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11 Bremen MITTWOCH 20. JANUAR 2016 Abbruch mit Aussicht Mehr als jeder Vierte beendet Studium nicht / Zwei Bremer über ihren beruflichen Neuanfang V ON S A RA S UNDER MA NN Bremen. „Man macht doch nicht Abi, um dann eine Ausbildung anzufangen“ – so denken viele Schulabsolventen. Also beginnen immer mehr Abiturienten ein Studium, auch wenn vielen nicht ganz klar ist, welches berufliche Ziel sie damit anstreben. Ähnlich war es auch bei Ruben Kroos. Der 21-Jährige schrieb sich an der Bremer Uni für Geowissenschaften ein. Die Welt als Naturwissenschaftler auf Reisen zu erforschen, erschien ihm interessant. „Ich habe viele Dokumentationen über Forschungsreisen gesehen“, sagt er. „Im Studium wurde uns dann aber schnell sehr deutlich gesagt, dass Stellen in der Forschung äußerst rar gesät sind und wir uns am besten nicht darauf verlassen sollten.“ Vage berufliche Perspektiven nach dem Studium, kombiniert mit schwierigem Stoff und hohen Anforderungen in Physik, Chemie und Biologie: Kroos zweifelte bald daran, dass sein Studium für ihn das Richtige sei. So wie Ruben Kroos zweifeln viele Studierende – und manche verzweifeln auch: Am selbst organisierten Lernen, an den theoretischen Inhalten und am Schreiben von Hausarbeiten, die letztlich meistens keinen praktischen Nutzen haben, sondern in der digitalen Schublade landen. Laut dem aktuellsten Bildungsbericht der Bundesregierung ist davon auszugehen, dass mehr als jeder vierte Bachelorstudent sein Studium abbricht. Derzeit thematisieren die Bremer Sozialdemokraten mit einer Kleinen Anfrage an den Senat, welche beruflichen Perspektiven es für Studienabbrecher in Bremen gibt. Die SPDFraktion betrachtet Studienabbrecher als gut qualifiziert, auch wenn der Abbruch oft als persönliches Scheitern erlebt werde. Sie brächten eine Menge Potenzial mit, heißt es in der SPD-Anfrage: „Sie sind zum Beispiel häufig deutlich selbstständiger und verfügen über Fachkompetenz aus dem begonnenen Studium.“ Die SPD fragt, was Bremen tut, um Abbrechern Perspektiven aufzuzeigen – in Zeiten, in denen lokale Betriebe zum Teil dringend nach qualifizierten Auszubildenden suchen. Seit einem Jahr gibt es genau für diesen Ansatz – Unternehmen und Studienabbrecher zusammenzubringen – eine neue Stelle: Das mit Bundes- und EU-Mitteln finanzierte Projekt „New Start“. Es wird getragen vom Bildungszentrum der Wirtschaft im Unterwesergebiet (BWU) und dem Institut Technik und Bildung der Universität Bremen (ITB). Bislang wurden mehr als 90 Studierende beraten und 18 Studienabbrecher in Ausbildungsstellen vermittelt. „New Start“ kooperiert mit 74 Bremer Unternehmen, vor allem mit kleineren und mittelständischen Betrieben. „Zu uns kommen Wirtschaftswissenschaftler, die später eine Lehre als Speditionskaufmann machen oder Informatikstudenten, die sich für eine Ausbildung im sozialen Bereich interessieren“, sagt Projektleiterin Annette Fischer von „New Start“. Der Wechsel vom Studium zur Ausbildung könne ein Kulturschock sein, stellt sie klar: „Ein Studium ist viel freier, in einem Betrieb gibt es klare Weisungsbefugnisse, das ist eine völlig andere Welt.“ Darauf wolle man Studierende und Betriebe gleichermaßen vorbereiten. Studierende können sich zunächst in einem Berufsorientierungs-Ge- Ruben Kroos hat sich schnell gegen das begonnene Studium und für eine Ausbildung entschieden. spräch individuell beraten lassen. „NewStart“-Mitarbeiter geben Tipps zu den Bewerbungsunterlagen und stellen den ersten Kontakt zu den Betrieben her. Ruben Kroos zögerte nicht lange. Er entschied sich schon nach einem Semester an der Uni, sein Studium abzubrechen. Gemeinsam mit einem befreundeten Kommilitonen wandte er sich an die Studiengangs- „Du springst erstmal ins Nichts und fängst von vorne an.“ Ex-Studentin Sarah Rietmüller koordinatorin. Diese verwies ihn an das Team von „New Start“. Die Beratung half ihm: Heute macht er eine Ausbildung bei dem Bremer Betrieb Sysgen, der Server und Computer-Verbundsysteme verkauft – vor allem an große Forschungsinstitute. Studienabbrecher brächten als Auszubildende einen echten Mehrwert für die Firma, sagt Dieter Nikisch von Sysgen. „Sie sind schon etwas älter und stehen mehr auf eigenen Beinen.“ Und häufig seien sie entschlossener, die Ausbildung auch abzuschließen: „Viele wollen alles, nur keinen weiteren Abbruch.“ Ruben Kroos lernt jetzt, Computer aus verschiedenen Komponenten zusammenzusetzen und große Netzwerke zu überwachen. Und ein Studium ist für ihn nicht vom Tisch: „Eine Ausbildung ist eine gute Grundlage – später kann ich erstmal ein paar Jahre arbeiten, und mich dann immer noch weiterbilden und ein Studium in Wirtschaftsinformatik dranhängen“, sagt er. Aber nicht jedem fällt die Entscheidung, sein Studium abzubrechen, so leicht wie Kroos. Sarah Rietmüller zum Beispiel hat Gerontologie in Vechta studiert. Ein Fach, das sich mit den Problemen und der Pflege älterer Menschen beschäftigt. „Das Studium ging für mich in die falsche Richtung, das Thema lag mir nicht“, sagt sie heute. „Aber es hat lange gedauert, bis ich mir das selbst eingestanden und es jemandem erzählt habe.“ Die 22-Jährige sagt heute offen: „Das war eine schwere Zeit: Du springst erstmal ins Nichts und fängst von vorne an.“ Heute macht sie eine Ausbildung als Veranstaltungskauffrau am Zarm, das den Fallturm an der Uni betreibt. Und sie stellt fest: „Das Leben geht weiter, und jetzt geht es besser weiter als vorher – man muss manchmal Neues ausprobieren.“ FOTO: CHRISTINA KUHAUPT „New Start“ informiert Studierende über eine betriebliche Ausbildung: An diesem Mittwoch, 20. Januar, 16 Uhr, an der Hochschule am Neustadtswall, AB-Gebäude, Raum AB08, und Donnerstag, 21. Januar, um 18 Uhr an der Uni, Institut Technik und Bildung, Am Fallturm 1, Raum 2.07. Drei Elektrobusse bis Anfang April VO N FR AU KE FI SCHE R Bremen. Wer Ende März, Anfang April in einen Bus der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) steigt, sollte sich das Fahrzeug genau ansehen: Er könnte Glück haben und in einem jener drei neuen Elektrobusse landen, die die BSAG in diesem Jahr anschafft. Angekündigt war der Kauf samt fortlaufender Tests im Flottenbetrieb für dieses Jahr bereits. Wegen Lieferschwierigkeiten beim Hersteller könnten die beiden Zweiachser und der längere Gelenkbus aber wohl erst zum Ende des ersten Quartals beziehungsweise im April zum Einsatz kommen, sagt BSAG-Sprecher Jens-Christian Meyer. Mit den beiden kürzeren Bussen war eigentlich schon in diesen Wochen gerechnet worden. „Jetzt starten wir ein bisschen später“, sagt Meyer. Engpässe im öffentlichen Nahverkehr gebe es dadurch aber nicht. Sukzessive sollen Elektrobusse in den kommenden Jahren die derzeit rund 220 Dieselfahrzeuge ersetzen – für die BSAG ein entscheidender Schritt zur klimaschonenden Mobilität. Laufen die Tests im Dauerbetrieb in diesem Jahr zufriedenstellend, könne Bremen schon nach einem Jahr weitere 20 bis 30 Busse ausschreiben, prognostiziert der BSAG-Sprecher. Die Kosten der Elektrobusse dürfe er nicht beziffern, sagte Meyer mit Blick auf die europaweiten Ausschreibungsverfahren. Doch sie seien inzwischen nicht mehr viel höher als jene für Dieselfahrzeuge. „Sonst könnten wir sie uns gar nicht leisten“, betont der Unternehmenssprecher. Für die Investitionen habe die BSAG – auch dank der Zusammenarbeit mit dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr – Fördertöpfe anzapfen können. Etwa sechs bis acht Jahre lang sei ein Bus bislang auf den Strecken in Bremen im Einsatz, dann werde er ausgewechselt, sagt Meyer. In den vergangenen Jahren hat die BSAG unterschiedliche Modelle von Bussen mit Batteriebetrieb getestet. Die inzwischen erreichte Leistung mache die Elektrobusse alltagstauglich. Eine Batterieladung reiche mittlerweile für 250 bis 350 Kilometer. Im Vergleich mit anderen Großstädten habe Bremen bei der Elektromobilität eine vordere Position, versichert Jens-Christian Meyer. ANZEIGE Übersee-Museum Bremen Faszination Wale – Mensch. Wal. Pazifik. Raum zum Spielen Die Bremer Leselust richtet in Flüchtlingsunterkünften Zimmer für Kinder ein V ON KRI S T INA BEL L A C H Bremen. Die Kinder äugen neugierig durch die Fenster in den Raum und schnattern aufgeregt – sie warten. Dann endlich dürfen sie hinein in die neue Lese- und Spieloase der Flüchtlingsnotunterkunft in der ehemaligen Brinkmann-Tabakfabrik. Das Licht, das durch die hohe Fensterfront fällt, lässt die bunten Stühle und Tische Schatten werfen. Die Kinder greifen sofort nach den Spielen und Büchern, die Ulrike Hövelmann, Sprecherin der Bremer Leselust, auf Fensterbänken und Regalen drapiert hat. Ein kleines Mädchen klimpert auf einem Xylofon, das es entdeckt hat, zwei Schwestern klettern auf die Rutsche in der Ecke des 120 Quadratmeter großen Raumes. Alle haben Spaß, und das freut Ulrike Hövelmann. „Dies ist unser Meisterstück. Es kann sich wirklich sehen lassen“, sagt sie. Die AWO-Flüchtlingsunterkunft in Woltmershausen ist bereits die sechste und mit rund 700 Bewohnern die größte Einrichtung, die die Bremer Leselust auf diese Weise ausstaffiert hat. „Es ist der schönste Raum hier“, meint Stephanie Klotz, die an den drei Tagen, an denen die Oase geöffnet hat, die Kinder betreut. Die vormals nackten, grauen Wände und Böden des alten Industriegebäudes haben innerhalb von zwei Tagen eine Verwandlung erfahren: „Es ist wie ein Wunder, alles ist ganz bunt geworden.“ Viele Spiele und Bücher sollen zum Deutsch lernen und zum Rechnen animieren. Dazu kommt ein Paket zweisprachiger Bücher sowie eine Weltkarte, viele Wimmelbücher, die wie die Landkarte mit ihren quirligen Bildern Anlässe zum Sprechen geben sollen. „Natürlich haben wir auch Klassiker“, sagt Hövelmann. Die sind für die Kinder, die in der deutschen Sprache schon fortgeschritten sind. Einen Nebenraum hat der Verein für die Aktivitäten eingerichtet, von denen die Bücher verschont bleiben sollen: Malen, Kneten, Kleben. Nicht nur bei den Kleinen, auch bei den Eltern kommt das gut an: „Für die Kinder ist es toll, sie haben lange darauf gewartet“, sagt Fatima Habibi, deren vier Kinder ausgelassen auf den Spielteppichen herumtollen. „Sie mögen es sehr, werden oft herkommen und Spaß haben.“ Angefangen hat das Projekt im November in einer Hastedter Unterkunft, das nächste Spiel- und Lesezimmer soll im Bundeswehrhochhaus in der Falkenstraße entstehen. Den Verein unterstützen viele För- derer. „Ohne sie hätten wir vielleicht gar nicht den Mut gehabt, anzufangen“, sagt Ulrike Hövelmann. Mit der finanziellen Hilfe der Karin-und-Uwe-Hollweg-Stiftung, der Bremer Lagerhausgesellschaft, der Bürgerstiftung Bremen sowie der Werder-Bremen-Stiftung kamen mehr als 35 000 Euro zusammen. So sagt Hövelmann bestimmt: „Wir machen immer weiter, bis das Geld ausgeht.“ Und korrigiert sich: „Ach was, dann sammeln wir neues.“ Wer gebrauchte Kindertische und -stühle aus Holz hat, kann diese vormittags beim Kooperationspartner, dem bras e.V., im Buntentorsteinweg 562 abgeben. Zeitung in der Schule Die beiden Mädchen freuen sich über die SpielFOTO: WALTER GERBRACHT sachen. Ein weiteres Projekt, das die Bremer Leselust fördert, ist die „Zeitung in der Schule“ des WESER-KURIER, kurz Zisch. Dabei handelt es sich um ein Leseförderprojekt, das in Zusammenarbeit mit dem Izop-Institut in Aachen entwickelt wurde. Teilnehmende Schulklassen erhalten über drei Monate jeden Morgen einen Satz Zeitungen ins Klassenzimmer, die Schüler bekommen ein Exemplar nach Hause geliefert. Sie lernen das selektive Lesen der Berichte und auch, mediale Inhalte kritisch zu hinterfragen. Das Projekt fördert nachweislich das Allgemeinwissen der Heranwachsenden und deren Medien- und Lesekompetenz. Ein Höhepunkt von Zisch ist das Verfassen eigener Zeitungsbeiträge. Die Texte werden in einem Zisch-Journal auch veröffentlicht. Seit Beginn des Projektes vor 13 Jahren hat Zisch nahezu 60 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erreicht. Die Leselust unterstützt das Projekt im laufenden Jahr mit einem Betrag von 30000 Euro. CFR Freier Eintritt für Abonnenten > am Freitag, 29. 1. 2016 > bis zu zwei Erwachsene und vier Kinder bei Vorlage der AboCard ABOCARD