Neues tschechisches Jugendstrafrecht tritt am 01.01.2004 in Kraft

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Neues tschechisches Jugendstrafrecht tritt am 01.01.2004 in Kraft
Neues tschechisches Jugendstrafrecht tritt am 1. Januar 2004 in
Kraft
Doz. univ.Dr.iur. Helena Válková, Westböhmische
Pilsen*
Universität
Einführungswort
Zwecks weiterer Ausführungen ist es empfehlenswert kurz die
Geschichte des tschechischen, ggf. des tschechoslowakischen
Jugendstrafrechts zu erwähnen. Denn diese Geschichte ist von
grundlegender Bedeutung, wenn es darum geht, richtige zu verstehen,
warum das am 1.1.2004 in Kraft tretende neue Gesetz über die
Verantwortlichkeit Jugendlicher für rechtswidrige Handlungen und
über die Jugendgerichtsbarkeit (im folgenden nur tschJGG) erst in
diesem Jahr und in einer - im Vergleich zum urprünglichen Entwurf
vom 2001 - modifizierten Form verabschiedet wurde.
Kurze Geschichte der tschJGG-Reform
Das für seine Zeit sehr moderne tschechoslowakische Jugendgerichtsgesetz aus dem Jahre 1931 wurde nach der kommunistischen Machtergreifung im Februar 1948 sehr bald ersatzlos aufgehoben (im Jahre
1950). Seit dieser Zeit gibt es in Tschechien, wie vorher in der ehemaligen Tschechoslowakei, kein selbständiges Sonderstrafrecht für junge
Täter mehr. Im Prinzip gilt für Jugendliche das Erwachsenenrecht aus
dem Jahre 1961 (tschStGB und StPO), das durch Sonderbestimmungen
für Jugendliche nur wenig modifiziert und abgemildert wurde.1
Trotz der seit 1989 sehr umfangreichen Novellierungen des tschStGB
und der StPO blieben gerade die Regelungen betreffs junger Alterskategorien fast unberührt. Es ist also nicht verwunderlich, dass die jetzt
laufende tschechische Strafrechtsreform, neben der Vorbereitung der
Die Autorin ist Leiterin des Lehrstuhles für Strafrecht an der Juristischen Fakultät
der Westböhmischen Universität in Pilsen und hält auch Vorlesungen an der
Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag.
1
Ausführlicher dazu Valkova, H., Jugendstrafrechtsreform in Tschechien in Sicht?
MschrKrim 2001, s. 396-409
*
beiden Hauptstrafgesetze (StGB und StPO), auch darum bemüht ist,
neue strafrechtliche Reaktionen auf delinquentes Verhalten
Jugendlicher vorzubereiten.
Hierbei muss berücksichtigt werden, dass nach dem steilen Anstieg der
Kriminalität in der Tschechoslowakei, bzw. in Tschechien (1993), der
1989 einsetzte, seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre wieder ein
markanter Rückgang der Jugendkriminalität zu verzeichnen ist.2 Trotz
dieser Entwicklung hält sich in der Öffentlichkeit die durch die Medien
verbreitete Überzeugung, dass die Jugendkriminalität weiter anwächst.
Vielleicht ist die Fachdiskussion zu der Frage, wie, wo und in welchem
Umfang die Änderung der Kriminalpolitik gegenüber der Jugendkriminalität erfolgen sollte, gerade deshalb so langsam und schwierig
abgelaufen hatte. Die dazu in den letzten Jahren in Tschechien geführte
strafpolitische Diskussion geht hierbei von zwei völlig unterschiedlichen Ansätzen aus.
Die erste Expertengruppe3 war der Ansicht, dass der Kriminalität der
Adoleszenten (in drei Viertel aller Fälle handelt es sich um strafbare
Handlungen gegen das Vermögen, und zwar am häufigsten um
Einbruchdiebstähle in Autos und um Einbrüche in Wohnungen und
Wochenendhäuser)4 durch eine Senkung der Strafmündigkeitsgrenze
und durch eine damit im Zusammenhang stehende Verschärfung der
Strafpolitik, einschließlich einer konsequenten Durchsetzung der Strafmaßnahmen gegenüber jugendlichen Straftätern Einhalt geboten
werden könne.
Vgl. dazu auch Valkova,H., Jugendstrafrechtsreform in Tschechien unter
besonderer Berücksichtigung der Alternativen zur Strafverfolgung, Festschrift für
Udo Jesionek zum 65. Geburtstag, NWV Neuer Wissenschaflicher Verlag Wien,
2002, S.269-281.
3
In der tschechischen Fachliteratur dargestellt z.B. von Maresova, A.,
Jugendkriminalität, IKSP Prag 1996; Maresova, A. et al., Sozialpathologisches
Verhalten von Kindern und Vorschläge zu dessen Einschränkungen, IKSP Prag
1997. Marešová, A., Trends der Jugendkriminalität, Strafrecht 1999, No..9, S. 18 ff.,
No. 11, S. 16 ff.
4
Vgl. z.B. Večerka, K., Štěchová, M. et al., Sozialpathologisches Verhalten bei Kindern
(tschechisch), IKSP Prag 2000, S..33ff.;
5
Valkova, H., Sotolar, A. ,Restorative Justice-Strafrechtspolitik des 21.Jahrhunderts?
(tschechisch) Strafrecht 2000, No 1, S. 4 ff.
2
Die zweite Meinungsgruppe vertrat eine Strafpolitik, die in erster Linie
wert darauf legt, im sozialen Umfeld des Straftäters die Voraussetzungen zu schaffen, die erforderlich sind, damit er in der Zukunft keine
strafbare Handlung mehr begeht, wobei seine strafrechtliche
Verantwortung für die begangene strafbare Handlung unangetastet
bleiben soll.5 Bei dieser Auffassung spielt nicht das Alter des Adoleszenten die Schlüsselrolle, sondern unter anderem die strafrechtlichen
Folgen, die das Gesetz mit dem Erreichen eines bestimmten Alters
verbindet. Es wird hier die Bedeutung der Verantwortung im eigentlichen Sinne des Wortes unterstrichen, d.h. dass auch bei einem Kind,
das noch nicht strafmündig ist, das im konkreten Fall jedoch in der
Lage war, die Folgen seines Verhaltens abzusehen und sich entsprechend zu beherrschen, die Konsequenzen aus seinem Verhalten gezogen
werden müssten, und dass demgemäß im Rahmen eines spezialisierten
Gerichtssystems geeignete Erziehungsmaßnahmen zu treffen sind.
Diese zweite Expertengruppe hat sich dann am Ende im Bereich der
vorbereiteten Jugendstrafrechtsreform durchgesetzt. Das Ergebnis ihrer
Arbeit bestand zu Beginn des Jahres 2001 in der Vorlage eines neuen
Jugendgerichtsgesetzesentwurfs an die Regierung, die den Entwurf als
Regierungsvorlage im Abgeordnetenhaus eingebracht hat. Auch das
Abgeordnetenhaus hat dem neuen Gesetzesentwurf im Rahmen seiner
ersten Lesung Ende des Jahres 2001 zugestimmt und ihn seinen
Ausschüssen zwecks weiterer Beratung zugeschickt. Eine Wende trat
im Frühjahr 2002 vor den bevorstehenden Parlamentswahlen im Juni
ein, als das Parlament die Beratung des neuen Gesetzes aus dem
Programm seiner 49. Sitzung mit der Begründung herausnahm, dass
derart grundsätzliche Änderungen, welche die Reform mit sich bringt,
dem nächsten Parlament zur Beurteilung vorbehalten bleiben müssten.
In Juni 2002 haben dann die Sozialdemokraten wieder die Parlamentswahlen gewonnen. Sie bildeten anschließend mit zwei anderen - eher
rechtsorientierten politischen Parteien (Unie svobody, KDU/CSL) eine Koalition, die allerdings nur über eine sehr knappe Mehrheit im
Parlament verfügt. Auch die heutige Regierung entspricht dieser
Machtverteilung und ist deshalb nicht besonders stabil.
Unter diesen politischen Umständen hat die neue Regierung im Winter
2002 den ursprünglichen Gesetzentwurf in zwei Hinsichten wesentlich
verändert: die Altersgruppe der „jungen Erwachsenen“ (die 1820jährigen) wurde auf Wunsch des Verteidigungsministers aus dem
Geltungsbereich des künftigen JGG gestrichen. Ferner wurde aus dem
Katalog der Schutzmaßnahmen für Jugendliche (entspricht den
deutschen Maßregeln) die neue Möglichkeit „der Unterbringung in
einer Erziehungsfamilie“, die an die Stelle der Einweisung in ein
Erziehungsheim treten sollte, auf Forderung des Ministers für Arbeit
und Soziale Angelegenheiten wieder herausgenommen. Man begründete dies mit dem Fehlen von Erfahrungen und erforderlicher Kriterien
für die Auswahl und Fortbildung geeigneter Erziehungsfamilien.
Der modifizierte Entwurf des JGG wurde als Regierungsvorlage im
Januar 2003 verabschiedet und erneut im Abgeordnetenhaus eingebracht. Nach vier Monaten heftigen, teilweise sehr populistisch
geprägter parlamentarischer Diskussionen, vor über die Herabsetzung
der Strafmündigkeitsgrenze von heute 15 auf die von den
Konservativen (ODS) gewünschten 14 Jahre, wurde der Regierungsentwurf, doch fast unverändert im Mai 2003 im Abgeordnetenhaus
verabschiedet. Die zweite Parlamentskammer – der Senat – stimmte
dem Entwurf unerwartet schnell und problemlos in seiner Junisitzung
zu. Das neue JGG soll zum 1.1.2004 in Kraft treten.
Aus dieser eher kurzen Geschichte des tschechischen JGG darf man
folgende Schlußfolgerungen ziehen:
- das Schicksal eines „politisch interessanten“ Gesetzentwurfs ist
stärker als von den tatsächlichen Kriminalitätsentwicklungen und
Sanktionsanwendungen6 von der öffentlichen, durch die
Massenmedien geprägte Meinung abhängig;
- die Forderungen nach Verschärfung des Entwurfes des neuen
Jugendstrafrechts waren Ausdruck populistischer Politik, die keine
konstruktive Lösung bietet, sondern die Probleme eher
verschlimmert;
Vergleiche dazu auch Valkova, H., Hulmakova, J. The Czech Republic‘s Way from
Corrections to Alternatives, Council of Europe, Strasbourg, 31.5.2003, PC-CSC
(2003) 2 rev. (englisch).
6
- das Happy-end des mehr als 5 Jahre dauernden „ Kampfes um ein
neues Jugendstrafrecht“ ist teilweise den gegenwärtig „günstigen
politischen Umständen“ zu verdanken: wiedergewonnene politische
Wahlen und, damit eng verbundene Kontinuität in der Exekutive auf
der Regierungsebene;
- den tatsächlichen Erfolg oder Mißerfolg des neuen Gesetzes wird
erst die Anwendung in der Praxis zeigen können.
Die
gesetzlichen
Jugendstrafrechts7
Grundlagen
des
neuen
tschechischen
Der Sinn dieser neuen rechtlichen Regelung besteht darin, in einem
speziellen Strafkodex materiell- und prozessrechtliche Aspekte der
Jugendstrafverfolgung umfassend zu regeln, ein System spezialisierter
Jugendgerichte neu zu schaffen und eine geschlossene Skala möglicher
Reaktionen auf Jugendkriminalität klar zu definieren. Das bisherige
Kapitel 7 des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs (Sonderbestimmungen zur Strafverfolgung Jugendlicher) und der erste Abschnitt
des Kapitels 19 der Strafprozessordnung (Jugendstrafverfahren) werden
aufgehoben. Novelliert werden auch damit zusammenhängende
Bestimmungen dieser Gesetze sowie die Ausführungsbestimmungen.
Das tschJGG regelt Bedingungen der strafrechtlichen Verantwortung,
Verfahrensweisen und Entscheidungsfindung in Jugendstrafsachen,
sowie den Jugendstrafvollzug. Ferner sind das Verfahren und die
Maßnahmen gegen Kinder unter fünfzehn Jahren sowie gegen
unzurechnungsfähige Jugendliche, die Handlungen begangen haben,
die ansonsten strafbar wären, festgelegt. Das bedeutet, dass das Gesetz
zwei Altersgruppen der Adoleszenten abdeckt: Kinder unter fünfzehn
Jahren und Jugendliche (im Sinne dieses Gesetzes handelt es sich um
jene, die zum Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung das
fünfzehnte Lebensjahr, jedoch nicht das achtzehnte vollendet haben).
Das neue Gesetz geht vor allem davon aus, dass die Jugend im Hinblick
auf ihre Altersmerkmale eines besonderen Umgangs im Strafprozess
Teilweise Erstveröffentlichung in Jugendstrafrecht in Europa (Hrsg. H.-J- Albrecht
u. M.Kilchling), Tschechische Republik bearbeitet von Helena Valkova, edition
iuscrim, Band 100, MPI, 2002, S.437-453.
7
bedarf. Jede Strafsache eines Jugendlichen muss deshalb individuell,
mit Augenmerk für alle Umstände der strafbaren Handlung, für die
Persönlichkeit des Adoleszenten, aber auch auf für die Bedürfnisse des
Verletzten und die Interessen ihres unmittelbaren sozialen Umfelds
mit dem Ziel behandelt werden, die gestörten sozialen und rechtlichen
Beziehungen, in geeigneten Fällen unter Ausnutzung alternativer
Lösungsmöglichkeiten von Strafsachen, zu erneuern. Das neue Gesetz
geht von der Annahme aus, dass Jugendliche für ihr rechtswidriges
Handeln nicht in gleicher Weise verantwortlich sind, wie Personen
über 18 Jahren, dass sie jedoch immer für ihr Verhalten genauso wie
Erwachsene einstehen sollten, wobei die Folgen ihres Verhaltens ihrem
Alter und ihrer Entwicklungsstufe angemessen sein sollten. Bei der
Verhandlung einer konkreten Strafsache ist festzustellen, ob das heranreifende Individuum, das eine strafbare Handlung begangen hat, neben
einer Aufsicht und neben den notwendigen Beschränkungen gerade im
Hinblick auf seine persönliche Situation nicht auch Rat und Hilfe
benötigt.
Die genannten Grundsätze sollen verbindliche Auslegungsregeln für die
Anwendung aller Bestimmungen des Gesetzes darstellen. Deshalb wird
man die Richter, Staatsanwälte, Bewährungsbeamten und Ausgleichsvermittler unter Personen auswählen, die genügend Lebenserfahrung
besitzen, wobei ihnen noch eine weitere Sonderausbildung zuteil
werden soll.
Die Differenzierung der strafrechtlichen Verantwortung ist entsprechend
den einzelnen Altersgruppen geregelt. Ein Kind, das zur Zeit der
Begehung der strafbaren Handlung das fünfzehnte Lebensjahr nicht
vollendet hat, ist strafrechtlich nicht verantwortlich. Bei einem
solchen Kind, das eine Handlung begangen hat, die ansonsten strafbar
wäre, können auch Maßnahmen getroffen werden, die für seine
Erziehung und seinen Schutz notwendig sind. Denn diese Handlungen
machen eine adäquate Reaktion erforderlich. Diese Maßnahme ist von
einem Jugendgericht anzuordnen, jedoch nicht in einem
Strafverfahren, sondern in einem Zivilprozess, und zwar entweder
nach diesem Gesetz oder nach dem Familiengesetz auf der Grundlage
des Gesetzes über Sozial- und Rechtsschutz für Kinder (vergleichbar
dem deutschem JHG).
Nach dem Gesetz ist ein Jugendlicher zwar grundsätzlich strafrechtlich
verantwortlich, aber nicht absolut, sondern nur relativ. Das tsch JGG
nimmt nämlich auf den Umstand Rücksicht, dass der Grad der
geistigen und moralischen Reife vor allem um das fünfzehnte
Lebensjahr herum bei den einzelnen Jugendlichen sehr unterschiedlich
sein kann. Deshalb wurde bestimmt, dass Jugendliche für ihre Tat nicht
strafbar sind, wenn sie zur Zeit der Tatbegehung nicht über die geistige
und moralische Reife verfügten, die erforderlich ist, um ihre
Gefährlichkeit für die Gesellschaft zu erkennen und das eigene
Verhalten beherrschen zu können.
Die von einem Jugendlichen begangene gerichtlich strafbare Handlung
wird Vergehen genannt. Um als Vergehen zu gelten, muss das Verhalten des Jugendlichen einen relativ hohen Grad an gesellschaftlicher
Gefährlichkeit erreichen (sog. materielles Merkmal der strafbaren
Handlung). Die Vergehen sollen eine Form der Jugendkriminalität sein,
die den strafbaren Handlungen Erwachsener entsprechen. Für ihre
Beurteilung soll das Strafgesetz mit den vom Jugendgerichtsgesetz
vorgesehenen Ausnahmen gelten.
Die Rechtsfolgen der Vergehen bestehen aus Maßnahmen, zu denen
nach dem Gesetz erzieherische Maßnahmen und Schutzmaßnahmen
zählen, die auch bei einem Schuldspruch ohne Strafe auferlegt werden
können, und Strafmaßnahmen. Der Zweck der Anwendung der
Maßnahme gegenüber den Jugendlichen besteht vor allem in ihrem
Schutz vor schädlichen Einflüssen, in der Schaffung von Bedingungen
für ihre gesunde soziale und seelische Entwicklung sowie darin, dass
erreicht wird, dass sie sich in Zukunft keine strafbaren Handlungen
mehr begehen. Der Vollzug der Maßnahmen soll durch das Justizsystem vorgenommen werden. Dem Bewährungs- und Vermittlungsdienst kommen dabei große Bedeutung zu.
Abweichend vom Bisherigen wurde auch das Jugendstrafverfahren
geregelt. Das Jugendgericht und im Vorverfahren der spezialisierte
Staatsanwalt sollten zwischen einer Verhandlung der Sache im
Standardverfahren, der Ausnutzung der Möglichkeit der Durchführung
eines vereinfachten Verfahrens sowie der Anwendung einer der Arten
des Absehens vom Strafverfahren wählen können, wobei sie immer die
Stellungnahme des jugendlichen Beschuldigten einholen und stets das
Interesse des Verletzten mit vor Augen haben sollten. Ihre Tätigkeit ist
so zu organisieren, dass man in allen geeigneten Fällen von adäquaten
Alternativmaßnahmen Gebrauch machen kann.
Die Anwendung des Instruments der Haft stellt im Jugendstrafverfahren eine ganz außerordentliche Maßnahme dar. Anstelle einer
Haft ist es bei Jugendlichen erforderlich, Ersatzsicherungsmaßnahmen
zu treffen. Im Einzelnen bedeutet das, dass die Haft durch Garantieerklärung eines Verantwortlichen, durch die Aufsicht eines Bewährungsbeamten, durch ein Versprechen des Jugendlichen, durch
Kaution, durch Unterbringung bei einer vertrauenswürdigen Person
bzw. auch in einem Erziehungsheim zu ersetzen ist. Die Haft eines
Jugendlichen darf nicht länger als zwei Monate dauern. Nach dem
Ablauf dieser Zeit kann die Haft ausnahmsweise durch Gerichtsbeschluss um weitere zwei Monate verlängert werden. Zu einer
solchen Haftverlängerung darf es nur einmal im Vorverfahren und
einmal im Gerichtsverfahren kommen.
Auch bei besonders schwerwiegenden Delikten darf die Haftlänge eines
Jugendlichen sechs Monate nicht überschreiten. Nach der Entlassung
des Jugendlichen aus der Haft kann er der Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt werden, wobei die Aufsicht bis zur Beendigung des
Strafverfahrens fortdauern kann.
Auch die Fristen für die Beobachtung des psychischen Zustands des
Jugendlichen in einer Krankenanstalt werden dahingehend gekürzt,
dass sie nicht länger als einen Monat dauern dürfen. Diese Frist kann
nur auf ein begründetes Ersuchen von Sachverständigen vom Gericht
und im Vorverfahren auf Antrag des Staatsanwalts vom Richter verlängert werden, und zwar nur einmal und nicht um mehr als um einen
Monat.
Der Gesetzesentwurf ergänzt die bei den Jugendlichen bereits
bestehenden Arten des Absehens vom Strafverfahren
- vorläufige
Einstellung des Strafverfahrens und außergerichtlicher Tatausgleich –
um den Verzicht auf die Strafverfolgung des Jugendlichen. Diese
Einrichtung besteht darin, dass unter Erfüllung gesetzlich festgelegter
Bedingungen im Vorverfahren der Staatsanwalt und im Gerichtsverfahren das Jugendgericht auf die Strafverfolgung des Jugendlichen
verzichten und zugleich das Strafverfahren aus Gründen des
Nichtvorhandenseins eines öffentlichen Interesses an der weiteren
Strafverfolgung des Jugendlichen einstellen können.
Das neue Gesetz rechnet auch mit der Einrichtung von Sonderjugendgerichtshöfen, wobei ihre Funktion von spezialisierten Senaten
allgemeiner Gerichte erfüllt werden wird. Bei Gerichten mit mehreren
Sondersenaten sollen Sonderabteilungen eingerichtet werden. Die
Jugendgerichte sollen die Gerichtsbarkeit in Jugendstrafsachen sowie in
Angelegenheiten, bei denen es um die Beurteilung von sonstigen
strafbaren Handlungen, die von Kindern unter 15 Jahren begangen
werden, ausüben. Einer systematischen Lösungsweise entspricht die
Möglichkeit, anlässlich einer Behandlung einer Jugendstrafsache die
damit zusammenhängenden familien- und jugendwohlfahrtrechtlichen
Verfügungen treffen zu können. Im Unterschied zur allgemeinen
Regelung der örtlichen Zuständigkeit sollte das Verfahren vor allem vor
dem Gericht stattfinden, in dessen Sprengel das Kind unter fünfzehn
Jahren oder der Jugendliche wohnt, und, falls dieser keinen ständigen
Wohnsitz hat, in dessen Sprengel er sich aufhält.
Einer der weiteren Hauptträger der neuen Einrichtungen des Gesetzesentwurfs ist der Bewährungs- und Vermittlungsdienst. Seine Tätigkeit
soll vor allem auf die Erweiterung der Wahlmöglichkeiten für die
alternative Behandlung von jungen Tätern, auf die Behebung der
Folgen ihrer strafbaren Handlung sowie auf die Verhinderung weiteren
kriminellen Verhaltens abzielen. In dieser Hinsicht stärkt das Gesetz
die Rolle der Bewährungshilfebeamten und vertraut ihnen mehr
Kompetenzen an als die bisherige rechtliche Regelung.
Schlußwort
Es bleibt nur zu hoffen, dass die lang erwartete und jetzt endlich
verabschiedete Reform des tschechischen Jugendstrafrechtes auch in
der Anwendungspraxis positive Resonanz und Unterstützung finden
wird. Wäre das der Fall, so dürfte man nach mehreren Jahrzehnten
auch die Tschechische Republik wieder in den Kreis der Staaten mit
einem spezialisierten und zugleich modernen System für den Umgang
mit der Jugendkriminalität einreihen.