Otoakustische Emissionen - DOZ
Transcription
Otoakustische Emissionen - DOZ
AK U STI K GR U N DL AGE N Otoakustische Emissionen Melanie Polzer Ob Tympanogramm, OAE, BERA oder CERA - immer häufiger werden Hörgeräteakustiker von ihren Kunden zu diesen beim HNO-Arzt durchgeführten Untersuchungen befragt. Der Hörgeräteakustiker von heute benötigt deshalb zusätzlich zu seinem Fachwissen differenzierte Kenntnisse über die diagnostischen Funktionsprüfungen der HNO-Heilkunde. Was aber verbirgt sich zum Beispiel hinter den sogenannten OAE? Otoakustische Emissionen (OAE) sind vom Innenohr ausgesendete Schallsignale. Sie entstehen durch mechanische Bewegungen der äußeren Haarsinneszellen, die dadurch wie ein aktiver cochleärer Verstärker wirken und können mittels einer Sonde im äußeren Gehörgang gemessen werden. Die Messung der otoakustischen Emissionen gehört zu den Verfahren der objektiven Audiometrie. Der Nachweis der OAE ist bei gesunden, aktiven Haarsinneszellen möglich. Die Schwierigkeit des Nachweises besteht darin, dass das Nutzsignal sehr klein und von Störeinflüssen überlagert ist. Ein fehlender Nachweis bedeutet deshalb nicht zwingend ein Defizit in der Funktionsfähigkeit der Haarsinneszellen. In aller Regel werden die Emissionen vom Patienten selbst nicht gehört. Somit sind die OAE nicht zu verwechseln mit Ohrgeräuschen wie beispielsweise dem Tinnitus, die sich normalerweise einem objektiven Nachweis entziehen. Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass zwischen Tinnitus und dem Vorhandensein bzw. Fehlen von OAE kein systematischer Zusammenhang besteht. ■ Anwendungsgebiete Es ist äußerst wichtig darauf hinzuweisen, dass die OAE-Messung kein Hörtest ist, sondern eine Funktionsprüfung allein der äußeren Haarzellen. Da diese Zellen jedoch an fast allen klinisch relevanten Hörstörungen beteiligt sind, verbleibt beim Nachweis normaler OAE wenig Spielraum für eine Hörminderung. Dies ist für die praktische Audiometrie sehr vorteilhaft, ebenso wie die Tatsache, dass die OAE-Messung keiner aktiven Mitarbeit des Patienten bedarf. Dies ermöglicht vor allem die Früherkennung von Hörstörungen bei Neugeborenen und Kleinkindern und fördert so die rechtzeitige Hörgeräteversorgung bei angeborener Schwerhörigkeit. 120 Weitere Anwendungsgebiete in der Praxis sind: • objektive Prüfung der Innenohrfunktion • therapiebegleitende Verlaufskontrolle (z.B. Hörsturz) • Differentialdiagnostik sensorineuraler Hörstörungen Abb.1: Allgemeine Einteilung OAE können grundsätzlich sowohl spontan auftreten als auch durch einen externen akustischen Reiz ausgelöst (evoziert) werden. ■ Spontane otoakustische Emissionen Die SOAE werden derzeit in der klinischen Diagnostik kaum verwendet, da das Vorhandensein von SOAE zwar einerseits auf ein voll funktionsfähiges Ohr schließen lässt, andererseits aber das Fehlen von SOAE keine Fehlfunktion der äußeren Haarzellen bedeuten muss. ■ Evozierte otoakustische Emissionen Wertvoller und aussagekräftiger für die klinische Diagnostik sind die evozierten otoakustischen Emissionen (EOAE). Man unterscheidet dabei zwischen poststimulatorischen (TEOAE) und perstimulatorischen (DPOAE und SFOAE) OAE. Die SFOAE werden nur der Vollständigkeit halber erwähnt, da sie aufgrund ihrer schwierigen Nachweisbarkeit keine praktische klinische Bedeutung erlangt haben. Für die Messung der TEOAE und DPOAE wird eine Sonde im äußeren Gehörgang platziert, über welche sowohl der akustische Reiz angeboten, als auch die von den äußeren Haarzellen im Innenohr produzierte Antwort aufgenommen wird. Diese Antwort wird vom Innenohr über die Gehörknöchelchen und das Trommelfell abgestrahlt und kann so im Gehörgang mithilfe eines Mikrofons registriert werden. HÖRAKUSTIK DOZ 9-2005 AK U STI K GR U N DL AGE N ■ TEOAE Transitorisch evozierte otoakustische Emissionen (TEOAE) werden mit einem kurzen Clickreiz von ca. 80 dB SPL als Stimulus ausgelöst. Durch diesen breitbandigen Reiz werden die Haarzellen in einem großen Bereich der Basilarmembran angeregt. So kommt es dann zu einer Überlagerung von vielen retrograden Wanderwellen. Die daraus zusammengesetzte Antwort lässt sich im Gehörgang nachweisen. Ein Nachweis der TEOAE gelingt immer dann, wenn der Hörverlust bei mindestens einer Frequenz zwischen 1 und 4 kHz geringer ist als ca. 30dB. Um von einer nachweisbaren Reizantwort zu sprechen, sollte die Reproduzierbarkeit > 60% bzw. das Signal/RauschVerhältnis (SNR) > 6dB sein. Außerdem sollte der Pegel der Reizantwort zwischen 0 und 25 dB SPL liegen. ■ DPOAE Für die Messung der otoakustischen Distorsionsprodukte (DPOAE) wird das Ohr nicht wie bei den TEOAE mit einem Clickreiz angeregt sondern mit einem aus zwei anhaltenden Sinustönen bestehenden Reiz. Die Frequenzen dieser Sinustöne unterscheiden sich um etwa eine Terz (Frequenzverhältnis = 1,2). Im Innenohr überlagern sich die entsprechenden Wanderwellen und es entstehen zusätzliche, im Reiz nicht enthaltene Frequenzen (Verzerrungsprodukte). Diese neuen Frequenzen breiten sich ebenfalls in Form einer Wanderwelle aus und können so nachgewiesen werden. Der Nachweis der DPAOE gelingt immer dann, wenn der Hörverlust bei mindestens einer Prüffrequenz geringer ist als ca. 50dB. Für den Hörgeräteakustiker ist in der Praxis vor allem interessant, einen Normalbefund von einem pathologischen Befund unterscheiden zu können. Wichtig ist eine richtige Einschätzung der Ergebnisse und der sich daraus ergebenden Konsequenzen bezüglich der Hörgeräteanpassung. Wenn kein subjektiver Hörtest vorliegt, dann sind OAE und weitere objektive Untersuchungsergebnisse unter Umständen die einzigen Informationen zur Bestimmung des Hörverlustes und des notwendigen Verstärkungsbedarfs. Die wichtigsten Informationen im Überblick: • Nachweis der OAE ist objektiv und ohne Mitarbeit des Patienten möglich • Die OAE treten sowohl spontan als auch evoziert auf • Für die klinische Diagnostik sind TEOAE und DPOAE relevant • Die OAE sind auf Hörstörungen im Frequenzbereich zwischen 1 und 4 kHz empfindlich • Möglichkeit der „semiquantitative Hörschwellenbestimmung“: Abb.2: Normalbefund sowohl bei TEOAE als auch bei DPOAE Abb.3: Pathologischer Befund: Hier sind weder TEOAE noch DPOAE nachweisbar Anschrift der Autorin: Melanie Polzer, Hochschule Aalen, Studiengang Augenoptik u. Hörakustik, Gartenstraße 135, 73430 Aalen Lust auf mehr Wissen? „Tagungen – Seminare – Messen“ am Schluss unseres DOZ 9-2005 HÖRAKUSTIK -Kleinanzeigers! 121