B12 Bei ihrem ersten Shooting trug Kira noch Windeln Kiras Ziel ist

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B12 Bei ihrem ersten Shooting trug Kira noch Windeln Kiras Ziel ist
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Bei ihrem ersten Shooting trug Kira noch Windeln
Kiras Ziel ist der Laufsteg. Darauf arbeitet die zierliche Zwölfjährige eifrig hin. Viele
hungern sich in eine Modelkarriere. Gerade Kinder und Jugendliche sind gefährdet,
dann in die Magersucht abzurutschen.
Von Judith Heselhaus, Julia Wilkskamp, Berufskolleg Borken.
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Kindermodels beim Casting
24. Juni 2008
Fertig und los, Blitze, Blitze, noch mal Blitze. Die Kinder posen in Skianzügen vor dem Fotografen.
Im Hintergrund Animateure, die den Kleinen mit Hilfe von Seifenblasen oder Glitzersternen ein
Lächeln ins Gesicht zaubern. Die stolzen Mütter stehen während des dreistündigen Shootings an der
Seite ihrer Sprösslinge und motivieren lebhaft gestikulierend. Auch sie erleben, wie anstrengend so
ein Tag als Model ist.
„Ich spüre meinen Rücken. Die krumme Haltung und das lange Stillstehen strengen mich an, aber ich
bleibe auf Spannung, um ein gutes Foto zu bekommen", sagt Kira Rathmann, der man die
Anstrengung deutlich ansieht. Die Zwölfjährige aus Marl steht bereits seit zehn Jahren vor der
Kamera.
Verlorener Niedlichkeitsfaktor
In der Regel sind Mütter oder Väter mit dabei, wenn die Kinder fotografiert werden
Sie wurde von einem befreundeten Kindermodel auf die Idee gebracht, sich in die Modelkartei der
"Kids Kindermodelagentur" eintragen zu lassen. Bei ihrem ersten Shooting trug sie noch Windeln.
Jetzt gehört sie schon zu den Großen und wird wegen des verlorenen Niedlichkeitsfaktors nicht mehr
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so oft gebucht. Nur noch fünf- bis sechs Mal im Jahr hat die "Kids Kindermodelagentur" aus
Düsseldorf einen Auftrag für das 1,51 Meter große, zierliche Mädchen. "Jedes Mal wenn Heike
Obermann von der Agentur anruft, ist die Freude bei uns groß", sagt die Bürogehilfin und
alleinerziehende Mutter Patricia Rathmann, die ihrer Tochter wie immer mit schwitzenden Händen
zuschaut.
Traum von der Setcard
"Mein größter Wunsch ist es, im Erwachsenenalter von einem Scout entdeckt zu werden, eine eigene
Setcard zu bekommen und mich auf den großen Laufstegen zu präsentieren", träumt Kira, während
der Fotograf sie für die nächste Aufnahme in Pose setzt. Doch bis jetzt hat sie noch nicht alle
Voraussetzungen erfüllt. Die Größe ist eines ihrer Handikaps, denn in ihrer Klasse ist die
Realschülerin die Kleinste. Mit 31 Kilo hat Kira Normalgewicht, "doch meine Zähne sind nicht ideal",
bewertet sie sich selbstkritisch. "Zahnspangen, Zahnlücken und Milchzähne repräsentieren das Alter
von Kira und sind keineswegs negativ für ihre Auftragslage", muntert Heike Obermann das
braunhaarige, blauäugige und sportliche Nachwuchsmodel auf. Bei den erwachsenen Profi-Models
ändern sich die Voraussetzungen, denn bei ihnen sind gerade und weiße Zähne ein Muss. Bei Kindern
aber soll alles so natürlich wie möglich aussehen: Lediglich ein wenig Puder trägt die Stylistin auf.
"Dass wir Kinder nicht geschminkt werden, finde ich gut", freut sich Kira. Doch wenn sie später ins
harte Model-Business einsteigen möchte, muss sie Veränderungen zulassen. Stundenlang in der
Maske zu sitzen ist dann keine Seltenheit.
Für das Business „zu dick“
In Kiras Lieblings-Serie "Germany's next Topmodel" zum Beispiel musste die Gewinnerin der ersten
Staffel, Lena Gercke, sich von ihren langen blonden Haaren verabschieden, um aus der Masse von 11
637 Bewerberinnen herauszustechen. Tausende von Zuschauern, darunter auch Kira, verfolgten den
Weg der Kandidatinnen. Für die 19 Jahre alte Irina aus Bonn war der Traum schnell vorbei. Die JuryMitglieder befanden, die 52 Kilogramm schwere und 1,76 Meter große Frau sei für das Business "zu
dick", ihr Taillenumfang entsprach nicht den Bedingungen, er war zwei Zentimeter zu weit. Patricia
Rathmann findet derartige Maßstäbe "inakzeptabel" und hofft, dass sich ihre Tochter dermaßen
absurde Behauptungen niemals anhören muss.
"Ich stehe solchen Fernsehserien kritisch gegenüber, da sich weltweit immer mehr junge Frauen in die
Modelfiguren ihrer TV-Stars hineinhungern", beanstandet auch die Psychologin Silvia Uhle von der
Christoph-Dornier-Klinik für Psychotherapie in Münster. Den starken Einfluss der Medien auf die
Gesellschaft könne man besonders gut an der Bevölkerung Afrikas erkennen: "Früher galten Frauen
mit rundlichen Körperformen als attraktiv und wohlhabend. Die Frauen wurden in sogenannte FattingFarms geschickt, um zuzunehmen und somit die Chance zu haben, von einem Mann geheiratet zu
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werden." Mit dem zunehmenden Erfolg afrikanischer Models auf den Laufstegen der Industrieländer
zogen die westlichen Werte auch in die Dritte Welt ein. Seit Mitte der neunziger Jahre nehmen
Anorexie und Bulimie dort dramatisch zu.
In ihrem Essverhalten erkrankt
In den westlichen Ländern sind zwei bis drei Prozent der zwölf bis 25 Jahre alten Frauen
magersüchtig. Forschungen unter der Leitung des Psychologen Daniel le Grange ergaben, dass
inzwischen zehn Prozent von 1400 dunkelhäutigen Studentinnen und Studenten in ihrem Essverhalten
erkrankt sind. "Schuld daran sind aber nicht nur die Medien", sagt Silvia Uhle, "sondern auch ganz
normale Bilder, die uns im Alltag begegnen."
Wenn Kira mit ihrer Mutter ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Shoppen, nachgeht, sieht sie viele
unterernährte Frauen - in den Schaufenstern. Schaufensterpuppen haben 13,5 Zentimeter weniger
Hüftumfang und 10 Zentimeter dünnere Oberschenkel als die heutige Durchschnittsfrau, recherchierte
die Zeitschrift Brigitte. "Überträgt man diese Maße auf reale Frauen, wären normale
Körperfunktionen wie Menstruation und Schwangerschaft nicht mehr möglich", erklärt Uhle.
Gefährdete Extremsportler
"Besonders gefährdet vom Wandel der Gesellschaft sind Berufsgruppen, bei denen der Erfolg von der
Figur abhängt, wie zum Beispiel Balletttänzer, Schauspieler und natürlich Models", warnt die
Psychologin. "Auch bei Extremsportlern, wo es Gewichtsklassen gibt, tritt die Magersucht verstärkt
auf."
Kira gehört auch durch ihr Alter zu einer Risikogruppe. Laut Uhle beginnen Kinder bereits im Alter
von zehn Jahren den indirekten Ratschlägen der Medien zu folgen: "Viele meiner jungen Patienten
sind unter anderem deshalb magersüchtig, weil ihnen im Fernsehen vorgegaukelt wird, dass man
erfolgreich ist, wenn man so aussieht wie die Schauspieler, Models und Profisportler. Die
Heranwachsenden beginnen Diäten zu machen. Wenn ein geringes Selbstwertgefühl und Hänseleien
in der Schule hinzukommen, sind Essstörungen besonders häufig."
Den Körper nicht mehr wahrgenommen
Das 21 Jahre alte Armani-Model Ana Carolina Reston verhungerte aus Angst, zu dick zu werden. Die
gebürtige Brasilianerin, die ihre Modelkarriere bereits als Kind begann, hatte die Warnsignale ihres
Körpers nicht mehr wahrgenommen. "Ana Carolina Reston war eine von den 10 bis 20 Prozent der
Magersüchtigen, bei denen die Krankheit tödlich endet", bedauert Silvia Uhle. "Dass die Magersucht
ein Phänomen unserer Gesellschaft ist, hört, liest und sieht man ja immer wieder in den Medien", sagt
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Patricia Rathmann, die hofft, dass ihre Tochter nicht in diese Sackgasse gerät. "Um das zu verhindern,
sollte es auch in Deutschland Gesetze geben, die verbieten, dass untergewichtige Models beschäftigt
werden", schlägt Silvia Uhle vor. Sie denkt an eine Regelung wie in Spanien, England oder Israel: "In
diesen Länderniegen bereits Gesetzesentwürfe vor. Die Models sollen demnach Kleidergrößen tragen,
welche auch jede normal- gewichtige Frau tragen kann."
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