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II. Das Makedonien der klassischen und hellenistischen Zeit
Ilias K. Sverkos
1. Einleitung
Neben Athen und Sparta ist Makedonien der griechische Staat, der nach wie vor das allgemeine Interesse am meisten auf sich zieht. Der Aufstieg eines Gemeinwesens von Bauern und
Viehzüchtern zur führenden griechischen Macht während des 4. Jh. v.Chr.; die historische
Rolle, die es als Bollwerk („prophragma“: Polybios, $# 35.1-4) des südlichen Griechenlands
durch die Abwehr der Angriffe von Völkern aus der nördlichen Balkanregion spielte; der welthistorisch bedeutende Feldzug Alexanders des Großen in den Orient (der nicht nur das Werk
eines militärischen Genies war, sondern auch der Makedonen, die ihm folgten); die drei Kriege gegen die Römer, die das einzige historisch relevante Beispiel für den Widerstand gegen
den Eingriff Roms im Osten darstellen, sind die markantesten Elemente, welche die
Geschichte Makedoniens als die eines unabhängigen Staates geprägt und zu Recht dieses historische und allgemeine Interesse hervorgerufen haben und noch hervorrufen.
Im Gegensatz zu dieser bedeutenden historischen Rolle sind die Quellen, die wir über
die Geschichte der Makedonen bis zur Eroberung durch die Römer haben, im Allgemeinen
wenig. Bis in die Zeit Philipps II., d.h. bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr., haben alle uns verfügbaren Informationen occasionellen Charakter, d.h. eher werden sie im
Rahmen von Exkursen in Werken angeführt, welche sich mit der Geschichte der Stadtstaaten
Südgriechenlands befassen. Historische Darstellungen über Makedonien werden erst ab der
Zeit Philipps II. verfasst; von ihnen sind allerdings nur einige Fragmente oder lediglich die
Titel erhalten. Deren Verlust –wie auch der Verlust eines großen Teiles der übrigen hellenistischen Literatur- hängt bekanntlich mit der unter dem ersten römischen Kaiser erfolgten
klassizistischen Wendung zusammen. Das betrifft z.B. das große Werk („Historien über die
Diadochenkriege“) des Historikers und Politikers, mit dem makedonischen Königshaus seiner
Zeit eng verbunden, Hieronymos von Kardia (um 350-270 v.Chr.), das die Geschehnisse der
fünfzig Jahre vom Tod Alexanders des Großen bis zum Tod von Phyrros (323-272 v.Chr.)
betraf. Die Lücke die durch dessen Verlust entstanden ist, kann gewiss nicht durch die relativ
wenigen Fragmente, die in der „Weltgeschichte“ von Diodor (1. Jh. v.Chr.) enthalten sind,
oder durch Informationen, die uns Plutarch in seinen „Viten“ vermittelt werden, und auch
nicht durch das stark rhetorisch geprägte Werk von Pompeius Trogus, Historiae Philippicae,
abgedeckt werden, das uns in einem Auszug (von Iustinus) um das Jahr 150 n.Chr. überliefert
ist. Was die anderen literarischen Quellen betrifft, so ist uns die Politische Publizistik des 4.
Jahrhunderts v.Chr. vornehmlich aus den Reden des Demosthenes bekannt, die jedoch von
einer unbestrittenen Voreingenommenheit durchzogen sind, welche die Position des
athenischen Redners und Politikers gegen die aufkommende griechische Macht prägt. Diese
politischen Reden übten, bekanntlich, einen beträchtlichen Einfluss auf die spätere Literatur
der Kaiserzeit, aber auch auf die neuere europäische Geschichtsschreibung aus, was folgende
merkwürdige Folge hatte: im Gegensatz zu dem, was in der Regel noch geschieht, ist uns die
Geschichte des Kampfes zwischen Athen und Makedonien nicht von der Seite des Siegers,
sondern von der Seite des Unterlegenen bekannt.
Die Geschichte des Feldzugs Alexanders des Großen in den Orient ist uns aus erst viel
später entstandenen Werken bekannt, d.h. der Biographie von Plutarch und der Anabasis von
Arrian, die sich jedoch auf die Persönlichkeit des Königs konzentrieren und in zahlreichen
Fällen von der klassizistischen Tendenz beeinflusst sind, die zur Zeit der Abfassung dieser
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Werke vorherrschte (1./2. Jh. n.Chr.). Was die Geschichte des Widerstandes gegen die Römer
in den allgemeinen Werken betrifft, in denen auf diesen Widerstand eingegangen wird, so
sind die einschlägigen Informationen nicht nur verhältnismäßig vom geringen Umfang, sondern auch von der Tatsache beeinflusst, dass die Römer letztendlich die Oberhand gewannen.
Dies gilt sowohl für Polybios (2. Jh. v.Chr.), dessen Hauptgedanke der Aufstieg Roms zur
Weltmacht ist, und noch in viel höherem Maße für die römische Geschichte (seit der Gründung Roms) von Titus Livius (1. Jh. v.Chr.).
Das, was für die Geschichte der antiken Makedonen bleibt, sind also, von den vorerwähnten Exkursen und den wenigen Fragmenten aus Werken über Makedonien abgesehen,
die Inschriften, von denen jedoch nur sehr wenige aus dem 5. oder 4. Jh. (die ersten aus
Athen) erhalten sind, die meisten aber aus dem 3. oder 2. Jh. v.Chr. und insbesondere aus der
Kaiserzeit stammen.
Außer diesen Quellen verfügen wir über ein zahlenmäßig bedeutendes Material von
Eigenammen, also Namen von Personen, Institutionen, Festen u.a., die uns aus literarischen
Quellen, aber auch aus Inschriften bekannt sind; sowie einige wenige Sprachreste aus dem
makedonischem Dialekt. Dazu sind noch die – gewiss sehr bedeutenden - Funde der archäologischen Ausgrabungen hinzuzufügen, die insbesondere während der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts stattfanden, Funde, die – freilich ohne die Lücke anderer Quellen schließen
zu können - eine wichtige Quelle für die Kunst und im Allgemeinen für die Kultur, aber auch
das Alltagsleben der Makedonen während aller Phasen ihrer Geschichte ausmachen.
Die wichtigsten Fragen, die in der Geschichtsforschung über das antike Makedonien als
einen unabhängigen Staat (und damit sind die Jahrhunderte von der Gründung des makedonischen Königreichs in der Mitte des 7. Jh. v.Chr. bis zu seiner Auflösung nach der Eroberung
durch die Römer im Jahr 168 v.Chr. gemeint) gestellt wurden und noch gestellt werden, sind
die folgenden vier: Die erste betrifft die Abstammung der Makedonen d.h. ob sie ein
griechischer Stamm waren, wie die anderen, oder nicht; die zweite Frage betrifft die innere
Organisation ihres Staates seit der Gründung des makedonischen Königreichs bis zur Zeit
Philipps II.; bei der dritten geht es um die kulturellen Beziehungen der Makedonen mit den
südlichen Griechen und bei der vierten um die historische Rolle Makedoniens in der Zeit vom
Feldzug Alexanders des Großen bis zum Widerstand gegen die Römer.
2. Teil I: Die Abstammung der Makedonen
Bei der Diskussion über die Abstammung der Makedonen, wird man zuerst in Betracht ziehen müssen, dass unabhängig von der Zahl und der Art der uns verfügbaren Informationen
und unabhängig von den Auffassungen, die Autoren aus dem übrigen Griechenland vertreten,
und natürlich unabhängig von den Urteilen (oder gar Vorurteilen) älterer und neuerer
Autoren, insbesondere die Frage von Bedeutung ist, wie die Makedonen sich selber betrachten und (direkt damit verbunden) was jene unbestreitbaren (man könnte auch sagen
objektiven) Elemente sind, welche diese von ihnen selber vorgebrachte Selbstverständnis dokumentieren. Oder anders formuliert: Wenn die Makedonen selber sich ab einer bestimmten
Zeit (konkret ab dem 4. Jh. v.Chr.) und ihre ganze spätere Geschichte hindurch als Griechen
fühlen und wenn die sprachlichen Elemente, welche verschiedene Aspekte ihrer Kultur
bezeugen, zum größten Teil ebenfalls griechisch sind, dann ist die Frage nach ihrer ursprünglichen Provenienz irrelevant. Darüber hinaus verfügt kein Volk über eine völlig reine
nationale Abstammung ohne jegliche Vermischungen oder Einflüsse anderer Völker, was sich
eigentlich von selbst versteht und insbesondere in der älteren Forschung völlig korrekt angemerkt wurde.
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DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
In der berühmten Inschrift, welche die Weihung der persischen Schilder in Athen
(Kriegsbeute nach dem Sieg Alexanders am Granikos im Jahre 324 v.Chr.) betrifft, stellt sich
der Makedonenkönig gewiss vornehmlich aus politischen Gründen als Grieche vor: Alexander, der Sohn Philipps und alle Griechen außer den Spartanern von den in Asien siedelnden
Barbaren (Arrian, Anabasis, $.16.7, Plutarch, Alexandros, 16.18). In dem Brief, den er nach
der Schlacht von Issos an Dareios schickt, spricht er davon, dass er als Hegemon der Griechen
bestimmt, durch den Feldzug in Asien sich für die Gewaltakte rächen will, welche die Vorfahren des Perserkönigs „Makedonien und dem übrigen Griechenland“ verursacht haben
(Arrian, Anabasis, $$.14). Der vom Makedonenkönig Antigonos Doson (229-221 v.Chr.) im
Jahre 224 gegründete Bund der griechischen Staaten, dessen Mitglied auch Makedonien war,
heißt „Hellenische Symmachie“; und in einem von Antigonos in Olympia aufgestellten Relief
wurde nach Pausanias (VI.16.3) Hellas als Frau dargestellt, die den Makedonenkönig bekränzte. In dem zwischen Philipp V., dem König von Makedonien, und Hannibal
geschlossenen Vertrag (215 v.Chr.), von dem Polybios berichtet (VII.9), wird Makedonien
nachdrücklich als ein Teil von Griechenland angeführt. So wird z.B. auf die Götter verwiesen,
„die Makedonien und das sonstige Griechenland beherrschen", und als Verbündete der
Karthager werden König Philipp, die Makedonen und die anderen Griechen angeführt. Etwa
ein halbes Jahrhundert später bekundet ein einfacher Makedone aus Thessalonike in einer
Widmung an den römischen Feldherrn Quintus Caecilius Metellus seine makedonische und
zugleich griechische Abstammung indem er von „den übrigen Makedonen und den anderen
Griechen“ spricht (IG X 2.1, 1031).
Diese Zeugnisse, zu denen sich noch zahlreiche andere aus den späteren Jahrhunderten
anführen ließen, lassen keinen Zweifel daran, dass sich die Makedonen selber als einen
griechischen Stamm betrachteten. Zu der gleichen Schlussfolgerung führen mehrheitlich auch
die erhaltenen sprachlichen Fragmente: die Namen der makedonischen Monate, wie Xandikos, Dios, Artemisios, Hyperberetaios, Peritios usw., die sich (wie auch die der
südgriechischen Stadtstaaten) auf Feiertage beziehen, sind griechisch; die Namen der Personen, und zwar nicht nur jener, die der gesellschaftlichen Oberschicht angehören, sondern
auch jene der Unterschicht, sind (bis auf wenige Ausnahmen) ebenfalls griechisch. Diese
Namen stammen aus dem 6./5. Jh. v.Chr. und können, wie auch die Namen der Feste, auf
eine griechische Provenienz schließen; sie können jedenfalls nicht durch deren „Hellenisierung“ von den Griechen der Küstenstädte erklärt werden. In all den Fällen, wo Makedonen
mit den anderen Griechen in Kontakt kommen, wird kein Dolmetscher erwähnt, eine Tatsache, die wofür spricht, dass der makedonische Dialekt, wie etwa auch der attische, von der
jeweils anderen Seite problemlos verstanden wurde. Dies zeigt auch ein Fragment aus der
Komödie „Makedones“ des Dichters Strattis aus dem 5. Jh., in dem der einem Makedonen
(Rolle der Komödie) zugeschriebene Satz enthalten ist, in dem er offenkundig den seine Abstammung verratenden Dialekt verwendet (J. M. Edmonds, The Fragments of Attic Comedy,
Bd. 1, Leiden 1957, Fr. 28).
Durch diesen griechischen Charakter des makedonischen Dialekts ist nur die Tatsache
verständlich, dass der attische Dialekt seit der Zeit Philipps II. zur Verwaltungssprache des
makedonischen Staates wurde; und nur so wird es verständlich, weshalb die Makedonen auch
nach der Auflösung des persischen Kaiserreichs durch Alexander den Großen den attischen
Dialekt verwendeten. Denn ein Volk mit derartigen politischen Erfolgen wie jene unter
Philipp II. mit seinem Sieg über die Athener oder unter Alexander mit der Eroberung des Ostens verfügt über ein so starkes Selbstbewusstsein, dass es bestimmt nicht seine eigene
Sprache zu Gunsten einer anderen aufgeben würde. So etwas wäre, wie von K. J. Beloch und
anderen Historikern richtig angemerkt wurde, in der Weltgeschichte etwas Einmaliges.
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Die These, dass Philipp und Alexander die griechische Sprache verwendeten, so wie
Friedrich der Große oder Katharina die Große Französisch sprachen, die von jenen vorgebracht wird, welche die griechische Abstammung der Makedonen verneinen, ist insofern
abwegig (und offenbar von durch Vorurteile bestimmt, da weder in dem einen noch in dem
anderen Fall in Preußen bzw. in Russland Französisch als offizielle Sprache gesprochen
wurde. Das Gleiche gilt für den Versuch, in Ausdrücken wie „er rief auf Makedonisch“ (Plutarch, Alexandros, 51.4) oder „Makedonisch der Sprache nach“ (Plutarch, Eumenes, 14.5),
eine besondere makedonische Sprache sehen zu wollen; denn der ähnlich lautende Ausdruck
„Peloponnesisch sprechend“ (Theokrit, #V, V. 92) weist eben auf einen Dialekt, und natürlich nicht auf eine „peloponnesische“ Sprache hin.
Verneint wird noch wie vor eigentlich die griechische Abstammung der Makedonen
(unabhängig von den Voraussetzungen bzw. Vorurteilen der jeweiligen Argumentation) durch
den Hinweis auf die Gegenüberstellung Griechen-Makedonen, wie die in literarischen Quellen seit dem 5. Jh. v.Chr. bezeugt ist. In Bezug auf diese Gegenüberstellung wird auf die
(zahlenmäßig äußerst wenigen) Ausdrücke, in denen die Makedonen in einer politisch offenkundig vorbelasteten Situation als kulturell unterlegen dargestellt werden, ein besonderes
Schwergewicht gelegt(„Barbaren“, z.B. Demosthenes, III. Rede gegen Philipp, 31). Dagegen
kann man m.E. mit Recht einwenden, dass diese Ausdrücke, als generalisierende (Ver)urteile
keineswegs als Beweise für eine allgemeine negative Haltung der Südgriechen gegenüber den
Makedonen angesehen werden können. Dass die historische Wirklichkeit eine andere war,
lässt sich aus einer Vielfalt von Zeugnissen entnehmen, in denen die Makedonen als ein
griechischer Stamm figurieren.
Das erste ist, der von Herodot zum ersten Mal überlieferte Name des Stammes selbst: In
den einschlägigen Passus ($, 56) ist von einem dorischen Stamm die Rede, der in der Pindosregion siedelte und als Makedones bezeichnet wurde. In einer anderen Stelle (VIII 43) werden
die Griechen von Peloponnes (Spartaner, Korinther, Sikyoner, Epidaurer, Troizener), die an
der Seeschlacht von Artemision teilnahmen (480 v.Chr.) bezeichnenderweise als „dorisches
und makedonisches Volk“ (dorikon kai makednon Ethnos) gennant. „Makednos“ ist
bekanntlich ein Adjektiv, das bereits in den Epen Homers anzutreffen ist und dort soviel wie
„lang, schlank“ bedeutet (z.B. VII, 106: “fylla makednos aigeiroio“, Blätter an riesigen
Boden).
Die historische Wirklichkeit spiegelt sich auch in der von Hesiod bezeugten mythologischen Tradition wieder, wonach Makedon, der Stammesvater der Makedonen, ein Sohn des
Zeus und der Thyia, Tochter des Deukalion, und Bruder des Magnes ist, von denen ersterer
auf dem Olymp und letzterer in Pieria lebte (R. Merkelbach-M.L.West, Fragmenta Hesiodea,
Oxford 1967, Fr. 7). Als Söhne des Makedon werden Europos, Pieros und Amathos erwähnt,
Namen bekannter makedonischer Städte. Einer anderen Überlieferung nach, die ebenfalls
eindeutig die Verbindung mit den griechischen Stämmen bezeugt, ist Makedon der Sohn des
Äolos, Bruder des Doros und des Xuthos (FGrHist 4 F74, Hellanikos). Auf diesen Zeugnissen, sowie auf eine Reihe von Sprachelementen (welche die Verwandtschaft der Dialekte
beweisen), beruht die in der älteren und neueren historischen Forschung vertretene These,
dass die Makedonen einer der nordwestlichen griechischen Stämme sind, die ursprünglich aus
der Region des Pindos stammen.
Ein aus historischer Zeit stammendes Zeugnis für die Auffassung, dass die Makedonen
ein griechischer Stamm sind, ist die Äußerung des Akarnanischen Politikers Lykiskos in
seiner im Jahr 211 v.Chr. in Sparta gehaltenen Rede, wo die Makedonen als „Stammesgenossen der Achaier“ und der dorischen Spartaner hingestellt werden. Mit den
„gleichstämmigen“ („homophyloi“) Makedonen und ihrem König Philipp sollten sich die
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DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
übrigen Griechen vereinen, um der von den Fremdstämmigen („allophyloi“), d.h. den
Römern kommenden Gefahr erfolgreich entgegenzutreten („nun droht den Griechen ein Krieg
mit den Barbaren, die sie unterwerfen wollen“, Polybios IX 37.7-8). Als griechischer Stamm,
mit dem die anderen Griechen ihre Kräfte vereinen müssen, um die in den „Wolken“ aus dem
Westen sich abzeichnende Bedrohung ihrer Freiheit abzuwehren, werden die Makedonen
auch in der Rede des ätolischen Politikers Agelaos aus dem Jahr 217 v.Chr. in Naupaktos
angesehen (Polybios V 104).
Als griechischer Stamm treten ferner die Makedonen in einigen anderen, auf unterschiedliche kulturelle Angelegenheiten bezogen, Zeugnissen hervor: Als Sieger in den großen
panhellenischen Spielen sind schon seit dem 4. Jh.v.Chr. auch Makedonen (von nicht
vornehmer Abstammung) bezeugt; unter den griechischen Städten, welche im Jahr 243 v.Chr.
die Asylie des Asklepios-Heiligtums auf Kos anerkennen, befinden sich auch die makedonischen Städte Pella, Kassandreia, Amphipolis, Philippoi (Hatzopoulos, Institutions II, Nr. 36,
41, 47, 58). Im Jahr 209/8 v.Chr. wird von dem makedonischen König Philipp V. in einem an
die Kleinasiatische Stadt Magnesia am Maiander geschickten Brief die Verwandtschaft der
Makedonen mit dem Magneten hervorgehoben; der Brief wird in einem Dekret der Stadt von
Euböa Chalkis zitiert, wo sie ihre Teilnahme an dem von Magnesia veranstalteten panhellenischen Fest für die Göttin Artemis (Leukophryene) bekundet, für welche (Teilnahme) der
König sich offenbar einsetzt; und aus der Kaiserzeit (dem 2. Jh.v.Chr.) ist uns zufällig ein
weiteres Beispiel bekannt, ein Dekret aus Ephesos, in dem die Makedonen notorisch als ein
„griechischer Stamm“ (hellenikon ethnos) bezeichnet werden („bei ihnen, wie bei den
anderen griechischen Stämmen, heißt der Monat, der bei uns Artemision genannt wird,
Artemisios“) (&.Ephesos 24B).
Auf allen diesen, die Vorstellung von der Zugehörigkeit der Makedonen zur
griechischen Welt bekundeten Zeugnissen, beruht die schon früher in der Forschung vielfach
vertretene Auffassung dass die vorhin erwähnte Gegenüberstellung von Griechen und Makedonen keineswegs eine allgemeine Haltung verrät, geschweige denn as Beweis für deren
nichtgriechische Abstammung erachtet werden kann; und das sie höchstwahrscheinlich auf
das Fehlen von Kontakten, der anderen Griechen zu Makedonien zurückzuführen sei, das man
für die archaische aber auch die klassische Zeit annehmen muss. Hier soll eine möglichst
kurze Darstellung des damit gemeinten Sachverhalts geboten werden.
In Südgriechenland ist Makedonien eigentlich zuerst wegen der Organisation und Ausdehnung bekannt, die es während der Zeit Alexanders I. (um 495-452 v.Chr.) erreicht hatte.
Auf diese wie jene Aspekte wird später eingegangen. Hier genügt der Hinweis dass zu dieser
Zeit Makedonien sich bis zum Fluss Strymon erstreckte. Von einem solchen Staat mit den
unterschiedlichen makedonischen Stämmen, zu dem auch Gebiete gehörten, in denen andere,
nicht griechische Stämme gewohnt hatten (wie Illyrer, Paionen und Thraker) die zum Teil daraus vertrieben wurden, konnten die Griechen im Süden begreiflicherweise keine genaue
Kunde haben. Kaum bekannt konnte ihnen auch sein, von wem die Könige stammten, die
diesen Staat (offenbar in der Mitte des 7. Jhs.) am Gebiet zwischen den Flüssen Haliakmon
und Axios gegründet hatten (Her. VII. 127). Man wusste lediglich nach der bei Herodot (VIII.
137-138) und Thukydides (II 99. 3) erhaltenen Überlieferung dass sie aus dem Peloponnesischen Argos stammten –eine Überlieferung die offenbar im 5. Jh. v.Chr. entstanden ist
und den Willen des makedonischen Königs (namentlich Alexanders I.) deutlich zum Ausdruck bringt, die nötigen Verbindungen mit den übrigen griechischen zu schaffen.
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Eine an dem Stammesvater Herakles Weihinschrift aus Vergina ist – auch wenn sie aus
der Zeit von König Perseus stammt (178-169 v.Chr.) ( ein repräsentatives Beispiel für die
Verbindung der königlichen Familie mit ihrem „Vorfahren“ (SEG XLVI 829).
Aus dem 5. Jahrhundert v.Chr. ist bekannt, dass es in Makedonien zu gruppenweisen
Niederlassungen aus Südgriechenland kam: So siedelte z.B. im Jahr 478 v.Chr. nach der Zerstörung von Mykene durch die Argiver ein großer Teil der Bewohner der Stadt, dank des
Interesses seitens des Makedonenkönigs Alexanders I., in Makedonien (Pausanias VII, 25, 6),
während im Jahr 446 v.Chr. Bewohner von Histiaia auf Nordeuböa nach der Einnahme der
Insel durch Perikles nach Makedonien auswanderten (FGrHist 115, F387, Theopomp)]. Im
Jahr 423 v.Chr. haben, nach einem Zeugnis des Thukydides (IV.124.1), griechische Soldaten
im Heer von Perdikkas II. gedient. Makedonen kamen jedoch selten nach Südgriechenland,
und das Land wurde erst in den ersten Jahren des Peloponnesischen Krieges näher bekannt.
Dies zeigt sich z.B. darin, dass Städte, die im Gebiet von Makedonien liegen und Mitglied des
I. Attischen Seebundes waren, in den Tributlisten geographisch Thrakien zugeordnet wurden.
Dieser Mangel an Wissen über das Land und seine Bewohner ist m.E. einer der wesentlichen Gründe für die Gegenüberstellung Griechen – Makedonen gewesen. Ein damit eng
zusammenhängender Grund war die Tatsache, dass die Makedonen nicht an der politischen
und kulturellen Entwicklung der griechischen Stadtstaaten des 6./5. Jahrhunderts teilnahmen
und das grundlegende Element dieser Entwicklungen, d.h. der demokratische Stadtstaat, im
von einem Monarchen verwalteten Land nicht vorhanden war. So lässt sich auch die Tatsache
erklären, dass in der Mitte des 4. Jahrhunderts selbst Isokrates in einem an Philipp gerichteten
Brief, in dem er ihm ein Bündnis der Südgriechen unter seiner Führung im Krieg gegen die
Perser empfiehlt, die Makedonen von den Griechen unterscheidet (Brief an Philipp 107-108).
Dennoch erlauben die relativ wenigen uns aus den Quellen verfügbaren Andeutungen, wie
bereits gesagt wurde, nicht diese Trennung einer entsprechenden Haltung der Südgriechen
zuzuschreiben. In seiner Rede Über den Kranz (330 v.Chr.) bezichtigt Demosthenes eine
große Zahl an Politikern aus südgriechischen Städten wegen ihrer makedonenfreundlichen
Haltung als „Verräter“ (Über den Kranz, 295); es wäre interessant, Worte und Taten dieser
„Verräter“ genauer zu kennen, aber leider ist uns nur die voreingenommene Charakterisierung
des athenischen Redners und Politikers bekannt, die auch von Polybios kritisiert wird
(XVIII.14).
Nach einem solchen Quellenbefund ist die in der älteren und modernen Forschung vielfach vertretene Auffassung, wonach die besagte Gegenüberstellung nicht im Sinne eines
ethnischen Gegensatzes verstanden werden muss und die Makedonen, entsprechend der von
den übrigen Griechen seit der hellenistischen Zeit bekundeten Einstellung als ein griechischer
Stamm anzusehen sind, durchaus korrekt. Denn wenn irgendein Eigenname oder ein Wort aus
dem alltäglichen Leben nichtgriechischen Ursprungs ist, bzw. auch irgendein Brauch (z.B.
Aristoteles, Politik, 1324b 15-16) als nicht griechisch angesehen wird, so stellt dies (der allgemeinen Erfahrung nach) als ein isoliertes Beispiel keine Gegeninstanz dar.
Für die moderne Geschichtsforschung kommt schließlich den neuentdeckten Inschriften
des 5. Jhs. und anderen Funden eine besondere Bedeutung zu, insbesondere jenen, die aus den
abgelegenen Regionen des makedonischen Binnenlandes erhalten sind; ebendeshalb, weil sie
als Zeugnisse einer durchaus griechischen Kultur die ohnehin fragwürdige Theorie über die
spätere „Hellenisierung“ der Makedonen durch die griechische Küstenstädte als unhaltbar erscheinen lassen.
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DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
Literaturauswahl
Sprache
J. N. Kalléris, Les anciens Macédoniens. Étude linguistique et historique I-II, Athen 1988
(mit einem Überblick über die ältere Forschung), E. Kapetanopoulos, „Xennias, makedonizon
te fone“ (Xennias, Makedonisch der Sprache nach), '(ph 132 (1993) [1995] 13-30. Zu den
sprachlichen Aspekten der Inschriften Makedoniens siehe A. Panayotou, La langue des inscriptions grecques de Macédoine, IVe s. a.C.-VIIe s. p.C., (unveröffentlichte Dissertation)
Nancy 1990; die wichtigsten Schlussfolgerungen der Studie und die diesbezügliche Literatur
in: A. Panagioutou, „I thessi tis makedonikis“ (Die Position des Makedonischen), in: A.-F.
Christidis (Hrsg.), Istoria tis ellinikis glossas apo tis arches eos tin ysteri archaiotita (Geschichte der griechischen Sprache von den Anfängen bis in die Spätantike), Thessalonike
2001, 319-325.
Namen
!. B. Hatzopoulos, “L’histoire par le noms”, in: S. Hornblower-E. Matthews (Hrsg.), Greek
Personal Names. Their Value as Evidence, Oxford 2000, 99-117. A. Tataki, Ancient Beroea:
Prosopography and Society, MELETIMATA 8, Athen 1988. Id., Macedonian Edessa: Prosopography and Onomasticon, MELETIMATA 18, Athen 1994. Id., Macedonians Abroad. A
Contribution to the Prosopography of Ancient Macedonia, MELETIMATA 26, Athen 1998. J.
Touloumakos, „Historische Personennammen im Makedonien der römischen Kaiserzeit“,
ZAnt 47 (1997) 221-226.
Beziehungen der Makedonen mit den südgriechischen Stadtstaaten
J. %. Xydopoulos, Koinonikes kai politistikes scheseis ton Makedonon kai ton allon Ellinon.
Symvoli stin erefna tis grammateiakis kai epigrafikis paradosseos gia tin archaia Makedonia
(Gesellschaftliche und kulturelle Beziehungen zwischen den Makedonen und den anderen
Griechen. Beitrag zur Erforschung der literarischen und Inschriften-Quellen zum antiken
Makedonien), Diss., Thessalonike 1998. J. Touloumakos, „Exopolitikes scheseis Makedonon
kai notion Ellinon kata tin ellinistiki kai aftokratoriki epochi“ (Außerpolitische Beziehungen
zwischen den Makedonen und den Südgriechen während der hellenistischen und der Kaiserzeit), Archaia Makedonia 5 (1989) [1993] 1517-1538.
3. Teil II: Politische Geschichte (500-168 v.Chr.)
3.1. Alexander I. (um 495-452 v.Chr.)
Die politische Geschichte Makedoniens als Teil der griechischen Geschichte beginnt
eigentlich mit Alexander I. (495-452 v.Chr.). Gemäß der in der Forschung geläufigsten Auffassung wanderte der makedonische Stamm, dem diese Dynastie angehörte, aus der Region
von Orestis kommend (um das Jahr 700 v.Chr.) auf der Suche nach Land in Richtung Osten,
nahm Pieria und anschließend das benachbarte Bottiaia ein. In dieser Region wurde (um 650
v.Chr.), wie erwähnt, der makedonische Staat gegründet (Thukydides $$ 99). Aller Wahrscheinlichkeit nach geht der Name der Dynastie auf ihren Urahnen zurück und nicht auf eine
eventuelle Abstammung aus dem peloponnesischen Argos (gemäß einem später zur Zeit Alexanders I. geschaffenen Mythos, mit dem Makedonien mit Südgriechenland in Verbindung
gebracht werden sollte, s.o.). Herodot zufolge (VIII.139) regierten vor Alexander sechs
Könige: Perdikkas I, Argaios, Philipp I., Aeropos I., Alketas, Amyntas I. Seit der Regierungszeit des letzteren (dem Vater von Alexander I.) und für einige Zeit der Regentschaft von
Alexander (bis 479 v.Chr.) war Makedonien den Persern tributpflichtig.
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Alexander I., der siebte makedonische König (Herodot, VIII.137.1), ist in der
griechischen Geschichte als der „Griechenfreund“ („philhellen“) bekannt, eine Bezeichnung,
die ihm für seine Haltung während der Perserkriege verliehen wurde und allgemein für Persönlichkeiten verwendet wurde, welche die Griechen freundlich gesonnen waren, und zwar
nicht nur für Ausländer, sondern auch für Griechen (s. z.B. später für Agesilaos, König von
Sparta, Xenophon, Agesilaos, VII.4: „es ist ehrenhaft, als ein Grieche philhellenisch zu
sein“; siehe auch die Inschrift IG X 2.1, 145, 3. Jh. n.Chr.).
Alexander I. hatte sehr gut erkannt, dass die Niederlage der Perser auch für Makedonien
von vitaler Bedeutung war, und aus diesem Grund war es aller Wahrscheinlichkeit nach jener,
dem zu einem großen Teil die Bereitstellung des erforderlichen Holzes für den Bau der
athenischen Schiffe nach dem Flottenprogramm des Themistokles zu verdanken ist. Aus
diesem Grund wurde er auch von den Athenern wenig später als „Proxenos und Euergetes"
(Herodot VIII 136.1) oder als „Proxenos und Philos“ geehrt (Herodot VIII 143.3).
„Philhellene“ war Alexander wegen seiner Dienste für die gegen die Perser kämpfenden
Griechen, auch wenn er selber dazu gezwungen war, Xerxes auf seinem Feldzug zu folgen,
insbesondere während der Schlacht von Platää im J. 479 v.Chr. (Herodot IX. 44-45). Auf
diese Dienste weist auch die Aufstellung einer Goldstatue von ihm in Delphi hin, neben dem
Dreifuß, der als Weihgabe der Griechen für Meeressiege galt (Herodot VIII 121.2; Demosthenes, Brief an Philipp, 21).
Das makedonische Königreich mit seiner Ausdehnung, wie sie uns aus der Zeit Philipps
bekannt ist, verdankt sein Auftreten als eine starke politische Macht insbesondere den Fähigkeiten Alexanders I. Einem Zeugnis des Thukydides ($$ 99) zufolge haben Alexander und die
Könige vor ihm, die Paionen aus dem unteren Axios-Tal, die Hedonen aus Mygdonia, die
Eordaier aus Eordaia sowie die Almopen aus Almopia vertrieben; außerdem haben sie Anthemon am thermaischen Golf eingenommen, das, so Herodot, von Amyntas I., an Hippias,
den Sohn des Athener Tyrannen Peisistratos, abgetreten wurde. Auf Alexander allein ist bestimmt auch die Ausdehnung des makedonischen Königreiches nach Osten, mit dem
Einschluss der Gebiete von Bisaltia und Krestonia zurückzuführen, deren Bewohner weiterhin geblieben sind. Die verwandten Stämme des oberen (gebirgigen) Makedonien (Lynkesten,
Elimioten, Oresten, Tymphaier, Parauaier) machte er, so Thukydides, zu „Verbündeten und
Untertanen“ („xymmacha kai hypekoa“), was bedeutet, dass er ihre Fürsten dazu zwang,
seine Vorherrschaft anzuerkennen. Zu seiner Zeit – und auf jeden Fall nach der Niederlage
der Perser bei Platää, denen Alexander bei ihrem Rückzug über Makedonien eine verheerende
Niederlage beibrachte („vollständiger Fehlschlag“ („teleion atychema"), Demosthenes, Gegen
Aristokrates 200, Über die Organisation, 24) ( hatte sich die frühere Ausdehnung des
makedonischen Königreichs vervierfacht.
Diese außenpolitischen Erfolge des Makedonenkönigs bezeugen seine schönen Münzen, die aus dem Silber der Bergwerke von Dysoros (im Strymongebiet) geprägt wurden: bei
dem auf der einen Seite abgebildeten Reiter handelt es sich offensichtlich um den König selber, auf der anderen Seite ist sein Name aufgezeichnet.
Ebenso bedeutend ist aber auch das Werk Alexanders in der Innenpolitik gewesen, wo
die Ausdehnung des Staates und die damit verbundene Stärkung der Zentralmacht, Initiativen
mit neuen Ideen erforderlich machten. Allen voran war eine Stärkung der Militärmacht
Makedoniens unerlässlich. Die Stärke Makedoniens beruhte vor allem auf den Reitertruppen,
die von den vornehmen Makedonen gebildet wurden, welche den vom homerischen Epos
bekannten „Etairoi“ (Gefährten) trugen. Da die Reitertruppen den neuen Anforderungen nicht
mehr gerecht werden könnten, wandte sich Alexander (zumindest in begrenztem Ausmaß) der
Organisation der Fußtruppen zu. Doch das, was in diesem Fall das politische Talent Alexan-
38
DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
ders verrät, ist die Verstellung, mit der er diese Neuerung verband: Die Fußsoldaten wurden
als „Pezhetairoi“ bezeichnet, waren also die „Gefährten“ des Königs, wie auch die vornehmen Reiter. Auf diese Art und Weise wurde einerseits eine enge Verbundenheit der
makedonischen Bauern – Soldaten mit dem Monarchen und andererseits ein politisches
Gegengewicht gegen die Adligen geschaffen. Diese Verbundenheit des Heeres mit dem
König wurde auch in beträchtlichem Maße durch die Verleihung von Land seitens des Königs
selbst verstärkt, die in großem Umfang an die „vornehmen Gefährten“ und in geringerem
Umfang an die „Fuß-Gefährten“ erfolgte. Über die Schaffung dieser „Fuß-Gefährten“ sind in
der Forschung (s. z.B. Hatzopoulos, Institutions, 269) wegen der äusserst mangelhaften Überlieferung (FGrHist 72 F4 Anaximenes) verschiedene Auffassungen vertreten worden. Die
historische Wahrscheinlichkeit lässt jedoch als nahe liegend erscheinen, diese Neuerung
Alexander I. zuzuschreiben, und aus diesem Grund wird die hier vertretene Ansicht auch von
einem großen Teil der Forschung vertreten. Die Entdeckung von Gräbern auf dem Westfriedhof von Archontikon/Pella, welche, wie sich aus den reichen Grabbeigaben ergibt, die auf die
soziale Stellung der Toten hinweisen, Soldaten gehörten, Mitgliedern der lokalen
militärischen Aristokratie, und bis in die Zeit Alexanders I. datiert werden, lässt keinen
Zweifel daran, dass diese Personen mit dem Programm des Alexander, und vielleicht auch
dem von früheren Königen, also Alketas (6. Jh.) und Amyntas I. (um 540-498 v.Chr.) in
Verbindung zu sehen sind und dass die Bemühungen um eine Schaffung und Organisation des
Heeres bereits in eine Zeit deutlich vor Philipp II. zu datieren sind.
Freilich hatten die makedonischen Fußtruppen weder in zahlenmäßiger noch in organisatorischer Hinsicht eine solche Schlagkraft (und konnten sie freilich auch noch nicht haben),
wie sie diese später dank Philipp II., der den allgemeinen Wehrdienst einführte, bewiesen.
Doch der Gedanke der Organisation mit der zuvor erwähnten Vorstellung ist ein unbestreitbares Element für die Bewertung Alexanders als eines äußerst fähigen Herrschers. Dies wird
vielleicht noch besser verständlich, wenn man bedenkt, dass die makedonische Königsherrschaft keine absolute Monarchie war, da auch die Heeresversammlung eine bedeutende
Rolle spielte. Das Heer wählte den König oder den Vormund des minderjährigen Thronfolgers aus der Familie der Argeaden und fungierte in Fällen des Hochverrats darüber hinaus
auch als Gericht.
Weniger bekannt ist uns die Politik Alexanders I. gegenüber den makedonischen Städten, die man sich mehr oder weniger von dem Monarchen abhängig vorzustellen hat. Von
diesen Städten sind uns in der großen Mehrzahl lediglich die Namen bekannt (als Städte werden bei Herodot z.B. Ichnai und Pella angeführt VII.123); bedeutendste Stadt scheint Ichnai
gewesen zu sein, das bis zum 5. Jahrhundert eigene Münzen prägte. Was ihre Organisation
betrifft, so sind uns die Termini „Peliganes“ (Hesychios, s.v. Peliganes: die ruhmreichen, in
Syren die „Bouleutai“) und „Tagoi“ oder „Tagonaga“ (s.v. Tagonana: Makedonisches Amt)
bekannt, von denen ersterer offensichtlich eine Art Rat –Versammlung und letzterer die bedeutendsten Archonten bezeichnet. Diese als „Glossen“ überlieferten Termini von Hesych
werden durch (spätere) Inschriften bestätigt: So wird z.B. ein Brief des Königs Philipps V. an
den „epistates“, die „peleiganes“ und die „sonstigen Bürger“ der Stadt Dion gerichtet (SEG
XLVIII 785), während auf Kaufurkunden aus Tyrissa (in der Region von Giannitsa) „basilikoi
dikastai“ und „Tagoi“ genannt werden (SEG XLVII 999).
Für die Organisation eines Staates mit einer solchen raschen Ausdehnung, wie sie
Makedonien unter Alexander I. erlebte, war der Zeitraum seiner Regierungszeit von ungefähr
45 Jahren freilich doch sehr gering. Der innere Zusammenhalt war noch sehr schwach, da die
Fürsten der verwandten Stämme von Obermakedonien die Vorherrschaft des Argeadischen
Königs nicht freiwillig anerkannten. An den östlichen und nördlichen Grenzen lebten fremde,
nicht griechische Stämme, wie die thrakischen Odryser bzw. die Illyrier, die u.U. für den
ILIAS K. SVERKOS
39
makedonischen Staat gefährlich werden konnten. Eine Gefahr bestand jedoch auch im Süden,
d.h. seitens Athens, in dessen Einflussbereich sich im Rahmen des Attischen Bundes auch
Küstenstädte vom thermaischen Golf bis zum Hellespont befanden. Aus diesem Grund kamen
vitale Interessen Makedoniens mit jenen von Athen in Konflikt, was sich bereits ab 465
v.Chr. abzuzeichnen begann, als die Athener, bei ihrem Versuch das Gebiet des unteren
Strymon zu erobern, eine bittere Niederlage seitens der Hedonen erlitten. Dabei hatte, wie es
scheint, der makedonische König seine Hand im Spiel, wie man in der Forschung öfter annimmt.
3.2. Perdikkas II (452-413 v.Chr.)
Die Probleme der Innenpolitik, die sich aus der großen territorialen Ausdehnung des makedonischen Königreichs zur Zeit Alexanders I. ergaben, traten nur wenige Jahre nach seinem
ungeklärten Tode zu Tage, als Makedonien von seinem Sohn Perdikkas regiert wurde (452413 v.Chr.): Dynastische Konflikte im Könighaus, separatistische Bewegungen der Fürsten
der obermakedonischen Stämme, Einmischungen von Athen und Sparta, im Lauf des Peloponnesischen Krieges, aber auch der Einfall der thrakischen Odryser machen das Bild der
politischen Geschichte während der etwa vierzigjährigen Herrschaft von Perdikkas aus.
Alle diese Schwierigkeiten hat Perdikkas, wie in der Forschung allgemein angenommen
wird, überwinden können – dank seines Durchhaltungsvermögens und seiner politischen
Geschicklichkeit. So gelang es ihm, sich gegenüber seinen zwei Brüdern durchzusetzen, die
ihm den Thron streitig machten, und denen sein Vater einen Teil des Staatsgebietes überlassen hatte; gegenüber Athen und Sparta verfolgte er eine geschickte Politik, indem er sich mal
mit der einen, mal mit der anderen Macht verbündete, um so die Unabhängigkeit des Staates
zu wahren. Dies gilt jedoch insbesondere für Athen, das Makedonien von sich abhängig machen wollte, da es sich aus Makedonien das Holz brauchte, einen wichtigen Rohstoff, auf dem
seine Macht beruhte.
Diese wechselnden Positionen in der Haltung von Perdikkas in seinen Beziehungen mit
Athen während des Laufes des Peloponnesischen Krieges sind auch in anderer Hinsicht interessant, nämlich um das politische Geschick dieses Makedonenkönigs festzustellen, das
freilich in zahlreichen Fällen nicht dazu ausreichte, um die nachvollziehbaren Schwächen
Makedoniens als einer aufkommenden Macht zu überwinden. Am schwierigsten war die
Überwindung der Krise, die im J. 429 beim Einfall des Odrysenkönigs Sitalkes eintrat: der
thrakische König konnte dabei einen grossen Teil des Landes plündern und bis Anthemus einrücken (Thukydides $$ 100), offensichtlich deshalb weil Makedonien noch nicht über eine
ausreichende militärische Stärke verfügte. Dies zeigte sich auch später beim Feldzug, den
Perdikkas gemeinsam mit dem spartanischen König Brasidas im Jahr 423 v.Chr. gegen die
Lynkesten unternahm, für den Perdikkas illyrische Söldner eingestellt hatte; der Feldzug
scheiterte wegen des Verrats der illyrischen Söldner (Thukydides IV 124-125). Doch die Art
und Weise, wie sich Perdikkas II. mit dem Neffen des thrakischen Königs Seuthes verbündete
(indem er seine Schwester Stratonike zur Frau gab, Thukydides $$ 101. 6) und so den Abzug
des Sitalkes aus Makedonien bewirkte, stellt ein Beispiel für sein politisches Geschick dar.
3.3. Archelaos (413-399 v.Chr.)
Die politischen Umstände, die sich in Südgriechenland während der letzten Phase des Peloponnesischen Krieges mit der Schwächung Athens nach der Katastrophe des SizilienFeldzugs und schließlich der Niederlage Athens herausgebildet hatten, insbesondere jedoch
die Präsenz eines fähigen Monarchen in Makedonien, waren die Gründe für den beträchtlichen Fortschritt, der sich in diesem Zeitraum insbesondere in der inneren Organisation, aber
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DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
auch in anderen Bereichen vollzog. Der fähige Monarch war Archelaos, den Platon als einen
grausamen Tyrannen (Gorgias, 471 c-d, Alkibiades, II, 141 d, 7), Thukydides dagegen als
einen tatkräftigen Herrscher bezeichnet hat. Für die Infrastruktur des Landes (Festungen und
Straßen) sowie für die Ausrüstung und sonstige Organisation des Heeres (Fuß- und Reitertruppen) habe, so der Historiker, Archelaos mehr als alle der acht früheren makedonischen
Könige geleistet ($$ 100.2). Doch worin diese Verbesserung der Kampfesstärke des makedonischen Heeres beruht, ist nicht hinreichend bekannt. Dass es sich dabei vor allem um die
Schaffung von Einheiten schwerbewaffneter Hopliten handelte, wie in der neueren Forschung
angenommen wird, ist eine plausible Hypothese. Eine derartige Verstärkung war nämlich unbedingt notwendig nach der schmerzlichen Erfahrung beim Einfall des Sitalkes (s.o.).
Archelaos, ein unehelicher Sohn von Perdikkas II., der jedoch schon früh als
rechtmäßiger Sohn anerkannt wurde(Platon, Gorgias, 471a, Ailian, Varia historia XII 43),
kam nach der Beseitigung verschiedener Kronprätendenten im Jahr 413 v.Chr. an die Macht.
In seiner (relativ kurzen) Regierungszeit von 13 Jahren (er fiel im Jahre 399 v.Chr. einer
Verschwörung mit persönlichen und politischen Motiven zum Opfer) verfolgte und, bis zu
einem gewissen Grade, erreichte er, abgesehen von der Verstärkung der Kampfkraft des
Landes, noch drei weitere Ziele: die Verbesserung der Verwaltung (parallel mit der Verstärkung der Königsmacht), die Ausweitung seiner Einflusssphäre und außerhalb
Makedoniens die kulturelle Entwicklung, all dies mit der Perspektive, dass Makedonien in
naher Zukunft zu einer bedeutenden Macht aufsteigen könnte, die in der griechischen Politik
eine entscheidende Rolle spielen sollte.
Archelaos hat bekanntlich die Hauptstadt des Reiches von Aigai nach Pella in ziemlicher Nähe am thermaischen Golf verlegt (vgl. dazu Hatzopoulos, "Strepsa", 42-43). Auf
diplomatische Weise verhinderte er die Koalition der Fürsten von Elimeia und Lynkestis Sirrhas und Arrhabaios - indem er dem ersteren seine Tochter zur Frau gab (Aristoteles, Politik, 1311b 13-14). Mit der Unterstützung der Athener (die zwecks der Lieferung von Holz
dringend auf ein gutes Verhältnis mit ihm angewiesen waren) nahm er Pydna ein (im Jahr 410
v.Chr.). Und einem Hilfegesuch der Aleuaden (der Aristokraten von Larisa) gegen ihre politischen Gegner folgend fiel er in Thessalien und nahm er Larisa ein (aus dem er sich jedoch
wieder zurückzog nachdem die Aleuaden die Oberhand gewonnen hatten), hielt aber Perrhaibia weiterhin unter seiner Herrschaft.
Das Ansehen, das Makedonien als politische Macht in Südgriechenland erworben hatte,
zeigt – vielleicht mehr, als alles andere - die Tatsache, dass die Athener mit einem Volkbeschluss aus dem Jahre 407/6 v.Chr. Archelaos als Proxenos und Euergetes ehrten, wobei sie
nachdrücklich auf den Export von Holz hinwiesen, den der makedonische König genehmigte
und mit dem sie ihre neue Flotte bauten(IG I3 117, SEG X 138). Die Bedeutung dieses Beschlusses ist leicht zu erkennen, wenn man bedenkt, dass die Athener nach dem Verlust von
Amphipolis (421 v.Chr.) keinen eigenen Zugang mehr in Makedonien für die Beschaffung
von Holz hatten und somit vom Willen des Makedonenkönigs abhingen. Einige Jahre zuvor
waren sie es gewesen, die Perdikkas ihre Bedingungen aufgezwungen hatten (426/5 v.Chr. bei
der Regelung der Beziehungen mit Methone und 423/422 im Symmachievertrag bezüglich
des Monopols auf Holzlieferung IG I3, 89).
In dem einzigen Fragment aus der Rede „Für die Larisaier“ (um 400 v.Chr.) bezeichnete
der Redner Thrasymachos aus Chalkedon, ein politischer Gegner der Aleuaden und von Archelaos, den makedonischen König als „Barbaren“ („Werden wir als Hellenen Sklaven des
Archelaos sein, eines Barbaren?“), H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Berlin 19526,
85, B2 ). Die Voreingenommenheit, die sich in diesem Ausspruch des antiken Redners manifestiert, ist ebenso evident, wie auch das Vorurteil einiger moderner Autoren, welche die
ILIAS K. SVERKOS
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griechische Abstammung der Makedonen bestreitend sich (u.a.) auf diese Worte berufen.
Eben dieses Vorurteil zeigt sich auch in der Bewertung der Leistung des makedonischen
Königs, auf die später eingegangen wird (Teil I$$).
3.4. Die große Krise (399-359 v.Chr.)
In den 40 Jahren zwischen dem Tod von Archelaos (399 v.Chr.) und der Thronbesteigung von
Philipp II. (360 v.Chr.) erlebte das makedonische Königreich die größte Krise seiner
Geschichte. Manche Seiten dieser Krise sind unzureichend bekannt oder sogar völlig unbekannt, da die uns verfügbaren Informationen (vornehmlich aus literarischen Quellen) des 4.
Jh. v.Chr. oder aus viel späterer Zeit in zahlreichen Fällen als problematisch zu bewerten
sind. Dennoch zeigen sich auf der Basis dieser Informationen drei Hauptaspekte der Krise: die
politische Labilität wegen der Konflikte im Könighaus, die zum Sturz bzw. die Ermordung
des regierenden Königs führte ist der erste; durch diesen bedingt sind die Interventionen der
Mächte Südgriechenlands zu Gunsten der einen oder der anderen Seite und die Expansionspolitik von Olynth im zentralen Teil des Reiches sowie die Einfälle der Illyrer. Gerade
letzteres zeigt am deutlichsten den Ernst der Krise.
Die politische Labilität verrät die Liste der Könige dieser Zeit, die (mit einigen Abweichungen) von Chronographen der byzantinischen Zeit überliefert wird: Orestes
(minderjähriger Sohn des Archelaos): 399-398/7 v.Chr., Aeropos (ursprünglich der Vormund
von Orestes): 398/7-395/4 v.Chr., Pausanias (Sohn des Aeropos) und Amyntas II., der
sogenannten „Kleine“: 394/3 v.Chr., Amyntas III. : 394/3-370 v.Chr., Argaios: 393/392
v.Chr., Alexander II. (Sohn Amyntas III.): 370-369 v.Chr., Ptolemaios Alorites (Vormund):
368-365 v.Chr., Perdikkas III. (Sohn Amyntas III.) : 365-360 v.Chr.
Von diesen Königen fanden (gemäß zuverlässigen Quellen) durch die Initiative ihrer
jeweiligen Nachfolger vier ein gewaltsames Ende: Pausanias, Amyntas II., Alexander II., und
Ptolemaios Alorites. Mit Ausnahme von Amyntas III. und Perdikkas III., die für 24 bzw. 6
Jahre regierten, schwankt die Regierungszeit der anderen zwischen einigen Monaten und vier
Jahren. Eine Bleidose, wahrscheinlich aus Vergina, mit der Inschrift „ARGEION PAIS“
(Kind der Argeaden) (SEG XLI 580) ist möglicherweise im Zusammenhang mit den Zusammenstößen der Königskinder während der 1. Hälfte des 4. Jh. v.Chr. und den ZaubereiPraktiken, die zur Auslöschung der Gegenspieler verwendet wurden, zu sehen. Parallel zu
dieser Labilität ging, wie erwähnt, die Bedrohung von außen.
Da der König Amyntas III. -dessen Fähigkeiten Isokrates preist (Archidamos, 46)wegen der Erhebung des Kronprätendenten Argaios, nicht in der Lage war, den Angriff der
Illyrer abzuwenden, suchte er die Hilfe Olynths, wobei er beträchtliche territoriale
Zugeständnisse im mittleren Teil des Staates machten musste. Die Hilfe wurde ihm nicht
gewährt, die Illyrer zogen sich zurück, nachdem ihnen eine beträchtliche Summe Geld gezahlt
wurde, und Argaios wurde mit der Unterstützung der Thessalier vertrieben (382 v.Chr.). Von
der Einsicht geleitet, dass Olynth (oder genauer gesagt der Chalkidische Bund) eine ernsthafte
Gefahr für die Existenz des Königreichs darstellte, der es unter diesen Bedingungen mit
seinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht begegnen konnte, wandte sich Amyntas an
Sparta. Gemäss der Autonomie-Klausel des Antalkidas-Friedens von 386 v.Chr., intervenierte Sparta noch im selben Jahr (382 v.Chr.) und löste nach drei Jahren (379 v.Chr.) den
Chalkidischen Bund auf. Doch nach der Gründung des 2. Attischen Bundes (377 v.Chr.) und
insbesondere nach dem Sieg der Athener über die Spartaner in der Seeschlacht von Naxos
(376 v.Chr.) war diejenige Macht, welche die Möglichkeit – sowie auch das Interesse – an
einer Intervention in Makedonien gehabt hätte, Athen. Ab dem Jahr 371 v.Chr., also nach
seinem Sieg über Sparta bei Leuktra, war es auch Theben.
42
DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
Einige Jahre später als nach dem Tod des Amyntas eine neue Krise ausbrach, kam es
dazu, dass beide Mächte in Makedonien intervenierten (Sommer des Jahres 370 v.Chr.).
Gegen den jungen Alexander wandte sich als Kronprätendent ein gewisser Pausanias. Damals
rief die Königsmutter Eurydike ( die aus dem Königshaus der Bakchiaden von Lynkestis
stammte und gemäß einer unzuverlässigen und wahrscheinlich skandal-gierigen geschichtlichen Überlieferung (Iustin, Epit. VII.4.7-5.8) zusammen mit dem Ehemann ihrer Tochter
Eurynoe, Ptolemaios Alorites, die Ermordung ihres Sohnes und möglichen Königs Alexander
III. organisierte (369 n.Chr.) ( den athenischen Feldherrn Iphikrates aus Amphipolis zur
Hilfe, der Pausanias vertrieb (Aischines, Über die Truggesandtschaft, 26-29). Die Intervention Alexanders im darauf folgenden Jahr in Thessalien (auf Bitte der Aleuaden von Larisa)
und der anschließende Feldzug der Thebaner unter Pelopidas führten zu einem
Friedensschluss mit Theben aufgrund dessen (u.a.) selbst der junge Bruder Alexanders (und
späterer König) Philipp als Geisel geliefert werden musste. Nach der Ermordung von Alexander und der Machtübernahme durch Ptolemaios Alorites (als Vormund für Perdikkas III.)
wurde Theben zeitweilig zu einem bestimmenden Faktor in der makedonischen Innenpolitik.
Die feindliche Haltung des Ptolemaios gegenüber den Athenern (wegen deren Ansprüche in
Amphipolis) ausnützend, schlossen die Thebaner ein Bündnis, wobei sie gleichzeitig als
Geisel in Theben auch den Sohn des Alorites Philoxenos mitnahmen.
Seit der Zeit Amyntas III., als die Illyrer gegen die Zahlung eines Geldbetrags abzogen,
war Makedonien dem Nachbarstamm tributpflichtig geworden. Um dieser demütigenden
Situation ein Ende zu setzen, unternahm König Perdikkas III. einen Feldzug gegen sie. In der
entscheidenden Schlacht (360 v.Chr.) fielen er selbst sowie 4.000 Makedonen (Diodor, XVI
2, 4-5). Durch die schmerzliche Niederlage kam die Krise zu ihrem höchsten Punkt: ein beträchtlicher Teil von Obermakedonien fiel an die Illyrer, die Paionen fielen in das Land ein,
während drei Kronprätendenten (Pausanias, der von Ptolemaios Alorites vertrieben worden
war, Argaios, der für einen kurzen Zeitraum von Amtyntas III. verdrängt worden war, und ein
gewisser Archelaos, der älteste Sohn des Amyntas III. aus seiner ersten Ehe) um die Macht
kämpften. In dieser äußerst kritischen Situation war es ein wahrer Glücksfall, dass die
Regierung des Landes der 22-jährige Philipp, Sohn Amyntas III., als Vormund des minderjährigen Thronfolgers Amyntas übernahm. Denn er ist es gewesen, der nicht nur Makedonien
vor der drohenden Auflösung, gerettet, sondern auch den historischen Lauf dieses Landes,
aber auch den Lauf der gesamten griechischen Geschichte geändert hat.
3.5. Philip II (360-336 v.Chr.)
Der Aufstieg Makedoniens aus einem Zustand der politischen Labilität (und der damit verbundenen Abhängigkeit) zu führenden griechischen Macht stellt als historische Leistung
bekanntlich eines der typischsten Beispiele für die entscheidende Rolle der großen Persönlichkeit an der Geschichte dar. Klare politische Ziele, ein unermüdlicher Einsatz für ihre
Erreichung, Organisationstalent, ein geschicktes politisches Verhalten (gegenüber Untertanen
und Gegnern), geistige Wendigkeit (der es auch nicht an Humor fehlte), sind die unbestreitbaren Eigenschaften Philipps, die von einer großen Persönlichkeit Eigenschaft zeugen unbestreitbar auch aus dem Grund, dass diese selbst sein Erzfeind Demosthenes auf seine
eigene Art und Weise eingesteht. Bezeichnend genug ist es auch, dass der zeitgenössische
Historiker Theopomp aus Chios (in seinem leider nicht erhaltenen Werk „Makedonika“)
Philipp als den bedeutendsten Mann Europas charakterisiert hat. (FGrH 115 F27), ein Urteil
das bemerkenswerterweise der Historiker des 2. Jh. v.Chr. Polybios zustimmend zitiert
(VIII.9, 1): „Niemals hat Europa einen solchen Mann hervorgebracht, wie Philipp, den Sohn
des Amyntas".
ILIAS K. SVERKOS
43
Makedonien sollte und konnte (dank seinen materiellen Vorzügen sowie seinem Menschenpotential) zu einer starken Macht werden, erstens, um in der Zukunft effektiv die
Einfälle benachbarter Stämme abwehren zu können (mit denen es schmerzliche Erfahrungen
gemacht hatte) und zweitens um nach der Auflösung des Chalkidischen Bundes und der
Eingliederung der Städte Pydna und Methone (die sich im zentralen Teil des Landes befanden) sowie von Amphipolis (im Jahr 357 v.Chr.) jene innere Konsolidierung zu haben, durch
welche es in Südgriechenland eine führende Rolle spielen könnte; eine führende Rolle die die
politische Schwäche der griechischen Stadtstaaten ermöglichte, um nicht zu sagen erforderlich machte. Denn wegen dieser Schwäche war eben der persische Monarch zu einem
bestimmenden Faktor in der griechischen Politik geworden und als solcher sogar von den
Griechen durch den Frieden des Jahres 386 anerkannt. Diese drei, nach den damaligen Erfahrungen durchaus realistische Ziele, bestimmten in der oben angeführten Reihenfolge das
Handeln Philipps während der 24 Jahre seiner Regierungszeit.
Seine Führungsqualitäten zeigte Philipp sofort im Jahr der großen Krise (360/359
v.Chr.): er erreichte den Rückzug der Paionen gegen die Zahlung eines Geldbetrags, und auf
die gleiche Weise bewog er auch die Thraker dazu, von ihrer Unterstützung für einen der drei
Kronprätendenten (Pausanias) Abstand zu nehmen (Diodor XVI 3, 4); einen anderen (Archelaos) ließ er festnehmen und töten, den dritten (Argaios), der mit der Hilfe der Athener in
Makedonien einfiel (und von Methone bis nach Aigai kam) (Diodor XVI 3, 5-6) besiegte er in
einem Überraschungsangriff. Mit einer starken Streitmacht von 600 Reitern und 10.000
Fußsoldaten fiel er ein Jahr später in Illyrien ein (Diodor, XVI 4, 3) und wurde durch einen
strategisch bedeutenden Sieg zum Herr des gesamten Obermakedonien, was zur Folge hatte,
dass die makedonischen Stämme dieser Region dem makedonischen Staat eingegliedert werden konnten (Diodor XVI. 4,7· 8, 1). In einem Zeitraum von weniger als zwei Jahren hatten
sich die Ausdehnung und die Bevölkerung des Königreichs verdoppelt. Zwei Jahre später
(356 v.Chr.) wurde Philipp (mit der Einwilligung von Amyntas, der sich ins Privatleben
zurückzog) zum König ausgerufen.
Durch die erfolgreichen Feldzüge der folgenden zwanzig Jahre und während Philipp
bereits den Kampf gegen Athen aufgenommen hatte, hat sich die makedonische Dominanz im
größten Teil der Balkanhalbinsel etabliert: die direkte Abhängigkeit der Paionen (seit dem
Jahr 356 v.Chr.) vom makedonischen Staat (später nahmen sie auch am Feldzug Alexanders
des Großen teil); die Gründung von Herakleia (heutiges Monastir) in Lynkestis (344 v.Chr.),
von Philippoi (356 v.Chr.) und Philippoupolis (342/1 v.Chr.), die Ausdehnung des makedonischen Einflussbereichs auf die Küstenzone von Thrakien bis zum Hellespont (351 v.Chr.);
die Einnahme von Olynth (348 v.Chr.), die Siege über die Skythen und Triballen während des
Donaufeldzugs (339 v.Chr.) sind die markantesten Ereignisse für diesen Aufstieg: einen Aufstieg der von einem Volk mit der Energie und dem Selbstvertrauen erreicht wird, die eine
führende Persönlichkeit mit sich bringt (so dass sie auch an allen Strapazen des Krieges
teilnimmt. Mit der Thronbesteigung von Philipps Schwager Alexander (Bruder seiner Frau
Olympias) im Jahr 342 v.Chr. und mit dem Sieg über die Phoker in gleichen Jahr, erstreckte
sich der makedonische Einflussbereich von den Küsten der Adria bis zum Hellespont und von
der Donau bis zu den Thermopylen. Vier Jahre später wurde Makedonien mit dem Sieg von
Chaironeia (im September des Jahres 338) über die Athener und Thebaner zur Führungsmacht
Griechenlands. Dies war die zu erwartende Konsequenz der Erfolge Philipps, die nach der
Auffassung des Makedonenkönigs sowie der makedonenfreundlichen Partei in Athen (seit
dem Jahr 346 v.Chr.) ohne diesen Krieg hätte zustande kommen können. Der Krieg gegen
Makedonien ist vor allem auf die gegenteilige Auffassung zurückzuführen, die von der antimakedonischen Partei vertreten und durch das rhetorische Talent ihres bedeutendsten Repräsentanten, Demosthenes, propagiert wurde.
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DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
Nach dieser Auffassung sollte Athen seine Führungsposition in der griechischen Politik
zurückerlangen, die es eineinhalb Jahrhunderte zuvor, dank seinen Verdiensten bei den Perserkriegen erreicht hatte, entgegen den in der ersten Hälfte des 4. Jhs. geschaffenen
Realitäten, d.h. der durch die Niederlage im Peloponnesischen Krieg verursachten
Schwächung der Stadt, einerseits, dem Aufstieg Makedoniens durch Philipps wirken, andererseits: Dank der vom Makedonenkönig durchgeführten Umstrukturierung des Heeres
(Einführung des allgemeinen Wehrdienstes, Schaffung der mit Sarissen bewaffneten Hopliten-Phalanx, Verbindung verschiedener Waffenarten, Auswahl von fähigen
Führungspersönlichkeiten aus allen Regionen des Landes), den materiellen Ressourcen des
Landes und dem Selbstvertrauen des Volkes gehörte diese Führungsrolle der aufstrebenden
griechischen Macht im Norden.
Doch wenn Demosthenes und seine Gesinnungsgenossen den unnachgiebigen Widerstand vertraten, so gab es in ihrer Konzeption auch einen realistischen Gedanken der auf der
Kenntnis der früheren Geschichte Makedoniens beruhte: Wenn es seinen Aufstieg einem
fähigen König verdankte und der makedonische König häufig einer Ermordung zum Opfer
fiel, dann sollten die Athener mit der Hoffnung auf ein derartiges Ereignis, das zu einer
Schwächung des Landes geführt hätte, den Kampf mit allen Mitteln fortsetzen. Aus diesem
Grund erschien auch Demosthenes auf die Nachricht von der Ermordung Philipps (336
v.Chr.) im weißen Gewand, obwohl kurz zuvor seine Tochter gestorben war (Aischines,
Gegen Ktesiphon, 77, Plutarch, Demosthenes, 22.1-2.). Doch weder er selber noch irgendjemand anderer konnten freilich vorsehen, dass der Nachfolger Philipps sich als eine der
größten Persönlichkeiten der Geschichte erweisen sollte.
Freilich war diese Politik des unnachgiebigen Widerstandes keine Lösung für die politische Krise der griechischen Welt des 4. Jahrhunderts. Eine konstruktive Lösung war
vielmehr das Konzept des „Hellenischen Bundes“ (Koinon ton Hellenon), den Philipp nach
der Schlacht von Chaironeia während der Konferenz von Korinth (337 v.Chr.) begründete.
Führungsmacht – in politischem und militärischem Sinne – sollte Makedonien sein, kulturelles Zentrum Athen (das außerdem auch seine Seemacht beibehielt), und die anderen
Stadtstaaten sollten weiterhin ihre Autonomie behalten. An diesem „Hellenischen Bund“
nahmen auch die Städte Kleinasiens teil, die in einem panhellenischen Feldzug von der
Herrschaft der Perser befreit werden sollten, ein politisches Ziel das ebenfalls auf der Konferenz von Korinth verkündet wurde. Trotz der unter Alexander dem Großen erfolgten
andersartigen politischen Entwicklungen stellte dieser „Hellenische Bund" (als organisatorisches Modell) für die späteren makedonischen Könige einen wichtigen Bezugspunkt für
ihre Politik in Südgriechenland dar.
3.6. Makedonien vom Beginn des Feldzugs Alexanders des Großen bis zum
Ende der Diadochenkämpfe (335-277 v.Chr.)
3.6.1. Antipater (335-319 v.Chr.), Kassander (319-297 v.Chr.), Demetrios
Poliorektes (294-287 v.Chr. ), Lysimachos (287-281 v.Chr.)
Die Regierung des Landes übernahm während des Alexanderzuges im Osten als Reichsverweser Antipater, einer der beiden Feldherrn und Freunde Philipps (der andere war Parmenion)
die Alexander bei der Thronbesteigung unterstützt haben. Antipater hatte einen doppelten
Auftrag: die von Philipp in Griechenland etablierte Ordnung gegen jegliche eventuelle antimakedonische Bewegung zu bewahren und die während des Feldzugs erforderlichen
Nachschubtruppen bereitzustellen. Die einzige antimakedonische Bewegung kam aus Sparta
unter König Agis; sie wurde durch den Sieg von Antipater in der Schlacht von Megalopolis
(331 v.Chr.) leicht abgewehrt. Schwierig zu bekämpfen war der von Athen organisierte Aufstand (bekannt als „Lamischer Krieg“) nach dem Tode Alexanders des Großen (323/322
ILIAS K. SVERKOS
45
v.Chr.), der von Antipater mit der Hilfe der Feldherren Alexanders, Krateros und Leonnatos,
niedergeschlagen wurde. Diesen zum Scheitern verurteilten Krieg haben Athen mit der Zerstörung seiner Flotte (in der Seeschlacht von Amorgos) und einer im oligarchischen Sinne
durchgeführten Verfassungsänderung und Demosthenes mit seinem Leben bezahlt. Um die
Festnahme zu entgehen, beging er Selbstmord (322 v.Chr.).
In den etwa 44 Jahren zwischen dem Tode Antipaters (319 v.Chr.) und der Thronbesteigung von Antigonos Gonatas (277 v.Chr.) erlebte Makedonien die zweite schwere Krise
seiner politischen Geschichte mit all den damit verbundenen Verlusten. Das Land, dessen
König und Heer lediglich ein Jahrzehnt zuvor mit der Auflösung des persischen Reiches die
politische Karte der antiken Welt grundlegend geändert hatten, litt mehr als jedes andere unter
den Kriegen, die zwischen den makedonischen Feldherrn und ehemaligen Kriegskameraden
ausgetragen wurden.
In der ersten Phase dieser Kriege, während des Zusammenstoßes zwischen Polyperchon, einem alten Strategen Alexanders des Großen (der von Antipater als Reichsverweser
eingesetzt wurde, sich jedoch als politisch unfähig erwies) und Kassander, dem Sohn Antipaters, wurden in einem Zeitraum von lediglich 11 Jahren die gesamte königliche Familie
ausgerottet: zuerst der rechtmäßige König Philipp IV. Arridaios und seine Frau Eurydike auf
Antrieb der Mutter Alexanders des Großen, Olympias, die auf der Seite von Polyperchon
stand (319 v.Chr.); danach Olympias (die Kassander, der Makedonien seit 319 v.Chr. regierte,
in Pydna einschloss, und durch einen Beschluss Heeresversammlung zum Tode verurteilen
ließ (316 v.Chr.); Kassander ließ auch sechs Jahre später die Frau Alexanders des Großen,
Roxane, und seinen Sohn, Alexander IV., wegen ihrer Rechte auf den Thron töten; aus dem
gleichen Grund wurde kurz danach von Polyperchon –auf Antrieb Kassanders- auch Herakles,
der Sohn Alexanders aus seiner Ehe mit der Perserin Barsine getötet, sowie seine Mutter
selbst (309 v.Chr.).
Eine politische Stabilität herrschte in Makedonien dagegen während der Regierungszeit
des – zweifelsohne fähigen - Kassander (319-297 v.Chr.). Aus politischen Gründen heiratete
er die Halbschwester Alexanders des Großen, Thessalonike, deren Namen er der von ihm in
der Bucht des thermaischen Golfes gegründeten Stadt gab (316/5 v.Chr.) Die Gründung von
Thessalonike und von Kassandreia (an der Stelle von Potidaia) verrät seinen politischen
Weitblick. Erfolgreich verlief auch sein Feldzug gegen die Illyrer. Dem Beispiel der anderen
Diadochen folgend nahm Kassander (306 v.Chr.) den Titel des Königs an. Inzwischen hatte er
aber einen Teil seines Einflusses in Südgriechenland an Demetrios Poliorketes, Sohn des
Antigonos („Monophtalmos“/ der Einäugige), der in Kleinasien herrschte, verloren. Nach
seinen Erfolgen in Südgriechenland, in deren Rahmen er den „Hellenischen Bund“ neuzubeleben versuchte (303/2 v.Chr.) konnte Demetrios Poliorketes nach dem Tode Kassanders auch
König von Makedonien werden.
Dies gelang ihm dank dem zwischen den zwei jüngeren Söhnen von Kassander, Antipater und Alexander, ausgebrochenen Konflikt der nach der kurzen Regierungszeit (von
lediglich einigen Monaten) des älteren Sohnes und rechtmäßigen Nachfolgers von Kassander,
Philipp IV. (297 v.Chr.), begann. Der Konflikt wurde durch die Weigerung von Antipater, der
von seiner Mutter Thessalonike vorgeschlagenen Teilung des Königreiches zuzustimmen,
ausgelöst. Thessalonike wurde von Antipater ermordet, der nur wenig später zu Lysimachos,
dem König von Thrakien, floh, nachdem Alexander zuvor Demetrios Poliorketes und Pyrrhos
um Hilfe gebeten hatte. Nach dem Abzug von Pyrrhos (welcher vorher für sich Akarnanien,
Tymphaia und Ambrakia als Entlohnung für seine Intervention bekam) erschien Demetrios
Poliorketes. Da seine Anwesenheit in Makedonien nicht mehr erforderlich war, nahm er den
Rückweg nach Südgriechenland, in Larisa ermordete er aber Alexander der ihn bis dort beg-
46
DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
leitet hatte, und ließ sich unmittelbar danach zum König von Makedonien ausrufen (294/3
v.Chr.). Das despotische Verhalten von Demetrios und sein ausschweifendes Privatleben
stießen in der Bevölkerung auf Ablehnung, was Pyrrhos und Lysimachos dazu veranlasste,
sich gegen ihn zu verbünden und in Makedonien einzufallen. In Berhoia ging das Heer von
Demetrios zu Pyrrhos über. Demetrios sah sich gezwungen, aus Makedonien zu fliehen, und
das Land wurde zwischen Pyrrhos und Lysimachos aufgeteilt. Als König von Makedonien
wird für die folgenden sechs Jahre (287-281 v.Chr.) Lysimachos (auf dessen Auftrag Antipater ermordet worden war) angeführt.
3.6.2.
Ptolemy Keraunos: Der Einfall der Kelten (280-278 v.Chr.)
Das dramatische Abenteuer beginnt im Jahr 281 v.Chr. nach der Niederlage und dem Tode
von Lysimachos bei Kouropedion in Kleinasien. Der siegreiche Seleukos überschritt den
Hellespont mit Makedonien, seiner Heimat, als Ziel, wurde jedoch von Ptolemaios Keraunos
(„Der Blitz“) (Sohn von Ptolemaios I., dem König von Ägypten, aus seiner Ehe mit Eurydike,
Tochter von Antipater und Schwester von Kassander), ermordet, der nach dem Bruch mit
seinem Vater wegen der Frage der Nachfolge bei Seleukos lebte. Mit der Unterstützung des
Heeres (die darauf zurückzuführen ist, dass Keraunos den Tod des Lysimachos gerächt hatte)
wurde er zum König von Makedonien (280 v.Chr.) ausgerufen. Wenige Monate später fielen
die Kelten in Makedonien ein. Auf die schwere Niederlage (in der Keraunos getötet wurde)
folgte eine lange Bewährungsprobe für das Land, die etwa zwei Jahre dauern sollte: die Verheerungen des Landes durch die Kelten konnte der Feldherr Sosthenes (der sich geweigert
hatte, König zu werden) nur begrenzt verhindern. Nach seinem Tod versank das Land in eine
völlige Anarchie (mit vier Kronprätendenten), der erst Antigonos Gonatas (Sohn des Demetrios Poliorketes) mit seinem Sieg über die Kelten bei Lysimacheia (in Thrakien) (277
v.Chr.) ein Ende setzte; Gonatas hat sich durch diesen Sieg, sowie durch seinen Leistungen
während seiner langen Regierungszeit, als einer der fähigsten Könige Makedoniens erwiesen.
3.6.3.
Antigonos Gonatas (277-239 v.Chr.)
Antigonos Gonatas (die Herkunft seines Beinamens ist nicht bekannt) regierte 38 Jahre (von
277 bis 239 v.Chr.). Während dieser Zeit stellte Makedonien eine der drei Großmächte der
hellenistischen Zeit dar (neben dem Seleukidischen und Ptolemäischen Ägypten). Das war in
erster Linie eine Leistung von Gonatas; man wird sie besser einschätzen können, wenn man
bedenkt, dass diese Wiederstärkung Makedoniens nach den großen Verlusten an Menschenpotential; welche das Land während des Alexanderfeldzuges und –vor allem- der
Diadochenkriege erlitten hatte besondere Fähigkeiten seitens des Königs erforderte; das
gleiche gilt für die Wiederherstellung des Einflusses in Südgriechenland und das damit verknüpfte (allerdings labile) „Gleichgewicht der Mächte“, von dem man in der
Geschichtsdarstellung über jene Zeit spricht.
Zum Beginn seiner Regierungszeit bemühte sich Antigonos Gonatas die Ordnung im
Inneren wiederherzustellen (unter anderem auch mit der Beendigung des tyrannenartigen Regimes, das ein gewisser Apollodoros in Kassandreia errichtet hatte) und brachte Thessalien
und Paionien, wo er (in der Nähe des Axios) die Stadt Antogoneia gründete (Stephanos Byzantios, Antigoneia, siehe F. Papazoglou, Les Villes, 324), erneut unter makedonische
Herrschaft. Wenig später wurde allerdings er während eines neuen Einfalls von Pyrrhos in
Makedonien besiegt (275/4 v.Chr.). Pyrrhos nahm sogar die alte makedonische Hauptstadt
Aigai ein, wo keltische Söldner die Gräber der makedonischen Könige plünderten (Diodor,
XXII.12, Plutarch, Pyrrhos, XXVI 6) – eine Zerstörung, mit der auch der Zustand der Grabhügel in Verbindung gebracht wird, die über die Region des großen Grabhügels („Megale
ILIAS K. SVERKOS
47
Toumpa“) gefunden wurden. Keltische Söldner verwendete freilich auch Antigonos, im
Wesentlichen stützte er sich jedoch auf die Flotte, mit der er Thessalonike und andere Küstenstädte in seiner Gewalt behielt.
Die Rolle der Großmacht sollte Makedonien unter Antigonos Gonatas spielen, als die
von den Einfällen des Königs von Epirus ausgehende Gefahr wegfiel. Nach dem Tode von
Pyrrhos in Argos (272 v.Chr.) ging das Heer des Koenigs von Epirus zu Antigonos über und
damit wurde der makedonische Einfluss in Südgriechenland wiederhergestellt. Mit dem
Realismus, durch den er sich auszeichnete (und den auch die Umstände erforderlich machten),
respektierte Antigonos die Unabhängigkeit von Epirus indem er als dessen König den ältesten
Sohn von Pyrrhos anerkannte. Für die Sicherung seines Einflusses in Südgriechenland ließ er
makedonische Truppen nur in den drei strategisch bedeutenden Städten (Demetrias, Korinth
und Chalkis) stationieren. Die Autonomie der Städte respektierte er ebenfalls, mit Ausnahme
von Fällen wo er indirekt tyrannische Regime unterstützte, sofern dies auf Grund der lokalen
Verhältnisse erforderlich war. Mit seinem Sieg im so genannten Chremonideischen Kriegs
(267-261 v.Chr.) gegen Athen und Sparta (IG II2 686+687), die von Ptolemaios II.
Philadelphos unterstützt wurden, und dem Sieg gegen letzteren in der Seeschlacht bei Kos
(wahrscheinlich 255 v.Chr.) schien der makedonische Einfluss in Südgriechenland gefestigt
zu sein.
Doch die sich anschließenden Entwicklungen entsprachen nicht diesem Eindruck. Nach
dem Einfall des Königs von Epirus in Obermakedonien (der von Demetrios, dem Sohn von
Antigonos, abgewehrt wurde) und der Erhebung von Alexander, dem Neffen des Antigonos,
in Südgriechenland (249-245 v.Chr.) war Makedonien vor allem wegen des Mangels an
Streitkräften nicht in der Lage, der politischen Dynamik der Bildung von den Bundesstaaten
(mit der ideologischen Ablehnung der Monarchie, die diese Dynamik kennzeichnete) erfolgreich entgegenzutreten: im Jahr 243 v.Chr. brachte Aratos aus Sikyon, Sohn eines
politischen Freundes von Antigonos, durch Verrat Korinth zum Abfall, das zu einem Mitglied
des Achaiischen Bundes wurde (246-241 v.Chr.). Die von Antigonos eingesetzte Besatzung
der Stadt, welche sie an Aratos übergab, bestand aus Söldnern aus Syrien, die sich nach den
Siegen von Ptolemaios III. gegen Seleukos II. im 3. Syrischen Krieg (246-241 v.Chr.) gegen
den König von Makedonien stellten (Antigonos Gonatas war seit 276 v.Chr., als er die
Schwester von Antiochos II, Phila, heiratete, ein Verbündeter der Seleukiden).
Antigonos Gonatas starb im Jahr 239 v.Chr. in einem Alter von 80 Jahren, nachdem er
zuvor seinen Sohn Demetrios zum Nachfolger bestimmt hatte. In der griechischen, bzw. der
europäischen Geschichte ist er vor allem für seine Auffassung bekannt, die er von der königlichen Macht (und allgemein von der Macht) hatte, nämlich dass sie eine „ruhmreiche
Sklaverei“ („endoxos douleia“) (Ailian, Wunderbare Geschichte, $$ 20) sei, oder, anders ausgedrückt, dass der König ein Diener des Volkes ist. Die gleiche Auffassung vertrat
bekanntlich im 18. Jh. der preußische König Friedrich der Große.
3.7. Demetrios II (239-229 v.Chr.), Antigonos Doson (229-221 v.Chr.)
Kämpfe an zwei Fronten, in Südgriechenland gegen die Ätolier und in Nordgriechenland
gegen die Dardanen, prägen den Zeitraum der zehnjährigen Regierungszeit von Demetrios
(239-229 v.Chr.) und zeigen die Folgen der Schwäche Makedoniens, sich in den neuen
Verhältnissen durchzusetzen: die Expansionsbestrebungen des Ätolischen Bundes in Akarnanien führten zu einer politischen Annäherung von Epirus an Makedonien (wobei Demetrios
die Prinzessin Phthia, Tochter des Königs Alexanders II., zur Frau nahm). Die Ätolier, unterstützt von den Achaiern (die in Attika fielen) wandten sich gegen Makedonien und nahmen
Teile des makedonischen Herrschaftsgebiets in Thessalien in Besitz. Daraufhin zog De-
48
DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
metrios aus Epirus ab (was zur Folge hatte, dass ein Aufstand gegen die königliche Familie
ausbrach, der mit ihrem Sturz endete). Der Einfall der Dardanen in Paionien zwang Demetrios
dazu, sich mit den Illyrern zu verbünden, die in Akarnanien einfielen dort die Ätolier besiegten (Polybios, $$ 2.5-6). Diese Entwicklung ist in erster Linie eine Folge der politischen
Kurzsichtigkeit der zwei Bundesstaaten, des Ätolischen und des Achaiischen, einer politischen Kurzsichtigkeit, die ausländische Interventionen nach sich zog und die Perspektive
einer dauernden Verständigung mit Makedonien, schwierig bis gar völlig unmöglich werden
ließen.
****
Nach dem Tode von Demetrios übernahm (als Vormund von dessen Sohn Philipp) die
Regierung des Landes Antigonos Doson, Sohn von Demetrios dem „Schonen“, König von
Kyrene, und Halbbruder von Antigonos Gonatas.
Direkt nach seiner Machtübernahme brachte Antigonos Doson die Gebiete von Thessalien, die von den Ätoliern eingenommen worden waren, wieder unter makedonische
Hochheit und wehrte den Angriff der Dardaner ab – Erfolge, deren wegen er zum König ausgerufen wurde, nachdem er zuvor die Witwe des Demetrios, Phthia geheiratet hatte. Sein
bedeutendster Erfolg war jedoch die Wiederherstellung des makedonischen Einflusses in
Südgriechenland. Die Resonanz, welche das sozialrevolutionäre Programm des Königs von
Sparta, Kleomenes III., in Peloponnes fand, zwang den damals noch führenden Politiker des
Achaiischen Bundes Aratos, den makedonischen König zu Hilfe zu rufen, wofür er als
Gegenleistung Korinth abtrat. Im Jahr 223 v.Chr. wurde Antigonos Doson zum Strategen des
Achaiischen Bundes gewählt, brachte die arkadischen Städte auf seine Seite und besiegte im
folgenden Jahr (222 v.Chr.) Kleomenes in der Schlacht von Sellasia. Der makedonische Einfluss wurde im Rahmen des „Hellenischen Bundes“ wiederhergestellt (Polybios, IV 9.4), der
von Antigonos neu gebildet wurde und dessen Mitglieder Makedonien und die Südgriechischen Bundesstaaten (außer dem Ätolischen) waren. Der Einfall der Illyrer zwang ihn
jedoch zur Rückkehr nach Makedonien, wo er starb, nachdem er zuvor die Angreifer erfolgreich abgewehrt hatte (Polybios $$ 70, Plutarch, Kleomenes, 30).
3.8. Philip V (221-179 v.Chr.), Perseus (179-168 v.Chr.)
Die Geschichte Makedoniens unter Philipp V. und seinem Nachfolger Perseus ist,
bekanntlich, von dem Kampf für die Unabhängigkeit von Rom geprägt - einem Kampf, der
nicht nur Makedonien, sondern die gesamte griechische Welt des Ostens betraf. In diesem
Kampf, Stand Makedonien allein und wurde deshalb von dem weit überlegenen Gegner besiegt; das Ergebnis war die Auflösung des makedonischen Königreichs, aber auch die
Unterwerfung der anderen Griechen durch Rom. Diese Niederlage ist zuerst auf Roms gewaltige militärische Überlegenheit zurückzuführen, sowie die politische Kurzsichtigkeit der
anderen griechischen Staaten (eine Kurzsichtigkeit, die, nach Polybios (XVIII 37.9), der
Rhodier Thrasykrates in einer Rede an die Ätolier beklagte, indem er hinwies, dass der Krieg
gegen Philipp zur Versklavung des ganzen Griechenland führen werde); und ferner auf die
bereits erwähnte Tatsache, dass Makedonien einen großen Teil seines Menschenpotentials in
der vorigen Zeit verloren hatte. Trotz, oder vielleicht wegen dieser (negativen) Voraussetzungen ist der Widerstand gegen Rom von besonderem historischem Interesse.
Hauptziel Philipps nach seiner Thronbesteigung – im Alter von 17 Jahren – war die
Vertreibung der Römer aus dem südlichen Teil von Illyrien, das seit dem ersten und insbesondere dem zweiten Illyrischen Krieg (229/8-219 v.Chr.) ein römisches Protektorat war. In
diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache zu erwähnen, dass unter den Beratern des jun-
ILIAS K. SVERKOS
49
gen Königs sich Demetrios aus Pharos befand, der im Jahre 219 v. Chr. aus seiner Heimatstadt vertrieben worden war. Die Präsenz einer starken Macht in ziemlicher Nähe stellte eine
große, ja sogar existentielle Gefahr für den makedonischen Staat selbst. In Südgriechenland
herrschte – allerdings mit nur wenigen Ausnahmen – genau die gegenteilige Auffassung:
wegen der durch das Eingreifen Roms erfolgten Beendigung der Einfälle der Illyrer an der
griechischen Westküste (bis zur Peloponnes), wurden die Römer bereits seit dem Ende des
ersten Illyrischen Krieges (228 v.Chr.) zu den Isthmischen Spielen zugelassen, so als ob sie
ein griechischer Stamm wären.
Die erste Chance für eine Abwehr der römischen Gefahr stellte sich während des
zweiten Punischen Kriegs, und zwar nach dem dritten Sieg Hannibals am Trasimenischen See
(Polybios V.101, 5-6) im Jahr 217 v.Chr. Bis dahin führte Philipp einen Krieg gegen die
Ätolier - im Jahre 219 v.Chr. zerstörten die Ätolier Dion (Polybios, IV 62.1-2) und ein Jahr
später tat Philipp das gleiche in Thermon (V 8.4-9, 9.1-6) - und ihre Verbündeten (Elis und
Sparta). Im Jahr 217 v.Chr. schloss er – nachdem er für sich die Mehrheit der Griechen gewonnen hatte (Polybios, VII 11.8, s. IG IV2 590 SEG I 78) ( aus dem oben genannten Grund
Frieden mit den Ätoliern, den letzten Frieden, der auf Initiative der Griechen selber
geschlossen wurde. Auf dem Kongress von Naupaktos (Polybios, V 102-105), der zu diesem
Zweck stattfand, hob der ätolische Politiker Agelaos angesichts der Gefahr der „dunklen
Wolken“, die im Westen erschienen seien, nachdrücklich die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses der Griechen unter der Führung von Makedonien hervor. Sein Argument war,
dass die Großmacht, die aus dem Krieg in Italien als Sieger hervorgehen sollte, seien es die
Römer oder die Karthager, in Griechenland eingreifen und es mit großer Wahrscheinlichkeit
unterwerfen werde, falls die Griechen sich nicht einigen könnten. Agelaos Mahnung blieb
ohne Resonanz; es geschah vielmehr das Gegenteil, und die Folge davon war die Unterwerfung durch die Römer (Polybios V.104).
Das Bündnis, das Philipp im Jahr 215 v.Chr. mit Hannibal abschloss (nach dem Sieg
des letzteren bei Cannae) hatte aus dem Grund dass beide Seiten, die in dem Vertrag vereinbarte gegenseitige Hilfeleistung nicht zu erfüllen vermochten, keine Wirkung gehabt
(Polybios VII.9, Livius XXIII 33.9-12). Was Philipp betrifft, so war er dazu gezwungen, seine
ohnehin begrenzten Streitkräfte (die er selber anführte) an verschiedenen Fronten einzusetzen
(in Illyrien, auf der Peloponnes, in Mittelgriechenland), insbesondere, nachdem die Römer
mit den Ätoliern den so genannten „Raubvertrag“ geschlossen hatten (211 v.Chr., Polybios,
$# 39), gemäß dem alle Territorien, die sie erobern sollten, den Ätoliern, das bewegliche
Vermögen dagegen den Römern gehören sollte. Dieser erste Makedonische Krieg, an dem als
Verbündete von Rom außer den Ätoliern auch die Spartaner, die Elier, die Messenier, die
Athener, die Illyrier und das Königreich von Pergamon unter Attalos I. teilnahmen, endete mit
dem Frieden, den Philipp zuerst mit den Ätoliern (206 v.Chr.) und anschließend mit den
Römern (205 v.Chr.) schloss. Der Friedensschluss erfolgte auf der Grundlage des status quo;
das Ergebnis war jedoch, dass Rom Südgriechenland und einen Teil Asiens unter seinen Einfluss gebracht hatte und dass von einem gemeinsamen Widerstand der griechischen Welt
keine Rede mehr sein konnte.
Das hat sich später bei den Entwicklungen die sich nach dem Tode von Ptolemaios IV.,
dem König von Ägypten (204 v.Chr.), noch größere Dimensionen an, mit all den entsprechenden Folgen für Makedonien. Die Schwächung Ägyptens war der Grund einer
Geheimabsprache zwischen Philipp V. und dem König des Seleukidenreichs, Antiochos III.,
mit dem Ziel die Abspaltung der äußeren Besitzungen Ägyptens zu teilen (Polybios, $$$ 2.8,
XV 20, Livius, XXXI, 14.5). Mit der ihn kennzeichnenden Tatkraft führte Philipp eine Reihe
(zum Teil erfolgreicher) Operationen an der kleinasiatischen Küste sowie in Karien durch,
50
DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
während Antiochos im südlichen Syrien einfiel. Die Gefahr einer Ausbreitung des makedonischen Einflusses in ihrer Region bewog Rhodos und Pergamon dazu, das Eingreifen Roms
zu ersuchen (200 v.Chr.). Obwohl die Römer lediglich ein Jahr zuvor ein ähnliches Ersuchen
der Ätolier abgelehnt hatten, war die Antwort dieses Mal positiv. Der Grund dafür lag (nach
einer in der neueren Forschung öfter vertretenden Auffassung) in den imperialistischen
Bestrebungen Roms im griechischen Osten, nach einer anderen, m.E. wahrscheinlicheren, in
der Furcht, welche das vermeintliche Bündnis der beiden Großmächte hervorrief. Die
Möglichkeit einer Invasion von diesen in Italien rief Erinnerungen an die schmerzlichen Erfahrungen aus dem Krieg gegen Hannibal hervor, und musste deshalb durch eine präventive
Intervention Roms verhindert werden.
Doch die Realität war eine ganz andere. Als die Römer von Philipp verlangten, dass er
auf seine Eroberungen zu Lasten des Ptolemäerreiches verzichten, jegliche Einmischung in
Griechenland vermeiden und einer Lösung seiner Streitigkeiten mit Rhodos und Pergamon
durch ein Schiedsgericht zustimmen sollte, wies er alle Forderungen zurück (Polybios, XVI
27.2, 34.1-7, Livius, ###$ 18, Diodor, XXVIII.6) wurde somit gezwungen, Krieg zu führen;
da wurde er aber von Antiochos verlassen, der es vorzog, unter der Duldung der Römer ins
südliche Syrien einzugreifen. Dies sollte sich als ein großer Fehler erweisen, der sowohl ihm
als auch der gesamten griechischen Welt teuer zu stehen kommen sollte.
In diesem erneuten Krieg gegen Rom (dem sogenannten 2. Makedonischen Krieg, 200197 v.Chr.) war Makedonien völlig isoliert, und sah sich mit noch mehr Gegnern konfrontiert:
Dazu gehörten nunmehr auch der Achaiische Bund, aber auch der makedonische Stamm der
Oresten (Polybios, XVIII 47.6, Livius, XXXIII 34.6). Die Kompromissvorschläge von
Philipp wurden von Rom abgelehnt, das noch dazu forderte, dass er seine Besatzungen aus
Korinth, Chalkis und Demetrias abziehen solle, was bedeutet hätte, dass Makedonien sich in
einer Situation befunden hätte, wie vor der Zeit Philipps II. Die Ablehnung Philipps führte im
Frühjahr des Jahres 197 v.Chr. zu der Entscheidungsschlacht bei Kynoskephalai (Südthessalien).
In dieser Schlacht waren von dem Heer des römischen Konsuls Titus Quintus Flamininus anführte (26.000 Mann), etwa ein Drittel Griechen, insbesondere Ätolier und Athamanen
(epirotischer Stamm) (Livius, ###$$$.4, 4-5). Das Heer von Philipp bildeten nach dem
Zeugnis des Livius (###$$$.3.1-5) (das von zwei neuentdeckten Abschriften seines Rekrutierungs-„Erlasses“ bestätigt wird, eines aus Kassandreia und eines wahrscheinlich aus
Amphipolis, SEG XLIX, 722, 855), insbesondere neu eingezogene Soldaten aus Makedonien.
Der Krieg endete mit der unvermeidlichen Niederlage Makedoniens. Gemäß den von Rom
auferlegten Friedensbedingungen verlor Makedonien alle seine äußere Besitzungen (einschließlich Thessaliens), musste seine Flotte auflösen, eine Kriegsentschädigung von 1.000
Talenten zahlen und Verbündeter Roms werden (mit all den Verpflichtungen, die dieser Status nach sich zog, Polybios, XVIII 44, Livius, XXXIII 30).
In den folgenden 18 Jahren seiner Regentschaft ergriff Philipp verschiedene Maßnahmen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes (Erhöhung der Tribute und Abgaben,
Nutzung der noch ungenutzten Metallvorkommen), seine demographische Verstärkung (Unterstützung kinderreicher Familien, Ansiedelung thrakischer Bevölkerungsgruppen), die
Organisation der Verwaltung (durch deren Dezentralisierung). Dank dieser Maßnahmen
sowie durch die erfolgreichen Feldzüge gegen thrakische Stämme (Odryser, Besser,
Dentheleten, Maider) war Makedonien nach wie vor der mächtigste Staat auf dem Balkan und
setzte somit seine historische Rolle als „Bollwerk“ (Polybios, $# 35.1-4) des griechischen
Mutterlandes und der griechischen Städte in Thrakien fort. Bemerkenswert sind einige andere
Maßnahmen, die offensichtlich der Stärkung der Verteidigungskraft des Landes dienten: in
ILIAS K. SVERKOS
51
befestigten Positionen im Binnenland wurden Getreide und Geldvorräte für eine große Anzahl
von Söldnern angelegt (Plutarch Aimilius Paulus, 8). Ins Binnenland verlegt wurde ferner die
griechische Bevölkerung der Küstenstädte, in denen sich Thraker und andere Fremde niedergelassen hatten. Die Auffassung, dass Philipp mit all diesen Maßnahmen eine neue
kriegerische Auseinandersetzung mit Rom vorbereitete, wie sie von dem Zeitgenossen Polybios, aber auch von späteren Historikern vorgebracht wird, wird jedoch dadurch nicht
genügend begründet. Nach einer schweren Krise in der königlichen Familie die durch die Ermordung seines jüngeren Sohnes Demetrios verursacht wurde (an der vermutlich auch sein
älterer Sohn Perseus beteiligt war) starb Philipp (179 v.Chr. in Amphipolis). Die Regierung
des Landes übernahm Perseus, ein Mann, der den Umständen nicht gewachsen war (aus
diesem Grund ist auch die Überlieferung von Livius, dass Philipp seinen entfernten Verwandten Antigonos zum Nachfolger bestimmen wollte, durchaus wahrscheinlich (XL 54-58).
****
Perseus als historische Erscheinung ist eigentlisch durch den letzten (den so genannten dritten
Makedonischen) Krieg gegen Rom bekannt (171-168 v.Chr.), der mit Niederlage und dem
tragischen Tod des Königs sowie der Auflösung des Makedonischen Königreichs endete.
Zum Ausbruch des Kriegs trugen drei Faktoren bei: der Versuch von Perseus, den makedonischen Einfluss in Südgriechenland wieder herzustellen, was mit der anti-römischen
Gesinnung eines Teils der Bevölkerung (aus politischen und gesellschaftlichen Gründen) verknüpft war; der politische Wille der römischen Führungsschicht zu jener Zeit, die eine
derartige Politik als „Rebellion“ betrachtete und daher entsprechend reagierte; und das in
ethischer und politischer Hinsicht kurzsichtige Verhalten von Eumenes II., dem König von
Pergamon, der in einer Rede vor dem römischen Senat im Jahre 172 die Römer zur Intervention aufforderte, um der (angeblich) ernsten Gefahr entgegenzuwirken, die von Makedonien
ausginge. Der Auszug aus einer Inschrift in Dion bestätigt das, was Eumenes bezüglich des
Abschlusses eines Bündnisses zwischen Perseus und den Boiotern vortrug (Symmachia Basileos | Perseos kai Boioton) und korrigiert den Text des Livius (XLII 12.5-7), gemäß dem drei
Texte des Bündnisses auf Säulen geschrieben wurden, von denen eine in Theben, eine andere
in Delphi und eine dritte alterdsidenum (altero ad Delium ältere Korrektur) aufgestellt wurden: die dritte Spalte des Textes des Bündnisses wurde also im Heiligtum des Olympischen
Zeus in Dion aufgestellt (altero ad Dium).
Unter dem Vorwand der Bewahrung der
Freiheit der Griechen und Roms erklärte
er dem makedonischen König den Krieg (SEG XXXI 542). Nach einigen Erfolgen von geringer Bedeutung, die Perseus in den ersten zwei Jahren des Krieges gehabt hat, bemühte er
sich um einen Friedensschluss mit Rom, aber der Senat forderte eine bedingungslose Kapitulation. Die schwerwiegenden taktischen Fehler während des dritten Kriegsjahres vor allem
aber die Überlegenheit der Großmacht führten zu seiner verheerenden Niederlage in der
entscheidenden Schlacht bei Pydna (22. Juni 168 v.Chr.). Perseus floh nach Amphipolis und
von dort nach Samothrake, wo er schließlich festgenommen und anschließend nach Rom gebracht und dort hingerichtet wurde, nachdem er zuvor zusammen mit anderen
Kriegsgefangenen im Triumph des siegreichen Konsuls Lucius Aemilius Paulus vorgeführt
wurde.
Dieses neue Gesicht des römischen Imperialismus mit der Grausamkeit, die ihn
manchmal kennzeichnete, lernte auch das Land selber kennen: das makedonische Königreich
als einheitlicher Staat wurde aufgelöst und in vier Teile aufgeteilt. Der erste Teil (zwischen
den Flüssen Strymon und Nestos, mit einigen Gebieten östlich des Nestos) hatte Amphipolis
als Hauptstadt; der zweite (zwischen Strymon und Axios) hatte Thessalonike als Hauptstadt,
der dritte, der sich zwischen dem Axios, dem thermaischen Golf und dem Berg Bermion er-
52
DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
streckte, Pella. Der vierte mit Pelagonia als Hauptstadt umfasste die obermakedonischen
Landschaften bis zu den Grenzen mit Epirus und Illyrien (Livius, XLV 29-30, Diodor, ###$
8.8, Strabo, VII ap. 48). Jeder Teil wurde von einer oligarchischen Körperschaft („Synedrion“) regiert. Die Eheschließung zwischen Personen aus den verschiedenen Teilen sowie
die wirtschaftlichen Beziehungen unter ihnen wurden untersagt, ebensowie, wie die Benutzung der Metallvorkommen und das Fällen von Bäumen für den Schiffsbau. Davon
abgesehen waren all jene, die irgendein Amt in der Verwaltung des Königreichs ausgeübt hatten, dazu gezwungen, sich mit ihren Familien in Italien niederzulassen. Zweck aller dieser
Maßnahmen war die politische und wirtschaftliche Entmachtung des Landes – eine Politik,
die die römische regierende Schicht jener Zeit auch in anderen Fällen betrieb.
***
Die politische Geschichte Makedoniens als eines unabhängigen Staates wird nach wie vor von
verschiedenen Gesichtpunkten erforscht. Auf keinem Fall darf jedoch ein wesentliches
Merkmal übersehen werden: das Durchhaltungsvermögen seines Volkes, das sich in der
Überwindung der inneren Krisen, in dem Feldzug Alexanders und im Widerstand (mit viel
geringeren Kräften) gegen Rom gezeigt hatte. In Anbetracht dessen ist sie nicht nur im Rahmen der griechischen, aber auch der Weltgeschichte von Bedeutung.
Literaturauswahl
Historische Geographie
M. Girtzy, Historical Topography of Ancient Macedonia. Cities and other Settlements-sites in
the Late Classical and Hellenistic Period, Thessalonike 2001. N. G. L. Hammond, A History
of Macedonia vol. I. Historical Geography and Prehistory, Oxford 1972. F. Papazoglou, Les
villes de Macédoine à l' époque romaine, BCH Suppl. XVI, Athen/Paris 1988.
Grenzen des makedonischen Königreichs
M. B. Hatzopoulos, „Ta oria tis Makedonias“ (Die Grenzen Makedoniens) PAA 70 (1995)
164-177 (zur Ostgrenze)· Siehe auch Chr. Veligianni-Terzi, „To anatoliko politiko orio tis
Makedonias kata tin archaiotita“ (Die östliche politische Grenze Makedoniens in der Antike),
in: VIII. Panhellenischer Historiker-Kongress, 29.-31. Mai 1998, Thessalonike 1999, 15-34
sowie id., Oi ellenides poleis kai to vassileio ton Odrysson apo Avdiron poleos mecri Istrou
potamou (Die griechischen Städte und das Königreich der Odrysser von Abdera bis zum
Fluss Istros), Thessalonike 2004 (zur Expansion unter Philipp II. nach Osten). M. B. Hatzopoulos, « Les limites de l’expansion macédonienne en Illyrie sous Philippe II », L’ Illyrie
méridionale et l’ Épire dans l’ Antiquité, Paris 1987, 81-94 (Expansion unter Philipp II. Nach
Westen). M. B. Hatzopoulos-L. D. Loukopoulou, Two Studies in Ancient Macedonian Topogaphy, MELETIMATA 3, Athen 1987. Id., Recherches sur les marches orientales des
Téménides (Anthémonte-Kalindoia), Iére Partie, MELETIMATA 11, Athen 1992. M. Zahrnt,
„Die Entwicklung des makedonischen Reiches bis zu den Perserkriegen“, Chiron 14 (1984)
325-368.
Politische Geschichte – Institutionen
H. Berve, Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage II: Prosopographie,
München 1926. K. Buraselis, Das hellenistische Makedonien und die Ägäis. Forschungen zur
Politik des Kassandros und der 3. ersten Antigoniden (Antigonos Monophthalmus, Demetrius
Poliorketes und Antigonos Gonatas) im ägäischen Meer und in Westkleinasien, München
1982. A. Chryssostomou – P. Chryssostomou, „Dytiki Nekropoli tou Archontikou Pellas: sys-
ILIAS K. SVERKOS
53
tada tafon aristokratikis oikogeneias ton archaikon chronon“ (Westfriedhof von Archontikon/
Pellas: Gräbergruppe einer aristokratischen Familie aus archäischer Zeit), AEMTh 17 (2003)
[2005] 505-516. Chr. Edson, „Early Macedonia“, Archaia Makedonia 1 (1968) [1970] 17-44.
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Alexander der Grossen. Festschrift G. Wirth zum 60. Geburtstag am 9.12.1986, Amsterdam
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Archaia Makedonia 2 (1977) 81-94.
54
DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
Inschriften
Auf die Edition der Inschriften von Thessalonike in der Reihe Inscriptiones Graecae (IG)
Berlin 1873-, von Chr. Edson, Inscriptiones Graecae X, II 1: Inscriptions Thessalonicae et
viciniae, Berlin 1972 folgte die Edition der Inschriften des Oberen Makedoniens von Th. Rizaki—G. Touratsoglou, Epigraphes Ano Makedonias (Elimeia, Eordaia, Notia Lynkestis,
Orestis). Bd. I., (Inschriften von Obermakedonien - Elimeia, Eordaia, Notia Lynkestis, Orestis). Inschriften-Katalog, Athen 1985, und F. Papazoglou-M. Milin-M. Ricl, Inscriptiones
Graecae X. II.2: Inscriptiones Macedoniae Septentrionalis. Inscriptiones Lyncestidis,
Heracleae, Pelagoniae, Derriopi, Lychnidi, Berlin 1999, sowie der Inschriften von Veria
durch L. Gounaropoulou – M. V. Chatzopolous, Epigrafes Kato Makedonias, Bd. I, Inschriften von Berrhoia, Athen 1998 (I. Beroia). Die neueren Inschriften befinden sich in
Supplementum Epigraphicum Graecum (SEG), Leiden 1923-. Zum Bündnis Perdikkas –
Athen und dem Ehrendekret für Archelaos siehe neuerdings SEG XL 16 und SEG XLIX 46
(mit der neueren Literatur). Für die im Text genannten Inschriften aus Dion siehe D. Pantermalis: „Dion 1997. O epistatis, oi peleiganes kai oi loipoi polites“ (Dion 1997. Der Epistates,
die Peleiganes und die übrigen Bürger) AEMTh 11 (1997) [1999] 233-240 [=SEG XLVIII,
785, 786] und M. B. Hatzopoulos, «Le lac Pyrrolia en Macédoine», TEKMERIA 5 (2000) 6370. Für die Inschrift aus Tyrissa siehe P. Chryssostomou „Vassilikoi dikastai kai tagoi se mia
nea epigrafi me ones apo tin Kentriki Makedonia“ (Königliche Richter und Befehlshaber in
einer neuen Inschrift mit Ones aus Zentralmakedonien), TEKMERIA 3 (1997) 23-43 (= SEG
XLVII, 999) und !. ). Hatzopoulos, «Epigraphie et philologie: récentes découvertes épigraphiques et gloses macédoniennes d'Hesychius», CRAI 1998, 1195-1207. Zu der Bleidose
siehe !. Tiberios, „Argeion pais“, AE 128 (1989) [1991] 15-22 (=SEG XLI, 580). Zu den Inschriftenzeugnissen zu Eurydike siehe Chr. Saatsoglou-Paliadeli, „Skepseis me aformi ena
efrima apo ta Palatitsia“ (Gedanken zu einem Fund aus Palatitsia), Archaia Makedonia 5
(1989) [1993] 1339-1370 (= SEG XLIII 471, mit der älteren Literatur). Zu IG II2 686+687)
siehe SEG XLII, 99 (mit Verweisen auf die einschlägige Literatur). Zu dem RekrutierungsErlass Philipps V. Siehe P. Nigdelis – K. Sismanidis, „Dyo antigrafa enos epistrateftikou diagrammatos tou Filippou tou E. Oi Epigrafes ar. 207 tis syllogis Potidaias kai 6660 tou
Mousseiou Thessalonikes“ (Zwei Abschriften eines Rekrutierungs-Erlasses Philipps V. Die
Inschriften Nr. 207 der Sammlung von Potidaia und 6660 des Museums von Thessalonike),
Archaia Makedonia 6 (1996) [1999] 807-821 und !. B. Hatzopoulos, L’ Organisation de l’
armée Macédonienne sous les Antigonides. Problemes anciens et documents nouveaux,
MELETIMATA 30, Athen 2001.
4. Teil III: Kultur (Allgemeine Charakteristik)
Ein umfassendes Werk über die Kulturgeschichte des antiken Makedoniens von der Gründung des makedonischen Königreichs bis zum Ende der Antike ist noch ein Desiderat. Der
Grund dafür liegt einerseits daran, dass die (mehr oder weniger occasionellen Charakters) verfügbare Zeugnisse aus den literarischen Quellen sehr spärlich sind, andererseits an der
Tatsache, dass ein großer Teil der archäologischen Funde (Inschriften, Werke, Überreste der
materiellen Kultur) noch nicht veröffentlicht ist. Die Beispiele die aus jenen wie diesen, hier
angeführt werden, sind mit Bezug auf die zwei wesentlichen Merkmalen dieser Kulturgeschichte ausgewählt: die entscheidende Rolle der Monarchie für das kulturelle Leben des
Landes (insbesondere während des 5. und 4. Jhs. v.Chr.) ist das eine, griechischer Charakter
das andere.
Makedonische Könige wie Alexander I., Perdikkas II., Archelaos, Perdikkas III.,
Philipp II. und Antigonos Gonatas bemühten sich darum, in ihrem Hof Gelehrte aus Südgriechenland zu haben oder Beziehungen zu ihnen zu unterhalten, teilweise aus persönlichem
ILIAS K. SVERKOS
55
Interesse heraus, vor allem aber auch, weil sie wussten, wie bedeutend diese Beziehungen für
die politisch sehr wichtige Bindung mit der übrigen griechischen Welt waren.
Alexander I. ist für seine enge Beziehung zu Pindar und insbesondere zu Bakchylides
bekannt. Ersterer, der Makedonien besucht haben soll (Solinos, $# 16), verfasste wahrscheinlich anlässlich der Teilnahme Alexanders an den Olympischen Spielen ( wahrscheinlich im
Jahr 496 v.Chr.( (Herodot V 22.2, Solinos, VII 2.14), eine Siegeshymne auf ihn (Fr. 120,
121 Ed. Snell). Die Erinnerung an die Freundschaft zwischen dem König und dem Dichter
wird bis in die Kaiserzeit hinweg bewahrt. So soll etwa nach einem Zeugnis des Dion von
Prusa ($$ 33, 1. Jh. n.Chr.), Alexander der Große bei der Zerstörung von Theben (im Jahr 335
v.Chr.) im Gedenken an diese Freundschaft des Dichters mit seinem Vorfahren und gleichnamigen Makedonenkönig das Haus Pindars verschont haben. Bakchylides schrieb, wie
bekannt, ein Preislied auf den Makedonenkönig (Fr. 20 ), Ed. Snell).
In dem Hof seines Nachfolgers Perdikkas II. hielten sich der berühmte Arzt der Antike
Hippokrates von Kos und Melanippides von Melos, der Dichter lyrischer Gesänge und Dithyramben auf (Suda, s.v. Hippokrates, Melanippides). Das bezeichnendste Beispiel ist jedoch
der Nachfolger von Perdikkas, Archelaos, dessen Palast in Pella von Wandmalereien des
berühmten Malers seiner Zeit Zeuxis aus Herkleia geschmückt wurde (Ailian, Varia Historia,
XIV 17) und an dessen Hof der epische Dichter Choirilos aus Samos (Athenaios, VIII 345d),
der Athener Tragiker Agathon (Ailian, Wunderbare Geschichte, $$ 21, #$$$ 4) und wahrscheinlich der Musiker Timotheus (Plutarch, Moralia, 177b) zu Gast waren. Außerdem soll er
auch Sokrates nach Makedonien eingeladen haben, eine Einladung, die der Athener Philosoph
jedoch ablehnte (Seneca, De beneficiis, V 6.2-6, Diogenes Laertios, $$ 25, Dion Chrysostomos, #$$$ 30).
Am bekanntesten für seine Verbindungen mit dem makedonischen Königshof und
insbesondere mit Archelaos ist Euripides. In Makedonien hat Euripides sein Werk „Bakchen“
geschrieben, in dem die Präsenz der makedonischen Umgebung deutlich zu erkennen ist,
sowie das Drama „Archelaos“, von dem uns lediglich eine Inhaltsangabe bei dem späteren
lateinischen Schriftsteller Hyginus erhalten ist (CCXIX 143-144). Danach war das Drama
eine indirekte Huldigung des makedonischen Monarchen, da als Gründer der Dynastie ein
gleichnamiger König erschien.
Archelaos ist das markanteste Beispiel eines makedonischen Königs, das die entscheidende Rolle der Monarchie für das kulturelle Leben des Landes am besten verdeutlicht. Er ist
es gewesen, der die Sport- und Musikwettspiele in Dion eingerichtet hat (Diodor, XVII 16.34), die – entsprechend der Anzahl der Musen – eine Dauer von neun Tagen hatten und wie die
Olympischen Spiele, alle vier Jahre stattfanden (einer anderen, weniger wahrscheinlichen
Überlieferung nach sogar jedes Jahr). Diese Spiele wurden als „Olympia“ bezeichnet, jedoch
nicht, wie einige moderne Autoren meinen, weil sie als Gegenstück zu den Olympischen
Spielen gedacht waren: denn wir wissen, dass Archelaos an den Olympischen und an den Pythischen Spielen teilgenommen und dort einen Sieg errungen hat (Solinos, IX 16) und aus gut
begreiflichen Gründen ist es unwahrscheinlich, dass er auf diese Art sich und sein Volk von
den anderen Griechen distanzieren wollte). Die Spiele von Dion hatten eine lange Dauer und
stellten als die einzige staatliche Kulturveranstaltung von Makedonien eine Institution dar, die
für das kulturelle Leben des Landes von entscheidender Bedeutung war. Wie bereits angeführt, wurde Dion im Jahre 219 v.Chr. von den Ätoliern zerstört, dennoch muss es Inschriften
und andere Monumente geben, die diese Bedeutung bezeugen würden, und so bleibt zu hoffen, dass diese eines Tages gefunden werden. Wie in der historischen Forschung allgemein
angenommen wird, ist es den kulturellen Bemühungen von Archelaos zu verdanken, dass die
makedonische Aristokratie über ein hohes Bildungsniveau verfügte. Dies ergibt sich zu-
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DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
mindest aus den Angaben, die wir über die Strategen von Philipp (Antipater und Parmenion)
und Alexanders (Ptolemaios, Krateros, Seleukos) verfügen. Antipater, der Verfasser eines
Geschichtswerks mit dem Titel „Die Illyrischen Taten von Perdikkas“ – eine Geschichte der
Kriege von Perdikkas gegen die Illyrer – entstand in enger Freundschaft mit Aristoteles, mit
dem er häufig korrespondierte. Das Geschichtswerk von Ptolemaios über Alexanders Feldzug
in den Osten bildete die Hauptquelle des Werkes von Arrian.
Auch während der großen Krise des Reiches in der Zeit von Archelaos Tod bis zur
Thronbesteigung Philipps hat es nicht an Besuch von Gelehrten im makedonischen Hof gefehlt. Bei Perdikkas III. weilte Euphraios, ein Schüler Platons (Platon, V. Brief, 321c-322c);
die bei Athenaios in seinem Werk „Deipnosophistai“ (#$ 508d-e) enthaltene Information, sein
Einfluss sei so groß gewesen, dass bei den königlichen Symposien nur Kenner der Geometrie
oder der Philosophie teilnehmen durften, mag vielleicht übertrieben sein, ist aber dennoch
bezeichnend genug, wie auch die Tatsache, dass der Nachfolger Platons, Speusipp, in seinem
bekannten Brief an Philipp II. seine makedonenfreundliche Einstellung durch eine ausführliche Bezugnahme auf das Geschichtswerk eines gewissen Antipater äußert, der in Athen
lebte und einst Beziehungen zur Akademie hatte, in dem Brief, des Philosophen wie in dem
Werk des Historikers wurde für die Griechenlandpolitik Philipps Stellung genommen u.a.
durch die Rechtfertigung der territorialen Ansprüche des Königs auf Chalkidike.
Ebenso bezeichnend sind einige Beispiele, die sich auf das kulturelle Leben der Zeit
Philipps beziehen. Das erste ist ein Epigramm, das im Auftrag der Mutter des Makedonenkönigs, Eurydike, Tochter des Sirrha, wahrscheinlich des Herrschers von Lynkestis und
nicht eines illyrischen Herrschers, wie einige jüngere Historiker vorschlagen, verfasst wurde.
Das Epigramm (Plutarch, Moralia, 14b) begleitete eine Weihung von Eurydike im
Musentempel in Pella und brachte die Freude der Dedikantin darüber zum Ausdruck, dass sie
in hohem Alter das Lesen gelernt hat. Vom persönlichen Aspekt ganz abgesehen ist das Epigramm deswegen instruktiv, weil es die geistige Atmosphäre in der Hauptstadt widerspiegelt.
Zwei weitere Beispiele, die Philipp selber betreffen, sind ebenfalls bezeichnend für
diese Atmosphäre, aber auch für die Persönlichkeit des Königs. Nach dem einem soll Philipp
mit dem Humor, durch den er sich auszeichnete, eine Gruppe von athenischen Spaßmachern
damit beauftragt haben, speziell für ihn Witze zu erfinden und ihm zu schicken, wofür er ihnen als Honorar ein Talent gab (Athenaios, Deipnosophistai, XIV 614e). Nach dem anderen,
habe Philipp, als er in Delphi den achaiischen Gelehrten Arkadion traf, der für seine antimakedonische Gesinnung bekannt war, und der von der makedonenfreundlichen Partei seiner
Heimatstadt gezwungen wurde in die Verbannung zu gehen – gefragt, wie weit er denn gehen
wolle; worauf er geantwortet habe, dass er sich dort niederlassen werde, wo man Philipp nicht
kenne; Philipp habe mächtig gelacht und den Gelehrten zum Abendessen eingeladen
(Athenaios, Deipnosophistai, XII 249c-d).
Von den Königen des 3. Jahrhunderts zeichnet sich Antigonos Gonatas auch durch seine
intellektuelle Persönlichkeit aus. Er hatte in Athen die Schule des Zenon besucht, den er besonders schätzte (Diogenes Laertios, VII 15, Ailian, Varia Historia #$$ 25). Ein Schüler des
Zenon und Freund des Antigonos war auch Persaios aus Kition (auf Zypern), den Antigonos
als Kommandanten der makedonischen Besatzung von Korinth einsetzte (Diogenes Laertios,
VII 36). Am Hofe von Antigonos Gonatas waren Intellektuelle verschiedener Provenienz zu
Gast wie die Dichter Aratos aus Soloi (in Kilikien), Alexander (aus Ätolien), Antagoras (aus
Rhodos), der Historiker Hieronymos von Kardia und der Philosoph Menedemos aus Eretria.
Antigonos stand ferner in geistiger Verbindung mit namhaften Philosophen seiner Zeit, wie
Arkesilaos (Begründer der mittleren Akademie), Bion (Kyniker) und Timon (Skeptiker).
ILIAS K. SVERKOS
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Man könnte sagen, dass der geistige Verkehr von Monarchen mit Intellektuellen (auch
ausländischen) ein gewöhnliches Phänomen ist, das auch in der neueren Zeit zu beobachten
ist; aus diesem Grund wird er von einigen modernen Autoren auch in diesem konkreten Fall
nicht als Beweis für den griechischen Charakter der Kultur Makedoniens anerkannt. Doch für
den objektiven Beobachter stellt dies jedoch einen derartigen Beweis dar, sofern derartige Beziehungen mit dem Willen der Könige nach einer Verbreitung der griechischen Bildung im
ganzen Land in Verbindung stehen (und in Verbindung stehen müssen), einer griechischen
Bildung, die sich auch in Institutionen zeigt, wie etwa den Wettspielen, die von Archelaos
eingeführt wurden, oder gar in dem Vorsatz Alexanders des Großen, die persischen Epigonen
mit griechischer Bildung zu erziehen (Plutarch, Alexander, 47, 3), in der Verwendung des attischen Dialekts in der Verwaltung des Landes, sowie allem voran im Willen des Volkes
selber, ohne den eine derartige Politik völlig sinnlos und undenkbar wäre. Überdies zeigen
diesen griechischen Charakter des kulturellen Lebens – abgesehen von den literarischen Quellen - auch Beispiele (Personen- und Ortsnamen, Institutionen usw.) sowie Inschriften, aber
auch Kunstdenkmäler und Überreste der materiellen Kultur. Diese sind genauso bedeutend
wie die Werke von aus Makedonien stammenden Historikern und Dichtern im Kreise des
Antigonos Gonatas, wie Marsyas aus Pella und der Epigrammatiker Poseidippos, oder im
Kreise Philipps V., wie der Epigrammatiker Samos, Sohn des Chrysogonos aus Edessa.
Einige der meiner Ansicht an repräsentativsten Beispiele für die unterschiedlichen
Kategorien seien nachstehend angeführt: Was die erste Kategorie betrifft, so sind insbesondere frühe Inschriftenmonumente von Bedeutung, die in das 5. Jh. oder 4. Jh. v.Chr. datiert
werden: dazu gehören z.B. der Bronzekamm, in den der Name APAQUOS (SEG XLIX 671,
5*+ Jh.) eingraviert ist, sowie die Stelen mit den Namen KLEIONA und ATTYA (SEG XLIII
363, 450-400 v.Chr.) aus Aiane, der attische Becher mit dem makedonischen Namen Machatas aus Pontokome der Präfektur Kozane(SEG XLIX 776, 5. Jh. v.Chr.) oder die Stele des
jungen Xanthos, Sohn des Demetrios und der Ammadika (SEG XXXII, 642 = XXXVI, 627 ,
5. Jh. v.Chr.), der auf der aus Pella stammenden Grabsäule zusammen mit Gegenständen des
Alltagslebens abgebildet ist (Hund, Taube, Rad). Außer im Falle des Bronzekamms, bei dem
nicht auszuschließen ist, dass er aus irgendeinem anderen Ort der griechischen Welt hierher
gebracht wurde, handelte es sich bei allen übrigen Gegenständen aller Wahrscheinlichkeit
nach um Werke der örtlichen Werkstätten. Das gleiche gilt auch für die 67 Grabsteine ( die
in ihrer Mehrzahl Inschriften tragen (SEG XXXV 771-808) ( die über die Erdaufschüttung
des Großen Grabhügels in Vergina verstreut gefunden wurden und in das letzte Viertel des 5.
Jh. bis zum 3. Jh. v.Chr. datiert werden. Dabei sind alle Namen – insgesamt sind 84 Namen
erhalten, davon 75 unbeschädigt – mit der Ausnahme von drei griechischen Namen, die meisten überdies solche mit einer weiten Verbreitung in der gesamten griechischen Welt und
bereits aus der mythologischen Überlieferung der Griechen bekannte Namen.
Zur zweiten Kategorie gehören Monumente der Kunst, welche zeigen, dass den Makedonien die mythologische Tradition der Südgriechen und insbesondere die homerischen Epen
bekannt waren. Einer der frühesten uns bekannten Beweise ist ein attisches rotfiguriges Gefäß
(Hydria) aus Pella aus dem 5. Jh. v.Chr., auf dem der Zusammenstoß Athens mit Poseidon
bezüglich des Namens von Athene dargestellt ist. Die Verwendung dieses Gefäßes als
Aschenurne zeugt von der Vertrautheit der lokalen Bewohner mit der griechischen Mythologie. Das gleiche gilt auch für die Abbildungen auf Gefäßen des Alltagsgebrauchs – von denen
die Mehrzahl aus Pella, aber auch aus anderen Städten Makedoniens stammt – mit Szenen aus
den homerischen Epen oder den Tragödien der Athener Klassiker, allen voran von Euripides.
Auf einigen dieser Darstellungen sind auch die Namen der Heroen geschrieben, auf anderen
nicht, was beweist, dass der Inhalt der entsprechenden Werke allgemein bekannt war. Diesbezüglich beeindruckt auch die malerische Ausschmückung eines kastenförmigen Grabes, das
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DAS MAKEDONIEN DER KLASSISCHEN UND HELLENISTISCHEN ZEIT
ungefähr in das Jahr 300 v.Chr. datiert wird und das ebenfalls in Pella ausgegraben wurde.
Wie in der Einleitung zur Veröffentlichung dieses Grabes angemerkt wird, steht das bildliche
Thema mit den späteren Abbildungen insbesondere aus der römischen Zeit in Verbindung,
auf denen Versammlungen Gelehrter abgebildet sind. Bei dem in diesem Grab beerdigten Toten handelte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Philosophen oder eine andere
bedeutende Persönlichkeit mit einem besonderen philosophischen oder geistigen Interesse.
Literaturauswahl
Zum Aufenthalt von Euripides in Makedonien siehe: W. Ridgeway, "Euripides in Macedon",
CQ 20 (1926) 1-19. Zum Brief von Speusipp an Philipp II. siehe: E. J. Bickermann-J.
Sykutris, Speusipps' Brief an König Philipp. Text, Übersetzung, Untersuchungen, Berichte
über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, philologisch - historische Klasse LXXX, Heft 3, 1928. Über die Anmerkungen zu Eurydike bei
Plutarch: U. von Willamowitz-Möllendorff, „Lesenfrüchte“, Hermes 54 (1919) 71-72 und
Chr. Saatsoglou- Paliadeli, “Queenly Appearances at Vergina-Aegae. Old and new epigraphic
and literary Evidence”, AM 2000, 387-403. Zum Epigrammatiker Poseidippos: O. Weinreich,
„Die Heimat des Epigrammatikers Poseidippos“, Hermes 53 (1918) 434-439. Zum Historiker
Marsyas: W. Heckel, “Marsyas of Pella, Historian of Macedon”, Hermes 108 (1980) 444-462.
Denkmäler
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Pella. a. Das Grab in der Region der Agora) in: M. Lilimbaki-Akamati- I. M. Akamatis
(Hrsg.) I Pella kai i periochi tis (Pella und seine Umgebung), Thessalonike 2003, 65-67. !.
Lilimbaki-Akamati, „Neos kivotoschimos tafos me zografiki diakosmissi stin Pella“ (Neues
kastenförmiges Grab mit Malereischmuck in Pella), AEMTh 15 (2001) [2003] 451-460. Chr.
Saatsoglou-Paliadeli, Makedonis. Istoria kai techni stin Makedonia (Makedonis: Geschichte
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Becher: I.M. Akamatis: Pilines mitres angeion apo tin Pella. Symvoli sti meleti tis ellinistikis
keramikis (Tongefäße aus Pella. Beitrag zum Studium der hellenistischen Keramik), Athen
1993. Grabstelen: Zu den Stelen von Vergina siehe Chr. Saatsoglou-Paliadeli, Ta epitafia
Mnemeia apo ti Megali Toumpa tis Verginas (Die Grabmonumente aus der Megale Toumpa
von Vergina), Dissertation, Thessalonike 1984. Id., „Onomata apo ti Vergina“ (Namen aus
Vergina), in: Studien zur Griechischen Sprache, 27-29 April 1987, Thessalonike 1987, 161165. Zu den Inschriften aus Aiane und Pontokome siehe G. Karamitrou-Mentessidi, „Nomos
Kozanis: neotera epigrafika evrimata“ (Präfektur Kozane: neuere Inschriftenfunde), in I. Panhellenischer Epigraphik-Kongress. Im Gedenken an D. Kanatsoulis, Thessalonike 22-23 Okt.
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1999: anaskafes en odois kai parodois“ (Präfektur Kozani: Ausgrabungen an Straßen und Nebenstraßen), AEMTh 13 (1999) 2001 353 (=SEG XLIX 776).