Kolloquium "Literatur und Schule"
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Kolloquium "Literatur und Schule"
Valentin Merkelbach November 2005 Romane für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Vorbemerkung Mit Iain Lawrence’ „Die Tochter des Leuchtturmwärters“ schließe ich meine Liste „Romane für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene“, die ich seit meiner Verabschiedung in den Ruhestand geführt habe. Das eingeschränkte Arbeitsprogramm, das ich mir noch gönne, enthält inzwischen andere Prioritäten. Mit Befriedigung stelle ich fest, dass das Interesse, spannende und motivierende Gegenwartsliteratur für Kinder, Jungendliche und junge Erwachsene im breiten Angebot der Verlage ausfindig zu machen, unter denen, die in lesepädagogischen und literaturdidaktischen Institutionen arbeiten und publizieren, in den letzten Jahren sehr stark gewachsen ist. Gewachsen sind damit auch die Möglichkeiten, den eingeschränkten Kanon an Schullektüre zu erweitern und ein Fundament an Lesebereitschaft und Leselust zu sichern, das auch für die Entwicklung einer allgemeinen Lesekompetenz besonders wirksam zu sein scheint. Meine Liste Roman-Didaktik spielte in meiner Arbeit an der Universität lange Zeit im Vergleich zu Lyrik und epischer Kurzprosa eine geringe Rolle. Dieses Interesse, bezogen auf Primarstufe und Sekundarstufe I, entsprach der Aufmerksamkeit, die auch sonst in der Deutschdidaktik epischen Langformen zuteil wurde. Das änderte sich mit der wachsenden Bedeutung der Kinder- und Jugendliteratur in den 70er und 80er Jahren. Auch für mich stellt sich jetzt die Frage, warum die Schule ausgerechnet dem Genre didaktisch und methodisch so wenig Beachtung schenkt, das in der außerschulischen literarischen Sozialisation, und damit in der Lesesozialisation generell, schon vor dem ersten Lesealter eine zentrale Rolle spielt. Das Nachdenken über diesen Widerspruch und die didaktischen Konsequenzen daraus fanden einen ersten Niederschlag in meiner Studie „Wie salonfähig ist das Kinder- und Jugendbuch im Deutschunterricht? Anmerkungen zur Didaktik des Romans“ (Diskussion Deutsch 1989, H.109, S.441-455). Die romandidaktische Arbeit wurde fortgesetzt und intensiviert in einem Kolloquium „Literatur und Schule“, das ich mit Mitarbeiterinnen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur I an der Universität Frankfurt veranstaltete. Im Rahmen dieses Kolloquiums ging es der Projektgruppe zunächst um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen im Literaturunterricht neben dem fragend-entwickelnden Unterrichtsdiskurs auch das ergebnisoffene literarische Gespräch möglich ist (vgl. Hannelore Christ/ Claudia Fuchs/ Eva Fischer/ Valentin Merkelbach/ Gisela Reuschling: „ ‚Ja aber es kann doch sein...’ In der Schule literarische Gespräche führen“, Frankfurt/M 1995). Nach Abschluss dieser Studie arbeitete die Gruppe, in veränderter Besetzung und wieder im Rahmen des Kolloquiums „Literatur und Schule“, an dem Projekt „Epische Langformen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene“ (Eva Fischer, Valentin Merkelbach, Gisela Reuschling, Sabine Schindler, Barbara Seeliger). Die Ergebnisse des Projekts fanden ihren Niederschlag u.a. in der dreibändigen Publikation: V.Merkelbach (Hg.): Romane im Unterricht. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren: Lektürevorschläge für die Primarstufe, 1999, Lektürevorschläge für die Sekundarstufe I, 1998, Lektürevorschläge für die Sekundarstufe II 2000. Jedem Band ist ein Kapitel zur Didaktik und Methodik epischer Langformen vorangestellt. 2 Mit den Erfahrungen aus dem Kolloquium und der Arbeit aus dem Projekt „Romane im Unterricht“ führe ich nach meiner Verabschiedung in den Ruhestand die folgende Liste mit Lektüreempfehlungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Es handelt sich um Texte, die in Rezensionen in Fachzeitschriften und im überregionalen Feuilleton sowie in literaturdidaktischen Beiträgen besondere Beachtung und eine positive Resonanz gefunden haben und die ich selbst nach eigener Lektüre an Lehrende als mögliche Schul- oder Freizeitlektüre weiterempfehlen kann. Aufgenommen in die Liste werden auch schon Texte, die noch nicht als Taschenbücher erschienen sind, die aber auf Grund ihrer positiven Rezeption eine Taschenbuchausgabe erwarten lassen. Die Altersangaben für die Lektüre der Texte sind, was die Kinder- und Jugendromane betrifft, in Auseinandersetzung mit den entsprechenden Angaben der Rezensent/innen und der Verlage erfolgt und bedürfen natürlich mit Blick auf die konkrete Lerngruppe der Überprüfung. Meine Absicht, die ich mit der Liste verfolge, ist, im Unterschied zu den ausgearbeiteten Lektürevorschlägen und den didaktischen Modellen der oben genannten Publikation „Romane im Unterricht“, eine eingeschränkte. Ich möchte aus der Fülle der aktuellen Neuerscheinungen mit Hilfe anderer Sichtungs-Institutionen (Rezensionen, Preise für Bücher, wissenschaftliche Beiträge) auf Texte aufmerksam machen, die, über den schulischen Textkanon hinaus und ihn partiell ersetzend, den Unterricht und die Freizeitlektüre von Heranwachsenden bereichern und Leselust stimulieren könnten, - Leselust als eine unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung einer zureichenden allgemeinen Lesekompetenz. Die Liste wird in unregelmäßigen Abständen erweitert und aktualisiert. Alle neuen Informationen (die bibliografischen Angaben der neuen Texte, das Erscheinen der Taschenbuchausgabe u.ä.) werden jeweils in der erweiterten Ausgabe fett gedruckt. Um die Liste überschaubar zu halten, werden Bücher, die vergriffen sind, von der Liste genommen. Geführt wird die Liste seit August 2002. Almond, David: Zeit des Mondes. A. d. Engl., Ravensburg: Ravensburger Buchverlag 1999, 176 S., DM 24,80 = Ravensburger Tb. 2002, € 4,95, ab 11. Michael, der Ich-Erzähler, ist mit seinen Eltern in ein altes, heruntergekommenes Haus umgezogen. In das kaum bewohnbare Chaos kommt, viel zu früh, ein Schwesterchen auf die Welt, um dessen Überleben die ganze Familie bangt. In der Garage voller Gerümpel entdeckt Michael einen Mann, ein Landstreicher wohl, der sich Skellig nennt und um den er sich kümmert. Er teilt sein Geheimnis mit dem Nachbarmädchen Mina. Als die Garage abgerissen werden soll, bringen die beiden Skellig, unter dessen Jacke sie Flügel entdecken, in ein leerstehendes Haus und versorgen ihn, bis er, wieder zu Kräften gekommen, sich eines Tages verabschiedet. Almond, David: Zwischen gestern und morgen. A. d. Engl., Ravensburg: Ravensburger Buchverlag 2000, 92 S., 12,95 € = Ravensburger Tb. 2002, € 5,95 , ab 12. Der dreizehnjährige Christopher Watson, der die Geschichte erzählt und den sie Kit nennen, ist mit seinen Eltern nach dem Tod der Großmutter zum Großvater nach Stoneygate gezogen. Der alte Bergmann, der ein inniges Verhältnis zu seinem Enkel hat, ist voller Erinnerungen, die Kit zum Aufschreiben animieren und in ihm den Wunsch wecken, Schriftsteller zu werden. Folgenreich in der neuen Umgebung ist Kits Begegnung mit John Askew, dessen Vater trinkt und die Familie drangsaliert; der John schlägt und ihn verschlossen und böse macht. John spielt mit Gleichaltrigen, darunter nun auch Kit, das von Hypnose geprägte Todesspiel, das an ein Bergwerksunglück erinnert, bei dem auch Kinder als Bergleute verschüttet wurden, darunter, wie es ein Denkmal zeigt, ein John Askew (13) und ein Christopher Watson (13). Das Spiel 2 3 fliegt auf und John wird von der Schule verwiesen. Bald danach ist John verschwunden. Kit, der sich so sehr zu diesem Jungen hingezogen fühlt, „weiß“, dass er wiederkommen wird. Er schreibt eine Geschichte, die in der Eiszeit spielt, deren Protagonist aber an John Askew erinnert. Kit wünscht sich, dass John die Geschichte lesen und illustrieren wird. John kommt zurück und spielt nicht, wie er androhte, nun allen Ernstes mit Kit das Todesspiel, sondern geht auf dessen Freundschaftsangebot ein. Er begreift, wie sehr Kits Geschichte aus der Eiszeit ihm gilt und ist bereit, in seine Familie zurückzukehren, nachdem Kit ihm vermitteln konnte, wie sehr die Eltern, auch der Vater, ihn vermissten und die kleine Schwester ihn braucht. Andruetto, María Teresa: Stefanos weite Reise. A. d. argentinischen Spanisch, Zürich: Atlantis (Baobab) 2003, 92 S., 14,- €, ab 14 Stefano verlässt Ende der 1940er Jahre wie viele Italiener sein Land, um in Argentinien Armut und Hunger hinter sich zu lassen. Der Vater ist im Krieg gefallen und die Mutter muss ihr einziges Kind, das den Vater nie gesehen hat, ziehen lassen. Nur er und sein Freund Pino überleben den Untergang ihres Schiffes kurz vor der argentinischen Küste. Auf der Farm von Pinos Onkel finden sie Arbeit. Während Pino eines Tages die Farm des Onkels übernehmen wird, zieht es Stefano weg. Als leidlich geschickter Saxophonist kommt er bei einem Zirkus unter. Er verliebt sich in eine Trapezkünstlerin, die aber nicht nur ihn in ihrem Wohnwagen empfängt und er spürt, dass er noch nicht am Ende seiner Reise angelangt ist. Der Tod der Mutter und ihr Wunsch vor seiner Abreise, ihre nach Argentinien ausgewanderte Freundin aufzusuchen, bringt ihn zu der Frau und zu deren Tochter, bei der er zu bleiben gedenkt. Ani, Friedrich: Wie Licht schmeckt. München: Hanser 2002, 188 S., 13,30 €, = dtv 2005, 7,50 €, ab 14 Lukas wächst in schwierigen Verhältnissen auf. Die Mutter ist depressiv und der wortkarge Vater verliert zunehmend jeden emotionalen Kontakt zu seinem Sohn. Lukas’ Wunsch, zu seinem 14.Geburtstag drei Tage wegzugehen in die große Stadt München, verweigern die Eltern. Der Junge haut ab und gibt, aus Angst vor einer Polizeiaktion, den Eltern täglich ein Lebenszeichen. Was er erlebt, ist zwar durchweg ungewöhnlich, zum Teil gefährlich, aber wenig erfreulich bis auf die Begegnung mit Sonja, einem drei Jahre älteren blinden Mädchen, zu dem er sich, als er seine anfängliche Scheu überwunden hat, immer stärker hingezogen fühlt und das ihm seine wachsende Sympathie erwidert. Was Lukas am Zusammensein mit Sonja fasziniert, ist die Art, wie die Blinde ihre Behinderung akzeptiert, die ihr gebliebenen Sinne, auch als Kellnerin, entwickelt und mit dem zu leben gelernt hat, was andere ihr gelegentlich zumuten. Ob die ungewöhnliche Freundschaft über die drei Tage hinaus eine Chance hat, bleibt offen. Ardagh, Philip: Schlimmes Ende. A. d. Engl., Omnibus Verlag/Jugendbuch Verlag 2002, 125 S., 9,90 €, = Bertelsmann Tb. 2004, 5,90 €, ab 10. Die Eltern des elfjährigen Eddie Dickens haben eine Krankheit, „von der sie gelb und an den Rändern etwas wellig wurden und nach alten Wärmflaschen rochen“. Um Eddie nicht anzustecken, kommen der „wahnsinnige Onkel Jack“ mit der „wahnsinnigen Tante Maud“ in einer Kutsche, um Eddie zu sich zu holen in ihr Haus „Schlimmes Ende“. Ehe sie dort ankommen, macht Eddie aufregende Erfahrungen mit Tante Mauds ausgestopftem Wiesel und mit dem Theaterdirektor Mr Pumblesnook und seiner „streunenden“ Truppe. Höhepunkt der abenteuerlichen Reise ist Eddie Einweisung ins Waisenhaus „Sankt Fürchterlich“. Dort gelingt es ihm, „Frau Direktor Grausam-Unsäglich“ auszuschalten, die Waisenkinder aus ihren Zellen zu befreien und mit ihnen zu fliehen. Unterwegs trifft er nicht nur Onkel, Tante und den Theaterdirektor wieder, sondern auch seine Eltern, die durch ein gewagtes Therapie-Experiment zwar ihr Haus verloren, ihre Gesundheit aber wiedererlangt haben und nun mit Eddie in „Schlimmes Ende“ ein neues Zuhause finden. Bach, Tamara: Marsmädchen. Hamburg: Oetinger 2003, 160 S., 9,90 €, ab 14. 3 4 Die fünfzehnjährige Miriam, die die Geschichte erzählt, hält sich selbst für eher mittelmäßig im Vergleich zu ihren Freundinnen, die bereits mit erotischen Abenteuern aufwarten können. Da taucht die Neue auf. Miriam ist von dieser Laura, die Selbstgedrehte raucht, beeindruckt und erregt, besonders als sie merkt, dass ihre Gefühle erwidert werden. Es beginnt für Miriam eine Zeit der Annäherung, in der Augenblicke des Glücks wechseln mit Enttäuschung, tiefer Beunruhigung und Angst vor dem Entdeckt werden. Ebenso plötzlich wie Laura, The Girl from Mars“, in der kleinen Stadt auftaucht, um bei der vom Vater getrennt lebenden Mutter zu wohnen, geht sie zum Vater zurück und erscheint auch nicht zu einem letzten vereinbarten Treffen. Dennoch zeigt sich zuletzt eine zarte Hoffnung, dass die verlassene Miriam unter dieser schwierigen und enttäuschten Liebe nicht zerbrechen wird. Bánk, Zsuzsa: Der Schwimmer. Roman. Frankfurt/M: S.Fischer 2002, 285 S., 19,90 € = Tb.Januar 2004, 8,90 €, ab 17. Kata erzählt aus gehöriger zeitlicher Distanz und doch dem kindlichen Blick streng verpflichtet die Geschichte ihrer Kindheit. Sie lebt mit dem Vater und ihrem jüngeren Bruder Isti zusammen. Die Mutter hat 1956, kurz nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes, die Familie und das Land verlassen. Sie ging, soviel hat Kata mitbekommen, im Streit mit dem Vater, nicht aus politischen Gründen. Nach einer Zeit des Grübelns verlässt der Vater mit den beiden Kindern das Dorf und es beginnt eine Jahre dauernde Reise durch das Land. Sie kommen jeweils bei Verwandten unter, bis der Vater sich entschließt, ohne Rücksicht auf die Gefühle der Kinder, weiterzuziehen. Besonders schmerzlich für die Beiden ist der Aufbruch vom Haus in den Weinbergen am See, wo sie von der Großmutter nach einem Besuch in Deutschland erfahren, wie es der Mutter auf ihrer Flucht und danach ergangen ist und warum die Kinder nichts von ihr gehört haben. Als sie auf ihrer Reise wieder dort landen, wo sie schon einmal unterkamen, bei der Kusine des Vaters, stirbt Isti nach einem Sturz in den eiskalten Fluss an den Folgen dieses Unfalls. Vater und Tochter gehen noch einmal dorthin, wo Kata und Isti fast schon zuhause waren, in das Haus am See. Doch für Kata ist nach dem Tod des Bruders nichts mehr, wie es war und sie entschließt sich zuletzt – es ist die Zeit nach dem Ende des Prager Frühlings – wie die Mutter Ungarn zu verlassen. Boyce, Frank Cottrell: Millionen. A. de. Engl., Hamburg: Carlsen 2004, 254 S., 14,-€, ab 10 Damian, der Ich-Erzähler, lebt mit seinem älteren Bruder Anthony beim Vater. Die Mutter ist gestorben. Der fromme Damian, der die Mutter sehr vermisst, findet im Garten an seiner Hütte aus Pappkartons, seiner „Eremitage“, eines Tages eine Tasche voller Pfund-Noten. In Pence umgerechnet sind es über 22 Millionen. England ist endlich der Eurozone beigetreten und das Geld der alten Währung muss bis zu einem bestimmten Termin ausgegeben oder in Euro bzw. Dollar umgetauscht sein. Damian weist nur den älteren Bruder in sein großes Geheimnis ein und die beiden sind nun voll damit beschäftigt, die heiße Ware – ohne Wissen des Vaters – sinnvoll anzulegen, wobei es sehr divergierende Vorstellungen und Wünsche zwischen den Brüdern gibt, dem frommen Damian und dem pragmatischen Anthony. Das Geld, das nicht, wie Damian zunächst glaubte, vom Himmel fiel, ist der Fehlwurf einer Bande aus einem Alt-GeldTransport der Regierung und wird von dem, der es bergen sollte, gesucht. Das kommt zu den wachsenden Geldsorgen der Brüder hinzu. Eine dramatische Zuspitzung erfährt die Geschichte außerdem, als der lange ahnungslose Vater und seine Freundin von den Millionen erfahren und plötzlich auch noch die Polizei mit großem Aufgebot auf der Bühne erscheint. Da setzt Damian in seiner Verzweiflung dem schnöden Tanz ums goldene Kalb ein spektakuläres Ende und erlebt zuletzt doch noch, was er sich so sehr wünschte: eine wunderbare Wendung zum Guten. Brooks, Kevin: Martyn Pig. Roman. A. d. Engl., dtv extra 2004, 288 S., 8,50 €, ab 14 Der vierzehnjährige Martyn, der die Geschichte erzählt, lebt bei seinem Vater, der trinkt. Die Mutter ist vor Jahren weggegangen und dem Vater ist es gelungen, das Sorgerecht für den Sohn zu bekommen. Das aber bedeutet konkret, dass Martyn für den Vater zu sorgen hat. Bis auf ein Mädchen in der Nachbarschaft hat Martyn wenig Kontakt zur Außenwelt. Seine Leidenschaft 4 5 sind Kriminalromane und Fernsehkrimis. Als bei einer Auseinandersetzung der Vater – volltrunken – den Sohn tätlich angreift, kommt er dabei so schwer zu Fall, dass er auf der Stelle tot ist. Martyn ist geschockt. Er fühlt sich schuldig und versäumt es aus Angst, als Mörder des Vaters angeklagt zu werden, umgehend die Polizei zu verständigen. Er wird nun Zug um Zug selbst zum Protagonisten einer Kriminalgeschichte, die es an Spannung mit seinen geliebten Krimi-Klassikern durchaus aufnehmen kann. Bryce Echenique, Alfredo: Eine Welt für Julius Roman (1970: Un mundo para Julius). A. d. Spanischen, Frankfurt/M: Suhrkamp 2002, 525 S., 24,90 € = Suhrkamp Tb.2004, 13,- €, ab 17. Julius war anderthalb Jahre alt, als sein Vater starb und er war fünf beim Tod Cynthias, der älteren, so innig geliebten Schwester. Die älteren Brüder, Santiago und Bobby, beachten ihn kaum. Susan, die Mutter, hat viel mit sich, ihrer Schönheit und ihrer gesellschaftlichen Stellung zu tun, besonders nachdem sie sich in Juan Lucas, den überaus erfolgreichen Geschäftsmann, den Golfspieler und Stierkampfenthusiasten, verliebt hat. Geborgen fühlt Julius sich in der Dienerschaft und bleibt doch für sie „der junge Herr“. Der Mutter, die nach dem Tod ihres Mannes die Diener hat gewähren lassen, rät der neue Herr im Hause nun dringend, die Zeit der „Verwöhnung“ zu beenden und auch vor Entlassungen von „aufmüpfigen Domestiken“ nicht zurückzuschrecken. „Onkel“ nennt Julius den Stiefvater im täglichen Umgang und andern gegenüber „der Mann, den die Mutter geheiratet hat“. Für Juan Lucas ist Julius ein neunmalkluger „Grünschnabel“, der in seiner stillen, beobachtenden Art mit Vorsicht zu genießen und mit Ironie und leisem Spott auf Distanz zu halten ist, - ganz anders als die älteren Brüder, die mit fliegenden Fahnen in die mondäne Welt des Stiefvaters eintauchen und sich über dessen finanzielle Großzügigkeit und väterliche Nachsicht nicht zu beklagen haben. Auch wenn neben Julius immer wieder andere Perspektivfiguren auftreten und für kurze Zeit die Szene beherrschen, - wir blicken durchweg mit seinen staunenden Augen auf diese Welt der Reichen in Perus Hauptstadt Lima, auf ihre Paläste, ihre Autos, Partys und Geschäfte und auf die Dienerschaft: Indios aus den Bergen und ein schwarzer Chauffeur, von dem Julius alles über seine Vorfahren wissen will, die noch Sklaven waren. Offen bleibt, wie Julius, der am Ende des Romans 11 wird, sich zurechtfinden wird. Wird auch ihn bald das Leben seiner Brüder faszinieren oder die Distanz wachsen zur Welt des Stiefvaters und der Mutter? Camp, Richard van: Die ohne Segen sind. A. d. Engl., Ravensburg: Ravensburger Buchverlag 2000, 160 S., € 11,95 = Ravensburger Tb. 2002 5,95 €, ab 16. Larry, der Erzähler der Geschichte, lebt mit der Mutter und deren Freund zusammen. Larry ist Dogrib-Indianer und besucht eine Schule, die die Lehrer/innen ihren eigenen Kindern nicht zumuten. Larry erzählt von seinem Alltag unter ausgegrenzten Jugendlichen, unter denen er als Indianer noch einmal Außenseiter ist. Wir erfahren von seinem Einstieg in die Drogenszene, seiner unerwiderten Liebe zu Juliet; von seinem schlagkräftigen Freund Johnny, der, selber Halbblut, ihn vor den schlimmsten Demütigungen bewahrt; von dem Tag, als er „in“ wurde, indem er einen von seinen Peinigern niederschlägt. Nur in dunklen Andeutungen spricht er von dem toten Vater, bis Johnny eines Tages die Brandnarben auf seinem Rücken sieht und Larry ihm sein Geheimnis lüftet. Auch Juliet erfährt davon, als sie, schwanger, von den „Freunden“ im Stich gelassen wird und Larry mitteilt, dass sie weggehen wird aus einem Ort, wo sie jetzt nur noch die Hure ist. Bevor sie geht, erlebt Larry mit ihr eine Liebesnacht, die für ihn schmerzlicher Abschied und ein tiefes Glücksgefühl bedeuten. Endlich ist von dem so lange vergeblich geliebten Mädchen akzeptiert worden. Cercas, Javier: Soldaten von Salamis. A. d. Span., Berlin: Berlin Verlag 2002, 223.S., 18,-€ = Berliner Taschenbuch Verlag 2004, 8,90 €, ab 16. Cercas, ein Journalist, der es ohne Erfolg mit Romanschreiben versucht hat, kehrt zu seinem alten Beruf zurück. In einem Interview mit dem Sohn von Rafael Sáchez Mazas, einem bekannten Autor und Mitbegründer der Falange, erfährt er jetzt, 1994, von der missglückten 5 6 Erschießung des Schriftstellers. Sánchez Mazas war von republikanischen Truppen gefasst worden, die ihn auf ihrer Flucht vor Francos Soldaten in der Nähe der französischen Grenze in einem Massaker an gefangenen Faschisten nicht tödlich trafen. Mazas kann flüchten, wird im Wald von einem republikanischen Milizionär gestellt, der ihn erkennt, aber nicht erschießt. Diese Geschichte aus den letzten Tagen des Bürgerkriegs reizt den 1962 geborenen Cercas, nun doch noch einmal ein Buch zu schreiben, - keinen Roman, sondern eine „Erzählung nach der Wirklichkeit“. Er knüpft Kontakte zu Leuten, die die Retter von Sáchez Mazas kennen und zu den noch lebenden Rettern selbst. Dabei entsteht die Biografie eines faschistischen Autors, sehr zum Missbehagen von Cercas’ Freundin, die nicht einsehen kann, warum man einem faschistischen Autor so viel Aufmerksamkeit schenkt. Als Cercas’ Interesse an dem BuchProjekt schon zu schwinden beginnt, erfährt er von einem republikanischen Milizionär, der wie viele andere Spanier vor Francos Truppen nach Frankreich floh, aus einem Hungerlager dort sich zur Fremdenlegion meldete, in Afrika und in Europa den Zweiten Weltkrieg mitmachte und danach eine kleine französische Staatsrente bezog. Getrieben von der fixen Idee, der Mann könnte bei der Erschießung jener faschistischen Gefangenen an der spanisch-französischen Grenze dabei gewesen sein, ja vielleicht sogar der Milizionär sein, der Sánchez Mazas stellte und nicht erschoss. Cercas sucht nach ihm, weil er ihm das liefern könnte, was seinen Aufzeichnungen bislang fehlt: der republikanische Blick auf den Bürgerkrieg und die Zeit danach. Er findet den Mann in einem Altenheim in Dijon und kann ihn zu einem Gespräch bewegen. Er erkennt in ihm einen jener Soldaten, von denen Sánchez Mazas, Oswald Spengler zitierend, schwärmte, dass sie im Notfall immer bereit seien, die Zivilisation zu retten. Mazas selber wollte diesen Zivilisationsrettern in einem Buch mit dem Titel „Soldaten von Salamis“ ein faschistisches Denkmal setzen, wozu er nicht mehr kam. Für Cercas ist die Begegnung mit dem alten Milizionär ein entscheidendes Motiv, sein Buch fertig zu stellen und zu veröffentlichen, mit all den Namen der Freunde des Milizionärs, die im Bürgerkrieg auf Seiten der Republik gefallen sind und die vergessen wurden, aber auch mit den Namen jener republikanischen Deserteure, die Sáchez Mazas retteten, in der Hoffnung, damit die eigene Haut zu retten, als die Niederlage der Republik besiegelt war. Cole, Brock: Was wisst ihr denn schon. A. d. Englischen, Hamburg: Carlsen 2002, 208 S., 13,50 €, ab 13. Die 13-jährige Linda muss mit ansehen, wie Mr Green, der ihrer Mutter einen guten Job in seiner Firma verschafft hat, von dem Ex-Freund der Mutter, Frank Perry, niedergeschossen wird. Der Mörder tötet sich kurz danach selbst. Linda wehrt sich vergeblich gegen die Heimunterbringung, weil sie ihre beiden jüngeren Brüder nicht im Stich lassen will, für die sie sich verantwortlich fühlt. Sie wird von verschiedenen Leuten verhört und alle wollen wissen, in welcher Beziehung sie zu den beiden toten Männern stand. In einer günstigen Situation verschafft sie sich Einblick in die Aufzeichnungen einer Sozialarbeiterin, die mit ihr intensive Gespräche geführt hatte. Sie entschließt sich, diesem Bericht über ein sexuell missbrauchtes Mädchen ihre eigene Sicht der Dinge entgegenzustellen. Als nämlich in der Beziehung der Mutter zu Frank Perry Mr Green auf der Bildfläche erschien und der Mutter den Job in seiner Firma anbot, geschah dies nicht, wie der Freund vermutete, der Mutter, sondern der Tochter wegen, die sich überhaupt nicht wehrte gegen diese „verbotene“ Beziehung, ja sie nach allem, was sie in ihrem Leben von und mit Erwachsenen erlebt hatte, genoss, bis die Frau ihres Liebhabers dem ein Ende setzte und bald danach der Mord geschah. Linda genießt zuletzt im Heim die Ruhe und sie wird für die Leiterin bald, was sie in ihrer Familie von klein auf war, eine zuverlässige Stütze. Colfer, Eoin: Benny und Omar. Weinheim: Beltz & Gelberg 2001, 292 S., € 12,40 = Beltz Tb. 2004, 7,90 €, ab 12. Der zwölfjährige Benny verlässt mit seinen Eltern und dem neunjährigen Bruder Irland. Der Vater wurde von seiner Firma nach Tunesien versetzt und wohnt die Familie in einem von einer Mauer umgebenen und bewachten Viertel von Ausländern, mit eigener Schule, mit 6 7 Swimmingpool und allem, wovon die tunesische Bevölkerung außerhalb der Mauer nur träumen kann. Benny, der seine irischen Freunde und sein geliebtes Hurling-Spiel vermisst und sich nur schwer an die „Hippie“-Schule gewöhnen kann, akzeptiert diesen goldenen Käfig nicht und kommt bald mit Omar in Kontakt, der auf der Mauer erscheint. Benny trifft ihn außerhalb der Mauer und erfährt von ihm, dass die Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen und die seitdem völlig verstörte kleine Schwester in einer düsteren psychiatrischen Klinik lebt. Bennys Ausflüge werden entdeckt und unterbunden, bis er auf dem Weg zu einem Ausflug der Schule in die Wüste den Hilferuf Omars vernimmt. Der Junge hatte die Schwester aus der Klinik entführt, war in einem leerstehenden Haus des Ausländer-Viertels untergekommen und wurde nun überall gesucht. Benny hilft den beiden über die Mauer. Auf ihrer Flucht mit Omars altem Moped geraten sie in einen Wolkenbruch, aus dem Benny und Omars Schwester von ihren Verfolgern, darunter Bennys Vater, gerettet werden. Omar ist verschwunden. Während es für das Mädchen eine gute Lösung gibt (Adoption von einem der Wächter), hat Benny Hinweise, dass Omar lebt. Er braucht darum dringend eine Familiekonferenz für den Fall, dass der Freund wieder auftaucht. Cormier, Robert: Nur eine Kleinigkeit. Aarau: Sauerländer 1995, 112 S. = Carlsen Tb. 2001, € 6,50, ab 12. Nach dem Tod von Henrys älterem Bruder Eddie zieht die Familie in die benachbarte Stadt in die Nähe einer psychiatrischen Klinik. Henry beobachtet über längere Zeit einen alten Mann dieser Klinik, kommt schließlich in Kontakt mit ihm und gewinnt Einblick in die von der Stadt eingerichtete Künstler-Werkstatt. Der alter Mann, Jacob Levine, ist da ein anerkannter Holzschnitzer, der das polnische Dorf rekonstruiert, das er einst verlassen musste. Henry erzählt Mr. Hairston, bei dem er einen Job hat, von seinem und seiner Mutter Plan, für den toten Eddie einen Grabstein setzen zu lassen. Mr. Hairston, von einem tiefen Judenhass getrieben, will den Grabstein bezahlen, für den seit Eddies Tod depressiven Vater eine Therapie finanzieren und die ausgesprochene Kündigung Henrys rückgängig machen, wenn dieser bereit ist, das inzwischen preisgekrönte Werk des Jacob Levine zu zerstören. Auch wenn sich alles in Henry bis in seine Träume hinein dagegen sträubt, lässt er sich in der Künstler-Werkstatt einschließen, ist jedoch unfähig, mit einem Hammer, den er findet, die „Kleinigkeit“ zu erledigen, bis eine Ratte in das Dorf springt und er zuschlägt. Henry kündigt bei Mr. Hairston ohne jede „Entlohnung“. Die Familie zieht in ihre frühere Stadt zurück und Jacob Levine, dem das alles verborgen blieb und der sein partiell zerstörtes Dorf repariert hat, schenkt Henry zum Abschied eine kleine Holzplastik, die ihm, Henry, ähnlich sieht. Cormier, Robert: Nachts, wenn die Schatten fallen. A. d. Amerik., Frankfurt: Sauerländer 1998, 169 S., 26,80 DM = Bertelsmann Tb. 2002, € 6,00, ab 14. Bei einer Kinderveranstaltung in einem alten Kino ist die Galerie in Brand geraten und kurz danach eingestürzt. Es gab Tote und es gab Verletzte, darunter Lulu, die mit schweren Verbrennungen im Gesicht für ihr Leben schwer gezeichnet ist und seitdem verzweifelt auf Rache sinnt an dem zum Zeitpunkt des Unglücks 16-jährigen John Paul Colbert. John Paul war Platzanweiser in dem Kino und hat ungewollt auf der Galerie den Brand verursacht. In einem Prozess wird festgestellt, dass der Brand nicht die Ursache des Einsturzes gewesen ist, was Lulu und andere Betroffene nicht glauben. John Paul Colbert, seine Frau und Sohn Denny kommen auch nach einigen Umzügen und auch 25 Jahre danach nicht zur Ruhe. Denny ist inzwischen 16, so alt wie sein Vater damals. Er durchbricht das Verbot des Vaters, auf anonyme Anrufe zu reagieren und gerät unter den Einfluss von Lulu, die mit Hilfe ihres Bruders ein Treffen vereinbart. Nur knapp entgeht Denny dem Plan Lulus, sich an dem Sohn des „Killer“-Vaters zu rächen. Cormier, Robert: Zärtlichkeit. A. d. Amerik., Aarau: Sauerländer 2000, 221 S.,€ 15,80 =Bertelsmann Tb2002, € 7,00, ab 14. 7 8 Lori, 15, lebt mit der Mutter zusammen. Der Vater starb bei einem Unfall, als Lori zwei Jahre alt war. Das Mädchen ist ziemlich selbständig in ihren Entscheidungen und rasch in ihren Entschlüssen. Sie trampt, ohne die Mutter zu informieren, zu einem Rock-Konzert, fest entschlossen, den Sänger der Gruppe nicht nur zu hören, sondern zu küssen. An dem Ort, wo das Konzert stattfindet, hat sie mit der Mutter eine Weile gelebt und kennt darum Eric Pool, der gerade aus der Haft entlassen wurde. Eric hat die Mutter und deren Freund umgebracht für Misshandlungen, die er sich selber zugefügt hatte, um seine Killer-Obsession zu verheimlichen, die bei Tieren begann und dann auf Menschen sich richtete. Die Mädchen-Morde, die ihm zur Last gelegt wurden, konnten ihm nicht alle nachgewiesen werden, was ein Polizeikommissar vor Eric Entlassung unbedingt aufklären wollte. Vergeblich. Eric wohnt jetzt bei seiner Tante und zieht Reporter und viele Schaulustig an, darunter Lori, die ihn damals kurz nach einem Mord traf, ohne zu ahnen, was er gerade getan hatte. Sie will jetzt den Typ, der sie seinerzeit so großherzig vor einer Motorrad-Gang beschützte, unbedingt wiedersehen. Endlich im Besitz eines Führerscheins fährt Eric los und entdeckt erst unterwegs Lori in seinem Auto. Die hatte darin, ohne zu ahnen, wem das Auto gehört, die Nacht verbracht. Eric, auf dem Weg zu einem Mädchen, mit dem er sich schon in der Haftanstalt verabredet hatte, will Lori rasch loswerden. Sie ist nicht sein Typ. Doch was hat sie damals bei ihrer ersten Begegnung wirklich mitbekommen? Wie Cormier diese Komplikation auflöst, sollte fairer Weise an der Stelle nicht verraten werden. Cormier, Robert: Heroes. A. d. Amerik., Frankfurt/M: Fischer 2001, 118 S., € 12,14 = Fischer Tb. 2002, € 6,90, ab 14. Der Ich-Erzähler, Francis Joseph Cassavant, ist schwer verletzt und im Gesicht entstellt aus dem Krieg gekommen. Er gelangt unerkannt in seine Heimatstadt, um eine alte Rechnung zu mit Larry LaSalle, dem ehemaligen Leiter des Freizeitzentrums zu begleichen. LaSalle, von den Jugendlichen einst anerkannt und geliebt, hatte bei einem Fronturlaub nach einer Tanz-Party Francis Freundin vergewaltigt, was Francis im Dunkeln miterlebte, ohne eingreifen zu können. Er wurde von der Freundin dafür verachtet und abgewiesen und meldet sich als Fünfzehnjähriger mit gefälschter Geburtsurkunde freiwillig zum Militär. Er trifft den heimgekehrten LaSalle, vermag den, ebenfalls vom Krieg gezeichneten und wie er selbst als Held hochdekoriert („Heroes“), im entscheidenden Moment nicht zu töten. Er trifft Nicole und erfährt von ihr, sie hätte ihn damals nicht so sehr verachten und so entschieden zurückweisen dürfen. Auf seine Frage, ob sie sich wiedersehen könnten, hört er von ihr nur: „Ach, Francis.“ Während LaSalle sich bald nach der Begegnung mit Francis das Leben nimmt, bleibt offen, ob Francis dasselbe tun wird, was er vorhatte, oder doch für sein Leben eine neue Perspektive gewinnt. Cormier, Robert: Das Verhör. A. d. Amerik., München: Bertelsmann 2002, 160 S., 12,30 € = Bertelsmann Tb. 2004, 5,90 €, ab 14. Die siebenjährige Alicia ist im Wald tot aufgefunden worden. Der zwölfjährige Jason Dorrant, der gelegentlich bei ihrem Bruder vorbeischaut und sich mit Alicia anfreundet, ist der Letzte, der vor der Tat mit dem Mädchen zusammen war. Das Verhör des Jungen bringt vage Indizien für die Tat, aber kein Geständnis, das die Stadt und die politisch Verantwortlichen immer dringlicher fordern. In dieser Situation wird ein Kriminalbeamter von außerhalb zugezogen, der als besonders erfolgreich bei Verhören in Mordfällen bekannt ist. Das spektakuläre Ergebnis und die Folgen des minutiös geschilderten Verhörs des Jungen dürfen natürlich nicht verraten werden. Creech, Sharon: Der beste Hund der Welt. A. d. Amerik., Frankfurt/M: Fischer Schatzinsel 2003, 96 S., 10,90 €, ab 9 und dann unbegrenzt. Jack weigert sich, Gedichte zu schreiben, weil das nichts für Jungen sei; für Mädchen schon. Doch dann wird er von Gedichten die seine Lehrerin der Klasse vorliest und auf die er schriftlich der Lehrerin antwortet, ermutigt, Wörter so wichtig zu nehmen, dass man für sie 8 9 gelegentlich eine ganze Zeile reserviert. Allmählich traut er sich, seine Texte von der Lehrerin ans „Brett“ heften zu lassen, noch ohne Namen, und ist schließlich bereit, das Gedicht über seinen geliebten Hund, der überfahren wurde, unter seinem Namen zu veröffentlichen, auch wenn er Angst hat, es könnte zu traurig sein. DiCamillo, Kate: Winn-Dixie. A. d. Amerik., Hamburg: Dressler 2001, 160S., 19,80 € = dtv 2003, 5,50 €, ab 9. Opal, die zehnjährige Ich-Erzählerin, lebt bei ihrem Vater. Die Mutter ist weggegangen, als ihr Kind drei Jahre alt war. Der Vater, einst Missionar in Indien, ist mit der Tochter gerade umgezogen und Prediger an einer Baptistenkirche. Bei einem Einkauf im Supermarkt wird Opal Zeuge, wie ein Hund ein großes Durcheinander am Gemüsestand anrichtet. Das Mädchen gibt sich kurz entschlossen als die Besitzerin des Hundes aus, nennt ihn, danach gefragt, wie den Supermarkt Winn-Dixie und kann den Vater davon überzeugen, dass das überaus hässliche und übelriechende Geschöpf ein Zuhause braucht. Winn-Dixie reißt Opal aus ihrer Einsamkeit, in die sie nach dem Umzug geraten ist. Sie redet mit dem Hund und fasst dabei den Mut, endlich den verschlossenen Prediger, der ganz in seinem Dienst aufgeht, nach der Mutter zu fragen. Mit Winn-Dixie gewinnt Opal rasch Freunde, ältere und gleichaltrige, zuletzt die als Hexe verschrieene Gloria Dump. Mit ihr organisiert sie eine Party, zu der alle ihre neuen Freundinnen und Freunde kommen, auch ihr Vater. Als ein schweres Gewitter die Gesellschaft zwingt, die Gartenparty ins Haus zu verlegen, ist Winn-Dixie plötzlich verschwunden. Opal und ihr Vater suchen den Hund und dabei erfährt das Kind, dass der Prediger Opals Mutter immer noch liebt, aber das Warten auf sie aufgegeben hat. Da merkt Opal zum ersten Mal, dass auch sie mit Winn-Dixie und den neuen Freunden den schmerzlichen Verlust besser ertragen kann, - nun auch mit einem Vater zusammen, den sie mit Winn-Dixies Hilfe aus seinem Schneckenhaus ein wenig herauslocken konnte. Zuletzt taucht auch der Hund wieder auf, der sich aus Angst vor dem Gewitter unter Gloria Dumps Bett verkrochen hatte. DiCamillo, Kate: Desperaux. Von einem der auszog, das Fürchten zu verlernen. A. d. Amerik., Hamburg: Dressler 2004, 266 S., 12,- €, ab 9. Desperaux, die letzte Maus der Eltern, ein Winzling mit viel zu großen Ohren, ist nicht in der Lage oder auch zu eigensinnig, das natürliche Verhalten von Mäusen zu lernen. Statt in der Bibliothek sich an Büchern zu knabbern, liest er in einem Buch die Geschichte von einem Ritter, der eine Prinzessin befreit. Statt sich von Menschen fernzuhalten, nähert er sich dem König, der seiner Tochter Lieder zur Gitarre singt. Er verliebt sich in die schöne Prinzessin und wird schließlich für sein „unwürdiges“ Verhalten vom Mäuserat zur Strafe ins Verließ zu den Ratten verbannt, - für gewöhnlich der sichere Tod einer Maus. Wir erfahren dann, wie Desperaux dem Verließ und den Ratten entkommt, wie eine von der Prinzessin gedemütigte Ratte mit Hilfe der Dienstmagd die Tochter des Königs ins Verließ entführt und wie Desperaux sich, wie jener Ritter in der Geschichte, die er gelesen hat, aufgefordert fühlt, sich auf Aventiure zu begeben, um die geliebte Prinzessin aus der Gewalt der Ratten zu befreien. Doyle, Brian: Mary Ann Alice. A. d. kanad. Englisch 2004, Düsseldorf: Sauerländer 2004, 184 S., 13,90 €, ab 12. Mary Ann Alice, die die Geschichte erzählt, lebt mit ihren Eltern auf einer Farm am Ufer eines Flusses, der in der Nähe der Farm in einem gewaltigen Wasserfall zu Tale stürzt. Ihr Alltag, der mit der Zuneigung zu einem Jungen aufregend zu werden beginnt, wird aufregender noch, als die Regierung Ernst macht mit ihrem Plan, den Wasserfall für den Bau eines Staudammes und eines Kraftwerkes zu nutzen, um die Gegend mit Strom zu versorgen. Die Bauarbeiten, an denen Mary Ann Alice bei der Versorgung der Bauleute beteiligt ist, die vieldiskutierte Frage, wie viel Land der Farmer der Flutung zum Opfer fallen wird und ob es bei der Entschädigung gerecht zugehen wird, das Verschwinden eines Lehrers in den Höhlen am Fluss und sein wundersames Auftauchen aus dem steigenden Wasser, der erste Kuss an dem zu einem ruhigen 9 10 See gewordenen Fluss, - das ist Stoff in Fülle für eine Erzählerin, die das Urteil ihrer Umwelt akzeptiert, dass in ihr die Seele einer Dichterin lebendig sei. Drvenkar, Zoran: Touch the flame. Hamburg: Carlsen 2001, 204 S., 13,00 € = Tb.2003, 6,90 €, ab 14. Der 15-jährige Lukas, der die Geschichte erzählt, lebt bei seiner Mutter in Berlin. Er erwartet nach Jahren der Abwesenheit den Besuch des Vaters, der mit einer anderen Frau zusammen in Hamburg lebt und mit ihr auch einen Sohn hat. Geplant ist ein mehrtägiges Zusammensein, um sich wieder näher zu kommen. Der Vater ist, das erfährt Lukas ganz unvermittelt, an Krebs erkrankt. Der Besuch bei einer Verwandten des Vaters in Berlin wird mitten in der Nacht abgebrochen und auf der nächtlichen Autofahrt nach Hamburg muss der Vater in einer heftigen Auseinandersetzung erkennen, dass Lukas nicht bereit ist, sich den groben Anweisungen des Vaters zu unterwerfen. In Hamburg, wo Lukas die andere Frau des Vaters und seinen Halbbruder kennen lernt, werden sie in die kriminellen Machenschaften des älteren Bruders des Vaters verwickelt, der nach einem spektakulären Einbruch fünf Jahre gesessen und jetzt den Vater im Verdacht hat, ihn um die Beute prellen zu wollen. Wie in dieser lebensgefährlichen Auseinandersetzung das Verhältnis zwischen Vater und Sohn sich entwickelt, wo die Beute zuletzt auftaucht und wie Lukas’ Hamburg-Ausflug mit dem schwer kranken Vater endet, soll nicht verraten werden Drvenkar, Zoran: Cengiz & Locke. Hamburg: Carlsen 2002, 336 S., 16,50 €, = Tb. 2004, 7,90 €, ab 14 Cengiz, ein 15jähriger Türke und Locke, ein gleichaltriger Deutscher, werden Freunde in einer deutsch-türkischen Jugendbande, die ihren Revierkrieg mit den „Yugos“ führt. Die ständigen Auseinandersetzung eskalieren, als aus einem Auto auf die „Yugos“ vor ihrer Disco geschossen wird und ein Mädchen der „Yugos“, den der geschossen hat, Cengiz, erkannte. Er wird von der Bande fast zu Tode geprügelt. Das Mädchen, das ihn verraten hat, wird ermordet und Cengiz bekennt sich in seiner Gruppe zu der Tat. Der Show-down zwischen Cengiz, der eine Waffe zieht, und dem Anführer der „Yugos“ endet in einem großen Gelächter. In einem Epilog erfahren wir, wer das Mädchen wirklich ermordet hat und welche Rolle Cengiz dabei zugedacht war. Neben dieser Krimihandlung zweier Jugendbanden werden die beiden Hauptfiguren, Cengiz und Locke, auch in ihrem familiären Umfeld gezeichnet. Dabei ergibt sich ihre besondere Disposition für eine gewaltbereite Jugendbande und ihre je besondere Position in der strengen Hierarchie der Gruppe. Engström, Mikael: Brando. A. d. Schwedischen, München: Hanser 2003, 253 S., 14,90 €, ab 12. Der zwölfjährig Brando, der eigentlich Marlon heißt, lebt nach dem Tod der Mutter bei seinem Vater, der Filmvorführer ist im einzigen Kino der Stadt. Ein gewonnenes Fußballspiel bringen Brando und seinen Freund Larsa die Feindschaft einer älteren Jungengruppe ein und das wiederum bringt Aufregung in die sonst so trostlosen Sommerferien, in denen aus finanziellen Gründen Urlaub mit den Eltern nicht in Betracht kommt. Ein wenig Abwechslung bedeuten für die beiden auch die Zorro-Filme im „Thule“, das Angeln in der Quecksilber-verseuchten Bucht, das Lauern am Fenster der schönen Lora und andere Unternehmungen gegen die Langeweile und gegen die gewalttätiger werdenden älteren Jungendlichen. Dass Brando und Larsa bei einem schweren Verkehrsunfall einen Lastwagenfahrer aus dem Führerhaus zerren und vor dem Verbrennen retten, beendet dann, mit Hilfe der Polizei, auf einem Höhepunkt der Auseinandersetzung unter den Jugendlichen den Konflikt durch einige wunderbare Zufälle. Dass der Titel der deutschen Übersetzung neben Brando nicht auch Larsa nennt, liegt wohl an den tagebuchartig eingestreuten Überlegungen Brandos, die er abends in seinem Zimmer der toten Mutter mitteilt. 10 11 Enquist, Per Olov: Großvater und die Wölfe. A. d. Schwed., München: Hanser 2003, 116 S., 11,90 €, ab 8. Die sechsjährige Mina lässt sich von den Eltern nur schwer überzeugen, dass es ein Traum war, in dem sie von einem Krokodil in den Po gebissen wurde, und dass die schmerzende Stelle von eine Mücke verursacht wurde. Mina sucht am Telefon Trost beim Großvater, der sie, ihre kleine Schwester und seine übrigen Enkelkinder zu sich einlädt. Sie fahren mit Gunilla, der Frau des Großvaters, und dem sibirischen Schlittenhund zum Ferienhaus an der norwegischen Grenze und von da plant der Großvater eine Expedition mit den Kindern auf den hohen Dreihöhlenberg. Das wird für Mina, die anderen Kinder und nicht zuletzt für den Großvater ein äußerst spannendes Abenteuer, bei dem, wie der Titel verheißt, Wölfe eine wichtige Rolle spielen. Frank, E. R.: Das Leben ist komisch. A. d. Amerikanischen, Weinheim: Beltz & Gelberg 2002, 288 S., 14,90 €, = Tb. 2004, 8,90 €, ab 14. Die Geschichte spielt in Brooklyn, New York, und erstreckt sich über einen Zeitraum von sieben Jahren. Sie besteht aus einer Reihe von Episoden, in denen aus einem umfangreichen Personal an weiblichen und männlichen Jugendlichen jeweils eine/ einer als Ich-ErzählerIn auftritt und ihre/seine sozialen Beziehungen (Familie, Freundinnen/Freunde, Schule, Job, College) schildert. Jede Episode kann für sich gelesen werden, gewinnt darüber hinaus aber als Element des Romans ihren besonderen Reiz dadurch, dass in fast jeder neuen Episode uns bereits bekannte Jugendliche auftauchen, die jetzt nicht selbst erzählen, sondern von andern und von außen wahrgenommen werden. Dabei gewinnen einige Jugendliche, farbige neben weißen, mehr an Profil als andere und es entsteht ein Tableau sozialer Beziehungen und Lebensentwürfe von Jugendlichen, wie es bunter und gegensätzlicher nicht sein könnte. Frayn, Michael: Das Spionagespiel. Roman. A. d. Englischen, München: Hanser 2004, 223 S., 19,90 €, ab 16 Stephen Wheatley kommt als alter Mann noch einmal zurück in die Straße seiner Kindheit, einer Vorortstraße Londons, in der die Häuser von damals noch stehen und sich doch alles verändert hat. Wir erfahren von der ungleichen Freundschaft zwischen Stephen und Keith Hayward, der mit seinen Eltern in gehöriger sozialer Distanz lebte zu allen, die sonst noch in der Straße wohnten. Nur Stephen wurde als willfähriger Freund geduldet, auch von den Eltern, für die er jedoch nicht wirklich existierte. Die Spiele der beiden Jungen nahmen eine ernste Wendung, als Keith behauptete, seine Mutter sei eine Spionin für Hitler-Deutschland. Ihre intensive Beschattung der Frau führte zu Entdeckungen, die die beiden nur so interpretieren konnten, dass die Mutter Kontakt hält zu einem mit dem Fallschirm abgesprungenen deutschen Spion, dessen Versteck sie ausfindig gemacht hatten. Für Stephen spitzte sich die Lage dramatisch zu, als Keith’ freundlich-unnahbare Mutter ihn, nicht Keith, ins Vertrauen zog und ihn bat, den unbekannten Mann in seinem Versteck mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen. Von da an überschlugen sich für den Jungen die Ereignisse, in denen zuletzt die Polizei das Heft in die Hand nahm. Wie dieses „Spionagespiel“der beiden Jungen endete, was aus ihrer ungleichen Freundschaft wurde, wer tatsächlich Spionage betrieben bzw. mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hatte, das erfährt, wer den Roman zuende liest, von dem alten Mann noch in der Straße, in der er vor langer Zeit ein Kind war und fast über Nacht erwachsen werden musste. Genazino, Wilhelm: Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman. Roman. München: Hanser 2003, 160 S., 15,90 €, ab 17. Der Ich-Erzähler, den alle, die ihn im Text ansprechen, nur Weigand oder Herr Weigand nennen, ist 18. Er ist ein Jahr zuvor vom Gymnasium verwiesen worden und findet mit Mühe eine Lehrstelle bei einer Spedition. Nebenbei ist er Abendreporter einer Tageszeitung und schreibt 20-Zeilen-Texte zu Autogrammstunden von Schlagersängern u.ä. Veranstaltungen. Von seiner Freundin, mit der er schon feste Pläne für die Zukunft hatte, trennt er sich, als Linda 11 12 auftaucht, die auch bei einer Zeitung arbeitet und nebenbei einen Roman schreiben will. Linda, die Weigand fasziniert, verschwindet auf tragische Weise aus seinem Leben. Das Angebot einer festen Anstellung bei der Zeitung schlägt er aus und behält sein bisheriges berufliches Doppelleben bei. Zuletzt bezieht er seine erste eigene Wohnung und wartet in ihr „auf das Aufzucken des ersten Wortes“ seines ersten Romans. Glaser, Pernilla: Tanz auf dünnem Eis. A. d. Schwed., Carlsen 1999, 113 S., 24,- DM = Piper Tb. 2001, € 7,90, ab 16. Ein junge Frau (21) verliebt sich in einen aus Brasilien stammenden Mann und erfährt, dass der Mann eine schwere Gehirnoperation (Tumor) glaubt gut überstanden zu haben. Doch die Hoffnung erweist sich als trügerisch und die Liebe der beiden wird immer mehr überschattet von der neu aufbrechenden Krankheit, mit immer härteren Eingriffen und Chemotherapien. Minutiös schildert die Frau den Verlauf der Krankheit bis zum Tod des Mannes, ihre Anteilnahme und Pflege bis zur Erschöpfung und bis zu dem Wunsch, sich selbst das Leben zu nehmen, und dem tiefen Gefühl von Befreiung danach. Grossman, David: Wohin du mich führst. A. d. Hebräischen, München: Hanser 2001, 440S., 19,90 €= dtv 2003, 8,50 €, ab 14. Schaj, der begeisterte Gitarist, ist in die Drogenszene geraten. Der eskalierende Konflikt mit den Eltern endet abrupt, als diese nach Schajs 18.Geburtstag erfahren, dass die Polizei jetzt für weitere Suchaktionen nicht mehr zuständig sei. Tamar, Schajs zwei Jahre jüngere Schwester, hat den Eindruck, die Eltern haben den Bruder, für den sie, die Jüngere, immer schon Verantwortung übernahm, aufgegeben. Sie erfährt, dass Schaj in einem „Künstlerhaus“ untergekommen ist, das in Wahrheit einer Dealer-Bande gehört, die Schaj aufgegriffen hat, mit „Stoff“ versorgt und wie andere Abhängige als Straßenmusikant brutal ausbeutet. Nach einem verzweifelten Anruf des Bruders, ihn aus dem Haus herauszuholen, verlässt nun auch Tamar mit ihrem Hund Dinka das Elternhaus, tritt, als Sängerin ausgebildet, in der Stadt auf und lässt sich von der Bande aufgegreifen. Sie plant, gegen den Willen des inzwischen fast willenlosen Bruders, die Flucht, die bei einem gemeinsamen Auftritt der beiden in der Stadt gerade so gelingt, - allerdings ohne den Hund. Dinka landet im städtischen Tierheim. Dort erhält Assaf, der bei der Stadtverwaltung einen Ferienjob hat, während seine Eltern in Amerika die ältere Schwester besuchen, den Auftrag, den Besitzer des Hundes aufzuspüren und von ihm ein Bußgeld zu kassieren. Dinka schleppt Assaf an verschiedene Orte, wo sie mit Tamar gewesen ist und der Junge erfährt über die Besitzerin des Hundes so viel, dass sein Auftrag immer mehr eins wird mit dem Wunsch, das Mädchen unbedingt kennen zu lernen. Tamars ältere Freundin, die die Flucht der Geschwister ermöglicht hat, kennt das Versteck der beiden und Assaf findet es mit Dinkas Hilfe. Er erlebt den verzweifelten und tollkühnen Versuch Tamars, den heroinsüchtigen Bruder zu heilen und ist bereit, sie dabei zu unterstützen. Er muss das Versteck vorübergehend verlassen, um den Freund seiner Schwester daran zu hindern, bei der Polizei eine Suchaktion nach ihm zu starten. Er trifft sich in Tamars Auftrag mit den Eltern der beiden verlorenen Kinder und sein Bericht bricht das Eis der Mutter und des Vaters. Der Freund der Schwester, dem Assaf seine Situation und die der beiden Geschwister eingehend geschildert hat, bringt ihn wieder in die Nähe des Verstecks von Schaj und Tamar. Wie die Geschichte von da an sich zuspitzt und ob sie gut ausgeht oder im Desaster endet, soll hier offen bleiben. Gwynne, Phillip: Wir Goonyas, ihr Nungas. A. d. australischen Englisch, Frankfurt/M: Sauerländer 2001, 285 S., 15,80 €= Carlsen Tb.2003, 7,50 €, ab 13. Gary Black, der vierzehnjährige Ich-Erzähler, lebt mit den Eltern und einer Reihe von Geschwistern in einem Dorf am Meer, in der Näher eines Reservats der Aborigines, die die Weißen Nungas oder Boongs oder Schwarze nennen. Im Dorf sind die Nungas nur als Kunden geduldet oder als Footballspieler; denn ohne sie gäbe es keine eigene Mannschaft im Dorf, schon gar keine, die in diesem Jahr um die Meisterschaft spielte. Gary hat sich mit Dumby Red, dem besten Spieler der Nungas und dem Star der Mannschaft, angefreundet. Als nach dem 12 13 Gewinn der Meisterschaft nicht der Freund, sondern ein Weißer als bester Spieler ausgezeichnet wird, bricht für Gary eine Welt zusammen. War er bislang einverstanden mit dem Nebeneinander von Weißen und Schwarzen, wird er nun aufmerksam auf den alltäglichen Rassismus der Weißen. Bei einem Einbruch der Nungas in eine Gaststätte wird Dumby vom Besitzer des Lokals erschossen und Gary erlebt das achselzuckende Bedauern und die Gleichgültigkeit, auch beim Trainer der Footballmannschaft. Als einziger Weißer geht er heimlich zur Beerdigung des Freundes ins Reservat. Höhepunkt und Ende der Geschichte ist eine spektakuläre Aktion Garys mit all seinen Geschwistern, nach der ein in großen Lettern an die Landungsbrücke gepinselter Spruch BOONGS VERPISST EUCH verschwunden ist. Gwynne, Phillip: Blacky, Lovely und der ganze Bullshit. A. d. australischen Englisch, Düsseldorf: Sauerländer/Patmos 2003, 351 S., 14,90 €, ab 13. Phillip Gwynnes Roman „Wir Goonyas, ihr Nungas“ endet mit einer kurzen Begegnung Gary Blacks (Blacky) mit Clarence, der Schwester des toten Freundes Dumby Red. Die Wiederbegegnung, die sich entwickelnde Freundschaft der beiden ist Hauptthema des neuen Romans. Blacky schildert die Veränderungen zwischen Weißen und Schwarzen nach der Ermordung von Dumby Red: Die Nungas meiden das Dorf und fehlen als Kunden, der Football kommt ohne die schwarzen Spieler zum Erliegen, die Touristen bleiben weg. Da trifft Blacky bei einem Einkauf in der Stadt Clarence wieder. Sie verabreden sich auf neutralem Boden zwischen Dorf und Reservat. Die Freundschaft der beiden bleibt nicht geheim im Dorf und Blacky wird gewarnt, von den eigenen Leuten, aber auch von Lovely, dem Anführer einer Gruppe jugendlicher Nungas. Den sechzehnten Geburtstag von Clarence wollen die beiden in ihrer Höhle am Meer feiern. Doch dort erscheint nicht Clarence, sondern Lovely, und der reizt Blacky, er wolle bei Clarence ja nur dasselbe, was Männer aus dem Dorf, auch Blackys Vater, bei Nunga-Frauen suchten. Bei der Prügelei wird Blacky von Lovely übel zugerichtet. In einer nächtlichen Unternehmung verirren sich Blacky und ein Freund ins Reservat und müssen mit ansehen, wie Blackys Vater mit anderen Männern aus dem Dorf bei Nunga-Frauen einkehren. Noch in derselben Nacht zündet Blacky das Schiff an, das der Vater mit vielen Helfern über Wochen hin zu einem Segelschiff umbaute, um Fremde wieder ins Dorf zu locken. Es fällt Blacky nicht schwer, Lovely der Tat zu bezichtigen, weil alle im Dorf, auch die Polizei, ihm das gerne glauben. Vor Gericht sagt Blacky die Wahrheit und verschweigt auch nicht sein Motiv. Eine Anklage gegen ihn wird nicht erhoben. In der Höhle am Meer erfährt Blacky von Clarence, warum sie nicht zur Geburtstagsfeier kam und sie tun das, was sie damals schon tun wollten, eine erstes und vielleicht ein letztes Mal. Clarence verlässt das Reservat, um in Adelaide eine Ausbildung zu beginnen. Blacky wird zur Unperson bei fast allen im Dorf. Zuletzt entschließt auch er sich wegzugehen, in die Stadt, nach Adelaide. Haddon, Mark: Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone. Roman. A. d. Engl., München: Karl Blessing Verlag 2003, 284 S., 18,- €, ab 12. Der 15-Jährige Christopher Boone lebt nach dem Tod der Mutter beim Vater. Er leidet an einer milderen Form von Autismus, registriert alles bis in kleinste Detail und droht unter der Last der gespeicherten Eindrücke zusammen zu brechen, sobald die ihn umgebende Welt auch nur ein klein wenig aus den Fugen gerät. Er findet den Hund der Nachbarin auf brutale Weise getötet und will, wie sein Vorbild Sherlock Holmes, den Mörder ausfindig machen, trotz seiner Angst vor allem Fremden und Ungewohnten, vor jeder Art von Nähe und Berührung. Von seiner Lehrerin an der Sonderschule dazu ermuntert, beginnt er mit den Aufzeichnungen für einen Krimi über den Mord-Fall. Bei seinen Recherchen, die er gegen den ausdrücklichen Willen des Vaters betreibt, erfährt er zunächst wenig in der „Hauptsache“, einiges aber über die Beziehung der Mutter zu dem Mann der Nachbarin. Bei der Suche nach seinen Aufzeichnungen, die der Vater ihm weggenommen hat, fallen ihm Briefe der Mutter an ihn in die Hände, aus denen er erfährt, dass die Mutter nicht im Krankenhaus gestorben ist, sondern mit dem Mann der Nachbarin in London lebt. Wie dieser Konflikt zwischen Vater und Sohn sich von da an dramatisch zuspitzt und gelöst wird, welche Rolle die Mutter im fernen London dabei spielt und 13 14 natürlich auch wer den Hund der Nachbarin getötet hat, soll fairer Weise hier nicht verraten werden. Held, Annegret: Die Baumfresserin. Roman. Reinbek: Rowohlt 1999, 318 S., € 19,90 = Rowohlt Tb. 2002, € 8,90, ab 16. Haupthandlungsort ist eine Kistenfabrik („Die Baumfresserin“) im Westerwald. Die handelnden Personen sind eine halbes Dutzend Frauen („Kistenweiber“) und ähnlich viele Männer („Kerle“), die auf verschiedene Räume der Fabrik verteilt sind und doch immer wieder zueinander in Kontakt treten. Dabei zeigt sich das typische, sexuell grundierte Rollenverhalten der Männer, die die Frauen verbal belästigen und ihnen üble Streiche spielen, während die Frauen die Männer schon durch ihr bloßes Erscheinen reizen, dieses aber gelegentlich auch aktiv und bewusst verstärken. Das Thema ist der Alltag in der Fabrik, in den ständig das Leben außerhalb hineinspielt: Veronikas Schwangerschaft, von der ihr Freund überrascht wird und sich hintergangen fühlt; der Tod von Old Berta, der Kettenraucherin, an ihrem Arbeitsplatz; der vornehmen Ilse Fürbeths Lottogewinn, den sie ohne Erfolg geheim zu halten versucht und der es ihr erlaubt, sich aus der staubigen Kistenfabrik zu verabschieden. Da ist Paula, die Abiturientin, die bis zu ihrem Studienbeginn in der Fabrik jobbt und ihren Freund schwer erträgt, weil er beim Geschlechtsverkehr so „dämlich“ dreinschaut. Da ist Kistenfranz, der Fabrikherr, der jeden einstellt und so gar nicht dem Idealbild des kapitalistischen Unternehmers entspricht. Nach den Abgängen von Old Berta und Ilse Fürbeth kommt Timothy Twain, das dunkelhäutige Besatzungskind, aus Amerika zum Studium nach Deutschland zurück, findet in seiner ersten Heimat im Westerwald in der Kistenfabrik einen Ferienjob und bringt, gutaussehend und mit feinen Manieren, die Gruppe der Frauen mächtig in Bewegung. Dramatischer Höhepunkt zuletzt die Situation der hochschwangeren Veronika, die fast auf der Dorfstraße niedergekommen wäre, im Krankenhaus einen Jungen zur Welt bringt und ihren wiederauftauchenden Freund endgültig verabschiedet. Heneghan, James: Im Schutz des kleinen Volkes. A. d. Englischen, Hamburg: Dressler 2003, 12,90 €, ab 10 Andy ist elf, als seine Mutter und sein Stiefvater in den Fluten eines über die Ufer getretenen Flussses umkommen und er gerettet wird. Tante Mona, die ältere Schwester der Mutter, kommt von Halifax an der kanadischen Ostküste nach Vancouver, um den Jungen im Krankenhaus abzuholen. Von der streng und unnahbar wirkenden Tante erfährt er, dass sein Vater, nicht wie ihm die Mutter erzählte, im Krieg gefallen ist, sondern in Halifax lebt, wo auch Andy zur Welt kam. Als die beiden dort landen, läuft Andy der Tante weg und macht sich auf die Suche nach dem Vater, den er schließlich in einer heruntergekommenen Wohnung ausfindig macht. Er wird von dem ziemlich verwahrlosten Mann liebevoll aufgenommen. In der kurzen Zeit ihres Zusammenlebens wechseln für den Jungen Hoffnung auf einen Job für den Vater und Enttäuschung über seine nicht eingehaltenen Zusagen, bis er nach einem schweren Unfall im Krankenhaus landet und von dort Tante Mona um Hilfe für Andy bittet. Das Leben im Haus der Tante, mit Onkel Hugh und der Großmutter zusammen, die neuen Erfahrungen in der Schule geben Andy die Kraft, die tiefe Enttäuschung über den Vater zu überwinden und die Beziehung zu ihm realistischer zu gestalten. Hilfreich zur Seit stehen dem Jungen, ohne dass er es merkt, die Sheehogue, das Kleine Volk der Elfen, von denen ihm der Vater, als Andy klein war, erzählte. In kurzen, eingestreuten Szenen erfahren wir von der Schutzengelfunktion des Kleinen Volkes, die den Guten helfen und den Bösen üble Streiche spielen. Jaensson, Hakan: Bolles toller Trick. A. d. Schwedischen, Frankfurt/M: Fischer Schatzinsel 2002, 121 S., 8,90 €, = Tb. 2004, 5,90 €, ab 8. Der zehnjährige Bolle ist mit Mama Berit und Papa Stellan vom Dorf nach Stockholm umgezogen, wo die Mutter rasch Karriere macht, während der Vater mit seinen Erfindungen nach wie vor wenig erfolgreich ist. Bolle ist oft allein und wenn die Eltern einmal beide zuhause sind, streiten sie sich, bis Stellan sich entschließt, für eine bestimmte Zeit auszuziehen. 14 15 Bolle ist wütend auf Berit, die er als Hauptschuldige ausmacht und bringt aus Rache mit Radiergummi und spitzem Bleistift fein säuberlich die Daten im Time Manager der Mutter durcheinander. Das bringt die ehrgeizige Berit in wachsende Schwierigkeiten, während Bolle eine Gelegenheit nach der anderen versäumt, seinen Racheakt zu beichten und sein Gewissen zu entlasten. Höhepunkt ist dann, nach peinlichen Auftritten Berits im Fernsehen und bei einer Betriebsfeier, die Kündigung der erfolgreichen Unternehmensberaterin, die auch vor Personalabbau nicht zurückschreckte. Jetzt endlich gibt es Bolles umfassendes Geständnis, wonach einem Happy End nichts mehr im Wege steht. Karlsson, Ylva: Sei kein Frosch, Malin. A. d. Schwed., München: Hanser 2002, 136 S., 10,20 €, = dtv 2005, 6,50 €, ab 8. Malin, die die Geschichte erzählt, lebt mit der Mutter, dem Stiefvater Göran, der älteren Schwester Josefin und dem Baby Simon zusammen. Simon ist das Kind aus der neuen Beziehung der Mutter mit Göran. Gelegentlich besucht Malin den Vater, während die Schwester, sehr zum Kummer Malins, nicht mehr bereit ist mitzukommen. Malins Verhältnis zur Mutter scheint ungetrübt, bei Göran aber hat sie das Gefühl, dass er sie nicht mag, nicht so jedenfalls wie Simon. In der Schule ist Malin keine krasse Außenseiterin, aber auch nicht besonders anerkannt und freut sich darum sehr, als Riita und Sussi mit ihr den Klub „Die geheimen Drei“ gründen wollen. Aus dem Klub wird nichts und Malin gerät unter den Einfluss von Nicole, einem Mädchen aus einer höheren Klasse. Die beiden verlassen nachmittags mit falschen Angaben den Hort und streunen, nicht ungefährlich, in der Stadt umher. Als Nicole mit Malin von zu Hause abhauen will und dann doch nicht zu dem vereinbarten Termin erscheint, zieht Malin alleine los, hält es jedoch nicht lange durch und kommt wieder nach Hause, noch ehe jemand etwas von ihrem „Ausflug“ bemerkt hat. Höhepunkt ihrer Unternehmungen ist eine waghalsige Kletterei auf das Dach von Nicoles Haus. Vor dem Abstieg gerät Malin in Panik und kommt nur mit Hilfe der auftauchenden Josefin wieder heil nach unten. Staunend erlebt sie, wie ihre Familie darauf reagiert: Sie wird stärker von der Mutter wahrgenommen und Göran beginnt mit ihr zu reden wie mit Simon, seinem Sohn, ihrem Halbbruder. Klass, David: Ihr kennt mich nicht! A. d. Amerikanischen, Würzburg: Arena 2001, 270 S., 12,90 €,= Arena Tb. 2003,7,50 €, ab 12. Der vierzehnjärige John, der die Geschichte erzählt, lebt bei seiner Mutter und ihrem Freund, der den Jungen schlägt, wann immer die Mutter nicht in der Nähe ist und den er darum hasst vom ersten Tag seines Erscheinens an. Seine Banknachbarin in der Schule, in die er sich verliebt, spielt von Anfang an mit ihm und das erste Treffen der beiden endet in einer tiefen Demütigung Johns. Das Geld für das Treffen hatte er dem Freund der Mutter weggenommen, der ihn nun zwingt, bei einer seiner kriminellen Aktionen mitzuwirken, bei der er auch erfährt, dass der Freund der Mutter wohl bald sein Stiefvater werden wird. Bei einer der brutalen „Erziehungsmaßnahmen“ widersetzt sich John zum ersten Mal dem verhassten Mann und nur durch das Dazwischengehen von Johns Musiklehrer endet diese Auseinandersetzung nicht tödlich für den Jungen. Im Krankenhaus erfährt die Mutter, die eine Weile weg war und eine Verwandte pflegte, mit welchen Mitteln sich ihr krimineller Freund als künftiger Vater bei John Respekt zu verschaffen suchte. Koertge, Ron: Monsterwochen. A. d. Engl., Hamburg: Carlsen 2004, 143 S., 13,- €, ab 13. Benjamin, der 15-jährige Ich-Erzähler, ist als Folge einer zerebralen Kinderlähmung halbseitig gelähmt. Er lebt umsorgt und behütet bei seiner Großmutter. Wo sein Vater steckt, weiß niemand und die Mutter ist, als er noch klein war, weggegangen. Im Kino, seinem Lieblingsort, begegnet er Colleen, einem drogenabhängigen Mädchen, das sich zu dem behinderten Jungen hingezogen fühlt, der zum ersten Mal erfährt, dass ihn, den „Spasti“, jemand mit Interesse und ohne Mitleid wahrnimmt und berührt. Ohne Illusion über die Rolle, die er im wilden Leben des Mädchens spielt, genießt er, gegen den Widerstand der Großmutter, die kurze Zeit des Zusammenseins mit Colleen, die „Monsterwochen“ des Glücks, an deren Ende er um eine 15 16 wichtige Erfahrung reicher ist, - auch um die, dass Colleen wohl ihrer Sucht nicht entkommen wird. Küchen, Maria: Song für einen Schmetterling. A. d. Schwedischen, Hamburg: Oetinger 2003, 160 S., 9,90 €., ab 14 Unter den Mädchen der 9.Klasse gibt es die üblichen Positionskämpfe und Rangzuweisungen. Dabei werden in wechselnder Perspektive drei aus der Gruppe besonders profiliert. Da ist Elsa Maria, schön, sportlich und anerkannt, mit der Riina, die E-Gitarre spielt und Popstar oder Dichterin werden will, rivalisiert und die die Anerkannte zu hassen beginnt, als Elsa Maria auch noch bei einem Jungen aus der Klasse erfolgreich ist, in den Riina sich verliebt hat. Die Dritte, nicht im Bunde, sondern außen vor, ist Madeleine, die kaum beachtet wird und gelegentlich offen Spott und Verachtung erfährt, insbesondere von Eva Maria. Madeleine, die Unscheinbare und Ausgegrenzte, rückt ins Zentrum des Geschehens, als sie in einem sehr persönlichen Aufsatz der Klassenlehrerin mitteilt, wie es um sie steht, und diese überaus tüchtige und beliebte Lehrerin jedoch damit überfordert ist, sich um das Mädchen zu kümmern, auch dann nicht, als Madeleine tagelang nicht zur Schule kommt. Riinas Versuch mit andern Mädchen zusammen die Isolation der Mitschülerin zu durchbrechen, kommt zu spät. Madeleine nimmt sich in der Schule das Leben. Das Buch schildert im letzten Teil die Auswirkungen dieser Verzweiflungstat auf das Leben von Riina, der Lehrerin, aber vor allem auf Elsa Maria, die aus Madeleines Tagebüchern erfährt, welche Bedeutung die Anerkannte für die Missachtete hatte. Kuijer, Guus: Wir alle für immer zusammen. A. d. Niederl., Hamburg: Oetinger 2001, 95 S., 9,80 €, ab 11. Die 11jährige Polleke lebt mit der Mutter zusammen. Der Vater, der bereits zwei Kinder in die Ehe brachte, zieht mit den beiden Kindern aus und lebt mit einer anderen Frau zuammen, mit der er auch ein Kind hat. Der Vater, ein Möchte-gern-Dichter, dealt und ist drogenabhängig. Polleke liebt Mimun, einen marokkanischen Jungen, der sich von ihr trennen soll, weil für seine Eltern, Moslems, Polleke keinen Glauben hat. Der Vater, wieder einmal im Gefängnis, wird nach seiner Entlassung von seiner zweiten Frau abgewiesen, die auch seine beiden älteren Kinder an Pollekes Mutter loswerden möchte. Polleke wäre glücklich darüber. Sie sorgt sich um den Vater und will ihn auf keinen Fall verlieren. Ein Glück, dass Mimun, gegen den Willen der Eltern, sich wieder mit ihr versöhnt. Sie müssen ja nicht gleich heiraten, meint Polleke. Kuijer, Guus: Es gefällt mir auf der Welt. A. d. Niederl., Hamburg: Oetinger 2002, 102S., 9,50 €, ab 11. Polleke erzählt nach „Wir alle für immer zusammen“ weiter. Sie ist in diesem zweiten Band der Serie immer noch elf. Die mithandelnden Personen sind dieselben; die Handlungsorte auch. Die Mutter ist mit Pollekes Lehrer noch nicht verheiratet; die Versöhnung mit Mimun am Ende des ersten Bandes hält an, vermischt mit ersten Gefühlen von Eifersucht bei Polleke. Das Kälbchen ist inzwischen ein Kalb und der Großvater hat es für seine Enkelin gekauft. Polleke hat nach wie vor „keinen Glauben“, aber das Beten bei Opa und Oma tut ihr gut; denn die Sorge um den inzwischen obdachlosen Vater ist größer geworden. Er ist so sehr am Ende, dass er auf Pollekes Drängen hin zu einem Entzug bereit ist und Polleke will ihn begleiten und sechs Wochen mit ihm in der Klinik bleiben. Mit der Ankunft dort endet der zweite Band wie ein Fortsetzungsroman in der Zeitung an einer besonders spannenden Stelle. Kuijer, Guus: Das Glück kommt wie ein Donnerschlag. A. d. Niederländischen, Hamburg: Oetinger 2003, 104 S., 9,50 €, ab 10 Polleke, gerad zwölf geworden, hat es nicht verhindern können, dass der Vater aus der Suchtklinik ausgerissen ist. Er schreibt ihr aus Nepal, er wolle mit Hilfe seiner strengen Freundin und im Einklang mit dem Leben der Leute dort seine Drogensucht loswerden. Obwohl sie den Vater weit weg weiß, steigt Polleke ins Auto eines Mannes, der vorgibt, Kollege ihres Vaters zu sein und sie ganz rasch zu ihm in die Unfallklinik zu bringen. Polleke kann sich aus 16 17 dieser gefährlichen Situation befreien, leidet aber bald unter dem besorgten Verhalten der Mutter, die nicht zur Arbeit geht, weil sie bei der traumatisierten Polleke einen „Rückschlag“ befürchtet, und dies besonders nach einem Verhör bei der Polizei, wo Polleke gegen ihren Willen doch aussagen muss, dass der Mann im Auto wohl aus Surinam stammte, also ein Ausländer war. Polleke hat nicht nur ihre sie beschützende Mutter, sondern weiterhin Oma und Opa, die Eltern des Vaters, die Pollekes Sorge um den Drogenabhängigen teilen. Sie hat eine neue Freundin, das Indianermädchen Consuelo aus Mexiko, dessen Vater dort erschossen wurde, worüber es nicht sprechen kann. Und zuletzt taucht „wie ein Donnerschlag“ Spiek, ihr geliebter Vater , wieder auf, für den sich die weite Reise vielleicht doch gelohnt haben könnte. Kuijer, Guus: Wunder kann man nicht bestellen. Hamburg: Oetinger 2004, 96.S., 9,50 €, ab 10. Bei Polleke scheint sich in der vierten von fünf Geschichten einiges zum Guten zu wenden. Der Vater, aus Nepal zurück, hat wohl sein Drogenproblem im Griff und betreibt mit seiner Freundin ein „spirituelles Zentrum“, trägt allerdings auch in der Öffentlichkeit nun ein Kleid, woran sich Polleke erst noch gewöhnen muss, wenn sie mit ihm unterwegs ist. Ihrer neuen indianischen Freundin Consuelo gelingt es, Pollekes Konflikt mit ihrer früheren Freundin Caro zu entschärfen und auch der durch Eifersucht beschädigten Freundschaft mit Mimun, dem marokkanischen Jungen, wieder eine Perspektive zu geben. Die Mutter einigt sich endlich mit ihrem Freund, Pollekes Klassenlehrer, auf einen Hochzeitstermin. Da kommt der geliebte Großvater ins Krankenhaus und Polleke spürt nach seiner Entlassung, dass er wohl nicht wieder gesund wird. Am Ende zeigt er ihr auf dem Friedhof den Platz, den er für sich und Oma ausgesucht hat und vermacht der dichtenden Enkelin seinen Klappstuhl, damit sie eines Tages in Ruhe an seinem Grab sitzen und dichten kann. Lawrence, Iain: Die Tochter des Leuchtturmwärters. A. d. Engl., Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben 2005, 254 S., 15,50 €, ab 14. Die siebzehnjährige Elisabeth, seit Kindertagen Krabbe genannt, kehrt mit ihrer Tochter Tatiana auf die Insel zurück, die sie als Schwangere verlassen hat. In immer neuen Rückblenden wird erzählt, wie Krabbe und ihr Bruder Alastair auf der einsamen Leuchtturm-Insel vor der Küste Kanadas mit ihren Eltern zusammen lebten – bis zum Tod des Bruders und ihrer Schwangerschaft durch einen „Kajaker“, der auf der Insel erschien und wieder verschwand. Krabbes Erinnerungen, angeregt in den Gesprächen mit den Eltern, werden ergänzt durch die Aufzeichnungen des Bruders, die sie entdeckt hat. Sie erfährt von seinen Versuchen, mit den Walen vor der Küste in Kontakt zu kommen und ihre Sprache zu verstehen, von seinem schwierigen Verhältnis zum Vater und seiner wachsenden Abhängigkeit und Zuneigung zu der oft harschen und abweisenden Schwester, von seiner Verzweiflung, als er Krabbe mit dem „Kajaker“ zusammen sieht. Wie sich diese spannungsgeladene Erinnerungsarbeit zu den Eltern aufklärt und entspannt, wie die kleine Tatiana spontan Freundschaft schließt mit dem Großvater und ihn aufweckt aus seiner Erstarrung, wie die Dinge dann beim wohl endgültigen Abschied Krabbes von der Insel stehen, ist neben der Rekonstruktion einer Familientragödie das hineingeflochtene, versöhnlich endende zweite Hauptthema des Romans. Linde, Gunnel: Der weiße Stein (1964). A. d. Schwed., Hildesheim: Gerstenberg 2004, 196 S., 12,90 €, ab 9. Nur weil ihre Mutter Klavierlehrerin ist, ist Fia im Dorf und in der Schule eine Außenseiterin. Sie begegnet eines Tages Hampus, dem verwaisten Neffen des neu ins Dorf gezogenen Schusters, der wieder einmal aus Not und wegen der Schikanen der Nachbarn mit seiner großen Familie wegziehen musste. Fia stell sich dem unbekannten Jungen als Fideli vor und Hampus dem Mädchen als König der Gefahren und Mitglied des gerade ins Dorf gekommenen Zirkus. Der weiße, hell glänzende Stein, den der Junge in der Hand des Mädchens entdeckt und den er unbedingt besitzen möchte, wechselt im Laufe der Geschichte mehrfach den Besitzer, wenn, wer ihn wiederhaben möchte, eine Aufgabe löst. Das bringt die beiden Protagonisten in immer 17 18 neue schwierige Situationen, die sich gegen Ende, als sogar ein Amtsrichter eingreifen muss, dramatisch zuspitzen und die doch ein gutes Ende finden. Das Buch, das in Schweden zu den Kinderbuch-Klassikern gehört, war bis zu seiner Neuauflage zwanzig Jahre in Deutschland vergriffen. Lowry, Lois: Mein stiller Freund. A. d. amerik. Englisch, Hamburg: Carlsen 2004, 178 S., 14,50 €, ab 12 Die alte Katy Thatcher erinnert sich an ihre Kindheit, an die Zeit, als sie gerade sechs geworden war und mit dem Vater, einem Landarzt, der noch mit Pferden zu seinen Patienten unterwegs war, den geistig behinderten Jacob sieht. Er ist der jüngere Bruder von Peggy, die neu als Dienstmädchen zu den Thatchers gekommen ist. Katy ist von Anfang an fasziniert von diesem so fremden und stummen Jungen. Da der Vater den Jungen mag und ihn gelegentlich auf seinen Fahrten aufliest und zu seinen Eltern zurückbringt, taucht Jacob auch bei den Thatchers auf. Aus dieser Konstellation entwickelt sich zwischen Katy und dem Jungen eine Freundschaft, in der Katy den stummen Jungen in seinem fremden Verhalten immer besser verstehen lernt und zuletzt auch dem Vater die schreckliche Tat des Jungen erklären kann, die dazu führt, dass Jacob für immer aus ihrem Leben verschwindet und doch ein Leben lang mit ihr verbunden bleibt. Mackler, Carolyn: Die Erde, mein Hintern und andere dicke runde Sachen. A. d. Amerik., Hamburg: Carlsen 2004, 254 S., 13,- €, ab 12 Virginia, die fünfzehnjährige Ich-Erzählerin, hat Übergewicht - in einer Familie mit Idealgewicht. Bei dem Mädchen etwas an seiner Figur zu ändern, scheint dann auch das vorwiegende Interesse der Mutter zu sein. Virginias Ansehen in der Schule ist gering, die beste Freundin zieht mit ihren Eltern weg und die Freundschaft zu einem Jungen zerbricht, weil der zwar gerne mit ihr alleine ist, in der Schulöffentlichkeit aber sich nicht zu ihr bekennt. Als der allseits beliebte ältere Bruder von der Universität relegiert wird, weil er nach einer Party ein Mädchen vergewaltigt hat, ist für Virginia das Maß voll an Problemen und Konflikten. Wie sie sich aus dieser Lebenskrise herausarbeitet, durch einige spektakuläre Aktionen an Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl gewinnt; wie sie sich Respekt in der Familie verschafft und dabei auch den Eltern begreiflich machen kann, dass sie einfach mehr ändern muss als ihre Essgewohnheiten, - das bestimmt den weiteren Verlauf der Geschichte. Mankell, Henning: Die Schatten wachsen in der Dämmerung. A. d. Schwed., Hamburg: Oetinger 1994, 175 S., 22,- DM = dtv 2001, 6,50 €, ab 10 (Band 2 der vierbändigen JoelGeschichte. Zu Bd.1 vgl. Liste des Kolloquiums. Alle Joel-Bände sind auch unabhängig voneinander zu lesen.) Joel, bald 12, will der nasenlosen Gertrud aus Dankbarkeit dafür, dass er einen Unfall überlebt hat, zu einem Mann zu verhelfen. In der Bierstube, in der die Freundin des Vaters kellnert, lernt er jemanden kennen, den er für geeignet hält. Er fingiert Briefe für ein erstes Treffen der beiden, das nicht zustande kommt. Das zweite endet mit einer Demütigung der Frau. Joels Versuch einer Wiedergutmachung ist ein Racheakt an dem Mann, was ihn so sehr erleichtert, dass er den Mut fasst, die Frau aufzusuchen und ihr den ganzen Hergang zu erzählen. Mankell, Henning: Der Junge, der im Schnee schlief. A. d. Schwed., Hamburg: Oetinger 1998, 200 S., € 11,25 = dtv 2002, € 7,00, ab 12. (Bd. 3 der vierbändigen Joel-Geschichte). Joel, 13, hat zu Silvester für das kommende Jahr drei Gelübde abgelegt: 1. Er wird hundert Jahr alt und beginnt sofort mit der Abhärtung seines Körpers. 2. Er wird eines Tages das Meer sehen. 3. Er wird im kommenden Jahr eine Frau nackt sehen. Für das dritte Gelübde hat er die neue Angestellte im Lebensmittelladen ausersehen und sein Wunsch erfüllt sich auf wunderbare Weise. Doch das neue Jahr bringt auch Kummer. Sara, die Freundin des Vaters, bricht die Beziehung ab. Der Vater will heiraten, Sara nicht. Die Folge: der Vater ist jetzt wieder öfter betrunken. Joel wird von einem Mädchen, das ihm das Küssen beizubringen versprach, schwer 18 19 gedemütigt und dann doch erhört. Er rettet den alten Simon Urväder aus dem Schnee und versorgt nach dessen Tod die verwaisten Hunde und Hühner. Als der Vater, gegen Joels Widerstand, wieder einmal zu einer Sauftour aufbricht und dann doch bald zurückkommt, findet er den Sohn vor der Wohnung in einem alten Bett eingeschneit, noch nicht erfroren. Was das zweite Gelübde betrifft, keimt für Joel zuletzt die Hoffnung, dass er und sein Vater vielleicht doch eines Tages den Ort Richtung Meer verlassen. Mankell, Henning: Die Reise ans Ende der Welt. A. d. Schwed., Hamburg: Oetinger 1999, 192 S., € 10,90 = dtv 2002, € 7,00, ab 12 (vierter und letzter Band der Joel-Geschichte). Joel wird 15 und kommt bald aus der Schule. Jetzt endlich wäre die Zeit, mit dem Vater, der doch Seemann war und kein Holzfäller bleiben wollte, aufzubrechen und gemeinsam anzuheuern. Doch der Vater rührt sich nicht. Da kommt ein Brief von einer Freundin der Mutter. Die Mutter ist wieder verheiratet und wohnt in Stockholm. Samuel ist bereit, nach Abschluss der Schule mit Joel nach Stockholm zu fahren. Dort zögert er das Treffen mit der Mutter hinaus. Joel trifft sich heimlich mit ihr und erfährt von ihr, dass sie sich von dem zweiten Mann getrennt und zwei Töchter hat (9 und 10). Samuel bekommt Magenschmerzen und muss das Krankenhaus aufsuchen. Seine Wiederbegegnung mit Joels Mutter misslingt. Zu groß ist immer noch seine Wut, dass die Frau ihn und das Kind verlassen hat. Joel hat sich unterdessen eine Seefahrtsbuch besorgt, lässt Samuel allein zurückfahren und wird auf einem Schiff Steward. Von der Mutter erfährt er vieles, was er nicht wusste, doch mehr beschäftigt ihn die erste Seefahrt, an deren Ende ihn ein Brief des schwer kranken Vaters erreicht. Joel mustert ab und fährt nach Hause. Samuel stirbt versöhnt mit dem Sohn und wäre auch zufrieden, wenn Joel und die Mutter Freunde würden. Joel hat auf einem weiteren Schiff angeheuert und verlässt nun endgültig das Dorf in den Wäldern Nordschwedens. McKay, Hilary: Engel, verzweifelt gesucht. A. d. Englischen, Hamburg: Oetinger 2003, 192 S., 9,90 €, ab 12 Safran entdeckt auf der in der Küche aufgehängten Farbskala von Eve Casson, der Malerin, die allen ihren Kindern Farbnamen gegeben hat (Magenta, Indigo, Rosa), dass dort Safran nicht zu finden ist. Da endlich ist Eve bereit, dem Mädchen zu sagen, dass es von den Cassons adoptiert wurde, nachdem Safrans Mutter, die Zwillingsschwester von Eve, in Italien starb und der Großvater (von einem Vater ist nie die Rede) sie nach England brachte. Seit sie das weiß, fühlt sich Safran als Außenseiterin in der Familie. Als ihr geliebter Großvater im Pflegeheim stirbt, kommt ein altes Testament zu Tage, in dem die Casson-Kinder mit weltlichen Gütern bedacht wurden, die es schon lange nicht mehr gibt, und auf einem angehefteten Zettel steht: „Für Safran. Ihr Engel im Garten. Der Steinengel“. Sie weiße bald, dass diese geheimnisvolle Widmung den Garten ihres Hause in Siena meint und ist entschlossen, das Erbstück dort zu suchen. Die abenteuerliche Fahrt mit einer Freundin und deren Eltern nach Italien endet mit einer großen Enttäuschung. Wie Safran dennoch ohne ihr Zutun zu dem verzweifelt gesuchten Engel kommt, macht den furiosen Schluss des Buches aus. Meinderts, Koos: Die Meerjungfrau in der Badewanne. A. d. Niederländischen. Düsseldorf: Sauerländer 2003, 88 S., 9,90 €, ab 8 Philipps Mutter ging weg, als er noch kein Jahr alt war. Sie sei im Meer ertrunken, sagt ihm der Vater und erzählt ihm die Geschichte, in der die Mutter eine Meerjungfrau war, die er verwundet am Strand gefunden hat und die eines Tages wieder ins Meer zurückgegangen ist. Phillipp lebt mit dieser Geschichte und der Mutter in ihr, auch wenn er, wie bei den anderen wunderbaren Geschichten des Vaters, nicht daran glaubt. Aber er lebt auch, nicht ganz einfach zuweilen, mit seiner geheimen Freundin Doro, mit der „Schwarzen Witwe“, die im Wald wohnt und auf Jan, ihren Seefahrer, wartet. Er liebt seinen Platz in den Dünen, den niemand kennt. Am meisten aber liebt er den Vater, den Hutmacher, der ihm eines Tages auch erzählt, warum er nicht an seinem gebrochenen Herzen gestorben ist, als die Mutter nicht mehr zurückkam. 19 20 Moeyaert, Bart: Im Wespennest. A. d. Niederl., Weinheim: Beltz & Gelberg 2000, 148 S., € 11,oo = Beltz Tb.2002, € 7,90, ab 14. Suzanne ist vierzehn und kommt mit der Mutter nicht mehr zurecht, die nur noch der Trauer um ihren toten Mann lebt. Suzannes Vaters war, als sie sieben war, im Wald in eine Treibjagd geraten und von der Kugel eines Jägers tödlich getroffen worden. Die Auseinandersetzung mit der Mutter spitzt sich dramatisch zu, als diese ohne ihr Wissen eine Petition gegen die beiden Hundezüchter Heleen und Rudi unterschrieben hat, obwohl die Mutter mit Heleen befreundet ist. Bei der Vorbereitung auf ein Dorffest sieht Suzanne den Puppenspieler wieder, in den sie sich verliebt, der aber, was sie rasch erfährt ihre Liebe nicht erwidert. Auf dem Friedhof sieht sie Heleen am Grab des Vaters. In großer Verwirrung geht sie zu Rudi, will angeblich einen Welpen kaufen und schickt den Mann zur Mutter, um den Kauf zu vereinbaren und so endlich das Versprechen des Vaters kurz vor dessen Tod einzulösen. Sie beginnt die Hundezwinger zu öffnen und wird in letzter Minute daran gehindert, alle Hunde frei zu lassen. Ist es Rache an einem Mann, der sie als Kind missbraucht hätte, wäre Heleen nicht dazu gekommen? Moeyaert, Bart: Es ist die Liebe, die wir nicht begreifen. A. d. Niederl., Weinheim: Beltz & Gelberg 2001, 112 S., 11,00 € = Beltz Tb.2003, 5,90 €, ab 13. Aus der Perspektive eines Mädchens (Ich-Erzählerin), das vieles sieht, aber noch nicht alles versteht, entwickelt sich die Geschichte einer Familie, in der der Vater fehlt, die Mutter rasch wechselnde Partner ins Haus bringt und sich kaum um ihre Kinder kümmert, - auch nicht um Edie, die kleine Schwester, die sie der älteren und Axel, dem Bruder, überlässt. Die älteste Schwester, Bonnie, hat bereits die Familie verlassen, ist aber die verlässliche Zuflucht für die Geschwister. Die Geschichte beginnt mit Axels Konflikt mit der Mutter, die nicht wahrhaben will, dass ihr aktueller Liebhaber nicht nur die Mutter, sondern auch den Sohn begehrt. Erzählt wird vom „Erbe“ der Großmutter, die wohl ein ähnliches Leben wie die Mutter geführt hat. Sie ist gestorben und hinterlässt der Familie ihren letzten Liebhaber, der im Rollstuhl ankommt und nun auch den Kindern überlassen bleibt. Axel ist nach einer Prügelei mit dem „Neuen“ der Mutter ausgezogen zu Mortimer seinem Freund und Geliebten. Als Bonnie, die nach Axels Weggang sich stärker um die Geschwister kümmert, die Schwester fragt: „Ist es schlimm?“, erfährt sie: „Nein, denke ich. Sehr glücklich sind wir hier noch nicht geworden, aber es gibt Schlimmeres...“ Nanetti, Angela: Mein Großvater war ein Kirschbaum. A. d. Ital., Düsseldorf: Patmos 2001, 119 S., DM 19,80 = Fischer Tb.2003, 5,90 €, ab 8. Tonino, der die Geschichte erzählt, lebt mit den Eltern und den Eltern des Vaters in einem Haus in der Stadt. Die Eltern der Mutter leben auf dem Land, haben Hühner, Gänse und eine großen Garten. Dort zieht es den Jungen hin. Für Toninos Mutter, das einzige Kind der Großeltern, das nicht bei der Geburt schon starb, pflanzte der Großvater einen Kirschbaum, der mit der Tochter groß wurde und der im Leben der Mutter und Toninos eine wichtige Rolle spielt. Die Großmutter stirbt und der Großvater bekommt Ärger, als für den Bau einer Straße ihm ein Teil seines Gartens genommen werden soll. Der Mann altert zusehends und stirbt bald, völlig verwirrt, in einer Klinik. Toninos Mutter, die sich vorübergehend von ihrem Mann trennt, zieht mit dem Sohn ins Haus auf dem Land. Sie kämpft den Kampf ihres Vaters weiter, verliert ihn, nur der Kirschbaum, den Tonino besetzt hält, bleibt erhalten, als die Bagger anrücken und die Bauleute den Baum, um bequemer arbeiten zu können, fällen wollten. Nilsson, Johanna: ...und raus bist du! A. d. Schwed., München: Hanser 1998, 250 S., DM 29,80 =dtv Reihe Hanser 2001, € 7,50, ab 14. Hanna lebt mit einer jüngeren Schwester und einem älteren Bruder in einer gutsituierten schwedischen Mittelstandsfamilie. Sie wird in der Zeit der Pubertät von ihren Mitschüler/innen als Streberin diffamiert und ausgegrenzt. Ihre bis dahin beste Freundin bricht mir ihr. Hanna wir immer misstrauischer andern Jugendlichen gegenüber, auch gegenüber denen, die ihr außerhalb der Schule begegnen (Sportverein). Sie wird unfähig, Signale der Freundlichkeit und der 20 21 Freundschaft wahrzunehmen und vermag auch nicht, ihre wachsende Not den Eltern zu offenbaren. Sie versucht sich das Leben zu nehmen und kommt in eine psychiatrische Klinik. Bei ihrer Entlassung aus der Klinik gibt es am Ende einen zarten Hoffnungsschimmer, dass es ihr gelingen könnte, zu Menschen außerhalb der Familie Kontakt zu finden. Oates, Joyce Carol: Mit offenen Augen. Die Geschichte von Freaky Green Eyes. A. d. Amerik., München: Hanser 2005, 236 S., ab 14 Franky, die die Geschichte erzählt, ist zu Beginn 14, am Ende 15 Jahre alt. Sie hat eine jüngere Schwester, Samantha, und einen älteren Halbbruder, Todd. Der Vater ist ein bekannter Sportreporter und die Mutter lebt ganz in dessen Schatten. Der Junge, den Franky auf einer Party kennen lernt und dessen gewalttätige Zudringlichkeit sie mit Erfolg abwehren kann, nennt sie wütend Freaky Green Eyes, - ein Name, den sie insgeheim akzeptiert, weil er sie an eine Situation erinnert, in der sie so ganz mit sich identisch war. Franky erfährt mit der kleinen Schwester zusammen, wie die Beziehung der Eltern immer mehr in eine Krise gerät, die die beiden aber offensichtlich vor den Kindern und der Öffentlichkeit geheim halten wollen. Die Mutter zieht sich immer häufiger in das kleine Sommerhaus ihrer Eltern zurück, wo sie angeblich mit mehr Ruhe ihrer künstlerischen Arbeit nachgehen kann und wo sie neue Nachbarn und Freunde findet. Bei einem Besucht der beiden Mädchen in diesem Sommerhaus taucht plötzlich der Vater auf und es kommt zum offenen Bruch der Eltern, den der Vater vor Franky und der kleinen Schwester mit Ehebruch der Mutter begründet. Als bald darauf die Mutter und der Mann, der in den Augen des Vaters ihr Liebhaber ist, auf mysteriöse Weise verschwinden, wird aus der Ehekrise ein Kriminalfall, bei dessen Aufklärung Franky, jetzt ganz Freaky Green Eyes, die entscheidende Rolle spielt. Pressler, Mirjam: Malka Mai. Weinheim: Beltz & Gelberg 2001, 328 S.,14,90 € = Beltz Tb. 2004, 7,90 €, ab 12. Malka Mai ist sieben und lebt mit ihrer Mutter, Hanna, und ihrer älteren Schwester, Minna, im von Deutschen besetzten Polen, nahe der damaligen ungarischen Grenze. Die Mutter ist in einer streng jüdischen Familie aufgewachsen, hatte früh das Elternhaus verlassen und ist eine liberale Jüdin geworden. Sie war nicht bereit, mit ihrem Mann rechtzeitig nach Erez-Israel auszuwandern. Sie fühlt sich sicher, denn sie ist die einzige Ärztin weit und breit, - auch für die Deutschen, bis sie gewarnt wird vor einer „Aktion“ der Deutschen und mit ihren beiden Kindern flieht. Sie gelangen, unterstützt von Polen, die Hannas Patienten waren, in einem beschwerlichen Marsch über die Karpaten nach Ungarn. In einer ihrer Unterkünfte stoßen sie auf eine Gruppe reicher Juden aus ihrem Heimatort. Sie schließen sich der Gruppe an, lassen Malka mit hohem Fieber bei der jüdischen Gastfamilie zurück und vereinbaren, dass sie mit Zug nachkommt. Malka wird gegen die Vereinbarung in die nächstgelegene Stadt gebracht und dort sich selbst überlassen. Sie gerät der ungarischen Polizei in die Hände, die sie über die Grenze zurückbringt und den Deutschen übergibt. Der polnische Polizist, der Malka ins Ghetto bringen soll, versteckt sie zunächst bei seiner Familie, die Hanna, der Ärztin, sehr verpflichtet ist. Erst als ruchbar wird, wer Malka ist, bringt der Polizist das Mädchen zu einer ihm bekannten Familie ins Ghetto. Es gelingt Malka bei zwei „Aktionen“ Ghetto den Deutschen zu entkommen. Nach der zweiten landet sie, ohne zu wissen, wie dies geschah, typhuskrank im Ghetto-Krankenhaus. Hanna gelangt mit Minna nach Budapest und versucht von da mit Malka in Kontakt zu treten. Sie erfährt, dass sie nach Polen zurückgeschickt wurde und bei der ihre bekannten Familie untergekommen sei. Hanna entschließt sich, allein nach Polen zurückzugehen. Sie findet Hilfe unterwegs, gelangt zu der Familie des polnischen Polizisten und erfährt von Malkas Schicksal im Ghetto und ihrem Aufenthalt im Krankenhaus. Man versteckt Hanna bei abgelegen wohnenden Verwandten der Familie und von da gelingt es, Malka zu ihrer Mutter zurückzubringen. Dass Minna, Hanna und Malka den Holocaust überlebten und nach Erez-Isreal auswandern konnten, erfahren wir aus einer „Nachbemerkung“ der Autorin. 21 22 Pressler, Mirjam: Für Isabel war es Liebe. Weinheim: Beltz & Gelberg 2002, 340 S., 14,90 €, ab 15. Die Geschichte beginnt am Vorabend einer Autofahrt von Hamburg nach München. Isabel, die zweiundzwanzigjährige Ich-Erzählerin, trifft sich mit ihrer Freundin Conny in ihrer Wohnung. Isabel ist von der Mutter, die 58 wird, zum Geburtstag eingeladen und die Mutter ist einverstanden, dass sie ihre Freundin mitbringt. Die Autofahrt der beiden ist nun die über Stunden dauernde Erzählsituation. Es geht im dauernden Wechsel von Erzählgegenwart und -vergangenheit vor allem um Isabel, um das, was, als sie 17 war, in ihr Leben trat: die Krankheit der Mutter (Brustkrebs) und bald danach Daniela, ihre erste Liebe. Die Krankheit der Mutter und Isabels Reaktion darauf, das ist eine lange und schmerzhafte Geschichte der beiderseitigen Ablösung, die von Conny nur gelegentlich durch Fragen unterbrochen wird, die für Isabel jeweils ein weiteres Stichwort liefern. Die zweite Geschichte dieser langen Autofahrt, die immer stärker in die Krankheitsgeschichte verwoben wird, ist Isabels Liebe zu Daniela, die bald nach dem Ausbruch der Krankheit der Mutter beginnt und die zu erzählen Isabel immer wieder aufzuschieben scheint, bis Conny drängender wird mit der Vermutung, dass Isabel sie ihr wohl gar nicht erzählen will. Conny ist jetzt nicht mehr nur Zuhörerin, sondern Isabel erfährt auch von der Freundin einiges über deren Beziehungen zu Frauen und wie sie anfangs ihre homoerotische Neigung erlebte. Im Mittelpunkt bleibt Isabels Liebe zu Daniela mit der immer bedrückender werdenden Erfahrung, dass Daniela es weniger ernst meinte mit der Liebe, ja offensichtlich mit ihr gespielt hat, um sie dann auch fallen zu lassen, als eine frühere Freundin Danielas wieder auftauchte. Isabel, das erfahren wir kurz vor dem Ziel der langen Autofahrt und damit endet der Roman, musste damals weit weg gehen, um Abstand zu bekommen zu den beiden Frauen, zur Mutter, der es inzwischen besser ging und die Tochter nicht mehr festhielt, und zu Daniela. Richter, Jutta: Der Tag, als ich lernte, die Spinnen zu zähmen. München: Hanser 2001, 88 S., 9,90 € = dtv 2002, 6,50 €, ab 10. In einer Kinder-Clique, zu der die Ich-Erzählerin gehört, taucht Rainer auf, dessen Mutter in den Augen der Erwachsenen eine Alkoholikerin und Hure ist. Die Kinder übernehmen diese Einschätzung und die Ich-Erzählerin, die sich mit dem Jungen anfreundet, wird bald zur „Dieda“. Rainer schlägt einen Jungen, der seine Mutter beleidigt, so sehr, dass er ins Krankenhaus kommt. Als der Junge entlassen wird, muss die Ich-Erzählerin sich entscheiden, ob sie weiterhin „Dieda“ sein will. Sie will es nicht und wird für Rainer zur Verräterin. Richter, Jutta: Hechtsommer. München: Hanser 2004, 123 S., 12,90 €, ab 12 Anna, die die Geschichte erzählt, lebt mit ihrer Mutter in einer Pächterwohnung im Schloss, in der Nachbarschaft einer Familie mit zwei Jungen, dem gleichaltrigen Daniel und dem jüngeren Lukas. Die drei Kinder sind unzertrennlich, müssen es auch sein, weil sie in der Schule als die „Schlosskinder“ nicht integriert sind. Der unbeschwerte Sommeralltag der drei ändert sich, als die beiden Jungen in ihrer Freizeit das Angeln im Schlossgraben immer stärker fasziniert und Anna sich mit diesem Männersport nur schwer anfreunden kann. Einschneidender für das Leben der Kinder ist jedoch, als sie erfahren, dass die Mutter der Jungen an Krebs leidet und nicht mehr gesund werden wird. Der Einfluss der Krankheit auf das Verhalten der drei Kinder und der anderen Kinder im Schulbus und in der Schule bestimmt den weiteren Fortgang der Geschichte. Sa, Shan: Die Go-Spielerin. Roman. A. d. Franz., München: Piper 2002 =Piper Tb, 8,90 € = Sonderausgabe 2004, 252 S,.12,90 € , ab 15. Eine junge Chinesin (16) lebt mit ihrer wohlhabenden Familie in der Mandschurei. Sie ist – ungewöhnlich für chinesische Mädchen und Frauen – eine leidenschaftliche Go-Spielerin und spielt mit Männern auf einem öffentlichen Platz der Stadt. Die Invasion der Japaner (1937) verändert ihr Leben einschneidend, als ihr Freund, von dem sie schwanger ist, sich dem chinesischen Widerstand anschließt und von den Japanern als „Terrorist“ gefasst und 22 23 hingerichtet wird. In dieser Situation beginnt sie mit einem als Chinese verkleideten japanischen Spion ein Go-Spiel, das sich über Wochen hinzieht und in dessen Verlauf sich die beiden heftig ineinander verlieben, ohne sich erklären zu können. In ständig wechselnder IchPerspektive erfahren wir von den beiden Protagonisten, was dem Spiel unmittelbar vorausging, das familiäre und gesellschaftliche Umfeld der jungen Chinesin und des ein paar Jahr älteren Japaners, ihre Einstellungen zu Krieg und Widerstand und ihre Gefühle füreinander. Wir erleben zuletzt eine dramatische Zuspitzung der Ereignisse: den Abbruch des Go-Spiels und eine Wiederbegegnung der beiden in einer für sie ausweglosen Situation. Sachar, Louis: Löcher . Die Geheimnisse von Green Lake. A. d. Amerik., Weinheim: 2000, 296 S., € 14,00) =Beltz Tb 2003., 7,90 €, ab 12. Stanley Yelnat kommt für einen Diebstahl, den er gar nicht begangen hat, in eine Besserungsanstalt für Jugendliche an einem weitabgelegen, ausgetrockneten See in Texas. Die Reintegration in die Gesellschaft besteht für die Leitung dieser Anstalt darin, dass jeder Jugendliche täglich ein Erdloch von einem bestimmten Umfang in die harte Erde des ausgetrockneten Seebettes graben muss, - ein Loch, das keinen anderen Zweck erfüllt. Stanley gewöhnt sich schwer an diese harte Arbeit unter der heißen Sonne von Texas. Er muss zudem die Hierarchie unter den Jugendlichen akzeptieren, auch als er einen interessanten Fund macht und die Chefin der Anstalt aufgeregt nach einem noch fehlenden Teil weitergraben lässt. Stanley freundet sich mit dem Allerletzten in der Hierarchie der Jugendlichen an, den sie Zero nennen, und will ihm Lesen und Schreiben beibringen. Zero hilft Stanley dafür beim Graben. Nach einer üblen Schikane der Anstaltsleitung hat Zero genug und haut ab. Ohne Wasser ist das für ihn wohl der sichere Tod. Stanley braucht eine Weile für den Entschluss, den Freund zu suchen. Er findet ihn noch lebend und die beiden schlagen sich zu einem Berg durch, wo sie Wasser und wilde Zwiebeln finden. Sie kehren zum Camp zurück, finden im Dunkel der Nacht in dem Loch, in dem Stanley seinen Fund machte, den Koffer, nach dem die Chefin so begierig graben ließ. Sie werden entdeckt, als gerade eine Anwältin in der Anstalt eintrifft, die Stanleys Unschuld erstritten hatte. Sie bringt die beiden aus dem Camp, das geschlossen wird, zu Stanleys Eltern. Zuletzt wird auch das Geheimnis des Koffers gelüftet, dessen Inhalt unter die beiden Jungen aufgeteilt wird und Stanleys Familie einen bescheidenen Wohlstand bringt. Saramago, José: Das Zentrum. Roman. A. d. Portugiesischen, Reinbek: Rowohlt 2002, 448 S., 22,90 €= Rowohlt Tb.2003, 9,00 €, ab 17. Cipriano Algor, 64, liefert seine Töpferware ins „Zentrum“, ein ins Monströse gewachsener Einkaufs- und Vergnügungspark. Seine Töpferei betreibt er mit seiner Tochter zusammen, während der Schwiegersohn als Wachmann im „Zentrum“ angestellt ist – mit der Aussicht, dort eines Tages mit seiner Familie auch wohnen zu dürfen. Als das „Zentrum“ dem Töpfer eines Tages mitteilt, er müsse seine Lieferungen einstellen, weil die Ware nicht mehr gefragt sei, und ihn dazu noch verpflichtet, die unverkaufte Ware zurückzunehmen, trifft ihn das tief, aber nicht endgültig. Mit seiner Tochter geht er daran – das „Zentrum“ ist einverstanden -, nun kleine Tonfiguren zu formen. Mit der ersten Lieferung testet das „Zentrum“ das Interesse der Kunden an dem neuen Produkt. Das Ergebnis ist für den Töpfer niederschmetternd. In die Zeit dieser existentiellen Krise fällt die Zuweisung der Wohnung an den Schwiegersohn und Cipriano Algor bleibt nichts übrig, als das Angebot, mit ins „Zentrum“ zu ziehen, anzunehmen. Seinen geliebten Hund, den er nicht mitnehmen darf, lässt er bei einer Witwe, der er erst beim Abschied zu sagen wagt, dass er sie sehr mag, und die ihm seine Liebe erwidert. Der arbeitslose Töpfer erkundet mit großer Neugier und Entschlossenheit sein neues Umfeld, entdeckt verbotene Zonen und makabre Vergnügungen. Als er schließlich einem streng gehüteten Geheimnis des „Zentrums“ auf die Spur kommt, entschließt er sich, in sein leerstehendes Haus zurückzukehren. Dieser Entschluss hat Folgen für ihn und die geliebte Witwe, aber auch für den Schwiegersohn und die Tochter, die ein Kind erwartet. 23 24 Schulz, Hermann: Sonnennebel. Carlsen 2000, 286 S.,15,00 € = Piper Tb. 2002, € 8,90, ab 14. Freddy wächst als Vollwaise bei Emma, der Schwester des Vaters auf. Der Vater ist im Krieg gefallen die Mutter bald nach ihm gestorben. Freddy ist, wie viele im Revier, leidenschaftlicher Taubenzüchter. Seine männliche Bezugsperson ist zunächst der Bergarbeiter Fritz, der bei Emma zur Untermiete wohnt. Es gibt Probleme mit Freddy und Emmas Angst wächst, mit dem Jungen nicht mehr zurecht zu kommen. Als er einen völlig betrunkenen Lehrer seiner Schule nach Hause bringt, wird ihm von dessen Frau und später von dem Lehrer selbst unterstellt, an der Sache schuld zu sein. Emma wird vom Schulleiter einbestellt, glaubt der Darstellung des Lehrers und tötet in einer verzweifelten Strafaktion Freddys Tauben. Der Junge ist völlig verstört und unfähig, mit Emma zu reden und für Emma gilt umgekehrt dasselbe. Ein neuer Untermieter Emmas, mit dem Freddy sich anfreundet, erhält die Erlaubnis, in Freddys Schlag wieder Tauben zu züchten. Doch dann gibt es neue Probleme. Die Kirche wird geschändet, eine Scheune brennt nieder und zwei Polizisten versuchen hartnäckig und brutal, Freddy einzuschüchtern und ihn in die Vorfälle zu verwickeln, was ihnen durch ungeschicktes Verhalten des Jungen beinahe gelungen wäre, wenn da nicht ein Vorgesetzter der beiden die Sache in die Hand genommen hätte. Freddy verliert seine Freundin, die mit den Eltern wegzieht; er verliert den neunen Untermieter, der auszieht, und er wird in eine böse Geschichte mit Gleichaltrigen verwickelt, als er einem Freund zu Hilfe kommt. Doch zuletzt erhält er von Emma zu seinem 16. Geburtstag das Bild geschenkt, das er im Schutt der niedergebrannten Scheune gefunden und mitgenommen und das ihn als möglichen Brandstifter belastet hatte. Emmas neuer Freund hatte das Bild dem Besitzer der Scheune abgekauft. Sepúlveda, Luis. Der Alte, der Liebesromane las. Roman. A. d. chilenischen Spanisch,. München: Hanser 2000, 119 S., = dtv, 7,50 €, ab 15. Antonio José Bolívar Proanjo, im Buch der Alte genannt, verließ mit seiner kinderlos gebliebenen Frau das Dorf in den Bergen, um sich im ecuadorianischen Amazonasgebiet als Siedler zu versuchen. Der Versuch misslingt. Nach dem Tod seiner Frau kommt er in Kontakt mit den Shuara-Indianern, lebt ein paar Jahre mit ihnen, lernt die Gesetze des Urwalds kennen und den Respekt vor dieser wilden, von Gold- und Geldsuchern bedrohten Natur. Er wird wie einer von ihnen, aber nicht einer der ihren und verlässt, alt geworden, in Freundschaft den Stamm, um sich in einem Dorf der Weißen eine Hütte zu bauen. Seine große Leidenschaft ist das Lesen von Liebesromanen, die ihm der in der Gegend praktizierende Zahnarzt besorgt. Bei seiner Lektüre gestört wird der Alte zuletzt, als ein toter „Gringo“ ins Dorf gebracht wird, der von einem Ozelot, einer dem Jaguar ähnlichen Katze, getötet wurde und in dessen Gepäck sich die Felle junger Ozelote befinden. Der Alte weiß, was das für die Gegend bedeutet und ist bereit, sich an der Jagd des Tieres zu beteiligen. Die Jäger finden zwei weitere, von der Katze Getötete, nicht aber die Katze selbst. Höhepunkt des Romans ist der Auftrag an den Alten, die Jagd alleine fortzusetzen, bei der es dann zu der über Leben und Tod entscheidenden Begegnung mit dem Tier kommt. Sijie, Dai: Balzac und die kleine chinesische Schneiderin. Roman. A. d. Franz., München: Piper 2001 = Serie Piper 2003, 8.Aufl. 2004, 200 S., 7,90 €, ab 15. Zwei junge Chinesen, 17 und 18 Jahre alt, aus bürgerlichen Familien, deren Eltern zu Staatsfeinden erklärt wurden, kommen zur Umerziehung zu Bauern aufs Land. Sie erfahren als gebildete Stadtbewohner die enorme kulturelle Differenz zu den Bauern, deren harten Alltag und ihr großes Misstrauen gegenüber Kindern von „Staatsfeinden“. Wie die beiden sich, oft am Rande der Erschöpfung, mit den Dorfbewohnern arrangieren und deren ständiges Misstrauen in Schranken halten, ist Thema des Romans. Dabei spielen eine Geige, streng verbotene Romane westlicher Klassiker, das Kino und die Liebe zu einer jungen chinesischen Schneiderin eine wichtige Rolle. 24 25 Spinelli, Jerry: East End, West End und dazwischen Maniac Magee. A. d. Amerik., Dressler 2000, 192 S., € 12,00 = dtv 2002, € 6,50, ab 11 Jeffrey Lionel Magee verliert beide Eltern bei einem Zugunglück. Er kommt zu Tante und Onkel, die eine schlimme Ehe miteinander führen. Der Junge hält das nicht aus, haut ab und taucht in seinem Heimatort wieder auf. Er schlendert durchs East End, grüßt die Leute, aber nur Amanda Beale bleibt stehen und fragt sich, was dieser weiße Junge im Viertel der Farbigen verloren hat. Amanda, die Leseratte, leiht Jerry auf dessen inständiges Bitten hin eines ihrer ausgeliehenen Bücher. Im West End, dem Viertel der Weißen, erregt er Bewunderung als Baseball-Spieler, wo sie ihn bald nur noch Maniac Magee nennen; aber er erregt auch Neid und Ablehnung, sodass er sich bald vor einer Bande von Jungen nur noch ins East End retten kann, wohin kein Weißer sich traut. Die erste Begegnung mit farbigen Jugendlichen ist für ihn auch nicht besonders ermutigend. Doch Jeffrey gibt nicht auf, schlägt sich zu Amandas Wohnung durch und wird von deren Familie wie ein eigenes Kind aufgenommen. Die Drohungen gegen ihn und seine Gastfamilie lassen nicht lange auf sich warten. Er geht ins West End zurück, kommt bei einem alten Baseball-Spieler unter, der ihm Geschichten rund um seine bescheidene Spieler-Karriere erzählt und mit ihm trainiert. Nach dem Tod des alten Mannes findet er auf der Suche nach einer neuen Bleibe Anschluss an eine Familie, der er zwei ihrer Jungen zurückbringt, die abhauen wollten. Für die beiden ist Maniac Magee der Größte, - schon vor seiner Heldentat, ins East End zu gehen und heil zurückzukommen. Dort traf er alte Bekannte, gewann einen Wettlauf gegen einen farbigen Jungen, der ihm anbot, bei ihm und seiner Mom zu wohnen. Doch da erscheint Amanda auf dem Plan und holt ihn dahin zurück, wo er sich nach dem Tod der Eltern am wohlsten fühlte. Spinelli, Jerry: Stargirl. A. d. Amerikanischen, Hamburg: Dressler 2002, 208 S., 12,00 €, ab 12. Ein Mädchen kommt neu an die Schule und irritiert die weithin angepassten Schülerinnen und Schüler ihrer Klasse schon durch ihren aktuellen Rufnamen: Stargirl. Der anfänglichen Distanz zu der merkwürdig gekleideten Ukulele-Spielerin, die Geburtstagskindern der Klasse ungeniert und ungefragt ein Ständchen bringt, folgt Interesse und Annäherung. Bei Leo Borlock ist von Anfang an mehr im Spiel, ohne dass er den Mut hat, es dem Mädchen deutlich zu zeigen. Als Stargirl, zur Cheerleaderin der Basketball-Mannschaft aufgestiegen, auch die gegnerische Mannschaft anfeuert und sogar einen verletzten Gegner betreut, kippt die Stimmung und wachsen Abneigung und Hass gegen diese „Verrückte“. Stargirl geht jetzt zielstrebig auf Leo zu, zeigt ihm offen ihre besondere Zuneigung und zieht ihn so zunehmend in ihr Ausgegrenztsein mit hinein. Sie spürt das Dilemma des Freundes und reagiert auf seine drängender werdende Frage, warum sie nicht sein kann wie alle andern, mit Anpassungsversuchen, die scheitern. Sie verlässt schließlich mit ihren Eltern die Stadt. Leo, der in einem zeitlichen Abstand von fünfzehn Jahren die Geschichte erzählt, berichtet zuletzt von den Spuren, die diese Unangepasste bei ihm selbst, aber auch bei denen, die sie ausgrenzten, hinterlassen hat. Stark, Ulf: Das goldene Herz. A. d. Schwed., Hamburg: Carlsen 2004, 95 S., 7,90 €, ab 8 Ludwig hat sich in Katarina verliebt – gerade jetzt, wo er alle Hände voll zu tun hat, um sich auf den Klavierwettbewerb vorzubereiten. Er hat dem Mädchen das goldene Herz, das ihr in den See gefallen ist, herausgeholt, doch mit ihm gehen will sie erst, wenn er ihr etwas schenkt, das ihr deutlich zeigt, dass er es ernst meint. Welche neuen Probleme er mit dieser für ihn neuen Aufgabe bekommt und welche Lösung er zuletzt in der prekären Situation des Vorspiels beim Klavierwettbewerb findet, bestimmt den weitere Ablauf der Geschichte. Stoffels, Karlijn: Rattenfänger. A. d. Niederländischen. Weinheim: Beltz & Gelberg 2003, 190 S., 12,90 €, ab 14 Die vierzehnjährig Lori lebt bei ihrer psychisch kranken Mutter. Der Vater, der sich von der Mutter getrennt hat, kümmert sich um die Tochter, ohne ihr eine wirkliche Hilfe zu sein. Die 25 26 Probleme zu Hause und in der Schule beanspruchen das Mädchen bis zur Erschöpfung. Da zieht unter ihrer Wohnung ein Student ein, der ihr Freund und Gesprächspartner werden könnte, der aber ihr Liebhaber werden will, sie bedrängt, verfolgt und tief verunsichert. Dass sie in dieser Situation nicht den Mut verliert, verdankt sie der erfolgreichen Teilnahme an einem Theaterprojekt der Schule und dem Beginn einer Freundschaft zu einem anderen Mädchen. Wagner, Jan Costin: Eismond. Roman. Berlin: Eichborn 2003, 304 S.,19,90 €, ab 16. Kimmo Joentaas Frau Sanna ist an Krebs gestorben. Der Tod der 25-Jährigen stürzt den Mann in eine tiefe Verzweiflung, die er in seiner Arbeit zu verdrängen sucht. Kimmo ist Kriminalpolizist in der finnischen Stadt Turku, in der gerade mehrere Morde geschehen sind, alle so, dass die Opfer im Schlaf erstickt wurden. Dies und das Fehlen von Motiven lassen auf einen Serienmörder schließen, der schon in der nächsten Nacht wieder zuschlagen kann. Während Kimmo mit seinen Kollegen zusammen an der Aufklärung der Morde arbeitet, kennt der/die Leser/in vom ersten Mord an aus einer Parallelhandlung den Mörder, was der Spannung dieses mit den Gesetzen des Krimis spielenden Romans keinen Abbruch tut. Es geht von Anfang an um mehr als die Jagd eines Mörders. Wahl, Mats: Emma und Daniel. A. d. Schwed., München: Hanser 1997, € 12,90 = dtv Reihe Hanser 2002, € 6,50, ab 10. Emma ist bald 12. Ihr Vater hat nach dem Tod der Mutter per Anzeige eine Frau kennen gelernt, die sich von ihrem Mann getrennt hat und nun mit ihrem Sohn Daniel (12) den neuen Freund und dessen Tochter in einem Angler-Camp besucht. Daniel ist von diesem Ausflug überhaupt nicht begeistert. Das Camp ist ohne Strom für seinen Laptop, mit dem er einige Probleme lösen wollte und auf diese Emma ist genauso wenig neugierig wie das Mädchen auf ihn. Nach einer Zeit der gegenseitigen Abneigung fahren die beiden mit dem alten erfahrenen Angler Isak nach Norden in die Kate, in der der Mann einst mit seiner Familie gelebt hat. Der alte Mann stirbt dort und die beiden müssen, ganz aufeinander angewiesen, auf der Rückfahrt um ihr Leben kämpfen. Sie werden von Hubschraubern entdeckt und gerettet. Nicht nur Daniels Mutter und Emmas Vater wollen sich in Stockholm wieder sehen. Wahl, Mats: Der Unsichtbare. A. d. Schwedischen, München: Hanser 2001, 12,90 €= dtv 2003, 7,90 €, ab 13. Seit Samstagabend ist Hilmer Eriksson, Schüler der neunten Klasse, verschwunden. Ein Kommissar aus der Stadt übernimmt den „Fall“. Hilmer ist kein Außenseiter, hat sich aber mit den Neonazis in der Klasse angelegt, als der die fanatische Annelli Tullgren daran hinderte, Mehmet, einen „Schwarzkopf“, zu misshandeln. Das Hakenkreuz auf Hilmers Spind wurde vom Hausmeister der Schule überstrichen. Jetzt steht „Verräter“ drauf. Der Kommissar kommt bei seinen Recherchen immer näher an den rechtsradikalen Hintergrund der „Falles“ heran. Hilmer wird gefunden, noch lebend, im Gesicht aber bis zur Unkenntlichkeit misshandelt. Die drei Hauptverdächtigen, zwei Jungen und Annelli Tullgren, werden festgenommen. Das Verhör des Mitläufers in der Gruppe ergibt den Tathergang. Hilmer erliegt seinen Verletzungen. Wahl, Mats: Kaltes Schweigen. A. d. Schwed., München: Hanser 2004, 265 S., 16,90 €, ab 15. Achmed Sirr, ein Siebzehnjähriger, der noch zur Schule ging, ist außerhalb der Stadt im Schnee erschossen aufgefunden worden. Kriminalinspektor Fors soll den Fall aufklären. Seine Arbeit gestaltet sich schwierig. Sirr, wie ihn alle nennen, war ein Außenseiter in der Schule, der nach Demütigungen, die er als Ausländer erfahren hatte, sich als Dealer auf rücksichtslose Weise Respekt verschaffte und dem man sich, wenn man nicht unbedingt Stoff brauchte, besser fernhielt. War Sirr der Dealer-Szene im Wege? Wurde er ein Opfer rechtsradikaler Jugendlicher? In den Nachforschungen von Fors und seinen Kolleginnen und Kollegen wird nicht nur der gewaltsame Tod des Jugendlichen aufgeklärt. Es entsteht zugleich eine Momentaufnahme schwedischer Verhältnisse in einer Provinzstadt, mit einer ganzen Reihe erwachsener und jungendlicher Figuren, die in dem stark dialogisierten Roman Profil gewinnen. 26 27 Wahl, Mats: Soap oder Leben. A. d. Schwed., München: Nagel & Kimche im Hanser Verlag 2004, 390 S., 17,90 €, ab 14 Der fünfzehnjährige Jalle, der die Geschichte erzählt, lebt mit seinen Eltern und einer älteren Schwester in einer schwedischen Kleinstadt. Der Vater ist Vorsitzender des Gemeinderates. Jalle ist eng befreundet mit Karl Inge, den alle Kino nennen, weil er nicht nur sich Filme anschaut, sondern auch Filme dreht und Regisseur werden will. Jalle teilt diese Leidenschaft mit dem Freund. Da kommt in diese heile Kinowelt eine Neue in ihre Klasse: Jytte. Und sie zeigt dem auf Anhieb verliebten Jalle bald ihre Zuneigung. Jyttes Mutter ist Journalistin bei der Lokalzeitung und ist finanziellen Unregelmäßigkeiten von Jalles Vater auf der Spur. Welche Auswirkungen dies auf Jalles Familie und vor allem auf die Freundschaft des Jungen zur Tochter dieser so erfolgreich recherchierenden Journalistin hat, bestimmt den dramatischen Fortgang des Romans, der in seiner verzweigten Komposition auch Einblicke gewährt in die Sozialstruktur der schwedischen Gesellschaft. Wegelius, Jakob: Esperanza. A. d. Schwedischen, Düsseldorf: Patmos 2002, 135 S., 12,- €, ab 8. Halidon ist ein kleinwüchsiger Akrobat mit Knollennase und Segelohren, der weit herumgekommen ist, oft schlecht behandelt wurde und zuletzt bei einem Varieté-TheaterBesitzer unterkommt, den sie den Kapitän nennen. Bei ihm bleibt er, auch als der Kapitän sein Theater aufgibt. Halidon tritt nun in der Stadt auf, um seinem Freund nicht zur Last zu fallen. Als dieser eines Abends nicht zur gewohnten Zeit aus Ellas Jazz-Café nach Hause kommt, erfährt Halidon dort, der Kapitän sei schon vor Stunden gegangen, um sich ein wenig zu amüsieren. Jetzt beginnt für Halidon eine abenteuerliche Suche, bei der er, unterstützt von einem Hund, den er nicht loswerden kann, auch im Gefängnis landet und dort von einem Matrosen der „Esperanza“ auf die Idee gebracht wird, der Kapitän könne auf diesem Schiff angeheuert haben. Er erreicht das Schiff erst, als es gerade ablegt, läuft verzweifelt neben ihm her bis zum Leuchtturm, wo er seinen Freund beim Leuchtturmwärter entdeckt. Halidon geht unbemerkt weg und nach Hause, wo ihn der Kapitän schlafend findet. Der Hund liegt in der Mütze des Kapitäns und der hat, als er mit dem Fernglas das Schiff am Horizont verschwinden sieht, auch einen Namen für den neuen Gast: Esperanza. Welsh, Renate: Dieda oder das fremde Kind. Hamburg: Oetinger 2002, 158 S., 10,90 €, ab 12. Dieda nannte man Ursel bei der ersten Begegnung und so will sie jetzt auch genannt werden von der Frau, die ihre Stiefmutter ist, von deren Schwestern und von dem Mann, den sie Großvater nennen könnte, wenn er dem Großvater in Wien nicht so unähnlich wäre. Nach dem Tod der Mutter ist Ursel mitten im Krieg mit der zweiten Frau des Vaters aufs Land gekommen und erfährt, dass sie bei den Leuten der Stiefmutter nur geduldet ist. Sie wehrt sich mit ihren kindlichen Mitteln gegen die Demütigungen und Schikanen, die vor allem von dem alten Mann ausgehen, der immer bösartiger wird, je mehr sich die Niederlage der Nazis abzeichnet. Mit dem Krieg geht Ursels schlimme Zeit zuende. Der Vater, Arzt, holt sie und die hochschwangere Stiefmutter in das von Russen besetzte Wien zurück. Da ist zwar vieles nicht mehr, wie es vor ihrem Weggang war. Aber es gibt noch Opapa und Omi, die Eltern der Mutter, und es gibt bald Theres, das Schwesterchen, für das sie wieder Ursel, nicht mehr Dieda, sein will. Wild, Margaret: Jinx. A. d. austral. Englisch, München: Hanser 2003, 208 S., 14,90 €, ab 14. Einem langen Gedichtzyklus ähnlich erzählt das Buch in rasch wechselnden Szenen und Perspektiven von Jen, deren erster Freund sich das Leben nimmt. Als ihr zweiter Freund Ben bald darauf durch einen unglücklichen Sturze zu Tode kommt, will Jen Rache an Pete, der den Tod Bens ohne eigenes Verschulden veranlasst hat. Sie setzt durch, dass sie von da an Jinx heißt, die Verhexte mit dem bösen Blick, und sie versucht an Bens „Mörder“ heranzukommen. 27 28 Sie terrorisiert den Jungen und dessen Eltern. Doch bei der ersten Begegnung mit Pete geraten ihre Pläne gehörig durcheinander. Wolff, Virginia Euwer: Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus. A. d. Amerik., München: Hanser 1999, 187 S., € 12,90 = dtv Reihe Hanser 2002, € 6,50, ab 12. Verna LaVaughn, 14, wird Babysitterin von Jolly. Jolly, 17 Jahre, zwei Kinder, Jeremy und Jilly, ohne Mann lebt in ihrer Sozialwohnung in einem unbeschreiblichen Chaos. Verna will arbeiten und Geld verdienen, um aufs College gehen zu können und aus ihrem Viertel rauszukommen, mit ihrer Mom, der Tüchtigen, die früh ihren Mann verloren hat. Wir erfahren, wie die neue Babysitterin von dieser Jolly und ihren beiden Kindern nicht mehr loskommt, auch wenn da fürs College nicht viel zu holen ist; wie es ihr, der Jüngeren, über Krisen hinweg gelingt, Jolly für die Mütterschule zu motivieren; wie Jolly mit den Einsichten aus dem gerade absolvierten Erst-Hilfe-Kurs die kleine Jilly rettet, die das Bein einer Spielzeugfigur verschluckt hatte und wie Vernas Mutter, voller Skepsis dieser 17-jährigen Mutter gegenüber, Jolly zuletzt eine Heldin nennt. Quelle: http://user.uni-frankfurt.de/~merkelba/ 28