Staatsministerin Christa Stewens

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Staatsministerin Christa Stewens
Rede
von
Staatsministerin Christa Stewens
Gestalter oder Getriebene?
Die Rolle der Krankenhäuser in bewegten Zeiten
BKG-Mitgliederversammlung 2005
München, den 2. Dezember 2005
Bayerisches Staatsministerium für
Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Vorsitzender Stumpf, sehr geehrter Herr Geschäftsführer Hasenbein,
sehr geehrter Herr Rupp, sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie ganz herzlich zur alljährlichen vorweihnachtlichen Mitgliederversammlung
der Bayerischen Krankenhausgesellschaft im Rathaus der Stadt München.
Ich freue mich, dass ich auch in diesem Jahr Gelegenheit habe, mich mit Ihnen in diesem
Rahmen auszutauschen.
Letztes Jahr hatte ich ja die Hoffnung geäußert, dass sich das Thema der diesjährigen Veranstaltung etwas positiver darstellt als in den Vorjahren, die unter den Überschriften „Krankenhäuser zwischen Reformdruck und Finanznot“ bzw. „Krankenhäuser in der Finanzierungskrise“ standen. Dies ist erfreulicherweise auch der Fall.
Selbst wenn die „bewegten Zeiten“ zweifellos im Vordergrund stehen, so lässt sich der aufgeworfenen Frage „Gestalter oder Getriebene?“ doch entnehmen, dass den Krankenhäusern
nicht zwangsläufig nur eine passive Rolle zukommen muss. Vielmehr besteht auch die Möglichkeit, ja sogar die Verpflichtung, offensiv mit den gegebenen Rahmenbedingungen umzugehen und die eigene Zukunft aktiv mitzugestalten. Dass dies auch nicht unerhebliche Anstrengungen erfordert, ist klar. Wenn man aber die sich bietenden Chancen geschickt nutzt,
werden sich die Anstrengungen durchaus lohnen.
Anrede,
vor einem Jahr wurden im Rahmen des 2. Fallpauschalenänderungsgesetzes entscheidende
Korrekturen am Fallpauschalensystem vorgenommen. Die nun laufende Konvergenzphase
wurde verlängert, für die Häuser der Maximalversorgung wurden mit der Kappungsgrenze
Schutzmechanismen eingeführt. Damit kam es im ersten Anpassungsjahr noch zu keinen
Existenz bedrohenden Erlösminderungen. Trotzdem dürfen wir uns auf dem bisher Erreichten nicht ausruhen. Die Auswirkungen des Systems müssen weiter intensiv beobachtet werden, um unerwünschten Verwerfungen wirkungsvoll begegnen zu können.
Besorgniserregend ist die von Jahr zu Jahr zunehmende Bürokratie. Schon ein Blick auf den
Fallpauschalenkatalog belegt dies sehr eindrucksvoll. So ist die Zahl der Fallgruppen von
664 im Jahre 2003 auf 954 im Jahre 2006 angestiegen – in Zukunft werden es sicher über
1000 sein. Daneben gibt es bereits 82 Zusatzentgelte, die zu berücksichtigen sind. Der damit
verbundene Dokumentationsaufwand ist kaum noch nachvollziehbar und bindet mehr und
mehr die Zeit der Ärzte, die dann bei der Patientenbehandlung fehlt.
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Daneben zeigen die bisher vorliegenden Erfahrungen, dass sich nicht nur in Bayern die
krankenhausindividuellen Basisfallwerte streng an den Versorgungsstufen anlehnen. Es bestätigt sich nun, dass der bayerische Vorschlag, differenzierte Basisfallwerte einzuführen, sehr
wohl seine Berechtigung hatte. Sicher wird darüber anlässlich der zu erwartenden weiteren
Fallpauschalenänderungsgesetze nochmals zu diskutieren sein.
Das Fallpauschalensystem bietet den Krankenhäusern ab dem 1. Januar erneut eine gute
Gelegenheit, als Gestalter tätig zu werden. Denn zu diesem Zeitpunkt soll die Ausbildungsfinanzierung komplett umgestellt werden. Jedes Krankenhaus erhebt dann einen landeseinheitlichen Ausbildungszuschlag, der an die BKG abzuführen ist. Diese schüttet dann an die
ausbildenden Krankenhäuser die ihnen zustehenden Gelder aus.
Für die BKG ist dies sicher eine große Herausforderung. Abgesehen von den vielfältigen
Schwierigkeiten – wie etwa die steuerrechtliche Betrachtung –, die ein solcher Fonds mit sich
bringt, ist die BKG auf die Unterstützung der Krankenhäuser angewiesen. Denn nur wenn
diese fristgerecht die erhobenen Zuschläge abführen, kann die BKG ihre bestehenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber den ausbildenden Häusern erfüllen. Um einen reibungslosen Start des Ausbildungsfonds zu ermöglichen, bitte ich alle Krankenhäuser, hier gleichsam
als „treibende Kraft“ mitzuwirken, damit nicht die BKG als Fondsverwalter zum einseitig „Getriebenen“ wird.
Gleichzeitig bitte ich alle Krankenhäuser, ihr Engagement bei der Ausbildung fortzuführen.
Gerade in finanziell schwierigen Zeiten ist dies ein wichtiges Signal. Qualifizierter Nachwuchs ist für die Gesundheitsversorgung unverzichtbar, für junge Menschen ist die Möglichkeit der Ausbildung ein wichtiger erster Schritt in ihre berufliche Zukunft und für die Krankenhäuser als Gestalter ist die Ausbildung ein Zeichen zukunftsgerichteten Weitblicks.
Anrede,
im Hinblick auf schwierige finanzielle Rahmenbedingungen, steigende Qualitätsanforderungen und auch angesichts eines sich verschärfenden Wettbewerbs, nicht zuletzt durch expandierende private Klinikketten, stellen sich viele Krankenhausträger die Frage, wie sie die
entstehenden Herausforderungen bewältigen können.
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Eine der naheliegendsten Möglichkeiten ist die Kooperation. Dies haben mittlerweile viele
Klinikträger erkannt und eine Reihe von ihnen ist nicht bei der bloßen Theorie geblieben.
Vom südlichen Oberbayern bis zum nördlichen Oberfranken gibt es ganz konkrete Kooperationsvorhaben, vornehmlich kommunaler Krankenhausträger, die mehrere Landkreise, aber
auch kreisfreie Städte betreffen. So wollen z.B. die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen,
Landsberg, Miesbach und Starnberg sowie die Stadt Rosenheim eine Management-Holding
für ihre Kliniken gründen. In die gleiche Richtung gehen die Landkreise Berchtesgadener
Land und Traunstein.
Noch weiter reichen die Pläne bei der Stadt Weiden sowie den Landkreisen Neustadt a.d.
Waldnaab und Tirschenreuth, die für ihre Krankenhäuser an einer echten Fusion, an einer
neuen privatrechtlichen Trägergesellschaft, arbeiten. Erst Anfang dieser Woche haben der
Zweckverband aus Stadt und Landkreis Coburg, der Landkreis Lichtenfels und die thüringischen Landkreise Hildburghausen sowie Sonneberg eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, die mittelfristig ebenfalls zu einem gemeinsamen Klinikunternehmen führen soll.
Dies ist eine Entwicklung, die ich nicht nur begrüße, sondern seit langem schon unterstützt
habe.
Doch jetzt wird all das in seiner Realisierbarkeit möglicherweise wieder in Frage gestellt.
Das Bundeskartellamt hat sich seit Mitte letzten Jahres verstärkt der Fusionskontrolle bei
Krankenhäusern angenommen. Mittlerweile wurden ca. 50 Krankenhausfusionen im Bundesgebiet geprüft und zwei Untersagungen von Krankenhausübernahmen ausgesprochen,
eine davon in Bayern.
Ich glaube, die meisten haben anfangs die Brisanz, welche die Fusionskontrolle durch das
Bundeskartellamt für den Krankenhausbereich haben kann, nicht voll erkannt. Von welcher
Tragweite sie jedoch sein kann, wurde zuletzt wieder durch die Ausführungen des Bundeskartellamts am 9. November anlässlich des von meinem Haus initiierten Symposiums „Krankenhaus und Recht“ deutlich.
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und dessen Auslegung bzw. Anwendung
durch das Bundeskartellamt kann Strukturveränderungen, insbesondere Kooperations- und
erst recht Fusionsvorhaben, im Krankenhausbereich ganz erheblich beeinflussen. Lassen
Sie mich das anhand von ein paar Kernsätzen verdeutlichen, welche die Haltung des Bundeskartellamts nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge zusammenfassen:
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Die Fusionskontrolle gilt auch für Krankenhäuser und zwar unabhängig von deren
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Trägerschaft.
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Die Fusionskontrolle greift in der Regel ein, wenn die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen – und das können auch Kommunen sein – Umsätze von mehr
als 500 Mio. Euro erzielen. Handelt es sich bei dem Krankenhausträger z.B. um ein
selbständiges Kommunalunternehmen einer Stadt oder eines Landkreises, werden
bei der Berechnung der Umsätze nicht nur die Krankenhausumsätze gezählt, sondern alle Umsätze der Stadt oder des Landkreises. Das heißt, dass Umsätze z.B. der
kommunalen Energie- und Wasserversorgung oder eines kommunalen Nahverkehrsbetriebes einberechnet werden. Die 500-Millionen-Schwelle kann also schneller erreicht sein als man zunächst denken mag.
o
Ein Zusammenschluss kann auch vorliegen, wenn zwar nicht das Eigentum an einem
Krankenhausbetrieb übernommen wird, aber eine Kontrolle über den Krankenhausbetrieb in einer Form erlangt wird, die es ermöglicht, bestimmenden Einfluss auszuüben. Dies könnten ggf. sogar entsprechend ausgestaltete Managementverträge
sein.
Anrede,
dass eine Fusionskontrolle stattfindet, bedeutet natürlich noch nicht, dass ein Zusammenschlussvorhaben auch tatsächlich untersagt wird. Das hängt vielmehr davon ab, ob das
Bundeskartellamt zum Ergebnis kommt, dass dadurch eine marktbeherrschende Stellung
begründet oder verstärkt wird.
Ich will hierzu nicht noch auf weitere Einzelheiten eingehen, möchte aber allen Krankenhausträgern, die sich mit Kooperationsvorhaben befassen oder Überlegungen zu Fusionen anstellen, dringend raten, kartellrechtliche Aspekte keinesfalls außer Acht zu lassen.
Zum Glück gibt es aber auch Formen der Kooperation, die kartellrechtlich völlig unbedenklich
sind und dennoch Strukturveränderungen in eine positive Richtung, insbesondere hin zu
einer gesteigerten Versorgungsqualität, ermöglichen.
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Ein Beispiel hierfür ist die Versorgung von Frauen im Bereich Brustkrebs. Hier hat die Erkenntnis, dass sich berechtigte Qualitätsansprüche nur bei einer stärkeren Konzentration auf
spezialisierte, leistungsfähige Einheiten erfüllen lassen, zum Entstehen von Brustzentren
geführt. Eine Entwicklung, die sicher auch durch das Disease-Management-Programm
Brustkrebs beschleunigt wurde.
Mein Haus – und ich ganz persönlich – haben diese Entwicklung von Anfang an unterstützt.
Obwohl wir auf dem Gebiet der Qualitätssicherung keine eigenständigen Kompetenzen haben, wollten wir unseren Beitrag leisten. Wir haben deshalb im Frühjahr 2003 eine breit angelegte Umfrage bei rund 240 Kliniken in Bayern durchgeführt, von denen vermutet werden
konnte, dass sie evtl. Patientinnen mit Brustkrebs behandeln. Dank einer gewissen Hartnäckigkeit konnte bis zum Herbst 2003 ein vollständiger Rücklauf erreicht und damit ein recht
guter Überblick über die Versorgungsstrukturen gewonnen werden.
In einer Besprechung im März 2004 wurde dann mit Vertretern der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, der Bayerischen Landesärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung
Bayerns und der Krankenkassenverbände sowie verschiedenen Chefärzten bayerischer Gynäkologien Einvernehmen darüber erzielt, dass die von der Selbstverwaltungsebene – ganz
maßgeblich auch von der BKG – für eine Teilnahme von Krankenhäusern am DMP Brustkrebs in Bayern entwickelten Strukturqualitätsanforderungen sachgerecht sind. Gleichzeitig
bestand auf der Grundlage der Erhebung des Sozialministeriums Konsens, dass bei Anwendung dieser Kriterien trotz der zu erwartenden Konzentration auf hinreichend leistungsfähige
Einheiten eine ausreichend flächendeckende Versorgung erwartet werden kann, da hier
auch Kooperationsmöglichkeiten der beteiligten Kliniken untereinander genutzt werden können.
In der Folge wurde vereinbart, dass Krankenhäuser, die diese Anforderungen erfüllen und
nach entsprechender Prüfung zur Teilnahme am DMP Brustkrebs zugelassen werden, in
einem Anhang zum Krankenhausplan als Brustzentren mit dem Klammerzusatz DMP ausgewiesen werden sollen.
Nachdem das DMP Brustkrebs in Bayern im Juli diesen Jahres – man könnte sagen: endlich
– durch das Bundesversicherungsamt zugelassen worden ist, wird sich am kommenden
Montag der bayerische Krankenhausplanungsausschuss mit der Angelegenheit befassen.
Erfreulicherweise können wir dabei feststellen, dass sich unsere Erwartungen weitgehend
bestätigt haben. Zum Stand 15. November 2005 können 38 Kliniken, die sich auf 33 StandorMitgliederversammlung der bayerischen Krankenhausgesellschaft am 02.12.2005
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te verteilen, in den vorgesehenen Anhang zum Krankenhausplan aufgenommen werden.
Damit ist eine flächendeckende Versorgungsstruktur sichergestellt, zumal nach neuesten
Informationen zumindest noch vier weitere Standorte hinzukommen werden, die das Versorgungsnetz noch weiter verdichten.
Ich will auch an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass mit dieser Vorgehensweise diejenigen Kliniken, welche die notwendigen Strukturqualitätsvorgaben nicht erfüllen, keineswegs von der Behandlung von Brustkrebspatientinnen ausgeschlossen sind. Ich bin aber
überzeugt, dass die gemeinsamen Bemühungen aller Beteiligten zu mehr Transparenz für
die betroffenen Patientinnen sowie zu einer höheren Versorgungsqualität führen werden und
damit letztlich ein steuernder Effekt hin zu den leistungsfähigen Kliniken erreicht wird.
Anrede,
zunehmend entfaltet der Gemeinsame Bundesausschuss Aktivitäten, die unmittelbar die
Krankenhäuser betreffen. Ich will nicht bestreiten, dass der Gemeinsame Bundesausschuß
nicht nur seinen bundesgesetzlichen Auftrag erfüllen, sondern auch „Gutes“ tun will.
Allerdings habe ich ebenso Verständnis dafür, dass sich manche Krankenhäuser auch unter
diesem Aspekt in die Rolle der „Getriebenen“ versetzt sehen.
Bei den Qualitätsanforderungen an die stationäre Versorgung von Patientinnen mit Brustkrebs konnten die Beteiligten erst überlegen, wie sich die Ziele der Qualitätsverbesserung
mit dem Erfordernis einer flächendeckenden Versorgung vereinbaren lassen. Und zwar abgestellt auf unsere Verhältnisse und Bedürfnisse in Bayern. Danach konnte auf Landesebene gestaltet werden, ohne dass gleich Instrumente wie Vergütungs- oder Leistungsausschlüsse ausgepackt wurden.
Vor diesem Hintergrund sind die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses
kritisch zu beleuchten. Hier geht es mehr nach dem Prinzip „wir beschließen und auf der
Ebene der Länder mag man dann sehen, wie man mit diesen Beschlüssen zurecht kommt“.
So hat der Gemeinsame Bundesausschuss am 20.09.2005 eine „Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen“ beschlossen,
die zum 01.01.2006 in Kraft treten soll.
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Diese Vereinbarung sieht vor, dass zur Sicherung der Struktur-, Ergebnis- und Prozessqualität bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen vier neonatologische Versorgungsstufen festgelegt werden.
Die jeweiligen personellen und organisatorischen Anforderungen an die Struktur-, Prozessund Ergebnisqualität sowie die Zuweisungs- und Aufnahmekriterien der vier Versorgungsstufen werden in der Vereinbarung dezidiert vorgegeben.
So wird für Perinatalzentren LEVEL 1 und 2 die sog. „Wand-an-Wand“-Lokalisation von Entbindungsbereich, OP und neonatologischer Intensivstation gefordert, d. h. eine Unterbringung im gleichen Gebäude oder in miteinander verbundenen Gebäuden.
Erfüllt eine Einrichtung nicht die Anforderungen der ausgewiesenen neonatologischen Versorgungsstufe und kann sie dies innerhalb von 12 Monaten nicht sicherstellen, darf sie eine
entsprechende Versorgung nicht mehr anbieten.
Anrede,
der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses hat zu erheblicher Unruhe in Bayern
geführt, da er in Konflikt mit den krankenhausplanerischen Vorgaben zur stationären Versorgung von Risiko-Neugeborenen steht, die rechtsverbindlich im Krankenhausplan niedergelegt sind. Die bayerische Versorgungskonzeption weist nicht nur andere Versorgungsstufen
und spezifische bedarfsplanerische Vorgaben zur Zahl der Geburten und Frühgeborenen
auf; sie lässt – im Gegensatz zu der vom Gemeinsamen Bundesausschuss ausnahmslos
geforderten „Wand-an Wand“- Lokalisiation – unmittelbare enge organisatorische Verbünde
bzw. Ausnahmen zu, die der räumlichen Struktur des Flächenstaates Bayern Rechnung tragen.
Unabhängig davon, dass es der Gemeinsame Bundesausschuss offenbar nicht für nötig befunden hat, sich mit der bestehenden rechtsverbindlichen Versorgungskonzeption in den
Ländern auseinander zu setzen, geschweige denn das Sozialministerium als Krankenhausplanungsbehörde in die Entscheidungsfindung einzubinden, wirft diese Vereinbarung die
grundsätzliche Frage auf nach dem Verhältnis der Krankenhausplanung als Kompetenzdomäne der Länder einerseits und der Zuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses
für Maßnahmen der Qualitätssicherung andererseits.
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Gegenstand der Krankenhausplanung ist die Festlegung der erforderlichen Krankenhäuser
nach Standort, Bettenzahl, Fachrichtung und Versorgungsstufe. Der Krankenhausplan kann
dabei durch Fachprogramme für spezifische Versorgungsschwerpunkte ergänzt werden. Die
stationäre Versorgung von Risiko-Neugeborenen in Bayern bildet ein derartiges landesweites Fachprogramm.
Die Zuordnung der Neonatologie wie der Geburtshilfe an bestimmte Krankenhäuser ist daher
als Fachrichtungs- und Standortentscheidung zuvörderst eine krankenhausplanerische Entscheidung.
Durch die Vorgabe einer „Wand-an-Wand“-Lokalisation von Entbindungsbereich, OP und
neonatologischer Intensivstation wird in diese Planungskompetenz eingegriffen, da für weite
Bereiche der neonatologischen Versorgung zwingend die Zuordnung von Neonatologie und
Geburtshilfe an einen „einhäusigen“ Krankenhausstandort gefordert wird. Damit betreffen die
Vorgaben nicht in erster Linie den Betrieb der Einrichtung unter Qualitätsgesichtspunkten,
sondern die dem Betrieb vorgelagerten planungsrechtlichen Entscheidungen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen besitzt der gemeinsame Bundesausschuss aber keine Kompetenzen im Bereich der Krankenhausplanung.
Der Krankenhausplanungsausschuss wird sich in seiner Sitzung am kommenden Montag
ausführlich mit dieser Problematik befassen.
Anrede,
auch die im August vom Gemeinsamen Bundesausschuss eingeführte Mindestmenge von
50 Kniegelenk-Totalendoprothesen wird eine größere Zahl von Krankenhäusern betreffen.
Neben der im Gesetz der Krankenhausplanungsbehörde eingeräumten Möglichkeit, eine
Ausnahme vom Leistungsausschluss für die jeweilige Klinik zu machen, sieht aber die Mindestmengenvereinbarung selbst allgemeine Ausnahmetatbestände vor.
Ich denke daher, dass sich bei vernünftiger Interpretation dieser Ausnahmetatbestände für
viele Einzelfälle vor Ort sachgerechte Lösungen finden lassen werden, welche die Belange
des jeweiligen Krankenhauses soweit wie möglich berücksichtigen, ohne das Ziel einer angemessenen Versorgungsqualität aus den Augen zu verlieren.
Anrede,
lassen Sie mich nochmals auf den Beginn meiner Ausführungen zurückkommen, wonach die
Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung für die Beantwortung der heutigen
Frage „Gestalter oder Getriebene?“ sind.
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Zu diesen Rahmenbedingungen gehört das Bayerische Krankenhausgesetz. Die Neuerungen, die das novellierte Gesetz mit sich bringen soll, sind Ihnen bekannt. Die Novellierung
des Bayerischen Krankenhausgesetzes konnte dieses Jahr ein gutes Stück vorangebracht
werden. Der Ministerrat hat den Gesetzentwurf Anfang Juni verabschiedet. Im unmittelbaren
Anschluss hieran wurde die Verbändeanhörung durchgeführt. Dank der engagierten Mitarbeit der Verbände konnte sich der Ministerrat bereits am
12. Juli mit deren Äußerungen befassen. Noch am 19. Juli fand die erste Lesung im Landtag
statt. Derzeit wird der Gesetzentwurf in den zuständigen Ausschüssen behandelt.
Ich gehe davon aus, dass das neue Krankenhausgesetz dann im Laufe des ersten Quartals
des Jahres 2006 in Kraft treten wird.
Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, mich bei allen Vertretern und Mitgliedern der
BKG ganz herzlich für ihre kompetente und konstruktive Begleitung der Novellierung bedanken. Besonderer Dank gebührt ihrem sehr kurzfristigen, aber dennoch fundierten Engagement während der Verbändeanhörung. Die von ihnen eingebrachten Erfahrungen und Erwartungen der Praxis sind für die Qualität und Zukunftsfähigkeit des Gesetzes unabdingbar. Ich
darf an dieser Stelle nochmals um Verständnis für die kurze Frist der Verbändeanhörung
bitten. Diese war dem Bemühen der Staatsregierung geschuldet, noch vor der Sommerpause eine parlamentarische Beratung der Novelle im Bayerischen Landtag zu ermöglichen.
Anrede,
wie Sie aus meinen Ausführungen unschwer entnehmen konnten, verdient das nunmehr fast
abgelaufene Jahr zweifellos das Prädikat „bewegte Zeiten“.
Im Namen der bayerischen Staatsregierung, insbesondere aber auch ganz persönlich,
möchte ich mich bei allen Mitarbeitern in unseren Krankenhäusern sehr herzlich bedanken.
Ihr Engagement und ihr unermüdlicher Einsatz tragen im entscheidenden Maße zu der hohen Qualität der bayerischen Krankenhäuser bei.
Im selben Maße gilt mein Dank der Bayerischen Krankenhausgesellschaft mit ihren Repräsentanten, Herrn Oberbürgermeister Stumpf und Herrn Geschäftsführer Hasenbein, für die
auch im Jahr 2005 wieder außerordentlich gute und konstruktive Zusammenarbeit.
Ich danke auch allen an der stationären Versorgung beteiligten Verbänden und ganz besonders den Krankenkassen für ihre Arbeit.
Ihnen allen wünsche ich bereits jetzt ein frohes und friedvolles Weihnachtsfest und ein gesegnetes Jahr 2006.
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