HGU Zusendung unbestellter Ware BGB-AT
Transcription
HGU Zusendung unbestellter Ware BGB-AT
HGU Zusendung unbestellter Ware BGB-AT Über die Délices Gourmandises aus der Schweiz mehren sich Verbraucher-Beschwerden. Das Unternehmen sendet häufig Verbraucherhaushalten in Deutschland Sendungen mit Schokolade und Pralinen zu, denen eine Rechnung beigefügt ist, ohne dass die betroffenen „Kunden“ je eine Bestellung abgegeben haben. Was bedeutet § 241a BGB für den Verbraucher, der ein Paket von Délices et Gourmandises mit Süßigkeiten und anderem unnützen Zeug erhält, das er nicht bestellt hat, aber nach der beigefügten Rechnung und dem vorbereiteten Überweisungsbeleg bezahlen soll? Durch die Zusendung unbestellter Ware wird kein Vertrag geschlossen. Es liegt noch nicht einmal ein Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages vor, mit der Folge, dass das Schweigen des Verbrauchers auf die Zusendung unbestellter Ware nicht zum Vertragsabschluss führen kann. Der Verbraucher ist auch nicht verpflichtet, die unbestellte zugesandte Ware aufzubewahren. Er kann sie auch entsorgen. Nach einhelliger Meinung können Sie die unbestellte Ware auch benutzen, d.h. im Falle der Süßigkeiten von Délices Gourmandises aufessen, soweit diese genießbar sind. EXPERTENWISSEN: Aus Verwendung oder Verbrauch unbestellt zugesandter Waren entstehen keine gesetzlichen Ansprüche aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 985 BGB) und/oder ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB). Lesen Sie die §§ 985 und 812 Abs. 1 S. 1. Formulieren Sie deren Inhalt in einfachen, eigenen Worten. Einen gewissen Strafcharakter wird man dem § 241a nicht absprechen können, jedoch hat es der sich möglicherweise insoweit auch wettbewerbswidrig verhaltende Unternehmer in der Hand, diesen Rechtsfolgen zu entgehen, indem er seinen dreisten Versuch, mit Überraschungspäckchen abzukassieren, unterlässt. Apropos Unterlassung: Unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten greift ein derartig handelnder Versandunternehmer rechtswidrig in die Privatsphäre des Verbrauchers ein und kann daher z.B. von Verbraucherzentralen zur Unterlassung aufgefordert werden. Soweit die Regel; nun zur Ausnahme: Die erste Ausnahme ist in Absatz 2 von § 241a BGB geregelt, der zwei Fallalternativen beinhaltet: a) Der Verbraucher bekommt ein Päckchen, das gar nicht für ihn bestimmt ist. Darüber sollte ein Blick auf das Anschriftenetikett auf dem Paket Klarheit verschaffen, aber auch danach sind Unklarheiten nicht auszuschließen, wenn zum Beispiel in einem kölschen Mietblock unter gleicher Adresse ein halbes Dutzend "Schmitz" wohnen, die sich vielleicht sogar nicht einmal im Vornamen unterscheiden. Weil bei solchen Namensdubletten unter gleicher Anschrift Verwechslungen in der Zustellung öfter vorkommen werden bzw. können, wird man vom nicht fahrlässig handelnden Verbraucher verlangen müssen, dass er unter seinen Nachbarn gleichen Namens einmal herumfragt, ob sie ein entsprechendes Paket erwarten. b) Bei Versendung der Ware war der Unternehmer in dem irrigen Glauben, der Verbraucher (hier der richtige Empfänger) habe bei ihm etwas bestellt. Wie das gehen soll? Die Gewinnzusager habens begriffen, denn diese Vorschrift des § 241a Abs. 2 2. Alternative BGB ist das Einfallstor für die unbestellten Warensendungen, deren vermeintliche, beim Unternehmer zu irrem Glauben führende Bestellung in der Gewinnzusage versteckt war. Schauen Sie sich so eine Gewinnzusage und insbesondere das sogenannte Responseelement, was sie als Verbraucher und Empfänger einer Gewinnzusage an den Unternehmer zurücksenden sollen, einmal genau an. Wenn Sie dort die voreingetragenen Artikel nicht durchstreichen, dann könnte der Unternehmer tatsächlich dem von ihm gewollten Irrtum unterliegen, Sie hätten bei ihm etwas bestellt. HGU Zusendung unbestellter Ware BGB-AT In dem Zusammenhang steht auch die weitere Ausnahme des Absatz 3, die regelt, was eigentlich nicht unbestellte Leistung im Sinne von § 241a BGB ist: Sie bestellen einen Pullover Größe 50 in blau, der zur Zeit beim Unternehmer nicht verfügbar ist, weswegen er Ihnen einen entsprechenden, aber roten Pullover in Größe 50 schickt. Diese sogenannte Aliud-Lieferung wird aber wieder dann zu einer unbestellten Leistung im Sinne von § 241a BGB, wenn der Unternehmer mit Übersendung der nach Qualität und Preis gleichwertigen Leistung nicht darauf hinweist, dass Sie als Verbraucher nicht verpflichtet sind, diese Leistung anzunehmen und auch nicht die Kosten für deren Rücksendung zu tragen haben. Mit der Frage, ob die Zusendung eines solchen Ersatzartikels schon in Allgemeinen Geschäftsbedingungen "angedroht" werden kann, hatte sich der BGH mit Urteil vom 21.09.2005 Az: VIII ZR 284/04 zu befassen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine solche Klausel einen unzulässigen Änderungsvorbehalt im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB enthält. Ein Versandhändler darf nicht unaufgefordert Waren an Verbraucher senden und eine Rechnung beifügen. Er kann sich nicht darauf berufen, der Kunde habe in einem kurzen Telefonat zugestimmt. Das hat das Landgericht Hildesheim nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die BTN Versandhandel GmbH entschieden. Das Unternehmen, das Münzen und Medaillen vertreibt, hatte Verbraucher angerufen und anschließend eine Medaille samt Rechnung geschickt. Damit sei der Kunde in dem Telefonat von gut eineinhalb Minuten Dauer einverstanden gewesen, behauptete der Versandhändler vor Gericht. Das Landgericht Hildesheim stufte dieses Vorgehen dagegen als unzumutbare Belästigung ein. Der Verbraucher konnte sich an den Anruf nicht erinnern, war aber sicher, niemals etwas bestellt zu haben. Die Richter hielten es zudem für ausgeschlossen, dass er während des kurzen Telefonats eine freie Entscheidung darüber hätte treffen können, ob er mit der Zusendung der Medaille und den Bedingungen dafür einverstanden sei. Bei solchen Telefonaten handele sich vielmehr um eine Überrumpelung des Kunden (LG Hildesheim vom 5. Mai 2010, Az.: 11 O 42/09) Übungsfälle: 1. Bettina ist hoch erfreut, als eines Nachmittags der Paketzusteller bei ihr klingelt und ihr ein schönes Päckchen überreicht. Da Bettina keine Lieferung erwartet, hält sie es für ein Überraschungspaket einer Freundin. Nach dem Öffnen des Päckchens bleibt die Freude zunächst bestehen, denn darin findet sie die DVD ihres Lieblingsfilms „Die Heirat meiner besten Freundin“. Als Bettina nach dem Absender schaut, ist sie irritiert. Das Päckchen stammt gar nicht von einer Freundin, sondern von einem ihr unbekannten Unternehmen, das der Ware zudem einen bereits vorausgefüllten Zahlschein (Überweisungsträger) beigelegt hat, mit dem sie 20 Euro überweisen soll. Darüber hinaus ist auch ein Rücksendeschein beigefügt, auf dem vermerkt ist: „Bei Nichtgefallen unbedingt zurück an die angegebene Adresse.“ Bettina weiß, dass sie die DVD auf keinen Fall bestellt hat. Nach zwei Wochen kommt ein Schreiben der DVD-Versand-GmbH bei Bettina an, in dem die GmbH Überweisung von 20 € fordert. Zu Recht? 2. Bei einem DVD-Versand bestellt Otto sich die erste Staffel der TV-Serie Stromberg. Da keine DVDs der Staffel 1 mehr vorrätig sind, liefert der Versandhändler die DVDs der 2. Staffel (Gleiche Anzahl, gleicher Preis wie erste Staffel) und legt eine Rechnung bei. Otto schaut alle DVDs an, bezahlt aber nicht. Nach zwei Wochen fordert ihn das Versandhaus zur Überweisung des Kaufpreises bzw. zur Rücklieferung der originalverpackten DVDs auf. Muss Otto zahlen bzw. etwas anderes tun? 3. Im Spielzeugversand bestellt Susi für ihre Tochter die Puppe „Barbie als Pilotin“. Da dieses Modell nicht mehr vorrätig ist, übersendet der Versandhändler die gleichartige Puppe „Barbie als Stewardess.“ Der Lieferung beigefügt ist eine Rechnung des Versandhändlers sowie ein Begleitschreiben in dem steht, dass Susi zur Annahme nicht verpflichtet ist und die Ware unfrei zurücksenden kann. Susi gefällt die Puppe nicht, würde sie allerdings behalten, wenn sie nichts dafür bezahlen muss. Wie ist die Rechtslage?