Beten und backen
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Beten und backen
SERIE Spezialitäten aus dem Kloster Fahr (1) Prozession durch den Kreuzgang: Die Nonnen begeben sich zum Essen. Der Salat kommt direkt aus dem Garten des Klosters. Schwester Verena backt einen Osterkuchen (o.). Das Kloster Fahr ist Teil der Aargauer Gemeinde Würenlos (l.). Beten und backen Welche Geheimnisse birgt die Klosterküche in Fahr? Zum Beispiel einen besonderen OSTERKUCHEN. Für die «Schweizer Familie» haben die Nonnen das Rezept erstmals niedergeschrieben. Text Leandra Graf Fotos Maurice K. Grünig 62 Schweizer Familie 16/2014 ESSEN Der Tisch ist gedeckt (o.). Apfelmus und Birnenkompott aus der Klosterküche zum Dessert (r.). Gemüsebeete: Schwester Beatrice (l.) und Schwester Christa (r.) schneiden frischen Kopfsalat. Stille Andacht: Die Nonnen versammeln sich im Refektorium. D as Rezept ist nur mündlich überliefert. Niemand weiss, wo sein Ursprung liegt. «Den Osterkuchen gabs im Kloster Fahr einfach schon immer», sagt Schwester Verena, die 76-jährige Bäckerin. Sie habe die Zubereitung von Schwester Josefa gelernt, die während 45 Jahren die Klosterküche geführt hat. Unter deren Ägide bekam der Osterkuchen zusätzlich einen Guss: «Ich fand ihn zu trocken», sagt die 84-jährige Benediktinerin, die nach wie vor gerne bei Arbei- 64 Schweizer Familie 16/2014 ten in der Küche mithilft. Für die «Schweizer Familie» hat Schwester Verena das Rezept nun erstmals niedergeschrieben. Was der Priorin Irene gerade recht kommt: «Es ist wichtig, dass solche Traditionen nicht vergessen gehen.» Das katholische Benediktinerinnen-Kloster existiert seit 1130 auf aargauischem Boden als Exklave im Zürcher Limmattal und bildet ein Doppelkloster mit Einsiedeln, dessen Abt dem Kloster Fahr vorsteht. Die Priorin ist seine Stellvertreterin. Von den 23 Schwestern, die heute im Kloster Fahr leben und arbeiten, ist Priorin Irene mit 49 Jahren die jüngste. Sie hat den Schritt hinter die Klostermauern vor 28 Jahren getan und wurde vor 11 Jahren von ihren Mitschwestern zur Wahl als Priorin vorgeschlagen. Sie soll das Kloster Fahr in die Zukunft führen. Keine leichte Aufgabe. Immer weniger junge Frauen ziehen ein Leben im Kloster in Betracht. Bei aller Spiritualität zeigt sich Priorin Irene realitätsnah und aufgeschlossen. Während der Arbeitszeiten trägt sie ein Handy in der Tasche ihres schwarzen Gewandes: «Es muss sein, wegen des zweijährigen Umbaus, in dem wir zurzeit stecken.» Die benediktinische Grundregel Bete und arbeite – Ora et labora – bestimmt den klösterlichen Alltag. Zwischen 4.50 und 19.45 Uhr gilt ein strenger Zeitplan im Sinne des heiligen Benedikt: «Gebetszeiten und Lesung wechseln sich ab mit Zeiten der Arbeit und der Erholung. Das Irene Gassmann ist seit 2003 Priorin des Klosters Fahr. schafft einen wohltuenden Rhythmus. Eine gute und gesunde Tagesordnung trägt wesentlich dazu bei, dass auch die Seele zur Ruhe kommen kann.» So steht es auf der professionell gestalteten Website des Klosters Fahr, die von einer Sekretärin regelmässig betreut wird. Denn die Schwestern leben von ihrer Hände Arbeit, und das gilt es der Aussenwelt zu kommunizieren. Das Restaurant des Klosters Fahr ist ein beliebtes Ausflugsziel, das weltlich geführt wird. Ebenso wie Vieh-, Acker- ➳ Schweizer Familie 16/2014 65 ESSEN TRADITIONELLER OSTERKUCHEN IM KLOSTER FAHR Für ein Blech von 28 bis 30 cm Durchmesser ZUTATEN 500 g geriebener Teig aus: 250 g Mehl, 100 g kalter Butter (in kleinen Stücken), Salz, 1 dl Wasser, ½ Päckli Backpulver Füllung: 400 g Quark, 2–3 EL Honig, 250 g getrocknete ZUBEREITUNG Feigen (klein geschnitten), 100 g Rosinen, 60 g Mandelblättchen Guss: 50 g Zucker, 1 TL Vanillecremepulver, 50 g Zucker, 2,5 dl Milch, 1 Ei 1.Teig: Butterstücklein nach und nach mit dem Mehl verkneten, Salz, Wasser und Backpulver einarbeiten. Teig eine Stunde kühl stellen. 2. Backofen auf 200 Grad vorheizen. 3. Teig 3 mm dünn auswallen und auf das ausgebutterte oder mit Backpapier belegte Blech legen. (Die alten Formen im Kloster Fahr benötigen weder das eine noch das andere.) Tipp von Schwester Verena: Die Quarkmasse laufend kontrollieren, sie bläht gerne auf. Dann mit einer Gabel einstechen. 4. Quark und Honig mischen und auf dem Teig verteilen. Mit Feigen, Rosinen und Mandelblättchen belegen. 5. Zutaten für den Guss verrühren und über die Trockenfrüchte und Mandeln giessen. Der Süssmost wird im Kloster frisch gepresst (o.). Es ist Zeit für das Mittagessen (u.). 6. Während etwa 30 Minuten goldbraun backen. ANZEIGE braucht werden», sagt sie. Salat, Desserts und Gebäck bereiten die Schwestern selber zu, die restlichen Mahlzeiten bekommen sie seit einem Jahr aus der Küche des zum Kloster gehörenden Restaurants. Das Essen sei gut, sagt Schwester Josefa, und sie muss es wissen als langjährige Vorsteherin der Küche. Montag, Mittwoch und Freitag wird fleischlos gegessen, immer mit Suppe und Salat, freitags mit Fisch. Das Fleisch für Braten, Plätzli, Geschnetzeltes oder Gehacktes stammt zum Teil vom Bauernhof des Klosters, in dem Angus-Rinder gezüchtet werden. Arbeit bei den Tieren: Schwester Beatrice pflegt Lämmlein Köbi. und Rebbau auf dem Gelände. Der Klosterladen verkauft Wein, Likör, Kräutertee und Gebäck, aber auch Schriften der berühmtesten Mitschwester, der verstorbenen Silja Walter. In der Paramenten-Weberei entstehen Stoffe für liturgische Gewänder. «Dafür gelten wir als erste Adresse», sagt Priorin Irene stolz. Sie bedauert, dass die Bäuerinnenschule vor einem Jahr geschlossen werden musste. Ein Trost sind ihr das eben veröffentlichte Buch «Beruf Bäuerin» (Verlag Hier und 66 Schweizer Familie 16/2014 Jetzt), das dort noch entstanden ist, und das stimmungsvolle Abschlussfest. Heisst es in den Regeln des heiligen Benedikt doch auch: «Frauen, die das Leben lieben.» Die Schwestern scheinen diesen Satz verinnerlicht zu haben. Mit heiterer Gelassenheit gehen sie ihrem Tagwerk nach. Während Schwester Verena ihre sechs Osterkuchen vorbereitet, sitzen Schwester Regula, mit 97 Jahren die Älteste, und Schwester Josefa am Küchentisch. Langsam und konzentriert schneiden sie Schnittlauchbündel, Schinken, Fleisch käse, Landjäger und harte Eier in allerfeinste Würfelchen. Um sie dann sorgfältig, wie ein Mosaik, auf Plättchen anzurichten. «Solches bringen wir Ostern zur Suppe auf den Tisch», erzählt Schwester Josefa. Fröhlich begrüsst sie alle, die in der Küche vorbeischauen. Etwa Schwester Beatrice, 67, die knallgrünen Kopfsalat frisch aus dem Garten bringt. Derweil Schwester Gabriela, 79, Apfelmus kocht. «Die Lageräpfel im Keller müssen aufge- Gastfreundliche Nonnen Gegen 10.45 Uhr streift eine leise Aufbruchstimmung das meditative Schnipseln. Schwester Verena stellt die vorbereiteten Kuchen in die Kühle, das Backen verschiebt sie auf den Nachmittag. Sie macht sich auf, um die weisse Küchentracht mit dem schwarzen Nonnengewand zu tauschen. Eilends begeben sich die Schwestern in die Kirche zum 11-UhrGebet. Danach schreiten sie in stiller Prozession durch den Kreuzgang. Schweigend nehmen sie das Mittagsmahl ein im Refektorium. Dieses befindet sich in der ➳ Ohren spitzen: Cleo ist wieder da. Entdecken. Erleben. Geniessen. Die Cleo-Familie wächst. Neu in drei weiteren Sorten, exklusiv in allen Läderachund Merkur-Filialen. www.laederach.ch ESSEN Zur Ostersuppe: Eier, Schnittlauch, Schinken, Landjäger und Fleischkäse. Schwester Josefa (l.) und Schwester Regula (r.) bei der Mise en place (o.). Schwester Beatrice schneidet Osterglocken (r.). Klausur, der Zone, in der Klosterfremde in der Regel keinen Zutritt haben. Für die «Schweizer Familie» wird diese Türe einen Moment geöffnet. Ganz im Geiste von Benedikts Regeln zur hochgehaltenen Gastfreundschaft werden die Gäste in einem Nebenraum verköstigt. Um 15 Uhr ist für die Schwestern gemeinsames Kaffeetrinken an der Tagesordnung, selbstverständlich gibt es Gebäck dazu. Das ist gut so, denn der Osterkuchen, der erst am nächsten Tag verspeist werden soll, duftet bereits verführerisch aus dem Backofen. Schwester Josefa mit den fleissigen Händen ist bald wieder auf ihrem Posten, um eine frische Ladung Salat fürs Nachtessen um 18.15 Uhr zu rüsten. 68 Schweizer Familie 16/2014 Schwester Beatrice hat den Salat zuvor aus dem Gartenbeet geholt, nun präpariert sie einen Babyschoppen mit Schafmilchpulver. Er ist für Köbi, das Lämmlein, das vor zwei Tagen geboren und von seiner Mutter nicht beachtet wurde. Es erhebt sich mit wackligen Beinchen, als es die Stimme der bodenständigen Schwester aus dem Thurgau hört. «Gestern noch dachte ich, es stirbt uns. Doch wir bringen es durch, gäll Köbi», sagt sie und hebt das verlorene Schäflein zum Aufpäppeln auf ihre grüne Schürze. Ein friedlicher Klostertag neigt sich langsam dem Ende zu. Schwester Josefa mag die Besucher nicht gern in das ferne Zürich ziehen lassen. Und nimmt ihnen das Versprechen ab, am 17. Mai zurück zukehren. Zum umbaubedingten ersten öffentlichen Flohmarkt in der Geschichte des Klosters Fahr, an dem allerlei KlosterHausrat zu erstehen sein wird. Schwester Christa, 67, die seit 30 Jahren im Garten arbeitet, hat zu diesem Anlass eigens Setzlinge für Gemüse und Kräuter gezogen. Priorin Irene blickt hoffnungsfroh in die Zukunft und kündigt das nächste grosse Fest für 2018 an. Dann können die Frauen, die das Leben lieben, den 888. Geburtstag ihres Klosters feiern. ● Besuch des Klosters Informationen zu Restaurant, Laden oder Führungen unter www.kloster-fahr.ch