Abstract zum Vortrag…

Transcription

Abstract zum Vortrag…
Tagung: Anschauen und Vorstellen
Dr. Heinz-Peter Preußer
Genealogie und Metamorphose.
Vorgestelltes Grauen und biologisches Weltwissen in der Alien Kino-Serie
Ridley Scott hat mit Alien (GB 1979) unsere Vorstellungen von Außerirdischen revolutioniert. Dieses Wesen, das der Schweizer Künstler H. R. Giger entworfen hatte, hat
recht wenig mit den Monstrositäten der 50er Jahre gemein – und noch weniger mit den
harmlosen Humanoiden der TV Serien, etwa aus der Star Trek Reihe. Auf den ersten
Blick hat die gezeigte neue Spezies auch nichts mit den uns vertrauten Arten zu tun. Das
Andere des Alien muss deshalb erklärt werden. Es versteht sich innerhalb der Fiktion
nicht von selbst, sondern nur durch den Entwurf einer völlig anderen Welt, deren
Gesetze für die filmische Narration Gültigkeit haben sollen. Diese ist, anders gesagt,
nicht (oder nur geringer) ontologisch mit der realen Welt korreliert.
Dennoch, oder vielmehr: gerade deshalb, baut unsere Imagination auf Weltwissen
auf, hier insbesondere auf biologischem. Schnell haben wir gelernt, das fremde Wesen
als Parasiten aufzufassen, das Menschen als Wirtstiere nutzt. Und wir begreifen allmählich, dass wir diese Spezies über verschiedene Entwicklungsstufen, in Metamorphosen
ihrer selbst, erleben werden. Hier setzen der imaginative Aufwand, aber auch die
Überraschungseffekte der Alien-Reihe an. Vom Ei über den Facehugger und den
Chestburster bis zum sich häutenden, schnell wachsenden und schließlich ausgewachsenen Alien: Schon im Wandel liegt die Überraschung – und die Antizipation, erneut
überrascht werden zu wollen. Es gehört zur Eigentümlichkeit der Reihe, die Metamorphosen mit jedem weiteren Sequel voran zu treiben, ja Genealogien zu entwickeln – und
damit erneut Imagination und Weltwissen kurzzuschließen.
Aliens (USA 1986) bringt eine neue Gestalt: die der Königin, die eine ganze Kolonie
an Eiergelegen und Wirtskörpern bewacht, viel größer noch in den Ausmaßen als das
uns inzwischen vertraute Einzelwesen. Die Assoziation eines Insektenstaates ist offensichtlich intendiert und hilft, Kausalitäten zu konstruieren, gemäß deren diese Wesen
organisiert sind und handeln. Alien 3 (USA 1992), den David Fincher verantwortet, fügt
dem die Vermischung der Wesen hinzu: Der neue Wirt, nun Ripley selbst, antizipiert die
Geburt eines Alien und wird umgekehrt von den fremden Wesen als artverwandt
angesehen. Der Sturz ins Feuer – eine Mischung aus Christus und Empedokles – soll
diese Saat auslöschen, was nur im Selbstopfer möglich ist.
Alien – Resurrection, der vierte Film der Folge unter der Regie von Jean-Pierre Jeunet
(USA 1997), bringt mit der Variante der Klone das Inventar neuerlich durcheinander,
ergänzt die inzwischen bekannten, durch Comic und Computerspiel zusätzlich popularisierten Gestalten, mit der unerwarteten, vielleicht deshalb grotesk wirkenden Kreuzung
von menschlichen Anteilen und Zügen des Alien. Ripley weiß sich kaum noch zugehörig zu einer der beiden Arten – und entscheidet sich letztlich doch für die menschliche.
Der kurze Durchgang durch die Reihe dürfte verdeutlicht haben, dass die Rezeption
des Grauens nicht allein durch Suspense funktioniert, sondern vielfältig mit Wissensversatzstücken operiert, um den eigenen Schrecken zu verstehen. Dazu gehört auch die
Selbstaufklärung über die alptraumartigen Szenerien, deren vielfältige sexuelle Anspie-