soll fairer Weise hier nicht verraten
werden.
Held, Annegret: Die Baumfresserin. Roman. Reinbek: Rowohlt 1999, 318 S., € 19,90 =
Rowohlt Tb. 2002, € 8,90, ab 16.
Haupthandlungsort ist eine Kistenfabrik („Die Baumfresserin“) im Westerwald. Die handelnden
Personen sind eine halbes Dutzend Frauen („Kistenweiber“) und ähnlich viele Männer
(„Kerle“), die auf verschiedene Räume der Fabrik verteilt sind und doch immer wieder
zueinander in Kontakt treten. Dabei zeigt sich das typische, sexuell grundierte Rollenverhalten
der Männer, die die Frauen verbal belästigen und ihnen üble Streiche spielen, während die
Frauen die Männer schon durch ihr bloßes Erscheinen reizen, dieses aber gelegentlich auch
aktiv und bewusst verstärken. Das Thema ist der Alltag in der Fabrik, in den ständig das Leben
außerhalb hineinspielt: Veronikas Schwangerschaft, von der ihr Freund überrascht wird und
sich hintergangen fühlt; der Tod von Old Berta, der Kettenraucherin, an ihrem Arbeitsplatz; der
vornehmen Ilse Fürbeths Lottogewinn, den sie ohne Erfolg geheim zu halten versucht und der
es ihr erlaubt, sich aus der staubigen Kistenfabrik zu verabschieden. Da ist Paula, die
Abiturientin, die bis zu ihrem Studienbeginn in der Fabrik jobbt und ihren Freund schwer
erträgt, weil er beim Geschlechtsverkehr so „dämlich“ dreinschaut. Da ist Kistenfranz, der
Fabrikherr, der jeden einstellt und so gar nicht dem Idealbild des kapitalistischen Unternehmers
entspricht. Nach den Abgängen von Old Berta und Ilse Fürbeth kommt Timothy Twain, das
dunkelhäutige Besatzungskind, aus Amerika zum Studium nach Deutschland zurück, findet in
seiner ersten Heimat im Westerwald in der Kistenfabrik einen Ferienjob und bringt,
gutaussehend und mit feinen Manieren, die Gruppe der Frauen mächtig in Bewegung.
Dramatischer Höhepunkt zuletzt die Situation der hochschwangeren Veronika, die fast auf der
Dorfstraße niedergekommen wäre, im Krankenhaus einen Jungen zur Welt bringt und ihren
wiederauftauchenden Freund endgültig verabschiedet.
Heneghan, James: Im Schutz des kleinen Volkes. A. d. Englischen, Hamburg: Dressler 2003,
12,90 €, ab 10
Andy ist elf, als seine Mutter und sein Stiefvater in den Fluten eines über die Ufer getretenen
Flussses umkommen und er gerettet wird. Tante Mona, die ältere Schwester der Mutter, kommt
von Halifax an der kanadischen Ostküste nach Vancouver, um den Jungen im Krankenhaus
abzuholen. Von der streng und unnahbar wirkenden Tante erfährt er, dass sein Vater, nicht wie
ihm die Mutter erzählte, im Krieg gefallen ist, sondern in Halifax lebt, wo auch Andy zur Welt
kam. Als die beiden dort landen, läuft Andy der Tante weg und macht sich auf die Suche nach
dem Vater, den er schließlich in einer heruntergekommenen Wohnung ausfindig macht. Er wird
von dem ziemlich verwahrlosten Mann liebevoll aufgenommen. In der kurzen Zeit ihres
Zusammenlebens wechseln für den Jungen Hoffnung auf einen Job für den Vater und
Enttäuschung über seine nicht eingehaltenen Zusagen, bis er nach einem schweren Unfall im
Krankenhaus landet und von dort Tante Mona um Hilfe für Andy bittet. Das Leben im Haus der
Tante, mit Onkel Hugh und der Großmutter zusammen, die neuen Erfahrungen in der Schule
geben Andy die Kraft, die tiefe Enttäuschung über den Vater zu überwinden und die Beziehung
zu ihm realistischer zu gestalten. Hilfreich zur Seit stehen dem Jungen, ohne dass er es merkt,
die Sheehogue, das Kleine Volk der Elfen, von denen ihm der Vater, als Andy klein war,
erzählte. In kurzen, eingestreuten Szenen erfahren wir von der Schutzengelfunktion des Kleinen
Volkes, die den Guten helfen und den Bösen üble Streiche spielen.
Jaensson, Hakan: Bolles toller Trick. A. d. Schwedischen, Frankfurt/M: Fischer Schatzinsel
2002, 121 S., 8,90 €, = Tb. 2004, 5,90 €, ab 8.
Der zehnjährige Bolle ist mit Mama Berit und Papa Stellan vom Dorf nach Stockholm
umgezogen, wo die Mutter rasch Karriere macht, während der Vater mit seinen Erfindungen
nach wie vor wenig erfolgreich ist. Bolle ist oft allein und wenn die Eltern einmal beide
zuhause sind, streiten sie sich, bis Stellan sich entschließt, für eine bestimmte Zeit auszuziehen.
14
15
Bolle ist wütend auf Berit, die er als Hauptschuldige ausmacht und bringt aus Rache mit
Radiergummi und spitzem Bleistift fein säuberlich die Daten im Time Manager der Mutter
durcheinander. Das bringt die ehrgeizige Berit in wachsende Schwierigkeiten, während Bolle
eine Gelegenheit nach der anderen versäumt, seinen Racheakt zu beichten und sein Gewissen
zu entlasten. Höhepunkt ist dann, nach peinlichen Auftritten Berits im Fernsehen und bei einer
Betriebsfeier, die Kündigung der erfolgreichen Unternehmensberaterin, die auch vor
Personalabbau nicht zurückschreckte. Jetzt endlich gibt es Bolles umfassendes Geständnis,
wonach einem Happy End nichts mehr im Wege steht.
Karlsson, Ylva: Sei kein Frosch, Malin. A. d. Schwed., München: Hanser 2002, 136 S.,
10,20 €, = dtv 2005, 6,50 €, ab 8.
Malin, die die Geschichte erzählt, lebt mit der Mutter, dem Stiefvater Göran, der älteren
Schwester Josefin und dem Baby Simon zusammen. Simon ist das Kind aus der neuen
Beziehung der Mutter mit Göran. Gelegentlich besucht Malin den Vater, während die
Schwester, sehr zum Kummer Malins, nicht mehr bereit ist mitzukommen. Malins Verhältnis
zur Mutter scheint ungetrübt, bei Göran aber hat sie das Gefühl, dass er sie nicht mag, nicht so
jedenfalls wie Simon. In der Schule ist Malin keine krasse Außenseiterin, aber auch nicht
besonders anerkannt und freut sich darum sehr, als Riita und Sussi mit ihr den Klub „Die
geheimen Drei“ gründen wollen. Aus dem Klub wird nichts und Malin gerät unter den Einfluss
von Nicole, einem Mädchen aus einer höheren Klasse. Die beiden verlassen nachmittags mit
falschen Angaben den Hort und streunen, nicht ungefährlich, in der Stadt umher. Als Nicole mit
Malin von zu Hause abhauen will und dann doch nicht zu dem vereinbarten Termin erscheint,
zieht Malin alleine los, hält es jedoch nicht lange durch und kommt wieder nach Hause, noch
ehe jemand etwas von ihrem „Ausflug“ bemerkt hat. Höhepunkt ihrer Unternehmungen ist eine
waghalsige Kletterei auf das Dach von Nicoles Haus. Vor dem Abstieg gerät Malin in Panik
und kommt nur mit Hilfe der auftauchenden Josefin wieder heil nach unten. Staunend erlebt sie,
wie ihre Familie darauf reagiert: Sie wird stärker von der Mutter wahrgenommen und Göran
beginnt mit ihr zu reden wie mit Simon, seinem Sohn, ihrem Halbbruder.
Klass, David: Ihr kennt mich nicht! A. d. Amerikanischen, Würzburg: Arena 2001, 270 S.,
12,90 €,= Arena Tb. 2003,7,50 €, ab 12.
Der vierzehnjärige John, der die Geschichte erzählt, lebt bei seiner Mutter und ihrem Freund,
der den Jungen schlägt, wann immer die Mutter nicht in der Nähe ist und den er darum hasst
vom ersten Tag seines Erscheinens an. Seine Banknachbarin in der Schule, in die er sich
verliebt, spielt von Anfang an mit ihm und das erste Treffen der beiden endet in einer tiefen
Demütigung Johns. Das Geld für das Treffen hatte er dem Freund der Mutter weggenommen,
der ihn nun zwingt, bei einer seiner kriminellen Aktionen mitzuwirken, bei der er auch erfährt,
dass der Freund der Mutter wohl bald sein Stiefvater werden wird. Bei einer der brutalen
„Erziehungsmaßnahmen“ widersetzt sich John zum ersten Mal dem verhassten Mann und nur
durch das Dazwischengehen von Johns Musiklehrer endet diese Auseinandersetzung nicht
tödlich für den Jungen. Im Krankenhaus erfährt die Mutter, die eine Weile weg war und eine
Verwandte pflegte, mit welchen Mitteln sich ihr krimineller Freund als künftiger Vater bei John
Respekt zu verschaffen suchte.
Koertge, Ron: Monsterwochen. A. d. Engl., Hamburg: Carlsen 2004, 143 S., 13,- €, ab 13.
Benjamin, der 15-jährige Ich-Erzähler, ist als Folge einer zerebralen Kinderlähmung halbseitig
gelähmt. Er lebt umsorgt und behütet bei seiner Großmutter. Wo sein Vater steckt, weiß
niemand und die Mutter ist, als er noch klein war, weggegangen. Im Kino, seinem Lieblingsort,
begegnet er Colleen, einem drogenabhängigen Mädchen, das sich zu dem behinderten Jungen
hingezogen fühlt, der zum ersten Mal erfährt, dass ihn, den „Spasti“, jemand mit Interesse und
ohne Mitleid wahrnimmt und berührt. Ohne Illusion über die Rolle, die er im wilden Leben des
Mädchens spielt, genießt er, gegen den Widerstand der Großmutter, die kurze Zeit des
Zusammenseins mit Colleen, die „Monsterwochen“ des Glücks, an deren Ende er um eine
15
16
wichtige Erfahrung reicher ist, - auch um die, dass Colleen wohl ihrer Sucht nicht entkommen
wird.
Küchen, Maria: Song für einen Schmetterling. A. d. Schwedischen, Hamburg: Oetinger 2003,
160 S., 9,90 €., ab 14
Unter den Mädchen der 9.Klasse gibt es die üblichen Positionskämpfe und Rangzuweisungen.
Dabei werden in wechselnder Perspektive drei aus der Gruppe besonders profiliert. Da ist Elsa
Maria, schön, sportlich und anerkannt, mit der Riina, die E-Gitarre spielt und Popstar oder
Dichterin werden will, rivalisiert und die die Anerkannte zu hassen beginnt, als Elsa Maria auch
noch bei einem Jungen aus der Klasse erfolgreich ist, in den Riina sich verliebt hat. Die Dritte,
nicht im Bunde, sondern außen vor, ist Madeleine, die kaum beachtet wird und gelegentlich
offen Spott und Verachtung erfährt, insbesondere von Eva Maria. Madeleine, die Unscheinbare
und Ausgegrenzte, rückt ins Zentrum des Geschehens, als sie in einem sehr persönlichen
Aufsatz der Klassenlehrerin mitteilt, wie es um sie steht, und diese überaus tüchtige und
beliebte Lehrerin jedoch damit überfordert ist, sich um das Mädchen zu kümmern, auch dann
nicht, als Madeleine tagelang nicht zur Schule kommt. Riinas Versuch mit andern Mädchen
zusammen die Isolation der Mitschülerin zu durchbrechen, kommt zu spät. Madeleine nimmt
sich in der Schule das Leben. Das Buch schildert im letzten Teil die Auswirkungen dieser
Verzweiflungstat auf das Leben von Riina, der Lehrerin, aber vor allem auf Elsa Maria, die aus
Madeleines Tagebüchern erfährt, welche Bedeutung die Anerkannte für die Missachtete hatte.
Kuijer, Guus: Wir alle für immer zusammen. A. d. Niederl., Hamburg: Oetinger 2001, 95 S.,
9,80 €, ab 11.
Die 11jährige Polleke lebt mit der Mutter zusammen. Der Vater, der bereits zwei Kinder in die
Ehe brachte, zieht mit den beiden Kindern aus und lebt mit einer anderen Frau zuammen, mit
der er auch ein Kind hat. Der Vater, ein Möchte-gern-Dichter, dealt und ist drogenabhängig.
Polleke liebt Mimun, einen marokkanischen Jungen, der sich von ihr trennen soll, weil für seine
Eltern, Moslems, Polleke keinen Glauben hat. Der Vater, wieder einmal im Gefängnis, wird
nach seiner Entlassung von seiner zweiten Frau abgewiesen, die auch seine beiden älteren
Kinder an Pollekes Mutter loswerden möchte. Polleke wäre glücklich darüber. Sie sorgt sich um
den Vater und will ihn auf keinen Fall verlieren. Ein Glück, dass Mimun, gegen den Willen der
Eltern, sich wieder mit ihr versöhnt. Sie müssen ja nicht gleich heiraten, meint Polleke.
Kuijer, Guus: Es gefällt mir auf der Welt. A. d. Niederl., Hamburg: Oetinger 2002, 102S.,
9,50 €, ab 11.
Polleke erzählt nach „Wir alle für immer zusammen“ weiter. Sie ist in diesem zweiten Band der
Serie immer noch elf. Die mithandelnden Personen sind dieselben; die Handlungsorte auch. Die
Mutter ist mit Pollekes Lehrer noch nicht verheiratet; die Versöhnung mit Mimun am Ende des
ersten Bandes hält an, vermischt mit ersten Gefühlen von Eifersucht bei Polleke. Das Kälbchen
ist inzwischen ein Kalb und der Großvater hat es für seine Enkelin gekauft. Polleke hat nach
wie vor „keinen Glauben“, aber das Beten bei Opa und Oma tut ihr gut; denn die Sorge um den
inzwischen obdachlosen Vater ist größer geworden. Er ist so sehr am Ende, dass er auf Pollekes
Drängen hin zu einem Entzug bereit ist und Polleke will ihn begleiten und sechs Wochen mit
ihm in der Klinik bleiben. Mit der Ankunft dort endet der zweite Band wie ein
Fortsetzungsroman in der Zeitung an einer besonders spannenden Stelle.
Kuijer, Guus: Das Glück kommt wie ein Donnerschlag. A. d. Niederländischen, Hamburg:
Oetinger 2003, 104 S., 9,50 €, ab 10
Polleke, gerad zwölf geworden, hat es nicht verhindern können, dass der Vater aus der
Suchtklinik ausgerissen ist. Er schreibt ihr aus Nepal, er wolle mit Hilfe seiner strengen
Freundin und im Einklang mit dem Leben der Leute dort seine Drogensucht loswerden. Obwohl
sie den Vater weit weg weiß, steigt Polleke ins Auto eines Mannes, der vorgibt, Kollege ihres
Vaters zu sein und sie ganz rasch zu ihm in die Unfallklinik zu bringen. Polleke kann sich aus
16
17
dieser gefährlichen Situation befreien, leidet aber bald unter dem besorgten Verhalten der
Mutter, die nicht zur Arbeit geht, weil sie bei der traumatisierten Polleke einen „Rückschlag“
befürchtet, und dies besonders nach einem Verhör bei der Polizei, wo Polleke gegen ihren
Willen doch aussagen muss, dass der Mann im Auto wohl aus Surinam stammte, also ein
Ausländer war. Polleke hat nicht nur ihre sie beschützende Mutter, sondern weiterhin Oma und
Opa, die Eltern des Vaters, die Pollekes Sorge um den Drogenabhängigen teilen. Sie hat eine
neue Freundin, das Indianermädchen Consuelo aus Mexiko, dessen Vater dort erschossen
wurde, worüber es nicht sprechen kann. Und zuletzt taucht „wie ein Donnerschlag“ Spiek, ihr
geliebter Vater , wieder auf, für den sich die weite Reise vielleicht doch gelohnt haben könnte.
Kuijer, Guus: Wunder kann man nicht bestellen. Hamburg: Oetinger 2004, 96.S., 9,50 €, ab
10.
Bei Polleke scheint sich in der vierten von fünf Geschichten einiges zum Guten zu wenden. Der
Vater, aus Nepal zurück, hat wohl sein Drogenproblem im Griff und betreibt mit seiner
Freundin ein „spirituelles Zentrum“, trägt allerdings auch in der Öffentlichkeit nun ein Kleid,
woran sich Polleke erst noch gewöhnen muss, wenn sie mit ihm unterwegs ist. Ihrer neuen
indianischen Freundin Consuelo gelingt es, Pollekes Konflikt mit ihrer früheren Freundin Caro
zu entschärfen und auch der durch Eifersucht beschädigten Freundschaft mit Mimun, dem
marokkanischen Jungen, wieder eine Perspektive zu geben. Die Mutter einigt sich endlich mit
ihrem Freund, Pollekes Klassenlehrer, auf einen Hochzeitstermin. Da kommt der geliebte
Großvater ins Krankenhaus und Polleke spürt nach seiner Entlassung, dass er wohl nicht wieder
gesund wird. Am Ende zeigt er ihr auf dem Friedhof den Platz, den er für sich und Oma
ausgesucht hat und vermacht der dichtenden Enkelin seinen Klappstuhl, damit sie eines Tages
in Ruhe an seinem Grab sitzen und dichten kann.
Lawrence, Iain: Die Tochter des Leuchtturmwärters. A. d. Engl., Stuttgart: Verlag Freies
Geistesleben 2005, 254 S., 15,50 €, ab 14.
Die siebzehnjährige Elisabeth, seit Kindertagen Krabbe genannt, kehrt mit ihrer Tochter Tatiana
auf die Insel zurück, die sie als Schwangere verlassen hat. In immer neuen Rückblenden wird
erzählt, wie Krabbe und ihr Bruder Alastair auf der einsamen Leuchtturm-Insel vor der Küste
Kanadas mit ihren Eltern zusammen lebten – bis zum Tod des Bruders und ihrer
Schwangerschaft durch einen „Kajaker“, der auf der Insel erschien und wieder verschwand.
Krabbes Erinnerungen, angeregt in den Gesprächen mit den Eltern, werden ergänzt durch die
Aufzeichnungen des Bruders, die sie entdeckt hat. Sie erfährt von seinen Versuchen, mit den
Walen vor der Küste in Kontakt zu kommen und ihre Sprache zu verstehen, von seinem
schwierigen Verhältnis zum Vater und seiner wachsenden Abhängigkeit und Zuneigung zu der
oft harschen und abweisenden Schwester, von seiner Verzweiflung, als er Krabbe mit dem
„Kajaker“ zusammen sieht. Wie sich diese spannungsgeladene Erinnerungsarbeit zu den Eltern
aufklärt und entspannt, wie die kleine Tatiana spontan Freundschaft schließt mit dem Großvater
und ihn aufweckt aus seiner Erstarrung, wie die Dinge dann beim wohl endgültigen Abschied
Krabbes von der Insel stehen, ist neben der Rekonstruktion einer Familientragödie das
hineingeflochtene, versöhnlich endende zweite Hauptthema des Romans.
Linde, Gunnel: Der weiße Stein (1964). A. d. Schwed., Hildesheim: Gerstenberg 2004, 196 S.,
12,90 €, ab 9.
Nur weil ihre Mutter Klavierlehrerin ist, ist Fia im Dorf und in der Schule eine Außenseiterin.
Sie begegnet eines Tages Hampus, dem verwaisten Neffen des neu ins Dorf gezogenen
Schusters, der wieder einmal aus Not und wegen der Schikanen der Nachbarn mit seiner großen
Familie wegziehen musste. Fia stell sich dem unbekannten Jungen als Fideli vor und Hampus
dem Mädchen als König der Gefahren und Mitglied des gerade ins Dorf gekommenen Zirkus.
Der weiße, hell glänzende Stein, den der Junge in der Hand des Mädchens entdeckt und den er
unbedingt besitzen möchte, wechselt im Laufe der Geschichte mehrfach den Besitzer, wenn,
wer ihn wiederhaben möchte, eine Aufgabe löst. Das bringt die beiden Protagonisten in immer
17
18
neue schwierige Situationen, die sich gegen Ende, als sogar ein Amtsrichter eingreifen muss,
dramatisch zuspitzen und die doch ein gutes Ende finden. Das Buch, das in Schweden zu den
Kinderbuch-Klassikern gehört, war bis zu seiner Neuauflage zwanzig Jahre in Deutschland
vergriffen.
Lowry, Lois: Mein stiller Freund. A. d. amerik. Englisch, Hamburg: Carlsen 2004, 178 S.,
14,50 €, ab 12
Die alte Katy Thatcher erinnert sich an ihre Kindheit, an die Zeit, als sie gerade sechs geworden
war und mit dem Vater, einem Landarzt, der noch mit Pferden zu seinen Patienten unterwegs
war, den geistig behinderten Jacob sieht. Er ist der jüngere Bruder von Peggy, die neu als
Dienstmädchen zu den Thatchers gekommen ist. Katy ist von Anfang an fasziniert von diesem
so fremden und stummen Jungen. Da der Vater den Jungen mag und ihn gelegentlich auf seinen
Fahrten aufliest und zu seinen Eltern zurückbringt, taucht Jacob auch bei den Thatchers auf.
Aus dieser Konstellation entwickelt sich zwischen Katy und dem Jungen eine Freundschaft, in
der Katy den stummen Jungen in seinem fremden Verhalten immer besser verstehen lernt und
zuletzt auch dem Vater die schreckliche Tat des Jungen erklären kann, die dazu führt, dass
Jacob für immer aus ihrem Leben verschwindet und doch ein Leben lang mit ihr verbunden
bleibt.
Mackler, Carolyn: Die Erde, mein Hintern und andere dicke runde Sachen. A. d. Amerik.,
Hamburg: Carlsen 2004, 254 S., 13,- €, ab 12
Virginia, die fünfzehnjährige Ich-Erzählerin, hat Übergewicht - in einer Familie mit
Idealgewicht. Bei dem Mädchen etwas an seiner Figur zu ändern, scheint dann auch das
vorwiegende Interesse der Mutter zu sein. Virginias Ansehen in der Schule ist gering, die beste
Freundin zieht mit ihren Eltern weg und die Freundschaft zu einem Jungen zerbricht, weil der
zwar gerne mit ihr alleine ist, in der Schulöffentlichkeit aber sich nicht zu ihr bekennt. Als der
allseits beliebte ältere Bruder von der Universität relegiert wird, weil er nach einer Party ein
Mädchen vergewaltigt hat, ist für Virginia das Maß voll an Problemen und Konflikten. Wie sie
sich aus dieser Lebenskrise herausarbeitet, durch einige spektakuläre Aktionen an
Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl gewinnt; wie sie sich Respekt in der Familie verschafft
und dabei auch den Eltern begreiflich machen kann, dass sie einfach mehr ändern muss als ihre
Essgewohnheiten, - das bestimmt den weiteren Verlauf der Geschichte.
Mankell, Henning: Die Schatten wachsen in der Dämmerung. A. d. Schwed., Hamburg:
Oetinger 1994, 175 S., 22,- DM = dtv 2001, 6,50 €, ab 10 (Band 2 der vierbändigen JoelGeschichte. Zu Bd.1 vgl. Liste des Kolloquiums. Alle Joel-Bände sind auch unabhängig
voneinander zu lesen.)
Joel, bald 12, will der nasenlosen Gertrud aus Dankbarkeit dafür, dass er einen Unfall überlebt
hat, zu einem Mann zu verhelfen. In der Bierstube, in der die Freundin des Vaters kellnert, lernt
er jemanden kennen, den er für geeignet hält. Er fingiert Briefe für ein erstes Treffen der
beiden, das nicht zustande kommt. Das zweite endet mit einer Demütigung der Frau. Joels
Versuch einer Wiedergutmachung ist ein Racheakt an dem Mann, was ihn so sehr erleichtert,
dass er den Mut fasst, die Frau aufzusuchen und ihr den ganzen Hergang zu erzählen.
Mankell, Henning: Der Junge, der im Schnee schlief. A. d. Schwed., Hamburg: Oetinger
1998, 200 S., € 11,25 = dtv 2002, € 7,00, ab 12. (Bd. 3 der vierbändigen Joel-Geschichte).
Joel, 13, hat zu Silvester für das kommende Jahr drei Gelübde abgelegt: 1. Er wird hundert Jahr
alt und beginnt sofort mit der Abhärtung seines Körpers. 2. Er wird eines Tages das Meer
sehen. 3. Er wird im kommenden Jahr eine Frau nackt sehen. Für das dritte Gelübde hat er die
neue Angestellte im Lebensmittelladen ausersehen und sein Wunsch erfüllt sich auf wunderbare
Weise. Doch das neue Jahr bringt auch Kummer. Sara, die Freundin des Vaters, bricht die
Beziehung ab. Der Vater will heiraten, Sara nicht. Die Folge: der Vater ist jetzt wieder öfter
betrunken. Joel wird von einem Mädchen, das ihm das Küssen beizubringen versprach, schwer
18
19
gedemütigt und dann doch erhört. Er rettet den alten Simon Urväder aus dem Schnee und
versorgt nach dessen Tod die verwaisten Hunde und Hühner. Als der Vater, gegen Joels
Widerstand, wieder einmal zu einer Sauftour aufbricht und dann doch bald zurückkommt, findet
er den Sohn vor der Wohnung in einem alten Bett eingeschneit, noch nicht erfroren. Was das
zweite Gelübde betrifft, keimt für Joel zuletzt die Hoffnung, dass er und sein Vater vielleicht
doch eines Tages den Ort Richtung Meer verlassen.
Mankell, Henning: Die Reise ans Ende der Welt. A. d. Schwed., Hamburg: Oetinger 1999,
192 S., € 10,90 = dtv 2002, € 7,00, ab 12 (vierter und letzter Band der Joel-Geschichte).
Joel wird 15 und kommt bald aus der Schule. Jetzt endlich wäre die Zeit, mit dem Vater, der
doch Seemann war und kein Holzfäller bleiben wollte, aufzubrechen und gemeinsam
anzuheuern. Doch der Vater rührt sich nicht. Da kommt ein Brief von einer Freundin der
Mutter. Die Mutter ist wieder verheiratet und wohnt in Stockholm. Samuel ist bereit, nach
Abschluss der Schule mit Joel nach Stockholm zu fahren. Dort zögert er das Treffen mit der
Mutter hinaus. Joel trifft sich heimlich mit ihr und erfährt von ihr, dass sie sich von dem
zweiten Mann getrennt und zwei Töchter hat (9 und 10). Samuel bekommt Magenschmerzen
und muss das Krankenhaus aufsuchen. Seine Wiederbegegnung mit Joels Mutter misslingt. Zu
groß ist immer noch seine Wut, dass die Frau ihn und das Kind verlassen hat. Joel hat sich
unterdessen eine Seefahrtsbuch besorgt, lässt Samuel allein zurückfahren und wird auf einem
Schiff Steward. Von der Mutter erfährt er vieles, was er nicht wusste, doch mehr beschäftigt ihn
die erste Seefahrt, an deren Ende ihn ein Brief des schwer kranken Vaters erreicht. Joel mustert
ab und fährt nach Hause. Samuel stirbt versöhnt mit dem Sohn und wäre auch zufrieden, wenn
Joel und die Mutter Freunde würden. Joel hat auf einem weiteren Schiff angeheuert und verlässt
nun endgültig das Dorf in den Wäldern Nordschwedens.
McKay, Hilary: Engel, verzweifelt gesucht. A. d. Englischen, Hamburg: Oetinger 2003, 192
S., 9,90 €, ab 12
Safran entdeckt auf der in der Küche aufgehängten Farbskala von Eve Casson, der Malerin, die
allen ihren Kindern Farbnamen gegeben hat (Magenta, Indigo, Rosa), dass dort Safran nicht zu
finden ist. Da endlich ist Eve bereit, dem Mädchen zu sagen, dass es von den Cassons adoptiert
wurde, nachdem Safrans Mutter, die Zwillingsschwester von Eve, in Italien starb und der
Großvater (von einem Vater ist nie die Rede) sie nach England brachte. Seit sie das weiß, fühlt
sich Safran als Außenseiterin in der Familie. Als ihr geliebter Großvater im Pflegeheim stirbt,
kommt ein altes Testament zu Tage, in dem die Casson-Kinder mit weltlichen Gütern bedacht
wurden, die es schon lange nicht mehr gibt, und auf einem angehefteten Zettel steht: „Für
Safran. Ihr Engel im Garten. Der Steinengel“. Sie weiße bald, dass diese geheimnisvolle
Widmung den Garten ihres Hause in Siena meint und ist entschlossen, das Erbstück dort zu
suchen. Die abenteuerliche Fahrt mit einer Freundin und deren Eltern nach Italien endet mit
einer großen Enttäuschung. Wie Safran dennoch ohne ihr Zutun zu dem verzweifelt gesuchten
Engel kommt, macht den furiosen Schluss des Buches aus.
Meinderts, Koos: Die Meerjungfrau in der Badewanne. A. d. Niederländischen. Düsseldorf:
Sauerländer 2003, 88 S., 9,90 €, ab 8
Philipps Mutter ging weg, als er noch kein Jahr alt war. Sie sei im Meer ertrunken, sagt ihm der
Vater und erzählt ihm die Geschichte, in der die Mutter eine Meerjungfrau war, die er
verwundet am Strand gefunden hat und die eines Tages wieder ins Meer zurückgegangen ist.
Phillipp lebt mit dieser Geschichte und der Mutter in ihr, auch wenn er, wie bei den anderen
wunderbaren Geschichten des Vaters, nicht daran glaubt. Aber er lebt auch, nicht ganz einfach
zuweilen, mit seiner geheimen Freundin Doro, mit der „Schwarzen Witwe“, die im Wald wohnt
und auf Jan, ihren Seefahrer, wartet. Er liebt seinen Platz in den Dünen, den niemand kennt. Am
meisten aber liebt er den Vater, den Hutmacher, der ihm eines Tages auch erzählt, warum er
nicht an seinem gebrochenen Herzen gestorben ist, als die Mutter nicht mehr zurückkam.
19
20
Moeyaert, Bart: Im Wespennest. A. d. Niederl., Weinheim: Beltz & Gelberg 2000, 148 S., €
11,oo = Beltz Tb.2002, € 7,90, ab 14.
Suzanne ist vierzehn und kommt mit der Mutter nicht mehr zurecht, die nur noch der Trauer um
ihren toten Mann lebt. Suzannes Vaters war, als sie sieben war, im Wald in eine Treibjagd
geraten und von der Kugel eines Jägers tödlich getroffen worden. Die Auseinandersetzung mit
der Mutter spitzt sich dramatisch zu, als diese ohne ihr Wissen eine Petition gegen die beiden
Hundezüchter Heleen und Rudi unterschrieben hat, obwohl die Mutter mit Heleen befreundet
ist. Bei der Vorbereitung auf ein Dorffest sieht Suzanne den Puppenspieler wieder, in den sie
sich verliebt, der aber, was sie rasch erfährt ihre Liebe nicht erwidert. Auf dem Friedhof sieht
sie Heleen am Grab des Vaters. In großer Verwirrung geht sie zu Rudi, will angeblich einen
Welpen kaufen und schickt den Mann zur Mutter, um den Kauf zu vereinbaren und so endlich
das Versprechen des Vaters kurz vor dessen Tod einzulösen. Sie beginnt die Hundezwinger zu
öffnen und wird in letzter Minute daran gehindert, alle Hunde frei zu lassen. Ist es Rache an
einem Mann, der sie als Kind missbraucht hätte, wäre Heleen nicht dazu gekommen?
Moeyaert, Bart: Es ist die Liebe, die wir nicht begreifen. A. d. Niederl., Weinheim: Beltz &
Gelberg 2001, 112 S., 11,00 € = Beltz Tb.2003, 5,90 €, ab 13.
Aus der Perspektive eines Mädchens (Ich-Erzählerin), das vieles sieht, aber noch nicht alles
versteht, entwickelt sich die Geschichte einer Familie, in der der Vater fehlt, die Mutter rasch
wechselnde Partner ins Haus bringt und sich kaum um ihre Kinder kümmert, - auch nicht um
Edie, die kleine Schwester, die sie der älteren und Axel, dem Bruder, überlässt. Die älteste
Schwester, Bonnie, hat bereits die Familie verlassen, ist aber die verlässliche Zuflucht für die
Geschwister. Die Geschichte beginnt mit Axels Konflikt mit der Mutter, die nicht wahrhaben
will, dass ihr aktueller Liebhaber nicht nur die Mutter, sondern auch den Sohn begehrt. Erzählt
wird vom „Erbe“ der Großmutter, die wohl ein ähnliches Leben wie die Mutter geführt hat. Sie
ist gestorben und hinterlässt der Familie ihren letzten Liebhaber, der im Rollstuhl ankommt und
nun auch den Kindern überlassen bleibt. Axel ist nach einer Prügelei mit dem „Neuen“ der
Mutter ausgezogen zu Mortimer seinem Freund und Geliebten. Als Bonnie, die nach Axels
Weggang sich stärker um die Geschwister kümmert, die Schwester fragt: „Ist es schlimm?“,
erfährt sie: „Nein, denke ich. Sehr glücklich sind wir hier noch nicht geworden, aber es gibt
Schlimmeres...“
Nanetti, Angela: Mein Großvater war ein Kirschbaum. A. d. Ital., Düsseldorf: Patmos 2001,
119 S., DM 19,80 = Fischer Tb.2003, 5,90 €, ab 8.
Tonino, der die Geschichte erzählt, lebt mit den Eltern und den Eltern des Vaters in einem Haus
in der Stadt. Die Eltern der Mutter leben auf dem Land, haben Hühner, Gänse und eine großen
Garten. Dort zieht es den Jungen hin. Für Toninos Mutter, das einzige Kind der Großeltern, das
nicht bei der Geburt schon starb, pflanzte der Großvater einen Kirschbaum, der mit der Tochter
groß wurde und der im Leben der Mutter und Toninos eine wichtige Rolle spielt. Die
Großmutter stirbt und der Großvater bekommt Ärger, als für den Bau einer Straße ihm ein Teil
seines Gartens genommen werden soll. Der Mann altert zusehends und stirbt bald, völlig
verwirrt, in einer Klinik. Toninos Mutter, die sich vorübergehend von ihrem Mann trennt, zieht
mit dem Sohn ins Haus auf dem Land. Sie kämpft den Kampf ihres Vaters weiter, verliert ihn,
nur der Kirschbaum, den Tonino besetzt hält, bleibt erhalten, als die Bagger anrücken und die
Bauleute den Baum, um bequemer arbeiten zu können, fällen wollten.
Nilsson, Johanna: ...und raus bist du! A. d. Schwed., München: Hanser 1998, 250 S., DM
29,80 =dtv Reihe Hanser 2001, € 7,50, ab 14.
Hanna lebt mit einer jüngeren Schwester und einem älteren Bruder in einer gutsituierten
schwedischen Mittelstandsfamilie. Sie wird in der Zeit der Pubertät von ihren Mitschüler/innen
als Streberin diffamiert und ausgegrenzt. Ihre bis dahin beste Freundin bricht mir ihr. Hanna wir
immer misstrauischer andern Jugendlichen gegenüber, auch gegenüber denen, die ihr außerhalb
der Schule begegnen (Sportverein). Sie wird unfähig, Signale der Freundlichkeit und der
20
21
Freundschaft wahrzunehmen und vermag auch nicht, ihre wachsende Not den Eltern zu
offenbaren. Sie versucht sich das Leben zu nehmen und kommt in eine psychiatrische Klinik.
Bei ihrer Entlassung aus der Klinik gibt es am Ende einen zarten Hoffnungsschimmer, dass es
ihr gelingen könnte, zu Menschen außerhalb der Familie Kontakt zu finden.
Oates, Joyce Carol: Mit offenen Augen. Die Geschichte von Freaky Green Eyes. A. d.
Amerik., München: Hanser 2005, 236 S., ab 14
Franky, die die Geschichte erzählt, ist zu Beginn 14, am Ende 15 Jahre alt. Sie hat eine jüngere
Schwester, Samantha, und einen älteren Halbbruder, Todd. Der Vater ist ein bekannter
Sportreporter und die Mutter lebt ganz in dessen Schatten. Der Junge, den Franky auf einer
Party kennen lernt und dessen gewalttätige Zudringlichkeit sie mit Erfolg abwehren kann, nennt
sie wütend Freaky Green Eyes, - ein Name, den sie insgeheim akzeptiert, weil er sie an eine
Situation erinnert, in der sie so ganz mit sich identisch war. Franky erfährt mit der kleinen
Schwester zusammen, wie die Beziehung der Eltern immer mehr in eine Krise gerät, die die
beiden aber offensichtlich vor den Kindern und der Öffentlichkeit geheim halten wollen. Die
Mutter zieht sich immer häufiger in das kleine Sommerhaus ihrer Eltern zurück, wo sie
angeblich mit mehr Ruhe ihrer künstlerischen Arbeit nachgehen kann und wo sie neue
Nachbarn und Freunde findet. Bei einem Besucht der beiden Mädchen in diesem Sommerhaus
taucht plötzlich der Vater auf und es kommt zum offenen Bruch der Eltern, den der Vater vor
Franky und der kleinen Schwester mit Ehebruch der Mutter begründet. Als bald darauf die
Mutter und der Mann, der in den Augen des Vaters ihr Liebhaber ist, auf mysteriöse Weise
verschwinden, wird aus der Ehekrise ein Kriminalfall, bei dessen Aufklärung Franky, jetzt ganz
Freaky Green Eyes, die entscheidende Rolle spielt.
Pressler, Mirjam: Malka Mai. Weinheim: Beltz & Gelberg 2001, 328 S.,14,90 € = Beltz Tb.
2004, 7,90 €, ab 12.
Malka Mai ist sieben und lebt mit ihrer Mutter, Hanna, und ihrer älteren Schwester, Minna, im
von Deutschen besetzten Polen, nahe der damaligen ungarischen Grenze. Die Mutter ist in einer
streng jüdischen Familie aufgewachsen, hatte früh das Elternhaus verlassen und ist eine liberale
Jüdin geworden. Sie war nicht bereit, mit ihrem Mann rechtzeitig nach Erez-Israel
auszuwandern. Sie fühlt sich sicher, denn sie ist die einzige Ärztin weit und breit, - auch für die
Deutschen, bis sie gewarnt wird vor einer „Aktion“ der Deutschen und mit ihren beiden
Kindern flieht. Sie gelangen, unterstützt von Polen, die Hannas Patienten waren, in einem
beschwerlichen Marsch über die Karpaten nach Ungarn. In einer ihrer Unterkünfte stoßen sie
auf eine Gruppe reicher Juden aus ihrem Heimatort. Sie schließen sich der Gruppe an, lassen
Malka mit hohem Fieber bei der jüdischen Gastfamilie zurück und vereinbaren, dass sie mit
Zug nachkommt. Malka wird gegen die Vereinbarung in die nächstgelegene Stadt gebracht und
dort sich selbst überlassen. Sie gerät der ungarischen Polizei in die Hände, die sie über die
Grenze zurückbringt und den Deutschen übergibt. Der polnische Polizist, der Malka ins Ghetto
bringen soll, versteckt sie zunächst bei seiner Familie, die Hanna, der Ärztin, sehr verpflichtet
ist. Erst als ruchbar wird, wer Malka ist, bringt der Polizist das Mädchen zu einer ihm
bekannten Familie ins Ghetto. Es gelingt Malka bei zwei „Aktionen“ Ghetto den Deutschen zu
entkommen. Nach der zweiten landet sie, ohne zu wissen, wie dies geschah, typhuskrank im
Ghetto-Krankenhaus. Hanna gelangt mit Minna nach Budapest und versucht von da mit Malka
in Kontakt zu treten. Sie erfährt, dass sie nach Polen zurückgeschickt wurde und bei der ihre
bekannten Familie untergekommen sei. Hanna entschließt sich, allein nach Polen
zurückzugehen. Sie findet Hilfe unterwegs, gelangt zu der Familie des polnischen Polizisten
und erfährt von Malkas Schicksal im Ghetto und ihrem Aufenthalt im Krankenhaus. Man
versteckt Hanna bei abgelegen wohnenden Verwandten der Familie und von da gelingt es,
Malka zu ihrer Mutter zurückzubringen.
Dass Minna, Hanna und Malka den Holocaust überlebten und nach Erez-Isreal auswandern
konnten, erfahren wir aus einer „Nachbemerkung“ der Autorin.
21
22
Pressler, Mirjam: Für Isabel war es Liebe. Weinheim: Beltz & Gelberg 2002, 340 S., 14,90 €,
ab 15.
Die Geschichte beginnt am Vorabend einer Autofahrt von Hamburg nach München. Isabel, die
zweiundzwanzigjährige Ich-Erzählerin, trifft sich mit ihrer Freundin Conny in ihrer Wohnung.
Isabel ist von der Mutter, die 58 wird, zum Geburtstag eingeladen und die Mutter ist
einverstanden, dass sie ihre Freundin mitbringt. Die Autofahrt der beiden ist nun die über
Stunden dauernde Erzählsituation. Es geht im dauernden Wechsel von Erzählgegenwart und
-vergangenheit vor allem um Isabel, um das, was, als sie 17 war, in ihr Leben trat: die
Krankheit der Mutter (Brustkrebs) und bald danach Daniela, ihre erste Liebe. Die Krankheit der
Mutter und Isabels Reaktion darauf, das ist eine lange und schmerzhafte Geschichte der
beiderseitigen Ablösung, die von Conny nur gelegentlich durch Fragen unterbrochen wird, die
für Isabel jeweils ein weiteres Stichwort liefern. Die zweite Geschichte dieser langen Autofahrt,
die immer stärker in die Krankheitsgeschichte verwoben wird, ist Isabels Liebe zu Daniela, die
bald nach dem Ausbruch der Krankheit der Mutter beginnt und die zu erzählen Isabel immer
wieder aufzuschieben scheint, bis Conny drängender wird mit der Vermutung, dass Isabel sie
ihr wohl gar nicht erzählen will. Conny ist jetzt nicht mehr nur Zuhörerin, sondern Isabel erfährt
auch von der Freundin einiges über deren Beziehungen zu Frauen und wie sie anfangs ihre
homoerotische Neigung erlebte. Im Mittelpunkt bleibt Isabels Liebe zu Daniela mit der immer
bedrückender werdenden Erfahrung, dass Daniela es weniger ernst meinte mit der Liebe, ja
offensichtlich mit ihr gespielt hat, um sie dann auch fallen zu lassen, als eine frühere Freundin
Danielas wieder auftauchte. Isabel, das erfahren wir kurz vor dem Ziel der langen Autofahrt und
damit endet der Roman, musste damals weit weg gehen, um Abstand zu bekommen zu den
beiden Frauen, zur Mutter, der es inzwischen besser ging und die Tochter nicht mehr festhielt,
und zu Daniela.
Richter, Jutta: Der Tag, als ich lernte, die Spinnen zu zähmen. München: Hanser 2001, 88 S.,
9,90 € = dtv 2002, 6,50 €, ab 10.
In einer Kinder-Clique, zu der die Ich-Erzählerin gehört, taucht Rainer auf, dessen Mutter in
den Augen der Erwachsenen eine Alkoholikerin und Hure ist. Die Kinder übernehmen diese
Einschätzung und die Ich-Erzählerin, die sich mit dem Jungen anfreundet, wird bald zur
„Dieda“. Rainer schlägt einen Jungen, der seine Mutter beleidigt, so sehr, dass er ins
Krankenhaus kommt. Als der Junge entlassen wird, muss die Ich-Erzählerin sich entscheiden,
ob sie weiterhin „Dieda“ sein will. Sie will es nicht und wird für Rainer zur Verräterin.
Richter, Jutta: Hechtsommer. München: Hanser 2004, 123 S., 12,90 €, ab 12
Anna, die die Geschichte erzählt, lebt mit ihrer Mutter in einer Pächterwohnung im Schloss, in
der Nachbarschaft einer Familie mit zwei Jungen, dem gleichaltrigen Daniel und dem jüngeren
Lukas. Die drei Kinder sind unzertrennlich, müssen es auch sein, weil sie in der Schule als die
„Schlosskinder“ nicht integriert sind. Der unbeschwerte Sommeralltag der drei ändert sich, als
die beiden Jungen in ihrer Freizeit das Angeln im Schlossgraben immer stärker fasziniert und
Anna sich mit diesem Männersport nur schwer anfreunden kann. Einschneidender für das
Leben der Kinder ist jedoch, als sie erfahren, dass die Mutter der Jungen an Krebs leidet und
nicht mehr gesund werden wird. Der Einfluss der Krankheit auf das Verhalten der drei Kinder
und der anderen Kinder im Schulbus und in der Schule bestimmt den weiteren Fortgang der
Geschichte.
Sa, Shan: Die Go-Spielerin. Roman. A. d. Franz., München: Piper 2002 =Piper Tb, 8,90 € =
Sonderausgabe 2004, 252 S,.12,90 € , ab 15.
Eine junge Chinesin (16) lebt mit ihrer wohlhabenden Familie in der Mandschurei. Sie ist –
ungewöhnlich für chinesische Mädchen und Frauen – eine leidenschaftliche Go-Spielerin und
spielt mit Männern auf einem öffentlichen Platz der Stadt. Die Invasion der Japaner (1937)
verändert ihr Leben einschneidend, als ihr Freund, von dem sie schwanger ist, sich dem
chinesischen Widerstand anschließt und von den Japanern als „Terrorist“ gefasst und
22
23
hingerichtet wird. In dieser Situation beginnt sie mit einem als Chinese verkleideten
japanischen Spion ein Go-Spiel, das sich über Wochen hinzieht und in dessen Verlauf sich die
beiden heftig ineinander verlieben, ohne sich erklären zu können. In ständig wechselnder IchPerspektive erfahren wir von den beiden Protagonisten, was dem Spiel unmittelbar vorausging,
das familiäre und gesellschaftliche Umfeld der jungen Chinesin und des ein paar Jahr älteren
Japaners, ihre Einstellungen zu Krieg und Widerstand und ihre Gefühle füreinander. Wir
erleben zuletzt eine dramatische Zuspitzung der Ereignisse: den Abbruch des Go-Spiels und
eine Wiederbegegnung der beiden in einer für sie ausweglosen Situation.
Sachar, Louis: Löcher . Die Geheimnisse von Green Lake. A. d. Amerik., Weinheim: 2000,
296 S., € 14,00) =Beltz Tb 2003., 7,90 €, ab 12.
Stanley Yelnat kommt für einen Diebstahl, den er gar nicht begangen hat, in eine
Besserungsanstalt für Jugendliche an einem weitabgelegen, ausgetrockneten See in Texas. Die
Reintegration in die Gesellschaft besteht für die Leitung dieser Anstalt darin, dass jeder
Jugendliche täglich ein Erdloch von einem bestimmten Umfang in die harte Erde des
ausgetrockneten Seebettes graben muss, - ein Loch, das keinen anderen Zweck erfüllt. Stanley
gewöhnt sich schwer an diese harte Arbeit unter der heißen Sonne von Texas. Er muss zudem
die Hierarchie unter den Jugendlichen akzeptieren, auch als er einen interessanten Fund macht
und die Chefin der Anstalt aufgeregt nach einem noch fehlenden Teil weitergraben lässt.
Stanley freundet sich mit dem Allerletzten in der Hierarchie der Jugendlichen an, den sie Zero
nennen, und will ihm Lesen und Schreiben beibringen. Zero hilft Stanley dafür beim Graben.
Nach einer üblen Schikane der Anstaltsleitung hat Zero genug und haut ab. Ohne Wasser ist das
für ihn wohl der sichere Tod. Stanley braucht eine Weile für den Entschluss, den Freund zu
suchen. Er findet ihn noch lebend und die beiden schlagen sich zu einem Berg durch, wo sie
Wasser und wilde Zwiebeln finden. Sie kehren zum Camp zurück, finden im Dunkel der Nacht
in dem Loch, in dem Stanley seinen Fund machte, den Koffer, nach dem die Chefin so begierig
graben ließ. Sie werden entdeckt, als gerade eine Anwältin in der Anstalt eintrifft, die Stanleys
Unschuld erstritten hatte. Sie bringt die beiden aus dem Camp, das geschlossen wird, zu
Stanleys Eltern. Zuletzt wird auch das Geheimnis des Koffers gelüftet, dessen Inhalt unter die
beiden Jungen aufgeteilt wird und Stanleys Familie einen bescheidenen Wohlstand bringt.
Saramago, José: Das Zentrum. Roman. A. d. Portugiesischen, Reinbek: Rowohlt 2002,
448 S., 22,90 €= Rowohlt Tb.2003, 9,00 €, ab 17.
Cipriano Algor, 64, liefert seine Töpferware ins „Zentrum“, ein ins Monströse gewachsener
Einkaufs- und Vergnügungspark. Seine Töpferei betreibt er mit seiner Tochter zusammen,
während der Schwiegersohn als Wachmann im „Zentrum“ angestellt ist – mit der Aussicht, dort
eines Tages mit seiner Familie auch wohnen zu dürfen. Als das „Zentrum“ dem Töpfer eines
Tages mitteilt, er müsse seine Lieferungen einstellen, weil die Ware nicht mehr gefragt sei, und
ihn dazu noch verpflichtet, die unverkaufte Ware zurückzunehmen, trifft ihn das tief, aber nicht
endgültig. Mit seiner Tochter geht er daran – das „Zentrum“ ist einverstanden -, nun kleine
Tonfiguren zu formen. Mit der ersten Lieferung testet das „Zentrum“ das Interesse der Kunden
an dem neuen Produkt. Das Ergebnis ist für den Töpfer niederschmetternd. In die Zeit dieser
existentiellen Krise fällt die Zuweisung der Wohnung an den Schwiegersohn und Cipriano
Algor bleibt nichts übrig, als das Angebot, mit ins „Zentrum“ zu ziehen, anzunehmen. Seinen
geliebten Hund, den er nicht mitnehmen darf, lässt er bei einer Witwe, der er erst beim
Abschied zu sagen wagt, dass er sie sehr mag, und die ihm seine Liebe erwidert. Der arbeitslose
Töpfer erkundet mit großer Neugier und Entschlossenheit sein neues Umfeld, entdeckt
verbotene Zonen und makabre Vergnügungen. Als er schließlich einem streng gehüteten
Geheimnis des „Zentrums“ auf die Spur kommt, entschließt er sich, in sein leerstehendes Haus
zurückzukehren. Dieser Entschluss hat Folgen für ihn und die geliebte Witwe, aber auch für den
Schwiegersohn und die Tochter, die ein Kind erwartet.
23
24
Schulz, Hermann: Sonnennebel. Carlsen 2000, 286 S.,15,00 € = Piper Tb. 2002, € 8,90, ab
14.
Freddy wächst als Vollwaise bei Emma, der Schwester des Vaters auf. Der Vater ist im Krieg
gefallen die Mutter bald nach ihm gestorben. Freddy ist, wie viele im Revier, leidenschaftlicher
Taubenzüchter. Seine männliche Bezugsperson ist zunächst der Bergarbeiter Fritz, der bei
Emma zur Untermiete wohnt. Es gibt Probleme mit Freddy und Emmas Angst wächst, mit dem
Jungen nicht mehr zurecht zu kommen. Als er einen völlig betrunkenen Lehrer seiner Schule
nach Hause bringt, wird ihm von dessen Frau und später von dem Lehrer selbst unterstellt, an
der Sache schuld zu sein. Emma wird vom Schulleiter einbestellt, glaubt der Darstellung des
Lehrers und tötet in einer verzweifelten Strafaktion Freddys Tauben. Der Junge ist völlig
verstört und unfähig, mit Emma zu reden und für Emma gilt umgekehrt dasselbe. Ein neuer
Untermieter Emmas, mit dem Freddy sich anfreundet, erhält die Erlaubnis, in Freddys Schlag
wieder Tauben zu züchten. Doch dann gibt es neue Probleme. Die Kirche wird geschändet, eine
Scheune brennt nieder und zwei Polizisten versuchen hartnäckig und brutal, Freddy
einzuschüchtern und ihn in die Vorfälle zu verwickeln, was ihnen durch ungeschicktes
Verhalten des Jungen beinahe gelungen wäre, wenn da nicht ein Vorgesetzter der beiden die
Sache in die Hand genommen hätte. Freddy verliert seine Freundin, die mit den Eltern
wegzieht; er verliert den neunen Untermieter, der auszieht, und er wird in eine böse Geschichte
mit Gleichaltrigen verwickelt, als er einem Freund zu Hilfe kommt. Doch zuletzt erhält er von
Emma zu seinem 16. Geburtstag das Bild geschenkt, das er im Schutt der niedergebrannten
Scheune gefunden und mitgenommen und das ihn als möglichen Brandstifter belastet hatte.
Emmas neuer Freund hatte das Bild dem Besitzer der Scheune abgekauft.
Sepúlveda, Luis. Der Alte, der Liebesromane las. Roman. A. d. chilenischen Spanisch,.
München: Hanser 2000, 119 S., = dtv, 7,50 €, ab 15.
Antonio José Bolívar Proanjo, im Buch der Alte genannt, verließ mit seiner kinderlos
gebliebenen Frau das Dorf in den Bergen, um sich im ecuadorianischen Amazonasgebiet als
Siedler zu versuchen. Der Versuch misslingt. Nach dem Tod seiner Frau kommt er in Kontakt
mit den Shuara-Indianern, lebt ein paar Jahre mit ihnen, lernt die Gesetze des Urwalds kennen
und den Respekt vor dieser wilden, von Gold- und Geldsuchern bedrohten Natur. Er wird wie
einer von ihnen, aber nicht einer der ihren und verlässt, alt geworden, in Freundschaft den
Stamm, um sich in einem Dorf der Weißen eine Hütte zu bauen. Seine große Leidenschaft ist
das Lesen von Liebesromanen, die ihm der in der Gegend praktizierende Zahnarzt besorgt. Bei
seiner Lektüre gestört wird der Alte zuletzt, als ein toter „Gringo“ ins Dorf gebracht wird, der
von einem Ozelot, einer dem Jaguar ähnlichen Katze, getötet wurde und in dessen Gepäck sich
die Felle junger Ozelote befinden. Der Alte weiß, was das für die Gegend bedeutet und ist
bereit, sich an der Jagd des Tieres zu beteiligen. Die Jäger finden zwei weitere, von der Katze
Getötete, nicht aber die Katze selbst. Höhepunkt des Romans ist der Auftrag an den Alten, die
Jagd alleine fortzusetzen, bei der es dann zu der über Leben und Tod entscheidenden
Begegnung mit dem Tier kommt.
Sijie, Dai: Balzac und die kleine chinesische Schneiderin. Roman. A. d. Franz., München:
Piper 2001 = Serie Piper 2003, 8.Aufl. 2004, 200 S., 7,90 €, ab 15.
Zwei junge Chinesen, 17 und 18 Jahre alt, aus bürgerlichen Familien, deren Eltern zu
Staatsfeinden erklärt wurden, kommen zur Umerziehung zu Bauern aufs Land. Sie erfahren als
gebildete Stadtbewohner die enorme kulturelle Differenz zu den Bauern, deren harten Alltag
und ihr großes Misstrauen gegenüber Kindern von „Staatsfeinden“. Wie die beiden sich, oft am
Rande der Erschöpfung, mit den Dorfbewohnern arrangieren und deren ständiges Misstrauen in
Schranken halten, ist Thema des Romans. Dabei spielen eine Geige, streng verbotene Romane
westlicher Klassiker, das Kino und die Liebe zu einer jungen chinesischen Schneiderin eine
wichtige Rolle.
24
25
Spinelli, Jerry: East End, West End und dazwischen Maniac Magee. A. d. Amerik., Dressler
2000, 192 S., € 12,00 = dtv 2002, € 6,50, ab 11
Jeffrey Lionel Magee verliert beide Eltern bei einem Zugunglück. Er kommt zu Tante und
Onkel, die eine schlimme Ehe miteinander führen. Der Junge hält das nicht aus, haut ab und
taucht in seinem Heimatort wieder auf. Er schlendert durchs East End, grüßt die Leute, aber nur
Amanda Beale bleibt stehen und fragt sich, was dieser weiße Junge im Viertel der Farbigen
verloren hat. Amanda, die Leseratte, leiht Jerry auf dessen inständiges Bitten hin eines ihrer
ausgeliehenen Bücher. Im West End, dem Viertel der Weißen, erregt er Bewunderung als
Baseball-Spieler, wo sie ihn bald nur noch Maniac Magee nennen; aber er erregt auch Neid und
Ablehnung, sodass er sich bald vor einer Bande von Jungen nur noch ins East End retten kann,
wohin kein Weißer sich traut. Die erste Begegnung mit farbigen Jugendlichen ist für ihn auch
nicht besonders ermutigend. Doch Jeffrey gibt nicht auf, schlägt sich zu Amandas Wohnung
durch und wird von deren Familie wie ein eigenes Kind aufgenommen. Die Drohungen gegen
ihn und seine Gastfamilie lassen nicht lange auf sich warten. Er geht ins West End zurück,
kommt bei einem alten Baseball-Spieler unter, der ihm Geschichten rund um seine bescheidene
Spieler-Karriere erzählt und mit ihm trainiert. Nach dem Tod des alten Mannes findet er auf der
Suche nach einer neuen Bleibe Anschluss an eine Familie, der er zwei ihrer Jungen
zurückbringt, die abhauen wollten. Für die beiden ist Maniac Magee der Größte, - schon vor
seiner Heldentat, ins East End zu gehen und heil zurückzukommen. Dort traf er alte Bekannte,
gewann einen Wettlauf gegen einen farbigen Jungen, der ihm anbot, bei ihm und seiner Mom
zu wohnen. Doch da erscheint Amanda auf dem Plan und holt ihn dahin zurück, wo er sich nach
dem Tod der Eltern am wohlsten fühlte.
Spinelli, Jerry: Stargirl. A. d. Amerikanischen, Hamburg: Dressler 2002, 208 S., 12,00 €,
ab 12.
Ein Mädchen kommt neu an die Schule und irritiert die weithin angepassten Schülerinnen und
Schüler ihrer Klasse schon durch ihren aktuellen Rufnamen: Stargirl. Der anfänglichen Distanz
zu der merkwürdig gekleideten Ukulele-Spielerin, die Geburtstagskindern der Klasse ungeniert
und ungefragt ein Ständchen bringt, folgt Interesse und Annäherung. Bei Leo Borlock ist von
Anfang an mehr im Spiel, ohne dass er den Mut hat, es dem Mädchen deutlich zu zeigen. Als
Stargirl, zur Cheerleaderin der Basketball-Mannschaft aufgestiegen, auch die gegnerische
Mannschaft anfeuert und sogar einen verletzten Gegner betreut, kippt die Stimmung und
wachsen Abneigung und Hass gegen diese „Verrückte“. Stargirl geht jetzt zielstrebig auf Leo
zu, zeigt ihm offen ihre besondere Zuneigung und zieht ihn so zunehmend in ihr
Ausgegrenztsein mit hinein. Sie spürt das Dilemma des Freundes und reagiert auf seine
drängender werdende Frage, warum sie nicht sein kann wie alle andern, mit
Anpassungsversuchen, die scheitern. Sie verlässt schließlich mit ihren Eltern die Stadt. Leo, der
in einem zeitlichen Abstand von fünfzehn Jahren die Geschichte erzählt, berichtet zuletzt von
den Spuren, die diese Unangepasste bei ihm selbst, aber auch bei denen, die sie ausgrenzten,
hinterlassen hat.
Stark, Ulf: Das goldene Herz. A. d. Schwed., Hamburg: Carlsen 2004, 95 S., 7,90 €, ab 8
Ludwig hat sich in Katarina verliebt – gerade jetzt, wo er alle Hände voll zu tun hat, um sich
auf den Klavierwettbewerb vorzubereiten. Er hat dem Mädchen das goldene Herz, das ihr in
den See gefallen ist, herausgeholt, doch mit ihm gehen will sie erst, wenn er ihr etwas schenkt,
das ihr deutlich zeigt, dass er es ernst meint. Welche neuen Probleme er mit dieser für ihn neuen
Aufgabe bekommt und welche Lösung er zuletzt in der prekären Situation des Vorspiels beim
Klavierwettbewerb findet, bestimmt den weitere Ablauf der Geschichte.
Stoffels, Karlijn: Rattenfänger. A. d. Niederländischen. Weinheim: Beltz & Gelberg 2003, 190
S., 12,90 €, ab 14
Die vierzehnjährig Lori lebt bei ihrer psychisch kranken Mutter. Der Vater, der sich von der
Mutter getrennt hat, kümmert sich um die Tochter, ohne ihr eine wirkliche Hilfe zu sein. Die
25
26
Probleme zu Hause und in der Schule beanspruchen das Mädchen bis zur Erschöpfung. Da zieht
unter ihrer Wohnung ein Student ein, der ihr Freund und Gesprächspartner werden könnte, der
aber ihr Liebhaber werden will, sie bedrängt, verfolgt und tief verunsichert. Dass sie in dieser
Situation nicht den Mut verliert, verdankt sie der erfolgreichen Teilnahme an einem
Theaterprojekt der Schule und dem Beginn einer Freundschaft zu einem anderen Mädchen.
Wagner, Jan Costin: Eismond. Roman. Berlin: Eichborn 2003, 304 S.,19,90 €, ab 16.
Kimmo Joentaas Frau Sanna ist an Krebs gestorben. Der Tod der 25-Jährigen stürzt den Mann
in eine tiefe Verzweiflung, die er in seiner Arbeit zu verdrängen sucht. Kimmo ist
Kriminalpolizist in der finnischen Stadt Turku, in der gerade mehrere Morde geschehen sind,
alle so, dass die Opfer im Schlaf erstickt wurden. Dies und das Fehlen von Motiven lassen auf
einen Serienmörder schließen, der schon in der nächsten Nacht wieder zuschlagen kann.
Während Kimmo mit seinen Kollegen zusammen an der Aufklärung der Morde arbeitet, kennt
der/die Leser/in vom ersten Mord an aus einer Parallelhandlung den Mörder, was der Spannung
dieses mit den Gesetzen des Krimis spielenden Romans keinen Abbruch tut. Es geht von
Anfang an um mehr als die Jagd eines Mörders.
Wahl, Mats: Emma und Daniel. A. d. Schwed., München: Hanser 1997, € 12,90 = dtv Reihe
Hanser 2002, € 6,50, ab 10.
Emma ist bald 12. Ihr Vater hat nach dem Tod der Mutter per Anzeige eine Frau kennen
gelernt, die sich von ihrem Mann getrennt hat und nun mit ihrem Sohn Daniel (12) den neuen
Freund und dessen Tochter in einem Angler-Camp besucht. Daniel ist von diesem Ausflug
überhaupt nicht begeistert. Das Camp ist ohne Strom für seinen Laptop, mit dem er einige
Probleme lösen wollte und auf diese Emma ist genauso wenig neugierig wie das Mädchen auf
ihn. Nach einer Zeit der gegenseitigen Abneigung fahren die beiden mit dem alten erfahrenen
Angler Isak nach Norden in die Kate, in der der Mann einst mit seiner Familie gelebt hat. Der
alte Mann stirbt dort und die beiden müssen, ganz aufeinander angewiesen, auf der Rückfahrt
um ihr Leben kämpfen. Sie werden von Hubschraubern entdeckt und gerettet. Nicht nur Daniels
Mutter und Emmas Vater wollen sich in Stockholm wieder sehen.
Wahl, Mats: Der Unsichtbare. A. d. Schwedischen, München: Hanser 2001, 12,90 €= dtv
2003, 7,90 €, ab 13.
Seit Samstagabend ist Hilmer Eriksson, Schüler der neunten Klasse, verschwunden. Ein
Kommissar aus der Stadt übernimmt den „Fall“. Hilmer ist kein Außenseiter, hat sich aber mit
den Neonazis in der Klasse angelegt, als der die fanatische Annelli Tullgren daran hinderte,
Mehmet, einen „Schwarzkopf“, zu misshandeln. Das Hakenkreuz auf Hilmers Spind wurde
vom Hausmeister der Schule überstrichen. Jetzt steht „Verräter“ drauf. Der Kommissar kommt
bei seinen Recherchen immer näher an den rechtsradikalen Hintergrund der „Falles“ heran.
Hilmer wird gefunden, noch lebend, im Gesicht aber bis zur Unkenntlichkeit misshandelt. Die
drei Hauptverdächtigen, zwei Jungen und Annelli Tullgren, werden festgenommen. Das Verhör
des Mitläufers in der Gruppe ergibt den Tathergang. Hilmer erliegt seinen Verletzungen.
Wahl, Mats: Kaltes Schweigen. A. d. Schwed., München: Hanser 2004, 265 S., 16,90 €, ab 15.
Achmed Sirr, ein Siebzehnjähriger, der noch zur Schule ging, ist außerhalb der Stadt im Schnee
erschossen aufgefunden worden. Kriminalinspektor Fors soll den Fall aufklären. Seine Arbeit
gestaltet sich schwierig. Sirr, wie ihn alle nennen, war ein Außenseiter in der Schule, der nach
Demütigungen, die er als Ausländer erfahren hatte, sich als Dealer auf rücksichtslose Weise
Respekt verschaffte und dem man sich, wenn man nicht unbedingt Stoff brauchte, besser
fernhielt. War Sirr der Dealer-Szene im Wege? Wurde er ein Opfer rechtsradikaler
Jugendlicher? In den Nachforschungen von Fors und seinen Kolleginnen und Kollegen wird
nicht nur der gewaltsame Tod des Jugendlichen aufgeklärt. Es entsteht zugleich eine
Momentaufnahme schwedischer Verhältnisse in einer Provinzstadt, mit einer ganzen Reihe
erwachsener und jungendlicher Figuren, die in dem stark dialogisierten Roman Profil gewinnen.
26
27
Wahl, Mats: Soap oder Leben. A. d. Schwed., München: Nagel & Kimche im Hanser Verlag
2004, 390 S., 17,90 €, ab 14
Der fünfzehnjährige Jalle, der die Geschichte erzählt, lebt mit seinen Eltern und einer älteren
Schwester in einer schwedischen Kleinstadt. Der Vater ist Vorsitzender des Gemeinderates.
Jalle ist eng befreundet mit Karl Inge, den alle Kino nennen, weil er nicht nur sich Filme
anschaut, sondern auch Filme dreht und Regisseur werden will. Jalle teilt diese Leidenschaft
mit dem Freund. Da kommt in diese heile Kinowelt eine Neue in ihre Klasse: Jytte. Und sie
zeigt dem auf Anhieb verliebten Jalle bald ihre Zuneigung. Jyttes Mutter ist Journalistin bei der
Lokalzeitung und ist finanziellen Unregelmäßigkeiten von Jalles Vater auf der Spur. Welche
Auswirkungen dies auf Jalles Familie und vor allem auf die Freundschaft des Jungen zur
Tochter dieser so erfolgreich recherchierenden Journalistin hat, bestimmt den dramatischen
Fortgang des Romans, der in seiner verzweigten Komposition auch Einblicke gewährt in die
Sozialstruktur der schwedischen Gesellschaft.
Wegelius, Jakob: Esperanza. A. d. Schwedischen, Düsseldorf: Patmos 2002, 135 S., 12,- €,
ab 8.
Halidon ist ein kleinwüchsiger Akrobat mit Knollennase und Segelohren, der weit
herumgekommen ist, oft schlecht behandelt wurde und zuletzt bei einem Varieté-TheaterBesitzer unterkommt, den sie den Kapitän nennen. Bei ihm bleibt er, auch als der Kapitän sein
Theater aufgibt. Halidon tritt nun in der Stadt auf, um seinem Freund nicht zur Last zu fallen.
Als dieser eines Abends nicht zur gewohnten Zeit aus Ellas Jazz-Café nach Hause kommt,
erfährt Halidon dort, der Kapitän sei schon vor Stunden gegangen, um sich ein wenig zu
amüsieren. Jetzt beginnt für Halidon eine abenteuerliche Suche, bei der er, unterstützt von
einem Hund, den er nicht loswerden kann, auch im Gefängnis landet und dort von einem
Matrosen der „Esperanza“ auf die Idee gebracht wird, der Kapitän könne auf diesem Schiff
angeheuert haben. Er erreicht das Schiff erst, als es gerade ablegt, läuft verzweifelt neben ihm
her bis zum Leuchtturm, wo er seinen Freund beim Leuchtturmwärter entdeckt. Halidon geht
unbemerkt weg und nach Hause, wo ihn der Kapitän schlafend findet. Der Hund liegt in der
Mütze des Kapitäns und der hat, als er mit dem Fernglas das Schiff am Horizont verschwinden
sieht, auch einen Namen für den neuen Gast: Esperanza.
Welsh, Renate: Dieda oder das fremde Kind. Hamburg: Oetinger 2002, 158 S., 10,90 €,
ab 12.
Dieda nannte man Ursel bei der ersten Begegnung und so will sie jetzt auch genannt werden
von der Frau, die ihre Stiefmutter ist, von deren Schwestern und von dem Mann, den sie
Großvater nennen könnte, wenn er dem Großvater in Wien nicht so unähnlich wäre. Nach dem
Tod der Mutter ist Ursel mitten im Krieg mit der zweiten Frau des Vaters aufs Land gekommen
und erfährt, dass sie bei den Leuten der Stiefmutter nur geduldet ist. Sie wehrt sich mit ihren
kindlichen Mitteln gegen die Demütigungen und Schikanen, die vor allem von dem alten Mann
ausgehen, der immer bösartiger wird, je mehr sich die Niederlage der Nazis abzeichnet. Mit
dem Krieg geht Ursels schlimme Zeit zuende. Der Vater, Arzt, holt sie und die hochschwangere
Stiefmutter in das von Russen besetzte Wien zurück. Da ist zwar vieles nicht mehr, wie es vor
ihrem Weggang war. Aber es gibt noch Opapa und Omi, die Eltern der Mutter, und es gibt bald
Theres, das Schwesterchen, für das sie wieder Ursel, nicht mehr Dieda, sein will.
Wild, Margaret: Jinx. A. d. austral. Englisch, München: Hanser 2003, 208 S., 14,90 €, ab 14.
Einem langen Gedichtzyklus ähnlich erzählt das Buch in rasch wechselnden Szenen und
Perspektiven von Jen, deren erster Freund sich das Leben nimmt. Als ihr zweiter Freund Ben
bald darauf durch einen unglücklichen Sturze zu Tode kommt, will Jen Rache an Pete, der den
Tod Bens ohne eigenes Verschulden veranlasst hat. Sie setzt durch, dass sie von da an Jinx
heißt, die Verhexte mit dem bösen Blick, und sie versucht an Bens „Mörder“ heranzukommen.
27
28
Sie terrorisiert den Jungen und dessen Eltern. Doch bei der ersten Begegnung mit Pete geraten
ihre Pläne gehörig durcheinander.
Wolff, Virginia Euwer: Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus. A. d.
Amerik., München: Hanser 1999, 187 S., € 12,90 = dtv Reihe Hanser 2002, € 6,50, ab 12.
Verna LaVaughn, 14, wird Babysitterin von Jolly. Jolly, 17 Jahre, zwei Kinder, Jeremy und
Jilly, ohne Mann lebt in ihrer Sozialwohnung in einem unbeschreiblichen Chaos. Verna will
arbeiten und Geld verdienen, um aufs College gehen zu können und aus ihrem Viertel
rauszukommen, mit ihrer Mom, der Tüchtigen, die früh ihren Mann verloren hat. Wir erfahren,
wie die neue Babysitterin von dieser Jolly und ihren beiden Kindern nicht mehr loskommt, auch
wenn da fürs College nicht viel zu holen ist; wie es ihr, der Jüngeren, über Krisen hinweg
gelingt, Jolly für die Mütterschule zu motivieren; wie Jolly mit den Einsichten aus dem gerade
absolvierten Erst-Hilfe-Kurs die kleine Jilly rettet, die das Bein einer Spielzeugfigur
verschluckt hatte und wie Vernas Mutter, voller Skepsis dieser 17-jährigen Mutter gegenüber,
Jolly zuletzt eine Heldin nennt.
Quelle: http://user.uni-frankfurt.de/~merkelba/
28