eichner_originäre internetformate_ludische lust

Transcription

eichner_originäre internetformate_ludische lust
Originäre Internetformate
Ludische Lust und narrativer Anteil bei spielerischen
Avatar-basierten Online - Formaten
Diplomarbeit
Im Studiengang AV-Medienwissenschaft
An der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“
Vorgelegt von:
Susanne Eichner
Berlin, Januar 2002
Erstgutachter: Prof. Dr. Lothar Mikos, Zweitgutachterin: Dr. Elisabeth Prommer
1
Inhaltsverzeichnis
Einleitung __________________________________________________5
I. Wo bin ich hier eigentlich? – Zu Netzen und Virtualitäten _______8
1.1
Das Internet als Medium? .......................................................................................... 8
1.2
Die Konstruktion einer neuen Welt ......................................................................... 13
1.2.1
Technologische Grundlagen ............................................................................... 13
1.2.2
Der Zugang zum Internet .................................................................................... 15
1.3
Raumkostruktion Cyberspace ................................................................................. 18
1.3.1
Virtual(real)ität.................................................................................................... 18
1.3.2
Die technische Erschaffung des Raumes ............................................................ 21
1.3.3
Räumlichkeit als Metapher ................................................................................. 23
1.4
Das Interface – Schnittstelle Mensch/Maschine ..................................................... 26
1.4.1
Historische Entwicklung ..................................................................................... 26
1.4.2
Das Interface als kulturelle Praxis....................................................................... 27
1.5
II.
Zusammenfassung und Wertung ............................................................................. 30
Theoretischer Ausgangspunkt ___________________________32
2.1
Vom Hypertext zum Cybertext ................................................................................ 32
2.1.1
Der Hypertext als literarische Instanz ................................................................. 32
2.1.2
Cybertext als umfassende Kategorie ................................................................... 36
2.1
Narrative Strukturen und spielerische Formate .................................................... 39
2.2.1
Was ist Narration?............................................................................................... 39
2.2.2
Zeitliche Organisation ......................................................................................... 41
2.2.3
Die narrative Situation ........................................................................................ 43
2.2.4
Narrativität bei Computerspielen ........................................................................ 43
2.1
Zum Spielbegriff ....................................................................................................... 45
2.3.1
Der intermediäre Raum des Spiels ...................................................................... 46
2.3.2
Exkurs: Der Computer als Simulationsmaschine ................................................ 49
2.3.3
Expressives Spielerleben und ludische Performance .......................................... 50
2.3.4
Ludus das Game und Paidia das Play ................................................................. 53
2.4
Zusammenfassung und Wertung ............................................................................. 56
2
III. Avatar-basierte Unterhaltungsformate im Internet __________60
3.1
Echt gleichzeitig interaktiv ....................................................................................... 60
3.1.1
Interaktivität ........................................................................................................ 60
3.1.2
Synchronität und Echtzeit ................................................................................... 63
3.2
Was sind eigentlich Avatare? ................................................................................... 66
3.2.1
Zur Popularität der Avatare................................................................................. 66
3.2.2
Ich und mein Avatar ............................................................................................ 68
3.3
Spielwelten im digitalen Raum ................................................................................ 73
3.3.1
Computerspiele ................................................................................................... 74
3.3.1.1
Vom Standbild zum „Moving Picture“ ........................................................... 74
3.3.1.2
Adventure Games............................................................................................ 79
3.3.2
Online Computerspiele ....................................................................................... 84
3.3.3
MUDs, MOOs und Co. ....................................................................................... 86
3.3.3.1
Merkmale und Entwicklung ............................................................................ 86
3.3.3.2
Graphische virtuelle Welten............................................................................ 89
3.3.4
3.4
Der graphische Chat ............................................................................................ 90
Zusammenfassung und Wertung ............................................................................. 94
IV. Analyse ______________________________________________96
4.1
Methode ..................................................................................................................... 99
4.2
Mörderische Lust bei Quake .................................................................................. 100
4.2.1
Was ist Quake?.................................................................................................. 100
4.2.2
Die Spielerin und ihr Avatar ............................................................................. 103
4.2.3
Interface, Bewegung und Agency ..................................................................... 106
4.2.4
Narrativer Rahmen bei Quake ........................................................................... 107
4.2.5
Spieltyp und Spielergemeinschaft ..................................................................... 111
4.2.6
Rezeptionsvergnügen bei Quake ....................................................................... 113
4.3
Kollaboratives Vergnügen bei Dobedo ................................................................. 117
4.3.1
Die virtuelle Welt Dobedo ................................................................................ 117
4.3.2
Avatare in zweidimensionalen Welten.............................................................. 119
4.3.3
Interface, Bewegung und Agency ..................................................................... 122
4.3.4
Narrative Elemente und ludische Ebene ........................................................... 125
4.3.5
Spielzeuge bei Dobedo...................................................................................... 129
3
4.3.6
Rezeptionsvergnügen bei Dobedo..................................................................... 131
4.3.7
Nachruf ............................................................................................................. 133
Schluss __________________________________________________135
Literaturliste _____________________________________________140
Filme, Spiele, MUDs und Chats ______________________________151
Bildnachweis _____________________________________________152
4
Einleitung
Im wissenschaftlichen Interessensgebiet der Neuen Medien stand schon immer vornehmlich die
Information. Neue Medien werden charakterisiert als:
...all die Verfahren und Mittel (Medien), die mit Hilfe neuer oder erneuerter Technologien neuartige, also in dieser Art bisher nicht gebräuchliche Formen von Informationserfassung und
Informationsbearbeitung, Informationsspeicherung, Informationsübermittlung und Informationsabruf ermöglichen [Ratzke in Schmitz 1995:4].
Dabei wurde zwar auf die Textproduktion, auf Autorenschaft und auf die Beziehung zwischen
Text und Rezipienten eingegangen, doch der unterhaltende Aspekt, das Vergnügen der
Rezeption, die Rezeptionsmotivation außerhalb der Informationsbeschaffung fanden wenig
Beachtung. Die Frage nach dem Grund dafür, warum Menschen scheinbar zweckentbunden
ziellos durchs Internet surfen, sich in Chat-Rooms aufhalten oder Online Spiele spielen, ist
jedoch durchaus berechtigt. Unterhaltung und Vergnügen spielen eine große Rolle bei jeder
Textrezeption, da sie emotionale Bedürfnisse der Rezipienten befriedigen. Ich will in dieser
Arbeit das Rezeptionsvergnügen, also die Ästhetik des Vergnügens, das Rezipienten bzw.
Nutzer computerbasierter Internetformate erfahren, untersuchen. Dabei wird eine spezielle
Erscheinungsform
unterhaltender
Formate,
das
Spielformat,
untersucht.
Als
Untersuchungsobjekte dienen im Internet angesiedelte, interaktive Spielformen, vom
Computerspiel bis hin zu offenen, spielerischen Umgebungen. Während die Frage nach dem
Rezeptionsvergnügen
immer
wieder
in
den
Mittelpunkt
rückt,
finden
auch
Rezeptionsmotivation, das Spiel selbst, das Verhältnis zwischen Spielerin und ihrer Spielfigur,
dem Avatar, sowie der interaktive Modus bei der Rezeption des Medientextes Spiel besondere
Beachtung. Der Zusammenhang zwischen Rezeptionsvergnügen und Interaktivität wird mit
unterschiedlichen Ansätzen besprochen und problematisiert: So wird Interaktivität zwar als
genuin dem Internet zugrunde liegend betrachtet, aber nur technisch definiert und oft als dem
Rezeptionsvergnügen im Wege stehend betrachtet. Ausgehend von der Beobachtung, dass die
Textrezeption eines interaktiven Cybertextes nicht dieselben Merkmale aufweist wie
beispielsweise die Rezeption eines Films als narrativ geschlossene Einheit, wird von der These
ausgegangen, dass der Rezeption von Spielformaten grundsätzlich andere Qualitäten des
Rezeptionsvergnügen zugrunde liegen.
Dabei greifen die beiden extremen Positionen – Alles ist Narration - „Some narratology authors
claim that even a cooking recipe is narrative“[Frasca 1999:9] oder Die ganze Welt ist ein Spiel –
5
jedoch zu kurz. Eine derartige Verallgemeinerung würde die spezifischen Qualitäten, die
sowohl Narration als auch Spiel aufweisen negieren, indem sich keine unterscheidbaren
Merkmale mehr extrahieren ließen. Sowohl Narrationstheorien als auch Spieltheorien1
konstruieren bestimmte Erklärungsmodelle, die aber eben nur Modelle spezifischer Aspekte des
Lebens, nicht aber das Leben selbst sind. Espen Aarseth [Aarseth 1997] sieht die
Differenzierung beider Erklärungsmodelle als grundlegend für die Studie von Cybertexten:
To claim that there is no difference between games and narratives is to ignore essential qualities
of both categories. And yet, […] the difference is not clear-cut, and there is significant overlap
between the two [Aarseth 1997:3].
Das Rezeptionsvergnügen, welches ein bestimmter Cybertext im Bereich der unterhaltenden
Internetformate zu bieten hat, setzt sich also aus verschiedenen inhaltlichen Bausteinen
zusammen. Dabei wird unterstellt, dass unterhaltende Internetformate eine spielerische, also
ludische Sphäre2 bilden, auf deren Basis haptische und kognitive Prozesse das
Rezeptionsvergnügen bedingen:
Es ist das Phänomen des Spiels, welches unseren Umgang mit der neuen Technologie bestimmt.
Die neuen medientechnisch generierten Räume bzw. Welten sind mediale Festbühnen, die sich
als potentielle Spielräume anbieten; ihre Spezifika nimmt mit der Art und Weise ludischer
Gestaltungsmuster ihren Anfang. Der Ausgangspunkt dieser Betrachtung bilden die aktuellen
Erscheinungsformen der Computertechnik als Medien, als Wunsch- und Simulationsmaschinen
sowie als Apparate zur Erzeugung virtueller Szenarien. Der interaktive Umgang, zu dem sie
einladen, wird von Zügen des Spiels bestimmt und bestärkt die Annahme, dass das Spiel die
Handlungsweise schlechthin sei, sich in Simulationen zu bewegen [Adamowsky 2000:18].
Während diese Prozesse zwar im ludischen Bereich stattfinden, spielen narrative Elemente
durchaus ein Rolle, wenn auch nicht als Motivationsmotoren. Zudem kommt es im
Metamedium Computer zu Hybridausbildungen von Spielen, deren narrativer Anteil so
dominiert, dass er zum Rezeptionsmotivator wird. Herauszustellen, welche Elemente in welcher
Weise am Rezeptionsvergnügen beteiligt sind, ist Ziel dieser Arbeit.
Um ein größtmögliches Verständnis des Topics zu erreichen, werden in Kapitel I die
grundlegenden Begrifflichkeiten und Funktionsweisen des Internets geklärt. Technologische
1
Spieltheorie wird oft synonym zu der mathematischen Theorie zur Beschreibung strategischer Spiele im Bereich der
Produktions- und Preistheorie oder der Statistik verwendet. Ich verwende den Begriff Spieltheorie jedoch
übergreifend. Soziologische, psychologische, pädagogische oder rollentheoretische Theorien zum Spiel sind dabei
eingeschlossen.
2
„Ludisch“ wird hier allgemein synonym für „spielerisch“ verwendet (→Ludologie). In Bezug auf Spieltyp ist
innerhalb des ludischen Bereichs jedoch zwischen den zwei Qualitäten ludisch und paidaisch zu unterscheiden. (vgl.
Kapitel II/2.3 und Kapitel IV)
6
Aspekte finden hierbei ebenso Beachtung wie medientheoretische Ansätze. Dazu wird zunächst
die Position und Kategorie des Internets im Medienuniversum erläutert. Auch dessen
Verfügbarkeit und Zugänglichkeit für Anwender, welche die Einbindung und Aneignung
internetbasierter Texte in das Alltagsleben der Menschen determinieren, finden Beachtung.
Bedeutend für das Rezeptionsvergnügen sind sowohl die technische als auch die mentale
Raumkonstruktion des „Cyberspace“. Das jeweilige Interface bildet die Verbindung zwischen
Text und Rezipientin.
Während sich Kapitel I mit allgemeinen Beschreibungen verschiedener relevanter
Komponenten im Internet befasst, wird in Kapitel II der „Internettext“, der Hyper- bzw.
Cybertext, ausführlich untersucht. Aufbauend auf der integrierenden Cybertexttheorie von
Aarseth wird der dominierenden Praxis, multimediale Texte mit narratologischen Ansätzen zu
erklären, der ludologische Ansatz entgegengestellt. Beide Ansätze werden in eigenen Kapiteln
eingehend erläutert, wobei das Verhältnis von Rezipientin und Text im Mittelpunkt des
Interesses stehen. Dabei schließen narrative Komponenten innerhalb eines Textes spielerische
Elemente nicht aus und vice versa. Vielmehr steht hinter der Betrachtung der beiden Modelle
die Absicht, diejenigen Komponenten zu definieren, die als verantwortlich für den Fortgang der
Rezeption eines Textes angesehen werden können.
Kapitel III beschäftigt sich konkret mit den speziellen Eigenschaften des Internets wie
Interaktivität, Synchronität und Echtzeit, welche für spielerische Formate von besonderer
Bedeutung sind. Dem Phänomen des Avatars, also der visuellen Manifestierung der Spielfigur,
dem Verhältnis zwischen Rezipientin bzw. Spielerin und Spielfigur und der Konstruktion
medialer Identitäten soll dabei das Hauptinteresse gelten. Im zweiten Teil des Kapitels, der sich
mit der formal-ästhetischen Entwicklung von spielerischen Online Formaten beschäftigt, wird
das Spielerin-Spielfigur-Verhältnis besondere Beachtung finden und zur interaktiven
Spielsituation und dem jeweiligen Rezeptionserlebnis in Bezug gesetzt.
Vor dem Hintergrund der Ergebnisse wird in Kapitel IV eine exemplarische Analyse und
Bewertung der Spielformen QUAKE und DOBEDO durchgeführt. In der Textanalyse werden
an beiden Untersuchungsobjekten besonders das Verhältnis von Spielerin und Spielfigur, der
Aspekt der Interaktivität, der narrative und spielerische Anteil, die Kategorisierung des Formats,
der Stellenwert der Gemeinschaft und das Rezeptionsvergnügen untersucht. Die rein
textbasierte Analyse wird dabei von exemplarischen Zitaten der tatsächlichen Rezipienten
ergänzt.
7
I.
Wo bin ich hier eigentlich? – Zu Netzen und Virtualitäten
Die virtuelle Realität des Internets gibt nach wie vor Anlass zu einer Bandbreite
unterschiedlichster
Ansätze,
angefangen
bei
positivistischen,
utopischen
Weltverbesserungsideen bis hin zu kulturpessimistischen düsteren Prognosen. Um einen
fundierten medienwissenschaftlichen Beitrag zu leisten, soll das Internet im Folgenden
demystifiziert
und
auf
seine
tatsächlichen
Charakteristika
hin
untersucht
werden.
Medienwissenschaftliche Grundlagen sind dabei für das Fundament, auf welchem die
anschließende Analyse stattfindet, ebenso von Bedeutung wie ein grundlegendes technisches
Verständnis:
Man braucht nicht nur eine geschichtliche Grundlage der Medientheorie, ein traditionelles
Wissen um Textkritik, sondern auch gewisse technische Kompetenz, Bekanntschaften mit
Programmierern, Computer-literacy als die praktischen mitunter beängstigenden Erfahrungen,
wie sich Begriffe von Subjekt, Wissen, Zeit, Raum und Eigentum „im Netz“ verändern. „Wie
soll man über Drogen reden, die man nicht probiert hat?“ [Lovink&Schulz 1997:345]
Um diesen Beitrag zu leisten, werden einige Fragen bearbeitet: Was ist das Internet? Wo ist das
Internet? Wie komme ich dorthin? Wie finde ich mich dort zurecht?
1.1
Das Internet als Medium?
Computer, Interaktivität, Internet, Hybridisierung, Neue Medien, World Wide Web oder
Multimedia sind die vielverwendeten Schlagwörter des neuen, globalen und digitalen Zeitalters.
Um
einer
Sinnentleerung,
Begriffsverwirrungen
und
Kategorieverwechslungen
entgegenzuwirken, soll an dieser Stelle Kategorie und Stellung des Internets im
Medienuniversum erläutert werden.
Bei
der
Erläuterung
wird
dabei
von
einem
Textbegriff
ausgegangen,
der
im
kulturwissenschaftlichen Sinn den Text als kulturelles Objekt begreift, der seine Bedeutung erst
durch den Interpretationsakt der Rezipientin gewinnt, und der sich als Bild, Zeitungsartikel,
Kurzgeschichte, Spielfilm, Fernsehmagazin, Graffiti, Popsong u.ä. manifestiert. Im Internet
besitzen Texte eine besondere Qualität, die im Laufe dieser Arbeit herausgestellt wird.
8
Vorgreifend kann aber bemerkt werden, dass zum Text im Internet korrekterweise als Cybertext
(siehe Kapitel II/2.1) referiert wird, auch wenn der Einfachheit halber der Begriff „Text“ diesen
substituieren kann. Texte, die weitgehend ähnliche Strukturen aufweisen, werden zu denselben
Formaten gezählt3. Im Bereich des Internets finden sich Formate wie Auktionsseiten,
Suchmaschinen, Erotik-Seiten, Unternehmensinformationen, Chats, Spiele, Web-Soaps,
Hyperfiktion oder Begleitformate traditioneller Medien wie Fernsehsendungen, Zeitungen oder
Filme. Dabei bewegen sich die unterschiedlichen Formate im Bereich zwischen reinem
Informationscharakter und purer Unterhaltung. Der konkrete Inhalt jedes einzelnen Textes
hingegen ist von der Bereichszugehörigkeit weitgehend unabhängig. Im Internet kann sich der
jeweilige Inhalt aus einer Vielzahl verschiedener Textbausteine wie Photo, Text oder Film,
sowie
einer
Pluralität
verschiedener
Kombinationsmöglichkeiten
dieser
Bausteine
zusammensetzen, die dann zu der Ausdifferenzierung des jeweiligen Formats führen. Die
Anwendung spielt hier ebenfalls eine Rolle, da der Computer, auf dessen technologischer
Grundlage das Internet basiert, dazu in der Lage ist, jede beliebige Anwendungsform –
Fernsehgerät, Videorekorder, Kino, Buch oder Schreibmaschine, Rechenmaschine, etc. – zu
simulieren. Das Verhältnis von Text, Format und Inhalt ist dabei in den unterschiedlichen
Medien weitgehend vergleichbar. Wie sich jedoch das jeweilige Medium selber verhält, was ein
Medium im allgemeinen definiert und gegenüber anderen Medien abgrenzt, und welche
Ausdifferenzierungen es im Zuge des technischen Fortschritts erfährt, soll im Folgenden näher
beleuchtet werden.
Medien sind, im medientheoretischen Sinn, Mittel der Kommunikation, des symbolischen, also
auf Zeichen basierten Austauschs. Sie werden primär als „Transportmittel“ gesehen, die von
einem Punkt in Raum und Zeit zu einem anderen auf jeweils eigenen Wegen und Kanälen und
damit auf jeweils besondere Weise die Übertragung von etwas leisten [vgl. Engel 2000:127].
Ein Medium ist also das, was dazwischen liegt, das Vermittelnde. Damit ist sowohl die
technisch bedingte Vermittlungsform als auch die „konkrete historische Ausgestaltung eines
kommunikativen „Apparates“ im weitesten Sinne“ gemeint [Hickethier 1996:7]. Die
gesellschaftliche
Konstitution,
die
besondere
Produktionsweise,
die
konkreten
Vermittlungswege, aber auch die Wahrnehmungsdispositionen der Zuschauer sind in dem
Begriff Medium miteingeschlossen. In der heutigen Übergangszeit vom elektronischen
.........................................................................................................................................................
3
Eine ausführliche Debatte über Genre und Format würde hier zu weit führen, weshalb im Weiteren der Begriff
Format als umfassender Behelfsbegriff dient.
9
zum digitalen Zeitalter4 werden jedoch oft entweder die vermittelnde Technologie oder die
jeweiligen Nutzungsoptionen als „medienbestimmend“ gesehen. Dies spiegelt sich auch in der
Unsicherheit wider, in der Begrifflichkeiten wie Neue Medien, Multimedia, Computer oder
Internet als Platzhalter für eine neue Technologie eingesetzt werden.
Zwar erhebt diese Arbeit nicht den Anspruch, die gesamte Bandbreite der Mediendiskussion zu
berücksichtigen, aber es soll der Versuch unternommen werden, möglichst viele der oben
genannten Aspekte, die zur Modellvorstellung von Medien gehören, zu berücksichtigen, um das
Medium Internet als solches zu definieren. Das Internet basiert, ebenso wie viele andere
Anwendungen auch, auf der digitalen Computertechnologie. Die Schwierigkeit, welche sich
hier eröffnet, ist demzufolge die Notwendigkeit einer Kategorisierung computerbasierter
Angebote.
Bekanntlich ist der Computer heute in der Lage, alle Medien und Formate zu integrieren, vom
Buch über Kino bis zum Fernseher, und kann als Schreibmaschine, als Rechenmaschine, als
Spielmaschine oder als Zeichenbrett verwendet werden. In den Anfangszeiten der
Computertechnologie war deswegen oftmals vom „Werkzeug Computer“ die Rede, doch heute
häufen sich die Stimmen, die vom Computer als Medium sprechen. Alan Kay [Kay 1984]
referiert vom Computer als universelle Maschine, als Metamedium:
The protean nature of the computer is such that it can act like a machine or like a language to be
shaped and exploited. It is a medium that can dynamically simulate the details of any other
medium, including media that cannot exist physically. It is not a tool, although it can act like
many tools. It is the first metamedium, and as such it has degrees of freedom for representation
and expression never before encountered and as yet barely investigated [Kay 1984:59].
Kay unterstreicht in diesem Zitat die Eigenschaft des Computers als Simulationsmaschine. Das
Internet wiederum bezeichnet dasjenige mediale Angebot, welches auf der technologischen
Basis dieser Simulationsmaschine mithilfe der telekommunikativen Infrastruktur eine
Vernetzung eingeht. Der Computer wird so zum „Device“ des Mediums Internet, ähnlich wie
der Fernsehapparat zum „Device“ des Mediums Fernsehen wird. Das Medium Internet besteht
demnach nur im Moment seiner Nutzung, loggt sich die Nutzerin aus, gleitet sie aus der Sphäre
des Internets in die Sphäre des (Meta-)Mediums Computer. Wolfgang Coy [Coy 1997:165]
4
Werner Faulstich teilt die Mediengeschichte in drei Phasen ein: Die primären Medien beinhalten die an den Körper
gebundenen Darstellungsmittel im direkten zwischenmenschlichen Kontakt, die sekundären oder Druck- Medien
bezeichnen wahrnehmbare Zeichen, die technisch hergestellt, aber ohne technische Hilfsmittel aufgenommen werden.
Bei den tertiär- oder elektronischen Medien erfolgt sowohl die Übertragung als auch der Empfang von Zeichen über
technische Geräte [Faulstich 1994:29].
10
unterscheidet deswegen zwischen Computern als offline Medienmaschinen und Computern als
online Medienmaschine, die in einem ähnlich kontrastreichen Verhältnis stehen wie Fernsehen
und Video. Der Computer ist für ihn Kern aller integrierten digitalen Medien. Aber erst durch
die jeweilige Vernetzung mittels Telefonnetze jeder Art oder Satellitenverbindung wird er ein
vernetztes integriertes Medium, das Internet.
Diese Vernetzung stellt eine kommunikative Infrastruktur dar, welche das Medium Internet
nutzt, um bestimmte Formate wie Zeitungsartikel, Webseiten, Film oder E-Mail zu generieren.
Die Innovation dieser kommunikativen Infrastruktur, im Gegensatz zu der kommunikativen
Infrastruktur Radiowellen, oder den analogen Übertragungsformen im allgemeinen, besteht in
der Aufhebung eines auf die bisherigen Massenmedien angewendeten Modells von einem
Sender und vielen Empfängern („one-to-many“). Durch die dem Internet zugrundeliegende
Möglichkeit, dass jeder Empfänger gleichzeitig auch zum Sender im Brecht’schen Sinne wird
[Brecht 1932:260], verändern sich die strukturellen Modalitäten. Das Verhältnis Text/Rezipient
und Sender/Empfänger erfährt eine Neukonstruktion. Die Netz-Infrastruktur ermöglicht
beispielsweise das „Herausbilden von ‚elektronischen Gemeinschaften’, die einander in
virtuellen Chats treffen und dort, statt einer ‚one-to-many’-Kommunikation, eine ‚many-tomany’-Kommunikation pflegen“ [Burkart 1999:64]. Aus Rezipienten, Zuschauern und
Zuhörern werden Beteiligte, Agenten und Spieler, die an einer Aktion partizipieren.
Der „Grad“ an Interaktivität (siehe Kapitel III/3.1) ist also deutlich höher als bei traditionellen
Medien. Unterhaltungsformate im Internet bieten ihren Nutzern deswegen eine besondere
Qualität des Vergnügens, weil sie eine besondere Art der Beteiligung, die Agency fördern:
Im Rechner und noch stärker in den Rechennetzen sind nicht wirklich neue, aber eben andere
Medien denkbar: Virtuelle Realitäten, die manipulierbare, dreidimensionale Bild- und
Bewegungsräume zulassen, Panoramabilder, Eintauchen in künstliche Sinneswelten bis hin zu
den (maßlos übertriebenen) Vorstellungen des Cybersex [Coy 1997:169].
Online Computerspiele, MUDs (Multi-User-Dimension) und graphische Chats sind Beispiele
solcher, oftmals experimenteller Formate im Internet, denen in dieser Arbeit besondere
Aufmerksamkeit geschenkt wird5.
5
Zur ausführlichen Erläuterung von Online Computerspielen, Chats und MUDs siehe Kapitel III/3.3.
11
Ich werde im Folgenden also von der Annahme ausgehen, dass es sich bei den
Untersuchungsgegenständen dieser Arbeit um experimentelle Formate des Mediums Internet
handelt, welches sich die technologische Infrastruktur der Online-Simulationsmaschine
Computer zunutze macht. Dabei können mehrere, dem Internet spezifische Eigenschaften
herausgestellt werden: Das Medium Internet ist in der Lage, große Datenmengen zu speichern
und diese schnell zu übertragen. Derselbe „Kanal“ kann alle bekannten Medienformen
gleichzeitig distribuieren. Es handelt sich beim Internet um ein „many-to-many“ Medium mit
einer Knoten- oder rhizomatischen Struktur, anstatt einer hierarchischen Zentrum/Peripherie
Organisation. Zudem ermöglicht es eine besondere Form von Interaktivität, die Agency, was für
die hier im Mittelpunkt stehenden Spielformate signifikant ist, wie im Laufe dieser Arbeit
verdeutlicht werden soll.
12
1.2
Die Konstruktion einer neuen Welt
1.2.1 Technologische Grundlagen
Nachdem nun das medientheoretische Prinzip des Mediums Internet erläutert wurde, sollen im
Folgenden die technologischen Grundlagen und Funktionsweisen beleuchtet werden, um ein
besseres Verständnis der Thematik zu gewährleisten.
Das Internet nutzt eine weltweite Matrix6 von unzähligen Teilnetzwerken, verbunden durch
Gateways. Das Besondere an diesen Netzwerken ist, neben der zugrundeliegenden Technologie,
die weitgehende Unabhängigkeit von nationalen Grenzen und die relative Autonomie gegenüber
staatlicher, sowie institutioneller Kontrolle7. Allerdings unterliegt das Netz einer neuen Form
der Kontrolle und Einschränkung, auf die im Kapitel I/1.2 näher eingegangen wird. Die
zahlreichen Netzwerke werden durch über 8000 ISPs (Internet Service Provider) miteinander
verbunden und den Nutzern zugänglich gemacht. Die Matrix des Internets beherbergt
unterschiedliche Dienste, die besonders für den Daten- und Informationsaustausch geeignet
sind, wie Dateiübertragungsdienste (z.B. FTP, File Transfer Protocol) aber auch andere Formen
wie Diskussionsforen (z.B. Bulletin Board System), Terminalverbindungen wie FidoNET,
Telnet und E-Mail Funktionen oder das World Wide Web.
Das Prinzip des Datenaustauschs im gesamten Internet basiert schon seit dessen Anfängen auf
Redundanz der Leitungswege und auf Paket-Verbindungen, d.h. die Zerlegung der Daten in
kleine Pakete, die untereinander ausgetauscht werden. Die Kontrolle und Koordination des
Datenverschickens,
-zerlegens
und
Wieder-Zusammenfügens,
der
Absender-
und
Adressatenerkennung übernimmt hierbei das als weltweiter Standard anerkannte TCP/IP
Übertragungsprotokoll (Transmission Control Protocol/Internet Protocol). Dieses Protokoll
ermöglicht die dezentrale Verständigung und den Austausch zwischen unterschiedlichten
Betriebssystemen und Internetdiensten.
Der verbreitetste Dienst im Internet ist das World Wide Web, kurz WWW. Das WWW bietet
die Möglichkeit zur gleichzeitigen Darstellung verschiedener Textbausteine wie Textformen,
6
John S. Quarterman bezeichnet die Gesamtheit von Computernetzwerken, die das Internet, aber auch LANs (Local
Area Networks) und einseitig sendende Dienste wie Usenet einschließen, als Matrix [vgl. Quarterman 1994].
7
z.B. die ISOC (Internet Society) die für die weltweite Kooperation, Koordination und Ausbreitung des Internets
sorgt oder IAB, das „Internet Architecture Board“, das über Standards und Adressvergabe entscheidet.
13
Bild, Ton, Film oder Querverweisen. Zudem integriert das WWW die meisten anderen
Internetdienste wie E-Mail oder Chat-Systeme. 1989 wurde es von den Physikern Tim BernersLee8 und Robert Cailliau am europäischen Zentrum für Nuklearforschung CERN9 entwickelt
[Sandbothe 1997:58ff]. Das WWW basiert auf einem Hypertext-System (siehe Kapitel I/1.2), in
dem durch Anklicken besonders markierter Textstellen, den Links (innerhalb eines Dokuments)
und Hyperlinks (externe Dokumente), neue Dokumente an-navigiert werden können. Durch die
standardisierte
URL
(Uniform
Ressource
Locator)
wird
jede
Site
ohne
Verwechslungsmöglichkeit definiert. Die Hompages bzw. Webseiten sind Dateien, die sich so
durch jede Teilnehmerin der Matrix auffinden lassen.
Die Darstellung der verschiedenen Dokumente (Bild, Text, Ton, etc.) übernimmt ein
graphisches
Benutzeroberflächen-Programm,
der
Browser,
der
zusammen
mit
den
entsprechenden Hardware-Komponenten (z.B. Tastatur und Maus) als Verbindung zwischen
Nutzerin und medialem Text, dem Interface (siehe Kapitel I/1.4) dient. Der erste PC-fähige
Browser zur Interpretation der graphischen Anwenderoberfläche war MOSAIK, der 1993 vom
„National Center for Supercomputing Application“ (NCSA) entwickelt wurde. 1994 kam dessen
Nachfolger Netscape auf den Markt, wo er lange Zeit seine Vormachtstellung behaupten konnte,
bis er schließlich 1999 von seinem Hauptkonkurrenten, dem Explorer, eingeholt wurde. Neben
den beiden „großen“ Browsern existieren noch einige weitere Browser wie iCab (nur für
Macintosh), Opera oder NeoPlanet.
Einige Datenübertragungsdienste im Internet weisen eine zentrale Struktur auf (wie
beispielsweise Telnet). Das WWW hingegen ist durch seine dezentrale Struktur gekennzeichnet,
das auf einer Client-Server Architektur beruht. Jede Teilnehmerin kann in die Rolle der
Kundin/Rezipientin („Client“) schlüpfen und Internet Angebote abrufen oder bei Bedarf selbst
zur Produzentin/Senderin von Informationen werden und diese auf den Server kopieren. Die
technische Verständigung zwischen Client und Server erfolgt mittels des Hypertext Transfer
Protocol (HTTP), welches wiederum das TCP/IP Protokoll als Verständigungsverfahren nutzt.
Die Datensprache im WWW ist, neben graphisch orientierten Sprachen wie Flash oder Java
Script, meist HTML (Hypertext Markup Language), in das sich graphische Elemente sowie
Audioelemente einbinden lassen.
8
Tim Berners-Lee ist zur Zeit Leiter des W3 Concortium (W3C), das sich um die Standardisierung der InternetSprachen (Protokolle) kümmert. Link: http://www.w3.org
9
Conseil European pour la Recherche Nucleaire, gegründet 1954
14
.........................................................................................................................................................
Primäre Errungenschaft von HTML ist jedoch nicht die Interpretation unterschiedlicher
Elemente, sondern die Hypertextualität. Auf der Möglichkeit der direkten Links und Hyperlinks
beruht die Netzmetapher, die aus einem digitalen Datenchaos die neue Welt und Dimension des
„Webs“ erschaffen hat.
1.2.2 Der Zugang zum Internet
Die Netzwerk-Struktur des WWWs, welche theoretisch eine gleichberechtigte Partizipation aller
Beteiligten ermöglicht, leistete einer Reihe idealisierender Theoriemodellen Vorschub. Das
Internet gilt demnach als genuin emanzipatorisches Medium, mithilfe dessen sich die Bürgerin
oder Netizin10 gegen bestehende Herrschaftsstrukturen der alten – sprich nicht virtuellen Welt –
behaupten kann. Im Gegensatz zum Fernsehen habe das Internet das Potential, im Sinne von
Habermas [vgl. Habermas 1995:47ff] chancengleiche Diskurspartizipation zu bieten, was durch
die netzwerkartige Struktur des Netzes ermöglicht werde und die Vergesellschaftung durch
kommunikatives Handeln mit sich bringe [Berghaus 1999:51]. Howard Rheingolds „web
citizen“ nutzen das Internet bereits als Ort der herrschaftsfreien Gemeinschaftlichkeit [vgl.
Rheingold 1992, Rheingold 1993]. Die elektronische Agora wird so zur neuen Öffentlichkeit, in
der sich die Netizin in einer nie dagewesenen Weise an öffentlichen Diskursen beteiligen und
diese bestimmen kann11.
Ein ähnliches Bild weist Vilém Flussers [Flusser 1995] Utopie der telematischen Gesellschaft
auf. Sein Gesellschaftsbild zeichnet eine Gemeinschaft, die sich aus einem Netzwerk von
Menschen und Maschinen ohne Zentren und Machtkonzentrationen zusammensetzt. Die alte
Metapher des Sendens findet hier keinen Platz mehr. Vielmehr herrscht in der telematischen
Gesellschaft ein ausgewogenes Verhältnis von Dialogen und Diskursen. Da aber Technologien
Veränderungen katalysieren – „Veränderungen in dem, was wir tun, und in unserer Denkweise“
[Turkle in Schmitz 1995:3], schließt Flusser auf seinen „neuen Menschen“, den Homo ludens:
10
Netizin ist ein Ausdruck der sich an das amerikanische Wort „citizen“ anlehnt und damit entsprechende
ideologische Bedeutung erlangt. Allen Bürgern des Internets sollen dieselben Rechte zustehen, die den
amerikanischen Bürgern laut Verfassung zustehen.
11
Diese Ansätze werden unter dem Begriff „Kalifornische Ideologie“ zusammengefasst. Mehr hierzu bei:
http://www.ett.org/EFFdocs/about_ett.html, Barbrook & Cameron 1997, Rötzer 1996, Rötzer 1997.
15
Der neue Mensch wird nichts mehr zu tun haben wollen; er wird genießen wollen, was auf dem
Programm steht. Nicht Arbeit und nicht Praxis, sondern Betrachtung und Theorie werden sein
konkretes Leben charakterisieren. Nicht Arbeiter, Homo faber, sondern Spiel mit Formen, Homo
ludens, ist der Mensch der undinglichen Zukunft [Flusser 1995:164].
Während das Internet und speziell das WWW aufgrund seiner non-hierachischen Struktur
durchaus das Potential birgt, ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Sender und Empfänger
bezüglich der Diskursbestimmung zu fördern und diese als getrennte Entitäten sogar aufheben
kann, möchte ich hier der tatsächlichen Gebrauchsweise des Internets mehr Bedeutung
zukommen lassen. Deswegen wird im Folgenden zwar vom Internet als ideologischem
Konstrukt ausgegangen, das aufgrund seiner dezentralen Organisationsstruktur neue
Möglichkeiten der Distribution, Partizipation sowie Gemeinschaftsbildung bietet. Die
grundsätzliche Offenheit des Netzes wird jedoch durch zahlreiche Faktoren eingeschränkt.
Denn die typische Netizin ist eben nicht jeder beliebiger Mensch, sondern Angehörige der
„virtuellen Klasse“ [Barbrook & Cameron 1997:19], die sich vornehmlich aus dem Mittelstand
rekrutiert. Nach der ARD/ZDF Online Studie 2001 ist die Online-Nutzung in Deutschland
immer noch von klassischen Faktoren wie Alter, formalem Bildungsgrad, Beruf und Geschlecht
abhängig. Nach wie vor dominieren Männer mit höherer Bildung zwischen 20 und 39 Jahren
den Cyberspace. Jedoch zeichnet sich in vielen westlichen Ländern eine Ausbreitung der
Online-Nutzung in alle Schichten ab und auch der Anteil der Frauen und Mädchen hat in den
letzten Jahren stetig zugenommen.
Die signifikanteste Zugangsbeschränkung zum Internet ergibt sich aus der vielerorts schlicht
fehlenden oder unerschwinglichen Telekommunikations-Infrastruktur. Der Telefonanschluss ist
nach wie vor Voraussetzung, um „connected“ zu werden. Aber auch in infrastrukturell
bevorzugten Gebieten wie Deutschland ist die Internetnutzung von wirtschaftlichen Faktoren
abhängig. Die Telekom reagierte auf die zunehmende Nutzung des Internets mit drastischen
Erhöhungen der Ortsgebühren (von 23Pfg pro Anruf auf 24Pfg für 2 Minuten). Nicht nur die
Nutzung der Angebote, auch die Bereitstellung von Inhalten stellt eine zunehmende finanzielle
Belastung dar. In Deutschland wird der fließende Übergang von Sender zu Empfänger zudem
von dem hier üblichen Gebührenmodell beschränkt, das Anbietern der Infrastruktur (z.B.
Telekom) eine Gebühr für jeden „Hit“ (Besuch der Seite) zuspricht, der über eine vertraglich
geregelte Menge hinausgeht. Erfolgreiche Webseiten können demnach eine erhebliche direkte
finanzielle Belastung für die Betreiber darstellen12. Die Seite der Sender wird so im Vorfeld
12
Bei der erfolgreiche Big Brother Seite www.big-brotherhaus.de bestand ein Kooperationsvertrag zwischen
Endemol und der Telekom: Der Live Stream der besonders beliebten Kamera konnte nur mittels einer DSL Leitung
gesehen werden. Die Telekom profitierte so und für Endemol entstanden keine zusätzlichen Kosten.
16
nach finanziellen Faktoren selektiert und determiniert, und die Tendenz zu wenigen Anbietern
zeichnet sich dementsprechend ab.
Herrschaftsfreien „basisdemokratischen“ Tendenzen stehen zudem im Internet vielfältige
Kontrollorgane
und
-instanzen
gegenüber.
Kontrolle
erfolgt
jedoch
nach
neuen
Ordnungsvorstellungen, nationale staatliche Kontrolle wird durch eine globale, mediale
Ordnungsstruktur ersetzt [vgl. Coy 2000]. Microsoft und Netscape verfügen beispielsweise über
die Definitionsmacht der Netzsprachen wie HTML, da sie durch Bereitstellung der Browser
über tatsächliche Erweiterungen und Veränderungen entscheiden. Durch die hohen
Anschaffungskosten für entsprechende Apparate (Monitor, Computer, Modem, etc.) wird ein
großer Teil der Menschheit a priori vom Internet ausgeschlossen. Und letztendlich entscheiden
die Telefonkonzerne über die Entwicklung und Verbreitung der Infrastruktur des Netzes, ebenso
wie große Medienkonzerne wie Time Warner, Microsoft, AOL oder RTL das Internet inhaltlich
in ihren Besitz zu nehmen versuchen. „Die Demokratisierung der Gesellschaft durch die
Demokratisierung des Netzes blieb ein frommer Wunsch“ bemerken Lovink und Schulz in
Anbetracht solcher Tatsachen treffend [Lovink & Schulz 1997:349].
Den emanzipatorischen Eigenschaften des Netzes stehen also eine Reihe von ökonomischen und
wirtschaftspolitischen Faktoren gegenüber, die eine tatsächliche Aufhebung des Verhältnisses
Sender/Empfänger verhindern. Jedoch fördert das dezentrale Prinzip der Client-ServerArchitektur, die netzwerkartige Struktur sowie die digitale Technologie eine neue
Herangehensweise an Textproduktion und –rezeption. Innerhalb des Internets entstehen neue
Formen der Textrezeption, die zwar nicht unbedingt die gesellschaftlichen Verhältnisse
revolutionieren, aber ein neues Verständnis von Autorin/Leserin/Text bewirken. Wie schon
zuvor angesprochen, ermöglicht die technologische Basis eine direkte Teilhabe an einem Text,
anstatt wie bisher „nur“ die Interpretation desselben. Die netzwerkartige Struktur sowie das
Gefühl „im Internet zu sein“, trugen zu der Metapher des Raumes, des Cyberspace bei. „Im“
Cyberspace können Spiele gespielt und virtuelle Welten besucht werden. Cyberspace ist sowohl
gedankliches Konstrukt als auch konkrete Programmierung und wird im nächsten Teil
ausführlich erläutert.
17
1.3
Raumkostruktion Cyberspace
1.3.1 Virtual(real)ität
For the purpose of continuity in navigation, it is necessary to create a unified conceptualisation
of space spanning the entire Internet, a spatial equivalent of WWW. This has been called
“Cyberspace”, in the sense that it has at least three dimensions, but exists only as a “consensual
hallucination” on the part of the host and users which participate within it… Cyberspace is a
complete abstraction, divorced at every point from concrete representation [de Pesce 1994:1].
Der von de Pesce angesprochene und in den Neunziger Jahren gehypte Begriff „Cyberspace“ 13,
wurde von dem Romanautor William Gibson [Gibson 1984] in seinem Roman Neuromancer
geprägt. Ob es sich tatsächlich um eine konsensuelle Halluzination handelt, soll im Folgenden
geklärt werden.
Cyberspace ist heute als von einigen Anfangsvisionen entschlacktes Bedeutungskonstrukt in
den alltäglichen Sprachgebrauch eingegangen. Sowohl Cyberspace als auch „Virtual Reality“,
virtuelle Realität14, wurden im wissenschaftlichen Bereich zunächst zur Bezeichnung
audiovisueller Simulationstechnologien verwendet. Dies beinhaltete Datenanzüge und
Datenhelme, mit deren Hilfe die Nutzerin in die künstliche, dreidimensional graphisch gestaltete
Computerwelt eintauchen kann. Cyberspace ist aber nicht nur eine technologisch ausgefeilte
Programmiertechnik mit aufwendigem Interface. Die virtuelle Realität des Cyberspace entfaltet
sich dort, wo medial Vermitteltes nicht nur betrachtet oder gelesen werden, sondern auch aktiv
und ohne Zeitverzögerung mitgestaltet werden kann. Diese Rezeptionsweise ist nicht an visuelle
Darstellungen von aufwendig programmierten 3D-Welten gebunden, sondern lässt sich auch auf
den (Cyber-)Text anwenden, durch den die Leserin sich ihren Pfad mithilfe von aufeinander
verweisenden Textsegmenten bahnt (siehe Kapitel II/2.1). Versteht man Medien im Generellen
als Zeichenvermittler, also als gleichzeitigen Überträger und Erzeuger des symbolischen
Austauschs, so ist das Charakteristische am Internet, dass hier, im Gegensatz zum Fernsehen,
die direkte Möglichkeit zur Wechselwirkung mit diesen symbolischen Strukturen gegeben ist.
13
Cyberspace leitet sich von Kybernetik ab und ist somit einerseits ein Verweis auf einen der Urväter des
Cyberspace, Norbert Wiener und andererseits eine direkte Herleitung des griechischen Worts für „Steuermann“.
14
Virtuelle Realität: Vom Computer simulierte Wirklichkeit, künstliche Welt, in die man sich mithilfe der
entsprechenden technischen Ausrüstung scheinbar hineinversetzen kann; virtuell [lat.]: a)entsprechend seiner Anlage
als Möglichkeit vorhanden, die Möglichkeit zu etwas in sich begreifend; b) nicht echt, nicht in Wirklichkeit
vorhanden, aber echt erscheinend, dem Auge, den Sinnen vortäuschend [Duden 2001].
18
Die Virtualisierung, die sich als verschiedenste Cybertexte manifestiert, kann somit auch als
eine besondere Form der Interaktivität betrachtet werden.
Allerdings muss sich das Internet bzw. die digitalen „Neuen Medien“ häufig der Kritik
aussetzen, dass der Akt der Virtualisierung die Wirklichkeit annuliere. Jean Baudrillard
[Baudrillard 2001] beschreibt die virtuelle Realität als Hyperrealität, als Ort, der Reales in
Simulation umwandelt, der Ort, an dem die Simulation der Realität zur Perfektion gebracht wird
und nur der Schatten des Realen, die Hyperrealität bleibt. Alles wird zum Simulakrum, in dem
lediglich perfekte Kopien ohne ihre Originale und damit ohne jede echte Bedeutung existieren.
Hierbei übersieht er jedoch, dass die Bedeutung nie in den Zeichen selber liegt, sondern sich
erst im Akt der Interpretation durch die Nutzer konstruiert [vgl. Mikos 1994b:191]. Folgt man
hingegen dem radikalen Konstruktivismus, werden Begrifflichkeiten wie Realität oder
Virtualität per se hinfällig, da medial konstruierte Wirklichkeit sich nicht von der „echten“,
körperlichen Realität unterscheidet [vgl. Foscht 1998:183].
Die teilweise sehr unterschiedlichen Ansätze zur Definition von Realem und Nichtrealem
erklären sich aus dem generellen Paradigmenwechsel der Moderne zur Postmoderne. Benjamin
Woolley [Woolley 1992:180] beschreibt diesen Zustand folgendermaßen: „Die künstliche
Realität ist der authentische postmoderne Zustand und die virtuelle Realität ihr definierter
technischer Ausdruck“. Nicht nur philosophische Neuauffassungen von Realität, sondern auch
mathematisch-physikalische
Erneuerungen
wie
die
Quantenmechanik
und
das
Unbestimmtheitsprinzip tragen zu einem neuen Realitätsverständnis bei, indem sie den Glauben
an eine einzige, feststehende äußere Realität in Frage stellen [vgl.ebd.:248]. Das bedeutet jedoch
nicht, dass die Existenz der Realität als solche hinfällig geworden wäre. Schließlich leben die
Menschen im Alltagsleben mit den von ihnen als Realität gleichgesetzten Vorstellungen der
Realität und nehmen diese als Grundlage ihres Handelns.
Eine extensive Auseinandersetzung mit diesem Thema im Rahmen dieser Arbeit führt jedoch zu
weit. Im Folgenden wird deswegen von einer äußeren Realität ausgegangen, die sich zwar nicht
überprüfen lässt, aber an die sich durch den Akt der Interpretation angenähert werden kann.
Dabei ist die Interpretation des Äußeren von der Bedingtheit des interpretierenden Subjekts
abhängig. Es ist also keine objektive Realität, sondern eine „metaphorische“, die ihre Bedeutung
zudem aus dem jeweiligen historisch-gesellschaftlichen Kontext gewinnt [Mikos 1994b:194].
Aufgrund der Einbettung von Realität in den gesellschaftlich-historischen Diskurs, führt die
„Pluralität von Welten“ [Münchrath 1998:109] dann auch nicht zur Isolation der einzelnen
19
Individuen, sondern zu generellen Übereinstimmungen in der Wahrnehmung, auf deren Basis
Verständigung und Kommunikation stattfinden.
Da Wirklichkeit sich über Interpretation, also Beschreibung und damit Sprache konstituiert15, ist
Wahrnehmung kommunikatives Handeln, ein ständiger Interaktionsprozess zwischen Subjekt
und Außenwelt. Internetformate wie Online Computerspiele oder Chats nutzen die Besonderheit
des Internets als interaktives many-to-many Medium, Menschen, während der Rezeption eines
medialen Textes in einer simulierten Umgebung, zu verbinden. Die synchrone Anwesenheit
Anderer ermöglicht eine direkte Überprüfung der Wahrnehmung durch den Akt des
kommunikativen Austausch16. Dies hat Signifikanz, da die medial vermittelten Zeichen ihre
Bedeutung und damit ihren Realitätsstatus erst „im Prozess der Aneignung als sozialer
Aushandlungsprozess im Rahmen lebensweltlicher Verweisungszusammenhänge“ erlangen
[Mikos 1994b:189].
Kern der Diskussion über die Gefahr der Virtualisierung scheint also nicht die Frage nach
Realität/nicht-Realität, sondern vielmehr die der Unterscheidungskompetenz auf Nutzerseite
zwischen Realität und Fiktion zu sein. Auch anderen Medien, wie dem Fernsehen, wurde die
Eigenschaft zugesprochen derartig realistische Abbildungen der Realität zu produzieren, dass
Zuschauer nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden könnten. Doch die
Behauptung, Fernsehen führe - gerade bei Kindern – unweigerlich dazu, Fiktion nicht mehr von
real Erlebtem zu unterscheiden, musste differenzierteren Meinungen der Rezeptionsforschung
weichen [vgl. Wersig 2001]. Medien können durchaus die „Wirklichkeit“ verzerren, indem sie
sich selbst als Wirklichkeit und nicht deren Abbild ausgeben. Doch wenn „Götz George ein
Autogramm enttäuscht zurückerhält mit der Bemerkung ‚ach so, ich dachte sie seien der
Schimanski’, dann liegt ein Mangel an Urteilskompetenz auf Seiten der Zuschauer vor“
[Roesler 1999:217]. Eine solche Rezeptionshaltung würde auf einen sozio-kulturellen Kontext
schließen lassen, in dem kein Wissen über entsprechende mediale Formate enthalten ist. Doch
spielerische Internetformate bauen ebenso wie alle anderen medialen Texte auf bereits
vorhandenem Wissen der Nutzer auf und befinden sich mit diesen in einem dynamischen
Prozess der Interaktion [Mikos 2001:70]. Dabei bauen sie auf dem generellen Weltwissen bzw.
Alltagswissen ihrer Rezipienten, aber auch auf narrativem Wissen bekannter Formate wie
15
„Menschen können über Gegenstände sprechen, da sie die Gegenstände, über die sie sprechen, eben dadurch
erzeugen, dass sie über sie sprechen“ [Maturana in Merten 1999:95].
16
Dem Fernsehen als one-to-many Medium lässt diese direkte Überprüfung zwar per se nicht zu, doch wird auch hier
im Alltagsleben durch beispielsweise Fernsehen mit Freunden oder der Familie, eine direkte Überprüfung der
Wahrnehmung im kommunikativen Interaktionsprozess möglich.
20
Romane, Film oder Fernsehen sowie auf strategischem Wissen früherer Spielhandlungen wie
kindlichem Rollenspiel, Gesellschaftsspiel oder auch Offline Computerspiele auf. Die
Möglichkeit, mit Hilfe computerbasierter Technologien immer realistischer scheinende
Umgebungen zu schaffen, die im Internet von vielen Menschen gleichzeitig besucht werden und
synchron und in Echtzeit verhandelt werden können (vgl. hierzu Kapitel III/3.1), mag zwar
ebenso „bedeutsam wie die Entwicklung des Films“ sein [Woolley 1992:62], unterscheidet sich
aber in seinem Existenzmodus nicht von anderen medialen Wirklichkeitskonstruktionen.
Das Besondere am Internet ist also nicht, „realer“ zu sein als die Realität, sondern seine
Eigenschaft der speziellen Form der medialen Interaktion, die hier herausgestellt wurde. Dabei
konstituiert sich die virtuelle Realität nicht allein aus den beschriebenen kognitiven Aktivitäten
der Nutzerin, sondern auch durch sinnliche Aktivitäten [Mikos 1994b:200]. Erst durch die
Schnittstelle – Tastatur und Maus oder Datenhelm und Datenhandschuh – realisiert sich der
Cyberspace in der konkreten Anwendung. Die Attraktivität des Cyberspace ist zum Teil auf die
Besonderheit zurückzuführen, dass das Virtuelle gefühlt werden kann.
In der virtuellen Umgebung des Cyberspace können Situationen und Charaktere ausgelebt
werden, die sich vom Alltag unterscheiden. Cyberspace zu „machen“ ist demnach vergleichbar
mit dem Kinobesuch oder dem Fernsehen. Es ist eine Erweiterung der Erfahrungswelt, um der
menschlichen Vorstellungskraft Platz zu bieten. Aber damit wird auch deutlich was Cyberspace
nicht ist: Cyberspace ist kein Ort, er ist fundamental „Antispatial“. Die Nutzerin geht nicht zum
Internet, sie logged sich ein [vgl. Mitchell 1995].
1.3.2 Die technische Erschaffung des Raumes
Das Internet ist folgerichtig etwas zu Durchquerendes und nicht ein vorgefertigter Raum. Erst
im Akt der Navigation konstruiert sich Cyberspace. Technisch wird das Navigieren durch den
nichtexistenten Raum mit Hilfe der 2D und 3D Computertechnologie ermöglicht. Besonders im
graphischen Chat und bei graphischen MUDs werden 2D und 3D Programme eingesetzt.
VRML, Virtual Reality Markup Language ist die Programmiersprache, die virtuelle Welten
modellieren kann, Landschaften aus dreidimensionalen Objekten, die aus allen Perspektiven
betrachtet und „durchwandert“ werden können. Das im August 2001 vom Web3D Consortium
21
gelaunchte Programm X3D („eXtensible 3D) zeugt von der zunehmenden Anerkennung von
3D-Oberflächen als Konvention graphischer Umgebungen im Internet.
Ziel der Programme ist, eine möglichst detailreiche Auflösung zu erzeugen, wodurch der
Realitätseffekt erhöht wird. Pixeldichte, Farbe und photorealistische Elemente spielen hier eine
Rolle. Aber auch die zeitliche Auflösung wie Anzahl der Frames oder Geschwindigkeit des
Betriebssystems sind wichtige Komponenten, um die Illusion einer virtuellen Realität zu
erzeugen. Ein Puzzle oder Sammelsurium aus verschiedensten Objekten schafft so die
Scheinwahrheit von Räumlichkeit. Gegenstände und Umgebung gehen keine Verbindung
miteinander ein, eine Räumlichkeit wird durch die Montage von 2D Elementen lediglich
vorgegaukelt. Die Vorstellung von Dreidimensionalität und Räumlichkeit im Netz erweist sich
somit als technisches und mentales Konstrukt. Ein VRML Ordner beinhaltet zwar eine Vielzahl
verlinkter Elemente, diese bilden jedoch keine natürliche Einheit. Es handelt sich um
unterschiedliche Informationen, die auf einem Server auf ihren Abruf warten. Typische 2D oder
3D Umgebungen im Internet ermöglichen es der Nutzerin meist in Form eines graphischen
Stellvertreters, eines Avatars, die Welt oder das Spielfeld zu betreten. Der Avatar ist dabei auf
die Hintergrunddarstellung aufkopiert. Während der Avatar von der Nutzerin kontrolliert wird,
ist der Hintergrund von einem Betreiber einer solchen virtuellen Umgebung bereitgestellt. Die
Verkürzung bzw. Eliminierung der Zeitspanne zwischen Aktivierung eines Vorgangs und der
Darstellung desselben, also die Darstellung in Echtzeit, war basal für die Entwicklung heutiger
3D Echtzeit Anwendungen.
22
1.3.3 Räumlichkeit als Metapher
The uncertainties and dangers of the bitsphere frontier are great, but it is a place of new
opportunity and hope. So forget the global couch-potato patches that Marshall McLuhan
surveyed back in the sixties. This will be the place for a global village [Mitchell 1995].
Diese sehr „kalifornische“ Imagination des Netzuniversums zeichnet William J. Mitchell in
seinem Buch City of Bits [Mitchell 1995]. Es ist die Metapher des Internets als Wilder Westen
(frontier), der besiedelt und befriedet werden muss, einem Raum, der unendlich groß ist und in
dem es im Gegensatz zur „echten Welt“ keine Über- und Unterprivilegierten geben soll. Der
Besucher dieser Welt ist der einsame amerikanische „Explorer“17, welcher die Wildnis
erforscht. Im Bereich der Computerspiele ist der „Explorer“ besonders gut aufgehoben, wenn
die Handlung auf einer Steigerung und Verbesserung der erforderten Fähigkeiten beruht. Dies
trifft sowohl auf einige Ego Shooter wie DOOM [id-software 1993] zu, aber auch auf
Adventure Games wie TOMB RAIDER [Eidos 1996] oder Action Spiele wie MARIO
[Nintendo 1985]. Wie im Kapitel II/2.3 zum Spielbegriff noch ausführlich erläutert, können
diese Spiele als zielorientiert oder resultatsorientiert betrachtet werden. In DOOM möchte die
Spielerin gewinnen, indem sie alle Gegner vernichtet, TOMB RAIDER setzt als Belohnung das
Erreichen weiterer Levels aus und wirkt so motivierend. Das Lösen der Rätsel und das
Bezwingen der Gegner oder das Überwinden von Hindernissen (MARIO) sind (lustbringende)
Mittel, um nicht zu verlieren. Vorderer [Vorderer 1996:314] erklärt dies mit dem hedonistischen
Wert, den Auseinandersetzungen mit Medientexte ihren Nutzern bringen, indem sie durch eine
gewisse Neuartigkeit einen Erregungszustand der Neugierde auslösen. Es ist somit eine auf
Erforschung, Bezwingung und Gewinnen ausgerichtete Art der Neugier, welche die Nutzerin
motiviert und ihr Vergnügen bereitet.
Diesem populären Modell des Erforschers im Cyberspace steht der Spaziergänger oder „NetzDandy“, eine Analogie des europäischen Flaneurs, gegenüber [vgl. Adamowsky 2000:184ff].
Von Charles Baudelaire 1863 erstmals beschrieben, ist der Flaneur ein anonymer Beobachter,
der sich durch die Menge der Großstadt treiben lässt:
To the perfect spectator, the impassioned observer, it is a immense joy to make his domicile
amongst numbers, admidst fluctation and movement, admidst the fugitive and infinite...To be
away from home, and yet to feel at home; to behold the world, to be in the midst of the world
and yet to remain hidden from the world [Baudelaire in Manovich 1998:16].
17
Bezeichnenderweise ist dies der Name des inzwischen weltweit führenden Internet-Browsers.
23
Der navigierbare Raum definiert sich so als durch den Prozess der Wahrnehmung Konstruiertes.
Denn erst durch die Betrachtung durch das Subjekt reagiert die Umgebung als solche. Die
heutige Netzsurferin macht dieselbe Erfahrung, wenn sie sich in den Datenstrom einloggt, sich
in den favorisierten Chat oder ins Online-Spiel begibt und sich, hinter der sicheren Anonymität
ihres Avatars, in das Getümmel des Netzes stürzt. In dieser Umgebung ändert sich die Art der
Wahrnehmung, Rezeption ist „a received perception mediated through presentation and a travel
in an imaginary flanerie through an imaginary elsewhere and an imaginary elsewhen”, die Anne
Friedberg [Friedberg in Manovich 1998:18] als „mobilized virtual gaze“ bezeichnet.
Just as the original flanêur of Baudelaire, the virtual flanêur is happiest on the move, clicking
from one object to another, traversing room after room, level after level, data volume after data
volume. Thus, just as the database form can be seen as an expression of ‘database complex’, an
irrational desire to preserve and store everything, navigable space is not just a purely functional
interface. It is also an expression and gratification of psychological desire; a state of being, a
subject position – or rather a subject trajectory [Manovich 1998:19].
Die Metapher des Flaneurs beschreibt so die generelle Positionierung der Nutzerin im
Cyberspace des Internets. Lässt sie sich auf bestimmte Formate bei ihrem Spaziergang durch
das Internet näher ein, kann jedoch die erforschende Neugier zur Rezeptionsmotivation werden.
Neben dem Vergnügen des Spazierens/Navigierens/Hindurchgleitens durch die Simulation
eines physikalischen Raums und dem Vergnügen, das dessen Erforschung bietet, ist auch die
neue Form der Organisationsstruktur und Wissensorganisation, die sich in der Segmentierung
und Visualisierung der Datenverarbeitung ausdrückt, motivierend. Anstatt zu einem
Überblicksmangel oder zur „endgültigen Unübersichtlichkeit“ zu führen [vgl. Schneider 1997;
Neuhaus 2000], sind diese Aktionen für die „Lust“ der Mediennutzerin mitverantwortlich [vgl.
Manovich 1998].
Beide Formen des Navigierens – das Erforschen und das Flanieren – setzt ein antwortendes
System voraus, das auf die Orientierungsbemühungen der Nutzer reagiert. Es ist eine
„participatory pleasure“, ein „teilhabendes Vergnügen“ [Murray 1999:129], welches eine
besondere Form der Interaktivität, die Agency voraussetzt. Agency entsteht dann, wenn die
eigenen Aktionen sichtbare und fühlbare Resultate hervorbringen: „When the things we do
bring tangible results, we experience the […] characteristic delight of electronic environments –
the sense of agency” [Murray 1999:126]. Im Gegensatz zur Interaktivität im traditionellen Sinn,
fordert Agency mehr als reine physische Betätigung. Das Gefühl der Agency konstituiert sich
aus der Befähigung, am Geschehen teilzuhaben und es beeinflussen zu können. Agency als
ästhetisches Vergnügen zeigt sich sowohl in spielerischen Formaten als auch im digitalen Raum
im allgemeinen, in der Möglichkeit und dem Vergnügen der Navigation.
24
Metaphern des Cyberspace fließen nicht nur in die allgemeinen Vorstellungen der zukünftigen
Netzanwendungen ein, sie stellen auch die kommunikationswissenschaftlichen Modelle bereit,
die schließlich technisch implementiert werden. Die ausgeführte Raummetaphorik beeinflusst
dementsprechend auch die Programmierpraxen. Cyberspace wird als geometrischer Raum mit
einem cartesischen Koordinatensystem verstanden, entsprechend wird es programmiert und
kann deshalb von den Nutzerinnen auch so, und nicht anders wahrgenommen werden [vgl.
Gunkel&Gunkel 1997:126].
Cyberspace ist also eine simulierte Modellwelt, die sich sowohl als mentales Konstrukt,
beispielsweise als Metapher des amerikanischen Westens oder einen endlosen Ozean, den es zu
durchqueren, zu (durch-)navigieren gilt, als auch als visualisierte 2D/3D Graphik auf dem
Bildschirm präsentiert. Dabei realisiert sich der Cyberspace in der konkreten Anwendung erst
durch eine Schnittstelle. Diese Schnittstelle, das Interface vermittelt zwischen Mensch und
Maschine
und übersetzt unsere
Handlungen
in
binäre Codes.
Eine reibungslose,
unmissverständliche Übersetzung ist ohne Zweifel essentiell, doch verlangt auch jede
Anwendung ihr eigenes, maßgeschneidertes Interface. In einigen Fällen mag ein auf wenige
Funktionen reduziertes Interface von Vorteil sein, da hier nicht unnötig vom Wesentlichen
abgelenkt wird. Für andere Anwendungen wiederum wäre eine Einschränkung der
verschiedenen Möglichkeiten störend. Das folgende Kapitel befasst sich eingehend mit den
konzeptuellen und ästhetischen Aspekten des Interface, die für graphische spielerische Formate
im Internet von Bedeutung sind.
25
1.4
Das Interface – Schnittstelle Mensch/Maschine
1.4.1 Historische Entwicklung
Der Computer ist zwar theoretisch in der Lage, sämtliches existierendes Material zu
repräsentieren und manches zu simulieren, doch bedarf es dazu einer Schnittstelle, die für den
kommunikativen Austausch zwischen Menschen und Maschine sorgt. Denn ebenso wie für
jeden Gebrauchsgegenstand ein Interface notwendig ist – wie z.B. eine Türklinke zum Öffnen
der Tür – ist ähnliches auch für den Computer notwendig. Funktioniert das Interface schlecht,
funktioniert auch die Partizipation nicht mehr. Gerade bei spielerischen Formaten, die auf dem
Prinzip der Teilhabe, der Agency beruhen, ist die direkte Manipulation durch ein
entsprechendes Interface von besonderer Bedeutung.
Zwischen der universalen Sprache des Computers, dem binären Code, und der menschlichen
Sprache stehen eine Reihe von Compilern (Interpretationsinstanzen) [vgl. Harpold 2001]. Die
Instanz, die zwischen dem „End-User“ und dem Computer steht, ist das Human Computer
Interface, kurz HCI18. Dieses umfasst neben dem physischen Input und Output (normalerweise
durch Monitor, Keyboard und Maus oder Joystick) auch die verwendeten Metaphern zur
Konzeptualisierung und Organisation von Datenmaterial, wie es bei der Schreibtischmetapher
von Windows heute der Fall ist19.
Einer der Vordenker heutiger, moderner Interfaces ist Douglas C. Engelbart, Gründer des
Forschungsinstituts PARC, der schon 1950 die Notwendigkeit sah, eine enge Verbindung
zwischen den „Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeiten der Menschen einerseits und den
Wiedergabe- und Rechenfähigkeiten des Rechners andererseits herzustellen“ [Rheingold
1992:105]. Aus diesen Überlegungen heraus wurde beispielsweise die Maus erfunden, die es
ermöglicht, durch natürliche Bewegung anstatt durch komplizierte Steuercodes mit dem
Computer zu interagieren. Etwas später, 1976, entwarf Nicholas Negroponte die Idee des
„Gedächtnisbüros“, in dem der Bildschirm als metaphorischer Schreibtisch voller Gegenstände
dienen sollte. Tatsächlich wird heute in den einschlägigen Forschungsinstituten längst schon mit
18
Das Interface graphischer Umgebungen wird auch als GUI (graphical user interface) bezeichnet. Da diese
Begriffsdifferenzierung für die weiteren Ausführungen keine Relevanz hat, wird der von Manovich [vgl. Manovich
1997] verwendete Begriff HCI im Weiteren benutzt.
19
Den Durchbruch erlangte diese Art HCI 1984 mit Einführung der Windows-Metapher von Apple Macintosh. Die
veraltete Metapher der Seite eines Buches für die Schrift in digitalen Medien, wird von der Hypertext Metapher der
(endlosen) überlappende Fenster abgelöst.
26
aufwendigen Installationen wie Datenhandschuhen und Datenhelmen das zukünftige Zeitalter
des „unsichtbaren“ Interfaces erforscht. Die Maxime lautet hierbei, dass der beste Computer
derjenige ist, den man gar nicht mehr sieht, nach der Devise: „The real world is the best user
interface there is. And it’s an invisible interface“ [Miller in Harpold 2001:17], eine Aussage, die
im nächsten Kapitel kritisch aufgegriffen wird. Doch neben den zukunftsorientierten
Forschungen gibt es auch Bedarf an Konzepten, die der gegenwärtigen Situation gerecht
werden.
1.4.2 Das Interface als kulturelle Praxis
Brenda Laurel machte Anfang der Neunziger Jahre auf die Bedeutung des Interface
aufmerksam: „The Interface is the thing that we communicate with – the thing we “talk” to- the
thing that mediates between us and the inner workings of the machine.” [Laurel 1993:xvii].
Durch das HCI wird der mediale Inhalt für den User erst sichtbar. Ist das Interface jedoch nicht
in einer adäquaten Weise auf die Kommunikationsanforderungen abgestimmt, kann es die
Nutzerin bei ihrem Vorhaben aber auch behindern. Indem Laurel eine Analogie vom Computer
zur Theaterbühne herausarbeitet, bemüht sie sich um die Optimierung der Interfaces durch ein
besseres
Verständnis
ihrer
Funktionsweise
[vgl.
Laurel
1993].
So
können
die
Übersetzungsleistungen der dem Mensch und der Maschine zwischengeschalteten Compilern
als analog zu der Technik im Backstage Bereich einer Bühne gesehen werden. Die Nutzer
werden so zu Zuschauer und zugleich Agenten20 bzw. Akteuren auf der Bühne Bildschirm.
Neben den menschlichen Agenten wird die virtuelle Bühne auch von künstlichen Agenten
(Bots) und Objekten (Fenster, Gegenstände, Ordner, etc.) bevölkert. Welche Soft- und
Hardware zur Realisation der Repräsentation verwendet wird, spielt nur insofern eine Rolle, als
dass sie die Bühnenpräsenz determinieren kann. In ihrem technischen Modus bleiben sie jedoch
im Backstage Bereich, hinter den Kulissen verhaftet. Das Theater dient dabei nicht nur als
Metapher, vielmehr eignet es sich deswegen als Modell, da es das älteste „User“-Interface ist,
das als fundamentale „Zuschauer“ Technologie schon Medien wie Film und Fernsehen Pate
gestanden hat.
20
Nach Aristoteles sind Agenten Personen, die eine Aktion ausführen oder initiieren [vgl. Laurel 1993:46ff, 60ff].
27
Für graphische Unterhaltungsformate im Internet bietet dieser Erklärungsansatz von
Interaktivität eine gute Grundlage, da er auf Agency verweist. Nicht zählbare Häufigkeit und
Rate von „Klicks“ mit unmittelbarer Auswirkung, sondern die Möglichkeit, an Aktionen
innerhalb der Repräsentation teilhaben zu können, ist gemeint. Es ist eine Art „sensory
immersion and the tight coupling of kinesthetik input and visual response” [Laurel 1993:21], die
sich in interaktiven Formaten, wie Online Computerspielen oder graphischen Chat,
manifestieren kann. Der filmische Aspekt wird auch von Lev Manovich [Manovich 1997:2]
betont, der im HCI ein „cultural interface“ sieht, durch das traditionelle Kulturtechniken im
„Metamedium“ Computer transformiert werden. Er extrahiert drei Schlüsselformen der “cultural
interfaces”, durch die heute Datenmaterial ästhetisch strukturiert wird: das kinematographische
Interface, das schriftliche Interface und das universelle Human Computer Interface. Das HCI
transformiert die beiden anderen „cultural interfaces“ in ein neues Medium, den Computer und
erweitert sie um den Aspekt der direkten Teilhabe der Nutzerin an der repräsentierten Aktion.
Die kinematographischen Elemente in Online Formaten erlangen momentan an immer größerer
Bedeutung und bestimmen zunehmend die 3D Programmierung21 und damit die Ästhetik der
entsprechenden digitalen Umgebungen. Filmische Konventionen wie Dolly und Zoom Fahrten,
Perspektivenwechsel oder Off-Screen Raum sind zum festen Bestandteil geworden. Populäre
Computerspiele wie TOMB RAIDER verdeutlichen derart filmische Merkmale: Je nach
dramaturgischer Notwendigkeit wird hier beispielsweise zwischen subjektiver Kamera und
Vogelperspektive gewechselt. Auch der Off Screen Raum erhält eine wesentliche Bedeutung, da
hinter jeder momentan noch nicht sichtbaren Ecke die nächste Gegnerin lauern kann. Ebenfalls
üblich sind traditionelle filmische Sequenzen, die zwischen die Spielphasen eingeflochten
werden.
Ästhetische Strategien des Kinos haben also einen deutlichen Einfluss auf graphische Online
Umgebungen. Dabei oszillieren sie zwischen den scheinbar unvereinbaren Elementen Spiel und
Erzählung, zwischen Interaktivität und Immersion22.
In general, cultural interfaces of the 1990’s try to walk an uneasy path between the richness of
control provided in general-purpose HCI and an “immersive” experience of traditional cultural
objects such as books and movies [Manovich 1997:14].
21
Die meisten der internetfähigen 3D Darstellungen basieren auf VRML (Virtual Reality Modeling Language)
und/oder Java.
22
Immersion: lat. „Eintauchen“; Einbetten eines Objektes in eine Flüssigkeit.
28
Das moderne Interface orientiert sich nicht umsonst an bereits bekannten Konventionen des
Kinos. Je vertrauter die Anwenderoberfläche und die graphischen Darstellungen, desto weniger
Irritationen lösen sie aus. Von Bedeutung ist nämlich nicht, dass das Interface unsichtbar wird,
sondern dass dessen Bedienung in den Hintergrund tritt. Nach Adamowsky [Adamowsky
2000:179] kann die Nutzerin die Schnittstelle dann vergessen und in den Hintergrund treten
lassen, wenn „Leute miteinander reden, spielen, streiten und dann, allen Materialitäten zum
Trotz, das Interface plötzlich durchlässig wird für das ´Land hinter den Spiegeln`“ [ebd.:179].
Das subjektive Gefühl „im“ Internet zu sein, interne Beobachterin oder Teilhaberin einer
künstlichen Welt zu sein und von dem Medium umgeben zu sein, das Erlebnis der Immersion,
wird so auch mit Tastatur und Maus möglich.
29
1.5
Zusammenfassung und Wertung
Die vorangegangenen drei Kapitel haben einen Überblick über das Medium Internet mit seiner
technischen Vermittlungsweise, konkreten Vermittlungswegen, dem gesellschaftlichen Diskurs
Internet,
in
dem
sich
die
gesellschaftliche
Wahrnehmungsdispositionen
der
Zuschauer
Konstitution
gegeben.
Dabei
niederschlägt
konnten
aufgrund
sowie
der
Weitläufigkeit des Themas bestimmte Punkte nur angerissen und skizziert werden, andere
wiederum fanden gar keinen Platz. Zu nennen wären hier beispielsweise die KünstlicheIntelligenz Forschung oder die Debatte rund um das interaktive Fernsehen.
Ohne Vollständigkeitsanspruch sollte ein genereller Einblick in die aktuelle Mediendebatte und
ihre technischen Grundlagen gewährt werden. Dabei wurde das Internet als Medium, welches
die technologische Infrastruktur der Online Simulationsmaschine Computer als Grundlage hat,
definiert. Als Besonderheit des Internets wurde dessen Eigenschaft als interaktives, Agency
förderndes, „many-to-many“ Medium herausgestellt, in dem das Konzept von Text/Rezipienten
und Sender/Empfänger neu überdacht werden muss.
Technisch gestaltet sich das Internet als weltweite Matrix von Computernetzwerken, das
verschiedene Dienste, allen voran das WWW, beinhaltet. Die rhizomatische, hypertextuelle
Struktur des WWWs hat dazu beigetragen, dass das Internet vielerorts als genuin
emanzipatorisches Medium betrachtet wurde, durch das die Welt zu einem besseren
(amerikanisch-demokratischen) Ort würde. Derartige Thesen wurden jedoch als ideologische
Utopien entlarvt, wobei auf diverse wirtschaftspolitische Zugangsbeschränkungen und –
Regelungen hingewiesen wurde. Auch die These, die Sender/Empfänger Grenzen würden sich
zunehmend verwischen muss durch die pragmatische Einsicht eingeschränkt werden, dass der
Großteil der (attraktiven) Internetangebote entweder von staatlichen Institutionen (z.B.
Universitäten) oder von Medienmoguls wie American Online oder Microsoft produziert wird.
Daran schließt sich die Einsicht, dass es nicht an erster Stelle die Technologien sind, welche die
Gesellschaft verändern, sondern die Art und Weise, in der wir sie nutzen. Wenn das Internet
dementsprechend auch nicht als genuin emanzipatorisches Medium gelten kann, so verhilft es
dennoch zu einem neuen Autorin/Text/Leserin Verständnis, in dem die Leserin zur Teilhaberin
oder Agentin innerhalb einer virtuellen Umgebung wird, was als grundlegend für das
Computerspiel im speziellen und spielerischen Online-Formaten im allgemeinen betrachtet
werden kann.
30
Die jeweilige virtuelle Umgebung manifestiert sich dabei im Cyberspace, einerseits eine
aufwendige (3D) Programmierung (z.B. VRML und/oder Java), andererseits ein mentales
Konstrukt. Cyberspace oder virtuelle Realität ist die spezifische Art und Weise des Mediums
Internet mit der Realität umzugehen, sie „abzubilden“ oder zu spiegeln. Das Internet muss sich
dabei dem altbekannten Vorwurf aussetzen, „realer“ zu sein als die Wirklichkeit selbst, ein
Vorwurf, dem entgegengesetzt werden kann, dass in unserer Gesellschaft die Nutzer über ein
ausreichendes Maß an Medienkompetenz verfügen, um zwischen Fiktion und real Erlebtem zu
unterscheiden.
Die konkrete Visualisierung der virtuellen Realität erfolgt bei Spielformaten heute meist durch
aufwendige 3D Simulationen, die in Echtzeit auf die Aktionen der Nutzer reagieren. Dies
ermöglicht ein visualisiertes „Flanieren“ oder Navigieren durch den Raum, wobei das
Navigieren selbst, neben dem auf Neugier beruhenden Prinzip der Erforschung, zu einem der
wesentlichen Lustfaktoren der Rezeption wird. Um diesen Prozess zu ermöglichen, bedarf es
einer Schnittstelle zwischen Mensch und Computer, dem Interface, das derart gestaltet sein
sollte, dass es während der Bedienung vergessen werden kann.
Die bisher herausgearbeiteten Punkte sollen auch in der späteren Analyse (siehe Kapitel IV)
besonders berücksichtigt werden. Wichtig ist hierbei, dass eine rezeptionsorientierte
Untersuchung, die nach Motivation und Vergnügen der Rezipientin fragt, die Besonderheit des
Internets als Agency förderndes many-to-many Medium beachten muss. Dies bedeutet eine
genaue
Überprüfung
dieser
Komponenten
an
Nutzerin
und
Format
selbst.
Das
Neugiermotivationsprinzip und die Navigation im allgemeinen zeichnen sich bereits hier als
wichtige Elemente für die spätere Analyse ab.
Wie in den vorangegangenen Ausführungen ebenfalls ersichtlich wurde, sind Diskussionen über
Neue Medien oft von ideologischen – positiven oder negativen – Erklärungsansätzen geprägt.
Diese Debatte soll jedoch für diese Arbeit als ausreichend diskutiert betrachtet werden.
Medientexte sind durchaus in der Lage herrschende Machtverhältnisse zu reproduzieren sowie
die Wirklichkeit zu verzerren. Diese, besonders für Gender Debatten interessanten Fragen,
sollen jedoch hier nicht weiter behandelt werden.
31
II.
Theoretischer Ausgangspunkt
Bei den bisherigen Ausführungen wurde immer wieder auf spielerische Formate verwiesen,
doch steht eine genaue Betrachtung des „Textes“, der für dies Arbeit von Interesse ist, noch aus.
Um dem Rechnung zu tragen, beschäftigt sich der zweite Teil der Arbeit mit dem „Internettext“
im allgemeinen, wobei auf das literaturwissenschaftliche Konzept des Hypertextes eingegangen
wird. Dabei wird deutlich, dass ein Großteil der Untersuchungen zu Internetformaten von dem
grundlegenden Konzept des narrativen Text ausgehen. Diesem steht jedoch die Annahme
gegenüber, dass Texte im Internet und computerbasierte Texte im allgemeinen einen ludischen,
also spielerischen Charakter haben, und deswegen auch als Spiel und nicht als Narration
behandelt werden sollten. Beides sind nachvollziehbare Ansätze und müssen nicht unbedingt in
Dichotomie zueinander stehen, doch soll im Folgenden, nach eingängiger Besprechung des
Hypertextes, sowohl das narrative als auch das spielerische Konzept näher erläutert werden.
2.1
Vom Hypertext zum Cybertext
2.1.1 Der Hypertext als literarische Instanz
Hypertexttheorie beschreibt das Internet oder die Matrix des WWWs als „großen Hypertext“,
gewissermaßen ein Macrosystem, das aus vielen Microsystemen, den einzelnen Webpages oder
einzelnen Hypertexten zusammengesetzt ist. Hypertexttheorie hat ihre Wurzeln in den
Literaturwissenschaften und wird deswegen oft mit digitalisierter, verlinkter Literatur
gleichgesetzt. Jedoch geht die Bedeutung des Begriffs Hypertext über das bloße Codieren von
bestehenden Texten in Nullen und Einsen hinaus. Die Medientheoretiker George P. Landow
und David Jay Bolter23 sehen im Hypertext sogar das Paradigma der postmodernen,
poststrukturalistischen Denkform, durch das Linearität und Hierarchie zu Fall gebracht werden;
gewissermaßen als Zeichen eines neuen Epistems im Foulcault’schen Sinne, nämlich als eine
neue Art und Weise in der wir denken und die Welt für uns systematisieren und strukturieren.
Für diese Arbeit ist eine genauere Betrachtung der Hypertexttheorie deswegen von Bedeutung,
32
da sie einen ersten Versuch darstellt, computerbasierte Texte zu analysieren und
systematisieren. Zudem findet hier schon eine Fokussierung auf unterhaltende Stoffe statt, die
sich zwar in Anlehnung an die Literaturwissenschaft hauptsächlich auf literarische Vorlagen
bezieht, aber als Grundlage für weitergehende Überlegungen dienen soll.
Der amerikanische Wissenschaftler Vannevar Bush [Bush 1945] ist einer der ersten, die sich mit
dem, was heute retrospektiv als Hypertexttheorie bezeichnet werden kann, befasste. In seinem
Artikel „As we may Think“ beschäftigt er sich mit dem Konzept menschlicher
Wissensverwaltung, das auf Assoziationen („memex“ für memory extension) beruht. Auf dem
Assoziationskonzept aufbauend, formulierte er die Idee eines „Schreibtisch-Device“, ein
Interface zwischen Mensch und sämtlichen Wissen, das dem menschlichen Denken möglichst
nahe kommen soll. Dem Konzept liegt das Prinzip des beliebigen Verbindens – also verlinkens einzelner Textsegmente bzw. „Items” zugrunde: „any item may be caused at will to select
immediately and automatically another“ [ebd.:8].
Das System des Verlinkens einzelner Segmente ist die Grundlage für Hypertext-Systeme wie
das WWW oder Hypertext-Literatur im Sinne von Ted Nelson:
By Hypertext I mean nonsequential Writing – text that branches and allows choices to the reader,
best read at an interactive screen. As populary conceived, this is a series of text chunks
connected by links which offer the reader different pathways [Nelson in Kveim 1997].
Der Fokus bei der Betrachtung des Hypertexts sollte ausgehend von diesem Zitat m.E. nicht in
der nicht-Linearität, sondern auf der „mehrsträngigen“ Organisation liegen, welche mehrere
Pfade durch das Labyrinth „Text“ mit Hilfe einer nicht-linearen Struktur ermöglicht. Auch
Bücher können verschachtelt und nicht-linear geschrieben werden. Doch im Gegensatz zum
Hypertext im Internet24 ist im schriftlichen (Buch-)Text in der Regel nur ein Pfad durch das
Textlabyrinth angelegt25. Der Hypertext im Internet unterscheidet sich zudem grundsätzlich vom
Fernseh- oder Kinotext, da die Leserin weder Tempo noch Zeitpunkt der Rezeption
vorgeschrieben bekommt.
23
Mehr zur Hypertexttheorie bei: Landow 1992, Bolter 1991, Joyce 1995 und Birkerts 1994.
Das WWW eignet sich aufgrund seiner Hypertext-Struktur besonders gut für die Umsetzung von konkreten
Hypertexten. Wenn im weiteren von dem Potential des Internets bezüglich des Hypertextes die Rede ist, ist das
Internet im allgemeinen und das WWW im Besonderen gemeint.
25
Eine Ausnahme stellen hier die in den Achtziger Jahren populären Fantasy Romane dar, welche die Leserin nach
jedem Kapitel vor eine Wahl stellt, wie sie sich anstelle der Protagonistin verhalten würde. Je nach Wahl wird auf
einer anderen Seite ein unterschiedlicher Entwicklungsstrang verfolgt. Die einzelnen Stränge können sich dabei
kreuzen, wieder zusammenführen oder aber z.B. mit dem vorzeitigen Tod der Protagonistin enden.
24
33
Trotzdem ist eine hypertextuelle mehrsträngige Struktur nicht genuin dem Internet zueigen.
Auch Bücher ermöglichen eine zeitungebundene, nichtlineare Rezeptionsweise, da Vor- und
Zurückblättern, Überspringen oder wiederholtes Lesen möglich ist. Bis zu einem gewissen Grad
können auch sie mehrsträngig werden, da die Leserin den jeweiligen Text unterschiedlich
interpretieren kann. Doch ist die Mehrsträngigkeit hier üblicherweise nicht intendiert. Zudem
beziehen sich Untersuchungen zu diesem Thema in der Regel auf narrative Texte. Hingegen
ermöglichen Enzyklopädien, Lexika oder Fußnoten in linearen Texten auch eine hypertextuelle,
mehrsträngige Rezeption, indem die Leserin zu jedem beliebigen Zeitpunkt Querverweisen
folgen, und so verschiedene Textsegmente zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen kann.
Voraussetzung dieser Rezeptionsweise ist jedoch die physische Anwesenheit der einzelnen
Textsegmente in jeder beliebigen Textform wie Artikel oder Lexikon in Form unterschiedlicher
Druckformen sowie elektronischer Formen wie CD-ROM. Für den tatsächlichen Rezeptionsakt
bedeutet dies jedoch nicht nur einen erheblichen finanziellen Aufwand, sondern auch einen
zeitlichen, da, mit Ausnahme wissenschaftlicher Beiträge, die unterschiedlichen Texte
üblicherweise nicht aufeinander verweisen.
Das Internet, das unzählige Computer als Speichermedium und Infrastruktur nutzt, stellt jedoch
im Vergleich zu Printmedien einen enormen Fortschritt dar, da auf eine Masse von
verschiedenen Quellen, Texten und Textbausteinen, die durch ein Hypertext-System in
Beziehung zueinander stehen, gleichzeitig zugegriffen werden kann. Folgerecht wird nach
Hannah Möckel-Rieke [Möckel-Rieke 1996] der Hypertext „einerseits als Folge einer
Ausdifferenzierung und konsequenten Weiterentwicklung des Printmediums gesehen,
andererseits
als
Symptom eines
radikalen
Paradigmenwechsels
der
Speicher- und
Kommunikationsmedien“ [ebd.:68]. Dieses Denkmodell impliziert, dass die im gedruckten Text
latent vorhandenen Strukturen sich im Hypertext technisch implementieren und so die dinghafte
Struktur des Textes bilden.
Zentrale Punkte der Argumentation sind hier das neudefinierte Autorin/Leserin Verhältnis,
sowie die Flüchtigkeit und Grenzenlosigkeit als wesentliches Merkmal des Hypertextes. Indem
die Leserin eines Hypertextes selber über die Reihenfolge der einzelnen Textsegmente
bestimmt, übernimmt sie eine größere Verantwortung als die Leserin eines linearen gedruckten
Textes26. Die gleichzeitige Möglichkeit, im Internet durch Hyperlinks auf eine nahezu
26
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass dies m.E. eher für den Film- und Fernsehtext zutreffend ist, dessen
Verlauf vorgegeben ist, und weniger auf den geschriebenen Text, dessen Reihenfolge die Leserin theoretisch selbst
bestimmen kann. Der in der Hypertexttheorie gebräuchliche Vergleich mit dem schriftlichen Text verweist
gleichzeitig auf dessen Schwäche, die Literatur als einzige Vorlage für den Hypertext zu sehen.
34
unendliche Fülle an Textsegmenten verwiesen zu werden, die außerhalb des jeweiligen Textes
liegen, ist ein weiteres Merkmal des internetbasierten Hypertextes. Da die Texte im Internet im
Gegensatz zu gedruckten Texten meist keine Endgültigkeit und Abgeschlossenheit aufweisen,
sondern sowohl von den jeweiligen Autoren als auch den Lesern jederzeit bearbeitet, entfernt
oder an eine andere „Stelle“ gelegt werden können, also „flüchtig“ sind, liegt hier eine
zusätzliche Verantwortung auf Seiten der Leserin. Der Status von Autorin und Leserin eines
linearen Offline Textes ist somit qualitativ unterschiedlich von dem der Online Autorin und
Leserin. Die Bezeichnung „Nutzerin“ statt Leserin soll im Folgenden auf diesen veränderten
Status zwischen Autorin/Anbieterin und Leserin/Nutzerin hinweisen.
Realiter existieren nur wenige Hypertexte außerhalb des (literatur-)wissenschaftlichen Bereichs,
die versuchen, dem Anspruch einer neuen Ausdrucksform des menschlichen Denkens, in dem
dominierende lineare, bzw. „einsträngige“ und hierarchische Tendenzen einer nichtlinearen,
nichthierarchischen Organisation weichen, gerecht zu werden. Prominente Beispiele hierfür sind
Afternoon von Michael Joyce [Joyce 1995], oder Mark Amerikas Grammatron [Amerika
1997]27. Doch auch diese Exempel bieten nur die vom jeweiligen Autor eingegebene
Information, die von der Leserin als hypothetisches Ganzes begriffen wird, das es zu erkunden
gilt. Da Afternoon zudem ein geschlossener Text ist, der von der Leserin in seiner Struktur nicht
beeinflusst werden kann, bleiben hier traditionelle Paradigmen von Autorin/Leserin/Text
weiterhin erhalten. Möckel-Rieke [Möckel-Rieke 1996:73] kritisiert zudem, dass literarische
Hypertexte meist aus dem Repertoire traditioneller Fiktion schöpfen, um die Anschließbarkeit
der einzelnen Segmente zu gewährleisten. Überdies impliziert Hypertexttheorie die qualitative
Minderwertigkeit linearer Texte, die passiver rezipiert werden als der interaktive Hypertext. Die
Frage
nach
der
jeweiligen
Leseerfahrung,
der
Rezeptionsmotivation
und
des
Rezeptionsvergnügens wird hier gar nicht erst gestellt.
Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich aus der Unanwendbarkeit des Hypertextbegriffes auf die
Gesamtheit computerbasierten Texte. Obwohl Landow [Landow 1992] und Bolter [Bolter 1991]
den Begriff der Hypertextualität auf hypermediale Texte wie Bild und Ton ausweiten28, lassen
sich andere hypertextuelle Formate wie Computerspiele oder graphische Chats nicht in dieses
Erklärungsmodell integrieren. Die Abwesenheit eines Plots wird zwar als charakteristisch für
27
Zu beiden Werken finden sich Links bei http://www.eastgate.com/
Hypermedia simply extends the notion of the text in hypertext by including visual information, sound, animation
and other forms of data. Since hypertext, which links a passage of verbal discourse to images, maps, diagrams and
sound as easily as to another verbal passage, expands the notion of text beyond the solely verbal, I do not distinguish
between hypertext and hypermedia. Hypertext denotes an information medium that links verbal and nonverbal
information. [Landow 1992:4]
28
35
den Hypertext gesehen, doch wird der Narration insofern elementare Bedeutung zugemessen,
als dass es hier Aufgabe der Leserin bzw. Nutzerin ist, sich eine Geschichte zu konstruieren.
Computervermittelte Texte, deren Hauptaugenmerk auf spielerischen, informativen oder
kommunikativen Aspekten liegen, fallen so aus dem Schema heraus.
2.1.2 Cybertext als umfassende Kategorie
Espen Aarseth [Aarseth 1997] bemüht sich hingegen um ein Kategorisierungsmodell
elektronischer Texte, das alle computervermittelten Formen einbezieht. Er distanziert sich
deswegen von dem Begriff Hypertext, dessen Deutungszuweisung eher an den literarischen
Text gebunden ist, und formuliert in Anlehnung an Norbert Wieners Ausführungen29 den
Begriff Cybertext [Aarseth 1997:1]. Auch bei ihm ist die neue, machtvollere Rolle der Leserin
bzw. Nutzerin bezüglich des rezipierten Textes zentral für seine These. Um zu einer
Systematisierung computervermittelter Texte zu gelangen, definiert Aarseth die Kategorien
„ergodisch“ und „nonergodisch“. Dabei ist Cybertext zweierlei: ein normaler Text und eine
Maschine, die fähig ist, mehrere Manifestationen desselben Materials zu erzeugen.
The concept of cybertext focuses on the mechanical organisation of the text, by positing the
intricacies of the medium as an integral part of the literary exchange. However, it also centers
attention on the consumer, or user , of the text, as a more integrated figure than even readerresponse theorists would claim. The performance of their reader takes place all in his head, while
the user of cybertext also performs in an extraoematic sense. During the cybertextual process, the
user will have effectuated a semiotic sequence, and this selective movement is a work of
physical construction that the various concepts of “reading” do not account for. The phenomenon
I call ergodic, using a term appropriated from physics that derives from the Greec words ergon
and hodos, meaning “work” and “path”. In ergodic literature, nontrivial effort is required to
allow the reader to traverse the text [ebd.:2].
Ergodisch bezeichnet also jenen Text, bei dessen Interpretation physische Aktivität
Voraussetzung und Hauptcharakteristikum ist. Aarseth bemüht sich hier um eine Neudefinition
von Interaktivität, die von anderen implizierten Bedeutungen befreit ist. Durch den „nontrivial
effort“ einer physischen Aktivität bahnt sich die Leserin einen möglichen Pfad von vielen durch
den jeweiligen Text. Der Cybertext wird zu einer Art „Erlebnisraum“ durch den
hindurchnavigiert wird, wobei das Navigieren selbst, bzw. das Erlebnis des Navigierens und
nicht die daraus erwachsende Narration, zum zentralen Element der Rezeptionsmotivation und
des Vergnügens wird. Der „aktionsbasierte“ Ansatz bedeutet aber nicht das vollkommene
36
Fehlen narrativer Elemente. Jedoch bilden hier die aktionsreichen Elemente den entscheidenden
Antrieb zum Fortgang der Rezeption, aus denen die Rezipientin gegebenenfalls eine Narration
konstruieren kann, aber nicht muss.
In nonergodischen Texten ist hingegen die Narration der Motor. Nonergodisch oder narrativ
bezeichnet den „Codex“ Text, den Normtext, von dem auch die Hypertexttheorie ausgeht. Für
Aarseth ist diese Unterscheidung besonders bedeutsam, da nur so eine positive und emanzipierte
Definition nicht-narrativer Texte möglich ist. Damit bilden literarische Hypertexte ebenso wie
Online Computerspiele oder andere virtuelle Umgebungen Subkategorien des ergodischen
Cybertext.
Das Rezipieren eines ergodischen Textes erlaubt der Nutzerin ein anderes Rezeptionsvergnügen
als der Leserin eines linearen, narrativen Textes. Handelt es sich bei letzterem um ein
vergleichsweise „passives“ Vergnügen, so konstruiert sich das Vergnügen der Nutzerin eines
ergodischen Textes aus dem Vergnügen der Macht der Einflussnahme auf das Geschehen, der
Agency. Der Kosmos des Cybertext wird so zu einer Spielwelt, die erforscht werden kann und
in der sich die Nutzerin verirren kann. Nach Aarseth [ebd.:1997] ist die Cybertext-Leserin dann
weder Leserin noch Nutzerin mehr. Sie ist eine Spielerin:
The cybertext reader is a player, a gambler; the cybertext is a game-world or world-game; it is
possible to explore, get lost, and discover secret paths in these texts, not metaphorically, but
through the topological structures of the textual machinery. This is not a difference between
games and literature but rather between games and narratives [ebd.:5].
Online Computerspiele, Chats oder virtuelle Gemeinschaften sind Unterhaltungsformate im
Internet, die den von Aarseth beschriebenen „nontrivial effort“ auf Rezipientenseite
beanspruchen. Aber nicht nur im Bereich der Unterhaltungsformate, auch informative Formate
lassen Einflussnahme ins Geschehen in Form von gezieltem Suchen oder neugierigen
Erforschungen zu. Hier zeichnet sich die grundlegend unterschiedliche Qualität einer
Umgebung ab, in der ergodische Cybertexte einen Platz finden. Nicht nur der einzelne
Cybertext, auch computerbasierte (Online-) Medien im allgemeinen können sich demnach eher
mit ludologischen Konzepten als mit narratologischen beschreiben lassen. Um diesen
Rezeptionsmodus der Rezeptionsmotivation und des Rezeptionsvergnügens zu beschreiben,
sollte die Frage geklärt sein, ob es sich bei dem Untersuchungsgegenstand um eine Geschichte
[Murray 1999], ein Spiel [Frasca 1999, 2001b] oder um eine „genuine Hybridform aus Spiel
29
Norbert Wiener (1894-1964) entwickelte die moderne Informationstheorie und Kybernetik
37
und Narration“ [Tosca 2000] handelt. Das narratologische Konzept ist der erste beider Ansätze,
der nun in Bezug auf spielerische Internetformate genauer untersucht werden soll.
38
2.1
Narrative Strukturen und spielerische Formate
Janet H. Murray stellt in ihrem Buch Hamlet on the Holodeck [Murray 1999] fest, dass der
größte kommerziell erzielte Erfolg und der stärkste kreative Aufwand, den digitale narrative
Formen bisher erlebt hätten, im Bereich der Computerspiele zu finden seien [Murray 1999:51].
Die Frage, ob es sinnvoll ist, Spiele als narrative Formate zu bezeichnen soll noch geklärt
werden. Doch verweist Murrays Kommentar auf die Signifikanz von narrativen Elementen in
spielerischen Online Formaten. Im vorherigen Kapitel wurde die Struktur von Cybertexten
angesprochen. Hauptanliegen war es zum einen zu zeigen, dass es im narrativen Bereich lineare
aber auch nichtlineare Narration gibt und dass zum anderen auch Textformen existieren, bei
denen die Narration eine untergeordnete Rolle spielt. Nichtsdestotrotz spielt Narration in fast
allen Texten eine gewisse Rolle, wenn auch nicht immer die Hauptrolle. Espen Aarseth [Aarseth
1997] hat verdeutlicht, wie sich ergodische Texte von narrativen Texten unterscheiden. Um
jedoch narrative Elemente zu identifizieren ist eine grundlegende Kenntnis ihrer Charakteristika
und Funktionsweise nötig.
2.2.1 Was ist Narration?
Narrative Formen bezeichnen Texte, bei denen es sich um Erzählungen handelt. Der Einfachheit
halber wird in dieser Arbeit der Begriff „Narration“ verwendet, doch liegt diesem Begriff eine
etwas irreführende Doppeldeutigkeit zugrunde. Nach Gérard Genette [Genette 1994:15] besteht
Narration aus einer Triade, die er als Geschichte/Erzählung/Narration (story/text/narration)
identifiziert30. Die Geschichte bezeichnet dabei die Gesamtheit der Ereignisse, Erzählung (Text)
meint den Diskurs der von diesen Ereignissen erzählt, also das Produkt des Narrationsakts und
die Narration ist der Akt oder Prozess der Textproduktion [vgl. Genette 1994:199].
30
Im Weiteren wird für die Triade weiterhin der unspezifische Begriff Narration oder narratives Format verwendet
werden. Mit „narrativen Text“ oder „Text“ ist im Bezug auf Narration im Weiteren die Erzählung gemeint. Narration
als Teil der Triade wird zur Unterscheidung kursiv erscheinen.
39
Narration kann dabei als Zeichen verstanden werden, dessen Signifikant der Text oder Diskurs,
und dessen Signifikat die Geschichte oder Story ist. Narrativität ist also nicht mit Fiktionalität
gleich zusetzten. Der narrative Text oder Diskurs kann sich dabei als verbaler Akt des
Geschichtenerzählens oder aus einer Performance von Dialogen (Schauspiel) manifestieren. Das
Narrative konstruiert sich aber immer erst durch den Interpretationsakt einer Leserin. Im
Rezeptionsakt definiert die Leserin eines Textes bestimmte Phänomene als Ereignisse und
konstruiert Verbindungen zwischen ihnen, die eine Geschichte ergeben. Generell beinhalten
narrative Präsentationen eine Welt (Setting), die zeitlich eingebettet und von Individuen
bewohnt ist (Charaktere oder Figuren), die bestimmte Handlungen ausführen und an Aktionen
beteiligt sind (Ereignisse), die einer Veränderung unterliegen [vgl. Ryan 2001b]. In Lotmanns
Worten [Lotman 1981:205ff] ist diese Veränderung ein „Vorfall“, der vorher noch nicht da
gewesen ist. Die populärste Form der Narration ist problemlösungsorientiert und besteht aus
einer kausal verknüpften Kette von Ereignissen. Diese Ereignisse werden von der Autorin der
jeweiligen Narration einem Narrator in den Mund gelegt, der diese aus einer bestimmten
Erzählperspektive (auktorialer Erzähler oder Ich-Erzähler) in einem Narrationsakt einem
textinternen Adressaten (Narratee) mitgeteilt [Bordwell&Thompson 1993:79]. Neben den
Kausalketten, also dem Ursache-Wirkungs Zusammenhang, können Ereignisse auch durch
themenverbundene Topik-Reihen verknüpft werden [vgl. Wuss 1990:28]. Beide Typen von
Narration bestehen demnach aus einer Reihe von Ereignissen, die in einer zeitlichen Relation
zueinander stehen.
Das Kino stellt dabei das audiovisuelle Medium für Erzähltexte dar. Das Mainstream Kino zeigt
nach wie vor, in Anlehnung an das Hollywood Kino, größtenteils Erzählfilme. Die Ereignisse
einer Narration sind hier meist kausal verbunden und zielorientiert. Im Film beruht die
Zeichenebene im Gegensatz zum Roman nicht auf Schrift, sondern auf Bild, Montage,
Dialogen, Ton und Schauspiel. In dramatischer Repräsentation wird der Erzähltext konstruiert,
in dem kinematographische Aspekte wie Kameraperspektive, On- und Off-Screen Raum,
Schnitttechnik sowie diegetische und nondiegetische Elemente die Ereignisse strukturieren.
Durch die narrative Perspektive erschließt sich die Rezipientin der Raum der Geschichte. Im
Roman ist dies von der Erzählperspektive - auktorialer Erzähler oder Ich-Erzähler – und dem
jeweiligen point-of-view abhängig, bei audiovisuellen Texten spielen kinematographische
Aspekte wie subjektive Kamera und Filmschnitt und Montage eine wesentliche Rolle. Erzählen
bedeutet deswegen auch Eingrenzung und Kontrolle. Aus einer Unmenge von Möglichkeiten
werden nur einige ausgesuchte Momente ausgewählt. Im klassischen Erzählkino wie dem
40
Suspense-Film werden Informationshäppchen genau dosiert an die Zuschauer gegeben. Der
Rhythmus, also die zeitliche Organisation ist dabei maßgeblich beteiligt [vgl. Willmann 2001].
Neben dem Modus (z.B. Perspektive) ist, nach Karin Wenz [Wenz 2000], die zeitliche
Organisation der Ereignisse, welche zum Höhepunkt und damit zur Lösung führen, wichtigste
Eigenschaft der Narration31.
2.2.2 Zeitliche Organisation
Die nach Genette [Genette 1994] wesentlichen Merkmale, temporale Strukturierung von
Ereignissen sowie das Vorhandensein einer narrativen Situation, die einen bestimmten Modus
(z.B. Perspektive) vorzuweisen hat, werden im Folgenden auf ihre Gültigkeit hinsichtlich
spielerischer Online Formate untersucht.
Genette definiert drei zeitliche Kriterien, nach denen narrative Texte strukturiert sind, die
Ordnung, die Dauer und die Frequenz. Diese Kriterien wurden auch in die angloamerikanischen Filmwissenschaften übertragen und sollen als Grundlage für die folgenden
Untersuchungen gelten.
Ordnung: Die in der Narration enthaltenen Ereignisse können im Erzähltext in beliebiger
Reihenfolge präsentiert werden, verschieden lang dauern und sich verschieden oft wiederholen.
In der Narration kann zwischen drei Zeiten unterschieden werden: Der Zeit innerhalb der
Geschichte (die bei einem Epos auch mehrere Generationen umfassen kann), die narrative Zeit
des Textes (Filmlänge oder Seitenanzahl eines Buchs) und Rezeptionszeit (ein Buch kann über
zwei Wochen hinweg gelesen werden und ein (Video-)Film kann zurückgespult oder vorgespult
werden). Eine Unterscheidung der drei Erzählzeiten bei Computerspielen problematisch. Es
existiert zwar ein Programmcode, der bestimmte Verhaltensschemata festlegt (wenn Handlung
A des Spielers, dann Reaktion B des Computers), doch gibt es keine implizierte Zeitdauer der
Geschichte. Diese kann, innerhalb eines gewissen Rahmens, sehr kurz oder sehr lang sein. Die
Rezeptionszeit bedingt somit die narrative Zeit des Textes (story time), die wiederum als
identisch mit der Zeitdauer der Geschichte betrachtet werden kann. Wenn die Spielerin die
Ereignisse aktiv beeinflusst, wie es bei QUAKE [id-software 1996-1999] fast durchgehend der
31
Der Aufbau vieler Narrationen folgt dabei prinzipiell der Struktur des klassischen Dramas und besteht aus drei
Akten: Dem ersten, der die Anbahnung eines Konflikts exponiert, dem zweiten mit Darstellung und Entwicklung des
Konflikts und der dritte Akt mit Höhepunkt und Auflösung [vgl. Hegel 1965:524].
41
Fall ist, existiert nur ein möglicher Modus von Rezeptionszeit, Textzeit und Geschichtszeit, der
der „Jetzt-Zeit“.
Dauer: Beim Film oder Roman kann ein Ereignis übersprungen werden (Ellipse: „Zwei Jahre
später...“), ein Ereignis kann zeitraffend erzählt werden (Summary) oder ausgeschmückt bzw. in
Slow Motion (Pause) präsentiert werden. Natürlich kann ein Ereignis auch in „Echtzeit“ erzählt
werden (Szene), d.h. die Erzählung einer Handlung dauert in etwa genauso lange wie eine
Handlung. Beim Film kann die Szene in der Plansequenz umgesetzt werden. Es sei hier bereits
angemerkt, dass in Online-Formaten in der Regel die Szene das verwendete zeitliche System
darstellt, da es sich hier um synchrone Echtzeit - Anwendungen handelt. Zudem bedingt die
Dauer nicht die Dauer des narrativen Text. Jedes Computerspiel wird aufgrund der
unterschiedlich ausgeübten Agency der jeweiligen Spielerin verschieden lang dauern.
Während im Film die Erzählgeschwindigkeit wechselt, d.h. Langweiliges übersprungen und
Spannendes ausgedehnt wird, entledigt sich der Film der „dull bits and pieces“ des Lebens.
Computerspiele umgehen das Problem der „dull bits“ indem sie aktionsbasiert sind. Freie
Spielformen im Internet, wie ein graphischer Chat, bieten jedoch das genaue Gegenteil an. Nicht
eine spannungsreiche Auswahl an Elementen wird den Zuschauern präsentiert, sondern in
möglichst detailreichen Simulationen entstehen Freiräume, in denen die Nutzerin experimentell
Möglichkeiten durchspielen kann, die so zu „Testläufen der Realität“ werden [Willmann
2001:1]. Die „dull bits and pieces“ werden zum Spielplatz, auf dem ausprobiert, getestet und
Grenzen überschritten werden kann.
Frequenz: Frequenz bezeichnet die Wiederholkapazität ähnlicher Ereignisse. Damit ist der
Vorgang gemeint, der dieselbe Situation aus verschiedenen Perspektiven (z.B. auktorialer
Erzähler und Ich-Perspektive), oder der dasselbe Ereignis aus der Sicht verschiedener
Charaktere erzählt. Diese zeitliche Grammatik lässt sich auf den ersten Blick zwar nicht auf
Computerspiele übertragen, da jede Aktion, nur einmal von der Spielerin vollzogen werden
kann. Wenz [Wenz 2000] interpretiert Frequenz jedoch nicht mit ähnlichen Aktionen, sondern
mit ähnlichen Situationen. So ist es beispielsweise bei MYST [Cyan 1993] spielbestimmend,
immer wieder zu bereits besuchten Orten zurückzukehren. Ich möchte dieses Phänomen aber
nicht mit Frequenz, sondern mit der Möglichkeit zur freien Navigation benennen, ein
Phänomen, auf das bereits in Kapitel I/1.3 eingegangen wurde.
Die zeitliche Grammatik der Narration auf Computerspiele und Online-Formate zu übertragen
erweist sich also in vielerlei Hinsicht als problematisch. Bei der Narration strukturiert der
42
zeitliche Aspekt hauptsächlich den Bezug von Geschichtszeit zu Textzeit-Zeit. Beim Spiel
setzen die temporalen Verhältnisse die Spielerzeit (Die Aktionen der Spieler) und Ereigniszeit
(die Geschehnisse im Spiel) zueinander in Bezug [vgl. Eskelinen 2001:3]. Das Verhältnis einer
Aktion zum Ereignis steht also beim Spiel im Mittelpunkt. Demzufolge lassen sich spielerische
Formate nicht durch narratologische Aspekte wie Temporalität erklären, vielmehr verfügen sie
über eigene ästhetische Qualitäten.
2.2.3 Die narrative Situation
Narrative Texte können als statisch bezüglich der Leserpositionierung betrachtet werden. Die
Leserin kann den Text aktiv interpretieren und durch den Rezeptions- und Aneignungsprozess
einen individuellen „Output“ generieren. Narrationen sind in der Regel aber keine dynamischen
Konstruktionen, die einzelnen Ereignisse und meist auch deren Abfolge und Verkettung, die
einmal festgelegt wurden, bleiben stets erhalten. Eine Ausnahme bilden die Hypertexte. Aarseth
hat schon auf das Problem hingewiesen, dass Hypertexte nicht ohne Vorbehalt als Narrationen
anzusehen sind und definiert Joices Afternoon als ergodisch [vgl. Aarseth 1997:94]. In
Computerspielen nehmen die Leser/Spieler direkten Einfluss auf das Geschehen, bei Online
Computerspielen beeinflussen sich zudem die verschiedenen gleichzeitig anwesenden Spieler
ständig gegenseitig.
2.2.4 Narrativität bei Computerspielen
Trotzdem scheint unbestritten, dass viele Computerspiele eine Geschichte erzählen. FINAL
FANTASY VIII [Squaresoft 1999] („Ein episches Werk über Liebe, Hass, Krieg und Frieden“,
Spielbeschreibung des Herstellers) kann teilweise als interaktiver, filmartiger Erzähltext
beschrieben werden, dessen vorgegebene Ereignisverkettung von der Spielerin entdeckt werden
muss. Durch diese Rahmenbedingung des Spiels werden bereits bekannte narrative Schemata
bei der Nutzerin aktiviert. Sie kann auf ein Vorwissen zurückgreifen, mit dessen Hilfe sie
eventuelle Leerstellen im Text sinnproduzierend schließen kann. Dabei kann die Spielerin zwar
für die Kausalkette irrelevante Ereignisse durchspielen, doch nur die kausal korrekte Aktion
bringt sie der Lösung ein Stück näher. Durch automatischen Perspektivenwechsel (auf welche
43
die Spielerin keinen Einfluss hat) zwischen der eigentlichen Spielfigur und Nebenfiguren, die an
bestimmten Stellen für die Handlung von Bedeutung sind, werden die narrativen Elemente
zeitweise textbestimmend. Trotzdem kann hier ein Unterschied in der Rezeption zu
„herkömmlichen“ Erzähltexten festgestellt werden:
It is often argued that narrative plot is also something that is only discovered or reconstructed by
the reader after the end is reached; and this could be seen to imply, contradictory to my
argument, that there is no great difference between the narrative and the ergodic situation as far
as a plot is concerned. But there is a difference, and for a very simple reason: the bewildered
reader of a narrative can safely assume that the events that are already encountered, however
mystifying, will make sense in the end (if the plot is to make sense at all); whereas the player of
an adventure game […] is not guaranteed that the events thus far are at all relevant to the
solution of the game [Aarseth 1997:112].
Während also in der „narrativen Situation“ der Ausgang der Handlung schon vor Beginn der
Rezeption feststeht und dies der Rezipientin auch bewusst ist, ist in der „ergodischen Situation“
die Sinnhaftigkeit und Relevanz der eigenen Aktionen nicht gesichert. Zudem wird die Spielerin
neben ihrer Aktivität als Leserin oder Interpretin des Textes, in Form ihrer in die Handlung des
Spiels eingreifenden Spielfigur auch selbst zur Protagonistin. Eine Situation, die sich
grundlegend vom reinen Interpretationsakt der Leserin von Erzähltexten unterscheidet. Diese
Einflussnahme, bei der die Leserin zur Protagonistin wird, ist eine besondere Form der
Interaktivität, die Agency [vgl. Murray 1999, Laurel 1993].
Die eingangs beschriebenen Charakteristika von Narration lassen sich also nur beschränkt auf
Computerspiele übertragen. Die temporale Ordnung, die Positionierung der Figuren, sowie der
Rezeptionsakt selbst unterscheiden sich auch bei stark narrativ orientierten Computerspielen wie
FINAL FANTASY von filmischer oder literarischer Narration. Eine narrative Struktur bei
reinen Actionspielen wie dem Klassiker SPACE INVADERS [Taito 1978] zu erkennen, wird
entsprechend schwieriger. Spielerische Online-Formate weisen zudem eine Eigenheit auf,
welche das Auffinden narrativer Strukturen zusätzlich „behindern“. Aufgrund der Fähigkeit des
Internets, mehrere Personen an einem virtuellen Ort zu versammeln und sie dort in Interaktion
treten zu lassen, fordert eine andere Strukturierung und ein anderes Verständnis von Zeit, Raum
und Interpretin. Das Verhältnis von Nutzerin, Computer und spielerischer Umgebung lässt sich
mit einem narratologischen Ansatz allein deswegen nicht hinreichend erklären.
44
2.1
Zum Spielbegriff
Der Computer ist also ein Spielplatz, auf dem jedes erdenkliche Spiel möglich ist [Weizenbaum
in Rötzer 1998:158]
Wie das vorangegangene Kapitel gezeigt hat, können spielerische Formate im Internet nicht
hinreichend mit narrativen Maximen erklärt werden. Besonders die temporale Strukturierung
sowie das Verhältnis von Rezipientin zum Text hat bei spielerischen Formaten eine eigene
strukturelle und ästhetische Qualität. Es wurde bereits auf den Ansatz Espen Aarseths
eingegangen,
der
den
computerbasierten
Cybertext
in
aktionsorientierte
und
narrationsorientierte Texte unterscheidet. Seinem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass es
sich beim ergodischen Cybertext um Spielwelten handelt, die erkundet werden können. Auch
andere Ansätze zum spielerischen Text im Internet als unterscheidbare Entität zum narrativen
Text wurden getroffen, wobei Brenda Laurel [Laurel 1993], Mike Sanbothe [Sandbothe 1998]
und Irmela Schneider [Schneider 1998] theatrale Aspekte erkennen, Natascha Adamowsky
[Adamowsky 2000] die virtuelle Welt digitaler Techniken als Spielwelt betrachtet, Gonzalo
Frasca [Frasca 1999, Frasca 2001b] und Markku Eskelinen [Eskelinen 2001] der Narratologie
die Ludologie entgegen setzen, und auch Florian Rötzer [Rötzer 1998] von ludischen Qualitäten
spricht.
Die Blickwinkel reichen dabei von der detaillierten Definition eines überarbeiteten Textbegriffs
bis hin zur Aufzeichnung eines kulturpessimistischen Zukunftsbildes einer Gesellschaft, die sich
im Übergang von einer Erlebnisgesellschaft zur ludischen Gesellschaft befindet, die jeder
Regeln und Werte bar das Leben als spielerisches Experimentierfeld betrachtet [Rötzer 1998].
Im Folgenden werde ich computerbasierte Formate als ludischen Bereich beschreiben, der als
Experimentierfeld
menschlichen
Verhaltens
geeignet
scheint.
Der
Computer
als
Simulationsmaschine verdient hier ebenfalls Beachtung. Ein weiteres Kapitel soll Spiel als
kognitives und emotionales Erleben beschreiben. Für eine Kategorisierung der spielerischen
Formate wird die Spieltheorie von Roger Caillois [Caillois 1958] herangezogen.
45
2.3.1 Der intermediäre Raum des Spiels
Narration siedelt sich im Bereich der Unterhaltung an. Unterhaltsame, entspannende
Fernsehsendungen, großes Erzählkino, in den Bann ziehende Romane oder spannende
Kurzgeschichten zählen zu den unterhaltenden medialen Formaten. Wie Eingangs bemerkt,
werden computerbasierte Angebote oft mit Information oder Arbeit gleichgesetzt. Im Kapitel
II/2.1 wurde deutlich, dass auch Internetformate Unterhaltendes zu bieten haben. Dabei wurde
das ergodische Prinzip angesprochen, das eine Unterscheidung narrativ-motivierter und aktionsmotivierter Texte ermöglicht. Spielerische Formate, wie das Multi-Player-Game, MUDs und
graphische Chats, lassen sich also mit narratologischen Mustern nicht hinreichend erklären. Will
man spielerische Formate mit narratologischen Ansätzen erklären, stellt sich das Problem, dass
nichts bleibt außer einer unvollkommenen und verkümmerten Geschichte, ohne temporale
Ereignisstruktur und nur rudimentär vorhandener Story. Das Phänomen, der in Form der
Spielfigur als Protagonistin handelnden Rezipientin, bleibt so gänzlich unberücksichtigt.
Demzufolge hätten diese Onlineformate im Gegensatz zu Erzählungen eine mindere Qualität,
oder würden aus dem Erklärungsschema gänzlich herausfallen. Anstatt Computerspiele
spieltheoretisch zu erklären, wird immer wieder versucht, Spiele mit narratologischen Mustern
zu erklären. Dabei hat die Welt des Spiels, der ludische Bereich, seine eigenen ästhetischen
Qualitäten, „a unique aesthetic field of possibilities, which must be judged on its own terms“
[Aarseth 1997:107].
Allgemein wird im Spiel oft eine Tätigkeit gesehen, in der keine Ernsthaftigkeit zutage tritt oder
die generell das Gegenteil von Arbeit ist. Dabei ist jedoch anzumerken dass das Spiel durchaus
sehr ernstzunehmend ist.
Die historischen Spielsammlungen sind voll von blutigen, brutalen Spielen. Da waren zum
Beispiel jene Eskimostämme, die darin wetteiferten, sich gegenseitig die Ohren abzudrehen; es
gab die Ballspiele der Mayas, bei denen dem Kapitän der Verlierermannschaft der Kopf
abgeschlagen wurde; und das Geschehen auf Football- und Rugbyplätzen oder in Boxringen
verweist natürlich auf Vorläufer, bei denen der Spaß wesentlich in der Deformation des Gegners
bestand. Was diese Beispiel deutlich belegen, ist das Fehlen einer im Spiel selbst angelegten
moralischen oder ethischen Grenze [Adamowsky 2000:23].
Dass Spiel auch nicht als grundsätzliches Gegenteil von Arbeit gesehen werden kann, impliziert
die heute übliche Methode des „Lernens durch Spielen“. Hier wird die generelle soziohistorische Abhängigkeit der Bedeutungszuweisung von „Arbeit“ oder „Spiel“ sichtbar. Spiel ist
demnach diskursive Entität, das die kulturelle und gesellschaftliche Verfasstheit spiegelt.
46
Die Frage nach der Eingrenzung des Spiels oder der ästhetischen Qualität von Spiel gestaltet
sich zudem als schwierig, da alles Vorstellbare gespielt werden kann. Zusätzlich gibt es
verschiedene Spielarten, vom festen Regelwerk angefangen bis hin zum Spiel mit dem
imaginierten Begleiter oder dem Rollenspiel [Mead 1956:112]. Alles scheint möglich zu sein
und ist allein der Prämisse unterworfen dass „alles Spiel zunächst und vor allem freiwilliges
Handeln“ ist [Huizinga 1938:145], und „dass das Spiel geglückt oder aufgegangen ist“
[ebd.:146].
Einen der wenigen Erklärungsansätze, die sich nicht nur mit der Kategorisierung von Spielen,
sondern auch mit deren Wesen auseinandersetzen, bietet Natascha Adamowsky [Adamowsky
2000]. Sie beschreibt das Spiel als „Zwischen“ – Raum, als intermediärer Raum, das einen
potentiellen Raum zwischen intrapsychischer Realität und der äußeren Realität darstellt, in dem
nachgeahmt werden kann, mit Rollen und Identitäten gespielt und das doppelte „perspektivetaking“ – das gleichzeitige Empfinden von realer „Hier-Existenz“ und imaginärer „DortExistenz“ - erlebt werden kann. Die Spielerin oszilliert zwischen realer und imaginierter Welt,
zwischen Identifikation mit der Spielfigur und Distanzierung von derselben (wenn
beispielsweise ein sog. OOC-Kommentar32 gemacht wird). Der Bereich des Spiels ist ein
Experimentierfeld,
auf
dem
durch
spielerisches
„so
tun
als-ob“
Handeln,
einer
„Scheinhaftigkeit“ [Huizinga 1938:145] einem „lets-pretend“ Modus [Anderson 1998:114], die
Möglichkeit besteht, mit Veränderungen zu experimentieren und diese Veränderungen
auszuagieren, ein Prozess, den Adamowsky als Transformation bezeichnet [Adamowsky
2000:30]. In diesem intermediären Raum kann es dann je nach Ausdifferenzierung der
Regelhaftig- oder Regellosigkeit des jeweiligen Spiels zu einem Prozess schöpferischer Einfälle
kommen und „im Moment höchster Intensität können Spielende sich zwischen Trance und
Ekstase drehen, in Augenblicken dahintreibender Gelassenheit zwischen Träumen und
Körperfunktionen“ [ebd.:34]. Dieser Moment „höchster Intensität“ verweist auf einen
„spannungsfreien Freiraum“, den alle Spiele benötigen, um den Spielern vollkommene
„Hingabe“ oder „Konzentration“ auf das Spielgeschehen zu gewähren, welches dann wiederum
vom Spannungsfeld des Alltags befreit und Lust durch spielinternen Spannungsauf- und Abbau
ermöglicht [vgl. Scheuerl 1997:222]. In der Anspannung werden auf dem Experimentierfeld
Spiel die Fähigkeiten der Spielerin auf die Probe gestellt, wenn das Spiel glückt, kommt es zur
32
OOC ist aus dem abenteuerorientierten MUD übernommen und bedeutet „out of character“. Es bezeichnet die
Aussagen von Spielern, bei denen sie sich nicht mehr mit der jeweiligen Rolle identifizieren bzw. die nicht den
Spielverlauf betreffen.
47
erstrebten Entspannung, die mit entsprechend lustvollen Emotionen verbunden ist [vgl.
Huizinga 1938 und Grodal 2000].
Die intermediären Prinzipien des „So-tun-als-ob“ und des gleichzeitigen „Hier und Dort seins“,
finden sich als Grundkonzept im Cyberspace wieder. In dessen virtueller Umgebung befindet
sich die Nutzerin in einem permanenten Prozess des “So-tun-als-ob“ sie selbst und die
telepräsenten Interaktionspartner tatsächlich anwesend wären. Sybille Krämer [Krämer
1998:35] sieht den medialen Gebrauch des Computers dementsprechend generell weniger im
instrumentellen, zweckmäßigen Bereich, sondern im ludischen wobei durch spielerisches
Handeln symbolische Welten erzeugt werden. Das symbolische „Als-ob“ Handeln ist dabei
nicht den Alltagsregeln, sondern bestimmten Spielregeln unterworfen. Spielen bezeichnet
zudem immer ein interaktives Geschehen, bei dem die einzelnen Spielzüge kontingent sind.
Krämer schließt aus ihren Beobachtungen auf die generelle Verortung virtueller Realitäten im
Ludischen, der ich mich anschließen möchte:
Sowohl die vom leiblichen Risiko entbundenen Aktionen in virtuellen Realitäten, wie auch die
vom Verantwortungsbezug und den illokutionären Aspekten persönlicher Kommunikation
freigesetzen Interaktionen „künstlicher Identitäten“ im Internet zeigen, dass das „Spiel“ als eine
deskriptive Kategorie zur Analyse des Geschehens im „Cyberspace“ sich anbietet [Krämer
1998:36].
Die Erklärung für die Zunahme des Ludischen in allen Bereichen lässt sich als konsequente
Weiterentwicklung der Schulze’schen Erlebnisgesellschaft deuten [vgl. Schulze 1993]. Durch
die Reduzierung von Arbeitszeit und des daraus folgenden Mehr an Freizeit, sowie der damit
einhergehenden Individualisierungstendenz, stieg das Bedürfnis nach Freizeitangeboten. Die
Vielzahl von Vergnügungsparks (Disney Land) Kinopalästen (IMAX), Kaufhauswelten,
Kabelfernsehen und Spartenfernsehen mit Hunderten von Programmen, Erlebniskinos oder neue
Freizeitsportarten wie Bungee Jumping und Snow Boarding sind sowohl Anzeichen als auch
Resultat einer erlebnisorientierten Kultur [vgl. Rötzer 1998].
In
der
Welt
des
wachsenden
Programmangebots
und
der
schrumpfenden
Orientierungsmöglichkeit an allgemeingültigen Werten und Normen „orientiert sich das
Individuum zunehmend an ästhetischen Kriterien“ [vgl. Rötzer 1998:151] und bewirkt so eine
Ästhetisierung des Alltäglichen. „Erlebnisorientierung“ bedeutet demnach, „wählen zu können
und die Wahl aufgrund individueller, aber deswegen natürlich keineswegs wirklich singulären
Präferenzen zu treffen“ [ebd.:153] Hierin liegt die Nähe zum Spiel, welches ebenfalls auf
Freiwilligkeit beruht. Gleichzeitig pointiert dieser Ansatz die Zweckfreiheit des Spiels, das eben
nicht aus bestimmten Gründen wie dem Gewinnen fasziniert, sondern weil es elegant, gut,
48
„schön“ und ästhetisch gespielt werden kann. Das Computerspiel SIMCITY [Electronic Arts
1989, 1999], in der die Spielerin die Simulation einer Stadt „regiert“, ist Beispiel eines solchen
Experimentierfeldes, in dem verschiedenste Möglichkeiten durchgespielt werden können oder
unlösbare Alltagsprobleme transformiert und zu einer Lösung gebracht werden können.
2.3.2 Exkurs: Der Computer als Simulationsmaschine
Der Begriff Simulation wurde im Laufe dieser Arbeit bereits mehrfach verwendet und soll nun
genauer untersucht werden. Der Bezug zwischen Spiel und Simulation liegt in der
Modellhaftigkeit von Spielen im allgemeinen. Das „Als-ob“ Handeln im Spiel verweist auf die
Eigenschaft des Spiels als Modell die Wirklichkeit abzubilden. Im freien Spiel entsteht die
jeweilige Simulation durch Abstraktion im „Kopf“ der Spieler [vgl. Döring 1997:46ff]. In der
virtuellen Welt der Computer und des Internets entstehen Simulation durch komplexe 3DProgrammierungen. Simulation bezeichnet im allgemeinen diejenigen Computerprogramme,
welche die Realität möglichst getreu abbilden. Besonders im militärischen Bereich und im
Bereich der Pilotenausbildung sind Flugsimulatoren gefragt, mit Hilfe derer eine Situation
möglichst „real“ nachgestellt werden kann, um so erprobt zu werden. Im Bereich der
Computerspiele existiert sogar die Genrebezeichnung „Simulationsspiele“. Simulation benötigt
offensichtlich eine entsprechende Technologie, die mit der Computertechnologie gegeben ist.
Nach Frasca [Frasca 2001a] liegt das Hauptpotential des Computers in der Fähigkeit zur
Simulation. Simulation wird als die Fähigkeit verstanden, dynamische Systeme zu
repräsentieren. Es werden demnach nicht nur Zeichen repräsentiert, sondern auch die Regeln
eines Verhaltens. Zur sinnvollen Bedeutungskonstruktion ist die bloße Interpretation des
medialen Textes nicht mehr ausreichend. Vielmehr muss die Nutzerin mit der Simulation
experimentieren, um die Verhaltensregeln zu erkennen. Der Akt des Experimentierens verweist
hier auf die schon von Sybille Krämer [Krämer 1998:35] statuierte Aussage, dass sich ein
spieltheoretischer Ansatz für die Untersuchung computerbasierter Formate besser eigne als ein
narratologischer Ansatz.
Bilder repräsentieren immer auf unvollständige Weise, da viele Eigenschaften des Objekts in
der Abbildung nicht ausgedrückt werden können. Erst durch die Beschreibung können die
Funktionsweisen des Objekts erläutert werden. Dieses System liegt narrationsbasierten
Cybertexten zugrunde. In der Computersimulation können die Funktionsweisen von Objekten
49
oder Systemen in einem dynamischen Modell demonstriert werden. Dies erfordert jedoch die
Teilhabe, die Agency der Interpretin am Modell. Die Simulation ermöglicht so die
Interpretation eines Textes nicht als Narration, sondern als Spiel zu empfinden. Für den
externen Beobachter ist das Resultat eines Spiels weiterhin Narration (wenn beispielsweise der
Spielverlauf eines Adventure Games dokumentiert wird, was bei einigen Spielen möglich ist,
und hinterher einem Publikum vorgeführt wird, ist das Spiel zu einer Geschichte geworden),
doch die Qualität der direkten Teilhabe ist eine gänzlich andere, die nicht in der Retrospektive
erfahren werden kann. Frasca beschreibt Simulation als “act of modeling a system A by a less
complex system B, which retains some of A’s original behaviour” [Frasca 2001a:3]. Als
Beispiel kann das Computerspiel SimCity genannt werden, das eine Simulation (B) einer Stadt
(A) darstellt, wobei die Simulation immer ein vereinfachtes Modell ist.
Sowohl die Simulation als auch Repräsentation sind graphische „Abbildungen“ des Objekts
(Stadt), beide können von einer Interpretin interpretiert werden und beide sind lediglich partielle
Ausschnitte des Objekts selbst. Ein Modell ist nie perfekt, da es sonst nicht länger Modell,
sondern Wirklichkeit wäre. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass es in der
Simulation Verhaltensregeln gibt, die Simulation ist ein dynamisches Modell, das sich partiell
wie sein „echtes“ Vorbild verhält.
In einer Repräsentation wie dem Film können demnach zwar durch Narration bestimmte
Verhaltensweisen beschrieben werden, doch stellt dies keinen dynamischen Prozess dar, in den
eingegriffen werden kann. Durch die Möglichkeit, mit Hilfe des Computers Simulationen zu
schaffen, also dynamische Systeme zu programmieren, können Spielumgebungen kreiert
werden, die sich nicht länger auf Repräsentation und Narration, sondern auf Simulation und
Spiel gründen [vgl.ebd.:4].
2.3.3 Expressives Spielerleben und ludische Performance
Das Spielerleben, das Erlebnis des Spiels, setzt sich aus sowohl kognitiven und psychischen als
auch haptischen und physischen Prozessen zusammen. Die Rezeption und Aneignung eines
Spiels unterscheidet sich von der einer Geschichte insofern grundlegend, als dass es sich beim
Spielen oder beim Spielerlebnis um ein Erlebnis handelt, in dem sich ein Text erst im Erleben
50
konstituiert33. Erleben ist also eine spezifische Form von Aneignung. Innerhalb dieses Prozesses
kann nicht mehr zwischen Textobjekt und Rezipientin unterschieden werden, da die Rezipientin
als Agentin Teil des Textes wird. Die Unterscheidung erfolgt vielmehr zwischen denen, die am
Erlebten teilhaben und so den Text konstruieren und denen, die außerhalb stehen. Während für
die Teilhaber am Erlebten dieser Prozess zum expressiven Spielerleben wird, präsentiert er sich
für die Außenstehenden als Narration. Dass es bei den Teilhabern trotzdem zu einer
Sinnproduktion kommt, kann mit dem kommunikativen Handlungsmodell von Habermas erklärt
werden, in dem eine Beobachterin zur virtuellen Teilnehmerin wird und als Akteurin eine
ebenso reiche Interpretationskompetenz hat wie die Beobachterin [vgl. Habermas 1985:164ff].
Schauplatz des Erlebens ist die jeweilige Situation, die mit den Teilhabern in reziproker
Beziehung steht, indem die Situation die Teilhaber betrifft und diese in der Situation handeln.
Vorgreifend kann darauf hingewiesen werden, dass dieses Verhältnis bei bestimmten Online
Computerspielen wie DIABLO [Blizzard Entertainment 1997] von Interesse ist, da Spieler hier
individuelle Situationen schaffen, an denen mehrere Spieler gleichzeitig teilhaben können, diese
sich jedoch auf unterschiedlichen Levels bewegen und damit jeweils anderen Regeln
unterworfen sind, wobei die Situation dennoch gemeinsam erfahren wird.
Die bereits angesprochene Aufhebung der Trennung von Text und Rezipientin ist jedoch nur in
momentanen Idealzuständen des Spiels zu erkennen. Das Gefühl der Teilhabe, der Agency, wird
immer
wieder
abgelöst
durch
das
neugierige,
selbst-bewusste
Gefühl
reflexiver
Aufmerksamkeit. Beide Formen, die Selbstverlorenheit in Form der Agency und die
Selbstbezogenheit als reflexiver Moment, sind konstitutiv für das Spielerleben [Adamowsky
2000:51]. Die konkreten Erlebnisse im Spiel können dabei bereits vorgegeben sein
(beispielsweise durch entsprechende Programmierung bei Computerspielen) oder durch einen
transformativen Akt aus dem eigenem lebensweltlichen Kontext in das Spiel geholt werden, wie
es bei dem unsichtbaren, imaginären Spielgefährten bei Mead [Mead 1956:112] der Fall ist.
Auch die Erschaffung eigener Avatars ist somit ein transformativer Akt im expressiven
Spielerleben.
Das konkrete Ausüben der Agency ist die Performance. Es ist die „originäre Art und Weise, im
Spiel zu agieren“ [Adamowsky 2000:66]. Um den Akt der Performance zu verstehen, ist es
hilfreich Habermas [Habermas 1995] Theorie des kommunikativen Handelns und Butlers
[Butler 1991] Begriff der Performativity einzubeziehen.
33
Auch bei der Rezeption eines Filmtextes kann von Erleben gesprochen werden, auch hier konstruiert sich die
Narration erst im Verlauf der Rezeption. Doch hat die Rezipientin hier keinen Einfluss auf den Verlauf der
51
Laut Habermas [Habermas 1995:34] kann jedes Mal, wenn eine Aussage getroffen wird,
aufgrund der Aussage Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Verfasstheit gezogen werden. Da
jede Äußerung die Lebenswelt, in der diese Aussage getroffen wird, mitthematisiert, findet
Kognition und Interaktion gleichzeitig statt. Sprache ist demnach ein Kommunikationsmedium,
mit dem Handlungen koordiniert werden. Die Annahme, Kommunikation als Handlung zu
verstehen, ist für spielerische Online Formate deswegen von Bedeutung, da hier
Kommunikation das wichtigste Instrument darstellt.
Für Judith Butler [Butler 1991:203ff] lassen „speech acts“ nicht nur Rückschlüsse auf die
gesellschaftliche Verfasstheit zu, sie konstituieren und reproduzieren sie auch. So ist es zu
verstehen, dass der „speech act“ „Es ist ein Mädchen“ zu einer „Vermädchung“ führen kann.
Sprache ist also ein Instrument, um soziale Konstruktionen (wie Männlichkeit vs. Weiblichkeit)
zu erschaffen. Das einzelne Subjekt bewegt sich in einem sprachlich konstruierten Raum, in den
es sich einordnet und in eine vorentworfene Rolle begibt (role-taking), die den Akt der IchIdentifikation(en) (role-making) determiniert. Identitäten konstituieren sich dann als
performativer Akt, wobei auf eine „inszenierte, kontingente Konstruktion der Bedeutung“
hingewiesen wird [ebd.:205]. Im Spiel können dementsprechend verschiedenste Rollen
angenommen und ausgeformt werden. Die Handlungen einer Spielfigur sind also performative
Handlungen, welche die Spielerin durch den Modus der Agency durch die Spielfigur
performiert.
Auf spielerische, graphische Online Formate bezogen, öffnen sich dabei zwei Bereiche. Zum
einen der artikulierende, schriftliche Bereich des Chats (der sowohl im graphischen Chat als
auch im Online Computerspiel auf der Oberfläche integriert ist) und zum anderen der
graphische Bereich, der durch das Visuelle bereits „vor-performiert“ ist. Diese Bereiche werden
im dritten Teil der Arbeit näher beleuchtet, doch sei hier schon angemerkt, dass es durch die
zunehmende Ausdifferenzierung des Cyberspace in 3D-Umgebungen zu einer Bevorzugung des
Graphischen vor dem Verbalen kommt.
The performance of the motif set by previous participation or visual representation begins to
outhweigh the spontaneity of word-only chats and favours the sensemaking provided by ritual
[Barbatsis & Fegan 1999:11].
In diesen graphischen Umgebungen werden Spielfiguren als Avatare (siehe Kapitel III/2)
visualisiert, was die innere Verfasstheit der Nutzerin, gleichzeitig Spielerin und Spielfigur zu
sein, explizit macht.
Geschehnisse und ist sich dessen auch bewusst. Sie ist Beobachterin und Interpretin des Filmtextes.
52
Auch wenn nun in den Cyberspace allmählich graphische dreidimensionale Orte einwandern, in
denen man nicht nur durch geschriebene Texte, sondern auch durch eine graphische
Körperrepräsentation anwesend ist, so sind diese konsensuellen Umgebungen entscheidend
davon geprägt, dass man nicht selbst „mit Haut und Haar“ und mit seiner Identität dort ist. Man
legt sich eine Wunschidentität zu, gibt sich einen Namen je nach dem Ort und der Gruppe, in
dem oder der man sich gerade aufhält, wählt einen Avatar oder baut sich selbst einen, bewegt
sich in vorgefertigten Umgebungen oder baut sich mit den angebotenen Tools seine eigene Welt
oder seinen Bereich in einer „digitalen Stadt“ [Rötzer 1998:149].
Im Gegensatz zum Identifikationsprozess im Erzählkino, in dem „Ich“ zeitweise zum Charakter
werde und mich in ihn hineinversetze um Handlungen nachvollziehen zu können, drehen sich
im Spiel die Verhältnisse um. Nicht „Ich“ werde zur Spielfigur, sondern die Spielfigur ist „Ich“.
Nur in den narrationsbetonten Sequenzen distanziere „Ich“ mich wiederum von der Spielfigur,
die dann zum Charakter einer Geschichte wird.
2.3.4 Ludus das Game und Paidia das Play
Nachdem sich nun an das Spiel angenähert wurde und die Handlung im Spiel, das expressive
Spielerleben und die Performance erläutert wurden, sollen an dieser Stelle die verschiedenen
Ausdifferenzierungen des Spielangebots und des Spielerlebens betrachtet werden. Dabei baut
das folgende Kapitel größtenteils auf dem spieltheoretischen Ansatz von Roger Caillois
[Caillois 1958] sowie Gonzalo Frascas formalistischen Ansatz der Ludologie [Frasca 1999,
Frasca 2001b] auf, der Caillois Konzept auf Computerspiele überträgt.
Im Englischen existiert die nützliche Unterscheidung in Play und Game. Als Play wird jede Art
des Amüsements bezeichnet, das sich als Freizeit, Spaß haben, oder allgemein dem Gegenteil
von Arbeit (die Problematik dieser Begrifflichkeiten wurde im vorherigen Kapitel erläutert)
gestalten kann. Game hingegen bezeichnet die explizit ausgewiesenen Spiele, die einem
festgelegten Regelwerk unterliegen. Ein Play ist spontan, da es nicht über einen deutlichen
Anfangs- oder Endpunkt verfügt, es kann Frisbeewerfen oder kindliche Rollenspiele sein.
Games sind konkrete Entitäten mit Anfang und Ende wie Fußball oder Skat. Die oft getroffene
Unterscheidung zwischen Plays und Games in Regellosig- und Regelhaftigkeit erweist sich
jedoch insofern als unzutreffend, als dass auch Plays bestimmte Regeln haben. Die Regel beim
Frisbeespielen ist die, dass die Scheibe ohne den Boden zu berühren von einer zur nächsten
Person weitergereicht wird, wobei sie die Distanz um sich selbst rotierend zurücklegen muss.
53
Beim Freien Rollenspiel (z.B. Indianer & Cowboy) gibt das „Als-ob“ die Regel vor, indem jede
Rolle
mit
bestimmten
Bedeutungsmustern
und
Handlungsschemas
belegt
ist.
Die
Unterscheidung liegt vielmehr darin, dass Games Resultate aufweisen, indem sie eine
Gewinnerseite und eine Verliererseite definieren. Das Play Ballspiel kann also zum Game
werden, wenn aus dem ziellosen Spiel in den Bereich des Games übergetreten wird. Dazu
bedarf es jedoch der Aussage „Wir spielen jetzt Völker-, Volley-, Basket-Ball“.
Caillois bezeichnet Plays als Paidia, in denen „ein gemeinsames Prinzip des Vergnügens, der
freien Improvisation und der unbekümmerten Lebensfreude“ zum Ausdruck kommt. Paidia ist
der Überschwang (oder Exzess) physischer und mentaler Aktivität, die unproduktiv, also
zweckfrei ist und ausschließlich dem Vergnügen der Spielerin dient. Auf der anderen Seite steht
das Game, Ludus, in dem die „überschäumende Eulenspiegelei“ der Paidia dem „wachsendem
Bedürfnis unterliegt, die anarchische Natur willkürlichen, gebieterischen und absichtlich
hemmenden Konventionen zu unterwerfen“. Ludus ist demzufolge die gebändigte Version der
Paidia, dessen Aktivität ein Regelsystem zugrunde liegt, das Sieg oder Niederlage definiert. Da
die verschwenderische körperliche und geistige Aktivität der Paidia stärker oder schwächer
beschränkt werden kann, werden Paidia und Ludus am besten als die zwei Endpunkte einer
Skala begriffen. Dabei teilt Caillois Spiele in vier Hauptrubriken ein, die verschiedene
Ausdifferenzierungen entlang dieser Skala aufweisen. Er differenziert in Agon, den Wettstreit,
bei dem es auf Geschicklichkeit, Schnelligkeit Kraft und Ausdauer ankommt. Alea die Chance
bezeichnet das Glücksspiel. Mimicry ist die Verkleidung, von kindlicher Nachahmung über
Illusion, Travestie bis zur Schauspielerei. Ilnix bezeichnet den Rausch, den Schwindel, die
Ekstase bis hin zur Lust an der Angst. Wie die letzte Rubrik verdeutlicht, können alle vier
Ausdifferenzierungen als jeweils besondere Formen des Vergnügens betrachtet werden. Die
Herausarbeitung dieser Elemente im jeweiligen Spiel (vgl. Kapitel IV) ermöglicht demnach
Rückschlüsse auf das Rezeptionsvergnügen.
Im Bereich der spielerischen Online Formate lassen sich als Beispiele für Ludus DOOM oder
QUAKE nennen, welche die Gemeinsamkeit haben, dass sie gewonnen oder verloren werden
können. CYBERTOWN [Cybertown 1995] oder DOBEDO [Dobedo.Inc 1998] sind Beispiele
für Paidia, in deren Mittelpunkt das Vergnügen steht, das aus Aktion des Betätigens, des
Spielens selbst resultiert. Ein weiterer interessanter Fall ist das Online Computerspiel DIABLO,
das in den einzelnen Sequenzen die gewinnorientierte Struktur von Ludus aufweist, im
gesamten aber als Paidia betrachtet werden kann, da die Hauptquelle des Vergnügens in der
Ausgestaltung des Spielcharakters liegt. Die einzelnen Komponenten der Caillois’schen
54
Einteilung sowie das Verhältnis von spielerischen zu narrativen Anteilen im einzelnem Spiel
wird im vierten Teil der Arbeit eingehender analysiert.
55
2.4
Zusammenfassung und Wertung
Der vorangehende Teil der Arbeit lieferte das theoretische Werkzeug zur Untersuchung
spielerischer Onlinetexte. Die Besonderheiten des Textbegriffs hinsichtlich seiner Gestalt als
Hypertext und seinen interaktiven Qualitäten, die Espen Aarseth [Aarseth 1997] als „ergodisch“
bezeichnet, wurden vorgestellt.
Dabei wurde, ausgehend vom Internet als „hypertextuelles“ Medium festgestellt, dass der
Hypertext seiner Leserin eine größere Verantwortung überträgt als der klassische lineare Text.
Diese besondere Qualität trug dazu bei, das Verhältnis von Autorin/Leserin neu zu überdenken,
und von dem Konzept der Nutzerin anstatt der Leserin eines Textes auszugehen. Der
Hypertexttheorie unterliegt jedoch die positivistische Annahme, dass das Medium Internet mit
seiner rhizomatischen Struktur Texte auf „hohem Niveau“ hervorbringe und gleichzeitig
positive Auswirkungen auf die gesellschaftliche Verfasstheit habe. Zur Kritik an der
Hypertexttheorie wie sie besonders von Bolter [Bolter 1991] und Landow [Landow 1992]
geprägt wurde, kann resümiert werden, dass tatsächlich nur wenige Texte existieren, die dem
Anspruch von Bolter und Landow auch nur formal gerecht werden. Ihr Konzept des Hypertextes
ist zudem dahingehend eingeschränkt, dass es vom literarischen, fiktionalen Text ausgeht. Die
Untersuchung bleibt zudem rein formal, d.h. die Frage nach dem Rezeptionsvergnügen bleibt
unangesprochen. Im Mittelpunkt steht vielmehr die These, dass die Nutzerin sich die Narration
selbst konstruieren muss und nicht wie beim filmischen Text präsentiert bekommt. Obwohl
diese Annahme durchaus Wertigkeit bezüglich narrativer Texte besitzt, bleiben Texte, bei denen
die Narration eine untergeordnete Rolle spielt, ausgeschlossen.
Mit seinem übergreifendem Modell des Cybertext, will Espen Aarseth [Aarseth 1997] alle
computerbasierten Texte sowohl fiktionalen als auch informativen Charakters einschließen.
Indem er Texte in ergodische und nonergodische, in aktionsbasierte und narrationsbasierte
Cybertexte einteilt, schafft er einerseits einen integrierenden Ansatz und legt andererseits den
Augenmerk auf den Rezeptionsmodus. Der Cybertext wird hier zum Erlebnisraum, durch den
die Nutzerin vergnüglich hindurchnavigiert oder durch die Möglichkeit zum Eingriff in das
Geschehen eine Kontrolllust verspürt. Die narrativen Elemente sind in ergodischen Texten
dementsprechend nicht mehr textbestimmend, aber dennoch oftmals signifikant. Da viele
Vertreterinnen des narratologischen Ansatzes [Murray 1999, Laurel 1993] diese Aussage
betonten, wurden narrationsstrukturierende Elemente auf ihre Gültigkeit hinsichtlich
spielerischen Formaten untersucht. Von der Definition der Narration ausgehend als eine (meist
56
kausal verknüpfte) Ereigniskette, die ein Setting, temporale Struktur, Figuren, Erzählperspektive
und Aktionen beinhaltet und sich im Interpretationsakt durch die Leserin konstituiert, wurde
besonders die temporale Struktur der Narration mit der des Computerspiels verglichen. Dabei
konnte festgestellt werden, dass Computerspiele im allgemeinen ihre eigene temporale Ordnung
haben sowie durch die Besonderheit des Spiels, das die Interpretin des Textes gleichzeitig zu
dessen Protagonistin macht, sich strukturell deutlich von der Narration unterscheiden.
Computerspiele aber auch spielerische Online-Formate haben also besondere ludische
Qualitäten, die neben einer eigenen zeitlichen Strukturierung auch besondere ästhetische
Merkmale aufweisen. Spiel selbst lässt sich dabei als intermediärer Ort beschreiben, der
zwischen der intrapsychischen Realität und der äußeren Realität oszilliert. Das bedeutet
beispielsweise, dass alles Vorstellbare auch gespielt werden kann, wobei das doppelte
„perspektive taking“, das gleichzeitige hier und dort sein (z.B. gleichzeitig Rezipientin und
Protagonistin sein) als kennzeichnend gilt. Dem Internet liegt dieses Prinzip aufgrund der dort
vorherrschenden Telepräsenz zugrunde. Es wird deswegen als ludischer Bereich betrachtet.
Für die Rezipienten erschließt sich im Spiel eine besondere Form der Textaneignung. Im Spiel
wird nicht „nur“ interpretiert, sondern experimentiert und erlebt. Die jeweilig durchlebten
Situationen und die Spielerin stehen dabei in einem reziproken Verhältnis, eine Besonderheit
die als basal für die Spielrezeption betrachtet werden kann. Dabei ist sich die Spielerin immer
ihrer Doppelrolle als Rezipientin und Spielfigur bewusst, sie pendelt ständig zwischen
Selbstvergessenheit und Selbstreflexivität. Die Spielfigur selbst wird dabei in einem
transformativen Akt geschaffen und visualisiert sich im Internet zusehends in Form von
graphischen Avataren. Handlungen, welche die Spielerin durch ihre Spielfigur ausführt, haben
dabei performativen Charakter.
Konkret kann zwischen den unterschiedlichen Spielformen, zwischen dem resultatsorientierten
Ludus und dem ziellosen Paidia unterschieden werden. Da bereits in Manovichs Raummodell
[vgl. Manovich 1998] und Aarseths Cybertextmodell [vgl. Aarseth 1997] die Lust an der
Navigation und dem Flanieren ausgeführt wurden, kann nun zu virtuellen Umgebungen als
paidiaische
Form
referiert
werden,
welche
ein
Experimentierfeld
bietet,
in
dem
unterschiedlichste Aktionen nachgeahmt und performiert werden können. Das soziale MUD
CYBERTOWN oder der graphische Chat DOBEDO sind Beispiele eines solchen Formats. Als
Beispiel von Ludus kann dementsprechend das Online-Spiel QUAKE genannt werden, bei dem
diejenige Spielerin gewinnt, die als erstes zwanzig Gegner abgeschossen hat.
Abschließend soll hier noch angemerkt werden, dass spielerische Texte und narrative Texte
nicht klar zu trennende Entitäten sind. Aarseths [Aarseth 1997] Argumentation folgend ist der
57
Motivationsmoment, also der dominante Anreiz zur Rezeption eines Textes, die definierende
Komponente. Doch obwohl er selbst einen ergodischen Text handlungsabhängig als den
definiert, dessen Rezeption einen „non-trivial physical effort“ verlangt, ist es oft schwer,
zwischen aktiver Interpretation und ergodischer Teilhabe zu unterscheiden. Ob die spielerische
Aktivität die entscheidende ist und die Narration nur als schmückendes Beiwerk dient, oder ob
sich die Narration als Spiel getarnt erst in einem entscheidungsaktiven Akt der Leserin
erschließt, kann letztendlich erst in einer eingehenden Analyse des jeweiligen Textes in
Erfahrung gebracht werden. Dabei lassen sich nicht alle Cybertexte der einen oder der anderen
Kategorie zuordnen. Viele Spiele möchten beides, eine filmische Narration liefern und
gleichzeitig der Spielerin möglichst viel Handlungsfreiraum lassen. Die große Popularität des
Spiels TOMB RAIDER wurde unter anderem mit seiner fundierten Geschichte erklärt, die
soviel Stoff zu bieten hat, dass daraus sogar ein Film entstand. Das Dreamcast Spiel
SHENMUE [Yu Suzuki 2000] wirkt oftmals selbst wie ein Film. Die Spielfigur Ryu ist zugleich
auch Protagonist einer geschlossenen Narration. Als junger Mann Ryu macht sich die Spielerin
auf die Suche nach den Mördern des Vaters. Dabei existiert nur ein möglicher „Plot“-Pfad durch
das Spiel, der die Auflösung bringt. „It’s epic storytelling at its best“, reklamiert der Vertreiber
Sega34. Die Narration wird von zahlreichen Videosequenzen gestützt, welche wichtige
Hintergrundinformationen sowie die Figurenmotivation liefern. Doch anders als beim
Erzählkino existiert keine zeitliche Struktur, welche den Verlauf der Erzählung bestimmt.
Anstatt dem Protagonisten Ryu durch den vorgegebenen Plotpfad zu folgen, kann die Spielerin
selbst die Kontrolle übernehmen und so den Avatar Ryu durch eine detailreiche Welt lotsen.
Dabei können in der Spielwelt Wochen und Monate vergehen, in denen sich die Spielerin mit
der Erkundung von dunklen Gassen oder Spielcasinos beschäftigt und Unterhaltungen mit
zahlreichen komplexen Bots („intelligente“ Programme, die Nebenfiguren darstellen) führt,
ohne dass dies einen Bezug zum Erzähltext, zum Plot, hätte. Sie kann überall hingehen und alles
anfassen sowie gegebenenfalls auch benutzen.
SHENMUE als Story ist jedoch dann am spannensten, wenn möglichst wenig Gebrauch von
den Möglichkeiten gemacht werden, die für den Plot irrelevant sind. SHENMUE als Spiel
hingegen macht Spaß, indem eine Fülle an Handlungen ausprobiert werden können, ohne dabei
vernünftig oder nach sozialen Konventionen handeln zu müssen. SHENMUE kann so je nach
Gebrauch beides sein, Spiel und Narration.
Das Verhältnis von Spiel und Narration lässt sich wohl am besten mit dem Modell zweier Pole
verdeutlichen. Ihre jeweiligen Strukturen und Regeln unterscheiden sich im Extremfall stark,
34
http://www.sega.com/games/post_gamegame.html
58
sind jedoch trotzdem Teil eines Kontinuums. Die ergodische Immersion und die narrative
Involviertheit sind somit zwar eigenständige Prozesse, doch erklärt sich mit diesem Modell, wie
es möglich ist, dass derselbe Text sowohl ergodische als auch nonergodische Qualitäten parallel
aufweisen kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nur derjenige Text „gut“ ist, der die
Eigenschaften beider Pole in sich vereint. Vielmehr wird sich in Analyse (vgl. Kapitel IV)
zeigen, dass extreme Texte wie QUAKE eine ganz besondere Faszinationskraft besitzen.
59
III.
Avatar-basierte Unterhaltungsformate im Internet
Medien erlangen ihre Bedeutung erst „durch die Aktivität der Nutzer, sie realisieren sich erst im
Gebrauch“ [Mikos 1994a:2], also erst, wenn sie Teil des Alltags werden. Dabei lassen sich
folgende Untersuchungsschwerpunkte extrahieren: Die Aktivität der Nutzer und die Stellung,
welche bestimmte Formate im Alltag einnehmen. Der folgende Teil der Arbeit setzt sich
intensiv mit dem Aktivitätsgrad bzw. Interaktivitätsgrad der Nutzer auseinander. Dabei wird
zum einen die Interaktion mit dem Medientext und zum anderen die Interaktion bzw. Beziehung
zwischen Nutzerin und Avatar beleuchtet. Des Weiteren führt eine sowohl historische als auch
ästhetische Auseinandersetzung mit bereits bekannten elektronischen Spielformaten zum Kern
dieser Arbeit, der aktuellen exemplarischen Analyse spielerischer Online Formate.
3.1
Echt gleichzeitig interaktiv
3.1.1 Interaktivität
In der Diskussion über neue Medien steht die Interaktivität an zentraler Stelle. Das
Rezeptionsmodell von Autorin/Text/Leserin weicht zunehmend der Beschreibung von
Interaktion zwischen Partizipientin auf der einen und Multimedia Angeboten auf der anderen
Seite. Die Möglichkeit zur Interaktion scheint ungeahnte Möglichkeiten zu bieten35. Dabei
herrscht über die Begriffsdefinition von Interaktivität durchaus kein Konsens und es existieren
die verschiedensten Konzepte von Interaktivität.
Ursprünglich bezeichnet Interaktion die Kommunikation zwischen Personen, die auf
wechselseitiger Wahrnehmung beruht. Interaktion unterscheidet sich dabei von der einfachen
35
Es wird von folgendem Modell der Rezeption ausgegangen: Medientexte erhalten ihre Bedeutung erst durch die
Interpretation (aktiver) Rezipienten. Zur Interpretation trägt die Rezipientin ihr lebensweltliches Wissen an den Text
heran. Der rezipierte Text ist der neue, interpretierte Text, der sich aus der dynamischen Wechselbeziehung zwischen
Text, Rezipientin und Lebenswelt realisiert. Die Rezipientin eignet sich dabei die medialen Texte im Rahmen ihres
individuellen Lebens- und Rezeptionskontextes an. Sie kann sie nutzen, um anhand der medialen Szenarien innere
Lebensthemen zu bearbeiten. Auf diese Weise integriert sie die Erzählungen in ihren eigenen lebensweltlichen
Zusammenhang und nutzt sie zur Identitätsarbeit [vgl. Mikos 2001].
60
Aktion dadurch, dass sich ein Agent (ein in den Kommunikationsakt involviertes Individuum)
während der Interaktion immer zu einem anderen Agenten orientiert. Interagierende Individuen
sind sich immer über die Existenz von mindestens einer weiteren Person bewusst, die von ihnen
wahrgenommen werden kann, oder selbst wahrnimmt. Interaktion ist also eine spezifische Form
der sozialen Aktion, in der die Präsenz von Anderen erforderlich ist. Sie findet auch statt, wenn
diese Präsenz sich nur in der eigenen Vorstellung manifestiert und somit nur eine vorgestellte,
also parasoziale Interaktion ist.
In den Informations- und Kommunikationswissenschaften wird der Interaktivitätsbegriff auf die
Aktion zwischen Mensch und Computer ausgeweitet. Interaktivität bezeichnet hier nicht den
Interaktionsprozess zwischen Individuen oder zwischen Rezipienten und Medientext (in Form
von parasozialer Interaktion), sondern die technische Möglichkeit, eine virtuelle Umgebung
(Fernseh- oder Computerwelt) auf den Input der Nutzer reagieren zu lassen. Neue Medien, also
computerbasierte
Medien,
gelten
als
genuin
interaktiv,
da
ihnen
eine
digitale
Kommunikationstechnologie mit Rückkanal zugrunde liegt. Das WWW verfügt aufgrund seiner
Client-Server Struktur, in der jeder Empfänger zum potentiellen Sender wird und der darauf
aufbauenden rhizomatischen Organisation, über ein besonders hohes Interaktivitätspotential.
Reziprozität im Sinne eines „antwortenden“ Systems ist demnach die entscheidende
Komponente für Interaktivität.
Interaktivität findet also auf zwei Ebenen statt. Zum einen als Interaktionsprozess zwischen
symbolischen Systemen (Text, Bild, Ton, etc.) und Nutzern (Interaktivität), zum anderen
zwischen den Nutzern, die durch das Medium Internet miteinander vernetzt sind (Interaktion).
Für Peter Assmann [Assmann 1996:397] definieren sich interaktive Systeme „als
Benutzungsdialog zwischen einem Menschen und einem (computergesteuertem) System“, der
über ein Interface stattfindet. Interaktiv ist demnach auch die Betätigung der Fernbedienung
oder der Videorekorder, bei dem zusätzlich eine individuelle Programmgestaltung möglich ist.
Johan Fornäs [Fornäs 1998:6ff] spricht vom Grad der Interaktivität, die im Grunde jedes
Medium aufweist und nicht genuin für das Internet ist, da die Interaktivität hauptsächlich in der
Verbindung zwischen Medien und ihren Nutzern und nicht bereits in den Medien selbst liegt:
Every medium is to some extend technically and culturally ‘interactive’, by inviting its users to
an activity that includes an interaction both between the medium (both the machine hardware
and the textual software) and its users and between those different individuals who are connected
by the mediation in question. That interactivity consists of a series of choices – of commodities,
61
channels, programmes, genres, texts, times, places and reception modes. It implies a coproduction – of knowledge, meaning, experience, and even new cultural expression in those
words, gestures or songs that might spring from this media use. It also includes the shaping of
specific intersubjective social relations – of interpretive communities and other interactions
between different media users [Fornäs 1998:7].
Die Rezeption von Fernsehinhalt, also die Interaktion mit der „textual software“, das vorherige
Auswählen eines Programms oder Senders, die Betätigung der Fernbedienung („machine
hardware“) sowie der gleichzeitige oder anschließende Austausch mit anderen Nutzern über die
Sendung zeigt, dass die Interaktivität nicht dem Internet inhärent ist. Selbst im WWW stehen
„Sender“ und „Empfänger“ meist in einer ähnlichen Form der Interaktion zueinander, das Mehr
an Interaktivität beschränkt sich auf das aktive Abrufen und Suchen von vorgefertigten Inhalten.
Auch die Kommunikation mit anderen Nutzern findet meist indirekt statt, indem auf dieselben
Dokumente zugegriffen wird oder E-Mails versendet werden.
Das Entscheidende an Fornäs Argumentation ist die Annahme, dass sich Interaktivität aus dem
Verhältnis zwischen den Medien und ihren Nutzern konstituiert. Die Frage ist nicht, ob
bestimmte Medien interaktiver sind als andere, sondern die interaktive Art und Weise, in der
Mediennutzer Medien auch tatsächlich nutzen. In den aktuellen Diskussionen über Neue
Medien und neue Medieninhalte wird oft in Frage gestellt, ob die Nutzer interaktive Inhalte
überhaupt als unterhaltend empfinden können. Unterhaltung wird dabei in der Tradition der
Fernsehunterhaltung gesehen, welche die Zuschauer in ihren Bann zieht. Obwohl zahlreiche
Studien belegen, dass Fernsehrezipienten keine passiven „couch potatoes“ sind, schließt die
Unterhaltungsindustrie vom Erfolg des „passiven“ Fernsehens auf den Misserfolg von aktiven
Medien und Formaten. So ist der ehemalige RTL Programmchef Helmut Thoma [vgl. Thoma
1999:180] der Überzeugung, dass Fernsehen genau wegen seiner Passivität ein derart populäres
Entspannungs- und Unterhaltungsmedium sei. Die Digitalisierung sei eine Frage des
veränderten Übertragungswegs, nicht jedoch des veränderten Inhalts.
Dass interaktiv sein nicht mit Arbeit gleichzusetzen ist, erklärt Jürgen Fritz [Fritz 1995] in
seiner Studie über die Faszinationskraft von Computerspielen. Er beschreibt den
Spielecomputer als „Mister feel good“, der „Vergnügen, Spaß und Freude bereitet, Gefühle von
Leistungsfähigkeit und Kompetenz vermittelt sowie Distanz zur Lebenswelt schafft (abschalten
können und sich ablenken)“ [ebd.:238]. Computerspiele werden auf interaktive Weise von ihren
Spielern genutzt, sei es durch die taktile Interaktivität, durch aktive kreative Betätigungen wie
Raumkonstruktionen bei Online Formaten, oder durch das Gefühl, in eine andere Welt
einzutauchen, inmitten der Geschichte zu sein. Die hier beschriebene Erfahrungsqualität soll im
62
Weiteren als Immersion bezeichnet werden und ist in Analogie zu der im nicht-interaktiven
Kontext beschriebenen Involviertheit oder Identifikation [vgl. Vorderer 2000:29] zu sehen.
Sandbothe [Sandbothe 1995] überträgt das oben beschriebene Interaktivitätspotential auf das
WWW als multidirektionales Medium, in dem die Nutzerin zu einem „interaktiven Mitspieler
innerhalb des sich in ständigem Fluss befindenden Netzgeschehens“ wird [ebd.:3].
Auch die Ansätze von Laurel [Laurel 1993] und Murray [Murray 1999] teilen diesen Begriff
von Interaktivität als Form des „Beteiligtseins“, des „Mitmachens“: „Its [the computers]
interesting potential lay not in its ability to perform calculations but in its capacity to represent
action in which humans could participate“ [Laurel 1993:1]. Interaktiv sein bedeutet hier nicht,
aus einem vorgegebenen Programm mittels eines taktilen Vorgangs auswählen zu können,
sondern eine Form der Agency zu erlangen, welche die Möglichkeit gewährt, innerhalb einer
Repräsentation an Aktionen teilzuhaben. Der höchste Grad an Interaktivität manifestiert sich im
utopischen Holodeck36. Es ist die ultimative Simulation, ein „totales Unterhaltungsmedium der
Zukunft“ [Neuhaus 2000:6], in der alles, was sich die Nutzerin vorstellt in materielle und
interaktive Hologramme manifestiert [Carney o.A.]. Agency ist also „die lustvolle Macht und
Befähigung, bedeutsame Aktionen auszuführen und die Ergebnisse unserer Entscheidungen
auch sehen zu können“ (meine Übers.) [Murray 1999:126], was die Erfahrungsqualität der
Immersion ermöglicht. Dabei ist die Aktion nur innerhalb eines vorgegebenen Rahmens der
Programmierung möglich. Die verschiedenen Möglichkeiten, mit denen das (Computer-)System
auf eine Aktion reagieren kann, sind vorweg festgelegt.
3.1.2 Synchronität und Echtzeit
Das Interaktivitätspotential des Internets bedingt sich jedoch auch aus der spezifischen ihm
zugrundeliegenden reziproken Technologie. Tatsächlich ist das Internet nicht das erste Medium,
das direkte Sender/Empfänger Kommunikation unterstützt. Auch das Telefon ermöglicht eine
ähnliche
Position
der
Beteiligten.
Durch
die
selbständige
Bestimmung
des
Kommunikationspartners wird das Programm quasi aktiv gestaltet. Aber bis auf die Ausnahme
der Konferenzschaltung ist das Telefon im Gegensatz zum Internet kein multidirektionales
36
Das Holodeck existiert nur in der Science-Fiction Serie STAR TRECK: The Next Generation, und ist die
materielle holographische Manifestation von künstlich generierten Welten, mit der ohne Interface auf
Vorstellungskraft hin interagiert werden kann.
63
Medium und auch eine von der eigenen Präsenz unabhängige Selbstdarstellung ist nicht
möglich.
Die körperunabhängige Selbstdarstellung, durch Telekommunikationssysteme ermöglicht, wird
als Telepräsenz bezeichnet. In graphischen Umgebungen kann die Telepräsenz symbolisch
angereichert werden, d.h. die alleinige Visualisierung der Telepräsenz bekommt Bedeutung,
ohne dass eine Aktion ausgeführt oder Kommunikation erfolgen muss. Das Internet bietet die
Möglichkeit, mehrere Individuen gleichzeitig, also synchron und in Echtzeit zusammenkommen
zu lassen. Die synchrone Telepräsenz ermöglicht die gleichzeitige Anwesenheit von Menschen
überall auf der Welt in einem vollkommen neuen Kontext. Das Medium Internet wird zum
Medium der Kommunikation und zum Medium der Verbindung:
Das Internet und überhaupt alle Medien auf Netzwerk-Basis, sind heute die wichtigsten
Technologien, weil sie Zugang zu konnektiver Informationsverarbeitung in Echtzeit verschaffen,
ohne den individuellen Input zu vernachlässigen oder zu eliminieren. Daraus resultiert, dass die
Informationsprozesse und die aus ihnen hervorgehende soziale Organisation „konnektiv“,
verbindend, und individuell zugleich sind. Das ist ein Novum in der Geschichte der Medien [de
Kerckhove 1998:196].
Der Unterschied zur „echten“ Zusammenkunft besteht dabei in der Eigenschaft des Computers,
als
Simulationsmaschine
zu
fungieren.
In
zahlreichen
Experimentierwelten
können
beispielsweise Handlungsschemata spielerisch durchlebt oder verschiedene Identitäten
angenommen werden. Zudem bietet das Internet die (inzwischen scheinbar unspektakuläre)
Gelegenheit sich mit Menschen aus der ganzen Welt „zu treffen“ oder im Spiel Erfahrungen
gemeinsam verhandeln zu können. Das teilnehmende, kreative Interagieren der Agency, durch
welche sich die Nutzerin gleichzeitig als Spielerin vor dem Bildschirm als auch als Spielfigur in
der virtuellen Umgebung empfindet, bildet hier die am weitesten entwickelte Form der Nutzung
der computerbasierten Internettechnologie.
Die Koppelung von Rückkanal und Synchronität/Echtzeit ist jedoch nur eine der spezifischen
Anwendungsformen des Internets. Die folgende Graphik verdeutlicht die gebräuchlichen
Formen:
64
Abb.1: Synchrone und asynchrone
Kommunikation im Internet
Internetdienste wie Mailinglists (listserv) oder Newsgroups (useNET) sowie E-Mail Funktionen
sind asynchrone Kommunikationsformen, die dem traditionellen Brief oder Schwarzen Brett
ähneln. Alle drei Dienste arbeiten zeitverzögert. Auf Botschaften kann erst nach einer gewissen
Zeit reagiert werden, es entstehen Kommunikationsketten, die den Verlauf der jeweiligen
Diskussion abbilden. Im Gegensatz dazu stellt der Chat eine synchrone Kommunikation in
Echtzeit dar. Der geographische Aufenthaltsort der Chat-Teilnehmer spielt bei der synchronen
Echtzeit-Anwendung keine Rolle. Sowohl E-Mail als auch verschiedene Chat-Versionen sind
inzwischen in das WWW integriert.
MUDs
oder
Online
Computerspiele
sind
Internetformate,
welche
eine
interaktive
Umgangsweise nicht nur erlauben, sonder geradezu fordern. In spielerischen Umgebungen wird
Immersion durch Agency nicht nur durch die Interaktion mit dem Text, sondern auch mit
gleichzeitig anwesenden Menschen erzeugt. Während bei den textbasierten Formaten die
jeweilige Interaktionspartnerin in Form ihrer Persona37, der schriftlichen Beschreibung ihres
Charakters, auftritt, nutzen graphische Formate meist sichtbare Avatare.
37
Der Begriff Persona als selbstgestaltete Figur wird hier verwendet, um zwischen textbasierten, „unsichtbaren“
Avataren und graphisch dargestellten Avataren zu unterscheiden. Zum Persona Begriff nach Horton und Wohl siehe
Kapitel III/3.2 [vgl. Hippel 1996 und Krotz 1996].
65
3.2
Was sind eigentlich Avatare?
3.2.1 Zur Popularität der Avatare
Der Einsatz von Avataren war von der schnell fortschreitenden technologischen Entwicklung,
die immer ausgereiftere Graphikeinbindungen zuließ, abhängig. Der durch den Science Fiction
Roman Snowcrash38 populär gewordene Ausdruck stammt aus dem Sanskrit und bezeichnet die
Verkörperung einer Gottheit, die sich vorübergehend zu den Menschen herabgelassen hat. Laut
Definition des Online Magazins internet.com ist ein Avatar:
A graphical icon that represents a real person in a cyberspace system. When you enter the
system, you can chose from a number of fanciful avatars. Sophisticated 3D avatars even change
shape depending on what they are doing (e.g. walking, sitting, etc.) 39.
Der Begriff „Avatar“ bezog sich also ursprünglich auf die graphische Repräsentation von
Nutzern in Chats, Multi-User-Dimensions (MUDs und MOOs), Online Computerspiele und
anderen Virtual-Reality-Umgebungen. Dabei sind der graphischen Präsentation keine Grenzen
gesetzt. Die Palette reicht von einfachen Smileys, wie sie in THE PALACE [Time Warner
1994] anzutreffen sind, über flache Comicfiguren jedes Aussehens, wie bei DOBEDO, bis hin
zu den vektorenbasierten dreidimensionalen Avataren auf VRML Basis wie bei GNARF
[Phenomedia 1999] oder CYBERTOWN. In Computerspielen sind Avatare je nach Genre
muskelbepackte Kämpfer und Kämpferinnen oder Phantasiewesen (im RPG, Role Playing
Game). Dabei ist allen Avataren zueigen, dass sie beweglich sind, sei es durch einfaches
Verschieben per Mausklick oder durch fließendes Navigieren per Cursortasten. Avatare
fungieren hier als Stellvertreter und Repräsentanten der Nutzer im Cyberspace.
In den letzten Jahren machten Avatare auch in anderem Kontext von sich reden. Durch den
virtuellen Star Lara Croft entdeckte die New Economy den Avatar als lukratives Geschäft. TOnline wirbt beispielsweise mit dem Avatar Robert für eigene Zwecke. Die große Popularität
spiegelt sich auch im Unterhaltungsbereich wider. Nachdem der Avatar-Star Lara Croft in Form
seiner menschlichen Repäsentantin Angelina Jolie den Sprung in die Kinowelt schaffte, gelang
der japanischen Comicfigur Aki Ross der bisher einmalige Coup, in einer komplett 3D
38
39
Stepherson (1995), Snowcrash, Goldmann, München
http://www.internet.com
66
gestalteten virtuellen Welt mit dem Film Final Fantasy [Hironobu Sakaguchi 2001] weltweit
die Kinosäle zu füllen.
Abb.2: Stellvertreter-Avatare
Abb.3: Staravatar Aki Ross
Aus Avataren werden virtuelle Akteure, die Stareigenschaften ihrer menschlichen Verwandten
aufweisen. Auch im Bereich der Fernsehmoderation, wie „Cornelia – das Webface“ (ZDF,
1998) oder Kira Day, Avatar-Moderatorin bei der Sat1 Werbe-Quiz Show „spotOn“ (1998 bis
1999), finden Avatare Verwendung [vgl. Krempl 2001].
Eine weitere Form von Avataren sind helfende Avatare, die einfachen „Bots“ oder die
komplexen „Agenten“40, autonome Programme, die beispielsweise Auktionen überwachen oder
bestimmte Aufträge erledigen können. Allerdings sind Bots und Agenten normalerweise nur auf
der Textebene sichtbar. In einfacher graphischer Form tauchen sie im Microsoft Office Packet
2000 in Form netter schnurrender Haustiere auf um den Nutzern Tipps zum jeweiligen
Bearbeitungsprozess zu geben. Bots können einfache Fragen selbständig beantworten und auch
unaufgefordert Hilfestellung geben. Als graphische Avatare sollen sie in Zukunft als Begleiter,
Wegweiser und Berater durch den virtuellen Dschungel leiten. Mutter aller virtuellen Begleiter,
Bots und Agenten ist ELIZA, ein in den sechziger Jahren von Joseph Weizenbaum entwickeltes
Sprachprogramm, das für weltweite Euphorie in der Computerlandschaft sorgte, weil es
angeblich in der Lage war den Turing Test zu bestehen und somit intelligent sei [vgl. Münchrat
1998:189ff]41. Das Sprachprogramm ELIZA basiert auf der Befragungstechnik der „nichtdirektiven“ Psychotherapie nach C. Rogers. Aussagen des Patienten werden hier vom
Therapeuten aufgegriffen und als Frage umformuliert wieder an den Patienten gestellt. Bei
40
Bots und Agenten sind personenähnliche Programme die in virtuelle Umgebungen integriert werden. In MUDs
dienen sie beispielsweise als Helfer und Wegweiser für Neulinge, werden aber auch von den Spielern selbst
programmiert, die dann in Abwesenheit der Spieler als Stellvertreter bleiben und einfache Fragen beantworten
können. [vgl. Turkle 1995]
41
Der Turing Test ist ein Gedankenexperiment des britischen Mathematiker Alan Turing. In einer
Versuchsanordnung wird eine unbekannte Identität (Mensch oder Maschine) befragt. Merkt der Fragende nicht, dass
er mit einer Maschine kommuniziert, ist der Test bestanden. Die Maschine hätte somit Intelligenz bewiesen.
67
ELIZA tippt die Nutzerin ihre Frage am Computer ein und erhält umgehend eine entsprechende
Antwort auf den Bildschirm, welche den Nutzern glauben macht, das Programm „verstünde“
ihre Probleme. Dabei handelt es sich jedoch nicht um „Verstehen“ der Maschine, vielmehr sucht
das Programm nach Schlüsselwörtern und wandelt diese in Fragen um. Das Programm
funktioniert nur innerhalb einer Grenze von simplen Frage-Antwort Formen und ist schnell als
„unintelligentes“ Programm enttarnt. Auf dem Prinzip der Schlüsselworterkennung basieren
übrigens auch klassische Textabenteuer wie ADVENT [Willi Crowther 1972 Jahr].
Inzwischen geht die Künstliche-Intelligenz Forschung (KI-Forschung) davon aus, dass
„künstliche Intelligenz“ nur dann realisierbar sei, wenn der Mensch selbst „ein wesentlich
tiefgreifenderes Verständnis von den Phänomenen Geist, Bewusstsein und nicht zuletzt auch
Intelligenz besitzt“ [Münchrath 1998:197] als es zum jetzigen Zeitpunkt der Fall ist. Das
natürliche Verstehen der Sprache wäre der Schlüssel zum Verständnis von Intelligenz, was
wiederum voraussetzen würde, dass sich die Bedeutung eines Satzes aus seiner rein logischsyntaktischen Struktur ergeben würde, um so von einer Maschine interpretierbar zu sein.
Während die Klärung dieser Fragen noch aussteht, ist die Programmierung der Bots inzwischen
derart komplex geworden, dass Agenten und Chatterbots in virtuellen Umgebungen oftmals mit
menschlichen Chatteilnehmern verwechselt werden.
Agenten und Bots bevölkern zusammen mit „menschlichen“ Stellvertreter-Avatars Online
Computerspiele, MUDs, Chats und andere virtuellen Umgebungen. Dabei kommt ihnen aus
einer medientheoretischen Sichtweise eine besondere Bedeutung im Rezeptionsprozess zu.
3.2.2 Ich und mein Avatar
Es wurde bereits mehrfach betont, dass die Beziehung zwischen Spielerin und Spielfigur eine
besondere Form des Rezeptionsmodus darstellt. Das im Internet übliche doppelte „perspektive
taking“ manifestiert sich im spielerischen Format – Computerspiel oder graphischer Chat – in
der gleichzeitigen Positionierung der Rezipientin als Spielfigur des jeweiligen Cybertext in
Form des Stellvertreter Avatars und als Beobachterin und Interpretin. Im Weiteren soll
aufgezeigt werden, welche Form der Beziehung und der Bezugnahme zwischen der Rezipientin
und ihrem Avatar – in textbasierten Umgebungen entsprechend ihrer Persona – existieren.
68
Zum Verständnis dieser Beziehung bietet sich das Konzept der parasozialen Interaktion nach
Horton und Wohl [Horton&Wohl 1956] an, das besonders im Fernsehbereich Verwendung
fand. Das Modell der parasozialen Interaktion sollte ein „symbolisch-interaktionistisches
Modell zur Analyse der Rezeption von Massenkommunikation“ [Krotz 1996: 73] bieten. Dem
Modell liegt der Kommunikationsansatz des symbolischen Interaktionismus zugrunde, in dem
soziales Handeln als Interaktion, und Kommunikation als Prozess symbolischer Austausch, also
Interaktion mittels Symbole betrachtet wird. Jede symbolische Interaktion verlangt dabei einen
imaginierten Rollentausch, um es den Beteiligten eines Interaktionsprozesses zu ermöglichen,
die Handlungen der Interaktionspartner einzuordnen [vgl. Mead 1956:116].
Im Prozess der (massenmedialen) parasozialen Interaktion, übernimmt eine Fernsehperson (eine
Figur bei narrativen Texten oder eine Moderatorin bei Show-Formaten) die Rolle der Persona,
auch Performer genannt. Die Persona stellt einen Part der (parasozialen) Interaktion dar und
adressiert ein unsichtbares Publikum (systematische Adressaten). Die Rezipientin ist der zweite
Part der Interaktionssituation und tritt mit der Persona durch den Fernsehbildschirm in einen
symbolischen Interaktionsprozess, wobei es zu einer bewussten „so-tun-als-ob“ Vorstellung
einer face-to-face Kommunikation kommt. Die aktive Rezipientin ist sich der Differenz zu einer
echten face-to-face Kommunikation durchaus bewusst, aber lässt sich absichtlich auf die
spezifischen Bedingungen des Rezeptionsmodus ein.
[D]ie meisten Zuschauer [sind] bei der Rezeption (zumindest zeitweise) so sehr „involviert“,
dass sie das dargestellte Geschehen als real erleben, das heißt: Kognitionen (zum Beispiel
Erwartungen) und Emotionen (zum Beispiel Hoffnungen und Befürchtungen) in Bezug auf den
Protagonisten entwickeln – gerade so als wäre dieser real [Vorderer 1995:502].
Durch die regelmäßige Wiederholung der parasozialen Interaktion zu einer bestimmten Persona
können so im Laufe der Zeit parasoziale Beziehungen entstehen [vgl. Krotz 1996:80].
Besonders in narrativen Formaten wie dem Erzählkino wird dabei der Prozess des
Rollentauschs erwünscht und wird durch kinematographische Komponenten wie Montage
gefördert. Durch den Prozess des Rollentauschs kommt es zur Identifikation mit einer Figur, die
so die Erfahrungsqualität der Involviertheit ermöglicht. Der Identifikationsprozess erfolgt dabei
auf kognitiver und emotionaler Ebene, die Einordnung von Handlungen einer Figur erfolgt über
den Versuch, die Emotionen, Ziele und Wünsche dieser Figur nachzuvollziehen.
When the viewer’s attention has been caught, the application of a set of cognitive procedures
follows. These will be labelled cognitive identification: the viewer will try to simulate the
subject-actans’s perceptions: He will try, for example, to construct the field of vision of the
actant by generalizing his/her own perceptual experiences into an objective and transformational
69
model: what would I have seen if I had been in the same place as the actant? These activities
presupposes the construction of abstract models for the world.[…]the viewer will try to construct
the subject-actants emotions, affects [Grodal 1997:89].
Identifikation bewirkt also einen bestimmten Rezeptionsmodus, der ähnlich der Immersion eine
Teilhabe am Geschehen ermöglicht. Allerdings besteht keine Eingriffsmöglichkeit in das
Geschehen und nur bedingte in die Figurengestaltung. Die Teilhabe kann lediglich durch einen
kognitiven Interpretationsakt erfolgen. Da dieser Prozess nicht automatisch erfolgt, sondern eine
Aktivität der Rezipientin darstellt, kommt es im Identifikationsakt, also im Prozess des
Verstehens
einer
anderen
Person
verbunden
mit
einem
Rollentausch,
auch
zu
Transformationsakten. Persönliche Alltagserfahrungen werden in die Erlebniswelt der
jeweiligen Narration hineintransportiert und die Geschehnisse erhalten durch sie ihre Bedeutung
im Interpretationsakt.
Wird das Modell der parasozialen Interaktion auf spielerische Online-Formate übertragen, so
müssen zunächst die geänderten Parameter beachtet werde. Wie bereits ausführlich erläutert,
besteht die Besonderheit spielerischer Formate in der Möglichkeit der direkten Teilhabe, der
Agency. Anders als bei narrativen Formen des Fernsehens, wo der Interaktionsprozess zwischen
Figuren und Rezipienten stattfindet, ist hier die Nutzerin gleichzeitig Figur in Form ihres
Avatars und Rezipientin. Es ist:
[...] eine Projektion der Persönlichkeit des Nutzers in den elektronisch mediatisierten
Kommunikationsraum, die seiner Kontrolle unterliegt. Sie ist vom Nutzer aus gesehen aber auch
eine Rolle, in der das Individuum in diesem Kommunikationsraum handelt, interagiert und
kommuniziert [Krotz 1996: 88].
Rezipientenfunktion und Performerfunktion sind hier in ein und derselben Person vereinigt, ein
Umstand, den Schmitz [Schmitz 1996:93] mit „parasozialer Identität“ beschreibt.
Bei der Rezeption von Fernsehtexten eröffnet parasoziale Interaktion der Rezipientin die
Möglichkeit sich durch den Akt des Rollentauschs mit der jeweiligen Fernsehfigur in die
präsentierte fiktive Welt zu begeben („role-taking“), dabei „kognitiv Rollen-Schemata [zu]
aktivieren und sich im Rahmen des szenischen Verstehens mit diesen Rollen [zu] identifizieren“
[Mikos 1996:105]. So können mögliche Handlungsentwürfe durchlebt, also soziale Ereignisse
miterlebt werden. In virtuellen Umgebungen hingegen werden Rollen nicht nur angenommen,
indem aus einem Angebot von Avataren gewählt wird, sie werden im großen Maße auch selbst
gestaltet („role-making“) und Handlungsschemata werden nicht durch einen kognitiven
Interpretationsakt scheinbar, sondern tatsächlich erlebbar. Im Gegensatz zur Teilhabe durch den
70
kognitiven Prozess der Identifikation erfolgt die echte, fühlbare Teilhabe hier durch Immersion.
Durch die Augen des selbstkreierten Avatars taucht die Nutzerin in die virtuelle Welt ein,
erfährt diese durch die Spielfigur. Die Steuerbarkeit und Kontrollierbarkeit der Spielfigur öffnet
nach Vorderer [Vorderer 1995] neue Perspektiven für den Rezeptionsmodus:
Statt einer Identifikation mit dem Helden gäbe es fortan ein Erleben aufgrund eines
manipulativen Umgangs mit dem Helden. Für ganz neue Rezeptionserfahrungen wäre damit der
Weg geebnet [Vorderer 1995:502].
Da eine Spielfigur im Vergleich zur fiktionalen Figur eines Films sehr flach ist, also lediglich
eine Plattform bietet, auf der eine bestimmte Rolle dann von der Rezipientin aktiv ausgestaltet
wird, kehrt sich die Erfahrung des Rollentauschs um. Nicht die Spielerin wird in einem
kognitiven Prozess zeitweilig zur Spielfigur, sondern der Avatar wird im Immersionsprozess zur
Spielerin.
Im Gegensatz zum Identifikationsprozess, der durch eine interaktive Handlung unterbrochen
würde, da der durch kognitive Leistung erbrachte Rollentausch gestört würde, steht
Interaktivität der Immersion nicht entgegen, sondern ist Teil von ihr. Eine Störung kann hier
entstehen, wenn Aktivitätskompetenz nicht gegeben ist. Ein wesentliches Merkmal des
interaktiven Immersionsprozesses ist das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Erst wenn das
Spiel beherrschbar ist, wenn alle Regeln verstanden und alle Aktionen (haptisch und kognitiv)
durchführbar sind und wenn die Spielsituation als eine „als-ob“ Situation akzeptiert ist, tritt das
Gefühl von Flow ein, in dem zeitweise die Selbstreflexivität zugunsten der Selbstverlorenheit
aufgegeben wird. Nach Fritz [Fritz 1997b:211] birgt der Zustand des Flows die Gefahr der
Abhängigkeit, da es mit dem Verlust des Bewusstseins seiner selbst einhergeht. Da der
intermediäre Raum des Spiels aber wesentlich durch die Oszillation zwischen Selbstverlorenheit
und Selbstreflexivität gekennzeichnet wurde, ist die Spielerin nicht im Flow gefangen, sie
taucht vielmehr immer wieder in ihn ein.
Die Befähigung zur aktiven Kontrolle bezieht sich nicht nur auf Handlungsfreiheit, sondern
auch auf die Figurengestaltung. Die Bezugnahme von Spielerin zu ihrem Avatar kann als
experimentelles Identitätenspiel gewertet werden, das der Nutzerin paidiaisches Vergnügen
bereitet und die Immersion in virtuelle Umgebungen ermöglicht. In graphischen Chats wie
DOBEDO wird viel Zeit in die Auswahl und Veränderung der Avatars gelegt und auch bei
vielen RPGs (Role Playing Games) nimmt die Avatargestaltung eine zentrale Stellung ein. In
virtuellen Welten existieren grundsätzlich zwei Formen von Avataren: Die des Avatars, der von
der Nutzerin mittels „Regieanweisung“ über den Bildschirm geschickt wird und in einer meist
71
2D gestalteten Abenteuerwelt (DIABLO) oder einem offenen graphischen Chat (DOBEDO)
Verwendung findet und die Avatarform, die in 3D Computerspielen (QUAKE) oder in
graphischen sozial-MUDs (CYBERTOWN) gängig ist. Hier ist der Avatar im Gegensatz zur
ersten Form für die Nutzerin nur im Auswahl- und Veränderungsprozess sichtbar, bzw. wenn
der Avatar, wie bei QUAKE sehr häufig der Fall, stirbt.
72
3.3
Spielwelten im digitalen Raum
Die Wurzeln virtueller Umgebungen reichen in die unterschiedlichsten Bereiche und
Traditionen hinein. Kunstprojekte, innovative Marketingstrategien oder Eigeninitiative und
Engagement einzelner Computerfreaks sind für das heutige Erscheinungsbild virtueller
Umgebungen sicherlich mitverantwortlich. Maßgeblich für die ästhetische sowie technische
Ausdifferenzierung und Umsetzung war jedoch die Entwicklung der Offline Computerspiele
und die der MUDs, die sich immer wieder gegenseitig beeinflussten. So erlangten die Online –
Computerspiele ihren Durchbruch mit dem beliebten Ego Shooter DOOM. Gleichzeitig wurde
ein völlig anderes Computerspielgenre populär, die Adventure Games, die wiederum mit MUDs
und MOOs in einer sich wechselseitig beeinflussenden Beziehung stehen. Die folgende
Abbildung verdeutlicht die Zusammenhänge und zeitabhängigen Entwicklungen, der
unterschiedlichen unterhaltungsorientierten Online-Formate, die im weiteren ausgeführt werden
sollen.
Computerspiele
Action-Genre
z.B. Space
Invaders
AdventureGenre
z.B. Zork
Online Computerspiele
QUAKE
DIABLO
MUDs
combat
MUDs
social
MUDs
z.B.
Wyvern
z.B.
Alpha
Worlds
graphische Chats
DOBEDO
DUBIT
Abb.4: Entwicklung spielerischer Online Formate
73
3.3.1 Computerspiele42
3.3.1.1 Vom Standbild zum „Moving Picture“
Das wohl erste moderne Computerspiel, SPACEWAR! feiert dieses Jahr seinen vierzigsten
Geburtstag. Umso erstaunlicher, dass die Forderung nach einer neuen wissenschaftlichen
Disziplin, den „Game Studies“ oder der „Ludologie“ 43, erst kürzlich vermehrt Zuspruch fand.
Die „HyperKultX“ - Tagung 2001 der Universität Lüneburg erkor das Computerspiel zu seinem
diesjährigen Topic44. Tatsächlich erweisen sich Computerspiele bei näherer Betrachtung als
brisantes Thema. Neben Phänomenen wie Lara Croft45, deren Präsenz und Popularität sich weit
über den Computerspiele - Horizont ausgedehnt hat, finden sich Computerspielästhetiken in
Filmen wie The Matrix [Wachowski 1999], Fight Club [Fincher 1999] oder eXistenZ
[Cronenberg 1999] wieder.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die Computerspiele bei Film und Fernsehen
plagiierten. In der Anfangszeit der Computerspiele wurden Spiele entwickelt, die den
Computerbildschirm als eingerahmte Bildfläche behandelten. Die Elemente des Bildes waren
zwar beweglich, aber eine Navigation über das statische Bild hinaus fand nicht statt. Das erste
erfolgreiche Computerspiel dieser Art wurde 1962 unter der Leitung des KI-Spezialisten Steve
Russel entwickelt. Es war die simple Idee von zwei Raumschiffen, die sich, nur mit begrenztem
Treibstoff ausgestattet, in einem Duell befinden. Das Programm wird zu SPACEWAR!, dem
weltweit ersten interaktivem Computerspiel. SPACEWAR! verbreitete sich rasend schnell über
den Vorläufer des Internets, das ARPAnet, und wurde so zu einem der meistkopierten Konzepte
in der Geschichte der Computerspiele46. 1971 entstand auf Basis von SPACEWAR! das
Automatenspiel COMPUTER SPACE [Nolan Bushnell 1971] und ein Jahr später hielt das
Computerspiel mit PONG [Al Alcorn 1972], das seinem Namen dem beim Spielen erzeugten
42
Im Bereich der Computerspiele wird zwischen Videospielen (öffentliche Spielhallen), Spielkonsolen
(Spielcomputer für den Heimgebrauch) und Computerspielen (PC-fähige Computerspiele) unterschieden. Da hier
jedoch keine Systematisierung der Bildschirmspiele vorgenommen werden soll, wird der Einfachheit halber lediglich
von Computerspielen gesprochen. Mehr zur Systematisierung von Computerspielen findet sich bei Fritz [Fritz 1995
und 1997] und bei http://www.8bit-museum.de.
43
Mehr zu Game Studies und Ludologie siehe unter: Game Studies. The international Journal of Computer
Game Research, http://cmc.uib.no/gamestudies/0101/editorial.html, Ludology.Org – Videogame Theory,
http://www.jacaranda.org
44
HyperKultX“ Spiel-Welten. Theorien, Regeln, Interfaces, 12. bis 14. Juli 2001, Lüneburg, http://www.unilueneburg.de/hyperkult
45
Lara Croft ist die Spielfigur des Computerspiels TOMB RAIDER Teil I-V [Aidos 1995-2001].
74
Geräusches verdankt, entgültig Einzug in die Unterhaltungsindustrie. PONG ist ein
vereinfachtes Tennisspiel, bei dem die Spielerin mit einem Schläger einen Ball über das
Spielfeld Bildschirm schlägt. Diese Art von Spielen enthält keine Spielfigur, die Beziehung
entsteht also nur zwischen Spielerin und Spiel. Die Motivation das Spiel zu spielen, ohne
Identifikationsprozess, der Emotionen und Spannung hervorbringt, besteht hier in dem
einfachen Wunsch einen schon bekannten Ausgang möglichst elegant zu erreichen, wobei dies
durch verbesserte motorische Fähigkeiten und Geschicklichkeit bewerkstelligt wird.
Abb.6: Computer Space
Abb.5: Spacewar!
Abb.7: Pong
Zahlreiche folgende Spiele wie SPACE INVADERS oder ASTEROIDS [Atari 1979] stellten
zwar ähnliche kommerzielle Höhepunkte in der Entwicklung der Computerspiele dar, doch das
ästhetische Prinzip bleibt dem Original SPACEWAR! treu. Jede Aktion erfolgte innerhalb eines
statischen Bildes. Der Raum außerhalb des Bildes bekommt erst mit Spielen wie PAC MAN
[Moru Iwatani 1980] Gewicht. Hier erhält der Aspekt der Navigation eine neue Bedeutung,
indem ein rundes Wesen durch ein Labyrinth manövriert wird und Punkte durch wortwörtliches
„Verspeisen“ sammelt. Ähnlich wie bei der frühen statischen Kamera kann das Wesen aus dem
Bildschirm hinausmanövriert werden und auf der anderen Seite wieder erscheinen. Dieses
Prinzip findet sich heute übrigens auch bei „Handy-Spielen“ wie SNAKE [Nokia 1998] wieder,
bei dem eine schlage durch das Fressen von Punkten immer länger wird und weder an die
Spielbegrenzung, noch an ihren eigenen Körper stoßen darf. Durch Öffnungen an allen vier
46
vgl. http://www.8bit-museum.de/play1sta1.html
75
Seiten des Spielrands, den sie wie das PAC MAN Monster verlassen kann, erhöht sich ihre
Bewegungsfreiheit.
Anfang der Achtziger Jahre kam eine neue Art der Bewegung in Form des „scrolling“ dazu. Das
Prinzip, das auch heute noch den Mario-Spielen zugrunde liegt, ist mit Kameraschwenks und fahrten beim Film vergleichbar [vgl. Wolf 1997:15]. Wird ein Hindernis überwunden,
verschiebt sich der Bildausschnitt und gibt den Blick auf neue Hindernisse frei. Der Übergang
von einem Level zum nächsten wurde zunehmend durch harte Schnitte dargestellt. So gelangt
die Spielerin bei MARIO in das nächste Level, indem sie beispielsweise eine Röhre am rechten
Bildschirmrand „durchkriecht“ und sich nach einem Schnitt auf der linken Seite des neuen
Levels wiederfindet47. Die Bewegung ist jedoch linear und zeitlich gebunden. Ein Umkehren ist
nur als Form des „Rückwärts lesen“ zu verstehen und macht nur bedingt Sinn. Zwar kann
MARIO innerhalb eines Levels die Richtung ändern, um Gefahren auszuweichen, doch endet
das Rückwärts gehen letztendlich immer in einer Sackgasse.
Abb.8: Mario
Abgesehen vom Schwenk und Schnitt halten die von Lev Manovich [Manovich 1997]
beschriebenen filmischen Elemente des kinematographischen Interface im HCI erst mit einem
Wechsel der objektiven Sicht der Spielerin zur subjektiven Perspektive Einzug in das
Computerspiel.
Nach Herman [Herman 1998:51] ist BATTLEZONE das erste Computerspiel, welches die
subjektive
Perspektive
aufweist.
Die
Spielerin
navigiert
einen
Panzer
durch
die
Vektorendarstellung eines Kriegsschauplatzes. Dabei ist die Spielfigur selbst nicht zu sehen,
sondern die Sicht aus dem Panzer wird dargestellt. Dies entspricht der subjektiven Kamera beim
47
Sowohl das „scrollen“ als auch der Levelwechsel erfolgt aufgrund der europäisch und amerikanischen
Leserichtung immer von links nach rechts und wird mit Vorwärtsgehen gleichgesetzt [vgl. Hickethier 1996:66].
76
Film und wird vor allem in Hitchcock Filmen dazu verwendet, um die Innenperspektive einer
Figur zu übernehmen [Bordwell&Thomson 1993:243 und Hickethier 1996:124].
Abb.9: Battlezone
Allerdings ist die Bedeutung der Subjektiven im Computerspiel eine andere als beim Film. Die
subjektive Kamera des Films schränkt die Perspektive auf das Geschehen ein. Die Perspektive
ist auf die Sicht der Figur begrenzt, welche die Rolle des Erzählers übernommen hat und
gleichzeitig in das Geschehen involviert ist. Diese Einschränkung des Wissensstandes
empfindet die Rezipientin als verunsichernd. Sie wird nicht erfahren, was hinter der
Protagonistin vor sich geht, bis sich diese umdreht. Dieses Informationsdefizit machen sich
Suspense- und Horrorfilme zunutze. Anstatt so zu einer gesteigerten Involviertheit zu führen,
wird die Subjektive als Störung des Identifikationsprozesses und Entfremdung empfunden.
Grund hierfür ist das Fehlen eines Körpers, auf den das Identifikationsgefühl aufprojiziert und
verankert werden kann. „The subjective camera view cannot therefore be experienced with
complete cognitive and emphatic identification by the viewer: it is experienced as the view of an
alien” [Grodal 1997:115].
Hingegen ermöglicht die Subjektive im Computerspiel der Spielerin eine freiere, machtvolle
Stellung. Die Spielerin selbst bestimmt die Geschwindigkeit der Bewegung und Richtung der
Blickperspektive. Sie erlangt Kompetenzen, die bisher Filmmachern und Filmakteuren bzw.
Programmieren vorbehalten waren. Wenn hinter der Spielfigur böses befürchtet wird, kann sie
sich umdrehen und nachsehen. Durch die Spielsteuerung gewinnt die Spielerin an Macht. Sie
kann aktiv die virtuelle Umgebung erkunden und die Umgebung reagiert auf ihr Verhalten:
What makes interaction with computers so powerfully absorbing – for better and for worse – is
the way computers can transform the exchange between reader and text into feedback loop.
Every response you make provokes a reaction from the computer, which leads to a new response,
and so on, as the loop from the screen to your eyes to your fingers on the keyboard to the
computer to the screen becomes single cybernetic circuit [Friedmann 1995:1].
77
Diese Macht schafft in vielen Spielen das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben, ein Gefühl,
das wesentlich für das Rezeptionsvergnügen ist.
Navigation durch den Raum rückt mehr und mehr ins Zentrum der Spielstruktur und wird mit
fortschreitender
Möglichkeit,
aufwendige
Graphiken
ins
Spiel
einzubinden,
immer
anwenderfreundlicher und „realistischer“. Mit DOOM [id-software 1993] beginnt die
Generation der Ego Shooter. Wie dreißig Jahre zuvor SPACEWAR!, wurde auch DOOM über
das Internet verbreitet und wurde schnell zu einem sehr beliebten Computerspiel. Bezeichnend
bei DOOM ist der benannte Perspektivenwechsel in die Subjektive, der es der Spielerin erlaubt,
sich innerhalb eines Raumes zu empfinden. Die Spielfigur, die von der Spielerin beobachtet
wird, weicht einer fast durchgängigen subjektiven Einstellung, die den Blick der Spielerin
imitiert. Für sie ist die Umgebung - meist in Labyrinthstruktur - sichtbar, die in der „eigenen“
Hand gehaltene Waffe, sowie eine Menüleiste, die Gesundheitszustand, Vorräte, Munition oder
Standort anzeigt.
Abb.10: Quake
Einige Computerspiele geben ihren Spielern die Gelegenheit sich auf einer Karte Überblick über
den Aufenthaltsort zu verschaffen. Hierzu wird von der Subjektiven in eine Art
Satellitenperspektive gewechselt. Die Spielerin wechselt in diesem Fall zwischen ihrer Funktion
als Akteurin in die Perspektive der auktorialen Erzählerin. QUAKE III–ARENA [id-software
1999] perfektionierte die graphische Gestaltung der Ego Shooter. Das fesselnde an diesen
Spielen ist die sofortige Darstellung der Umgebung, die ohne wahrnehmbare Zeitverzögerung
umgesetzt wird. Wichtiges Kennzeichen und Quelle der ludischen Lust ist bei QUAKE das
rasante Tempo, mit dem die Spielerin ihren – nur für die Gegner sichtbaren – Avatar durch den
Spielraum jagt. Dabei ist jede Bewegung – gehen, rennen, umsehen, drehen, springen, etc. –
möglich und wird absolut synchron und ohne Zeitverzögerung auf dem Bildschirm umgesetzt.
Ein integriertes filmisches Element, das keinen Eingriff der Spielerin auf das Spielgeschehen
zulässt, sind Filmsequenzen (Full Motion Video FMV), die meistens am Spielbeginn und
78
zwischen den einzelnen Spielsequenzen integriert sind. Hier wird die Handlungsmotivation der
Spielfigur verdeutlicht und in die jeweilige Spielsituation eingeführt. Die FMVs dienen als
Exposition, zur Einführung und Erklärung der Charaktere sowie der Bestimmung des Orts und
Ziel der Handlung, können aber durch einfachen Knopfdruck bei Bedarf übersprungen werden.
3.3.1.2 Adventure Games
Nach den ersten Computerspielen wie SPACEWAR! oder HUNT THE WUMPUS [Gregory
Yob 1972] differenzierten sich allmählich verschiedene Genres heraus. Parallel zu den ActionSpielen wie den Ego Shootern werden die Adventure Games äußerst populär. Ursprünglich
waren Adventure Games rein textbasiert, wodurch sie auch als „Textabenteuer“ bekannt
wurden. ADVENT (auch bekannt unter ADVENTURE oder COLOSSAL CAVES) wird 1972
von Willi Crowther geschrieben und ist von dem damals sehr populären Fantasy Rollenspiel
Dungeons & Dragons (D&D) inspiriert48. D&D ist ein Strategiespiel, das durch die Absenz des
Spielbretts gekennzeichnet ist. Die Spieler nehmen die Rolle bestimmter Charaktere an und
bewegen sich durch eine Fantasiewelt, die vom Dungeon Master (DM) kontrolliert, improvisiert
und manchmal neu gestaltet wird. Die Welt von D&D wird von Fabelwesen wie Elfen, Ogern,
Zwergen, Magier, Hexen, Menschen und Drachen bevölkert. Das Durchqueren von
labyrinthartigen Dungeons, in dem Monster bekämpft werden, ist bei D&D zentral. Andere
Rollenspiele legen hingegen mehr Wert auf Intrigen und diplomatisches Geschick. Jedenfalls
kann das Fantasy Rollenspiel als ein oraler Cybertext betrachtet werden, „the oral predecessor to
computerized, written, adventure games“ [Aarseth 1997:89].
ADVENT wird in einer verbesserten und modifizierten Version 1976 über das ARPAnet
verbreitet und war so erfolgreich, dass bald unzählige Versionen existierten. Eine dieser
Versionen beginnt so:
You are standing at the end of a road before a small brick building. Around you is a forest. A
small stream flows out of the building and down a gully.
>go down
You are in a valley in the forest beside a stream tumbling along a rocky bed.
>south
At your feet all the water of the stream splashes into a 2-inch slit in the rock. Downstream the
streambed is bare rock.
>go to rock
48
vgl. http://www.8bit-museum.de
79
You are in a 20-foot depression floored with bare dirt. Set into the dirt is a strong steel grate
mounted in concrete. A dry streambed leads into the depression.
The grate is locked.
>open grate
The grate is now unlocked.
>go in
You are in a small chamber beneath a 3x3 steel grate to the surface. A low crawl over cobbles
leads inward to the
>west
You are crawling over cobbles in a low passage. There is a dim light
at the east end of the passage. There is a small wicker cage discarded nearby.
>take cage
Ok.
>west
It is now pitch dark. If you proceed you will likely fall into a pit.
>west
You fell into a pit and broke every bone in your body!
Oh dear, you seem to have gotten yourself killed. I might be able to help you out, but I've never
really done this before. Do you want me to try to reincarnate you?
>yes
All right. But don't blame me if something goes wr.. --- poof!! --You are engulfed in a cloud of orange smoke. Coughing and gasping, you emerge from the
smoke and find....
49
You are inside a building, a well house for a large spring .
Das Spiel besteht aus mehreren Elementen: Dem narrativen Hintergrund eines populären Genres
(Fantasy Rollenspiel), einer (unsichtbaren) Umgebung, durch die sich die Spielerin
hindurchmanövriert, aus Objekten, die manipuliert werden können sowie aus Charakteren auf
welche die Spielerin treffen kann. Ein Programm, der „Parser“, „liest“ die Aktion der Spielerin
(„west“) und greift auf die entsprechende Datenbank zu, um den weiteren Verlauf anzuzeigen
[Aarseth 1997:100]. Im Gegensatz zu dem eher haptischen Vergnügen der Action Spiele, steht
hier das Erforschen, motiviert durch Neugier, im Vordergrund. Schritt für Schritt wird eine Welt
entdeckt, in welche die Geschichte eingebettet ist und erst durch die einzelnen Aktionen im
Spielprozess entfaltet sich die Geschichte. Als Narration ist sie jedoch erst in der Retrospektive
zu erkennen. Anhand des Abenteuerspiels hat Espen Aarseth [Aarseth 1997] ein Modell
entwickelt, welches das Prinzip aller ergodischen Computertexte wiedergibt:
Simulation
Engine
Analysis
(e.g. parsing)
World rules
Characters
(Interface)
(users and bots)
Other objects
(rooms, things, etc.)
Representation
Synthesis
World map
Engine
(presentation)
U S E R S
dynamic
data
and externat Bots
Database
static
data
Abb.11: Komponenten und Informationsflow bei Cybertexten
49
Transkript eines emulierten ADVENT Spiels. Download unter http://www.rickadams.org/adventure
80
Die linke Spalte stellt den Programmcode dar, der sowohl statische Information (Graphiken,
Systemregeln,
etc.)
als
auch
dynamische
Informationen
(Figurenpositionierung,
Objektpositionierung, etc.) enthält. Dem Format entsprechend überwiegen dabei die statischen
Informationen (z.B. Hyperfiktion) oder die dynamischen (z.B. MUD). Je nach Ausrichtung des
jeweiligen Textes kann der Datenpool dabei als Autorentext, als Autoreninstanz, gesehen
werden oder aber als Gerüst, in welches die Nutzer ihre Handlungen einfügen.
Die zweite Spalte, bestehend aus Simulation- und Representation Engine, besteht aus der
funktionalen Software, also Teile des Programmcodes, auf den die Nutzrein Einfluss nehmen
kann. Im Simulation Engine werden die Reaktionen auf den Nutzer-Input nach bestimmten
Regeln entschieden. Wenn die weiteren Ereignisse kalkuliert sind, werden sie an den
Representation Engine weitergegeben. Der Representation Engine fungiert also als
Erzählinstanz, es ist die Genette’sche „Stimme“, die auf eine bestimmte Art und Weise
Datenmaterial präsentiert. Dabei wird nur das gezeigt, was an die Aktionen der Nutzerin
gekoppelt ist. So ist es möglich, dass bei Online Formaten zwar viele Spieler gleichzeitig auf
dasselbe Datenmaterial zugreifen, jedoch ihren nur individuellen Aktionen entsprechenden
Output erhalten.
Die dritte Spalte besteht aus dem Interface mit Input und Output Komponente. Die Input
Komponente analysiert die Befehle der Nutzerin und übersetzt sie für den Simulation Engine.
Die output Komponente übersetzt wiederum die Informationen des Represenation Engines
wieder zurück und macht sie so für die Nutzer lesbar [vgl. ebd.:104ff].
Auf diesem Prinzip basiert auch ZORK [Infocom 1980], dem wohl populärsten Textabenteuer.
Mit der Veröffentlichung von ZORK formierte sich die Firma Infocom, die aus einer Gruppe
MIT-Programmierer hervorging. ZORK spielt in einem Untergrundreich, in der das Monster
Grue lebt, das es zu besiegen gilt. Auch ZORK wurde ursprünglich durch die Verbreitung übers
ARPAnet populär. In den Achtziger Jahren produzierte Infocom eine Serie von erfolgreichen
Textabenteuern die auf ZORK aufbauten. Weitere beliebte Spiele basierten auf populärer
Literatur wie Herr der Ringe [Tolkien 1954/55] oder Per Anhalter durch die Galaxis [Douglas
Adams 1988] [vgl. Aarseth 1997:101].
Die Spiele ADVENT und ZORK inspirierten andere Formate und Genres. Die ersten MUDs
sind, wie später noch ausgeführt wird, direkte Ableger der textbasierten Adventure Games. Als
81
Anfang der Achtziger schnellere Prozessoren Einbindung von Graphik und Sound erlauben,
verliert das Textabenteuer jedoch seine Attraktivität. Spiele wie MYST und dessen Nachfolger
RIVEN [Cyan 1997] übernahmen die Atmosphäre des Textabenteuers, in dem Rätsel gelöst und
eine Welt erkundet wird, präsentierten diese Welt jedoch graphisch. Fortbewegung und
Navigation erfolgen hier nicht durch Befehlseingabe, sondern durch Mausklick [vgl. Rockwell
1999].
Aus den Textabenteuern entsteht auch die Generation der graphischen Role Playing Games
(RPGs), eine Unterart der Adventure Games. Hier wählt die Spielerin einen graphisch
dargestellten Charakter aus und versieht ihn mit typischen Rollenspielelementen wie Stärke,
Geschicklichkeit oder Charisma, die im Verlauf des Spiels durch Punktevergabe gesteigert
werden können und sammelt und tauscht Waffen, Rüstung sowie magische Gegenstände. In den
darauffolgenden Jahren verbessert sich sowohl die graphische Darstellung als auch die
Schnelligkeit der Umsetzung hin zur Echtzeit zusehends. Die graphische Entwicklung wird
durch folgende Bilder verdeutlicht:
Abb.12:Mystery House
Abb.13:Ultima Online
Abb.14: Diablo
Aus den Abbildungen geht hervor, dass Adventure Games, besonders RPGs, eine andere
Perspektive auf das Geschehen bieten als die Action Games. Anstatt mit den Augen der
Spielfigur zu sehen, befindet sich die Spielerin hier in einer beobachtenden Vogelperspektive,
wobei der sichtbare Bildausschnitt an die Figur gekoppelt ist. Im Spielverlauf des RPGs agiert
die Spielerin durch ihren Stellvertreter Avatar auf dem Spielfeld. Das besondere an der
Beziehung zwischen Spielerin und Spielfigur ist der Akt des „active creation of belief“ [Murray
1999:110]50, in dem die Spielerin den Avatar als Stellvertreter akzeptiert, obwohl sie sich
darüber bewusst ist, dass dies lediglich ein „so-tun-als-ob“ Modus ist. Dabei kommt es im
Gegensatz zur filmischen Involviertheit, bei der sich mit bestimmten Figuren identifiziert wird,
zur „aktiven“ Immersion. Durch einen Akt des „Regieführens“ lässt die Spielerin ihren Avatar
an bestimmte Orte gehen und bestimmte Aktionen ausführen. Dabei erfährt sie durch den
50
„active creation of belief“ ist die positive Formulierung des von Samuel Tayler Coleridge vorgestellten Prozesses
des „willing suspension of disbelief“ [Murray 1999:110 und Laurel 1993:113]
82
Avatar das Vergnügen eine andere Welt zu erkunden. Es ist der Körper in einer Welt, die nicht
mit dem eigenen physischen Körper betreten werden kann51.
51
Zur ausführlichen Erläuterung von Offline Computerspielen vgl. Fritz 1995 und 1997, Herz 1997, Herman 1998,
Juul 1999, Wenz 2000 und Rettberg 2000.
83
3.3.2 Online Computerspiele
„Offline Spielen ist doch langweilig. Da ist man ganz alleine!“ ist die häufigste Begründung,
fragt man Spieler nach den Gründen für die Bevorzugung von Online vor Offline Games.
Nachdem sich im Laufe der Computerspiele immer wieder einzelne Spiele wie ADVENT
enormer Popularität aufgrund ihrer Verbreitung über das damalige ARPAnet erfreuten, erkor idsoftware diesen Umstand Anfang der neunziger Jahre zum Konzept. Das Spiel DOOM [idsoftware 1993] wurde in einer kostenlosen Trialversion als Shareware über das Internet
verbreitet. Neben den ästhetischen Merkmalen war es dieses Marketingkonzept, das DOOM zu
seinem Kultstatus verhalf und übrigens auch sämtliche Indizierungsversuche ad absurdum
führte. Dabei dienten die kostenlosen Versionen gleichzeitig als Tester der Software, als
Appetitanreger für die kostenpflichtigen Vollversionen und als Aushängeschild der Firma. Da
die Spieler durch die Trialversion aktiv an der Entwicklung und Verbesserung des Produkts
beteiligt waren, entstand eine große Spielergemeinschaft, welche die Online Welten von DOOM
belebt. Die starke Beteiligung der Spieler an der Spielentwicklung bewirkte die Entscheidung,
den Basiscode des Spiels zu veröffentlichen, und so Spielern eine größtmögliche
Eigenverantwortlichkeit zu übertragen. Das Ergebnis dieser Entscheidung sind unzählige selbstprogrammierte DOOM-Welten, von der rosaroten gay-DOOM Welt bis hin zum pädagogischen
Klassenprojekt. Entgegen den Prognosen konservativer Marketingstrategen beeinträchtigte dies
den Erfolg von DOOM nicht. Die kostenpflichtigen Vollversionen finden weiterhin reißenden
Absatz.
Das wirklich Besondere an DOOM war jedoch nicht die überzeugende „first-person“
Perspektive und das Marketingkonzept, sondern die Multi-Player Funktion. Echten
Computernerds war die Multi-Player Funktion zwar schon lange von den zahlreichen MUDs
vertraut, doch blieben diese oftmals einer relativ eingeschränkten Nutzerschaft vorenthalten (bis
1989 bestand diese vornehmlich aus amerikanischen Universitätsstudenten). Erst durch die
Verbreitung des Internets und die Fortschritte der Graphikumsetzung wurden auch Spiele wie
DOOM als Online Version für eine breiteres Publikum attraktiv.
Grundsätzlich kann zwischen zwei Arten von Online-Computerspielen unterschieden werden:
Zum einen existieren Spiele, zu deren Benutzung eine umfangreiche Software notwendig ist.
Diese wird entweder kostenpflichtig erstanden oder als Shareware aus dem Netz „gezogen“ und
anschließend auf dem eigenen Computer installiert. Wird das Spiel Online gespielt, werden
84
lediglich kleine Befehle an die anderen Computer weitergegeben, welche für eine Umsetzung
der jeweiligen Aktion in Echtzeit vor Ort sorgen. Im Offline Modus können nun die Spiele in
traditioneller Form gegen Bots gespielt werden. QUAKE und DOOM dient der Offline Modus
deswegen als Trainingslevel, in dem die nötigen Kompetenzen erworben werden können, um im
Multi-Player Modus über das Internet vernetzt gegen andere Spieler anzutreten.
Zum anderen gibt es Spiele die keinen Download benötigen. Nach dem Client-Server Prinzip ist
lediglich ein Plug-in wie Java notwendig, um die benötigten Daten von einem Servercomputer
abzurufen. Der Vorteil ist hier die allgemeinere Zugänglichkeit, während bei Spielen mit lokal
installierter Software die graphische Qualität deutlich besser ist. Online Computerspiele bieten
ihren Nutzern eine gute Infrastruktur mittels zahlreicher Fanseiten. Die Spielgemeinde kann sich
hier über Schwierigkeiten beim Spiel, über Neuigkeiten oder über andere Spieler austauschen.
An die Homepages sind meistens Foren für Beiträge sowie Chats angeschlossen. Die
kommunikativen und sozialen Aspekte erhalten hier eine wichtige Bedeutung. Sie werden für
die Spieler oft ebenso bedeutsam wie das Spiel selber. Anders als beim Fernsehen, dessen Inhalt
oft erst am nächsten Tag mit Freunden oder Arbeitskollegen verhandelt werden kann, bietet hier
die im Spielverlauf selber angeschlossenen Chatfunktion Verhandlungsplattform sowie
Treffpunkt für Gleichgesinnte.
Online Computerspiele unterscheiden sich grundsätzlich durch folgende Punkte von Offline
Computerspielen: Zum einen werden auf ein Spiel viele Perspektiven eröffnet, was von der
Spielerin das Bewusstsein von individueller Perspektive und dem Betrachtet werden, dem
„Gaze“ erfordert. Zudem wird die Stabilität des Textes durch die Möglichkeit zur Veränderung
des Spiels und durch die unvorhersehbaren Aktionen der verschiedenen Spieler beeinträchtigt.
Schließlich lassen Synchronität und Umsetzung der Aktionen vieler Spieler in Echtzeit kein
Zurückkehren zu, wie es bei Offline Spielen der Fall ist.
Durch diese Faktoren bekommt das Spiel eine soziale Komponente, in der die Spielerin nicht
nur die Struktur des „Games“, sondern auch die Interaktion des Spiels und den anderen
Mitspielern berücksichtigen muss.
Die Idee von Multi-Player-Games wurde nicht erst mit DOOM verwirklicht. Schon seit der
Frühgeschichte der Computerspiele entstand eine eigene Form von Spielen, den MUDs, die
ausschließlich für die Nutzung im Internet (davor im ARPAnet) konzipiert waren. Die
Besonderheiten dieses Formats und seine Faszinationskraft werden im folgenden Kapitel
eingehend beschrieben.
85
3.3.3 MUDs, MOOs und Co.
3.3.3.1 Merkmale und Entwicklung
I swore I’d stay away from MUDs. I’d justified e-mail as a professional necessity. Usenet was
recreation, but I could cork it whenever I wanted to. Then Useet led to IRC, and the only things
between me and full-blown Net.junkiehood were MUDs: Multi-User Dungeons, or Multi-User
Dimensions, the hardest stuff on the net. MUDs are to IRC what peyote is to Pez. “I’m just
gonna try one MUD.” “Just once. Just to check the place out.” „I won’t stay for long.“ Yeah.
Right [Herz 1994:176].
Herz beschreibt hier ihre Erfahrung mit MUDs, textbasierten, multiuserfähigen virtuellen
Welten, die seit Ende der Siebziger Jahren existieren und über Internetverbindungen
(üblicherweise Telnet) erreicht werden können. Während der Körper weiterhin unbeweglich vor
dem Computer bleibt, wandern die Spieler durch virtuelle Welten, erleben Abenteuer,
unterhalten sich oder kuscheln virtuell mit anderen Nutzern die über (fast) die ganze Welt
verstreut sind. In den Sozial- und Kommunikationswissenschaften sind MUDs schon seit
einiger Zeit als Forschungsobjekte entdeckt worden, als mediale Formate fanden sie hingegen
bisher weniger Beachtung52.
MUD steht ursprünglich für „Multi-User-Dungeon“, angelehnt an das beliebte Fantasy
Rollenspiel Dungeons & Dragons. Inzwischen wird MUD auch als Synonym für Multi-UserDimension verwendet, um den zahlreichen MUD - Formen gerecht zu werden, die sich
inhaltlich von ihren Originalen emanzipiert haben. Die virtuelle Welt der MUDs wird
ausschließlich durch den schriftlichen Text erzeugt. Es können sich bis zu mehrere hundert
Personen gleichzeitig in einem MUD aufhalten, wobei jedes Betreten eines „Raumes“ eine
Beschreibung aktiviert, welche die telepräsente Person, in Form ihrer Persona, dadurch sichtbar
macht [Turkle 1998:293]. Inzwischen existiert eine Vielzahl verschiedener MUDs, die in
MUDs,
MOOs
(MUDs,
object
oriented),
TinyMUDs,
MUSHs
(Multi-User-Shared
53
Halluzination) oder TinyMUCKs unterteilt sind . Die Bezeichnungen beziehen sich auf die
unterschiedlichen Programmierpraxen, wobei bei TinyMUDs die Beteiligung der Nutzer an der
Programmierung möglich wird und sich die „objektorientierten“ MUDs zusätzlich dadurch
auszeichnen, dass der Dialog, also die Manipulation, von Objekten, möglich wird. Der
52
53
Studien über MUDs: Rheingold 1993, Reid 1994, Young 1994, Turkle 1995, Utz 1996, Coradi 1997
Eine ausführliche Liste mit mehr als 1700 MUDs findet sich unter http://www.mudconnect.com.
86
Einfachheit halber wird der Ausdruck MUD im Weiteren für sämtliche unterschiedlichen
Formen verwendet.
Das erste MUD, MUD1 [Trubshaw / Bartle 1979-80], wurde von Roy Trubshaw und Richard
Bartle, zwei Studenten der University of Essex, 1979-1980 programmiert [Aarseth 1997:149].
Damals populäre Textabenteuer wie ADVENT oder ZORK hatten dem Fantasy Rollenspiel zum
Sprung in den Computer verholfen. MUD1 war die revolutionäre Entwicklung vom SingleModus solcher Spiele zum Multi-User-Modus. Über das ARPAnet nahmen damals hunderte
Studenten an den Fantasy Abenteuern teil. Mit Menschen zu spielen und zu kommunizieren, die
sich tausend Kilometer weit weg befanden, verschiedene Charaktere zu verkörpern und
Spielverläufe direkt und synchron verhandeln zu können, machten (und machen) den
besonderen Reiz der MUDs aus.
Der besondere Kick der MU*s ist, dass sie zusätzlich telepräsente Kommunikation in Echtzeit
mit anderen anbieten. Die verschiedenen Rollen- und Drehbuchkonzeptionen „treffen“ sich
sozusagen life vor Ort [Adamowsky 2000:190].
1989 entwickelte James Aspnes das TinyMUD [Aspnes 1989], ein MUD das ursprünglich nur
einen kleinen Basiscode aufweist und erst durch die aktive Beteiligung der Nutzer an der
Programmierung wächst. Dieses Konzept wurde schließlich 1990 von Pavel Curtis zum
LamdaMOO [Curtis 1990] [vgl. Curtis 1993] weiterentwickelt, „with little at that point to
distinguish it from the general run of TinyMUDs progeny aside from its exceptionally powerful
set of world-constructing tools” [Dibbell 1998:9]. Aarseth zeichnet die Entwicklung der MUDs
übersichtlich auf:
(Adventure)
MUD1
AberMUD
TinyMUD
TinyMush
TinyMuck
LPMUD DIKUMUD
TinyMOO
MOO
Abb.15: Die Entwicklung der MUDs
87
Grundsätzlich lassen sich zwei Ausrichtungen der MUDs beschreiben, die abenteuerorientierten
(combat-oriented), in denen das „Game“ im Vordergrund steht und die sozialen Welten (social
MUDs), in denen der Hauptaugenmerk auf der Gemeinschaftsbildung, Raumkonstruktion und
Kommunikation liegt [vgl. Reid 1994]54. In den erstgenannten herrschen meist die vom FantasyRollenspiel bekannten und üblichen Hierarchien, in denen die Spieler durch bestandene
Abenteuer aufsteigen und irgendwann den Status eines Wizards erreichen können, also
bestimmte Eingriffskompetenzen in die Programmierung erhalten, die Newbies (Neulinge im
Netz) noch nicht besitzen. In manchen MUDs ist der „Playerkill“, das „Töten“ von Personae
ausdrücklich erwünscht, in anderen wiederum verboten. Bei den Fantasiewelten ist dabei von
klassischen mittelalterlichen Welten bis zu Science Fiction Szenarien alles vertreten und
erinnert oft an seinen graphischen „Vetter“ QUAKE.
Wo es nicht von Fressfeinden und anderen Monstern wimmelt, muss man Punkte sammeln. Man
löst schwierigste Aufgaben, hebt Schwerter auf, trinkt Wasser, fleht zu den Göttern und kriegt
hinterrücks eins mit der Bierflasche übergezogen, weil man zu dusselig war, rechtzeitig in
Deckung zu gehen. Um vom Grünschnabel zum Wizard aufzusteigen, braucht es
dementsprechend viel Erfahrung und Zeit – wer seine zwei- dreihundert Stunden durchhält, hat
gute Chancen. Weniger aufwendig sind dagegen sogenannte PlayerkillerMUDs, die man an
Namen wie etwa Blood Bath oder Genocide erkennt. Der Daseinszweck dieser MUDs ist es,
dass jede halbe Stunde ein Krieg ausbricht, in dem sich alle niedermetzeln. Am Ende räumt das
Programm die Leichen und zerschossenen Panzer weg und mit reset beginnt das Spiel von vorn
[Adamowsky 2000:193].
Über den Szenarien wacht der „God“ der jeweiligen Welt, die Programmiererin, die unzählige
Stunden geopfert hat, um eine besonders spannende und beliebte Welt zu erschaffen, die dann
zu einer „Quelle der intellektuellen Freude“, „etwas, worauf man stolz sein kann“, wird
[ebd.:191].
In den social MUDs finden sich hingegen selten klassische Spielstrukturen. Soziale Aspekte wie
Kommunikation treten hier in den Vordergrund. Zudem unterscheiden sich bei MUD Formen
wie das TinyMOO55 die funktionale Stellung von Programmiererin und Spielerin deutlich von
der abenteuerorientierter MUDs. Das Vergnügen, welches TinyMOOs zu bieten haben, ist eher
ein basisdemokratisch gleichberechtigtes. Jede Spielerin kann sich an der Programmierung der
jeweiligen Welt beteiligen. Ausschlaggebend sind nicht irgendwelche zu sammelnde Punkte,
54
Tatsächlich sind alle neueren MUDs objektorientiert. Die Unterscheidung zwischen MUD und MOO wird oft mit
der Unterscheidung von kämpferischen MUDs und MUDs, in denen Erforschung und Erkundung im Vordergrund
steht, gleichgesetzt. Allerdings sind solche Unterscheidungen nicht allgemeingültig und deswegen mit Vorsicht zu
genießen.
55
„Tiny“, da der ursprüngliche Basiscode sehr klein ist und erst im Gebrauch und durch die aktive Teilhabe der
Spieler wächst.
88
sondern das Beherrschen der richtigen Befehle. Nicht der Wettbewerb steht im Mittelpunkt,
sondern die Interaktion mit der Umgebung, Objekten, Räumen und Menschen in Form ihrer
Personae.
3.3.3.2 Graphische virtuelle Welten
MUDs blieben im Gegensatz zu den Offline Adventurespielen lange rein textbasiert. Die
Einbindung von Graphiken stellten eine zu große Datenbelastung dar. Mit den fortschreitenden
technologischen Entwicklung hielt jedoch die Graphik Mitte der achtziger Jahre auch Einzug in
die MUDs und ersetzte die textbasierten MUDs zusehends. Der Versuch MUDs graphisch
darzustellen, wurde bereits 1985 von der Firma Lucas Film unternommen, die eine
zweidimensionale Spielwelt HABITAT [Lucas Film 1995] entwickelte, um die Möglichkeit zu
erproben, Filmszenen nachspielen zu lassen. Das zugrundeliegende technische Prinzip war
wegweisend für sämtliche späteren graphischen MUDs sowie Online Computerspiele. Der
Mammutanteil der Graphikdaten ist auf den Clientcomputern gespeichert. Lediglich die
Bewegungen und Äußerungen der Spielfiguren werden vom Servercomputer aus gesteuert.
Dieses Client-Server Prinzip, das es erlaubt, eine Vielzahl von Nutzern gleichzeitig an einer
virtuellen Welt teilhaben zu lassen, ist auch heute noch Prinzip aller graphischen Online-Welten
[vgl. Schindler 1997:138]. Das Hauptaugenmerk aller graphischen Chats war von Anfang an die
soziale Komponente. Es werden keine Abenteurerplots angeboten, sondern die Nutzer erkunden
spielerisch eine neue Welt und können diese oftmals auch selber mitgestalten, wie es bei THE
PALACE [Time Warner 1994] der Fall ist. Diese ebenfalls zweidimensionale Welt von Time
Warner basiert auf der einfachen Scriptsprache Iptscrae, die von den „Bewohnern“ erlernt
werden kann, und zur Konstruktion von eigenen Räumen verwendet wird. Wichtig war den
Machern hier nicht eine aufwendige 3D Graphik, sondern eine möglichst schnelle Umsetzung in
Echtzeit sowie die Möglichkeit für die „Bewohner“, an der Konstruktion der Welt teilzuhaben
[vgl. Rossney 1996:5].
Eines der graphisch anspruchvollsten MUDs ist ALPHA WORLD, eine von ca. 200 ACTIVE
WORLDS Welten [Activworlds Corp. 1995]. Wie alle graphischen MUDs ist ALPHA
WORLDS ein über das Internet zugängliches soziales MUD für das, außer dem entsprechenden
Plug-in, keine zusätzliche Software benötigt wird. Die (Stellvertreter-) Avatars werden per
Cursertasten durch die aus verschiedenen Plätzen, Straßen, Gebäuden und Parks bestehende
virtuelle Welt gelenkt. Spezifisch für 3D Welten ist die subjektive Perspektive, durch welche
89
die Nutzerin die Welt durch die Augen ihres Avatars erfährt. Die Kommunikation erfolgt über
Chatfenster, Gesten in Form von Smileys und vorprogrammierten Körperhaltungen (z.B.
ungeduldiges Fußtappen, bei längerer Unbeweglichkeit) sowie über Äußeres und Positionierung
des Avatars im Raum56. Die Bewegungen und die Kommentare werden bei stabiler Verbindung
in Echtzeit auf den Bildschirmen aller im Raum anwesenden „Bewohner“ dargestellt. Alpha
Worlds hat kein bestimmtes Ziel, hier wird eine soziale Gemeinschaft nachgeahmt, in einem
eigendynamischen Prozess entwickeln sich bestimmte Verhaltensregeln und Umgangsformen.
Gegenwärtig listet MUDconnect57 etwa 70 graphische MUDs auf, wovon bereits 15 als frei über
das WWW zugänglich ausgewiesen sind und die übrigen in der Regel eine Informationsseite im
WWW haben. Die Gemeinsamkeit der über das WWW zugänglichen MUDs, ob 2D oder 3D,
liegt darin, dass zwar alle über das WWW relativ leicht zugänglich sind, jedoch immer eine
Clientsoftware in Form eines Plug-in’s benötigen sowie für die volle Nutzung der Funktionen
einer kostenpflichtigen Registrierung bedürfen. Nicht nur der technische Aufwand des
Downloads und der Installierung, sondern auch das Gefühl „nicht dazuzugehören“, das die
Nutzerin eines graphischen MUDs als Touristin in einem entsprechend ausgewiesenen
Touristenavatar erfährt, kann auf Neulinge eine sehr abschreckende Wirkung haben.
3.3.4 Der graphische Chat
Die Wichtigkeit der sozialen Komponente in virtuellen Welten, welche Abenteuer und
zielgerichtete Plots in den Hintergrund treten lassen, förderte die Entstehung nutzerfreundlicher
virtueller Welten. In den letzten Jahren entstand ein neues Format im Internet, der Avatarbasierte graphische Chat. Die Nutzer kombinieren hier Chat und Rollenspiel in einer graphisch
gestalteten Umgebung, um sich im Chat zu unterhalten und unterhalten zu lassen. Das
besondere dieses Chats ist zudem seine offene Struktur: Im Gegensatz zu anderen virtuellen
Gemeinschaften wie den graphischen MUDs, ist hier keine zusätzliche Software nötig. Die
Nutzerin kann ohne weitere Mühe oder Vorkenntnis direkt am Ablauf partizipieren58. Um
teilhaben zu können, ist lediglich eine (kostenlose) Registrierung notwendig, die durch
einfaches Ausfüllen eines elektronischen Formulars erfolgt. Wenige Minuten nach der
56
Mehr zur Bedeutung der Positionierung im Raum unter http://www.ascusc.org/jcmc/vol5/issue4/krikorian.html
57
http://www.mudconnect.com
Einzige Vorraussetzung ist ein Java-fähiger Browser
58
90
Anmeldung wird das benötigte Passwort an die angegebene E-Mail Adresse gesendet, das den
Zugang zum erwünschten Chat ermöglicht. Gewährleistet wird der leichte Zugang durch den
Verzicht von aufwendigen 3D Graphiken zugunsten einer zweidimensionalen Programmierung.
Die meisten graphischen Chats präsentieren bunte Comicwelten, die besonders für Jugendliche
attraktiv sind. Anders als bei den graphischen dreidimensionalen MUDs, deren subjektive
Perspektive stark an den Stil der Ego Shooter erinnert, lehnt sich das Erscheinungsbild
zweidimensionaler Chats eher an die Ästhetik der Adventure Games wie DIABLO an.
Prominentestes Beispiel für dies neue, experimentelle Form ist DOBEDO59. Das 1998 in
Schweden entwickelte Chatsystem hat auch einen deutschen und einen englischen Ableger. Hier
schlüpft die Nutzerin in die Haut von schrägen Comicfiguren und kann in eine Inselwelt
eintauchen. In England fanden so viele Nutzer Gefallen an dem Web-Angebot, dass nach vier
Wochen bereits 39.000 registrierte Mitglieder verzeichnet werden konnten. Zwei Jahre später
betrug die Zahl der Online Gemeinschaft bereits 450.000 im Durchschnittsalter von 20 Jahren
[vgl. Brodersen 2000].
Abb.16: Dobedo
Auch von anderer Seite bekam DOBEDO Zuspruch. Es wurde bei den S I M E 1999 - den
“Scandinavian Interactive Media Awards” als beste Entertainment-Seite im Internet
ausgezeichnet. Die BAFTA, (British Academy of Film and Television Arts), nominierte
DOBEDO für den Interaktiven Kunst Award 2000. Die nominierten Werke kamen aus dem
Bereich der Installationen, Performances, Virtual Realities, Multimedia, Telekommunikation,
CD oder Webbasierte Arbeiten. Hauptkriterium für die Vergabe des Awards ist:
59
www.dobedo.com; www.dobedo.uk; www.dobedo.de
91
…an assessment of the extent to which the artist or artistic team have exploited the unique
creative potential of digital technology to create an innovative work of art that engages its
audience with a form of interaction60.
Bezüglich der Interaktion stehen bei graphischen virtuellen Welten wie ALPHA WORLD oder
DOBEDO dabei die soziale und kommunikative Komponente im Vordergrund. Sie können
daher als virtuelle Gesellschaftsspiele, in der Gemeinschaft „gespielt wird“, angesehen werden.
Es sind paidaische „Plays“, die in der ludischen Computerwelt eingebettet sind [Adamowsky
2000:20]. Das Spielerische, Intermediäre entsteht dabei in sozialen virtuellen Welten dann,
wenn die Teilhaber mit verschiedenen virtuellen Identitäten spielen. Im MUD kann die
Charakterisierung einer einzigen Persona zur aufwendigen Beschreibung werden und die
Spielerin hat zudem die Möglichkeit, je nach Belieben als neue Identität im Spielgeschehen zu
erscheinen. In graphischen Umgebungen wird viel Zeit in das Aussehen der Avatare investiert.
Die Differenz zu dem Verhalt, dass auch im „wirklichen Leben“ je nach sozialen Kontext
unterschiedliche Rollen angenommen werden, besteht in der Unabhängigkeit der virtuellen
Identität zum physischen Körper. Während im IRL (IRL = in real life) körperliche Merkmale
wie Gender, Hautfarbe, Körperbau oder Stimme als wesentliche Determinante der Inszenierung
und Formierung von Subjektivität bestehen, lassen sich diese in virtuellen Umgebungen
sprachlich oder visuell nach Belieben gestalten. Es sind also „Als-ob“-Welten , „eine Art
Zwischenland“, in dem lebensweltliche Erfahrungen und „Identitätsvorgaben überschritten
werden können“ [Becker 1998:4]. Dabei soll hier angemerkt sein, dass das Spiel mit Identitäten
und durchspielten Rollen, jenseits des realen Selbst, an einem „Ort der Rekonstruktion von
Identitäten“ [Turkle 1998:19], keine neuen Einsichten in das Ich bedeuten. Die eigene
Subjektivität wurde auch schon vor der Erfindung des Internets durch Rollenspiel, Theater,
Performances sowie der Identifizierung mit fiktionalen Rollenangeboten inszeniert und
konstruiert. Bedeutend ist vielmehr der Übergang von gesprochener und geschriebener Sprache
in virtuellen Umgebungen. Auch in graphischen Welten erfolgt die Kommunikation und damit
eine wesentliche Komponente der Eigendarstellung über Text. Doch lässt sich eine
„Versprachlichung“ der Schrift durch die Übernahme oraler Merkmale (z.B. Lautschrift) oder
Emoticons (z.B.  = bin gut gelaunt) feststellen:
Die im Schriftmedium des Buches eigene Anonymität verbindet sich im „Chat“ mit der
synchronen Interaktivität und der aktuellen Präsenz der Gesprächspartner, die als charakteristisch
für die gesprochene Sprache in der face-to-face Kommunikation gilt [ebd.:8].
60
http://www.bafta.org/5_ie/5_NOMS_2000.htm
92
Wo im IRL die bereits ausgeführten körperlichen Merkmale diese Selbstinszenierung
determinieren, wird in virtuellen Umgebungen die technische Machbarkeit zur restriktiven
Komponente in Form von Programmen und Systemregeln. Bei Dobedo können zwar eigene
Avatare verwendet werden, doch unterliegen diese bestimmten Vorgaben, welche die
zweidimensionale Darstellung fordert. Die Möglichkeit zur Selbstinszenierung ist also auch hier
nicht grenzenlos, sondern unterliegt bestimmten graphischen und auch sprachlichen Codes und
Konventionen. Allerdings gestaltet sich die jeweilige Rollenperformance in virtuellen Welten
als flexibler und fluider als in IRL Kontexten wie dem Rollenspiel oder fiktiven Kontexten wie
der Filmrezeption. Ins Internet kann sich jederzeit eingeloggt, aber auch wieder ausgeloggt
werden, ohne dass eine Rechtfertigung für den Abbruch erfolgen muss. Wenn die jeweilige
Performance zu anstrengend oder unangenehm wird, kann zu jedem Zeitpunkt der Spielraum
verlassen werden.
93
3.4
Zusammenfassung und Wertung
Die unterschiedliche Art und Weise, in der Nutzerin und Text narrativer und spielerischer
Formate in Beziehung stehen, ist konstitutiv für das jeweilige Rezeptionserlebnis. Dabei ist das
Internet aufgrund seines dynamischen, reziproken Prinzips, das einen Interaktivitätsprozess
zwischen Nutzer und Text sowie einen Interaktionsprozess zwischen den verschiedenen
telepräsenten Nutzern ermöglicht, besonders dafür geeignet, ergodischen Texte anzubieten. Die
(dynamische) Simulation eines virtuellen Ortes ermöglicht die aktive Teilhabe der Nutzer an
unterschiedlichsten Texten und Formaten. Wenn die Nutzerin währenddessen das Gefühl erlebt,
innerhalb dieser Welt zu sein, erfährt sie die Erfahrungsqualität der Immersion, ermöglicht
durch diese besondere Form der Interaktivität, der Agency.
Anders
als
bei
Erzählungen
liefern
viele
spielerische
Formate
jedoch
keine
Identifikationsfiguren in Form von Charakteren. Vielmehr tritt die Spielerin durch einen
Repräsentanten, dem Avatar, mit dem Text in Verbindung. Die Beziehung, welche die Spielerin
zu ihrem Avatar aufbaut, stellt einen besonderen Rezeptionsmodus dar. Anders als bei dem
durch einen imaginierten Rollentausch hervorgerufenen Identifikationsprozess, konstruiert die
Spielerin hier eine parasoziale Identität, da sie gleichzeitig Textinterpretin und Avatar, also Teil
des Textes, ist. Der gesteigerte Grad an Textbezug, der sich auch in der gesteigerten Befähigung
zur Figurengestaltung zeigt, führt, anstatt zu einem kognitiven Nachvollziehen des Erlebten, zu
tatsächlichem Erleben. Dabei bedeuten die gesteigerten Aktivitätsanforderungen für die
Nutzerin keine unangenehme „Arbeit“. Die Spielerei mit „Als-ob“ Welten, sowie das sich
anbietende Spiel der Identitätsbricolage, ist eine Form des paidaische Vergnügens.
Aktive Teilhabe am Geschehen sowie das besondere Spielerin-Spielfigur Verhältnis soll bei der
folgenden Analyse dann auch einen zentralen Punkt einnehmen. Denn m.E. stellt das veränderte
Verhältnis von Rezipientin zum Text bzw. von Spielerin zum Spiel einen signifikanten
Unterschied zum Verhältnis derselben bei „traditionellen“ Texten dar. Da die Rezipientin den
Text nicht durch die Zwischeninstanz eines Charakters, mit dem sie sich identifiziert, erschließt,
sondern unvermittelt in den Text eintaucht, ist ein direkteres Text-Rezipientin Verhältnis
gegeben. Das Prinzip der direkten Einbeziehung von Spielerin (Rezipientin) in das Spiel (Text)
lässt sich veranschaulichen, führt man sich die Spielsituation des äußerst populären
Computerspielklassikers TETRIS [Alexey Pazhitnov 1985] vor Augen. In verschiedenen
Schwierigkeitsgraden muss die Spielerin herunterfallende geometrische Figuren so anordnen,
dass sie lückenlose Reihen ergeben und somit verschwinden anstatt sich weiter aufzutürmen,
94
was zum Spielende führen würde. Bei TETRIS existiert keine Spielfigur, Spielziel ist es, das
Spielsystem (den Computer) zu besiegen. Anders als bei einem Roman ist keine einem
Charakter zueigene emotionale und psychologische Motivation notwendig, um die Spielerin
zum Spiel zu motivieren. Die performativen Handlungen, welche die Spielerin hier ausübt
indem sie sich auf die Spielregeln einlässt, sind offensichtlich Anreiz genug für die
Rezeptionsmotivation.
Im Online Bereich, der dadurch gekennzeichnet ist, dass verschiedene Menschen miteinander in
einer virtuellen Umgebung zusammenkommen, ist ein gänzlich figurenfreies Spiel nur schwer
vorstellbar. Wie jedoch im folgenden Teil anhand der Analyse von QUAKE verdeutlicht
werden soll, fallen Spielerfunktion und Figurenfunktion zusammen, es kommt zur Bildung einer
parasozialen Identität. Im Spielverlauf wirken keine intraspsychischen Charaktermotivationen,
welche die Rezipientin nachvollziehen kann handlungstreibend, vielmehr ist das Vergnügen,
welches durch eben jene performativen Handlungen innerhalb eines ergodischen Cybertexts
gewonnen wird rezeptionsmotivierend. Bei graphischen Chats, die sich ebenso wie die RPGs
eines Stellvertreter Avatars bedienen, welche die Spielerin dirigiert, akzeptiert die Spielerin die
vom Avatar ausgeführten Handlungen als ihre eigenen.
95
IV.
Analyse
Der vorangegangene Teil dieser Arbeit verdeutlichte die Vielfalt Avatar-basierter, spielerischer
Online Formate im Internet. Dabei konnte innerhalb dieser Formate zwischen Kategorien wie
Online Ego-Shooter, Online RPG, MUD und MOO sowie graphische Chats differenziert
werden. Aus Rezipientenperspektive erscheint es m.E. sinnvoll, zusätzlich eine Einteilung nach
Zugänglichkeit der verschiedenen Formate vorzunehmen.
Das WWW wurde bereits als meistfrequentierter Internetdienst hervorgehoben. Immer mehr
Computernutzer verfügen über die Kompetenz und Hardware, um sich einfach und bequem von
zu Hause aus Zugang zum Internet zu verschaffen [vgl. ARD/ZDF-Online-Studie 2001]. Da das
WWW die Nummer Eins unter den Internetdiensten darstellt, werden die Begriffe inzwischen
oftmals synonym verwendet. Das WWW ist der nutzerfreundlichste Zugang zu virtuellen
Welten, da hier der Aufwand für die durchschnittliche Nutzerin am geringsten ist. Allerdings
existieren noch weitere Abstufungen der Nutzerfreundlichkeit. Es kann unterschieden werden
zwischen Formaten zu dessen Nutzung:
1) gezielt eine CD-ROM im Handel erstanden werden muss, um dann am heimatlichen PC
installiert zu werden, bevor ins Netz eingeloggt werden kann. Dies setzt eine bereits
vorhandene Intention seitens der Nutzer voraus, einen bestimmten Cybertext auch
tatsächlich nutzen zu wollen. Die Nutzer werden oft über Mund zu Mund Propaganda,
Fachzeitschriften oder aber Internetquellen auf das jeweilige Angebot aufmerksam. Für
die konkrete Installation, die im Fall mancher Spiele noch auf dem DOS Modus zu
erfolgen hat, ist eine nicht unwesentliche Kompetenz im Umgang mit Computern
erforderlich.
2) der einmalige Download einer Software notwendig ist. Abgesehen von den üblichen
Plug-ins wie Shockwave, Flashplayer u.ä., muss zur Nutzung ein kleines
Zusatzprogramm installiert werden, das jedoch in der Regel kostenlos erhältlich ist.
(z.B. blaxxun). Die Installation erfolgt in der Regel automatisch, doch aufgrund der
fehlenden Standards im WWW kommt es bei manchen Zusatzprogrammen zu
technischen Konflikten mit bereits vorhandener Software.
3) nichts weiter notwendig ist als eine Software – Grundausstattung. Diese Formate
basieren meist auf Java, was von allen gängigen Browsern lesbar ist. Im Idealfall
bedeutet das für die Nutzerin unverzügliche Möglichkeit zur Nutzung.
96
Auf einer Skala dargestellt läge folglich die erste Variante am Pol „finanzieller Aufwand und
hohe Kompetenzanforderung“, während die letztgenannte Variante am Pol „geringfügiger
finanzieller Aufwand und geringe Kompetenzanforderung“ läge.
Bei der ersten Variante handelt es sich in der Regel um explizit ausgewiesene Spiele. Sie
beruhen auf dem technischen Prinzip, alle platzraubenden graphischen Daten vor Ort auf den
jeweiligen Nutzercomputer zu installieren bzw. mittels einer CD-ROM zur Verfügung zu
stellen. Bei den zu übertragenden Daten handelt es sich dann nur noch um Positionierungs- und
Aktionsdateien, die in kleinen Paketen rasend schnell über ein dichtes Servernetzwerk an alle
beteiligten Spieler gesendet werden, und so eine Umsetzung und Darstellung von Spielfiguren
und Umgebung in Echtzeit ermöglichen. Den beiden sehr unterschiedlichen Spielen QUAKE
und DIABLO liegt dieses Prinzip zugrunde.
Bei Avatar-basierten Formaten, welche die zweite Möglichkeit des Softwaredownloads nutzen,
handelt es sich meist um graphische MUDs, die inzwischen auch zunehmend über das WWW
zugänglich sind. Bei den abenteuerorientierten MUDs wie WYVERN [Cabochon Technologies
Inc. 1997-2001] handelt es sich dabei inhaltlich um ein sehr ähnliches Format wie das Online
RPG DIABLO. Die ausschließliche Nutzung als Online Multi-Player Spiel sowie das generell
offene
Prinzip
(es
muss
keine
teure
CD-ROM
erstanden
werden)
unterscheidet
abenteuerorientierte MUDs jedoch von Online RPGs. Soziale graphische MUDs wie
CYBERTOWN, THE PALACE oder ALPHA WORLDS (ACTIVE WORLDS) basieren zwar
auf einem ähnlichen technischen Prinzip, doch tritt hier die Kommunikationskomponente derart
in den Vordergrund, dass sie eher mit graphischen Chats als mit „combat“ MUDs vergleichbar
sind. Graphische MUDs erschweren jedoch den Zugang, da sie meist Mitgliedsbeiträge erheben.
Im offenen Trialmodus kann bis zu dreißig Tagen das Angebot getestet werden, doch fehlen der
Spielerin/Nutzerin im „Touristenmodus“ bestimmte Features, was ihr den vollen Spaß
vorenthält. So kann beispielsweise kein eigener Raum kreiert, bestimmte Orte nicht betreten,
und
kein
anderer
Avatar
als
der
Touristen-Avatar
ausgewählt
werden.
Die
experimentierfreudige Nutzerin wird hier in eine Außenseiterrolle gedrängt die als unangenehm
empfunden werden kann. Für Rötzer [Rötzer 1997], der dieses Phänomen sehr anschaulich
beschreibt, hat dies auch reellen gesellschaftlichen Bezug:
Doch auch in der virtuellen Welt spiegeln sich die gesellschaftlichen Brüche der wirklichen
Welt. Nur wer Geld oder Programmierkompetenz besitzt kann sich in dieser Parallelwelt frei
bewegen, sich private Grundstücke kaufen oder sich in einem maßgeschneiderten Avatar
repräsentieren....Besucher....erkennt man daran, dass ihre Avatare schwarzweiss und gering
aufgelöst dargestellt werden, dass sie schlicht billig sind [Rötzer 1997:373].
97
Graphischen Chats kommen ohne derartige Ausschlussverfahren aus. Frei von zusätzlichen
Softwaredownload61 oder Kosten kann die Nutzerin nach einmaliger (kostenloser) Anmeldung
nach Lust und Laune diese Chats nutzen. Bereits erwähntes populäres Beispiel eines offenen
graphischen Chats ist DOBEDO, weitere Chats sind HABBO HOTEL oder DUBIT. GNARF ist
ein 3D Chat, der auf dem gleichnamigen Computerspiel basiert, er stellt insofern eine
Ausnahme dar, als dass er von seiner Struktur zwar dem des offenen Chats ähnlich ist, jedoch
aufgrund seiner 3D Graphik einen Softwaredownload erfordert.
Je nach Darstellungsweise – 3D oder 2D – wird dann auch die subjektive Perspektive (3D:
QUAKE, CYBERTOWN, ALPHA WORLDS, GNARF) bzw. die „aufsichtige“ Perspektive
(2D: DIABLO, WYVERN, THE PALACE, DOBEDO, HABBO HOTEL, DUBIT) verwendet.
Es bietet sich je nach Schwerpunkt des Formats (handlungsorientiert, narrationsorientiert oder
kommunikationsorientiert) eine entsprechende Umsetzung an, wobei dies zusätzlich
wirtschaftlichen Faktoren unterliegt. Produktionen mit hohem Budget können sich eher die
Konzeption und Umsetzung aufwendiger dreidimensionaler Graphiken leisten als Low-Budget
Produktionen.
61
Statt eines Softwaredownloads benötigen graphische Chats in der Regel eine längere Ladezeit als andere
Graphiken, da sich vorübergehend Codes implementieren, welche für die Funktion des Chats verantwortlich sind.
98
4.1
Methode
QUAKE ist eine aufwendige Produktion, die der Handlungsorientiertheit des Spiels Rechnung
trägt, indem es photorealistische 3D Graphiken nutzt. Es ist das erste Beispiel, welches für eine
Überprüfung der in den drei vorhergehenden Teilen dieser Arbeit aufgestellten Thesen
herangezogen wird. Als ausgesprochen aktionsbasiertes Spielformat stellt es das eine Ende der
Skala der „spielerischen Formate“ dar. Am anderen Ende der Skala finden sich spielerische
Formate, die als solche auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Graphische Chats, die oft
als reine Kommunikationsformen ähnlich dem Telefon betrachtet werden, bergen, wie bereits
deutlich wurde, spielerische Komponenten. Da sie jedoch nicht zielorientiert sind, das
Spielerische also eher paidaischen Charakter hat, werden sie selten mit Spiel in Verbindung
gebracht. DOBEDO ist das zweite Format, anhand dessen eine beispielhafte Analyse
durchgeführt wird. Beide Untersuchungen fokussieren neben der Herausarbeitung der formalen
Merkmale auf der Spielerin-Spielfigur- bzw. Spielerin-Avatar Beziehung sowie der Art und
Weise, in der Agency erlangt und umgesetzt werden kann. Dabei zielt die Anwendung der
theoretisch herausgearbeiteten Punkte stets darauf ab, Erklärungen und Definitionen sowohl der
Rezeptionsmotivation als auch insbesondere des Rezeptionsvergnügens zu leisten.
Zur Einführung des ersten Kapitels dieser Arbeit wurde Lovink und Schulz’s [Lovink&Schulz
1997:345] Bemerkung über die Notwendigkeit, den Untersuchungsgegenstand einer
wissenschaftlichen Arbeit selbst genau zu kennen, angebracht: „Wie soll man über Drogen
reden, die man nicht probiert hat?“ Dieser Devise entsprechend wurden die jeweiligen Formate
von mir nicht nur eingehend untersucht, sondern auch intensiv durchspielt. Darauf aufbauend
wurde
der
jeweilige
Recherchegegenstand
textanalytisch
unter
Heranziehung
der
vorangegangenen theoretischen Ergebnisse untersucht. Die Fanaussagen der Spieler, welche
sich bei der Internetrecherche auf zahlreichen Game-Seiten und Fanpages fanden, sollen hierbei
ebenfalls betrachtet werden. Dabei erhebt diese Arbeit keinen Anspruch, repräsentativ zu sein.
Vielmehr werden die einzelnen Fanaussagen als Teil des jeweiligen Gesamttextes gesehen und
in Bezug zu Spiel und Theorie gewertet.
99
4.2
Mörderische Lust bei Quake
4.2.1 Was ist Quake?
Quake 3 is an endless roller coaster of action that explodes in your face. The raw power and
bloody death of the enemy will only make you want to play more and more. From each arena to
multiplayer capture the flag games the fun never stops. 62
QUAKE III-ARENA [1999] ist die neueste id-software Produktion, ein Ego Shooter, das in der
Tradition populärer Spiele wie DOOM und DUKE NUKEM 3D [3D Realms Entertainment
1996] steht. Es ist ein äußerst schnelles Actionspiel mit einer durchgängigen subjektiven
Perspektive. Hauptfokus des Spiels liegt auf den Deathmatches, Jede-gegen-Jede Spiele, ob
gegen Bots oder „echte“ Menschen. Ziel des Spiels und Spielregeln sind sehr einfach: „FRAG
EVERYTHING THAT ISN'T YOU”63 – Zerstöre („fragge“) alle bis auf dich selbst. Das
Marketingkonzept von QUAKE lehnt sich an das von DOOM an. Trial- und Demoversionen
sind frei über das Internet erhältlich, die kostenpflichtigen Vollversionen werden als CD-ROMs
im Handel erstanden.
Technisch befindet sich QUAKE auf dem neuesten Stand und funktioniert dementsprechend nur
auf einem ausreichend ausgestatteten Computer mit großer Speicherkapazität, hoher
Prozessorleistung sowie „High End“ Graphik Karte. Die nahezu photorealistische Graphik wird
mit einer enorm schnellen Rechenleistung in Echtzeit umgesetzt, ohne dass dabei visuelle
Störungen entstehen, wie dies noch bei älteren Spielen der Fall war. Die photorealistischen
Elemente und Umsetzung in Echtzeit erhöhen zudem den Realitätseffekt und schaffen bei der
Spielerin das Gefühl, sich innerhalb einer virtuellen Umgebung zu befinden. In der QUAKE
Welt bewegt sich die Spielerin mittels Maus und Tastatur oder Joystick, wobei die
Steuerungsbelegung individuell eingestellt werden kann. Neben der ausgefeilten 3D-Graphik
(“The lighting and fog effects were something I really enjoyed, enhancing the dim gruesome
feel of the game, which only makes it better”64) sorgen auch zahlreiche Soundeffekte wie
grollendes Schnauben der Monster, Schreie der Getroffenen, Fußtritte, Schüsse oder
Explosionen für einen größtmöglichen „Spannungseffekt“. Die umfangreiche Geräuschkulisse,
62
63
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,81893,00.html
Spielbeschreibung von QUAKE. Quelle: http://www.planetquake.com/quake3/
100
welche die Anspannung unterstützt, wird von dem zuschaltbaren Soundtrack ergänzt, der von
der populären Band Nine Inch Nail komponiert wurde. Ein Spieler beschreibt seinen Eindruck
folgendermaßen:
The initial "wow" factor is really great. The game is fast-paced, even chaotic at times, with
incredible graphics, awesome sounds, and fortunately the gameplay to back it all up 65.
Während QUAKE I und II noch als Single-Player Spiele mit Multi-Player Funktion konzipiert
wurden, ist QUAKE III-ARENA speziell als Multi-Player Game konstruiert. Im Single-Player
Modus dient es hauptsächlich als Trainingslevel, auf dem sich für die Gefahren des „echten“
Spiels, dem Online Modus, vorbereitet werden kann.
The online play I think is the greatest improvement and their sole purpose in making this game.
Making available servers for people to choose their best ping and type of game (free for all,
tournament, deathmatch, and CTF)66.
Tatsächlich ist QUAKE als Offline Spiel vergleichsweise eintönig. Die verschiedenen Level
sind im Gegensatz zu vergleichbaren Offline Action-Adventure Games eher monoton gestaltet.
Dunkle, klaustrophobisch anmutende Gänge im futuristischen Design wechseln sich mit Arenaartigen Hallen ab. Auch die Ausstattung ist bei QUAKE vergleichsweise bescheiden. Neben
drei verschiedenen Rüstungen existieren eine übersichtliche Anzahl an Waffen. In den Levels
können Gesundheitspunkte und Powerups (verstärkt die Schlagkraft der Waffen) gesammelt
werden. Da sich diese Punkte immer wieder an denselben Stellen rekonstruieren und damit auch
immer zur Verfügung stehen, kommt ihnen keine ähnlich besondere Bedeutung zu wie etwa
seltenen Gegenständen bei DIABLO, die bei eBay, einem Online Aktionshaus, teuer gehandelt
werden. Auch die Bots lassen sich bei QUAKE relativ gut einschätzen, ihre Reaktionen laufen
nach immer wiederkehrendem Muster ab. Ein Spieler beschreibt seine Erfahrung mit dem
QUAKE Offline Single-Player Modus deswegen so:
It is possible to practice some team deathmatch or CTF with bots on your team who take orders
from you, but their AI is equal to that of the frustrating scientists from Half-Life. They're just
plain stupid. Meanwhile, your enemies in Quake III are all the same. The only thing that changes
with the difficulty is their ability to aim, which goes from horrible to literally perfect 67.
64
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,81893,00.html
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,81895,00.html
66
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,81893,00.html
67
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,161763,00.html
65
101
Die Eintönigkeit und Vorhersehbarkeit des Offline Spiels bringt ihn im Weiteren zu der
Feststellung: “This all boils down to just about nothing for someone looking for a single player
gaming experience”68.
QUAKE entwickelt also seine Stärke im Online Multi-Player Modus: „It's made to give you the
ultimate Multiplayer death match first person shooter gaming experience”.69 Das aktuelle
Spielerlebnis weist im Online Modus eine neue Qualität auf. Online dominiert das Gefühl der
tatsächlichen „echten“ Anwesenheit. Denn hier lauern hinter jeder Ecke andere Menschen in
Form ihrer Avatare, die sich nicht einfach abschießen lassen. Ein Spieler schildert das Erlebnis
wie folgt:
Es ist spannender im Netz. Der nicht vernetzte Computer ist ein anderer, einfacherer Gegner. Er
arbeitet mit programmiertem Zufall, oder so wie ein großer Taschenrechner. Im vernetzten Spiel
aber müssen alle Waffen benutzt werden, um sich gegen den menschlichen Gegner nicht zu
blamieren70.
Einen Extremfall von menschlichen „Einfallsvermögen“ bildeten die Camper, die aus sicheren
Abschusspositionen
heraus
chancenlose
Mitspieler
eliminierten.
Inzwischen
wurden
Zusatzprogramme entwickelt, welche dafür sorgen, dass bewegungslose Spieler nach einiger
Zeit automatisch in die Luft gesprengt werden.
Um das Spiel QUAKE auch tatsächlich zu erleben, wird neben der Computerhardware die
entsprechende CD-ROM (für die Vollversion) sowie ein einfacher Internet Zugang benötigt.
Über ein integriertes Interface kann eins von unzähligen Spielen mit bis zu 32 Mitspielern - je
nach Modem Kapazität beschränkt- ausgewählt werden. Vollkommen unabhängig von ihren
geographischen Aufenthaltsorten können verschiedenste Menschen sich hier (telepräsent)
treffen und auf der gemeinsamen Verhandlungsebene, dem Spiel QUAKE, miteinander in
Beziehung treten.
68
ebd.
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,753098,00.html
70
Spielerkommentar: http://www.bpb.de/snp/
69
102
4.2.2 Die Spielerin und ihr Avatar
QUAKE weist ausschließlich die subjektive Perspektive auf, in der die Spielfigur selbst nur als
waffetragende Hand sichtbar ist. Trotzdem kommt den Avataren eine große Bedeutung zu.
Bevor ein Spiel beginnt, wählt die Spielerin ihren Kämpfer-Avatar aus. Hierfür kann aus einer
Reihe von zweidimensionalen „Skins“ gewählt werden, die sich auf ein dreidimensionales
Gittermodell projizieren und in der virtuellen Umgebung dann als Avatars erscheinen. Die Skins
selber sind einfache JPGs, die von jeder Spielerin selbst entworfen werden können. Diese
Funktion wird von allen Nutzern extensiv genutzt und es finden sich unzählige private
Webpages im Internet, auf denen die individuellen Skins begutachtet und „geborgt“ werden
können. Der Grund für die starke Nutzung des für den Spielvorgang vollkommen unwichtigen
Faktors kann als paidaisches Vergnügen erklärt werden, den die Spielerin aus dem Spiel mit der
Figurengestaltung und dem Idenditätenspiel zieht. Besonders für Spielrinnen war (und ist) dies
von Bedeutung, da in der ersten Version von QUAKE eine exklusive Männerwelt dargeboten
wurde. Viele „Women Gamers Communities“ boten im Gegenzug weiblichen Skins an, die auf
die (männlichen) Gittermodelle gelegt werden konnten.
Abb.17: Weibliches „Skin“
Abb.18: Männliches „Skin“
Das Bedürfnis nach weiblichen Avataren von Seiten der Spielerinnen lässt auf die wichtige
Rolle des Avatars als identitätsstrukturierendes Element in Bezug auf Gender schließen. Die
ersten selbstgebastelten weiblichen Skins von Online Spielerinnen lösten unter der vorwiegend
männlichen Spielerschaft zunächst heftige Proteste aus [vgl. Autio 1997:4]. Inzwischen sind im
Programmcode auch weibliche Vorlagen mit entsprechend modifiziertem Gittermodell existent.
Ob die oftmals übersexualisierten weiblichen Avatare der Identitätskonstruktion der
Spielerinnen mehr entgegenkommen, sei hier dahingestellt.
Die verschiedenen Avatare präsentieren sich der Spielerin in der Spielumgebung als Gegner (bei
der Spielart Deathmatches) oder auch als Mitspieler (bei der Spielart Capture the Flag, kurz
CTF). Während im Single-Player Modus die gegnerischen Avatare lediglich das Spielsystem in
103
Form von Bots präsentieren, sind sie im Multi-Player Modus in Repräsentanten „echter“
Menschen. Plötzlich werden Personen gejagt, oder man versteckt sich vor diesen. Die
Unmittelbarkeit des Gefühls von telepräsenten Anderen sowie die Schnelligkeit des Spiels
fördern den Immersionsprozess zwischen Spielerin und Spielfigur so weit, dass die Spielfigur
im Verlauf des Spiels nicht mehr wahrgenommen wird. Sie ist Teil der Spielerin geworden, ihr
verlängerter Arm. Die Spielerin hat selbst die parasoziale Identität der Wettkämpferin innerhalb
der QUAKE Arena angenommen.
Diese unsichtbare Teilidentität war in QUAKE I und II erst zu sehen, wenn die Spielfigur
gefraggt wurde. Dann war die Spielfigur für wenige Sekunden am Boden liegend sichtbar. Die
Unfähigkeit, sich selbst zu betrachten und seine Spielfigur nicht als Charakter wahrnehmen zu
können, wird jedoch auch als Manko betrachtet, dem in QUAKE III ARENA Rechnung
getragen wurde. Hier findet sich ein Spiegel, in der sich die Spielerin als Avatar betrachten
kann, was zu einem realistischen Gefühl beitragen soll. Einige Spieler nehmen dies als
realitätssteigernden Effekt wahr:
I loved the almost- realistic waters found in several levels […] and the mirror effect. There is
many more like the fog, gun effects, but I wont spend time talking about them 71.
Doch im Gegensatz zur Filmrezeption, bei der eine ähnliche Schuss-Gegenschuss Taktik zu
einer höheren Involviertheit mit dem Charakter führt, bewirkt diese Technik im Spiel das
Gegenteil. Anstatt die Immersion zu fördern, führt es zu einer selbstreflexiveren
Rezeptionsweise. Die Spielerin identifiziert sich nicht einfach mit einem psychologisch
unmotivierten Cyborg-Modell, vielmehr wird ihr die Diskrepanz zwischen sich selbst und der
Spielfigur beim Blick in den Spiegel bewusst, ein Prozess, der in diese Fall der Immersion
entgegensteht. Wird die Spielerin gefraggt und sieht ihren Avatar am Boden liegen, wird sie
sich im Moment des zurückgeworfenen Blicks nicht nur über den Tod der Spielfigur, sondern
auch über deren Existenz klar, die sie noch im Moment des „active creation of believe“ als Teil
ihrer selbst empfunden hat. Es ist jener Moment, in dem die Spielerin in dem spieltypischen
Zustand zwischen Selbstverlorenheit und Selbstbezogenheit oszilliert. Die Abwesenheit einer
sichtbaren Spielfigur trägt bei QUAKE also zum Immersionsprozess bei, wird sie sichtbar,
distanziert sich die Spielerin wieder von der Spielfigur. In den aktuellen Spielphasen ist der
Avatar für die Spielerin hingegen unsichtbar, da dessen Perspektive aufgenommen wird. Anders
als bei Action-Adventure Games wie TOMB RAIDER, welche die Spielerin ihre Spielfigur aus
71
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,621338,00.html
104
einer eher auktorialen Perspektive, (third-person-shooter) beobachten lassen, jedoch die
Perspektive indirekt an die Spielfigur koppeln, besteht bei QUAKE eine direkte Koppelung von
Spielerin/Spielfigur (als Einheit) und Umgebung. Auch 360 Grad-Drehungen sind so ohne
Störung möglich72.
Doch nicht alle Spieler betrachten das Fehlen einer Spielfigur im Spielprozess als positive
Eigenschaft. Ein Identifikationsangebot mit einem Charakter scheint für einige Spieler basale
Voraussetzung der Spielerin-Spielfigur Beziehung und des Spielvergnügens zu sein:
I mean there is no feeling of being immersed but rather of looking at all the pretty
colours….shoot 2-3 times with any weapon and u get the same results: FRAG….The player
models also feel more like in controlling a character, rather than being the character 73.
Doch der Reiz an QUAKE ist gerade dessen Einfachheit, die keine echte Story und damit auch
keine Charaktere zulässt:
Quake III Arena is what every first-person shooter SHOULD be. It combines the best elements
of the first two titles in the series and just makes for one hell of a deathmatch experience. Why
worry about single player missions and a decent plot when Q3A gives you everything you need
through botmatches and superb online play? 74
Um QUAKE jedoch als ein solches „superb online play“ erleben zu können, muss die Spielerin
das Spiel hundertprozentig beherrschen und kontrollieren. Ist sie ungeübt oder ungeschickt,
werden also die verschiedenen Bewegungen nicht beherrscht, wird die Spielerin unweigerlich
gefraggt, was zwar das Spiel für sie nicht beendet, jedoch durch fehlende Erfolgerlebnisse bzw.
Versagensgefühl, Disstreß und fehlendes Kontrollgefühl den Immersionsprozess verhindert, und
so zum Spielabbruch führen kann [vgl. Fritz&Misek-Schneider 1995:99ff].
Das Gefraggt werden selbst, also der Tod der Spielfigur, hat auf emotionaler Ebene jedoch
kaum Auswirkungen auf die Spielerin. Bei QUAKE fühlt man nicht mit der Figur mit, es
handelte sich schließlich lediglich um einen Versuch, ein Experiment in der „Als-ob“ Welt. Mit
Betätigen der ENTER Taste kann sofort der nächste Versuch gestartet werden. Neben dem
Wissen um die „Als-ob“ Welt trägt außerdem die inflationäre Häufigkeit der QUAKE Tode zu
deren Bedeutungslosigkeit bei.
72
Bei TOMB RAIDER versperrt Lara Crofts Körper oft die Blickrichtung, was mitunter sehr störend wirken kann.
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,529845,00.html
74
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,232127,00.html
73
105
4.2.3 Interface, Bewegung und Agency
Sowohl in der Spielbeschreibung als auch der Figurenbeschreibung wurde ein Teil des Interface
von QUAKE schon vorgreifend erwähnt: Eine aufwendige graphische Gestaltung, die mit einer
subjektiven Perspektive einhergeht, welche der Spielerin im Normalfall die Umgebung mit den
Augen ihres Avatars sehen lässt. Diese Perspektive nimmt den Großteil der Bildschirmfläche
ein, wobei am unteren Rand die Hand des Avatars mit gezogener Waffe zu sehen ist, während
der Rest des Bildschirms mit der Darstellung der jeweiligen Umgebung ausgefüllt ist. Unterhalb
dieses Bildausschnitts befindet sich eine Statusleiste, die über Gesundheitszustand, verbleibende
Munition und Rüstungsfaktor Statistik führt, sowie Auskunft über mitgeführte Waffen gibt. Am
linken Bildrand ist die Statistik der eigenen Fraggs und Tode sowie die der besten Mitspielerin
(bzw. Bots) eingeblendet.
Im Single-Player Modus sowie bei Deathmatches hat diejenige Spielerin gewonnen, welche als
erste zwanzig Gegner „fraggt“. Im Online Modus informiert die Statusleiste zusätzlich je nach
Spielmodus über Überlebensstatistik (Deathmatches) oder über Aufenthaltsort der Flagge
(CFT). Der Gesundheitszustand der Spielfigur wird neben einem Zahlenwert auch in einer
kleinen Animation angezeigt, in der das Gesicht des Avatars seiner Verfassung entsprechend
mehr oder weniger glücklich und blutverschmiert präsentiert wird. Im Arena Team Modus
(CTF) ist das Interface noch um einige Punkte erweitert:
Abb.19: Quake Arena Team Modus – “Heads up Display” - Interface
1. Team (Gesundheit, Rüstung, Teamliste, etc)
2. Informiert über „Powerups“ und mitgeführte Gegenstände
3-5. Statistik über eigene Rüstung, Gesundheit und Waffen
6. Spielstand
7. Team Orders und Standort
Die Steuerung bei QUAKE erfolgt je nach Vorliebe über Joystick oder Tastatur und Maus,
wobei hier die Tasten und Mausbuttons individuell belegt werden können. In der graphischen
106
Darstellung kann die Spielerin sich rennend, hüpfend, kriechend, duckend, springend, gehend
und natürlich immer schießend durch die QUAKE Levels bewegen. Die Spielerin kann sich
dabei umsehen, zu Boden sehen, an die Decke starren oder sich um sich selbst drehen – fast alle
bekannten Computerspielbewegungen sind möglich. Neben Schießen sind auch die Aktionen
Waffe wechseln sowie Gegenstände sammeln als auch Gesundheitspunkte und Powerups zu
sich nehmen möglich. Die Besonderheit von QUAKE als Online Spiel liegt dabei zum großen
Teil auf der enormen Rechenleistung der Servercomputer, die es auch 56K Modem Anschlüssen
gestatten, eine Umsetzung aller am Spiel Beteiligter in Echtzeit auf ihren Bildschirmen
präsentiert zu bekommen. Bewegung ist auch ein essentieller Faktor bei QUAKE. Bewegt sich
die Spielerin nicht, kann sie sich sicher sein, umgehend gefraggt zu werden, es sei denn, sie
befindet sich auf einem der wenigen sicheren Camp-Spots. Eine Pause ist deswegen bei
QUAKE anders als bei vielen anderen Computerspielen kaum möglich.
Die enormen haptischen Anforderungen, welche durch das pausenlose rennen, ausweichen,
verfolgen und schießen an die Spielerin gestellt wird, führt im aktuellen Spielverlauf zu dem
besonderen Gefühl, die virtuelle Umgebung auch wirklich zu fühlen und sich in ihr zu
empfinden.
QUAKE ermöglicht und fordert innerhalb seines streng begrenzten Handlungsrahmens des
Verfolgens und Verfolgt werden sowie Fraggens und Gefraggt werden einen hohen Grad an
Agency. Es basiert auf einem dynamischen Datensystem, welches die Simulation eines MultiPlayer Dungeons an die jeweiligen Spieler weitergibt. Erst durch die Teilhabe der Spieler am
Spielgeschehen werden aus toten Datenlabyrinthen belebte aktionsreiche Dungeons. Denn
anders als bei Offline Spielen, deren System auch auf verstreichende Zeit oder andere
Komponenten reagieren kann, ist im Online Multi-Player Modus von QUAKE die Spieleraktion
die einzige aktionstreibende Komponente im Spielsystem.
4.2.4 Narrativer Rahmen bei Quake
Ein offensichtlich äußerst genervter Spieler beschreibt sein Spielerlebnis bei QUAKE III
ARENA folgendermaßen: „There is NO real action, no plot, no sense, no adventures, just some
old freaks trying to look cute“75.
Die Beobachtung des Spielers hat – abgesehen von seiner Bemerkung über die Aktion –
durchaus ihre Berechtigung. Geschichte und Abenteuer lassen sich mit dem einfachen Satz
107
zusammenfassen: FRAG EVERYTHING THAT ISN’T YOU. Wie lässt sich jedoch der Erfolg
von QUAKE erklären, wenn zum selben Zeitpunkt das Geheimnis des Erfolges von Action
Adventure Games wie TOMB RAIDER in dessen hohen Grad an Narrativität gesehen wird? In
den vorhergehenden Teilen dieser Arbeit wurde ein alternativer Ansatz zum dominierenden
narrationsbasierten Ansatz präsentiert. QUAKE scheint dabei dem Pol ergodischer Cybertext
von allen bisher angesprochenen Formaten besonders nahe zu kommen. Das Ziel des Spiels,
möglichst viele Treffer zu erzielen und sich dabei selbst nicht treffen zu lassen, ist vollkommen
zweckfrei. Es müssen keine Geheimnisse gelüftete und keine Rätsel gelöst werden. Bei
QUAKE existiert nur ein einziger Hinweis auf eine narrative Rahmenhandlung in Form der
Spielanleitung. Doch diese wird – da sie sich nicht auf CD-ROM, sondern auf dem papiernen
Beipackzettel befindet – wohl nur von den wenigsten Spielern wahrgenommen. Die interessierte
Spielerin kann dort jedoch folgendes nachlesen:
"Untold centuries ago the Vadrigar, the mysterious Arena Masters, constructed the Arena Eternal
for their own infernal amusement. Virtually nothing is known of these beings except that they
savor the carnage and clamor of battle. As such, they have stocked the arena with the greatest
warriors of all time. And you have just joined their ranks."
"As a gladiator in the Arena Eternal, you must not only survive, but also win each and every
battle against ever more powerful opponents. Don't worry overly much about getting "fragged."
The Vadrigar won't be cheated of their favorite sport by a little thing like death. Those who fall
are instantly restored to life and immediately thrust back into the battle, perhaps a little wiser for
their misfortunes."
"When the dust, blood, and gibs settle, all warriors will have earned the right to battle again,
providing further entertainment for the Vadrigar. But only the warrior who has fragged the most
foes will be lauded as the winner. The victorious gladiator advances to a more challenging array
of arenas, until, at last, he or she faces Xaero, Lord of the Final Arena"76.
Kombiniert die Rezipientin dieses Wissen mit ihrem Wissen um die graphische Darstellung
QUAKEs, so kann sie aus dem präsentierten Setting schließen, dass es sich um eine fiktionale
legendäre
Welt
handelt
in
deren
grauen
Vergangenheit
befindlich
sie
nun
an
Gladiatorenkämpfen teilnimmt. Die Tatsache, dass sämtliche Darstellungen von Spielfiguren,
Ausstattung, Waffen und Maps (Ausgestaltung der Level) stark an Science Fiction orientiert
sind, führt jedoch zu einiger Irritation. Die logische Konsequenz hieraus ist, will sich die
Spielerin nicht den Spielspaß verderben lassen, die „Story“ zu ignorieren, jedoch aus ihr die
Spielregeln zu extrahieren. Diese lassen sich dann wie folgt zusammenfassen: Ziel des Spiels ist
es zu überleben und möglichst viele Kämpfe zu gewinnen. Wird die Spielfigur getroffen,
erwacht sie umgehend zu neuem Leben um weiterzukämpfen. Diejenige Spielerin mit den
meisten Treffern gewinnt.
75
76
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,398702,00.html
Spielbeschreibung zu QUAKE III ARENA
108
Auch nach Spielbeginn lassen sich keine weiteren narrativen Verweise finden. Es kann zwar ein
Demo angesehen werden, doch zeigt dieses lediglich einen möglichen Level-Durchlauf, ohne
auf Motivation oder Hintergrund einzugehen. Unter dem Menüpunkt Cinematics kann die
Nutzerin vor Spielstart die verschiedenen Bots, gegen die es im Single-Player Modus zu
kämpfen gilt, in einer 3D Rundumfahrt genau betrachten. Bei allen Figuren handelt es sich um
dem Science Fiction Genre entlehnte weibliche, männliche sowie neutrale Figuren mit High
Tech Rüstung und Bewaffnung. Einige der Figuren sind menschlich, andere alienhaft und
wieder andere sind aus dem RPG Genre entlehnte Monster. Bis auf die jeweiligen Namen und
den visuellen Eindruck bieten die Cinematics jedoch keine weiteren Informationen. Erst im
Spielgeschehen erhält die Spielerin durch das sie umgebende Setting zusätzliche Hinweise, die
auf einen narrativen Rahmen verweisen können.
Die unterschiedlichen, von id-software vorgegebene, labyrinthhafte oder Arena-artige Maps
sind entweder düstere Dungeons oder futuristische High Tech Orte. Die Arenen setzten sich
häufig aus verschiedenen Ebenen zusammen, die nur durch den Gebrauch von Srungpads
gewechselt werden können. Verfehlt die Spielerin die Ebene, kann sie in die schwarze Tiefe
abstürzen und stirbt.
Abb.20: Sprungpads
Die düstere Atmosphäre wird dabei von Techno Klängen verstärkt und lässt die Spielerin Teil
einer finsteren Cyborg-Welt werden, in der es nichts als feindliche Cyborgs gibt, die es zu
besiegen gilt. Dabei existieren keine vorgefertigten Ereignisse die in Relation zueinander
stehen, vielmehr bleibt das Setting ohne Spieleraktion ein öder und ereignisloser Ort. Erst durch
den entsprechenden Einsatz der Spieler entstehen gewisse Rahmenbedingungen. Die
Spielvariante CTF ist die englische Bezeichnung des „Räuber & Gendarmen“ bzw. „Indianer &
Cowboy“ Spiels. Rahmenbedingung ist somit das Vorhandensein von mindestens zwei
gegnerischen Teams, die es aufeinander (in diesem Fall auf die Flagge der anderen) abgesehen
haben. Das Ziel ist somit definiert und zu dessen Erreichung kommt es durchaus zu
109
dramatischen Momenten. Jedoch existiert keine bereits vorgegebene Ereignisverkettung und
somit auch keine Narration.
Bei QUAKE handelt es sich also um einen rein aktionsbasierten Medientext, der in seiner
Online Version allein durch die Aktionen der Teilhabenden angetrieben wird. Auch wenn sich
bei dem Spiel CTF im nachhinein ein dramaturgischer Spannungsbogen rekonstruieren lässt,
der gegebenenfalls als Geschichte wiedergegeben werden kann, so muss die Spielerin, anders
als bei vielen Adventure Spielen, keine Stationen durchlaufen und Plotpoints erleben, um zum
Spielziel - besser zu sein als die anderen und dabei überleben - zu gelangen.
Im Online Modus von QUAKE herrscht demzufolge nur ein möglicher Zeitmodus, das Hier und
Jetzt. Dabei kommt es zu keiner langweiligen Ausdehnung von „dull bits“. Beendet die
Spielerin bei QUAKE ihre Aktionen, so bedeutet das ihr sicheres Ende. Dies hat zur Folge, dass
die Spannung stets gewahrt wird und die Spielerin sich in einem ununterbrochenem Zustand der
Agency befindet. Anders als bei Offline Ego Shootern sterben und verschwinden die
Gegenspieler nicht; es handelt sich schließlich um andere Menschen und nicht um
programmierte Systemcodes. Es gibt zudem auch kein Ereignis, welches vor Betreten der Arena
stattgefunden hat. Dementsprechend existieren auch keine vordefinierten Sequenzen wie bei
entsprechenden Offline Version, die Juul [Juul 1999:67] als „pseudo-narratives“ bezeichnet.
Das Fehlen von Plot und Charakteren, welches der Spieler am Anfang dieses Kapitels beklagt
hat, ist also kein Mangel von QUAKE, sondern seine Charakteristik und Stärke. Kein narratives
Abenteuer, nicht einmal ein narrativer Rahmen lenken bei QUAKE vom Wesentlichen, der
Handlungsorientiertheit und purer Aktion, ab. Aufgrund dieser Handlungsorientiertheit bleibt
der Spielerin im aktuellen Spielverlauf kaum Zeit zur Reflektion, sondern nur zur Reaktion.
Dabei kommt es zu unterschiedlicher emotionaler Befindlichkeit, die nicht wie bei der Narration
vom Plot abhängig ist, sondern von den individuellen Fähigkeiten der Spielerin:
Alles das, was der Spieler tut, kann Gefühle hervorrufen: Frustration oder Zufriedenheit und
Stolz, wenn er ein Ziel erreicht hat etc. Aber nur durch Interpretation kann der Spieler Emphatie
(immersion) empfinden, und nur die Aktion gibt dem Spieler Kontrolle. Der Spieler muss
Entscheidungen treffen, und das heißt, dass Katharsis wie in einer Erzählung unmöglich wird
[Tosca 2000:6].
Ein Spieler sieht in der Abwesenheit des Plots die Besonderheit QUAKES, welche es attraktiv
machen:
Let's put Wolfenstein and Doom apart from Quake.
Wolfenstein = kill Nazi's and survive (with plot).
Doom = kill mutants and survive (with plot).
110
Quake3 Arena = kill and experience the ultimate deathmatch (thats all this game is for, no real
plot because multiplayer is more fun than single player) 77.
Juul [Juul 1999] trifft anhand seiner Untersuchung an DOOM folgende Feststellung, die sich
auch auf QUAKE übertragen lässt:
The structure of Doom allows for variation and flexibility: In a way, the whole point of the
action game and of most games as such is that they consist of a number of small components that
can be combined in large number of ways.[…] In Doom the energy of the player runs out by
getting hit by opponents - accordingly each monster is connected to an amount of tension. In a
board game like Monopoly it is the financial status of each player that risks going to zero. This
kind of bottom-up design makes the game world infinitely more flexible than if designed
according to a plot or a fixed sequence [Juul 1999:70].
4.2.5 Spieltyp und Spielergemeinschaft
Vor dem Hintergrund des Spielerlebens kann QUAKE also als ergodischen Spieltext
kategorisiert werden. Dabei fällt er, nach der im Kapitel II dieser Arbeit bereits angesprochene
Einteilung der Spiele nach Caillois, in den Bereich von Ludus. Ludus wurde als gebändigte
Version von Paidia definiert, dem ein Regelwerk zugrunde liegt, das Sieg oder Niederlage
definiert. QUAKE lässt sich aufgrund seiner einfachen und klaren Zielvorgabe, die zu Sieg oder
Niederlage führen, leicht als Ludus identifizieren, wobei diese Einteilung, wie im Folgenden
nochmals verdeutlicht werden soll, Genre-unabhängig ist.
It’s easy to find ludus examples in videogames: Pac-man, Doom, Mario Bros., Myst. These
videogames usually have a clear main goal (for example, "save the princess" or "find all the lost
pages of the book"). In these videogames, the player can easily know the final result. For
example, if she frees the princess in Mario, she will win. If she can’t, she will lose [Frasca
1999:9].
Im Gegensatz zu den hier angeführten Beispielen lässt sich das Ziel von QUAKE mit dem
bereits bekannten Motto FRAG EVERYTHING THAT ISN'T YOU beschreiben. Töte viel und
stirb wenig. Allerdings muss aufgrund der verschiedenen Spielarten wie Deathmatch, One-toOne und Capture The Flag differenziert werden78.
Deathmatch ist die Spielform des “Jede-gegen-Jede“ Prinzip, dessen Spielziel es ist, so viele der
anderen Spieler wie möglich zu fraggen. Spieler, die gefraggt wurden, erhalten einen
77
http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,10986,621338,00.html
Es existieren zahlreiche Subkategorien der drei hier aufgeführten Spielarten, die sich jedoch in ihrem Prinzip an
jeweils eines der drei angeführten Beispiele anlehnen.
78
111
Spielpunkt Abzug und können umgehend wieder am Spielgeschehen teilnehmen. In
Deathmatches ist auch Teambildung möglich, doch kann der „Abschuss“ befreundeter Spieler
bei ungenauem Zielen nicht verhindert werden79.
Eine weitere Spielform ist das One-to-One Spiel (Duel Server oder Rocket Arena) bei dem sich
jeweils zwei Spieler unter einem Zeitlimit duellieren. Diejenige Spielerin, die verliert, wird in
die Warteliste eingereiht, wohingegen die Siegerin aktiv bleibt. Die Spielerin mit den meisten
Punkten gewinnt schließlich das Duell. Eine beliebte Variante des One-to-One Spiels sind die
Tournaments, organisierte Tourniere mit realen Preisgeldern, deren Endkämpfe in LANs (Lokal
Area Network) ausgetragen werden, was die virtuelle Spielgemeinschaft in die materielle Welt
transportiert.
Die dritte Spielform ist Capture The Flag, bei dem sich zwei Teams bilden, denen
unterschiedliche Farben zur Unterscheidung zugewiesen werden. Ziel des Spiels ist es hier, die
eigene Flagge vor feindlichen Überfällen zu schützen sowie selbst zu versuchen, die
gegnerische Flagge zu stehlen. Dabei kommt es zu Rollenverteilungen ähnlich „realer“
Mannschaftsspiele wie Fußball. Einige Spieler werden zu Läufern, Verteidigern oder
Angreifern, es gibt einen Flaggenträger und natürlich einen Spiel-Kapitän. Oft sind die
Mitglieder eines Teams gleichzeitig Clanmitglieder.
Während alle drei Spielarten extrem zielorientiert und aktionsreich sind, tritt besonders bei den
letzten beiden Kategorien eine soziale Komponente in den Vordergrund. Bei eingefleischten
QUAKE Fans geht es nicht um anonymes Rumgeballer, sondern um das gemeinschaftliche
Spielerleben. In fast allen Spielversionen ist daher die Bildung von „Clans“ üblich. Die
Clanmitglieder finden sich über die zahlreichen Kommunikationskanäle, die der Online Version
angeschlossen sind, von der offiziellen id-software Webpage [http://www.quake3arena.com],
auf der auch über neue Spiele informiert wird, über zahlreiche Game Seiten [z.B.
http://www.planetquake.com] bis hin zu privaten Fanpages [z.B. http://www.crackwhore.com].
Die Zugehörigkeit zu einem Clan wird anhand eines Zusatzes des Namens erkennbar, wodurch
sich die jeweiligen Clanmitglieder sofort erkennen. Ein beliebtes „Hobby“ der Spieler sind
Clan-Wars, die in möglichst vielen verschiedenen Spielwelten ausgetragen werden.
Erfolgreiche Clans genießen in der Fangemeinde Kultstatus. Die besten Spieler werden in
Weltranglisten geführt und erhalten besondere Ehrentitel.
Die Kommunikation auf den unterschiedlichen Webpages wird über Foren, Newsletters, Black
Boards und Chat-Rooms abgewickelt. Doch auch an das Spiel selbst ist ein Chat angeschlossen.
79
Hingegen kann im CTF Modus eine Voreinstellung gewählt werden, die verhindert, dass Teammitglieder durch die
eigenen „Kugeln“ getroffen werden können.
112
Dieser lässt sich öffnen, sobald eine Internetverbindung hergestellt ist. Im Chat treffen sich die
Spieler und verabreden sich zu Deathmatches oder bilden die Teams für ein CTF Spiel. Auch
während des Spieles selbst können Botschaften ausgetauscht werden, wobei erfahrene Spieler
Standardbotschaften wie "going after flag" aus Zeitgründen einer Tastenbelegung zuordnen. Der
integrierte Chat, der nicht nur zum Austausch von Spielrelevantem, sondern auch für
Beleidigungen, Ermutigungen oder generellen OOC-Bemerkungen80 genutzt wird, erhöht den
Spielspaß noch weiter. Die Kommunikation mit Gleichgesinnten und die daraus entstehende
Gemeinschaftsbildung ist ein wichtig Aspekt von Online Spielen.
Eine wesentliche formale Eigenschaft bei QUAKE ist die Möglichkeit für die Spieler, die
Spielwelten selbst zu erweitern (Modifications), Waffen zu erfinden und neue strategische Ideen
zu verwirklichen, insofern sie über ein entsprechendes Editorenprogramm verfügen und dieses
auch beherrschen. Die explizit erwünschte Manipulation der Datenfiles war schon bei DOOM
Prinzip und erwies sich als äußerst erfolgreich, da id-software diese Ideen in der jeweils
nächsten Version des Spiels zur Freude der Fangemeinde aufgriff und perfektionierte. Auf diese
Weise wurde auch die äußerst kreative Hacker Szene in die Spielgemeinschaft miteingebunden
und unzählige Variationen von Zusatz-Maps entstanden. Besonders beliebt bei der
Eigenkreation von Maps sind laut Schindler und Wiemken [Schindler&Wiemken 1997]
virtuelle Abbildungen real existierender Gebäude:
geknechtete Schüler, Studenten und Angestellte schaffen sich ihre Kulisse, um zumindest in der
Virtualität des Spiels einmal machtvoll mit ihren "Unterdrückern" abrechnen zu können. Als
Einzelkämpfer oder im Clan ist es für die Spieler ein spezielles Vergnügen, gegen die
Unvorhersehbarkeiten der individuell gestalteten Welten anzutreten [ebd.:293]
4.2.6 Rezeptionsvergnügen bei Quake
QUAKE fesselt und amüsiert die Spielerin auf mehreren Ebenen. Im aktuellen Spielverlauf
steht aber eindeutig die aktionsbasierte Immersion im Vordergrund. Aufgrund der besonderen
Spielerin-Spielfigur Beziehung, der beeindruckenden graphischen Darstellung in Echtzeit, die
Schnelligkeit des Spielverlaufs und der großen Bewegungsfreiheit erlangt die Spielerin
innerhalb eines fest abgesteckten Rahmens einen hohen Grad an Agency, der ihr den Flow
80
OOC ist aus dem abenteuerorientierten MUD übernommen und bedeutet „out of character“. Es bezeichnet die
Aussagen von Spielern, bei denen sie sich nicht mehr mit der jeweiligen Rolle identifizieren bzw. die nicht den
Spielverlauf betreffen
113
innerhalb der Spielumgebung ermöglicht. Während des Flows sind Glücks- und Erfolgsgefühle
belohnende Gefühle für die Spielerin.
Um das erstrebenswerte Gefühl des Flows zu erreichen ist jedoch die Beherrschung und
Kontrolle des Spiels, insbesondere die Beherrschung der verschiedenen Bewegungen sowie
räumliches Orientierungsvermögen, unbedingte Vorraussetzung. Das Kontrollbedürfnis, das eng
mit dem Wunsch, erfolgreich zu sein, verknüpft ist, stellt laut Fritz [Fritz&Misek-Schneider
1995:120] die primären Motivationsquellen für die Rezeption von Computerspielen dar. Im
Online-Modus ist die Spielerin jedoch erst dann erfolgreich, wenn sie oder ihr Team besser ist
als die anderen Spieler. Das Prinzip von Agon, dem Wettstreit, bei dem es auf Geschicklichkeit,
Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer ankommt tritt hier deutlich zutage. Ein Spieler beschreibt die
Faszinationskraft die QUAKE auf ihn ausübt entsprechend:
Playing Quake you have to be quite agile and skilful. It’s great fun to run and jump around. With
just a few tabs you can do nearly every move.[…] the goal is to beat the others, to be better than
them. It’s like if you’ve achieved something when you made it through a game 81.
Computerspiele, wie jeder andere Text auch, werden jedoch nicht in einer abgeschlossenen
Sinnwelt rezipiert. Bei jeder Spielhandlung kommt es zu Transformationsakten, bei dem die
Spielerin sowohl Alltagserfahrungen mit in das Spiel einbringt, als auch in einem Aneignungsund Verarbeitungsprozess Elemente in ihr eigenes Erfahrungs- und Handlungsspektrum
integriert. Sie lässt ihre eigenen Erfahrungen, Wünsche und Handlungsmuster in das Spiel mit
einfliessen und setzt die Geschehnisse auf dem Bildschirm handelnd zu sich in Beziehung. Bei
wettbewerbsorientierten Spielen geht es dabei nach Fritz [Fritz 1997a:183ff] vorwiegend um
Macht und Ohnmacht der Spieler. Das Ziel bei QUAKE ist natürlich nicht andere Menschen
umzubringen, sondern eine spezifische „Erledigungsmacht“ zu erlangen.
Das Spiel selber ist Metapher für unsere reale Welt, wie sie für viele Jugendliche eines
bestimmten Altersabschnitts erscheint und von ihnen erlebt wird: voller Gefährdungen,
Belastungen, Bedrohungen und Einschränkungen und damit voller Hindernisse für den Wunsch,
im Leben voranzukommen. Das Spiel bietet auf der metaphorischen Ebene für diese Probleme
nachvollziehbare und d.h. handlungsrelevante Lösungsmöglichkeiten: Man muss den vielfältigen
Aufgaben Rechnung tragen und sie „erledigen“.[...] Am Ende tritt an die Stelle von Ohnmacht
vor den vielfältigen Gefährdungen der Welt das Gefühl, soviel „Macht“ zu besitzen, dass man
die Herausforderung annehmen, die „Erledigungssituationen“ bewältigen, und auf dem „Weg
des Lebens“ vorankommen kann [Fritz 1997b:184].
Dieser Ansatz der „Selbstmedikation“, in dem Computerspiele als Trainer dienen, um im Leben
besser voranzukommen, also eine direkte Übernahme von spielerischer Kontrolle in
81
Spielerkommentar: http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/0,1099,23327,00.html
114
lebensweltliche Macht greift m.E. zu kurz. Eher anwendbar scheint die These zu sein, dass die
Spieler ein spezifisches Vergnügen aus dem Tabubruch ziehen, den sie durch das Spielen
blutrünstiger, „gewaltverherrlichender“ Schießspiele erlangen82. Schnelligkeit und Brutalität
sind kennzeichnend für alle 3D Ego Shooter. Adamowsky [Adamowsky 2000:211] sieht den
Reiz dieser Spiele in der Spannung, die von der Angst ausgeht, und dem erleichterten Gefühl,
zu überleben. Es ist eine Art Exzess der Anspannung und Konzentration, in dem der eigene
Körper zum Ort der Lust wird, das sich auch aus dem „Widerstand gegen die Unterdrückung die
durch [soziale Werte] produziert wird“ [Fiske 2000:110] konstruiert. Die Hinwegsetzung über
die gesellschaftlichen Konventionen, die sich in der ablehnenden Haltung zahlreicher Eltern
gegenüber diesen Spielen ausdrückt, kann so in einen rauschähnlichen Zustand versetzen. Der
hier beschriebene Zustand wird in der Caillois’schen Einteilung als Ilnix bezeichnet, der
Rausch, der Schwindel, die Ekstase bis hin zur Lust an der Angst.
Eine „lustvolle“ Erfahrung von ganz anderer Qualität ist die Gemeinschaftsbildung, zu der es
bei den Clanbildungen kommt. QUAKE Spieler treffen sich auf zahlreichen, an die aktuellen
Arenen angeschlossenen Fanseiten, auf denen die neuesten Clansiege und Entwicklungen
veröffentlicht werden, Tipps zu besonderen Schwierigkeiten gegeben werden, und Chats und
Foren zur Verhandlung der Spiele dienen. Hier ist, im Gegensatz zur Lust am Widerstand, die
Befriedigung durch gesellschaftliche Anerkennung, die ein erfolgreich bestandener Wettkampf
in der Online Gemeinschaft mit sich bringt, von Bedeutung. Auch im Spiel selber sorgt die
Anwesenheit anderer für ein gesteigertes Rezeptionsvergnügen. Neben der oft zitierten
positiven Einstufung, welche Spieler dem Umstand zusprechen, gegen intelligente Menschen
anstatt dumme Bots anzutreten, ist hier die soziale und kommunikative Komponente
entscheidend. Die Möglichkeit zur direkten, synchronen Verhandlung des Spielgeschehens mit
Mitspielern, die sich auf der anderen Seite des Globus aufhalten, ist der besondere Reiz, den
Online Formate zu bieten haben.
Schließlich darf das technische Konzept von id-software nicht unterschätzt werden. Der
Entscheid, den Basis-Code des Spiels für alle frei zugänglich zu machen, führte zu einer
kreativen Integration von gewöhnlichen Spielern, die bisher Hackern vorenthalten war. Bei
QUAKE können alle mit Hilfe zahlreicher Editorenprogramme „Modifications“ vornehmen und
diese anderen Spielern zugänglich machen. Diese kreative Teilhabe im „Macro-Bereich“ des
Spiels, die auf Maps, Skins und Spielregeln angewendet werden kann, bietet der Spielerin eine
82
QUAKE wurde von der Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Schriften indiziert. Auch die meisten anderen 3D
Ego Shooter stehen auf dieser Liste (z.B. DOOM, Wolfenstein 3D, UNREAL)
115
eher paidaische Form des Vergnügens an. Auch wenn nicht auf „sich selbst“ angewendet, kann
die Bastelei mit Spielfiguren und Spielumgebung als Form der Mimicry (Verkleidung, kindliche
Nachahmung, Illusion, Travesti, Schauspielerei) gewertet werden.
116
4.3
Kollaboratives Vergnügen bei Dobedo
4.3.1 Die virtuelle Welt Dobedo
Dobedo – der beste Chat im Netz!
Packe deine sieben Sachen und wandere auf das Party-Eiland Dobedo! Hier läuft die ultimative
Nonstop-Party! Außerdem gibt’s hier kostenlose E-Mail, einen ganz persönlichen Chatraum, die
Dobedo-Soap, die Stars der Soap, denen du auf der Insel begegnen wirst und vieles, vieles mehr.
Aber, worauf wartest du noch?83
Der voranstehende Text ist die Begrüßung der deutschen Version des preisgekrönten Online
Formats DOBEDO. Er kann gleichzeitig als Spiel- und Formatbeschreibung gelesen werden,
welche sämtlich möglichen Funktionen benennt. DOBEDO ist eine Mischform aus Chat, WebSoap und Rollenspiel. Hauptfokus bei DOBEDO liegt jedoch auf den graphischen Chat-Rooms.
Die zugrunde liegende Idee bei der Konzeption DOBEDOs war es, eine spielerische Umgebung
zu schaffen, in der Jugendliche „im Spiel“ mit dem Productplacement der Partnerunternehmen
in Berührung kommen. Das Resultat ist eine bunte, stylische Webseite, in der die Spieler 84 als
trendige Markenklamotten tragende Avatare mit obskuren Gegenständen (den platzierten
Produkten) regen Tauschhandel treiben.
DOBEDO ist in JavaScript programmiert, so dass auch mit leistungsschwächeren Computern
ohne lange Ladezeiten zugegriffen werden kann. Technisch wird die Verräumlichung durch die
Komposition verschiedener überlappender Layern aus Bildern konstruiert. Dies hat zur Folge,
dass die Umgebung bzw. der Hintergrund starr bleibt und nicht wie bei QUAKE auf die
Avatarbewegung der Spielerin reagiert. Auf dem flachen, zweidimensionalen Hintergrund
können die Spieler ihre Avatare jedoch nach Belieben hin und her springen lassen und in
räumlichen Bezug zueinander setzten. Die Bedienung des Interface ist dabei denkbar einfach:
Durch einfaches Klicken mit dem Cursor an eine ausgewählte Stelle begibt sich der Avatar auch
sogleich an den markierten Ort. Um bei DOBEDO eine Umsetzung der Bewegungen in Echtzeit
zu gewährleisten, wird dabei auf alles Datenvergrößernde wie Sound, Musik oder Animationen
verzichtet. Denn anders als bei QUAKE befinden sich sämtliche Daten auf dem Server und
83
http://www.dobedo.de
Aarseths Argumentation folgend, dass die Leserin eines ergodischen Cybertextes zur Spielerin wird (vgl. Kapitel
II/2.1.2 S.34), referiere ich im Folgenden in der Regel zu den „Nutzern“ Dobedos als Spieler.
84
117
müssen bei jedem Einloggen neu abgerufen werden. Eine möglichst geringe und komprimierte
Datenmenge ist daher entscheidend für ein reibungsloses Rezeptionsvergnügen.
Bei DOBEDO lassen sich mehrere Ebenen abgrenzen. An erster Stelle sowohl für die Macher
als auch für die Nutzer steht die Chat-Funktion. Diese soziale Komponente dominierte schon
bei einigen frühen MUDs mit der Auswirkung, dass spezielle soziale MUDs entstanden. Die
Faszination, körperentbunden mit Menschen aus aller Welt in Kontakt zu treten, stellt eines der
primären Merkmale des Mediums Internet dar85. Die Besonderheit graphischer Chats gegenüber
textbasierter Chats wurde im Kapitel III/3.3.4 herausgearbeitet. Ähnlich den graphischen MUDs
ermöglicht DOBEDO den Spielern eine zusätzliche Ebene der Teilhabe, indem die Avatare
individuell gestaltet und private Räume gebaut werden können. Dabei existieren immer sowohl
Standard – Vorlagen auf welche unerfahrenere Spieler zurückgreifen können, als auch die
Möglichkeit selbst Entwürfe Uploaden zu können. Im Chat können sich die Spieler zu Clans
zusammenschließen: „Ein Clan ist eine Gruppe von Dobedern mit den gleichen Interessen. Ich
habe zwei, einmal den Clan “Mystical Angel” und einmal den Clan “Future Babys”. Mehr über
meine Clans gibt es bei mein Clan“86. Auf Chat-Ebene fungieren die Clans als
Interessenszusammenschlüsse der Spieler. Die Clanbildung ist von Online-Computerspielen wie
QUAKE übernommen. Auch bei QUAKE dient der Clan nicht nur der Teambildung während
des Spielgeschehens, sondern auch zur Verhandlung lebensweltlicher Alltagserfahrungen.
Neben diesen „offenen“ Funktionen bietet DOBEDO auch Geschlossenes an. Die
Fortsetzungsgeschichte im seriellen Soap-Format, welche der Inselwelt einen narrativen
Rahmen verleiht, kann ein fernsehähnliches Rezeptionsvergnügen ermöglichen, da ähnlich einer
TV-Soap täglich fortlaufende Handlungen beobachtet werden können ohne dass ein Eingreifen
in die Handlung nötig ist. Andererseits stellen die Macher die Möglichkeit der aktiven
Beeinflussung durch die Nutzer besonders in den Vordergrund. Im Kapitel IV/4.3.4 soll darauf
näher eingegangen werden. Akzeptiert die Spielerin den durch die Fortsetzungsgeschichte
vorgegebenen narrativen Rahmen und die so gegebene Zielsetzung (den guten Dr. Fjördahl oder
den bösen Doktor Trumpfellow zu unterstützen), kann sie an einer weiteren Ebene DOBEDOs,
dem Rollenspiel teilhaben.
Die verschiedenen Ebenen überschneiden sich stark, da sie weder räumlich noch anders getrennt
sind. Entscheidend ist allein die von der Nutzerin gewählte Rezeptionsposition. Eine weitere
Besonderheit bei DOBEDO sind die zahlreich vorhandenen Sammelobjekte: Gegenstände,
85
86
Zur ausführlichen Erläuterung von Chats vgl. Reid 1991, 1994 und Bruckman 1997.
Spielerkommentarr: http://www.mysticalangel.de/Dobedo/dobedo.html
118
Waffen und Maschinen. Sie erlangen im jeweiligen Spielmodus, in dem sich die Spielerin
befindet, eine jeweils andere Bedeutung. Ein Gegenstand, der im Kontext des vorgegebenen
Rollenspiels einen Vorteil für Dr. Fjördahls Clan bedeutet, besitzt im normalen Chat-Kontext
lediglich Kuriositätenwert.
Eine zusätzliche Variable stellt die eigenkreative Nutzungsweise der Spieler dar. Denn die
Vorgabe eines ludischen Spielziels (z.B. besiege Doktor Trumpfellow) kann von den Spielern
durchaus ignoriert werden. So überraschten die DOBEDO Spieler die Macher, indem sie eine
eigene soziale Welt aufbauten, in der dann, ähnlich wie bei sozialen MUDs, virtuelle
Hochzeiten abgehalten wurden.
4.3.2 Avatare in zweidimensionalen Welten
Auffällig bei Dobedo ist die Bedeutung, welche die Spieler ihren Avataren zukommen lassen.
Oft drehen sich Gespräche im Chat um das Aussehen der Avatare. Als unregistrierter Gast muss
allerdings mit einem unattraktiven Touristen-Avatar vorlieb genommen werden. Diese sind als
Gesprächspartner weniger beliebt. Nach der Registrierung erhält die Spielerin Zugriff auf eine
Reihe von Standard-Avataren, die jedoch schnellstmöglich gegen einen „Sexy“-Avatar
eingetauscht werden sollten, um „dazuzugehören“. Erfahrene Mitspieler verfügen bereits über
eine Reihe von sowohl eigenkreierter Avatars als auch „Sexy-Avs“, die sie über den regen
Austausch mit anderen Mitspielern erhalten haben. Loggt sich die registrierte Spielerin mit
einem Standard-Avatar ein, erhält sie unverzüglich Angebote zum Upload attraktiverer Avatare.
Der Effekt, den die Änderung von Standard-Avatar in einen individuellen „Sexy“-Avatar mit
sich bringt, ist frappierend. Ausgestattet mit einem „Sexy-Av“ im Schottenminirock konnten im
Eigenversuch ungleich mehr Konversationsanfragen verzeichnet werden als mit dem
knubbeligen Standard-Avatar. Ähnliche Ergebnisse verzeichneten Untersuchungen über
Sozialverhalten in virtuellen Umgebungen, in denen männliche Nutzer, welche sich weibliche
Identitäten zulegten angaben, bevorzugt behandelt zu werden [vgl. Rheingold 1992 und Wright
2001].
Die Avatare bei DOBEDO bestehen aus einfachen GIFs, die mit wenig Aufwand selbst kreiert
und hochgeladen werden können. Die technischen Modalitäten des Uploads eigener Avatare
und die technischen Regeln zur Gestaltung des eigenen Chat-Rooms sind bei DOBEDO in einer
eigenen Rubrik verständlich aufbereitet.
119
Abb.21: Touristen-Avatar
Abb.22: Standard-Avatar
Abb.23: „Sexy“-Avatar
Avatare werden zudem oft textübergreifend gehandelt, was dazu führt, dass Avatare, die von
DOBEDO bereits bekannt sind, in vergleichbaren Chats wie ONCHAT wieder auftauchen. Das
kreieren und Austauschen der Avatare, also die Selbstinszenierung, ist bei DOBEDO und
anderen graphischen Chats zentrales Element der Betätigung.
One of the best things about "Dobedo" is that you can upload your very own "AVATAR"
(Cartoon, Character) in which you can explore the different rooms and places talking to people
and collecting the odd item on your way. 87
Die „aufsichtige“, zweidimensionale Bild-Perspektive ist m.E. Grund für das starke Interesse
der Spielerin am „Look“ ihres Avatars. Im Spiel- oder Chatverlauf betrachtet sich die
Spielerin/Chatterin - anders als bei der subjektiven Perspektive von QUAKE - ständig „selbst“.
Der Avatar wird so gleichsam zu einer „Baustelle“ für die Ausgestaltung parasozialer
Identitäten. Dabei bleibt die Distanz zwischen Spielerin und Spielfigur jedoch kontinuierlich
gewahrt. Nicht die Spielerin selbst betritt den virtuellen Raum, sondern ihre „Scout-Identität“,
welche die Spielerin mittels Regieanweisung führt und zu der sie permanenten Blickkontakt hat.
Anders als bei „third-person“ Spielen wie TOMB RAIDER ist das Verhältnis zwischen
Spielerin und Spielfigur nicht ein „begleitendes“ („Ich“ gehe mit Lara Croft auf Abenteuerreise)
oder wie bei Ego Shootern wie QUAKE ein „vereinigendes“ (der Avatar ist „Ich“), sondern der
Avatar wird zum verlängerten Arm, zur stellvertretenden Identität. Trifft im graphischen Chat
ein Avatar auf den anderen., so ist dies vergleichbar mit dem Aufeinandertreffen zweier PR
Leuten unterschiedlicher Firmen, welche ihr jeweiliges Unternehmen möglichst so
repräsentieren sollen wie diese selbst gerne gesehen werden wollen. So kann im Chat
spielerisch mit Identitäten experimentiert werden, wobei nicht nur Identitätsbricolagen mit
Aspekten des eigenen „Ichs“ erfolgen, sondern auch fiktive Wunschidentitäten angenommen
werden können.
87
Nutzerkommentar: http://home.talkcity.com/PrimeTimeDr/avatar_chats/Dobedo.html
120
Bei dem Online Rollenspiel DIABLO besteht eine vergleichbare Verbindung zwischen Avatar
und Spielerin. Die ebenfalls verwendete „aufsichtige“ Perspektive lässt die Spielfigur zur
Exekutiven des eigenen Ichs werden. Auch bei DIABLO wird viel Zeit darauf verwendet, den
eigenen Ich-Repräsentanten auszustatten. Je mehr Erfahrung die Spielerin mit ihrer Spielfigur
sammelt, desto mehr Punkte darf sie auf die Charaktereigenschaften des Avatars verteilen.
Allerdings existieren eine Vielzahl von Eigenschaften und es ist die Entscheidung der Spielerin,
welche sie weiter ausbauen will. Es ist ein Spiel mit (Tele-)Identitäten, welches dem Spiel
zusätzlichen Reiz verleiht. Anders als bei QUAKE, bedeutet der Tod eines Avatars bei
DIABLO auch eine echte Verlusterfahrung. Stirbt ein Avatar bei DIABLO gänzlich,
verschwindet auch das Resultat vieler Stunden mühsamer Erfahrungssammlung.
Trotz graphischer und perspektivischer Nähe zwischen Online RPGs und graphischen ChatRooms, besteht ein grundlegender Unterschied zwischen beiden Formaten. Während bei
Ersterem das eigentliche zielorientierte Vergnügen des Spiels (einen „Quest“ / eine Aufgabe
lösen, einen Kampf bestehen, etc.) nur in den Spielzwischenphasen vom paidaischen Vergnügen
der Figurengestaltung abgelöst wird, ist der Fokus bei DOBEDO gerade auf das Gestalten
gelegt. Ohne festgelegtes Ziel, einem flanierenden „Netz-Dandy“ gleich, lässt sich die Spielerin
hier vom Vergnügen, eine parasoziale Tele-Identität zu schaffen, sie wieder zu verwerfen und
dann neu zu gestalten, fesseln. Hierbei kommt es zu keiner ähnlich extremen Positionierung
innerhalb des Immersionsprozesses wie dies bei QUAKE der Fall ist. Bei QUAKE schwankt die
Spielerin – vorausgesetzt sie hat das Spiel „unter Kontrolle“ und erreicht den Zustand des Flows
– im Spielmoment zwischen dem Zustand der Selbstvergessenheit und der plötzlichen
Selbstreflexion (z.B. wenn die Spielfigur stirbt), was mitunter sehr anstrengend sein kann.
Hingegen ist der Immersionsprozess bei DOBEDO ein eher sanftes Einsinken in die virtuelle
Welt. Trotz eines hohen Maßes an Agency88 findet kein ähnlich intensives Spielerleben wie bei
QUAKE statt. Die bei DOBEDO angeregten Emotionen lassen sich mit dem selbst-bewussten
Vergnügen über die Aufmerksamkeit und Anerkennung (im positiven wie negativen Sinn)
anderer beschreiben. Im „alltäglichen Inselleben“, mit ein wenig Konversation hier, ein wenig
Avatar-Bastelei da und ein bisschen Rollenspiel ab und an, manifestiert sich weder ein
rauschähnlicher, alle Sinne miteinbeziehender, Ilnix-artiger Zustand, noch steht der Wettbewerb
oder das Erwerben einer „Erledigungsmacht“ [Fritz 1997b:184], die das Agonische
charakterisieren, im Vordergrund. Die Abwesenheit dieser beiden Vergnügens-Modi bedingt
88
Wie der Möglichkeit eigene Räume zu gestalten, Avatare zu entwerfen und aktiv an der Geschichte DOBEDOs
teilzuhaben (vgl. Kapitel IV/2.4).
121
dann auch, dass soziale MUDs und graphische Chats in der Regel nicht als Spiele betrachtet
werden.
4.3.3 Interface, Bewegung und Agency
Die Entscheidung der Macher von DOBEDO, die Insel über eine zweidimensionale Darstellung
erschließbar zu machen, hatte neben ästhetischen im wesentlichen praktische Gründe. Nach
Angaben von Dobedo.Inc handelt es sich um einen:
[…] interactive media channel for youth culture where the adverts form a part of the
entertainment. It is free to use Dobedo. We earn money from advertising, sponsorship, shopping
and product placement. We are a mediacompany and a brand. We offer our costumers the
opportunity to be part of an interactive experience, where the inhabitants have fun at the same
time as spendig time intensively with Dobedo and the costumer´s brand. 89
Dieses Konzept verlangt jedoch nach einer möglichst breiten Zielgruppe, da die Anzahl der Hits
entscheidend für die Finanzierung und den Fortbestand von DOBEDO ist. Diesen
Vorausbedingungen entsprechend entschied man sich für eine 2D- anstatt der für
Computernerds attraktiveren 3D – Darstellung. Der Vorteil der JavaScript basierten gegenüber
VRML (Virtual Reality Modeling Language) basierten Programmierungen liegt darin, dass die
meisten aktuellen Computer bereits mit der Basissoftware-Installation über alle benötigten Plugins verfügen. Wer bei DOBEDO chatten und spielen will, muss kein spezielles ComputerWissen besitzen, welches über die übliche Anwenderkompetenzen hinausgeht.
Das visuelle Ereignis DOBEDOs ist eine bunte Bilderwelt, durch die sich die Spielerin, ähnlich
wie bei dem populären Computerspiel MYST, per Mausklick fortbewegt. Maus und Cursor sind
dabei der jeweiligen Regieanweisung gleichzusetzen. Dort wo der Cursor gesetzt und geklickt
wird, „läuft“ auch unverzüglich der Avatar hin. Innerhalb der einzelnen Chat-Rooms ist dies die
einzig mögliche Bewegungsform. Andere entsprechende 2D Chats verfügen zusätzlich über die
Möglichkeit einfacher GIF Animationen. Hier kann die Spielerin ihren Avatar zittern oder
tanzen lassen. Umsehen, ducken, drehen oder springen sind hingegen aufgrund der
Zweidimensionalität nicht möglich. Der Mangel an sowohl „realistischer“ menschlicher
Bewegung sowie an 3D bedingtem Photorealismus wird durch die schrille Darstellung
ausgeglichen. Die Botschaft ist klar: Hier wird nicht versucht, die reale Welt zu imitieren,
89
vgl.: http://www.dobedo-inc.com
122
sondern die Teilhaberin wird in eine fantastische Comic-Welt entführt. Die Kommunikation
erfolgt dabei einerseits textbasiert in Comic-Sprechblasen, wobei zwischen “sprechen“, „rufen“,
„denken“ und „flüstern“ gewählt werden kann. Andererseits erfolgt Kommunikation auch mit
Hilfe von graphischen Emoticons. Die Emoticons stellen sich als kleine Bildchen über den
Avataren dar. Bei Dobedo existiert ein vorgefertigtes Set, welche sieben Zustände bezeichnen:
„Ich bin verwirrt“, Ich bin fröhlich“, „Ich bin traurig“ „Ich feiere“, „Ich bin verliebt“, „Ich gebe
dir einen Kuss“, „Ich schlafe (bin abwesend)“. Die Emoticons und der Gesprächsmodus
(sprechen, flüstern, etc.) wird - beim PC - durch das Anklicken des eigenen Avatars mit der
rechten Maustaste bewirkt. Es öffnet sich ein Untermenü, welches Einsatz und Auswahl der
Emoticons erlaubt, und den Sprechmodus festlegt. Zusätzlich sind die Aktionen „Gegenstand
aufnehmen“, „Gegenstand verschenken“ und „Gegenstand verwenden“ möglich. Wird ein
fremder Avatar mit der rechten Maustaste angewählt, so kann zu ihm geflüstert werden, d.h. nur
die den Avatar lenkende Spielerin sieht die nun rosa eingefärbte Sprechblase. Mit derselben
Aktion können angewählte Avatare auch in den eigenen privaten Raum eingeladen werden.
Erfolgt eine Einladung, hat die eingeladene Spielerin die Möglichkeit, anzunehmen oder
abzulehnen. Im Fall der Annahme werden beide Avatare umgehend in den jeweiligen Raum
teleportiert.
Abb.24 „Ich bin fröhlich“
Abb.25 „Ich schlafe (bin Abwesend)“
Der gleichzeitige Einsatz von Emoticons, visualisierten Sprachmodi (z.B. gezackte Sprechblase
beim Rufen), mitunter stark modifizierter Schrift („verstümmelte“ Sätze) und Platzierung des
Avatars im Raum ermöglicht eine im hohen Maße symbolisch aufgeladene Kommunikation, die
bei früheren Kommunikationsmedien (z.B. Telefon) nicht vorzufinden waren.
Ferner finden sich bei DOBEDO drei Icons in der linken oberen Ecke. Das mittlere der drei
Icons öffnet die Landkarte DOBEDOs, auf der sich alle besuchbaren Orte als weiße Kästchen
darstellen. Je nach Anzahl der jeweils anwesenden Spieler befinden sich mehr oder weniger
viele rote Punkte in den Kästchen. Durch Anklicken der Ortskästchen auf der Karte wird die
Spielerin unmittelbar in den angewählten Ort teleportiert. Die beiden anderen Icons ermöglichen
die Wahl zwischen Textdarstellung des Chats und seiner graphischen Darstellung. Die
Textfunktion ist nützlich, da sich die Sprechblase einige Sekunden nach dem „Sprechakt“
automatisch schließt, was der realen face-to-face Kommunikation, deren Dialoge sich schnell
verflüchtigen, gleicht. In der Textdarstellung hingegen wird die Kommunikation vom Moment
123
des Einloggens bis zum Ausloggen aufgezeichnet. Anders als bei der face-to-face
Kommunikation ist das Gesagte im Chat so immer rekapitulierbar.
Abb.26: Input-Komponenten
Abb.27: Interface-Komponenten
Die Verbildlichung der Kommunikation durch unterschiedlich gestaltete Sprechblasen,
graphische Emoticons und Avatar-Bewegung, trägt viel zum Vergnügen bei, das DOBEDO zu
bieten hat. Durch die sichtbare Bewegung im Raum setzen sich die Spieler in Beziehung
zueinander. Bei Zweiergesprächen werden die Avatare oft in räumliche Nähe zueinandergesetzt.
Hat eine Spielerin ein Anliegen an eine andere Spielerin, so kann sie ihr buchstäblich „auf die
Pelle rücken“.
Es macht enorm Spaß und ist auch viel leichter mit jemandem zu chatten, den man auch visuell
wahrnimmt. Das macht es selbst Chat-Newbies, die mit der Technik auf Kriegsfuß stehen,
extrem leicht. Leg dir eine anonyme Identität zu und leg los! 90
Die räumliche Orientierung wird zu einer Form nonverbaler Kommunikation, welche anders
interpretierbar ist als textbasierte Interfaces: “Virtual environments reflect a new medium of
online communication, that of spatial distance“ [Krikorian u.a. 2000:3]. In Anlehnung an
Untersuchungen
von
Distanz
und
Nähe
bei
face-to-face
Kommunikation
können
Zusammenhänge zwischen Konversation, Distanz und sozialer Anziehung festgestellt werden.91
90
91
wysiwyg://31http://mdr.de/sputnik/webmag/media/0008_dobedo.htm
Zur näheren Erläuterung siehe Krikorian u.a. 2000.
124
4.3.4 Narrative Elemente und ludische Ebene
Statt endlose stupide Textlawinen auf dem Monitor zu verfolgen, kannst du bei DOBEDO als
Chatter ganz easy in die Haut einer schrägen Comicfigur schlüpfen. Du kannst sogar in
verschiedene Welten eintauchen und ähnlich wie in einem Rollenspiel verschiedene Stimmungen
und Ausstattungen annehmen.92
Die vorliegende Darstellung bietet eine für konventionelle Chats höchst ungewöhnliche
Definition des Formats Chat an. DOBEDO ist deutlich nicht „nur“ als Chat, sondern auch als
Abenteuerwelt ausgewiesen. In der firmeneigenen Beschreibung wird DOBEDO als „großes
Abenteuer“ mit „Rollenspielfunktion“ beschrieben.93
Das narrative Angebot DOBEDOs ist ausführlich und umfangreich. Dabei stellt sich aus
rezeptionsorientierter Perspektive jedoch die Frage, ob dieses Angebot tatsächlich genutzt
werden kann. Zudem kann hier zwischen einer handlungsbasierten und einer narrationsbasierten
Art und Weise unterschieden werden, in welcher die Nutzerin dieses Angebot annimmt.
Der narrative Rahmen von DOBEDO besteht aus einer Erzählung, welche die Geschichte der
Inselwelt mit den dort angesiedelten Charakteren, einer eigenen Mythologie sowie fantastischen
Elementen in Form von den dort einheimischen pelzigen Dobe-Wesen erzählt. Durch das
Konfliktverhalten der vorgegebenen Charaktere kann die Teilhaberin sich auf den Akt des
Rollenspiels einlassen, und an der dramaturgischen Entwicklung teilhaben. DOBEDO ist jedoch
ein offenes Format, d.h., es bleibt der Spielerin selbst überlassen, welche Bereiche von
DOBEDO sie auf welche Art und Weise nutzt. Sie ist also selbst diejenige Instanz, die ein
bestimmtes Ziel abstecken kann oder aber offen lässt.
Die Geschichte DOBEDOS berichtet in mehreren Episoden über die Entdeckung der Insel „eine
neue, teilweise noch unerforschte Inselwelt irgendwo im Ozean. Die unterirdischen Lavaströme
des Vulkans Matoba verleihen der Insel das ganze Jahr hindurch ein angenehm warmes,
mediterranes Klima. Auf Dobedo liegen die unterschiedlichsten Naturlandschaften ganz nah
beieinander: vom tropischen Dschungel über die Tundra bis zu schneebedeckten Bergen.“94
durch Dr. Fjördahl, „ein herzensguter Mensch, aber vertrauensselig bis zur Harmoniesucht. Er
lebt etwas versponnen und geistesabwesend in einer ganz eigenen Welt und glaubt prinzipiell an
92
vgl.: wysiwyg://31http://mdr.de/sputnik/webmag/media/0008_dobedo.htm
vgl.: http://www.digi4it.com/dbd
94
Alle Zitate bezüglich der Geschichte und Charaktere Dobedos sind folgendem Link entnommen:
http://www.dobedo.de/cgi/inetcgi/dobedo/module/story.html (09.05.2001).
93
125
das Gute in jedem Menschen. So haben Leute wie Trumpfellow und Myers ein leichtes Spiel mit
ihm“, seiner Begegnung mit dem wuscheligen Dobe, „Ich bin zwölf Jahre alt und fröne drei
Hobbys: Mangos suchen, Mangos finden, Mangos essen“ und seiner Tätigkeit als Archäologe
auf der Insel. Gegenspieler ist der fiese Doktor Trumpfellow „Eine wandelnde Profilneurose.
Seine Minderwertigkeitskomplexe kompensiert er durch großkotziges Auftreten“, unterstützt
von Diana Bach, einer skrupellosen Femme Fatale „Dr. Trumpfellows rechte Hand. Diana isst
nicht viel außer Männern, die das irgendwie mögen“, sowie Evil Bob „Als Baby bin ich in die
Lava des Vulkans Matoba gefallen und dabei leicht mutiert“; („amoralischer Psychopath,
absolut böse“).
Die ersten Episoden bieten dabei lediglich das Exposé für eine Geschichte, an deren
Entwicklung die Spieler aktiv teilhaben können. Durch die Festlegung bestimmter
Rahmenbedingungen wie Setting, Charaktere, zeitliche Einordnung sind die Grundsteine eines
Konflikts gelegt. Zur Spannungssteigerung macht sich die Geschichte den Suspense, ähnlich
einer „Kasperle-pass-auf“-Situation zunutze: Die Rezipientin weiß bereits mehr als der
Protagonist Dr. Fjördahl, der noch nicht begriffen hat, dass Doktor Trumpfellow Böses im
Schilde führt.
Die Mitspieler dieser interaktiven Narration können nun auf zweierlei Wegen Einfluss in das
Geschehen nehmen. Die erste Variante findet auf der narrativen Erzählebene statt. Die Teilhaber
können zu Co-Autoren werden, indem sie Vorschläge zur weiteren Entwicklung der Narration
per E-Mail an die DOBEDO Redaktion senden. Dieses Prinzip, das bereits Anfang der
Neunziger Jahre von einigen Web-Soaps aufgegriffen wurde95 und schon damals großen
Anklang fand, findet auch bei DOBEDO Verwendung. Die Möglichkeit mit Charakteren in
Interaktion zu treten, macht DOBEDO zu einer „on-line living soap opera“ [Osterdahl 1999:1].
Dobedo ist eine Verbindung von Chat, Seifenoper und Online-Events. Mittels eines
selbstgestalteten Avatars können die User an verschiedenen Orten der interaktiven Welt oder im
eigenen Online-Zuhause miteinander kommunizieren. Außerdem können sie am Leben der
Inselgemeinde um den virtuellen Inselentdecker Dr. Fjördahl teilnehmen und Vorschläge, wie
die Geschichte weiter gehen soll per E-Mail an die Redaktion schicken, „Das Besondere an
Dobedo“, sagt [Pressesprecherin Claudia] Arrigoni: „Die Nutzer schreiben mit am weiteren
Verlauf.“ [Brodersen 2000:2].
Allerdings bedeutet das Vorhandensein des narrativen Angebots nicht gleichzeitig seine
Nutzung. Eine „heavy“ Spielerin, die sogar eine eigene DOBEDO Fan-Page hat, antwortet auf
95
z.B. „The Spot“ [http://www.thespot.com] oder „Etage Zwo“ [http://www.etagezwo.de]. Beide Formate wurden
inzwischen eingestellt.
126
die Frage nach der narrativen Ebene von DOBEDO: „Also die Geschichte habe ich leider
net!!!!! Hab sie mir nie durchgelesenen :) BYEBYE Jenny“96.
In seiner Analyse über Nutzungsgewohnheiten bei DOBEDO stellt Hendrik Wall [Wall 1999] 97
entsprechend fest, dass ein Großteil der Spieler kein Interesse an der Narration aufwiesen oder
sie gar nicht kannten. Der Anteil der „heavy“ Spieler nahm in der Regel jedoch an der
Geschichte regen Anteil. Ebenso wie bei der fernsehbasierten Soap Opera ist die regelmäßige
Rezeption der einzelnen Episoden Voraussetzung, um Verständnis und Interesse aufzubringen.
Damit erklärt sich die unterschiedliche Nutzung des DOBEDO Angebots von „heavy“ und
„normalen“ Spielern.
Die Möglichkeit zur Partizipation an der Geschichte über eigene Vorschläge stellt jedoch keine
dem Internet genuin zugrunde liegende Eigenschaft dar. Auch Fernseh-Soaps können Postfächer
für Fan-Vorschläge einrichten und diese in den nächsten Folgen berücksichtigen. Es ist
abzusehen, dass eine derartige Zuschauerbeteiligung mit Verbreitung des digitalen ITVs
verstärkt genutzt werden wird (und bereits wird).
Die zweite Variante der Einflussnahme findet auf spielerischer, ludischer Ebene statt. Bei
DOBEDO existieren den handelnden Charakteren entsprechende Clans, die von Dobedo.Inc
gesteuert, dramatisch agieren. Die Spieler können diesen Clans beitreten und so entweder
Doktor Trumpfellow und Evil Bob in ihrem destruktiven Vorhaben unterstützen oder aber auf
Seiten des Guten Dr. Fjördahls für Harmonie im Inselreich sorgen. Dobedo-Erfinder Rikard
Kylberg begründet dies folgendermaßen: „Dobedo created its own villain, Trumpfellow, a
wicked tycoon, that users have rallied against. It’s very important to have a few really bad asses
around. Then it’s us against them“ [Rikard in Gruner 2000:1]. Lässt sich die Spielerin auf diese
Spielebene ein, begibt sie sich aus dem Paidaischen in eine ludische Spielsituation, in der sie
den vorgegebenen narrativen Rahmen als Ziel- und Handlungsvorgabe annimmt.
Problematisch gestaltet sich das Rollenspiel, wenn die Spielerin auf keine anderen Spieler trifft,
welche dieselben Zielvorgaben als Handlungsrahmen angenommen haben. Anders als bei
QUAKE, dessen gesamtmöglicher Rahmen sehr eng gesteckt wird, ist die Offenheit von
DOBEDO eine dem zielorientierten Rollenspiel entgegenstehende Komponente. Auch bei
frühen MUDs machten die Spieler oftmals ähnliche Erfahrungen. Anstatt auf eine „Party“
(Abenteurergruppe) zu treffen, die gemeinsam Rätsel lösen und Monster erschlagen wollte,
fanden sich plauderlustige Gesprächspartner zusammen, die sich über gemeinsame Hobbys
96
Persönlicher E-Mail Kontakt vom 05.12.2001
Der angegebene Artikel liegt nur in schwedisch vor. Für die (englische) Beantwortung meiner Fragen bezüglich
des Artikels danke ich dem Autor Hendrik Wall. (E-Mail Kontakt Jan. 2002).
97
127
unterhielten. Das Resultat war einerseits eine Ausdifferenzierung in soziale und „combat
oriented“ MUDs, und andererseits eine auch das RPG - Genre charakterisierende Mischform:
Während ein Teil der Aufmerksamkeit der spielrelevanten Handlung zukommt, beschäftigt sich
die Spielerin gleichzeitig mit dem Akt des „Socializing“. Bei DIABLO lassen sich diese beiden
parallel ablaufenden, und unterschiedliche Emotionen bedingenden Aktionen, folgendermaßen
vereinen: Während der Avatar per Maus/Cursor Befehl im Kampf involviert ist, bleibt der
Spielerin immer noch eine Hand frei, um über die im Spielfeld erscheinenden Chatzeilen, mit
ihren Mitspielern zu plaudern. Dabei wird Spielrelevantes (z.B. „Wo seid ihr denn alle?“; „Kann
ich diese Waffe haben?“) ebenso verhandelt wie spielfremde Themen (z.B. „Wie war’s denn
letzten Sonntag noch?“; „Mist, mir ist das Bier ausgegangen“). Auch DOBEDO lässt beide
Ebenen parallel ablaufen. Allerdings gehen hier die für das Rollenspiel relevanten Aktionen und
Kommunikationsakte oft in der dominierenden Verwendung von DOBEDO als „Socializing“Plattform unter. Interessant scheint m.E. die Entwicklung zu sein, die eine andere Spielerin
andeutet:
Ich finde, dass die Seite jetzt völlig aus dem Ruder gerät. Am Anfang war sie schön und
avanciert, mit guten Mitspielern. Jetzt sind die Mitspieler schlechter und unerfahrener, das merkt
man. Lasche Beiträge, schlechte Screens, Rechtschreibfehler, falsche Gerüchte und
uninteressante Nachrichten werden, finde ich, immer häufiger. Ich sag jetzt nur meine Meinung,
und das ist doch erlaubt. Sieht das irgendjemand auch so, oder finden alle die Seite wunderbar? 98
Hier ist zu erkennen, dass die Attraktivität der ausgewiesenen Spielebene zum großen Teil vom
Nutzungsmodus der Spieler abhängt. Entscheiden sich mehr und mehr Spieler gegen den
vorgegebenen Rollenspielrahmen, so wird dieser für die übrigen Spieler ebenfalls weniger
attraktiv. Das Gefühl des gemeinschaftlichen Erlebens, welches in unterschiedlicher Form für
jeden medialen Text von Bedeutung ist und besonders bei Internetformaten eines der
Hauptcharakteristika darstellt, findet nicht mehr statt, die Spieler verlieren das Interesse.
Wie die voranstehenden Ausführungen demonstrieren, bietet DOBEDO eine vielseitige
unterhaltende Umgebung. Doch im Gegensatz zu QUAKE, dessen Kategorisierung als
ergodischer Spieltext im Bereich von Ludus leicht zu treffen war, finden sich bei DOBEDO
sowohl handlungsorientierte ludische und paidaische, als auch narrationsbasierte Subtexte.
98
Spielerkommentar: http://www.digi4it.com/dbd. Übersetzung: Hans Finckh
128
4.3.5 Spielzeuge bei Dobedo
Marril Dreve (Änt man bäst) sagt: Hi Al King! Was findest du bei DOBEDO am besten?
Al sagt: Hmmm… ich finde das beste das Sachen sammeln. Späße machen… nein, das Beste ist,
mit Leuten zu reden und zusammen Spaß zu haben. So wie es beim Chat sein soll. Freunde
treffen und so.99
Neben dem Hauptfokus von DOBEDO, dem Chat ist DOBEDO außerdem eine gut ausgestattete
Sammel- und Bastelecke. Die Bedeutung, welche ein attraktiver Avatar für die Spielerin hat
wurde bereits ausführlich erläutert. Neben Avataren existieren noch schon erwähnte
Privaträume, die sich neu- und umgestalten lassen. Beide Komponenten sind in spezifischer
Form bereits bei QUAKE zu finden. DOBEDO weist zusätzlich eine Unmenge von
unterschiedlichsten Gegenständen auf. Die Gegenstände sind in Kategorien wie „persönliche
Gegenstände“, „Waffen“, „Medien“, „Preise“ oder „Maschinen“ eingeteilt. Die Funktion der
Gegenstände ist je nach Kategorie verschieden. So handelte es sich bei einigen um gezieltes
Productplacement, andere Gegenstände werden von den Spielern aus Freude an der kreativen
Betätigung hinzugefügt und wieder andere sind bedeutsam für die Rollenspielebene bei
DOBEDO. Der Vielfalt der Gegenstände sind kaum Grenzen gesetzt. Eine Spielerin fasst
zusammen:
auf dobe gab’s ja auch diese Hintertürchen die immer rotumrandet waren, wenn man drüber
gefahren war. Hinter diesen Hintertürchen hatte sich immer mal eine Maschine versteckt z.B. ein
Bierzapfautomat also wenn man draufklickte kam ein Glas Bier zum Vorschein. Dieses konnte
man dann aufheben und behalten, jemandem schenken oder es irgendwo, oder zuhause, wieder
wegwerfen, dann konnte jeder andere es sich schnappen (außer zuhause da war das dann immer
noch dein Eigentum). Dann gab es sonst noch: Fledermäuse, Zuckerherzen, Kürbisse,
Weihnachtsstiefel, dunkles oder helles Bier, Geburtstageskuchen, Geschenke, Trompeten,
Mistelzweige und wahrscheinlich noch mehr Sachen... 100
Die Gegenstände können über Anwahl qua rechter Maustaste aufgenommen und, bei
entsprechender Modifizierung, auch verwendet werden. Doch ein großer Teil der Gegenstände
sind
funktionslos.
So
findet
sich
die
etwas
seltsam
anmutende
Unterrubrik
„Schwangerschaftsartikel“, welche funktionslose Gegenstände wie Kinderwägen u.ä. auflistet.
An Gebrauchsgegenständen findet sich beispielsweise ein Radio, welches bei Gebrauch auf den
Life Stream eines Partnerunternehmens - in diesem Fall ein Radiosender - zugreift. Für die
„Dobedoerin des Jahres“ winkt ein Preis in Form eines virtuellen Diploms und diverse
Maschinen wie ein Bierzapfhahn zum Zapfen von Bier, eine Geldpresse, eine Melkmaschine für
99
Spielerbeitrag: http://www.digi4it.com/dbd. Übersetzung: Hans Finckh.
Spielerkommentar: http://www.beepworld.de/mermbers4/gcom/dobedo.htm
100
129
das Mixen von „O’Boy Drinks“ oder die „Mystische Maschine“, die einfach alles herstellen
kann, warten in versteckten Räumen auf ihre Entdeckung.
Abb.28: O’Boy Melkmaschine
Abb.29: O’Boy Drink-Maschine
Abb.30: O’Boy Glas
Für die Spielerin wird DOBEDO so zur Flaniermeile, auf der es immer wieder Interessantes zu
entdecken gibt. Für einen ausreichend hohen Anteil an immer wieder neuen Sachen sorgen
hierbei zum einem die Spieler selbst und zum die Macher von DOBEDO.
Eine „sinnvollere“ Funktion haben hingegen die diversen Waffen bei DOBEDO. Mit der Waffe
„Bobber“ können unliebsame Gesprächspartner aus dem Bild geboxt werden. Besonders beliebt
ist die magische „Zap-Wand“, die, auf eine andere Spielerin gerichtet, diese „zapped“ (in eine
Graue Wolke mit Blitz hüllt, die das Wort „Zapped“ enthält) und sprechunfähig macht, bis sie
wieder „unzapped“ wird. Lediglich die Emote-Funktion bleibt aktiviert (und zeigt zumeist
düstere Stimmung an). Der Gebrauch von Handschellen wiederum schickt die angewählte
Spielerin für fünf Minuten ins Gefängnis. Um derart „machtvolle“ Gegenstände zu erhalten,
müssen die Spieler jedoch soziale Kompetenz beweisen. Nur wer durch aktive Teilnahme am
Geschehen, durch kontinuierliches Einhalten der Netiquette oder durch hilfreiches Verhalten
gegenüber anderen Mitspielern auffällt, erhält eine „Zap-Wand“.
Normally, users who received zap-wand were very frequent users who had the editors trust. A
zap-wand should only be used for "keeping order" in the chat and it would easily be taken away
from a user if abused.101
Die Kompetenz im Umgang mit Gegenständen, Waffen, aber auch Avataren schlägt sich auch
auf des Ansehen der Spieler nieder. Je mehr „Tauschhandel“ betrieben wird, desto bekannter
wird eine Spielerin in der Community. Üblicherweise eröffnen aktive Spieler ihre eigenen
Clans, für die sie werben, indem sie Newbies ihre Hilfe anbieten.
101
Hendrik Wall. (E-Mail Kontakt Jan. 2002).
130
4.3.6 Rezeptionsvergnügen bei Dobedo
DOBEDO ist ein Format, das mehrere Subtexte aufweist. Entsprechend vielfältig sind auch
Interesse, Beteiligung und Vergnügen der Nutzer. Die primäre Funktion DOBEDOs ist jedoch
in seiner Chatfunktion zu sehen. Der schon oftmals betonte Sachverhalt, dass es im Internet zu
einer körperunabhängigen Selbstdarstellung kommt - wobei ein virtueller Raum als Treffpunkt
für viele telepräsente Teilhaber wird und unverbindliche, flüchtige Chat-Kontakte ermöglicht liegt dabei allen Chatformen zugrunde. Denn beim Chat geht es:
[...] nicht in erster Linie darum, auf stabile und über den Chat hinausgehende persönliche
Beziehungen zurückgreifen zu können, sondern vielmehr darum, auf spielerische Art und Weise
mit neuen Kommunikationsmöglichkeiten umzugehen, dabei auf Menschen zu treffen, die
bereits durch ihre Anwesenheit im Chat ein grundsätzliches Interesse an Kommunikation
signalisieren, und im Schutze des Computerbildschirms „ins Gespräch“ kommen.“
[Höflich&Gebhardt:2001:41].
Als graphischer Chat verstärkt sich dabei die spielerische Komponente der Selbstdarstellung.
Die zweidimensionale Darstellung des „Ichs“ als witzige Comic Figur im trendigen Outfit, aus
deren Köpfen Sprechblasen aufsteigen, ist nicht nur ein visuelles Vergnügen. Durch die face-toface ähnliche Gesprächsituation - die Sprechblasen verschwinden nach wenigen Sekunden
wieder - entsteht ein hohes Dialogtempo mit kurzen Sätzen. Soll der Überblick bewahrt werden,
muss die Teilnehmerin über ausreichende Chat-Kompetenz verfügen, um auch bis zur
Kodierung Verkürztes begreifen zu können. Aus diesem Umstand, der unerfahrene Teilnehmer
eher abschreckt, entsteht für erfahrene Teilnehmer das befriedigende Gefühl des
„Exklusivrechts“.
Bei DOBEDO erwächst ein großer Teil des Rezeptionsvergnügens aus der Möglichkeit zur
kreativen Mitgestaltung der virtuellen Welt. Besonders viel Zeit wird, wie bereits angesprochen,
in Ausgestaltung, Tausch und Modifizierung der Avatare gesteckt. Sich mit einem „Sexy-Av“
ein ansprechendes Aussehen zu geben formuliert sich mit Einstieg bei DOBEDO quasi von
selbst als Ziel, da Teilnehmerinnen mit „Standart-„ oder „Touristen-Avataren“ als
minderwertige Gesprächspartner angesehen werden. Wie man an den vielen verschiedenen
Avataren erkennen kann, nimmt sich fast jede Teilnehmerin die Zeit, dem Spaß der Verkleidung
zu frönen und einen eigenen Avatar zu gestalten. Die Freude an dieser Mimicry-Erfahrung, die
sich nicht nur auf Aussehen, sondern auch auf Gender des Avatars bezieht, verdeutlicht
folgende Spieleraussage:
131
Ich versuchte zunächst mir einen eigenen (Avatar) zu basteln, scheiterte aber immer an den
Formatgrößen des Uploads (könnte ich jetzt besser). Ich musste also jemanden überreden, mir
einen neuen AV zu basteln. Wie ich bald feststellte, war dies auch das Anliegen vieler anderer
Newbies. „Ich seh aber Scheisse aus!“ und „Wer gibt mir einen tolleren AV“ fanden sich in
vielen Sprechblasen. Um einen „Sexy-AV“ zu bekommen, musste man allerdings socializen.
Ältere Mitglieder machten ein Kennenlerngespräch zur Voraussetzung für den neuen AV. Ich
bekam allerdings einen Mädchen AV, weil man mein Pseudonym für weiblich hielt. Danach
hatte ich viele Gespräche mit männlichen Chattern.102
Da bei DOBEDO jede Veränderung am Avatar sowohl von der Spielerin selbst als auch von den
Mitspielern wahrgenommen wird, kommt dieser Ebene besondere Bedeutung zu. Die
Verhandlung über verschieden gestaltete Avatare bedeutet gleichzeitig ein Mehr an
Kommunikation. Je mehr sich eine Spielerin mit den anderen austauscht, desto mehr erfährt sie
über die narrative sowie rollenspielerische Ebene von DOBEDO. Dabei ist es durchaus
möglich, direkt mit einem handlungstragenden Charakter aus der DOBEDO-Sage ins Gespräch
zu kommen, die durch DOBEDOS Mitarbeiter „gesteuert“ werden. Die Clanbildung unterstützt
ähnlich wie bei QUAKE die soziale Komponente.
Der Wettkampfgedanke, also beliebteste Spielerin von DOBEDO zu werden und am Jahresende
einen Gewinn einzuheimsen oder einen der von den Machern gelegentlich eingestreuten
Wettbewerbe zu gewinnen, spielte nur zum Beginn des Formats eine Rolle. Setzten sich die
engagierten „Ur-User“ noch mit den in der Geschichte um Dr. Fjördahl und seine Gegenspielern
gesetzten Zielen auseinander, so gerieten diese Ziele mit der steigenden Popularität DOBEDOs
zur Nebensache.
Beschreibungen auf Fan-Seiten wie: „Dobedo - The best chat on The Net! Yet another pants
piece of web based chat software! Just what I needed!“103 unterschlagen sogar, dass DOBEDO
mehr bietet als einen besonders gestalteten Chat-Room. Wie im Kapitel IV/4.3.4 bereits
beschrieben, werden diese Ziele zugunsten des Chat-Spaßes auch von „heavy“-Spielern
teilweise ignoriert. Das Auftauchen von Dr. Fjördahl oder dem bösen Doktor Trumpfellow und
die Hinweise, die sie zur DOBEDO-Saga einstreuen, bleiben so unbemerkt.
Neben dem Chat-Spaß, unterstützt von den zahlreichen neu zu entdeckenden Gegenständen, die
weitergereicht oder getauscht werden können, bildet das Hindurch-Navigieren bei DOBEDO
einen weiteren wichtigen Aspekt des Rezeptionsvergnügens. Das „Lustwandeln“ in virtuellen
Welten und das Orientieren in denselben bietet zweckfreies Vergnügen: „The ability to move
through virtual landscapes can be pleasurable in itself, independent of the content of space“
102
103
Spielerkommentar [pers. E-Mail Kontakt vom 03.12.2001].
Spielerkommentar: http://www.haddock.org.
132
[Murray 1999:129]. Anders als bei QUAKE jedoch, wo der gehetzten Spielerin keine Zeit
gelassen wird, die Umgebung zu untersuchen, hält bei DOBEDO nichts vom ziellosen Flanieren
oder neugierigem Erforschen ab. So löste etwa ein für Dobedo-Mitarbeiter reservierter und für
Spieler unzugänglicher Raum kuriose Neugier aus. Der Drang, Neues zu erfahren, das
Neugiermotivationsprinzip, bringt die Spieler dazu, scheinbar ziellos Räumlichkeiten zu
erkunden. Ob dies dann zum prognostizierten Rezeptionsvergnügen führt, ist von den
lebensweltlichen Relevanzstrukturen der individuellen Spieler abhängig. Nur wenn die schrille
Comic-Umgebung mit trendigen Markenklamotten und „In“-Markenprodukten in einen
eigenlebensweltlichen Zusammenhang gestellt werden kann, und so seine spezielle sinnhafte
Bedeutung erlangt, ist ein vergnügliches Dahingleiten in der virtuellen Umgebung möglich.
4.3.7 Nachruf
Abb.31: Vermisst
Information to all Dobedo-users
First of all we want to thank all of you that have been writing to us. We have received hundreds
of letters with greetings, questions and angry comments. Thanks for caring!
Many of you are asking if and when Dobedo will open again, but unfortunately we can't give you
a satisfying answer at the time being. We aren't making enough money on advertising to keep the
site running. We hope to be able to open Dobedo again, but we can't tell for certain. If we return,
it will at least not be until after the New Year [www.dobedo.com].
Am 21.11.2001 verschwand DOBEDO „geräuschlos mit dem Abschalten des letzten Servers.
Die Vision von DOBEDO wurde nicht erlebt: Man hatte sich die Anwender als Konsumenten
gedacht, was für ein Geniestreich?!“104. Die genannten Gründe sind Geldmangel, der soweit
führte, dass bereits ein Jahr zuvor Dobedo-Gründer Rickard "Mr. DoBeDo" Kylberg ersetzt
wurde. DOBEDO ist nicht das einzige Betroffene Unternehmen einer um sich greifenden Welle
104
vgl.: http://www.digi4it.com/dbd
133
an „Netztoden“. Im Jahr 2001 gingen zahlreiche kleine Unternehmen aus der Internetbranche
Pleite. Nun wirft DOBEDOs Tod die Frage auf, warum man sich mit einen vergangenen
Konzept beschäftigen sollte. DOBEDO ist allerdings nicht an mangelnden „Einschaltquoten“
gestorben. Die Userzahlen waren bis zum Schluss sehr hoch und mit einem weniger
mangelhaften Geschäftsmodel wäre es sicher noch am Leben. Mir erschien es wichtig die
Besonderheiten des Spielkonzepts DOBEDO eingehend zu untersuchen, obwohl oder gerade
weil Konzepte des WWW zur Zeit sang- und klanglos verschwinden. Vielmehr sollten gute
Konzepte der „Dot-Gones“ allgemein gesammelt werden, um auch hier eine stetige
Entwicklung der Genres zu ermöglichen. Ähnlich wie viele Programme der frühen
Fernsehgeschichte können auch viele Formate des Internets nicht in die Mediengeschichte
eingehen, weil sie schlicht nicht aufgezeichnet wurden. DOBEDO liefert vieles, was sich
folgende Unternehmen und kommende Formate zum Vorbild nehmen können. Als
medientextuelles Phänomen weißt DOBEDO zudem viele Eigenschaften auf, die eine
Untersuchung auch nach seiner Absetzung rechtfertigen.
134
Schluss
Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit Spielformaten im Internet. Dabei stand die Frage,
welche Aspekte in welcher Weise am Rezeptionsvergnügen beteiligt sind, im Vordergrund. Es
wurde von der Annahme ausgegangen, dass besonders das Verhältnis von Spielerin zu ihrer
Spielfigur, der interaktive Modus der Rezeption sowie Aufbau und Struktur des jeweiligen
Spieltextes maßgeblich bestimmend sind für die Klärung dieser Frage. Gleichzeitig warfen
diese Annahmen die Frage auf, was ein Spiel eigentlich ist. Bei den Betrachtungen wurden die
Besonderheiten
des
Mediums
Internet
berücksichtigt.
Bei
Prüfung
der
Untersuchungsgegenstände ließen sich bald zwei Grundqualitäten extrahieren: Zum einem stellt
die Art des Textes eine wesentliche Determinante dar. Es konnte ein Spannweite zwischen
narrationsbasierten und aktionsbasierten Texten identifiziert werden. Dabei wurde festgestellt,
dass sich auch in extrem handlungsorientierten Spielformen narrative Elemente finden lassen.
Zum anderen wurde innerhalb der aktionsbasierten Spielformate eine Ausdifferenzierung in
zwei strukturelle Modi beobachtet, der des Ludus und der der Paidia. Zunächst wurden in drei
theoretischen Kapiteln diejenigen Komponenten beleuchtet, welche in einem vierten
Analysekapitel schließlich zur Anwendung kamen.
Dabei stand im ersten Teil der Arbeit die Frage nach generellen medientechnologischen
Aspekten im Mittelpunkt. Das Internet wurde als Medium definiert, welches sich die
technologische Infrastruktur der online Simulationsmaschine Computer zunutze macht. Durch
die rhizomatische „many-to-many“ Struktur “ des WWW’s ist dabei die potentielle Möglichkeit
gegeben, Formate mit einem besonders hohen Grad an Interaktivität und einer teilhabenden
Agency bereitzustellen. Dies erfordert auch ein neu überdachtes Konzept des Text/Rezipienten
und Sender/Empfänger Modells. In der virtuelle Umgebung wird die Leserin zur teilhabenden
Agentin bzw. Spielerin, was als grundlegend für das Computerspiel im speziellen und
spielerischen Online-Formaten im allgemeinen betrachtet werden kann. Als das Besondere an
den dreidimensional gestalteten virtuellen Online Spielwelt-Simulationen wurde die in
echtzeitige reziproke Interaktivität zwischen Spielerin und Umgebung herausgestellt. Sie macht
den virtuellen Spaziergang erfahrbar und lässt so das „Erforschen fremder Welten“ zu. Mit Hilfe
des Interface, welches den Zugriff auf virtuelle Welten technisch ermöglicht, kann die Spielerin
nach Herzenslust ihre Neugier befriedigen.
Der Simulationsmaschine Computer sprach schon Joseph Weizenbaum das Zeug zur
Spielmaschine zu. Die medientechnologischen Grundlagen des ersten Kapitels wurden in
Kapitel II genutzt, um die vorherrschende Herangehensweise an den computerbasierten (on- und
135
offline) Text hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf spielerische Formate zu überprüfen. Die
Hypertexttheorie, welche als die Literaturwissenschaft des Computers betrachtet werden kann,
lieferte hierbei den Unterbau für eine ästhetisch-formale Untersuchung. Allerdings beschäftigt
sie sich weder mit der Frage des Rezeptionsvergnügens noch bezieht sie explizit nicht-fiktionale
Texte mit ein. Vielmehr geht sie von der These aus, dass die Nutzerin sich aus jedem Text selbst
eine Narration konstruiert, auch wenn diese nicht im Text angelegt ist. Da das Anliegen dieser
Arbeit jedoch die Auseinandersetzung mit eben den Formaten ist, welche von der
Hypertexttheorie unberücksichtigt bleiben, wurde das integrierende Cybertextmodell von Espen
Aarseth herangezogen. Dieses Modell öffnet eine neue Perspektive auf nicht-fiktionale Texte,
und liefert ein handlungsorientiertes Erklärungsmodell. Durch die Unterscheidung in ergodische
und nonergodische, also aktionsbasierte und narrationsbasierte Cybertexte wurde der
Rezeptionsmodus als textbestimmend definiert. Sind es die handlungsorientierten Elemente,
welche die Nutzerin/Spielerin zur Rezeption motivieren, so handelt es sich um einen
ergodischen Text. Bestimmt eine narrative Plotstruktur das Fortschreiten der Rezeption, so
handelt es sich um einen nonergodischen Text. Spielformate im Internet konnten
dementsprechend als ergodische Erlebnisräume beschrieben werden, durch welche die Spielerin
hindurchnavigiert und aktiv das Geschehen (mit)bestimmt. Da sich jedoch realiter selten rein
ergodisch oder nonergodische Texte finden lassen, wurden die beiden bestimmenden Merkmale
– Narration und Spiel – genauer betrachtet.
Bestimmte Merkmale wie kausal- oder thematisch verknüpfte Ereignisketten sowie die zeitliche
Strukturierung auf Seiten der Narration, und der intermediäre Ort des Spiels, der eine
experimentelle „Als-ob“ Welt eröffnet, wurden als Grundgerüste für den Analyseteil dieser
Arbeit ausgearbeitet. Demzufolge kann das Internet aufgrund der dort vorherrschenden
Telepräsenz, welche dem spieltypischen „Hier-und-Dort-sein“ entspricht, als ludischer (im
Sinne von spielerischer) Bereich betrachtet werden. Die Spielerin kann sich körperentbunden in
die Spielwelt hineinbegeben und diese nicht nur interpretieren und nacherleben, sondern
experimentell selbst erleben. Neben dem bereits angesprochenen reziproken Verhältnis
zwischen Spielerin und Spielsituation ist auch das Bewusstsein der eingenommenen
Doppelrolle als Textrezipientin und handelnde Spielfigur - die sich im Internet zunehmend als
Avatar auch visualisiert - basal für die Spielrezeption. Dabei stellte sich heraus, dass
Spielstruktur und Platzierung der Rezipientin als aktive Handlungsträgerin innerhalb des Textes
nicht mit narratologischen Ansätzen hinreichend erklärt werden können. Dennoch können
narratologische Ansätze von Nutzen sein. Zwar bewegt sich die mit einem Avatar ausgestattete
Spielerin durch den Spielraum Internet, doch finden sich hier auch signifikante Anteile
narrativer Strukturen. Vielmehr lässt sich aus der randständigen Position des narratologischen
136
Modells schließen, dass es sich bei Narration und Spiel um zwei gegensätzliche Pole handelt,
zwischen denen sich die verschiedenen narrativen und spielerischen Formate ansiedeln. Die
rezeptionsmotivierenden sowie die für das Rezeptionsvergnügen wichtigen Faktoren müssen
jedoch im ludischen Bereich gesucht werden. Dabei erwies sich die Kategorisierung nach
Caillois als adäquate Methode, um zwischen ausgesprochen ziel- und gewinnorientierten
Spielen des Bereichs Ludus sowie dem freien und zielfreien Bereich der Paidia zu
unterscheiden. Diese Einteilung ermöglicht die Integration so unterschiedlicher Formate wie
Ego Shooter und graphischen Chats.
Hierauf fußend wurden im letzten theoretischen Kapitel die Beziehung zwischen Spielerin und
ihrem Avatar sowie die Qualität der Eingebundenheit der Spielerin ins Spielgeschehen
ergodischer Online-Texte betrachtet. Es wurde verdeutlicht, dass die Agency als besondere,
teilhabende Form der Interaktivität einen Zustand der Immersion ermöglicht, der als
konkurrierendes Äquivalent zur film- und fernsehtextuellen Involviertheit gesehen werden kann.
Über ihren Repräsentanten, dem Avatar, tritt die Spielerin gleichsam in virtuelle Welten ein und
erfährt diese durch die Konstruktion einer medialen parasozialen Identität anstelle der durch den
imaginierten Rollentausch hervorgerufenen Identifikation. Die Spielerin ist zugleich
Textinterpretin und Teil des Textes. Diese Rezeptionsposition kann durch ihre Textnähe zum
tatsächlichen, sinnlichen Erleben führen. Der hier geforderte hohe Aktivitätsgrad der Spielerin
steht dem Rezeptionsvergnügen nicht entgegen, sondern bedingt es. Die Spielerin bewegt sich
in einem Feld zwischen dem selbstvergessenen Zustand des Flows, der selbstreflexiven Freude
an Identitätsbricolagen, spielerischem „Verkleiden“ der Eigenrepräsentanten und dem
zweckfreien Vergnügen der Navigation innerhalb einer experimentellen „Als-ob“ Welt.
Für die auf den Grundlagen des Theorieteils aufbauende Analyse wurden zwei Spielformen
herangezogen, anhand derer die herausgearbeiteten Punkte hinsichtlich ihrer Relevanz für das
tatsächliche Spielerlebnis untersucht wurden. Bei dem ersten Analysegegenstand handelte es
sich um das Online Computerspiel QUAKE, bei dem zweiten um den graphischen Avatar-Chat
DOBEDO. Beides sind ausgesprochene Internetformate in dem Sinn, dass sie dem Internet
zugrunde liegenden Eigenschaften – beide auf ihre spezielle Art und Weise – ausschöpfen.
Bei Quake geschieht dies vornehmlich durch den erhöhten Spannungsfaktor, den die Spielerin
erfährt, tritt sie gegen telepräsente intelligente menschliche Gegner an und nicht gegen
berechenbare Bots. Die über den konkreten Spieltext hinausgehende Spielgemeinschaft nutzt
mit Chats, Foren, Fansites und der der Spielseite angeschlossene Informationsseite die „manyto-many“ Struktur des Internets. Dabei kann als besonderes ästhetisches sowie modales
Merkmal die aufwendige 3D Graphik herausgestellt werden, die in Echtzeit die Reaktionen des
137
Simulationssystems auf die Eingabe der Spielerin darstellt. Während die einzelne Spielerin
dabei in einer reziproken interaktiven Situation mit der virtuellen Umgebung steht, vermittelt
die Spielsituation darüber hinaus zwischen den gleichzeitig anwesenden Spielern, wodurch es
zu einer reziproken Interaktion qua virtueller Umgebung kommt.
QUAKES graphische Ausgestaltung und die Entscheidung für die subjektive Perspektive der
Spielerin erzeugt einen besonders immersiven Effekt. Der Avatar ist bis auf wenige Ausnahmen
für die Spielerin nicht sichtbar, dies ermöglicht ein unmittelbares Eintauchen in die Welt von
QUAKE. Dabei fördert das Gefühl der telepräsenten Anderen sowie die Geschwindigkeit und
der Zwang zur Beherrschung des Spiels die Immersion der Spielerin, welche im Zustand des
Flows die Spielfigur einverleibt. Die Spielfigur und Spielerin sind dann eine momentane
Einheit. Die Spielerin wird dabei von Glücks- und Erfolgsgefühlen belohnt. Dies bedeutet im
konkreten Spiel einen ununterbrochenen Entscheidungs- und Handlungszwang, der zwar
erschöpfendes, dafür aber auch berauschendes Vergnügen bietet. Erst auf der zweiten Ebene des
Spiels, der Spielgemeinschaft, erlangen kreative schaffende Agency ihre Bedeutung (z.B.
Raumkonstruktion).
QUAKE ist im Bereich des Ludus anzusiedeln. Die grundlegenden Prinzipien des Wettkampfs
und des Siegens werden von entsprechenden Aspekten des Rezeptionsvergnügens begleitet. Der
hohe Grad an Selbstvergessenheit, der durch den Rezeptionsmodus des Spiels gefördert wird,
geht dabei einher mit der Lust an der Kontrolle, welche die Spielerin über Spiel, Spielfigur und
Mitspieler gewinnt. Dabei fordert QUAKE ein hohes Maß an Konzentration und Anspannung,
was gepaart mit dem gleichzeitigen Tabubruch (Spielziel ist es, als erste zwanzig Gegenspieler
zu fraggen) zur Ilnix, der lustvollen Angst wird.
Auch bei DOBEDO kommt es zu einer ähnlichen Interaktionssituation. Doch bleibt die
Spielumgebung hier vornehmlich statisch. Die Umgebung reagiert auf die Eingabe der Spielerin
wie ein verlinkter Hypertext. Das System antwortet, indem es ein neues Fenster öffnet, welches
sich um die Spielerin herum manifestiert. Die Spieler können (neben dem Textinterface) auch
hier mittels des graphischen Interface miteinander in Interaktion treten. Die ästhetische Wirkung
ist jedoch keine ähnlich immersive wie bei Quake, sondern spielt sich auf einem flacheren Level
ab. Die Rezeptionsposition DOBEDOs weist eine distanziertere Spielerin-Spielfigur Beziehung
auf. Die „aufsichtige“ Perspektive macht den Avatar gleichzeitig sowohl zum Abgesandten der
Spielerin - zu ihrer stellvertretenden (Wunsch)Identität - als auch zum Spielzeug, mit dessen
Hilfe die Lust am Verkleiden und Maskieren ausgelebt werden kann. Möchte die Spielerin von
den anderen Spielern akzeptiert werden, muss sie sich einen attraktiveren Avatar zulegen.
DOBEDO macht Freude dadurch, dass die Spielerin ihrer Neugier freien Lauf lassen,
verschiedene Orte entdecken, und Gegenstände mit unbekannten Funktionen finden kann.
138
Selbstpräsentation, Interaktion mit anderen Chatteilnehmern, kreative Mitgestaltung der
virtuellen Welt (z.B. durch eigengestaltete Privaträume) sowie das „Lustwandeln“, das
Orientieren in der virtuellen Welt sind Spielelemente, welche experimentelles Ausagieren von
Handlungsstrategien erlauben und so über einen besonderen Reiz verfügen.
Narrative Subtexte können dabei jederzeit in Anspruch genommen werden und bieten
spannende Unterhaltung. Die Tatsache, dass die narrative Ebene bei DOBEDO nur wenig
genutzt wurde, kann als ein Indiz dafür gewertet werden, dass die Besonderheiten von Agency
fördernden Texten auch gleichzeitig der Rezeption der narrativen Teile des Spiels abträglich
waren.
Die hier exemplarisch herangezogenen Beispiele zeigen, dass spielerischen Avatar-basierten
Internetformaten vorrangig handlungsorientierte Motivationsmuster zugrunde liegen. Narrative
Element werden nicht in die primäre Spielhandlung miteinbezogen, sondern lediglich als
Subtexte verstanden, oder in der Retrospektive erschaffen. Auf der Skala Narration – Spiel sind
beide Formate daher auf der Spielseite anzusiedeln. Bei beiden sind die Rezeptionsmotivatoren
ergodischer Natur, auch der narrative Subtext bei DOBEDO konnte dem NutzerRezeptionsmodi entsprechend nicht als rezeptionsmotivierend eingeordnet werden.
In der vorliegenden Arbeit erwies es sich als sinnvoll, eine Unterscheidung der Spieltypen nach
der Ludus/Paidia zu treffen, und die Aspekte des Rezeptionsvergnügens mit den vier
Caillois’schen Modi – Agon, Alea, Mimicry und Ilnix – zu benennen. Diese Einteilungen
wiesen auch mit anderen Emotionsansätzen wie der Grodals oder dem Navigationsvergnügen
nach Manovich grundsätzliche Übereinstimmung auf. Es zeigte sich, dass im Bereich ludischen
Vergnügens auch andere Aspekte als gewinnorientierte Zielstrebigkeit existieren. Aus
rezeptionstheoretischer Sicht scheint das hohe Maß an Agency, welches zu einer Teilhabe der
Rezipientin im Text und somit zu einer Neupositionierung des Text-Rezipienten Verhältnis
führt, von besonderer Bedeutung. Ob ludische Lust oder paidaisches Vergnügen - in jedem Fall
ist die Spielerin aktiv als Handlungsträgerin am Gestaltungsprozess des Textes beteiligt.
139
Literaturliste
Aarseth, J. Espen (1997): Cybertext. Perspectives on Ergodic Literature. John Hopkins
University Press, London.
Adamowsky, Natascha (2000): Spielfiguren in virtuellen Welten. Campus Verlag, Frankfurt /
New York.
Anderson, Joseph D. (1998): The Reality of Illusion. Southern Illinois University Press,
Carbondale.
Assmann, Peter (1996): Interaktivität. In: Ars Electronica Festival `96 – Mememis: „The Future
of Evolution“. Stocker, Gerfried / Schöpf, Christine (Hrsg.), Springer, Wien / New York.
S. 394 - 401.
Autio, Antti (1997):Gender Politics of a Virtual Warrior: Masculinity and Masculine Discourse
in Quake. [http://www.student.oulu.fi/~anautio/quake/quake.html] (02.12.2001).
Barbatsis, Gretchen / Fegan, Michael (1999): The Performance of Cyberspace: An Exploration
into Computer-Mediated Reality. In: Journal of Computer Mediated Communication. Vol. 5/1
[http://www.ascusc.org/jcmc/vol5/issue1/barbatsis.html] (17.10.2001).
Barbrook, Richard / Cameron, Andy (1997): Die kalifornische Ideologie. In: Netzkritik.
Materialien zur Internet-Debatte. nettime (Hrsg.), Edition ID-Archiv, Berlin, S. 15-36.
Baudrillard, Jean (2001): Dust Breeding. In: CTHEORY. [http://www.ctheory.net/text_file]
(20.11.2001).
Becker, Barbara (1998): Die Inszenierung von Identität: Körper, Texte, Imaginäres. In:
Interwine, [http://interwine.aec.at/otext/becker.html] (26.05.2001).
Beißwenger, Michael (2000): On-Line Publizieren - Aspekte der Produktion und Rezeption von
(Hyper-) Textangeboten im World Wide Web. Vortrag gehalten am 28. November 2000 am
Deutschen Seminar der Universität Zürich, [http://www.rzuser.uniheidelberg.de/~mbeisswe/on-line.html] (30.03.2001).
Berghaus, Margot (1999): Alte Theorien über neue Medien. In: Interaktive Medien Interdisziplinär vernetzt. dies. (Hrsg.) Westdeutscher Verlag, Wiesbaden.
Birkerts, Sven (1994): The Gutenberg Elegies – The Fate of Reading in an Electronic Age.
Faber and Faber, London.
Bolter, Jay David (1991): Writing Space: The Computer, Hypertext, and the History of Writing.
Lawrence Erlbaum Associates Inc., New Jersey.
Bordwell, David; Thompson, Kristin (1993): Film Art. An Introduction. 4th Edition, McGrawHill, New York.
Brecht, Bertolt (1932): Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. In: Kursbuch Neue Medien
2000 (2000). Baumann, Heidemarie / Schwender, Clemens (Hrsg.), Deutsche Verlags-Anstalt,
Stuttgart / München, S. 259-263.
140
Brodersen, Björn (2000): Big Brother für jedermann – Reality Soaps im Internet. In: X@ct.
22.11.2000, [http://mittelhessen.de/xact/] (27.11.2001).
Bruckman, Amy (1997): MOOSE Crossing: Construction, Community, and Learning in a
Networked Virtual World for Kids. PhD Dissertation, Massachusetts Institute of Technology
(MIT) Media Lab, [http://asb.www.media.mit.edu/people/asb/thesis/0-front-matter.html]
(18.06.2001).
Burkart, Roland (1999): Was ist eigentlich ein ‚Medium’? In: Die Zukunft der Kommunikation.
Phänomene und Trends der Informationsgesellschaft. Latzer, Michael / Maier-Rabler, Ursula /
Siegert, Gabriele / Steinmauer, Thomas (Hrsg.), Studien-Verlag, Wien, S 61-71.
Bush, Vannevar (1945): As We May Think. Orig. in: Atlantic Monthly 1945. Online Version:
[http://www.ps.uni-sb.de/~duchier/pub/vbush/vbush.txt] (23.10.2001).
Butler, Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter. Suhrkamp, Frankfurt.
Caillois, Roger (1958): Definition und Einteilung des Spiels. In: Das Spiel. Theorien des Spiels.
Band II, 12. Auflage, 1997, Beltz Verlag, Weinheim / Basel, S. 157-165.
Carney, Chris (o.A.): I want my Holodeck: The Future of Narrative in Cyberspace.
[http://www.cas.ucf.edu/english/publications/enc4932/chris.html] (12.03.2001).
Coradi, Maja (1997): MUDs – faszinierende virtuelle Welten. In: Soziology in Switzerland.
Towards Cybersociety and „Vireal” Social Relations. [http://socio.ch/intcom/t_mcorad01.htm]
(18.11.2001).
Coy, Wolfgang (1997): Bildschirmedium Internet? Ein Blick in die Turingsche Galaxis. In:
Qualitative Perspektiven des Medienwandels. Position der Medienwissenschaft im Kontext
„Neuer Medien“. Schanze, Helmut / Ludes, Peter (Hrsg.), Westdeutscher Verlag, Opladen,
S. 163-171.
Coy, Wolfgang (2000): Media Control. Wer kontrolliert das Internet?. In: Medien Computer
Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und neue Medien. Krämer S. (Hrsg.), Suhrkamp, Frankfurt,
S. 133-151.
Curtis, Pavel / Nichols, David A. (1993): MUDs Grow Up: Social Virtual Reality in the Real
World. Xerox PARC, [http://citeseer.nj.nec.com/342124.html] (13.11.2001).
Dibbell, Julian (1998): My Tiny Life, Kapitel II: A Genealogy of Virtual Worlds. Online
Version: [http://www.levity.com/julian/history.html] (05.11.2001).
Döring, Sabine (1997): Lernen durch Spielen. Spielpädagogische Perspektiven institutionellen
Lernens. Deutscher Studien Verlag, Weinheim.
Engell, Lorenz (2000): Wege, Kanäle, Übertragungen. Zur Einführung. In: Kursbuch
Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Pias, Claus / Vogl
Joseph u.a., DVA, Stuttgart, 3.Auflage, S. 127-133.
141
Eskelinen, Markku (2001): Towards Computer Game Studies, Part 1:Narratology and
Ludology. Online Version: [http://www.siggraph.org/artdesign/gallery/S01/11.html]
(07.12.2001).
Faulstich, Werner (1994 ): Mediengeschichte. In: Grundwissen Medien. ders. (Hrsg.), Wilhelm
Fink Verlag, München, S.26-40.
Fiske, John (2000): Lesarten des Populären. Verlag Turia und Kant, Wien.
Flusser, Vilém (1995): Die Revolution der Bilder. Der Flusser Reader zu Kommunikation,
Medien und Design. Bollmann, Mannheim.
Fornäs, Johan (1998): Digital Borderlands: Identity and Interactivity in Culture, Media and
Communications. In: Nordicom Review. 19:1.
[http://www.jmk.su.se/digitalborderlands/digitalborderlans.html] (18.06.2001).
Foscht, Thomas (1998): Interaktive Medien in der Kommunikation –
Verhaltenswissenschaftliche und systemtheoretische Analyse der Wirkung von Medien.
Deutscher Universitäts Verlag, Leverkusen.
Foster, E. M. (1962): Ansichten des Romans. Suhrkamp Verlag, Frankfurt; Originalausgabe:
Aspects of the Novel, Edward Arnold & Co., London, 1927.
Frasca, Gonzalo (2001a): Simulation 101: Simulation versus Representation. In: Ludology.Org
–Videogame Theory. [http://www.jacaranda.org/frasca/weblog/articles/sim1/simulation101.htm]
(15.11.2001).
Frasca, Gonzalo (2001b): Videogames of the Oppressed: Videogames as a Means for Critical
Thinking and Debate. Master Thesis, School of Literature, Communication and Culture,
Georgia Institute of Technology, [http://www.jacaranda.org/frasca/thesis.pdf] (15.11.2001).
Frasca, Gonzalo (1999): Ludology Meets Narratology: Similitude and differences between
(video)games and narrative. In: Ludology.Org – Videogame Theory.
[http://www.jacaranda.org/frasca/ludology.htm] (15.11.2001).
Friedmann, Ted (1995): Making Sense of Software: Computer Games and Interactive
Textuality. In: Cybersociety. Jones, Steven G., Sage Publications. Online Version:
[http://duke.edu/~tlove/simcity.html] (02.12.2001).
Fritz, Jürgen (1997a): Macht, Herrschaft und Kontrolle im Spiel. In: Handbuch Medien:
Computerspiele. Fritz, Jürgen / Fehr, Wolfgang (Hrsg.), Bundeszentrale für politische Bildung,
Bonn, S. 183-196.
Fritz, Jürgen (1997b): Langweile, Streß und Flow. In: Handbuch Medien: Computerspiele.
Fritz, Jürgen / Fehr, Wolfgang (Hrsg.), Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, S. 207215.
Fritz, Jürgen, u.A. (1995): Faszination, Nutzung und Wirkung von Bildschirmspielen. In:
Warum Computerspiele Faszinieren. Fritz, Jürgen (Hrsg.), Juventa Verlag, Weinheim /
München, S. 238-243.
142
Fritz, Jürgen / Misek-Schneider, Karla (1995): Computerspiele aus der Pespektive von Kindern
und Jugendlichen. In: Warum Computerspiele faszinieren. Fritz, Jürgen (Hrsg.), Juventa Verlag,
Weinheim / München, S. 86-125.
Genette, Gérard (1994): Die Erzählung. Wilhelm Fink Verlag Verlag, München.
Göttlich, Udo (1998): Medien und Theatralität des Alltäglichen. In: Kommunikation im Wandel.
Zur Theatralität der Medien. Göttlich, Udo / Nieland, Jörg-Uwe / Schatz, Heribert (Hrsg.),
Halem, Köln, S 257-260.
Grodal, Torben Kragh (2000): Video Games and the Pleasures of Control. In: Media
Entertainment: The Psychology of ist Appeal. Zillmann, Dolf / Vorderer, Peter (Hrsg.),
Lawrence Erlbaum, New York.
Grodal, Torben Kragh (1997): Moving Pictures. A new Theory of Film Genres, Feelings and
Cognition. Clarendon Press, Oxford.
Gruner, Stephanie (2000): Cartoonish Site Draws Early Cash; Will Buyers Follow? In: Wall
Street Jornal, [http://www.bain.com/bainweb/local_offices] (09.05.2001).
Gunkel, David. J./ Ann Hetzel Gunkel (1997): Virtual Geographies: The New Worlds of
Cyberspace. In: Critical Studies in Mass Communication. 14, S. 123-137.
Habermas, Jürgen (1995): Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. 1, Suhrkamp, Frankfurt,
(Originalausgabe: 1981).
Harpold, Terry (2001): Thick & thin: “direct manipulation” & the spatial regimes of humancomputer interaction. [http://www.siggraph.org/artdesign/gallery/S01/essays] (10.12.2001).
Hegel, G.W. Friedrich (1965): Ästhetik. Bd. II, Berlin / Weimar.
Herman, Leonard (1998): Phoenix: The Fall and Rise of Videogames. Rolenta Press, Union, NJ.
Herz, J.C. (2001 ): The Computer as Storyteller: Procedural Narrative. Vortrag gehalten am
Montag den 29. Januar 2001, “Entertainment in the Interactive Age”-Konferenz, University of
Southern California, Los Angeles, [http://www.annenberg.edu/interactive-age] (23.10.2001).
Herz, J.C. (1997): Joystick Nation. Little, Brown and Company, Boston / New York / London.
Herz, J.C. (1994): Surfing on the Internet. Abacus, London.
Hickethier, Knut (1996): Film- und Fernsehanalyse. 2., überarb. Auflage, Metzler, Stuttgart /
Weimar.
Hippel, Klemens (1996): Personae. Zu einer texttheoretischen Interpretation eines
vernachlässigten Konzepts. In: Fernsehen als „Beziehungskiste“. Vorderer, Peter (Hrsg.),
Westdeutscher Verlag, Opladen, S.53-66.
Höflich, Joachim R., Gebhardt, Julian (2001): Der Computer als Kontakt- und
Beziehungsmedium. In: Medien &Kommunikation . 49. Jahrgang /2001, S. 24-43.
143
Horton, Donald / Wohl, Richard (1956): Mass Communication and Para-Social Interaction. In:
Psychiatry. Nachdruck in: Gumpert, G. / Cathcart, R. (Hrgs.): Inter/Media. Interpersonal
communication in a media world. Oxford University Press, New York 1986, S. 185 - 206.
Huizinga, Johan (1938): Vom Ursprung der Freiheit im Spiel. In: Das Spiel. Theorien des Spiels
(1997). Scheuerl, Hans (Hrsg.), Band 2, 12. Auflage, Beltz Verlag, Weinheim / Basel, S.142148.
Joyce, Michael (1995): Of Two Minds: Hypertext Pedagogy and Poetics. The University of
Michigan Press, Ann Abor.
Juul, Jesper (1999): A Clash between Game and Narrative. A Thesis on Computer Games and
interactive Fiction. Master Thesis, Institute of Nordic Language and Literature, University of
Copenhagen, [http://www.jesperjuul.dk/speciale] (23.07.2001).
Kay, Alan (1984): Computer Software. In: Scientific American 251.3. S. 52-59.
De Kerckhove, Derrick (1998): Brauchen wir, in einer Wirklichkeit wie der unseren, noch
Fiktion? In: Medien-Welten Wirklichkeiten. Vattimo, Gianni / Welsch, Wolfgang (Hrsg.),
Wilhelm Fink Verlag, München, S.187-200.
Kirksæther, Jørgen (1998): The Structure of Video Game Narration. In: Digital Arts & Culture.
[http://cmc.uib.no/dac98] (02.12.2001).
Krämer, Sybille (1998): Zentralperspektive, Kalkül, Virtuelle Realität: Sieben Thesen über die
Weltbildimplikationen symbolischer Formen. In: Medien-Welten Wirklichkeiten, Vattimo,
Gianni / Welsch, Wolfgang (Hrsg.), Wilhelm Fink Verlag, München, S.27-38.
Krempl, Stefan (2001): Zeigt her eure Pixel. In: Telepolis.
[http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/] (27.08.2001)
Krikorian, Dean H., Lee, Jae-Shin, Chock, T.Makana, Harms, Chad (2000): Isn’t That Spatial?:
Distance and Communication in a 2-D Virtual Environment. In: Journal of Computer Mediated
Communication. Vol. 5/4 [http://www.ascusc.org/jcmc/vol5/issue4/krikorian.html]
(06.09.2001).
Kronenberg, Friedrich (1998): Internet. bhv Verlag, Kaarst.
Krotz, Friedrich (1996): Parasoziale Interaktion und Identität im elektronische mediatisierten
Kommunikationsraum. In: Fernsehen als „Beziehungskiste“. Vorderer, Peter (Hrsg.),
Westdeutscher Verlag, Opladen, S. 73-90.
Kveim, Kathrine (1997): The World Wide Web - an instance of Walter Ong's Secondary
Orality? MA Dissertation; Goldsmith College, London.
Landow, George P. (1992): Hypertext. The Convergence of Contemporary Critical Theory and
Technology. John Hopkins University Press, Baltimore / London.
Laurel, Brenda (1993): Computers as Theatre. Addison-Wesley.
Lotman, Juri (1981): Das Sujet im Film. In: Kunst als Sprache. ders. (Hrsg.), Reclam, Leipzig.
144
Lovink, Geert / Schulz, Pit (1997): Anmerkungen zur Netzkritik. In: Mythos Internet. Münker,
Stefan / Roesler, Alexander (Hrsg.), Suhrkamp, Frankfurt, S 338-367.
Manovich, Lev (1998): Navigable Space. [http://www.manovich.net/] (29.08.2001).
Manovich, Lev (1997): Cinema as Cultural Interface. [http://wwwapparitions.ucsd.edu/~manovich/text/cinema-cultural.html] (13.10.2001).
McLuhan, Marshall (1968): Die magischen Kanäle. Understanding Media. Düsseldorf / Wien.
Mead, George H. (1956): Spiel und Spielen als Beiträge zur Genese des Ichs. In: Das Spiel.
Theorien des Spiels (1997). Scheuerl, Hans (Hrsg.), Band 2, 12. Auflage, Beltz Verlag,
Weinheim / Basel, S.112-122.
Merten, Klaus (1999): Einführung in die Kommunikationswissenschaft. (Bd.1: Grundlagen der
Kommunikationswissenschaft) LIT Verlag, Münster.
Mikos, Lothar (2001): Rezeption und Aneignung – eine handlungstheoretische Perspektive. In:
Theoretische Perspektiven der Rezeptionsforschung. Rössler, Patrick / Hasebrink, Uwe / Jäckel,
Michael (Hrsg.), Verlag Reinhard Fischer, München, S.59-72.
Mikos, Lothar (1996): Parasoziale Interaktion und indirekte Adressierung. In: Fernsehen als
„Beziehungskiste“. Vordere, Peter (Hrsg.), Westdeutscher Verlag, Opladen, S. 96-106
Mikos, Lothar (1994a): Fernsehen im Erleben der Zuschauer. Vom lustvollen Umgang mit
einem populären Medium. Quintessenz, Berlin / München.
Mikos, Lothar (1994b): Zur Popularität von Cyberspace. In: Cyberspace. Gemeinschaften,
Virtuelle Kolonien, Öffentlichkeit. Faßler, Manfred / Halbach, Wulf R. (Hrsg.), Wilhelm Fink
Verlag, München, S. 185-206.
Mitchell, J. William (1995): City of Bits – Space, Place and the Infobahn. Mit Press, Online
Version: [http://mitpress2.mit.edu/e-books/City_of_Bits/] (12.11.2001).
Mitchell, J. William (1996): “Die Ersetzung des Orts“. In: Telepolis.
[http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/2032/1.html] (21.11.2001).
Möckel-Rieke, Hannah (1996 ): Der virtuelle Text. In: Hyperkultur. Zur Fiktion des
Computerzeitalters. Klepper, Martin / Mayer, Ruth / Schneck, Ernst-Peter (Hrsg.), de Gruyter,
Berlin.
Morse, Margaret (1998): Virtualities. Television, Media Art, and Cyberculture. Indiana
University Press, Bloomington.
Münchrath, Jens (1998): Philosophische Dimension einer neuen „Kulturtechnik“. Verlag
Dr.Kovac, Hamburg.
Murray, Janet H. (1999): Hamlet on the Holodeck – The Future of Narrative in Cyberspace.
The MIT Press, Cambridge, Massachusetts.
145
Murray, Janet (2001), Narrative Environments: Worlds that Tell Stories. Vortrag gehalten am
Dienstag den 30. Januer 2001, “Entertainment in the Interactive Age”-Konferenz, University of
Southern California, Los Angeles, [http://www.annenberg.edu/interactive-age] (23.10.2001).
Neuhaus, Wolfgang (2000): Die Vernetzung der Fiktion. In: Telepolis.
[http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/sa/4245/1.html] (12.03.2001).
Osterdahl, Martin (1999): Case History: DODEDO. In: Capital Radio,
[http://www.capitalradio.plc.uk/cra/research_dobedo.htm] (09.05.2001).
De Pesce, Mark / Kennard, Peter / Parisi, Anthony (1994): Cyberspace.
[http://www.hyperreal.org/~mpesce/www.html] (02.09.2001).
Quarterman, John S. (1994): What is the Internet, Anyway? [http://www.mids.org/what.html]
(14.08.2001).
Reid, Elizabeth M. (1994): Cultural Formations in Text Based Virtual Realities. Master Thesis,
Cultural Studies, University of Melbourne, [http://www.ludd.luth.se/mud/aber/articles/cultform.thesis.html] (27.08.2001)
Reid, Elisabeth M. (1991): Electropolis: Communication and Community on Internet Relay
Chat. Adapted from Honour Thesis, Department of History, University of Melbourne,
[http://home.earthlink.net/~aluluei/electropolis.htm] (31.05.2001).
Rettberg, Lars (2000): Das Medienphänomen Lara Croft – Die Geburt eines virtuellen Stars im
Computerspiel, Diplomarbeit. AV-Medien, HFF „Konrad Wolf“, Berlin.
Rimmon-Kenan, Shlomith (1983): Narrative Fiction. Contemporary Poetics. Methuen & Co.
Ltd, London / New York.
Rheingold, Howard (1992): Virtual Reality. Rowohlt, Reinbeck.
Rheingold, Howard (1993): The Virtual Community: Homesteading on the Electronic Frontier.
Online Version: [http://www.rheingold.com/vc/book/intro.html] (29.05.2001).
Rockwell, Geoffrey (1999): Gore Galore: Literary Theory and Computer Games.
[http://www.computervisualistik.de/csliteratur/reflexionen/rockwell/gore_galore.html]
(29.10.2001).
Roesler, Patrick (1999): Jenseits des Bildschirms. Mediale Wahrnehmung und Wirklichkeit. In:
Televisionen. Münker, Stefan / Roesler, Alexander (Hrsg.), Suhrkamp, Frankfurt, 203-219.
Rötzer, Florian (1998): Aspekte der Spielkultur in der Informationsgesellschaft. In: MedienWelten Wirklichkeiten, Vattimo, Gianni / Welsch, Wolfgang (Hrsg.), Wilhelm Fink Verlag,
München, S. 149-172.
Rötzer, Florian (1997), Virtueller Raum oder Weltraum? Raumutopien des digitalen Zeitalters
in: Mythos Internet. Münker, Stefan / Roesler, Alexander (Hrsg.), Suhrkamp, Frankfurt, S 368390.
146
Rötzer, Florian (1996): Die kalifornische Ideologie – ein Phantom? In: Telepolis.
[http://www.heise.de/tp/deutsch/html/result.xhtml?url=/tp/deutsch/inhalt/te/1053/1.html]
(19.11.2001).
Rossney, Robert (1996): Metaworlds. In: Wired 4th June 1996,
[http://www.wired.com/wired/archive/4.06/avatar_pr.html] (05.11.2001).
Ryan, Marie-Laure (2001a): Narrative as Virtual Reality. Immersion and Interactivity in
Literature and Electronic Media. John Hopkins University Press, Baltimore / London.
Ryan, Marie-Laure (2001b): The Case of Narrativity in Digital Media. In: Game Studies.
[http://cmc.uib.no.gamestudies/0101/ryan/] (18.07.2001).
Sandbothe, Mike (1998): Theatrale Aspekte des Internets. In: Kommunikation im Wandel. Zur
Theatralität der Medien. Göttlich, Udo / Nieland, Jörg-Uwa / Schatz, Heribert (Hrsg.), Halem,
Köln, S 209-226.
Sandbothe, Mike (1997): Interaktivität – Hypertextualität - Transversalität. Eine
medienphilosophische Analyse des Internets. In: Mythos Internet. Münker, Stefan / Roesler,
Alexander (Hrsg.), Suhrkamp, Frankfurt, S.56-82.
Sandbothe, Mike (1995): Interaktivität und Hypertextualität im World Wide Web. OnlineVersion eines Vortrags auf der Tagung: Synergie durch Netz., Friedrich –Schiller-Universität
Jena, 5./6. Oktober, [http://www.uni-jena.de/ms/hyper.html] (27.05.2001).
Scheuerl, Hans (1997): Das Spiel. Theorien des Spiels. (Band 2), 12., Auflage, Beltz Verlag,
Weinheim / Basel.
Schindler, Friedemann (1997): Computerspiele im Netz – herumhängen, kommunizieren,
spielen und lernen. In: Handbuch Medien: Computerspiele. Fritz, Jürgen / Fehr, Wolfgang
(Hrsg.), Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, S. 137-156.
Schindler, Friedemann / Wiemken, Jens (1997): DOOM is invading my dreams – Warum ein
Gewaltspiel Kultstatus erlangte. In: Handbuch Medien: Computerspiele. Fritz, Jürgen / Fehr,
Wolfgang (Hrsg.), Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn. S. 298 - 300.
Schmitz, Holger (1996): Neue Identität durch interaktives Fernsehen und Computer? In:
Fernsehen als „Beziehungskiste“, Vorderer, Peter (Hrsg.), Westdeutscher Verlag, Opladen,
S.91-96.
Schmitz, Ulrich (1995): Neue Medien und Gegenwartssprache - Lagebericht und
Problemskizze, in Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST). Bd.50, S. 7-51, Online
Version: [http://www.linse.uni-essen.de/papers/nmedien.html] (12.03.2001).
Schneider, Irmela (1997): Medienwandel und Wandel durch Medien. Einige Anmerkungen. In:
Qualitative Perspektiven des Medienwandels. Position der Medienwissenschaft im Kontext
„Neuer Medien“. Schanze, Helmut / Ludes, Peter (Hrsg.), Westdeutscher Verlag, Opladen,
S.95-105.
147
Schneider, Irmela (1998): Einige Überlegungen zur Diskussion um das Internet. In:
Kommunikation im Wandel. Zur Theatralität der Medien. Göttlich, Udo / Nieland, Jörg-Uwa /
Schatz, Heribert (Hrsg.), Halem, Köln, S 227-237.
Schulze, Gerhard (1993): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Campus
Verlag, Frankfurt / New York.
Thoma, Helmut (1999): Analog, digital oder per Post – Die Zukunft des Fernsehens liegt im
Programm. In: Televisionen. Münker, Stefan / Roesler, Alexander (Hrsg.), Suhrkamp, Frankfurt,
S.171-182.
Tosca, Susan Pajares (2000): Selbstreferentialität in Computer-Spielen. In: Forum Ästhetik
Digitaler Literatur. [http://www.dichtung-digital.de/Forum-Kassel-Okt-00/Tosca] (29.08.2001).
Turkle, Sherry (1998): Leben im Netz – Identität in Zeiten des Internet. Rowohlt, Reinbek bei
Hamburg. (Originalausgabe: Life on the Screen: Identity in the Age of Internet (1995): Simon &
Schuster, New York.)
Utz, Sonja (1996): Kommunikationsstrukturen und Persönlichkeitsaspekte bei MUD-Nutzern.
Diplomarbeit, Fachbereich Psychologie, Universität Eichstätt, [http://www.tuchemnitz.de/phil/psych/professuren/sozpsy/Mitarbeiter/Utz/Diplom1.htm] (17.06.2001).
Virilio, Paul (1999): Fluchtgeschwindigkeit. Fischer, Frankfurt. (Originalausgabe: (1995) La
vitesse de libération, Editions Galilée, Paris.)
Virilio, Paul (1995 ): Speed and Information: Cyberspace Alarm! In: CTHEORY. 27.08.1995,
[http://www.ctheory.net/text_file.asp?pick=72] (20.11.2001).
Vorderer, Peter (2000): Interactive Entertainment and Beyond. In: Media Entertainment: The
Psychology of its Appeal. Zillmann, Dolf / Vorderer, Peter (Hrsg.), Lawrence Erlbaum, New
York, 21-36.
Vorderer, Peter (1996): Rezeptionsmotivation: Warum nutzen Rezipienten mediale
Unterhaltungsangebote? In: Publizistik. 41. Jahrgang, Heft 3, S. 310-326.
Vorderer, Peter (1995): Will das Publikum neue Medien(angebote)? In: Rundfunk und
Fernsehen, 43. Jahrgang, 1995/4, S. 494-505.
Wagner, Hans (1994): Von der Lust, in andere Welten zu Wandern. Unterhaltung – Sozialer
Unterhalt. In: Medienlust und Mediennutz. Unterhaltung als öffentliche Kommunikation.
Bosshart, Louis / Hoffmann-Riem, Wolfgang, Verlag Ölschläger, München, S.126-146.
Wall, Hendrik (1999):Dobedo. En Studien Gult, Online Version:
[http://www.nada.kth.se/kurser/kth/2D1416/old/1999/material/dobedo.pdf] (17.12.2001)
Wenz, Karin (2002): Transfer. Computerspiele als hybride Formen. In: Computerspiele.
Hickethier, Knut / Neitzel, Britta (Hrsg.), Online Version: [http://www.unikassel.de/%7Ewenz/hybrid.rtf] (22.12.2001).
Wenz, Karin (2000): Cybertextspace. In: Cyberspace, virtual reality and literary theory.
Landow, George (Hrsg.), Online Version:
[http://www.thecore.nus.edu.sg/landow/cpace/ht/wenz/contents.html] (17.07.2001).
148
Wersig, Gernot (2001): Medienintegrierende Perspektiven der Rezeptionsforschung. In:
Theoretische Perspektiven der Rezeptionsforschung. Rössler, Patrick / Hasebrink, Uwe / Jäckel,
Michael (Hrsg.) Verlag Reinhard Fischer, München, S.181-196.
Wiener, Norbert (1948): Cybernetics. Control and Communication in the Animal and the
Machine.
Willmann, Thomas (2001): Der Preis der unnützen Freiheit - Shenmue zwischen Narration und
Simulation. In: Telepolis. [http://www.telepolis.de/deutsch/special/game/4900/1.html]
(12.02.2001).
Wodanski, Ron / Brown, Donna (1995): Virtual Reality für Insider, Sams, München.
Wolf, Mark J.P. (1997): Inventing Space. Towards a Taxonomy of On- and Off-Screen Space in
Videogames. In: Film Quarterly. 51, 1, S. 11-23.
Woolley, Benjamin (1992): Die Wirklichkeiten der virtuellen Welten. Birkhäuser Verlag, Berlin.
Wright, Kathryn (2001): Gender Bending in Games. In: WomenGamers.Com.
[http://www.womengamers.com/articles/gender.html] (07.12.2001).
Wuss, Peter (1990): Der Rote Faden der Filmgeschichten und seine unbewussten Komponenten.
In: Montage A/V 1, 1, S.25-36.
Young, Jeffrey R. (1994): Textuality in Cyberspace: MUDs and Written Experience. In: Techno
Culture. [http://eserver.org/cyber/young2.txt] (17.07.2001).
149
Sonstige Quellen:
ARD/ZDF-Online Studie 2001. In: Media Perspektiven 8/2001
Gibson, William (1984): Neuromancer, Ace Book, New York.
Spielerkommentare: [http://gamespot.com/gamespot/stories/readers/] (10.11.2001-14.11.2001)
Spielerkommentare: [http://www.mysticalangel.de/Dobedo/dobedo.html] (15.11.01)
Spielerkommentare: [http://home.talkcity.com/PrimeTimeDr/avatar_chats/Dobedo.html]
(15.11.01)
Spielerkommentare: [wysiwyg://31http://mdr.de/sputnik/webmag/media/0008_dobedo.htm]
(02.11.01)
Spielbeschreibung vgl.: [http://www.digi4it.com/dbd] (15.12.01)
Beschreibung: [http://www.dobedo.de/cgi/inetcgi/dobedo/module/story.html] (09.05.2001)
Spielerkommentar: [http://www.digi4it.com/dbd.] (jan. 2002)
Spielerkommentar: [http://www.beepworld.de/mermbers4/gcom/dobedo.htm] (jan. 2002)
Spielerkommentar (pers. E-Mail Kontakt vom 03.12.2001)
Spielerkommentar: [http://www.haddock.org] (jan. 2002)
Spielerkommentar (persönlicher E-Mail Kontakt vom 05.12.2001)
150
Filme, Spiele, MUDs und Chats
Filme:
eXistenZ (1999)
Fight Club (1999)
Final Fantasy (2001)
The Matrix (1999)
by Cronenberg.
by Fincher.
by Hironobu Sakaguchi.
by: Wachowski.
Spiele:
Advent (1972)
Asteroids (1979)
Battlezone (1983)
Computer Space (1971)
Diablo (1997)
Doom (1993)
Duke Nukem 3D (1996)
Final Fantasy VIII (1999)
Hunt the Wumpus (1972)
Mario (1985)
Myst (1993)
Pac Man (1980)
Pong (1972)
Quake (1996-1999)
Riven (1997)
Shenmue (2000)
SimCity (1989, 1999)
Snake (1998)
Space Invaders (1978)
Spacewar! (1962)
Tetris (1985)
Tomb Raider (1996)
Zork (1980)
Willi Crowther
Atari
Atarisoft
Nolan Bushnell
Blizzard Entertainment
id-software
3D Realms Entertainment
Squaresoft
Gregory Yob
Nintendo
Cyan
Moru Iwatani
Al Alcorn
id-software
Cyan
Yu Suzuki
Electronic Arts
Nokia
Taito
Steve Russell (MIT)
Alexey Pazhitnov
Eidos
Infocom
MUDs
Alpha World (1995)
Cybertown (1995)
Habitat (1995)
LamdaMOO (1990)
MUD1 (1980)
TinyMUD (1989)
The Palace (1994)
Wyvern (1997-2001)
Activeworlds Corp.
Cybertown
Lucas Fillm
Pavel Curtis
Trubshaw / Bartle
James Aspnes
Time Warner
Cabochon Technologies, Inc.
Chats:
Dobedo (1998)
Dubit (2000)
Gnarf (1999)
Habbo Hotel (2001)
OnChat (2000)
Dobedo Inc.
dubit ltd.
Phenomedia
Habbo TM 2001
Media Super Collider Inc.
151
Bildnachweis
Abbildung 1: (S.59) Synchrone und asynchrone Kommunikation im Internet, Michael
Schetsche, [http://www1.uni-bremen.de/~mschet/sozialewelt.html].
Abbildung 2: (S.61) Stellvertreter Avatare, Bruce Damer, [http://www.digitalspace.com].
Abbildung 3: (S. 61) Staravatar Aki Ross,
[http://www.finalfantasy.com/special/wallpapers/images/ff_jane_s.jpg].
Abbildung 4: (S.67) Entwicklung spielerischer Online Formate, Susanne Eichner.
Abbildung 5: (S.69) Spacewar!, [http://www.8bit-museum.de].
Abbildung 6: (S.69) Computer Space, [http://www.8bit-museum.de].
Abbildung 7: (S.69) Pong, [http://www.8bit-museum.de].
Abbildung 8: (S.70) Mario [http://www.8bit-museum.de].
Abbildung 9: (S.71) Battlezone
[http://www.gamearchive.com/video/manufacturer/atari/vector/html/vector.html].
Abbildung 10: (S.72) Quake [http://http://www.idsoftware.com/].
Abbildung 11: (S.74) Komponenten und Informationsflow bei Cybertexten [Aarseth 1997:104].
Abbildung 12: (S.76) Mystery House,
[http://www.gamerevolution.com/games/pc/adventure/roberta.html].
Abbildung 13: (S. 76) Ultima Online, [http://www.uo.com/screens.html].
Abbildung 14: (S.76) Diablo,
[http://www.planetdiablo.com/diablo2/gallery/screenshots/act1.shtml].
Abbildung 15: (S.80) Die Entwicklung der MUDs [Espen Aarseth 1997:150].
Abbildung 16: (S.84) Dobedo, [http://www.geocities.com/mysticalangel].
Abbildung 17: (S.96) Weibliches Skin, [http://www.planetquake.com/leviathen/q1-clan.html].
Abbildung 18: (S.96) Männliches Skin, [http://www.planetquake.com/leviathen/q1-clan.html].
Abbildung 19: (S.99) Quake Arena Team Modus – “Heads up Display” – Interface,
[http://www.planetquake.com].
Abbildung20:(S.102)Sprungpads,
[http://gamespot.com/gamespot/filters/products/screenindex/0,11104,192047,00.html].
Abbildung 21: (S.113) Touristen-Avatar, [http://www.dobedo.de].
Abbildung 22: (S.113) Standard-Avatar, [http://www.dobedo.de].
152
Abbildung 23: (S.113) „Sexy“-Avatar, [http://www.dobedo.de].
Abbildung24: (S.116) „Ich bin fröhlich“,
[http://www.nada.kth.se/kurser/kth/2D1416/old/1999/material/dobedo.pdf].
Abbildung 25: (S.116) „Ich schlafe (bin Abwesend)“,
[http://www.nada.kth.se/kurser/kth/2D1416/old/1999/material/dobedo.pdf].
Abbildung 26: (S.117) Input-Komponenten, [http://www.dobedo.de].
Abbildung 27 (S.117) Interface-Komponenten, [http://www.dobedo.de].
Abbildung 28: (S.123) O’Boy Melkmaschine [http://www.digi4it.com/dbd].
Abbildung 29: (S.123) O’Boy Drink-Maschine [http://www.digi4it.com/dbd].
Abbildung 30: (S.123) O’Boy Glas [http://www.digi4it.com/dbd].
Abbildung 31: (S.126) Vermisst [http://www.digi4it.com/dbd].
153
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und
keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.
Berlin, den ........................................................................ Susanne Eichner
154