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Widerständige Körper
Analyse von Maschinenmenschen
in Blade Runner und Ghost in the Shell
aus gendertheoretischer Perspektive
MASTERTHESIS
Zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts (M.A.)
Eingereicht für die Studienrichtung „Interdisziplinäre
Geschlechterstudien“
an der Karl – Franzens – Universität Graz
vorgelegt von
Michelle Kammerhofer
betreut von
Univ.-Prof.in Dr.in Hildegard Kernmayer
Graz: Juni 2013
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Masterthesis selbstständig verfasst und
auch nicht anderweitig zu Prüfungszwecken vorgelegt habe. Sämtliche benutzte
Literaturquellen sowie Hilfsmittel sind angegeben, wörtliche und sinngemäße Zitate
sind als solche gekennzeichnet.
____________________
_________________________
Ort, Datum
Unterschrift
2
Wenn du träumst,
träumst du dich
als widerständiges Subjekt?
(Gustav, Soldat_in oder Veteran)
3
Vorbemerkung
Eine Lehrveranstaltung zum Thema "Maschinenmenschen in Literatur und Film" an
der Humboldt-Universität zu Berlin im Wintersemester 2011/12 weckte mein
allgemeines Interesse an Cyborgs. Den Grundstein für diese Abschlussarbeit legten
anregende Diskussionen, welche im Rahmen des Seminars geführt wurden. Deshalb
möchte ich an dieser Stelle Mascha Vollhardt M.A. danken, die mich durch ihre
spannende Lehrveranstaltung zu diesem Forschungsfeld inspiriert hat. Besonderen
Dank möchte ich Univ.-Prof.in Dr.in Hildegard Kernmayer für die sorgfältige Betreuung
aussprechen. Darüber hinaus bedanke ich mich auch bei meinen Eltern, die mich
während meiner Studienzeit immer unterstützt haben.
Graz, am 10. Juni 2013
4
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ............................................................................................................... 7
2 Theorieteil: Körper mit Konzept ......................................................................... 10
2.1 Körper-Macht-Widerstand ............................................................................... 10
2.2 Körper-Macht-Medien...................................................................................... 14
2.2.1 Das gespaltene Subjekt im medientheoretischen Kontext ........................ 16
2.3 Haraways Cyborg – zwischen film- und literaturtheoretischer Fiktion und
technologischer Realität ........................................................................................ 19
2.3.1 Kritische Auseinandersetzungen mit dem Harawayschen Cyborg-Konzept
........................................................................................................................... 23
2.4 Cyborg-Figuren in der gegenwärtigen Medienlandschaft ................................ 25
2.4.1 Darstellung und Bedeutung von liminalen Körpern im Science Fiction-Film
........................................................................................................................... 26
2.4.2 Schnittstelle Geschlecht ............................................................................ 28
2.4.2.1 Hypermännliche Cyborgs.................................................................... 29
2.4.2.2 Maschine und Weiblichkeit ................................................................. 30
2.4.3 Der "männliche" Blick - Exkurs in die feministische Filmtheorie ................ 31
3 Analyseteil............................................................................................................ 34
3.1 Blade Runner ................................................................................................. 34
3.1.1 Produktion und Entstehung ....................................................................... 34
3.1.1.1 Der Director´s Cut ............................................................................... 36
3.1.1.2 Der Final Cut ....................................................................................... 36
3.1.2 Plot (Director´s Cut) .................................................................................. 36
3.1.3 "More human than human?" Die Darstellung der Maschinenmenschen im
Film .................................................................................................................... 39
3.1.3.1 Der Spiegel der Seele – Das Augenmotiv in Blade Runner ................ 40
3.1.3.2 Erinnern als identitätsstiftender Akt..................................................... 43
3.1.3.3 Cogito ergo sum - Die cartesianische Philosophie in Blade Runner ... 45
3.1.4 Figurenanalyse.......................................................................................... 47
3.1.4.1 Die Darstellung der weiblich markierten Cyborgs im Film ................... 47
3.1.4.1.1 Rachael, die geheimnisvolle Schöne ............................................ 48
3.1.4.1.2 Zhora – „Beauty and the Beast“ .................................................... 53
3.1.4.1.3 Pris, die Lustmaschine.................................................................. 55
3.1.4.2 Die Darstellung der männlich markierten Cyborgs im Film ................. 56
3.1.4.2.1 Roy Batty, der gefallene Engel ..................................................... 57
3.1.4.2.2 Rick Deckard, die Mensch-Maschine............................................ 58
5
3.1.5 Die Vorlage zum Film ................................................................................ 60
3.2 Ghost in the Shell .......................................................................................... 62
3.2.2 Produktion und Entstehung ....................................................................... 62
3.2.3 Plot ............................................................................................................ 63
3.2.4 Die Darstellung der Maschinenmenschen im Film .................................... 65
3.2.5 Figurenanalyse.......................................................................................... 68
3.2.5.1 Motoko Kusanagi – „high-tech pinup girl“ und japanische Lara CroftFantasie ............................................................................................................. 68
3.2.5.1.1 Der nackte Körper......................................................................... 69
3.2.5.1.2 Motoko Kusanagi als japanische Lara Croft-Fantasie................... 71
3.2.5.2 Der Puppet Master als fluide Existenzform in einer Post-Gender-Welt73
3.2.6 Der Tauchgang als Suche nach der eigenen Identität .............................. 75
3.2.7 Die Verschmelzung von Puppet Master und Kusanagi als von der
organischen Reproduktion entkoppelten Akt...................................................... 77
3.2.8 Ein neuartiges unabhängiges Subjekt und der Cyborg in uns ................... 78
3.2.9 Donna Haraway in Ghost in the Shell 2 .................................................... 81
4 Zusammenfassung .............................................................................................. 82
5 Quellenverzeichnisse .......................................................................................... 87
5.1 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 87
5.2 Filmverzeichnis................................................................................................ 92
5.3 Abbildungsnachweise ...................................................................................... 92
6
1 Einleitung
Cyborgs sind in keinem Eden geboren,
sie suchen sich keine eindeutige Identität
und erzeugen somit keine antagonistischen
Dualismen ohne Ende
(Donna Haraway, Ein Manifest für Cyborgs)
Die vorliegende Abschlussarbeit beschäftigt sich mit Maschinenmenschen in zwei
ausgewählten Science Fiction-Filmen aus gendertheoretischer Perspektive. Cyborgs
werden mit Donna Haraway subversive Fähigkeiten zugesprochen, sie befinden sich
außerhalb der heterosexuellen Matrix und können, Haraway zufolge, gängige
Machtstrukturen unterlaufen. Im Folgenden wird den Fragen nachgegangen,
inwiefern das subversive Potential, mit dem Cyborgs von Grund auf ausgestattet
sind, in den Filmen umgesetzt, beziehungsweise ausgeschöpft wird, und ob der
widerständige Körper eine tragende Rolle spielt oder nur unterschwellig zum Einsatz
kommt und von heterosexuellen Begehrens- und Machtstrukturen überschattet wird.
Der
Begriff
"Subversion"
unterliegt
verschiedensten
Bedeutungen
und
Konnotationen, die sich ausgehend vom 19. Jahrhundert entwickelt haben und
seither nebeneinander stehen.1 Hier wird jedoch nur auf den „dekonstruktivistischen
Begriff“ näher eingegangen, da er für die vorliegende Arbeit von besonderer
Relevanz ist. Unter Subversion (lat. subvertere: umkehren, [um-] stürzen) versteht
man im gendertheoretischen und feministischen Kontext „ein Unterwandern von
dominanten Geschlechtercodierungen und Geschlechtsidentitäten durch Körper- und
Textpraktiken, die herrschende Diskurse variierend durchkreuzen, destabilisieren und
einen Resignifikationsprozeß in Gang setzen“2. Maschinenmenschen, die vor allem
seit den 80er Jahren die Bildschirme und den Buchmarkt erobern, könnten als
"fleischliche" Realisierung der Cyborg-Metapher Haraways gelesen werden.
Aufgrund
des
reichhaltigen
medialen
Angebots
und
der
Komplexität
der
Maschinenmensch-Thematik muss sich diese Untersuchung auf zwei exemplarische
Filme beschränken. Ausgewählt wurden Filme, um die in den 1980er und 1990er
Jahren ein großer "Hype" entstand. Analysiert wird zum einen der Science Fiction1
Vgl. Thomas Ernst [u.a.]: SUBversionen. Eine Einführung. In: SUBversionen. Zum Verhältnis von
Politik und Ästhetik in der Gegenwart. Hrsg. von Thomas Ernst [u.a.] Bielefeld: Transcript 2008, S. 13.
2
Marina Krug: Subversion. In: Metzler Lexikon Gender Studies. Geschlechterforschung. Hrsg. von
Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 382f.
7
Klassiker Blade Runner (1982, Regie: Ridley Scott), welcher als Prototyp des
modernen Science Fiction-Kinos bezeichnet werden kann, und zum anderen der
japanische Science Fiction-Anime Ghost in the Shell (1995, Regie: Mamoru Oshii),
der als einer der "Türöffner" des Animes zum Westen gilt. Seit Beginn der
Filmgeschichte steht der Körper in visuellen Realisierungen im Zentrum des
Interesses. Filme sollen Wirklichkeit nicht nur abbilden, sondern geben diese auch
vor. Sie sind Träger der Wünsche und Ängste der Menschen und stabilisieren
gesellschaftliche Normen und Werte. Gleichzeitig können sie diese aber auch
erschüttern und in Frage stellen. Genau diese Umstände machen die CyborgMetapher in Bezug auf die Wirkungsmacht von Filmen so interessant.
Die Arbeit besteht aus zwei Teilen: Zum einen aus einem Theorieteil und zum
anderen aus dem Analyseteil, in dem die einzelnen Filme besprochen werden. Die
Theorieausführungen sollen den Standpunkt der Arbeit umreißen und als Grundlage
für den darauffolgenden Analyseteil dienen. Im ersten Abschnitt des Theoriekapitels
wird
über
Körperkonzepte
diskutiert,
um
über
diese
zu
filmtheoretischen
Medienkonzepten überzuleiten. Diese Körper- und Medienkonzepte werden aus
kulturgeschichtlicher Perspektive verhandelt. Da Macht, Körper und Widerstand auf
mehreren Ebenen zusammengedacht werden müssen, werden in diesem Abschnitt
diskursanalytische und psychoanalytische Theoriemodelle sowie Arbeiten aus der
feministischen Filmtheorie diskutiert. Im Zuge der Abhandlung dieser Körperkonzepte
wird anschließend ihre Wechselwirkung mit den Medien besprochen, um unter
anderem darauf
aufmerksam zu
machen,
dass das Medium Film einen
Subjektivierungsprozess bei den Zuseher_innen in Gang setzen kann und
Auswirkungen auf deren Identitätskonzept hat.
Der zweite Abschnitt des Theorieteils ist Donna Haraway und ihrem Cyborg-Konzept
gewidmet. Als Einleitung erfolgt an dieser Stelle ein Überblick über die Entwicklung
des künstlichen Menschen, in dessen Tradition der/die Cyborg steht. Als
Ausgangswerk der Cyborg-Konzeption dient Haraways "Cyborg Manifesto"3, in dem
sie die Cyborgutopie und -metapher entwirft, auf die im Laufe der Arbeit immer
3
Donna Haraway: Ein Manifest für Cyborgs. Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften. In:
Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Hrsg. von Carmen Hammer und
Immanuel Stieß. Frankfurt a.M./New York: Campus 1995.
8
wieder zurückgegriffen wird. Im Zuge dessen wird auch Kritik, die es zu ihrem Werk
von verschiedenen Theoretiker_innen gibt, aufgegriffen und diskutiert werden.
Anschließend werden weitere Cyborg-Definitionen an- und ausgeführt, die ebenfalls
als Grundlage für den Analyseteil dienen. Der letzte Abschnitt des Theorieteils
bezieht sich auf den Science Fiction-Film an sich, und wie dieser im feministischen
Kontext gelesen wird, beziehungsweise welches Potential ihm, in Bezug auf
Maschinenmenschen, aktuell zugesprochen wird. Abgeschlossen wird dieser
Abschnitt mit einer Abhandlung über die feministische Filmtheorie mit Fokus auf das
Konzept des "männlichen" Blicks.
Dem Theorieteil folgt die konkrete Untersuchung der einzelnen Filme. Da Blade
Runner den klassischen Science Fiction-Film repräsentiert, wird dieser zuerst einer
Analyse
unterzogen.
Streng
genommen
handelt
es
sich
bei
den
Maschinenmenschen im Film um Androiden und nicht um Cyborgs nach der
konventionellen Definition. Diese Trennung ist für die hier vorgenommene Analyse
jedoch irrelevant, da sie alle eine Gemeinsamkeit verbindet, die Hannah MöckelRieke mit dem Begriff der liminalen Körper beschreibt. Der Autorin zufolge sind das
Körper, die sich in einer zeitlichen oder materiellen Grenzsituation befinden (darauf
wird in Kapitel 2.4 noch näher eingegangen).4 Anschließend erfolgt die Analyse eines
vom üblichen Mainstream abweichenden und doch populären Films: Ghost in the
Shell. Zu Beginn jeder einzelnen Analyse werden rezeptionsgeschichtliche Fakten
und Daten zum jeweiligen Film erläutert. Daran anschließend wird der Inhalt kompakt
aufgerollt, um danach direkt die Analyse durchführen zu können. Im Mittelpunt der
Filmanalysen steht eine ausführliche Untersuchung der/des relevanten Cyborg(s).
Des Weiteren werden Motive und Settings untersucht, um mögliche subversive
Potentiale zu finden oder normative Machtstrukturen als solche zu entlarven. Eine
abschließende Zusammenfassung rundet die Arbeit ab und verdeutlicht prägnant die
erhaltenen Forschungsergebnisse.
4
Vgl. Hannah Möckel-Rieke: Entgrenztes Subjekt – liminaler Körper: Cyborgs und ihre Beziehung zur
Körperkultur in der amerikanischen Populärkultur der Gegenwart. In: Die Amerikanisierung des
Medienalltags. Hrsg. von Wenzel. Frankfurt, New York: Campus 1998, S. 329.
9
2 Theorieteil: Körper mit Konzept
2.1 Körper-Macht-Widerstand
Bodies in the Bodhi Tree,
bodies making chemistry
bodies on my family,
bodies in the way of me
bodies in the cemetery
and that's the way it's gonna be
(Robbie Williams, Bodies)
In dieser Arbeit wird von einem diskursanalytischen Körperverständnis ausgegangen,
demnach Körper (und Begriffe im Allgemeinen) immer im Rahmen diskursiver
Praktiken hervorgebracht werden und sich damit als soziokulturelle Konstrukte
erweisen.
Michel
Foucault
versteht
unter
Diskursen
„Ensembles
von
Regelhaftigkeiten, die eine Praxis wissenschaftlichen Redens oder Schreibens
regulieren: Diskurse regeln, was zu einem bestimmten Zeitpunkt sagbar ist“5. Er
begreift Diskurse aber nicht nur sprachlich, sondern auch als Praktiken: Der Diskurs
sei darauf ausgelegt, Macht zu legitimieren, indem durch den alltäglichen sozialen
Austausch Normen etabliert und reproduziert werden.6 Nach Foucault ist Macht
„nicht eine Institution, ist nicht eine Struktur, ist nicht eine Mächtigkeit einiger
Mächtiger. Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen
Situation in einer Gesellschaft gibt“.7 In Überwachen und Strafen. Die Geburt des
Gefängnisses skizziert er den gelehrigen Körper, welcher sich unterwirft, dressiert,
manipuliert, ausgenutzt, verformt und umgeformt werden kann. Der Körper fungiere
somit als Gegenstand und Zielscheibe der Macht. Foucault spricht in diesem
Zusammenhang von "Disziplinen", die im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts zur
geläufigen Herrschaftsform wurden. Hierbei geht es um die Erhöhung der
ökonomischen Nützlichkeit des Körpers und die Schwächung desselben, um ihn
politisch fügsam zu machen. Beschrieben werden diese Disziplinen anhand von
5
Sabine Hofmann: Diskurs. In: Metzler Lexikon Gender Studies. Geschlechterforschung. Hrsg. von
Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 71.
6
Vgl. Randi Gunzenhäuser: Automaten – Roboter – Cyborgs. Körperkonzepte im Wandel. Trier:
Wissenschaftlicher Verlag Trier 2006. (= Arbeiten zur anglistischen und amerikanistischen
Medienwissenschaft. Hrsg. von Helbig, Krewani. Bd. 2) S. 35.
7
Michel Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp
1977, S.114.
10
Schulen, Spitälern und dem Militärwesen.8 Foucault weist jedoch nun auf die
produktive Wirksamkeit der Macht hin und plädiert dafür, damit aufzuhören, die
Macht immer nur negativ zu beschreiben, da Macht Wirklichkeit produziert und das
Individuum das Ergebnis dieser Produktion sei.9 Subjekte werden also nach Foucault
in komplexen Vorgängen der Unterwerfung im Rahmen von Körper- und
Identitätsnormen
in
einer
spezifischen
historischen
symbolischen
Ordnung
hergestellt.10 Zusätzlich beschreibt Foucault einen weiteren Machttypus, die BioMacht. Die Bio-Macht bezieht sich nicht wie die Disziplinarmacht auf das Individuum,
sondern wirkt gesamtgesellschaftlich, reguliert und steuert die Bevölkerung. Als
Exempel führt er an dieser Stelle beispielsweise die Geburten- und Sterblichkeitsrate,
die Fortpflanzung und das Gesundheitsniveau an.11 Laut Foucault ist Macht
allgegenwärtig, es gibt nichts, was sich außerhalb der Macht befinde.12 Des Weiteren
seien Wissen und Macht untrennbar miteinander verbunden, Macht schaffe
Wissenssubjekte
und
-objekte
und
kettet
diese
über
Machtbeziehungen
aneinander.13 In Foucaults Machttheorie lassen sich auch Widerstandspotentiale
finden, die, so Foucault, nie außerhalb der Macht liegen.14 Er beschreibt Widerstände
als ein nicht wegzudenkendes Gegenüber, das zumeist mobil und vorübergehend ist,
die „Einheiten zerbrechen und Umgruppierungen hervorrufen, die Individuen selber
durchkreuzen, zerschneiden und umgestalten, in ihrem Körper und in ihrer Seele
abgeschlossene Bezirke“15 abstecken. Auf dieser Subversion, welche innerhalb
eines Diskurses wechselseitig mit Macht hervorgebracht wird, liegt der Fokus der
vorliegenden Arbeit.
Foucaults Diskursbegriff stellt ein Denkmodell zur Verfügung, auf das der
diskursanalytisch vorgehende dekonstruktivistische Feminismus zurückgreift. Die
Untersuchungen zum Verhältnis von Subjekt, Körper und Wissen lassen sich auch in
Donna Haraways Ausführungen des Cyborg-Konzepts wiederfinden (siehe Kapitel
8
Michel Foucault: Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main:
Suhrkamp 1976, S. 174ff.
9
Vgl. ebd., S. 250.
10
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 34.
11
Vgl. Foucault, Der Wille zum Wissen, S. 166
12
Vgl. ebd., S.114.
13
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 37.
14
Vgl. Foucault, Der Wille zum Wissen, S. 116.
15
Ebd., S. 118.
11
2.3).16 Judith Butler knüpft ebenfalls an Foucault an und führt seine Überlegungen
kritisch weiter. Im Gegensatz zu Foucault, welcher dafür kritisiert wird, Geschlecht
weitgehend auszusparen, rückt Butler Geschlechtsidentität in den Mittelpunkt ihrer
Theorie und beschreibt diese als einen Effekt von Macht. Nach Butler wird
Geschlechtsidentität im Diskurs in einem performativen Akt immer wieder neu
hervorgebracht und dadurch stabilisiert.17 Produziert werden stets Kopien, ohne dass
es ein Original dazu gäbe (was sich auch später bei Maschinenmenschen wieder
zeigen wird). Dieser performative Akt bietet jedoch nicht nur die Möglichkeit der
Stabilisierung, sondern hat auch das Potenzial, hegemoniale Geschlechternormen zu
dekonstruieren und somit zu unterlaufen. Dies kann, laut Butler, beispielsweise
mittels transvestitischer Praktiken, Kleidertausch und der butch/femme-Identitäten
geschehen.18 So erscheint das heterosexuelle Zwangssystem als Komödie und
Parodie seiner selbst. Wichtig zu erwähnen ist aber, dass Butler die Parodie an sich
nicht als subversiv versteht. So kann beispielsweise drag „so gut im Dienst der
Entnaturalisierung
wie
der
Reidealisierung
übertriebener
heterosexueller
Geschlechtsnormen stehen“19. Denn Ziel der Performanz ist es, in erster Linie die
Geschlechterbinarität
aufrechtzuerhalten.
Da,
wie
bereits
erwähnt,
Geschlechtsidentitäten konstruiert sind, können sie „weder wahr noch falsch, weder
wirklich noch scheinbar, weder ursprünglich noch abgeleitet sein. Als glaubwürdige
Träger solcher Attribute können sie jedoch gründlich und radikal unglaubwürdig
gemacht werden“20. Darin liegt die Kraft der Subversion. Homosexualität,
Transsexualität oder Travestie eigneten „sich Strukturen der Heterosexualität an,
subvertierten
und
resignifizierten
sie
jedoch,
indem
sie
sie
verändert
wiedereinsetzten“21. Somit können Machtstrukturen entlarvt und gestört werden. Dies
geschieht aber nicht von außen, denn wie bei Foucault gibt es bei Butler keine
Tätigkeit oder Realität außerhalb des Diskurses. 22 Wie Foucault macht sie ebenfalls
vom Begriff der Bio-Macht Gebrauch, stellt hier aber die Frage nach der sexuellen
16
Susanne Schlünder: Foucault, Michel. In: Metzler Lexikon Gender Studies. Geschlechterforschung.
Hrsg. von Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 113.
17
Vgl. Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S. 200.
18
Vgl. ebd., S. 201.
19
Judith Butler: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Frankfurt am Main:
Suhrkamp 1997, S. 178.
20
Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, S. 208.
21
Marina Krug: Subversion. In: Metzler Lexikon Gender Studies. Geschlechterforschung. Hrsg. von
Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 382f.
22
Vgl. Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, S.217.
12
Ökonomie in den Vordergrund, der zufolge Bio-Macht in einem heterosexuellen
System weibliche und männliche Körper normativ aufeinander bezieht und jegliche
von der Norm abweichende Geschlechterbeziehung untersagt. 23 Laut Butler sollte
eine Kategorie so offen wie möglich gehalten werden. Identitäten sollen nicht definiert
und bestimmt werden, sondern sollen dynamisch bleiben, weil durch eine
Identifizierung immer andere Identifizierungen verloren gehen und ausgeschlossen
werden.24
Gunzenhäuser macht darauf aufmerksam, dass sowohl bei Foucault wie auch bei
Butler deutlich wird, dass kulturelle Körpernormen veränderbar sind und dass sie mit
dem Voranschreiten des Kapitalismus immer flexibler werden. In Anbetracht dessen,
so Gunzenhäuser, müssen subversive Praktiken ebenso provisorisch ausfallen. Da
hegemoniale und widerständige Körperbilder gleichermaßen einer ständigen
Veränderung unterzogen werden, ist zu beachten, dass weder Körpernormen noch
Subversionsstrategien
zeit-
und
gruppenunabhängig
zu
beurteilen
sind. 25
Gunzenhäuser macht in diesem Zusammenhang auf ein grundlegendes Problem
aufmerksam: Da das Verschwinden eindeutiger Körpernormen und -ökonomien viele
Menschen beunruhigt, lässt sich die Angst um den Verlust klar eingegrenzter
Körperkonzepte auch bei Widerstandspositionen finden, weil diese, wie Foucault
dargelegt hat, ebenso vom Wandel betroffen seien wie die Normen der Macht.
Offene Körperkonzepte konnten in der Moderne und in der frühen Postmoderne noch
eindeutig der Seite des Widerstands zugeordnet werden, heute sei die Zuordnung
erheblich
schwieriger
geworden.
Dies
hänge
damit
zusammen,
dass
konstruktivistische Theorieansätze bereits von zeitgenössischen Körperpraktiken
eingeholt zu sein scheinen. Norm und Widerstand verschränken sich, so
Gunzenhäuser, mehr denn je.26
23
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 47.
Vgl. Butler, Körper von Gewicht, S.180.
25
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 49.
26
Vgl. ebd., S. 50.
24
13
2.2 Körper-Macht-Medien
Broken mirror steal my reflection
tell me what you see
a hundred shattered eyes
in the looking glass
staring back at me
(Travis, Broken mirror)
Der um 1800 erfundene "ganze Mensch" ist bereits um 1900 wieder tot. Davon
spricht Friedrich Kittler in Aufschreibesysteme und meint, dass dieser durch die
neuen Technologien, wie Schrift, Film und Ton, zum Verschwinden gebracht werde,
und alles, was übrig bleibe, sei der Körper als Material der Technik.27 Dem wird
allerdings von Irmela Schneider entgegengehalten, dass es sich bei dem Verhältnis
von Körper und Technik um eine Doppelbesetzung handelt: Einerseits geht es um
die Technisierung von Körperrepräsentationen (z.B. in Fotographie und Film bis hin
zum Cyberspace) und andererseits sollen Techniken zugunsten einer neuen
Sinnlichkeit unsichtbar gemacht werden. 28 Schneider stellt fest, dass Körper- und
Mediendiskurse eng miteinander verbunden sind, sich gegenseitig interpretieren und
Medienrevolutionen auch immer Körperrevolutionen mit einschließen.29 In diesem
Zusammenhang führt sie drei mediale Umbruchsituationen an, die wesentlich zur
Veränderung von Körperkonzepten beigetragen haben: Film, Fernsehen und
elektronische Medien.30 Körpererfahrung findet mit dem Medium Film über
Körperrepräsentation statt. Der Film eröffne einen völlig neuen Blick auf den Körper,
nämlich auf einen bewegten Körper und die Großaufnahme desselben, die auf das
ungeübte Auge wie ein zerstückelter Körper wirkte, was faszinierend und
erschreckend zugleich war.31 Gunzenhäuser meint dazu, dass Medien im
Allgemeinen die angeblich abgeschlossenen Körper zerteilen und sie wie ein Puzzle
nach ihren Regeln wieder zusammensetzen. Wesentlich hierbei ist, dass Medien
stets bemüht darum sein, etwaige Spuren dieses kreativen Prozesses zu verwischen
und beispielsweise durch Schnitttechnik, Charakterzeichnung oder Perspektivierung
27
Vgl. ebd., S. 28.
Vgl. Irmela Schneider: Anthropologische Kränkungen – Zum Zusammenhang von Medialität und
Körperlichkeit in Mediendiskursen. In: Was vom Körper übrig bleibt. Körperlichkeit – Identität –
Medien. Hrsg. von Becker und Schneider. Frankfurt am Main: Campus 2000, S.21.
29
Vgl. ebd., S. 15.
30
Vgl. ebd., S.16.
31
Vgl. ebd., S. 22.
28
14
die
Körperbilder
"natürlich"
erscheinen
lassen.32
Zu
der
Möglichkeit
der
Fragmentierung des Körpers kommt noch hinzu, dass er sich im Film wie eine
Maschine bewegen kann. Somit erfährt die mechanische Sicht auf den Körper, die
sich seit dem 18. Jahrhundert verbreitete, einen neuen Höhepunkt. 33
Das elektronische Zeitalter wird vor allem mit der Einführung des Fernsehens
eingeläutet. Marshall McLuhan vertritt die Auffassung, wonach Medien Ausweitungen
unseres Körpers darstellten. In diesem Modell löste er die verbreitete Sichtweise „der
Trennung von weiblich kodierter Natur und männlich kodierter Technik auf“34. Der
Körper wird in einer solchen Definition von Medien als eine funktionierende Apparatur
begriffen und der mechanische Körper von Decartes fungiert als Vorbild für die
mechanischen Medien.35 Diese Mechanisierung des Körpers geht mit dem Prozess
einer »Verkörperung« von Kommunikationstechnologien einher, der, so Schneider,
die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts grundlegend bestimmen wird. 36 Der
menschliche Körper und die modernen Kommunikationstechnologien rücken immer
näher aneinander. Beim Übergang vom mechanischen ins elektronische Zeitalter
wird der Körper vom mechanischen Körper zu einer verkörperten Maschine. Somit
findet, laut Schneider, eine Anthropomorphisierung der Medien statt und gleichzeitig
wird der Körper zu einer "Kommunikationstechnologie".37 Abschließend stellt
Schneider fest, dass der Diskurs über Medialität und Körperlichkeit durch zwei
andauernde Traditionen geprägt sei: einerseits durch die vehemente Trennung von
Körper und Geist, die lange Zeit das Interesse auf die geistigen Folgen der
Medienentwicklung gelenkt habe und andererseits durch die Tradition eines
essentialistischen Naturkörpers, der seit dem 20. Jahrhundert nicht mehr als
natürliche Einheit betrachtet werden könne.38
32
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S.20.
Vgl. Schneider, Anthropologische Kränkungen, S.23f.
34
Uta Felten/Isabel Mauerer Qeipo: Medien/Medienwissenschaft/Medientheorie. In: Metzler Lexikon
Gender Studies. Geschlechterforschung. Hrsg. von Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S.
262.
35
Vgl. Schneider, Anthropologische Kränkungen, S. 28.
36
Vgl. ebd., S. 27.
37
Vgl. ebd., S. 29.
38
Vgl. ebd., S. 36f.
33
15
2.2.1 Das gespaltene Subjekt im medientheoretischen
Kontext
In den 1930er Jahren entwickelte Jacques Lacan das Konzept des Spiegelstadiums,
welches als Modell und Basis für darauffolgende Identifikationsprozesse dient.39 Hier
geht es um die frühkindliche Identifikation mit dem eigenen Spiegelbild, in dem sich
das Kind als scheinbar ganzheitliches, autonomes Subjekt wahrnimmt, obwohl es
motorisch abhängig ist.40 Diese Wahrnehmung als einheitliches Subjekt ist nach
Lacan jedoch ein Phantasma des Kleinkindes, denn das Subjekt ist stets gespalten. 41
Das wahrgenommene Ich basiere nur auf einem Bild, das von Lacan Imago genannt
wird.42 Lacan unterscheidet in diesem Zusammenhang zwei Formen des Ichs: das je
und das moi. Das je stellt den Blick auf das Ich aus einer Außenperspektive dar, in
der es von anderen (in einer symbolischen Matrix) gesehen werden kann. Lacan
nennt es auch das Ideal-Ich. Das moi ist das imaginierte Ich, welches jedoch fiktiv ist,
da das ganze Subjekt als solches nicht zu erreichen ist.43
Im gendertheoretischen Kontext ist das Modell des Spiegelstadiums insofern
interessant, als es aufzeigt, dass erst das Bild das Abgebildete konstruiert. Dies
verweist darauf, dass kulturelle Bilder für die Konstruktion von (Geschlechts)Identitäten von enormer Relevanz sind.44 Deshalb wird Lacans Subjektfassung auch
für film- und literaturtheoretische Analysen rund um Subjektivierungs- und
Identifikationsprozesse herangezogen, in denen Medien eine identitätsstiftende
Wirkung zukommt. 45 Vor diesem Hintergrund schreibt Marie-Luise Angerer:
Medien, mediale Bilder, mediale Apparate haben nicht nur identitätsstiftende Wirkung,
sondern sind am »Aufbau«, in der Formation von Subjekten zutiefst beteiligt,
eingeschrieben, aus diesem nicht wegzudenken. Auch wenn zwischen medialen Bildern
(TV, Film) und psychischen Bildern, unbewussten Bildern, Bildern der (unbewussten)
Erinnerung, jenen Bildern, die wir als »Selbst«-bilder denken, ein Unterschied zu setzen
ist, so ist dieser durchlässig.46
39
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 40.
Vgl. Jacques Lacan: Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion. In: Schriften 1. Hrsg. von
Norbert Haas. Berlin: Quadriga Verlag 1986, S. 64.
41
Vgl. ebd., S.67.
42
Vgl. ebd., S.65.
43
Vgl. ebd., S. 64.
44
Vgl. Stephanie Kratz: Spiegel/Spiegelstadium. . In: Metzler Lexikon Gender Studies.
Geschlechterforschung. Hrsg. von Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 374.
45
Zur Analyse von Lacans Subjektfassung in der Literaturtheorie siehe Lena Lindhoff: Einführung in
die feministische Literaturtheorie. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar: Metzler 2003. (=
Sammlung Metzler Bd. 285) S. 80-90.
46
Marie-Luise Angerer: body options. körper.spuren.medien.bilder. Wien: Turia und Kant 1999. (=
Cultural Studies Bd. 1) S. 26.
40
16
Der Körper kann zusätzlich zu einer diskursiven und soziokulturellen Konstruktion
auch als eine mediale Konstruktion gedacht werden. Durch die Medien wird der
Körper selbst zum Bild, der "reale" Körper versucht sich dem Bild anzugleichen,
somit werden Aspekte oder Teile des körperlichen Selbst zum Mittel der
Identitätspräsentation. Diese Identitätspräsentation ist aber nur eine scheinbare, da
die verschiedenen Anforderungen an weibliche und männliche Körper beim
Individuum zu einer präzisen Modellierung des Körpers (z.B. Schönheitsideale)
führen und somit auch zur Manifestation von Geschlechterstereotypen beitrage.47
Angerer verweist in body options immer wieder auf die Leere des Bildes und sieht die
Problematik von Film, Fernsehen und neuen Medien-Technologien darin, dass sie
die Materialität des Körpers und seines Geschlechts nicht fassen können: „Je
euphorischer Netz-Theoretiker/innen vom gender- oder körperlosen Sein des
Cyberspace berichten, desto deutlicher zeigt sich, dass der geschlechtlich markierte
Körper den jeweiligen Bilder-Rahmen sprengt, in diesem offensichtlich nicht aufgeht,
vor dem Rahmen nicht Halt macht“.48 Sie sieht in medialen Anordnungen keine Orte
der Befriedigung, sondern diese bilden das Setting für ein Begehren, welches sich in
den Bildern als Bild maskiert, jedoch strukturell völlig leer, beweglich und flüchtig ist.
Es handelt sich hier um ein Moment, welches vorhanden, aber weder greif- noch
sichtbar ist und sich außerhalb des Bildes befindet, das Körperbild.49 Dieses
Körperbild meint nie das eigentliche Bild des Körpers, sondern verweist stattdessen
auf einen psychischen Raum, welcher nicht sichtbar ist, während das Körperschema
die Substanz/den Organismus beschreibt, mit der/dem die Menschen in der Welt in
kommunikativen Austausch treten.50 Nach Paul Schilder ist das Körperbild fließend
und dynamisch und besitzt die Fähigkeit, seine Grenzen zwischen Innen und Außen
permanent zu verschieben.51 Angerer bemerkt dazu „der Ort des Körper(-bildes) ist
eine ursprüngliche Leere, die in nachträglichen Verfahren besetzt – und dadurch zum
Körper – wird“52. Das bedeutet, dass die sexuelle Markierung des Körpers (weibliche
und männliche Identitäten) erst in einem nachträglichen Verfahren geschieht und aus
dem Körper ein Ganzes machen soll. Damit geht jedoch gleichzeitig ein Verlust
47
Vgl. Claudia Combrink: Körper, männlicher/weiblicher. In: Metzler Lexikon Gender Studies.
Geschlechterforschung. Hrsg. von Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 213.
48
Angerer, body options, S. 26.
49
Vgl. ebd., S.159.
50
Vgl. ebd., S.160.
51
Vgl. ebd., S.161.
52
Ebd., S.163.
17
einher, der bei Lacan einen Verlust der polymorphen Sexualität bedeutet und sich bei
Butler als die Verdrängung eines homosexuellen Begehrens äußert, welches
innerhalb einer heterosexuellen Matrix keinen Platz hat. Nach Butler sind
Körpergrenzen zwischen dem Psychischen und dem Materiellen verortet, diese
oszillieren zwischen den beiden Schichten. Somit entsteht eine Spaltung und um
diese Spaltung zu überdecken, bedarf es einer Fassade, nämlich geschlechtlicher
Identitäten.53 Da der Körper keine abgeschlossene Einheit darstellt, können Medien(bilder) auf uns wirken. Sie dienen dazu, aus einem leeren Körperbild ein volles zu
machen.54 Angerer erklärt in diesem Kontext, dass das filmtheoretische Subjekt
eigentlich körperlos ist, erst der Blick setzt sein Subjekt nachträglich als Effekt ein.
Sie betont an dieser Stelle, dass die gesamte filmische Repräsentation durch die
Organisation des Blicks - des Blicks der Kamera, des Blicks der Zuseher_innen und
des Blicks des (männlichen) Protagonisten definiert wird.55 Bilder sind menschlich, so
Angerer, und mediale Apparaturen bergen einen nicht-humanen Anteil in sich. Sie
bezeichnet mediale Anordnungen als soziale Maschinen, „die das Psychisch-Soziale
nicht nur durchdringen, sondern aufbauen, befestigen, einrichten“56. Somit treiben
nicht-humane Institutionen die Produktion von Subjektivitäten an, was wiederum zu
einer Kreuzung von humanen und non-humanen Anteilen führt, deren Verkörperung
sich im Harawayschen Cyborg finden lässt.
Medien kann also deshalb subjektkonstituierendes und gleichzeitig subversives
Potential zugesprochen werden, weil zwischen ihnen und dem Körper eine enge
Verkettung
vorliegt.
Vor
dem
Hintergrund,
dass
Körper
und
Kommunikationstechnologien immer näher aneinanderrücken und der Mensch, so
Schneider, zu einer verkörperten Maschine mutiert, kann die Cyborg-Metapher im
medientheoretischen Kontext doppelt gelesen werden. Zum einen kann es sich um
ein Cyborg-Werden, zum Beispiel eines filmischen Körpers handeln und zum
anderen kann das Zuseher_innen-Subjekt selbst zum Cyborg mutieren, „da es nicht
mehr ganz in seinem Körper zu Hause zu sein scheint, sondern sich in
Verdoppelungen und Aus- und Umstiegen verliert“57.
53
Vgl. ebd., S. 164.
Vgl. ebd., S. 163.
55
Vgl. ebd., S. 70.
56
Ebd., S. 70.
57
Ebd., S. 174.
54
18
2.3 Haraways Cyborg – zwischen film- und
literaturtheoretischer Fiktion und technologischer
Realität
Biomechanik
Der Mensch belebt den Stahl
Gedanken integral
Die Seele digital
Biomechanik
Das Leben wird kodiert
Gefühle generiert
Natur perfektioniert
(Anthony Rother, Biomechanik)
Das Motiv des künstlichen Menschen lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen und
ist bis ins 18. Jahrhundert nur in Mythen und Legenden zu finden. Der wohl
bekannteste Mythos rund um den Automatenmenschen stammt aus der griechischen
Mythologie und erzählt die Geschichte des Bildhauers Pygmalion, der seine Statue
belebt und sich in sie verliebt.58 Mit dem Aufkommen der Alchemie und Magie im
Mittelalter wurde der Erschaffung eines menschenähnlichen Wesens große
Aufmerksamkeit zuteil. Es wurden diverse Rezepte erstellt, in denen detaillierte
Anleitungen zur Kreation eines Homunculus beschrieben werden.59 Das bekannteste
Rezept stammt von Paracelsus, welcher das Sperma eines Mannes mit Pferdemist
und Menschenblut vermischte und diese Ingredienzen in einem kürbisartigen Gefäß
einem Fäulnisprozess unterzog.60 In den jüdischen Überlieferungen lässt sich eine
andere Legende von einem menschenähnlichen Wesen finden. Der Golem ist eine
Figur aus Lehm, die, wie der Homunculus, nicht sprechen kann und der durch die
kabbalistische Buchstabenmystik zum Leben erweckt wird. Diese Wesen wurden
noch nicht als Bedrohung wahrgenommen, wie sich später in der Literatur zeigt,
sondern wurden eher dem Bereich der Zauberei und "Trickserei" zugeordnet.61 Die
bewusste Konstruktion eines künstlichen Menschen, im Sinne eines Androiden 62,
fand erst im 17. und 18. Jahrhundert statt. Von da an begann man den Menschen mit
58
Vgl. Tanja Lindauer: Reconstructing Eve. Automatenmenschen in Literatur und Film. Marburg:
Tectum Verlag 2008, S. 15f.
59
Vgl. ebd., S. 18.
60
Vgl. Bernhard Irrgang: Posthumanes Menschsein? Künstliche Intelligenz, Cyberspace, Roboter,
Cyborgs und Designer-Menschen –Anthropologie des künstlichen Menschen im 21. Jahrhundert.
Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005, S. 19.
61
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 19f.
62
Der Begriff Android bedeutet so viel wie „Des Menschen Abbild“,
vgl. ebd., Irrgang, Posthumanes Menschsein, S. 19.
19
einer Maschine zu vergleichen. René Decartes teilt in seiner Zweisubstanzenlehre
die Welt in "res cogitans"(Geist) und "res extensae" (Körper). Allein der Mensch
bestehe aus beiden Substanzen, was ihm ermögliche, zu denken und zu sprechen.
Wie bereits im Kapitel 2.2 erwähnt, begreift Decartes den Körper selbst als
Maschine,
folglich
seien
Maschinen
natürlich
und
Decartes
sah
deshalb
Automatenkonstrukteure als Nachahmer des Schöpfers an. Tanja Lindauer schließt
daraus, dass laut dieser Theorie die Maschine nicht nur Teil der Natur sei, sondern
die Natur selbst als Maschine wahrgenommen werde.63 Bis zum Ende des 18.
Jahrhunderts wurden Automaten ausschließlich zur Simulation menschlicher
Bewegungsabläufe konstruiert. Das ist auch der Grund, warum sie in der Literatur
erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts als Bedrohung wahrgenommen werden.64
Mary Shelley schrieb 1818 den Roman Frankenstein, der erstmals die bedrohliche
Komponente von künstlichen Menschen, die zwischen Anpassung und Widerstand
oszillieren, zum Thema macht. Die Doppelbesetzung von Anpassung und
Widerstand und von Künstlichem und Lebendigem haben Maschinenmenschen bis
heute inne.65 Mit dem Aufkommen moderner Kommunikationstechnologien im 20.
Jahrhundert werden die Automatenmenschen von kybernetischen Organismen
abgelöst, in deren Tradition Haraways Cyborg steht.66 Lindauer nennt in diesem
Zusammenhang
drei
außerliterarische
Momente,
die
zum
Motiv
des
Automatenmenschen wesentlich beitrugen. Der Behaviorismus, welche durch John
Broadus Watson 1913 begründet wurde und dessen bekanntester Vertreter
Petrowitsch Pawlow ist, machte es sich zum Ziel, aufzuzeigen, dass es möglich ist,
menschliche Verhaltensmuster mit mechanischen Perspektiven zu beschreiben. Hier
wird der Mensch als eine organische Maschine angesehen, die sind von ihrer Umwelt
programmieren lässt. Mittels der behavioristischen Theorie wurde, speziell in den
USA, auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz geforscht. Die zweite bedeutsame
Theorie ist die der Kybernetik. Sie wurde durch Norbert Wiener etabliert und brachte
neue Aspekte in die Androidenthematik. Der Organismus des 20. Jahrhunderts, so
Wiener, sei ein Medium der Kommunikation und Kontrolle, das sich aus Botschaften,
Informationen und Codierungen zusammensetze. Der Mensch gilt somit als Vorbild
vor die Maschine und Wiener ging davon aus, dass alle Gehirnfunktionen des
63
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 21ff.
Vgl. ebd., S. 26.
65
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 81ff.
66
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 32.
64
20
Menschen mit elektrischen Systemen nachgebildet werden können. Als drittes
außerliterarisches Moment nennt Lindauer die Computertechnologie und das
folgende Interesse an der Forschung der Künstlichen Intelligenz. Diese drei Momente
trugen, so Lindauer, zu Entwicklung des Cyborgs bei, welcher durch seine duale
Konstruktion gekennzeichnet ist. Da er äußerlich als Mensch auftritt, aber im Inneren
eine Maschine ist, lässt sich beim Cyborg im Film und in der Literatur, wie schon bei
den Automaten im 18. und 19. Jahrhundert, das Thema von Schein und Wirklichkeit
wiederfinden.67
Die Biologin und Kulturwissenschaftlerin Donna Haraway entwirft in ihrem 1985
veröffentlichten Essay Manifesto for Cyborgs eine utopische Cyborg-Figur, die als
feministisches Widerstandskonzept gegen eine patriarchale Macht, welche sich
durch klare Grenzziehungen und Herrschaftsverhältnisse definiert, fungiert. Mit
diesem Essay war sie eine der ersten, die sich radikal mit den Neuen MedienTechnologien auseinandersetzte. Hierbei geht es nicht mehr um prothetische
Erweiterungen des Körpers, wie etwa Freud und McLuhan die Technik betrachteten,
sondern um ein Angreifen und Unterwandern der Grenzen von Subjekt und Objekt,
was die Transformation der Wahrnehmung des Körpers nach sich zieht. Die Haut als
Grenze unseres Körpers scheint somit durchlässig geworden zu sein.68 Im Zentrum
der Kritik stehen hier der patriarchal motivierte Einsatz von neuen (Bio-)technologien
und ihr Gebrauch für militärische und kommerzielle Zwecke. 69 Cyborgs sind nach
Haraway „kybernetische Organismen, Hybride aus Maschine und Organismus,
ebenso Geschöpfe der gesellschaftlichen Wirklichkeit wie der Fiktion“70. Zum einen
ist die Cyborg als imaginäre Figur zu verstehen, wie sie sich zum Beispiel in Science
Fiction-Filmen und Literatur finden lässt und zum anderen sind wir in unserer
materiellen Realität alle schon längst Cyborgs. 71 Cyborgs erscheinen immer dort, wo
Grenzen brüchig werden und Haraway plädiert dafür, dieser Grenzverwischung
positiv gegenüberzustehen, anstatt dystopische Visionen zu schaffen und Ängste zu
schüren. In diesem Zusammenhang zeichnet sie den Zusammenbruch von drei
67
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 31ff.
Vgl. Angerer, body options, S. 20.
69
Vgl. Angela Krewani: .Cyberfeminismus. In: Metzler Lexikon Gender Studies.
Geschlechterforschung. Hrsg. von Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S.56.
70
Haraway, Ein Manifest für Cyborgs, S. 33.
71
Vgl. ebd., S. 34.
68
21
ausschlaggebenden Grenzziehungen nach72: Die Grenze zwischen Mensch und Tier
ist nicht mehr erkennbar und das Argument der Einzigartigkeit des Menschen, der
sich in seinem Sozialverhalten von den Tieren abgrenzt, nicht mehr haltbar. Die
zweite porös gewordene Unterscheidung ist die zwischen Organismus (Tier-Mensch)
und Maschine. Die Maschinen des späten 20. Jahrhunderts beschreibt Haraway als
quicklebendig, während der Mensch beängstigend träge zu sein scheint. In diesem
Zusammenhang schreibt sie: „Die Maschine ist kein es, das belebt, beseelt oder
beherrscht werden müsste. Die Maschine sind wir, unsere Prozesse, ein Aspekt
unserer Verkörperung“.73 Die dritte Unterscheidung bezieht sich auf die Auflösung
der Abgrenzung zwischen Physikalischem und Nichtphyikalischem. Laut Haraway
sind moderne Maschinen allgegenwärtig und unsichtbar und genau darin liege ihr
tödliches Potential, denn sie sind politisch wie materiell kaum mehr zu erkennen. Sie
beschreibt Cyborgs als Geschöpfe einer Post-Gender-Welt, die ohne jede Unschuld
sind, sich außerhalb der heterosexuellen Matrix bewegen und als utopisch,
oppositionell, pervers, ironisch und partiell gelten. Natur und Kultur werden durch sie
neu definiert.74 Mit der Cyborg-Figur entwirft Haraway ein zerlegtes und neu
zusammengesetztes Selbst, welches für Frauen ein Befreiungspotential aus den
patriarchalen und dichotomen Verhältnissen darstelle und des Weiteren Gender,
Rasse und Klasse als essentialistische Einheiten ungültig mache.75 Darüber hinaus
beugen sich Cyborgs nicht der Bio-Politik Foucaults, sondern simulieren Politik,
womit sie sich nach Haraway in einem weitaus mächtigeren Operationsfeld
bewegen.76 Diese Cyborg-Metapher steht ganz im Zeichen der Dekonstruktion und
„kann uns einen Weg aus dem Labyrinth der Dualismen weisen, in dem wir uns
unsere Körper und Werkzeuge erklärt haben“77.
72
Vgl. ebd., S. 36ff.
Ebd., S. 70.
74
Vgl. ebd., S. 35.
75
Vgl. ebd., S. 41ff.
76
Vgl. ebd., S. 50.
77
Ebd., S. 72.
73
22
2.3.1
Kritische
Auseinandersetzungen
Harawayschen Cyborg-Konzept
mit
dem
Wie auch Butler nimmt Haraway eine diskurstheoretische Position in Bezug auf die
Konzeption des Körperlichen ein und knüpft darüber hinaus an gegenwärtige
Diskurse aus den Naturwissenschaften an, in denen der Körper als ahistorische,
eindeutig bestimmbare und abgegrenzte Konstante betrachtet wurde. 78 Doch im
Gegensatz zu Butler fungiert der Körper für Haraway nicht als passive
Einschreibfläche, sondern ihm kommt eine aktive Rolle zu: „Der Körper, das Objekt
des biologischen Diskurses, wird selbst ein höchst engagiertes Wesen. […], der
»Körper« ist ein Agent und keine Ressource“.79 Haraway pflegt einen etwas
offeneren Diskursbegriff als Butler, denn sie spricht sich dafür aus, dass materielle
Körperlichkeit nicht auf diskurstheoretische Konstruktionen reduzierbar und somit
nicht als Effekt sprachlich vermittelter Praktiken zu verstehen sei.80 Barbara Becker
spricht sich ebenfalls gegen eine ausschließliche Textualisierung des Körpers aus
und stimmt mit Haraway überein, dass die Eigendynamik körperlicher Materialität
nicht ignoriert werden dürfe.81 In diesem Zusammenhang verweist Becker auf den
"Leibkörper"82, welcher immer in einer Zwiegestalt auftrete, die ihn zu einem
Umschlagpunkt von Natur und Kultur mache. 83 Er „ist immer gleichzeitig Außen und
Innen, Fremdes und Eigenes, und ermöglicht Schwellenerfahrungen am Übergang
zwischen Bestimmbarem und Erlebtem, zwischen Blindheit und Sichtbarem,
zwischen Drinnen und Draußen“84. Im Gegensatz zu Haraway sieht Becker die
Auflösung diverser Dualitäten und die Verschmelzung von Natürlichem und
Künstlichem nicht erst in der Entstehung von virtuellen Körpern oder biologischen
Maschinen, sondern sie ist der Meinung, dass dieser Chiasmus dem Leibkörper
78
Vgl. Barbara Becker: Cyborgs, Robots und »Transhumanisten« - Anmerkungen über die
Widerständigkeit eigener und fremder Materialität. In: Was vom Körper übrig bleibt. Körperlichkeit –
Identität – Medien. Hrsg. von Becker und Schneider. Frankfurt am Main: Campus 2000, S. 48.
Vergleichend auch bei Carmen Hammer, Immanuel Stieß: Einleitung. In: Die Neuerfindung der Natur.
Primaten, Cyborgs und Frauen. Hrsg. von Carmen Hammer und Immanuel Stieß. Frankfurt a.M./New
York: Campus 1995, S. 13-14.
79
Donna Haraway: Situiertes Wissen. Die Wissenschaftsfrage im Feminismus und das Privileg einer
partialen Perspektive. In: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Hrsg. von
Carmen Hammer und Immanuel Stieß. Frankfurt a.M./New York: Campus 1995, S. 95.
80
Vgl. Becker, Cyborgs, Robots und »Transhumanisten«, S. 49.
81
Vgl. ebd., S. 56f.
82
Becker bezeichnet damit einen subjektiv erlebbaren Leib oder einen physikalischen Körper.
83
Vgl. ebd., S. 58
84
Ebd., S. 58f.
23
bereits innewohne.85 Sie plädiert für die Anerkennung des Eigensinns und der
Eigendynamik eigener und fremder Materialität, welche stets auch eigene Akzente
setze und deshalb nicht ausschließlich der Macht von Diskursen, der Sprache oder
der Medien ausgesetzt sei.86
Ein weitaus essentialistischeres Verständnis von Körperlichkeit und Leiblichkeit
vertritt Bernhard Irrgang. Für ihn ist der Unterschied zwischen Menschen und
Robotern bzw. Cyborgs, unüberwindbar, denn auch für die Anthropologie des Homo
faber im 21. Jahrhundert sei immer eine gewisse Naturbezogenheit menschlicher
Leiblichkeit von zentraler Bedeutung. Klare Unterschiede zwischen natürlich
erschaffenen Menschen und technisch entwickelten Robotern würden zwar aufgelöst
werden,
aber
es
sei
Maschinenmenschen
nicht
seien
möglich
diese
keine autonomen
vollständig
zu
Akteur_innen,
verwischen.
87
sondern immer
fremdbestimmt, sie blieben immer nur Summe ihrer Teile und ergäben niemals ein
Ganzes. Laut Irrgang überwinden Cyborgs das Geist/Körper-Problem nicht, sondern
löschen es aus.88 Ob man in der Cyborg-Figur eine/n Hoffnungsträger_in oder eine
Schreckensgestalt
sieht,
hänge
nach
Gunzenhäuser
Medienkonzept der jeweiligen Kritiker_innen ab.
89
vom
Körper-
und
Darüber hinaus fragt er sich,
inwieweit Haraways Widerstandskonzept in einer Zeit, in der Körpernormen längst
dynamisch und verflüssigt seien, noch subversive Kraft habe. Ist der/die Cyborg
heute immer noch eine Widerstandsfigur oder einfach nur eine Form der Existenz
unter vielen?90 Haraway verweist jedoch in Cyborgs and Symbionts auf die Mutation
der Cyborgs: „Cyborgs do not stay still. Already in the few decades that they have
existed, they have mutated, in fact and fiction, into second-order entities like genomic
and electronic databases and the other denizens of the zone called cyberspace.“ 91 In
einem Interview betont sie, dass die Cyborg nicht identisch mit sich selbst sei und
viele mysteriöse Wandlungen durchlaufe. Die Cyborg-Familie sei außerdem diffiziler
85
Vgl. ebd., S. 60.
Vgl. Becker, Cyborgs, Robots und »Transhumanisten«, S. 66.
87
Vgl. Irrgang, Posthumanes Menschsein, S. 189.
88
Vgl. ebd., S. 190.
89
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 61.
90
Vgl. ebd., S. 60.
91
Donna Haraway: Cyborgs and Symbionts: Living Together in the New World Order. In: The Cyborg
Handbook. Hrsg. von Chris Hables Gray. New York, London: Routledge 1995, S. xix.
86
24
geworden, denn die Cyborg-Genealogie habe inzwischen eine Unzahl an
Mitgliedern.92
2.4 Cyborg-Figuren in der gegenwärtigen
Medienlandschaft
coin operated boy
sitting on the shelf
he is just a toy
but i turn him on
and he comes to life
automatic joy
that is why i want
a coin operated boy
(Dresden Dolls, Coin-Operated Boy)
Im Rahmen diverser Mediendiskurse der letzten Jahrzehnte unterlag der CyborgBegriff zahlreichen Mutationen und Neudefinitionen, wobei diese sowohl utopische
Visionen als auch apokalyptische Albtraumszenarien in Gang setzten.93 Geprägt
wurde der Begriff ursprünglich 1960 von den Wissenschaftlern Manfred E. Clynes
und Nathan S. Kline, die unter dem Terminus ein sich selbst regulierendes MenschMaschinen-System verstehen, welches fähig ist im Weltraum zu überleben.94 Diese
Definition reiche aber, so Möckel-Rieke, zur Beschreibung der vielfältigen Arten der
Cyborg-Existenzen in der Populärkultur nicht aus, da beispielsweise die düstere
Seite dieser Existenzen bei Clynes und Kline ausgespart blieb.95
Auch Martina
Mittag schreibt in diesem Kontext:
Der Cyborg ist gegen Ende des 20. Jahrhunderts kaum als isoliertes, kybernetisches System zu
betrachten, sondern als vernetztes Element innerhalb einer Unzahl zusammenwirkender
Komponenten. Dabei bleibt der Körper weit davon entfernt seine historischen Kontinuitäten
vollends zu negieren und sich in Immaterialität aufzulösen, wie es einige wollen. Aber er
durchläuft neue Verschaltungen, wird formbarer, wandelbarer.96
Möckel-Rieke beschreibt Cyborgs als liminale Körper. Das sind Körper, die sich in
einer materiellen oder zeitlichen Grenzsituation befinden und deren Zustand
dauerhaft oder aber auch nur ein momentaner sein kann. Cyborgs seien zumeist in
einem doppelten Sinn liminal, weil sie einerseits die Grenze zwischen Organischem
92
Donna Haraway: Wir sind immer mittendrin. Ein Interview mit Donna Haraway. In: Die Neuerfindung
der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Hrsg. von Carmen Hammer und Immanuel Stiess. Frankfurt
a.M./New York: Campus 1995, S. 114.
93
Vgl. Martina Mittag: Mutierte Körper – Der Cyborg im Text und der Text als Cyborg. In: Was vom
Körper übrig bleibt. Körperlichkeit – Identität – Medien. Hrsg. von Becker und Schneider. Frankfurt am
Main: Campus 2000, S. 211.
94
Vgl. Haraway, Cyborgs and Symbionts, S. xv.
95
Vgl. Möckel-Rieke: Entgrenztes Subjekt, S. 319.
96
Mittag, Mutierte Körper, S. 216.
25
und Maschinellem oder zwischen Körper und Information sichtbar machen und sich
andererseits oftmals am Rande der Ausgrenzung bewegen. In fiktiven Handlungen
ist der mechanische Teil der Cyborgs häufig an einer Stelle sichtbar oder die
menschliche Hülle wird im Laufe der Handlung teilweise beziehungsweise zur Gänze
zerstört, sodass der mechanische Teil anschließend sichtbar wird. An diesem Punkt
treten sie aus der Simulation eines menschlichen Erscheinungsbildes heraus, indes
die Schauspieler_innen in die Simulation der Tricktechnik und Maskenbildnerei
eintreten. Des Weiteren ist der liminale Körper auch ein monströser Körper, der die
Grenze des Natürlichen und Lebendigen markiert. Er überschreitet die als "natürlich"
kodierten Grenzen des Körpers und macht ihn somit zum Thema einer
postmodernen Körperkultur.97 Verena Kuni erläutert, dass Cyborg-Figuren deshalb
charakteristisch für ein posthumanes Denken seien, weil sich in ihnen der Wunsch,
die eigene Endlichkeit zu überwinden, widerspiegelt. Darüber hinaus geht sie der
Frage nach, warum die meisten Cyborgs menschliches Aussehen besitzen. Da sie
ihren Ursprung in der Vorstellung des Menschen haben und sich stets am Menschen
messen
müssen,
werden
sie
von
einer
anthropozentrischen
Perspektive
mitbestimmt. Dies ist laut Kuni der Grund, warum die Bilder, die wir von Cyborgs
haben, obwohl sie Überschreitungen des Menschlichen imaginieren, meistens die
menschlichen Konturen besitzen, die sie gleichzeitig durchbrechen sollen. 98
2.4.1 Darstellung und Bedeutung von liminalen Körpern im
Science Fiction-Film
Gunzenhäuser hebt einen besonderen Aspekt der Science Fiction hervor, denn sie
„visualisiert Raum- und Gesellschaftsstrukturen nicht so sehr im Hinblick auf eine
unbekannte Zukunft, sondern immer mit Blick auf die Gegenwart“99. Science Fiction
habe die Fähigkeit, Bilder für kulturelle Räume zu schaffen, welche in dieser Art zwar
nicht unserer Zeit und Anschauung entsprechen, jedoch im Rahmen des Spektakels
mittels Präsentationstechnik einen Realitätseffekt erzeugen. Diese Filme machen
den eigentlich unsichtbaren virtuellen Raum durch spekulative Bilder sichtbar und
97
Vgl. Möckel-Rieke, Entgrenztes Subjekt, S. 329.
Vgl. Verena Kuni: Mythische Körper: Cyborg-Configurationen als Formationen der (Selbst)Schöpfung im Imaginationsraum technologischer Kreation: Alte und neue Mythologien von
künstlichen Menschen. In: Medien Kunst Netz. 2004. URL:
http://www.medienkunstnetz.de/themen/cyborg_bodies/mythische-koerper_I/1/ [19.02.2013]. S. 2f.
99
Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 7.
98
26
sollen eine Technologie, die sich an sich nicht mit Blicken einfangen lässt, fassbar
machen. Darüber hinaus hänge die Glaubwürdigkeit der Figuren weniger von ihrer
psychologischen Tiefe, als von ihrer Verortung im Bildausschnitt und ihrer Anordnung
auf der Leinwand ab, was den Raum- und Klangbildern in der Wahrnehmung einen
höheren Stellenwert einräumt.100 Vivian Sobchack unterstreicht in Bezug auf Science
Fiction sowohl positive als auch negative Aspekte. Sie unterscheidet dabei zwischen
den frühen Science Fiction-Filmen aus den 1950ern und denen ab den 1970ern, aus
dem sogenannten "Second Golden Age".101 Einerseits betont sie die progressive
Entwicklung, die eine außergewöhnliche und befreiende Dynamik in sich trägt:
„Contemporary SF has attempted to map the new world space we inhabit, to imagine
other forms of being, to give us a picture of multinationalism, to represent narratively
the altered significance of difference, samness, boundaries, marginality.“ 102
Andererseits zeigt sie die verderblichen Funktionen auf:
The early films can be generally characterized by their celebration of and consequent about
imperialism and colonial expansion; their fetishization of technology; their arrogant xenophobia
grounded on the perpetuation of difference and the need for an alien Other. And, in the films of
the "Second Golden Age" we can point an accusatory finger at their regressive infantilism; their
nostalgia for an impossible and trivialized past, and their incapacity to imagine a future; their
fetishizitation of consumer culture, both its images and its trash; their complacent pluralsim,
which ascribes equal value to every "thing" and every "position".103
Die ambivalente Haltung Sobchacks zu Science Fiction-Filmen spiegelt auch die
Ambivalenz der Cyborg Figuren selbst, die nicht selten zu den Protagonist_innen des
genannten Genres zählen, wider. Denn sie sind Bedrohung und Versprechen
zugleich. Dennoch handelt es sich bei den meisten Mainstream-Filmen um
dystopische Geschichten, in denen die Autonomisierung der Maschinenmenschen
zum Albtraum für die Menschheit wird.104 Das Brüchigwerden sämtlicher Grenzen
deutet
der
Mensch
als potentielle
Bedrohung, die
mit
der
Angst
eines
Kontrollverlustes einhergeht. Zum einen geht es um den Verlust der Kontrolle über
die von den Menschen erschaffenen Maschinen und zum anderen geht es um den
Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper, dessen Konturen die Identität des
100
Vgl. ebd., S. 7f.
Vgl. Vivian Sobchack: Postfuturism. In: The Gendered Cyborg: A Reader. Hrsg. von Gill Kirkup,
London, New York: Routledge 2000, S. 142.
102
Ebd., S. 143.
103
Ebd.
104
Vgl. Mittag, Mutierte Körper, S. 218.
101
27
Menschen darstellen.105 Andere, positiv konnotiertere Maschinenmenschen stellen
häufig eine Idealverkörperung des Menschen oder eine technologische Steigerung
des Intellekts dar.106
2.4.2 Schnittstelle Geschlecht
Das Geschlecht fungiert, so Kuni, in vielen Cyborg-Konfigurationen als Schnittstelle
zur Durchbrechung vorgegebener Grenzen, wie zum Beispiel die Überwindung von
körper-geschlechtlicher Reproduktion. Da Maschinenmenschen weder zu ihrer
Konstruktion noch zu ihrer Vermehrung einen geschlechtlichen Zeugungsakt
benötigen, erscheint die Frage umso interessanter, warum Cyborg-Repräsentationen
überhaupt ein Geschlecht besitzen. In sämtlichen Erzählungen und Filmen sind diese
Wesen explizit durch ein Geschlecht markiert und orientieren sich größtenteils an
traditionellen Konzepten von Weiblichkeit und Männlichkeit. Kuni spricht in diesem
Zusammenhang vom Imperativ des Anthropomorphismus, welcher sagt, dass zu
einer gelungenen Herstellung eines Menschen ein eindeutiges Geschlecht gehört.
Alles was davon abweicht, wird dem Monströsen oder Numinosen zugeschrieben.107
Gegenstand der Schöpfungsgeschichten mit Kunst und Technik ist die Erschaffung
einer idealtypischen Verkörperung des "natürlichen" Geschlechts. Häufig stehe das
Geschlecht in einem Spannungsverhältnis zu seinem Kreator, welcher die Seite der
Menschen repräsentiert und als genialer Ingenieur zum gottgleichen Schöpfer
werde.108 Auch wenn die Geschöpfe vorerst dem Imperativ genügen, offenbaren sie
früher oder später ihre Monstrosität, welche zum einen das Misslingen des
Schöpferaktes und zum anderen ihre Unmenschlichkeit veranschaulicht. Die
Kreaturen fungieren laut Kuni auch in modernen Erzählungen als Gegenpol zum
wahrhaftigen
Menschen,
welchen
ihr
Schöpfer
verkörpere.
Somit
werden
Machtverhältnisse bestätigt und langfristig stabilisiert.109 Neben einer idealtypischen
Verkörperung des Menschen stecken Cyborgs nicht selten in stark fetischisierten und
übertriebenen
geschlechtlichen
Körpern,
welchen
zum
Beispiel
Lara
Croft
repräsentiert. Diese sollen laut Samantha Holland einen Ausgleich zu der Bedrohung
105
Vgl. Kuni, Mythische Körper, S. 3.
Vgl. Mittag, Mutierte Körper, S. 218.
107
Vgl. Kuni, Mythische Körper, S. 4.
108
Vgl. ebd., S. 5.
109
Vgl. ebd., S. 9.
106
28
darstellen, welche Cyborgs anhaftet, nämlich der des Kontrollverlustes über den
menschlichen Körper und somit auch der geschlechtlichen Unterscheidung, welche
die Basis für den Erhalt der patriarchalen Ordnung darstellt. 110 Dennoch ist Holland
der Ansicht, dass es sich nicht um eine einfache Repräsentation von Stereotypen
handle: „Most notably, the pumped-up hyper-masculine bodies of the male cyborgs
can be read either as straight reassertions of hegemonic masculinity, or as hysterical
over-compensation for a masculinity in crisis.“111 Ungeachtet dessen, wie stereotyp
oder überzeichnet Cyborgs in Filmen vorzufinden sind, verweise ihre Konstruiertheit
auch immer auf die Konstruiertheit von Gender.112 In ihrem Buch Electronic Eros.
Bodies and the Desire in the Postindustrial Age widmet sich Claudia Springer dem
Zusammenhang von Technik und Gender, unter anderem in Cyborg-Filmen. Sie ist
der Meinung, dass das Differenzprinzip zwischen Männern und Frauen in den
meisten Filmen vorherrschend sei, harte stählerne Männlichkeit stehe zumeist
femininer Fluidität gegenüber.113 Möckel-Rieke gibt Springer in diesem Punkt nicht
Recht, viele dieser Cyborgs orientieren sich zwar oberflächlich an traditionellen
Geschlechterrollen,
jedoch
verwickelten
sie
sich
oftmals
in
performative
Widersprüche, welche die brüchig werdenden Grenzen zum Thema machen und zur
Schau stellen.114
2.4.2.1 Hypermännliche Cyborgs
Claudia
Springer
geht
davon
aus,
dass
die
häufigste
Art
der
Cyborg-
Repräsentationen männliche, gewalttätige Killermaschinen sind.115 Sie spricht in
diesem Kontext von einem diskursiven Anachronismus, welcher die Veränderungen
der Postmoderne verleugne, um das patriarchale Herrschaftssystem zu stützen:
„Violent, forceful cyborg imagery participates in contemporary discourses that cling to
nineteenth-century notions about technology, sexual difference, and gender roles in
order to resist the transformations brought about by the new postmodern social
110
Vgl. Samantha Holland: Decartes Goes to Hollywood: Mind, Body and Gender in Contemporary
Cyborg Cinema. In: Cyberspace, Cyberbodies, Cyberpunk. Cultures of Technological Embodiment.
Hrsg. von Mike Featherstone und Roger Burrows, London: Sage 1995, S. 159.
111
Ebd., S. 166.
112
Vgl. ebd.
113
Vgl. Claudia Springer: Electronic Eros. Bodies and the Desire in the Postindustrial Age. Austin:
University of Texas Press 1996, S. 102f.
114
Vgl. Möckel-Rieke, Entgrenztes Subjekt, S. 334f.
115
Vgl. Springer, Electronic Eros, S. 93.
29
order.“116 Aggressive, muskulöse Cyborg-Darstellungen in Filmen festigen die
Dominanz einer phallischen Metapher für Technik und sollen laut Springer ein
Symbol
für
einen
misogynen
Widerstand
gegen
den
Wandel
der
Geschlechterordnung sein.117 Möckel-Rieke meint Springers Argument, wonach
Cyborgs vorwiegend Killer seien, treffe nicht gänzlich zu, da Cyborgs in Kinofilmen
zumeist auch selbst verfolgt und vernichtet werden. 118 Kuni fügt noch hinzu, dass
diese Cyborgs trotz ihrer hypermaskulinen Merkmale keine eigene sexuelle Identität
besitzen und der doppelt konnotierte Phallus immer in der Hand der Ingenieure
bleibe.119
2.4.2.2 Maschine und Weiblichkeit
Maschinenmenschen sind seit der Romantik in der Literatur oftmals weiblich. Ein
beliebtes Motiv in diesem Zusammenhang ist die Täuschung. Sie sind verführerisch
und vernichtend zugleich und ihr schönes Äußeres ist nur Fassade. 120
121
Der
weibliche Automat wird als "natürlich" angesehen und täuscht den Mann über sein
wahres Wesen hinweg. Laut Lindauer zeigt sich hier auch ein Paradoxon, denn
durch die Vermischung von Natürlichem und Künstlichem werde das Künstliche als
natürlich wahrgenommen.122
Im Roman L'Eve future von Auguste Villiers de l'Isle-Adam wird die Eva der Zukunft
geschaffen. Sie soll eine verbesserte, ewig lebende und immer jung bleibende Kopie
des Weiblichen sein. Die Puppe entwickelt jedoch monströse Züge und wird
daraufhin von ihrem Erfinder vernichtet. Verena Kuni meint, dass die "Eva der
Zukunft"
als sogenannte
Junggesellenmaschine
auch in
der
Realität
des
postmodernen Medienalltags zu finden sei. Sie bezeichnet diese idealisierten
Ersatzfrauen als Schwestern der Eve future, welche die Eva vor und nach dem
116
Ebd., S. 100.
Vgl. ebd., S. 104.
118
Vgl. Möckel-Rieke, Entgrenztes Subjekt, S. 330.
119
Vgl. Kuni; Mythische Körper, S. 10.
120
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 34f.
121
Die "männerverschlingende Frau" lässt sich nicht nur in Gestalt des Maschinenmenschen finden,
sondern gilt schon seit der Antike als häufige Darstellung des Weiblichen. vgl. Annette Simonis:
Weiblichkeitsbilder/Imagination. In: Metzler Lexikon Gender Studies. Geschlechterforschung. Hrsg.
von Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 401.
122
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 36.
117
30
Sündenfall symbolisieren und immer nur eine Kopie ohne Original sind123, was schon
Butler im Zusammenhang mit der performativ hervorgebrachten Geschlechtsidentität
feststellt. Frauen und Maschinen(menschen) werden oftmals gleichgesetzt, denn
beide müssen kontrolliert und diszipliniert werden.124 Eine große Rolle spielt die
Angst vor der weiblichen Sexualität und das Begehren nach der Idealfrau. Die
weiblichen Cyborgs entziehen sich im Laufe der Handlung dem männlichen Willen,
entwickeln Autonomie und müssen daher mit zerstörerischen Sanktionen rechnen.125
Anne Balsamo sieht genau darin ihr subversives Potential. Aufgrund der Tatsache,
dass Weiblichkeit seltener mit Technik in Verbindung gebracht wird, tragen sie mehr
dazu bei, den Dualismus Mensch/Maschine zu unterlaufen, als die männlichen
Cyborg-Repräsentationen.126
2.4.3 Der "männliche" Blick - Exkurs in die feministische
Filmtheorie
Die feministische Filmtheorie entwickelte sich Anfang der 70er Jahre im angloamerikanischen Raum und untersucht
das komplexe Repräsentationssystem des narrativen Hollywood-Kinos auf die darin
wirksame geschlechtsspezifische Positionierung des Zuschauers sowie die solcher
Wirkungsweise zugrundeliegende Festschreibung des hierarchischen Gegensatzes
zwischen dem Mann als Subjekt (Träger des Blicks und der Macht) und der Frau als
Objekt (Bild beziehungsweise männliche Projektion).127
Laura Mulveys Aufsatz Visual Pleasure and Narrative Cinema war bahnbrechend für
die Entwicklung der feministischen Filmtheorie.128 Das Hollywood-Kino wird nach
Mulvey durch die Schaulust strukturiert und unterliege stets einer patriarchalen
Ordnung.129 Mulvey beruft sich zum einen auf das Konzept der Schaulust und zum
anderen auf Freuds Definition der Scopophilie, der Lust, die anderen durch einen
neugierigen/kontrollierenden Blick zum Objekt zu machen, und zum anderen bezieht
sie sich auf die psychoanalytische Ausbildung der Geschlechterdifferenz in Lacans
123
Vgl. Kuni, Mythische Körper, S. 5f.
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 12.
125
Vgl. Mittag, Mutierte Körper, S. 219.
126
Vgl. Anne Balsamo: Reading Cyborgs Writing Feminism. In: The Gendered Cyborg: A Reader.
Hrsg. von Gill Kirkup, London, New York: Routledge 2000, S. 151.
127
Susanne Lummerding: "Weibliche" Ästhetik? Möglichkeiten und Grenzen einer Subversion von
Codes. Wien: Passagen Verlag 1994, S. 23f.
128
Vgl. ebd., S. 24.
129
Vgl. Laura Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. In: Film Theory and Criticism. Hrsg. von
Leo Braudy und Marshall Cohen. New York: Oxford UP 1999, S. 834f.
124
31
Konzept des Spiegelstadiums.130 Der Moment, in dem sich das Kind im Spiegel
erblickt, ist vergleichbar mit der Identifikation der Zuschauer_innen mit dem Bild.131
Nach Mulvey wird die Lust am Schauen in eine aktive männliche und eine passive
weibliche Position geteilt. Das Privileg des Blicks, welches mit Aktivität, Kontrolle und
Macht verbunden ist, sei dem Mann vorbehalten. Die Frau fungiert somit als
Sexualobjekt für die Protagonisten im Film sowie für die männlichen Zuschauer. 132
Mittels der Nahaufnahme findet beispielsweise eine Fragmentierung des weiblichen
Körpers statt und so kommt es zur Sexualisierung desselben. Da der Mann Träger
des Blicks ist, könne dieser in einer patriarchalen Ordnung nicht zum Sexualobjekt
gemacht werden. Der Blick des Protagonisten und des Zuschauers verschmelzen zu
ein und demselben.133 Unter psychoanalytischem Blickpunkt haben weibliche Figuren
ein weitreichendes Problem, nämlich die Abwesenheit des Penis und die damit
verbundene Kastrationsdrohung. Diese Angst könne einerseits durch die Bestrafung
und Abwertung der weiblichen Figur und andererseits durch ihre Fetischisierung
kompensiert werden.134 Das patriarchal strukturierte Kino befriedige ausschließlich
die Schaulust des männlichen Zuschauers und Mulvey plädiert dafür, dass die
Schaulust des Zuschauers durch die Auflösung der fiktionalen Einheit von Kameraund Zuschauerposition zerstört werden müsse.135 Kritisiert wurde an dieser Theorie
vor allem ihre Forderung nach der Destruktion der Schaulust und die Beschränkung
auf die männliche Zuschauerposition.136 Mulvey gibt zu, dass ihr Konzept eine
selbstbestimmte und aktive Form des "weiblichen" Sehens zwar nicht berücksichtigt,
besteht aber darauf, dass die "männliche" Filmsprache des Hollywoodkinos, welche
stellvertretend für die patriarchal strukturierte Gesellschaft stehe, spezifisch
"weibliche" Blickformen verhindere.137
Mary Ann Doane geht in ihrem Aufsatz Film und Maskerade auch der weiblichen
Zuschauerposition nach. Da für die Zuschauerin eine gewisse Über-Gegenwärtigkeit
des Bildes stattfinde, denn sie ist das Bild, besteht laut Doane die Möglichkeit, sich
130
Vgl. Lummerding, Weibliche Ästhetik, S. 24f.
Vgl. Mulvey, Visual Pleasure, S. 836.
132
Vgl. ebd., S. 837f.
133
Vgl. ebd., S. 838.
134
Vgl. Mulvey, Visual Pleasure, S. 840.
135
Vgl. Lummerding, Weibliche Ästhetik, S. 31.
136
Vgl. ebd., S. 33ff.
137
Vgl. Brenda Hollweg: Mulvey, Laura Mary Alice. In: Metzler Lexikon Gender Studies.
Geschlechterforschung. Hrsg. von Renate Kroll. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 278.
131
32
narzisstisch mit der weiblichen Figur138 oder aber travestierend mit der aktiven
männlichen Figur zu identifizieren. Hiermit finde in der Haltung der weiblichen
Zuschauerin ein Oszillieren zwischen einer männlichen und einer weiblichen Position
statt. Durch die Metapher des Transvestiten werde der Frau die Herrschaft über das
Bild erlaubt und gebe ihr die Möglichkeit, den Blick mit einem Begehren zu
verbinden.139 Für Doane ist Weiblichkeit immer eine Maske, welche getragen oder
abgelegt werden kann. Die Maskerade hält Weiblichkeit auf Distanz, indem sie sie
zur Schau stellt. Die Frau werde zum Mann, um die notwendige Distanz zum Bild zu
bekommen, denn sich zu maskieren, bedeutet für Doane, eine Leerstelle zu schaffen
und somit eine Distanz zwischen sich selbst und dem Bild herzustellen.140
Lummerding kritisiert an Doane jedoch, die Widersprüchlichkeit von Doanes
Argumentation, denn sie arbeite mit diesem Konzept ihrem eigenen Ziel, die binäre
Opposition aufzuheben, entgegen:
Denn es ist nicht einsichtig, weshalb Distanz gerade durch bloße Zurschaustellung einer
Rolle (wobei überdies ungeklärt bleibt, wo die Grenze zwischen "Realität" und Rolle liegt)
erreichbar sein sollte […]. Vielmehr setzt ein solches "Konzept" das Akzeptieren des
traditionellen Rollenkanons und der damit verbundenen geschlechtsspezifischen
Positionierungen […] voraus.141
Der männlich zentrierte Blick spielt auch in der folgenden Filmanalyse eine Rolle und
wird daher später nochmals aufgegriffen.
138
Vgl. Mary Ann Doane: Film und Maskerade: Zur Theorie des weiblichen Zuschauers. In: Frauen
und Film (1985), H. 38, S. 8.
139
Vgl. ebd., S. 10.
140
Vgl. ebd., S. 11.
141
Vgl. Lummerding, Weibliche Ästhetik, S. 36f.
33
3 Analyseteil
Der Fokus der Analyse liegt auf den relevanten Cyborgs im jeweiligen Film und dem
Setting, in dem sie sich bewegen und interagieren. Analysiert werden soll, ob das
von Haraway zugesprochene subversive Potential in den Filmen umgesetzt,
beziehungsweise ausgeschöpft wird, und ob der widerständige Körper eine tragende
Rolle spielt oder von heterosexuellen Begehrens- und Machtstrukturen überschattet
wird.
3.1 Blade Runner
3.1.1 Produktion und Entstehung
I am sentient number six, I stand in line
I am the prototype of a benign convenience for mankind
Superior is digital, human flesh so trivial
I hate that I can’t see the one that made me
(Nevermore, Sentient)
Der von Ridley Scott gedrehte US-amerikanische Science Fiction-Film mit Elementen
des Film Noir erschien 1982 und wurde vom "Kinoflop" zu einem der
einflussreichsten Science Fiction-Filme der Filmgeschichte. Als Vorlage für Blade
Runner dient der Roman Do Androids Dream of Electric Sheep? 142 von Philip K.
Dick, welcher inzwischen auch den Namen Blade Runner trägt und auf den in der
Arbeit später noch einmal zurückgegriffen wird. Bereits 1969, ein Jahr nach
Erscheinen des Romans, wollten Filmemacher Dick die Rechte für eine Verfilmung
abkaufen, was aufgrund diverser Differenzen mit dem Autor scheiterte.143 Etliche
Jahre später lieferte der Drehbuchautor, Produzent und US-amerikanische
Schauspieler Hampton Fancher erste, vielversprechende Drehbuchentwürfe und
beschloss mit Produzent Micheal Deeley das Projekt umzusetzen. 144 Scott, der
bereits durch seinen Science Fiction-Film Alien (1979) zu einem angesagten
Kultregisseur
geworden
war,
konnte
schließlich
1980
Drehbuchänderungen für die Produktion gewonnen werden.
nach
145
zahlreichen
Nach weiteren
Meinungsverschiedenheiten wurde schließlich ein zweiter Drehbuchautor, David
142
Philip K. Dick: Blade Runner. 8. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag 2012.
Vgl. Paul M. Sammon: Future Noir: The Making of Blade Runner. New York: HarperPrism 1996, S.
22f.
144
Vgl. ebd., S. 32f.
145
Vgl. ebd., S. 43ff.
143
34
Peoples, hinzugezogen. Dieser ist für die Bezeichnung "Replikant" im Film
verantwortlich, da er den Terminus "Android" für unangemessen hielt: „The term
android is a dangerous one, [….]. Because then people would think that this film was
about robots, when in fact it isn´t.“146 Seine Tochter, eine Mikrobiologin, schlug
Peoples den Begriff "replicanting" vor, den Namen eines Prozesses, im Zuge dessen
Zellen zum Klonen dupliziert werden. Daraus entstand die Benennung der
Maschinenmenschen als Replikanten.147 Der Titel des Films stammt von einem
anderen Science Fiction-Roman von Alan E. Nourse, in dem Schwarzhändler für
medizinische Produkte als "Blade Runners" bezeichnet werden und der sonst keine
Parallelen zum Film aufweist.148 Ursprünglich war für den Film ein Budget von 13
Millionen US-Dollar geplant gewesen, dieses wurde dann auf 28 Millionen US-Dollar
erhöht.149 Er spielte allerdings nur ungefähr die Hälfte des Produktionsbudgets ein
und war vorerst ein großer Misserfolg.150 „Most critics missed an overtly humanist
side to the film – a clear indication as to what being human was and what it
meant.“151 Ridley Scott selbst meint später in einem Interview:
Der Film war seiner Zeit weit voraus, er hat viele Regisseure inspiriert, die mit ähnlichen
Sujets später enorm erfolgreich waren, die Wachowski-Brüder und ihre "Matrix"-Trilogie
zum Beispiel. Zudem haben wir viele Themen verarbeitet, die im Kino erst viel später
relevant werden sollten: Umweltverschmutzung, globale Erwärmung, Überbevölkerung,
die genetische Reproduktion von Lebewesen. Damals fand das Publikum das wohl viel
zu düster und deprimierend.152
Die Verfilmung ist für die Mitbegründung der Gattung des Cyberpunks verantwortlich,
die lange als ein Subgenre des Science Fiction fungierte und sich seit den 80er
Jahren als eigenständige Gattung etablierte. Cyberpunk bezeichnet eine fiktive,
düstere
Zukunftsvision,
in
der
zumeist
zerfallene
und
entmenschlichte
Gesellschaften, die in einer zerstörten Umwelt leben, zu sehen sind. Beherrscht
werden diese Gesellschaften oftmals von totalitären, religiös fundamentalistischen
Regimen, die unter dem Einsatz von hochentwickelten Technologien regieren.153
146
Ebd., S. 61.
Vgl. ebd., S. 61.
148
Vgl. ebd., S. 54.
149
Vgl. Scott Bukatman: Blade Runner. London: British Film Institute 2000. (= BFI Modern Classics) S.
18.
150
Vgl. ebd., S. 34.
151
Ebd., S. 34.
152
Christian Aust: 25 Jahre "Blade Runner". In: Spiegel Online Kultur. Zuletzt geändert am
19.12.2007. URL: http://www.spiegel.de/kultur/kino/25-jahre-blade-runner-ich-war-am-boden-zerstoerta-524165.html [11.04.2013].
153
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 87.
147
35
3.1.1.1 Der Director´s Cut
In der Originalfassung gelingt dem Blade Runner Deckard und der Replikantin
Rachael die Flucht aus der Stadt und Rachaels Lebenszeit ist nicht auf vier Jahre
begrenzt. Im Director´s Cut, der 1992 in die Kinos kam, bleibt jedoch offen, ob sie
aus der Stadt flüchten können, und es wird sogar die Frage aufgeworfen, ob Deckard
überhaupt ein Mensch sei. Darüber hinaus wurden alle Off-Kommentare entfernt und
eine Einhorn-Szene, die der Grund zur Spekulation über Deckards Status als
Mensch ist, hinzugefügt. Diese Version fand bei Publikum und Kritiker_innen großen
Anklang und machte aus dem Kinoflop einen Kultfilm. 154
3.1.1.2 Der Final Cut
Die aktuellste Version kam 2007 auf den Markt und enthält verbesserte
Spezialeffekte, neue Musik, einen verbesserten Ton sowie neue und erweiterte
Szenen. Inhaltlich wurden jedoch keine Veränderungen vorgenommen.155
3.1.2 Plot (Director´s Cut)
Im Vorspann von Blade Runner heißt es:
Early
in
the
21st
Century,
THE
TYRELL
CORPORATION advanced Robot evolution into the
NEXUS phase -- a being virtually identical to a human
-- known as a replicant. The NEXUS 6 Replicants
were superior in strength and agility, and at least
equal in intelligence, to the genetic engineers who
created them. Replicants were used Off-world as slave
Abbildung 1: Los Angeles
labor, in the hazardous exploration and colonisation of
other planets. After a bloody mutiny by a NEXUS 6 combat team in an Off-world colony,
Replicants were declared illegal on earth -- under penalty of death. Special police squads -BLADE RUNNER UNITS -- had orders to shoot to kill, upon detection, any trespassing
Replicants. This was not called execution. It was called retirement.
156
Los Angeles, November, 2019
154
Vgl. Sammon, Future Noir, S. 349ff.
Vgl. Matthias Mahr: Blade Runner: The Final Cut. In: Manifest-Das Filmmagazin. Zuletzt geändert
2007. URL: http://www.dasmanifest.com/01/bladerunnerfinalcut.php [11.04.2013].
156
Ridley Scott: Blade Runner – Director´s Cut. USA: 1992, Time Code: 00:02:06.
155
36
Nach dem Vorspann erscheinen Lichter, Explosionen und Blitze eines dystopischen
nächtlichen Los Angeles, in dem fliegende Fahrzeuge die Schluchten zwischen den
Hochhäusern durchkreuzen und das mit monumentalen Gebäuden ausgestattet ist.
Im Jahr
2019
sind
viele
Menschen
aufgrund
von
Überbevölkerung
und
Umweltverschmutzung gezwungen von der Erde zu flüchten und auf andere
Planeten zu übersiedeln. Menschen, die auf der Erde zurückgeblieben sind, leben in
riesigen, überbevölkerten von Säure-Regen geplagten Städten. Im "Melting Pot" Los
Angeles ist eine Mischung aus diversen Sprachen zu hören und grelle Neonreklamen
zieren das Stadtbild. Tierische Lebewesen sind so gut wie ausgestorben und sind nur
noch als teure künstliche Haustiere erhältlich. Künstlich hergestellte Menschen,
sogenannte Replikant_innen werden als Arbeits-, Lust- und Kampfsklaven auf
andere Planeten geschickt und gelten auf der Erde als illegal. 157 Da sie im Laufe der
Zeit eigene Gefühle entwickeln, werden sie mit einer Lebensdauer von nur vier
Jahren ausgestattet. Weil sie von "echten" Menschen kaum noch zu unterscheiden
sind, werden sie als große Bedrohung gesehen. Nachdem es einer Gruppe von
Replikant_innen
der
Serie
Nexus-6
gelungen
ist,
gewaltsam
von
einer
Arbeiterkolonie zu fliehen und auf die Erde zurückzukehren, wird der ehemalige
Polizist und Blade Runner Rick Deckard (Harrison Ford) widerwillig beauftragt, die
Replikant_innen aufzuspüren und zu liquidieren, was im Film "retirement" genannt
wird. Leon (Brion James), einer der Replikant_innen, schleust sich als Arbeiter in die
Tyrell Corporation, die Herstellungsfirma der Maschinenmenschen, ein, deren
Werbespruch es ist, Maschinen herzustellen, die "more human than human" sind. Da
Zweifel über seine Identität herrscht, wird er dem sogenannten Voight-Kampff-Test
unterzogen, der aus einem Gerät und einem Fragekatalog besteht und das Mitgefühl
der Verhörten über die Augenreaktion misst. Laut Gunzenhäuser erinnert dieser
fiktionale Empathietest an ein wissenschaftliches Testverfahren, welches Alan M.
Turing 1950 konzipierte, um die Leistungsfähigkeit künstlicher Intelligenz zu
evaluieren. Zwei Menschen verschiedenen Geschlechts und ein_e Fragesteller_in
kommunizieren mittels eines technischen Mediums. Im Optimalfall erkennt der/die
157
Vgl. Parfen Laszig: Der Glanz im Auge des Replikanten. In: Blade Runner, Matrix und Avatare.
Psychoanalytische Betrachtungen virtueller Wesen und Welten im Film. Hrsg. von Parfen Laszig.
Heidelberg: Springer Verlag 2013, S. 69.
37
Fragesteller_in nicht, wenn das männliche oder weibliche Gegenüber durch eine
Maschine ersetzt wird.158
Während des Tests tötet Leon seinen Verhörer und flüchtet. Deckard wird daraufhin
zur Tyrell Corporation geschickt, um dort den Voight-Kampff-Test an Dr. Tyrells (Joe
Turkel) vermeintlicher Nichte Rachael (Sean Young) durchzuführen. Doch die
Identifizierung bereitet ihm anfangs Probleme, denn Rachael wurden Erinnerungen
implantiert und sie weiß selbst nicht, dass sie eine Replikantin ist. Deckard verliebt
sich in Rachael, die inzwischen auch auf der Todesliste der Polizei steht, und bald
kommen ihm moralische Zweifel an seinem Auftrag. Er nimmt die Verfolgung der
Replikant_innen jedoch auf, tötet die Replikantin Zhora (Joanna Cassidy) und gerät
in einen Schusswechsel mit Leon, aus dem Rachael ihn befreit, indem sie Leon tötet.
Anschließend spielt sich in der Wohnung Deckards eine ambivalente Kussszene
zwischen ihm und Rachael ab, bei der nicht klar ist, ob Rachael Deckard aus freiem
Willen begehrt, ihre eingepflanzten Erinnerungen ihr Handeln auslösen oder ob sie
einfach Deckards Drängen nachgibt. Der Anführer der Replikant_innen Roy Batty
(Rutger Hauer) und seine Gefährtin Pris (Daryl Hannah) schleichen sich mit Hilfe des
kranken Genetik-Designers J.F. Sebastian (William Sanderson) in das TyrellImperium ein, um von Dr. Tyrell zu erfahren, wie es um seine Lebensdauer steht. Als
er erfährt, dass es keine Möglichkeit gibt seine Lebenszeit zu verlängern, tötet er den
Großindustriellen und Sebastian. Im Haus des ermordeten Sebastian kommt es zum
Finale des Films. Deckard tötet Pris und liefert sich mit Roy Batty einen actionreichen
und tragischen Zweikampf. Roy rettet Deckard das Leben und stirbt vor den Augen
des verzweifelten Blade Runners, weil seine Lebenszeit abgelaufen ist. Nachdem
Deckard in seine Wohnung zurückkehrt, findet er die schlafende Rachael, die er als
nächstes töten soll. Während die beiden aus dem Gebäude fliehen, findet Deckard in
der Schlussszene ein Origami-Einhorn vor seiner Haustür, welches in Kombination
mit
der im Director`s Cut
zusätzlich eingeführten
Einhorn-Sequenz einen
entscheidenden Hinweis auf seine eigene Identität liefert. Deckard erinnert sich an
die letzten Worte seines geheimnisvollen Kollegen Gaff (Edward James Olmos), der
ihm nach dem Tod von Roy Batty eine Waffe hinwarf: „It’s too bad she won’t live! But
then again, who does?“159.
158
159
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 4.
Scott, Blade Runner, Time Code: 01:52:10.
38
3.1.3 "More human than human?" Die Darstellung der
Maschinenmenschen im Film
Blade Runner knüpft motivgeschichtlich an verschiedene Traditionen von künstlichen
Menschen an, welche bis in die Antike zurückreichen.160 Kernthema des Films ist,
wie auch in vielen anderen Science Fiction-Filmen, das Brüchigwerden der Grenzen
zwischen Natürlichem und Künstlichem und die damit verbundene Autonomisierung
der Maschinenmenschen als Albtraum für die Menschheit. Behandelt wird die immer
wiederkehrende Frage: Was macht den Menschen aus? Und wie unterscheidet er
sich von anderen Lebewesen?161 Die Replikant_innen lassen sich, außer mittels des
zweifelhaften Voigt-Kampff-Tests und ihren zeitweise rot aufblitzenden Augen, kaum
noch von Menschen unterscheiden. Während Deckard, repräsentativ für die
Menschen im Film, androide Charakterzüge besitzt, welche durch seine fehlende
Emotionalität zum Ausdruck kommen, erweisen sich die Replikant_innen in vielen
Situationen als weitaus menschlicher als der Mensch selbst. 162 Sie gehen
Verbindungen ein, um das Leben anderer zu retten, treten zumeist in Gruppen auf
und zeigen tiefe Bestürzung, wenn jemand stirbt. Deckard, Dr. Tyrell, und J.F.
Sebastian etwa sind Einzelkämpfer und zeigen weniger Empathie als die
Replikant_innen. Scott Bukatman hebt in diesem Zusammenhang eine Stelle aus
dem Manifesto for Cyborgs hervor, an der Haraway die Maschinen als weitaus
lebendiger beschreibt, als die Menschen:
Donna Haraway redefined the value of the cyborg in ways that are more relevant to Blade
Runner's ambiguities. In her well-known 'manifesto for cyborgs' she argued for a feminist
rereading of technological being in a world that has blurred distinctions between organism
and machine. This is a 'border war' with high stakes: 'Our machines are disturbingly
lively,' she noted (and this is Deckard's problem in a nutshell), 'and we ourselves
163
frighteningly inert'.
Lindauer zufolge löst sich die Dichotomie zwischen Mensch und Maschine im Laufe
der Handlung vollkommen auf und der Aufstand der Replikant_innen scheint
unvermeidbar, denn diese sind sich ihrer begrenzten Lebensdauer durchaus bewusst
und
forderten
ihre
Gleichberechtigung
ein.164
Lindauer
meint,
dass
die
Replikant_innen nichts anderes als Klone und für die Filme der 80er und 90er Jahre
160
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 9.
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 88.
162
Vgl. ebd., S. 93.
163
Bukatman, Blade Runner, S. 73.
164
Vgl. ebd., S. 94f.
161
39
typisch sind. Das Genre des Science Fiction-Films findet durch die Betonung der
Konstruiertheit des Körpers Anschluss an bereits bestehende Diskurse, wie etwa an
die Molekularbiologie, an die Prothetik oder die Reproduktionsmedizin. 165 Das
Automatenmotiv, welches die Frage nach dem Verhältnis von Schöpfer und Kreatur,
Körper und Seele, Mann und Frau zum Inhalt hat, ist auch in Blade Runner auf
ambivalente Weise mehrfach zu finden. Es wird sich im Folgenden jedoch noch
zeigen,
dass
Automatenmotivs
manche
stärker
Aspekte
des
vertreten
von
sind
Arnold-de
als
Simine
andere.
genannten
Gerade
das
Geschlechterverhältnis bleibt weitgehend unhinterfragt. Automaten bilden, Arnold-de
Simine zufolge, das äußere Erscheinungsbild des Menschen ab und imitieren mittels
ihrer Mechanik auch seine Bewegungsabläufe. Das Klavierspiel von Rachael solle im
Film ihre Menschlichkeit oder Beseeltheit hervorheben. Geschichtlich betrachtet,
unterstreicht dieses Musizieren jedoch ihre Künstlichkeit, denn die bekanntesten
Automaten waren Musik-Automaten. In der Szene, in der Roy Batty zu seinem
Schöpfer gelangt, indem er ein Schachrätsel löst, wird ebenfalls auf einen der
berühmtesten Automaten verwiesen, den "Schach-Türken" von Wolfgang von
Kempelen.166
3.1.3.1 Der Spiegel der Seele – Das Augenmotiv in Blade
Runner
Bereits in den ersten Szenen erscheint am Bildschirm eine blaue Iris, in der sich die
Außenwelt und die Lichter eines dystopischen Los Angeles spiegeln. Parfen Laszig
beschreibt das Auge als ein Tor, welches in doppelter Weise offen ist, nach außen
und nach innen. Es fungiere als Zugang zur Innenwelt, zur Seele des Menschen. Bei
dem gezeigten Auge in Blade Runner lässt sich jedoch nicht unterscheiden, ob es zu
einem humanen oder zu einem künstlichen Organismus gehört. Somit werde schon
zu Beginn des Films die Grenze zwischen Objekt und Subjekt verwischt. 167 Die
Augen gelten, so Arnold-de Simine, schon seit der Antike als Fenster zur Seele,
während die Augen der Automaten nur die Wünsche und Projektionen des
165
Vgl. ebd., S. 101.
Vgl. Silke Arnold-de Simine: Ich erinnere, also bin ich? Maschinen – Menschen und
Gedächtnismedien in Ridley Scotts Blade Runner (1982/1992). In: Textmaschinenkörper.
Genderorientierte Lektüren des Androiden. Hrsg. von Eva Kormann u.a. Amsterdam – New York:
Rodopi 2006. (= Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik Bd. 59.) S. 235f.
167
Vgl. Laszig, Der Glanz im Auge des Replikanten, S. 74f.
166
40
Gegenübers zurückspielen können.168 Beginnend bei der blauen Iris und der
Präsentation des Voigt-Kampff-Tests, zieht sich das Augenmotiv durch den
gesamten Film und verkörpert die Dichotomie zwischen Mensch und Replikant_in 169.
Die zeitweise aufblitzende rote Augenfarbe und die Pupillenreaktion während des
Voigt-Kampff-Tests sollen die Replikant_innen unverwechselbar mit den Menschen
machen. Doch an der Effizienz des Tests kommen im Film immer wieder Zweifel auf,
selbst Deckard ist sich unsicher, wenn er vor der Testung mit Rachael bemerkt: „And
if the machine doesn`t work?“170. Die diversen Tests in Buch und Film verweisen laut
Bukatman auf eine Krise des Menschlichen:
The novel and the film are filled with tests: there are tests to determine who's human,
who's fit to reproduce, who's fit to emigrate. The obsession with boundaries, definitions
and standards indicates that these definitions are in crisis. In Dick's novel, the VoightKampff scale measures empathic response - but there is discussion that human
schizophrenics, those suffering from a 'flattening of emotional affect', would also fail the
171
test.
Ein weiteres Indiz für das gehäuft auftretende Augenmotiv ist die überdimensionale
Brille von Dr. Tyrell; das "Eye-Work" Laboratorium des Augenherstellers Chew, in
dem die künstlichen Augen für die Replikant_innen produziert werden, oder auch die
schwarz umrahmten Augen von Pris. Darüber hinaus wird des Öfteren der Akt des
Sehens zur Artikulation gebracht, so sagt etwa Roy Batty zu Chew im Labor: „Chew,
if only you could see the things I´ve seen with your eyes“.172 Des Weiteren drückt
Roy Batty seinem Schöpfer die Augen ein, als er erfährt, dass dieser nichts tun kann,
um sein Leben zu verlängern. Die Szene erinnert an den Sandmann aus E.T.A
Hoffmanns gleichnamiger Erzählung, der den Kindern die Augen ausreißt. Sigmund
Freud schreibt in seinem Aufsatz Das Unheimliche, dass es eine schreckliche
Kinderangst sei, die Augen zu beschädigen oder zu verlieren. Auch Erwachsene
fürchten keine Organverletzung so sehr, wie die der Augen.173 Freud sieht darin
einen Ersatz für die Kastrationsangst.174 Arnold-de Simine vermutet hinter diesem
Akt die Absicht, zu zeigen, dass sich hinter diesen Augen nicht die Seele, sondern
168
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 241.
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 90.
170
Scott, Blade Runner, Time Code: 00:15:32.
171
Bukatman, Blade Runner, S. 69.
172
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 90.
173
Vgl. Sigmund Freud: Das Unheimliche. In: Imago. Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf
die Geisteswissenschaften (1919), H. 5, S. 306.
174
Vgl. ebd., S. 307.
169
41
das Nichts befinde.175 Ridley Scott gibt in einem Interview dem Auge eine weitere
Funktion, die des Kontrollorgans: „I think it was intuitively going along with the root of
an Orwellian idea. That the world is more of an controlled place now. It´s really the
eye of Big Brother. […] Or Tyrell. Tyrell, in fact, had he lived, would certainly have
been Big Brother.“176 Darüber hinaus ist das Auge im Film ein Ausdruck für Macht.
Gunzenhäuser bemerkt dazu: „Das investigative Sehen, zumal das technologisch
perfektionierte Sehen, ist auch in Blade Runner ein Privileg des Mannes. […] Visuelle
Kontrolltechnologien bestimmen das Verhältnis des Publikums zum Raum ebenso
wie das Verhältnis zu den Figuren und zwischen den ProtagonistInnen.“ 177 Der Film,
so Gunzenhäuser, nimmt die modernistische Tradition des männlich zentrierten
Blicks, der sich die Welt untertan macht, auf und stellt diese Vormachtstellung des
penetrierenden Blicks gleich darauf wieder in Frage. Ein Beispiel dafür ist Rachael,
die sich, bevor es zur Liebesszene kommt, dem analytischen und detektivischen
Blick Deckards widersetzt.178 In dieser Situation zeigt sich Rachael zwar
widerständig, kann sich aber in weiterer Folge nicht dem heterosexuellen Begehren
entziehen und muss sich Deckards Macht fügen. Der Blade Runner Deckard besitzt
Macht über den Raum und diverse Technologien. Mittels eines elektronischen
Gerätes kann er Fotos so weit vergrößern, dass Details sichtbar werden, die für das
bloße Auge nicht zu sehen sind. Eine andere Maschine gebraucht er, um die Identität
verschiedener
Personen
zu
überprüfen.
Gunzenhäuser
schreibt,
dass
die
Kameraperspektive und die Schnitttechnik die Zuseher_innen nicht nur zu
Zeug_innen dieser Handlungen machen, sondern dass diese dazu aufgefordert
werden, sich mit dem kontrollierenden Blick Deckards zu identifizieren und
gleichzeitig zu solidarisieren. Darüber hinaus sei das Publikum dazu aufgerufen,
gemeinsam mit Deckard das Geheimnis der mysteriösen Maschinenfrau Rachael zu
ergründen.179 Macht und Sehen werden im Film stets mit dem männlichen Subjekt in
Verbindung gebracht und erfüllen hauptsächlich voyeuristische Funktionen. Rachaels
Bemühen, sich dem männlichen Blick zu widersetzen, bleibt letzten Endes erfolglos.
175
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 241.
Vgl. Sammon, Future Noir, S. 382.
177
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 9.
178
Vgl. ebd., S. 6.
179
Vgl. ebd., S. 9.
176
42
3.1.3.2 Erinnern als identitätsstiftender Akt
Laut Aleida Assmann zeichnet die Erinnerungsfähigkeit den Menschen erst als
Menschen aus. Es sei ohne sie nicht möglich, eine Identität aufzubauen und mit
anderen Personen zu kommunizieren.180 Sowohl das subjektive als auch das
kollektive Gedächtnis machen, so Arnold-de Simine, eine identitätsstiftende
Aktualisierung der Vergangenheit möglich, die zur Entwicklung eines moralischen
Verhältnisses zu dieser Vergangenheit beiträgt. 181 Was aber, wenn selbst nicht nichthumane Wesen über Erinnerung verfügen? Blade Runner spricht das Thema der
Erinnerung auf mehreren Ebenen an. Primär geht es um die Frage, inwieweit
Erinnerungen, die nicht persönlich erlebt und nur medial vermittelt wurden, an der
Bildung von individueller und kultureller Identität beteiligt sind. Der Replikant Leon
sammelt fremde und eigene Fotographien, die als Nachweis einer nie gelebten
Vergangenheit dienen sollen. Fotos, so Arnold-de Simine, haben die Funktion von
Erinnerungsprothesen, die es ermöglichen sich eine ungelebte Vergangenheit
anzueignen.182 Rachael fungiert im Film „as an experiment“, denn ihr wurden
autobiographische Erinnerungen eingepflanzt, die sie Anteil an einer fiktiven Kindheit
haben lassen. Dr. Tyrell führt folgenden Grund für die Implantation an:
We began to recognize in them…a strange obsession. After all they are emotionally
inexperienced with only a few years in which to store up the experiences which you and I
take for granted. If we gift them with a past…we create a cushion or pillow for their
emotions and consequently we can control them better.183
Als Rachael erfährt, dass ihre Erinnerungen nicht echt sind, reagiert sie mit einer
sehr menschlichen Geste, die der Trauer. Sie unterscheidet sich von den anderen
Replikant_innen dahingehend, dass ihr nicht die Erinnerungen fehlen, sondern die
Authentizität derselben.184 Doch auf diese kommt es nicht an, denn Erinnerungen
sind, laut Assmann, im Allgemeinen eine Form von unsinnlicher Wahrnehmung.
Selbst wenn sie eine Konstruktion, eine Illusion oder eine Verfälschung sind, werden
sie subjektiv und intuitiv für wahr gehalten. Eine wichtigere Rolle als der
Wahrheitsgehalt der Erinnerung spielt die Bedeutung des Erinnerten für die
180
Vgl. Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und
Geschichtspolitik. München: Beck 2006, S. 24.
181
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 225.
182
Vgl. ebd., S. 226.
183
Scott, Blade Runner, Time Code: 00:22:07.
184
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 228.
43
Gegenwart.185 Deshalb ist es, Arnold-de Simine zufolge, egal, ob Rachael wirklich
Klavierstunden hatte oder nicht, denn „Erinnerung ereignet sich in der Gegenwart
und für die Gegenwart“186 und gerade diese implantierte Erinnerung gibt ihr die
Fähigkeit, Klavier zu spielen. Arnold-de Simine betont den wichtigen Aspekt, dass die
Identität des Menschen von kollektiv vermittelten Erinnerungen geformt werde, die in
Form von Gedächtnismedien wie Bildern, Symbolen, Geschichten oder Ritualen
überliefert werden. Besonders relevant für die individuelle Vergangenheit seien vor
allem (Familien-) Fotographien, weshalb Rachael auch mit Bildern aus ihrer
vermeintlichen Kindheit ausgestattet wurde. Ein Foto, das Rachael Deckard zum
Beweis ihrer menschlichen Existenz vorweist, zeigt ein Kind, das Rachael für sich
selbst hält, auf dem Schoß ihrer Mutter.187 Ob die Fotos gefälscht sind oder ein
anderes Kind zeigen, wird im Film nicht beantwortet, und nach Arnold-de Simine
spielt dies auch keine Rolle, denn „Photos verweisen per se auf etwas, das sie nicht
sind. Sie sind Aufhänger, Auslöser oder gar Ersatz für Erinnerungen, über die man
als solche gar nicht (mehr) verfügt. Das Gedächtnis ist kein Speicher, sondern Teil
unserer Imagination“188. Das Foto kann auch, so die Autorin weiter, als memento
mori gesehen werden, welches den Verlust des Gezeigten und den Versuch, etwas
festzuhalten, das man nicht festhalten kann, impliziere.189 Auch Bukatman schreibt in
diesem Zusammenhang: „Memories are no more indelible than the paper a
photograph is printed on; history is devalued as a guarantor of truth, stability and
unified meaning. Photographs are constantly invoked as signs, but they are ultimately
empty signs, signifiers of nothing.“190 Für die Replikant_innen ist Erinnerung und die
Reflexion über das Erlebte genauso so wichtig wie für die Menschen. Roy Batty
erzählt Deckard, bevor er stirbt, in einem dramatischen Monolog gegen Ende des
Films Folgendes: „I´ve seen things you people wouldn´t believe … Attack ships on
fire off the shoulder of Orion … I watched c-beams glitter in the dark near the
Tanhauser Gate. All those moments will be lost in time“. 191 Arnold-de Simine meint,
dass Erinnerung eine notwendige Voraussetzung ist, um Moral und Mitgefühl zu
185
Vgl. Aleida Assmann: Geschichte im Gedächtnis. Von der individuellen Erfahrung zur öffentlichen
Inszenierung. München: Beck 2007. (= Krupp-Vorlesungen zu Politik und Geschichte am
Kulturwissenschaftlichen Institut im Wissenschaftszentrum Nordhein-Westfalen. 6.) S. 9f.
186
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 228.
187
Vgl. ebd., S. 229.
188
Ebd., S. 230.
189
Vgl. ebd., S. 230.
190
Bukatman, Blade Runner, S. 80.
191
Scott, Blade Runner, Time Code: 01:46:23.
44
entwickeln, und die Replikant_innen im Film somit einem Paradoxon unterliegen. Sie
haben nur vier Jahre zu leben, weil ihre Emotionen sie sonst unberechenbar machen
würden,
jedoch
wird
ihnen
damit
jede
Möglichkeit
genommen,
mittels
Lebenserfahrung überhaupt erst Moralität zu entwickeln. Deckards Erinnerung an
Gaffs getätigte Bemerkung gegen Ende des Films: „It´s too bad she won´t live. But
then again – who does?“, verweist laut Arnold-de Simine auf die zeitlich begrenzte
Dauer der Androiden, wie auch der menschlichen Existenz. Die Replikant_innen
mache gerade die Tatsache, dass sie im Film sterblich sind, menschlich. Die
Unterscheidung von Mensch und Maschine könne nicht mehr aufrechterhalten
werden, denn beide unterliegen einer konstruierten Vergangenheit und einer
begrenzten Zukunft.192
3.1.3.3 Cogito ergo sum - Die cartesianische Philosophie in
Blade Runner
In Blade Runner wird in vielerlei Hinsicht auf die cartesianische Philosophie
verwiesen. Lindauer zufolge kann der Name Rick Deckard als eine Anspielung auf
René Decartes gelesen werden.193 Wie bereits in Kapitel 2.3 erwähnt, unterliegt die
Welt laut Decartes dem Körper/Geist Dualismus. Allein der Mensch bestehe aus
beiden Substanzen, was ihm die Möglichkeit gebe, „Cogito ergo sum“ zu sagen.
Denn selbst wenn die Existenz der gedachten Inhalte angezweifelt werde, besitze
man die Fähigkeit zu zweifeln und so vergewissere man sich über seine eigene
Existenz. Tiere unterliegen ebenso wie Menschen den gleichen mechanischen
Gesetzmäßigkeiten, nur mit dem bedeutsamen Unterschied, dass Tiere für Decartes
keine Seele haben. Dies lasse sich an zwei Kriterien festmachen, an der Sprache
und der Vernunft, über die nur Menschen verfügen. Daraus schlussfolgert er, dass
Automaten nicht über Sprache verfügen können. Die Seele hat nach Decartes zwei
Funktionen:
die
Tätigkeiten,
194
dazugehörigen Leiden.
zu
denen
die Willensakte
gehören
und
die
Stephen Toulmin erläutert, dass die Geist/Körper-
Dichotomie Decartes eine ganze Reihe weiterer Dichotomien nach sich zog.195 Auf
192
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 235.
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 91.
194
Vgl. ebd., S. 21ff.
195
Vgl. Stephen Toulmin: Kosmopolis. Die unerkannten Aufgaben der Moderne. Frankfurt am Main:
Suhrkamp 1994, S. 178f.
193
45
diese binären Oppositionen, welche Cyborgs, laut Haraway, zu überwinden
vermögen, baut also die cartesianische Philosophie auf.
Schneider bemerkt, dass in post-biologischen Positionen die cartesianische
Trennung von Körper und Geist radikalisiert und semantisch umgestellt wird, denn
mit der Anthropomorphisierung von Kommunikationstechnologien (wie bereits in
Kapitel 2.2 besprochen) wird dem Körper seine exklusive Stellung entzogen. 196 Blade
Runner spiele mit der paradoxen Situation, denn wenn die Replikant_innen „nicht nur
cogito ergo sum sagen, sondern auch noch Gefühle zeigen können, wenn sie weinen
und mit Erinnerungen ausgestattet sind, wie sollen die Menschen dann noch länger
wissen, daß sie Menschen und keine Replikanten sind?“197. Sebastian möchte, dass
die Replikant_innen Roy Batty und Pris ihm etwas vorführen, womit er sie, so Arnoldde Simine, auf den Status seiner Spielzeuge reduziert.198 Batty entgegnet ihm
daraufhin: „We´re not computers Sebastian, we´re physical“ und Pris fügt hinzu: „I
think Sebastian, therefore I am.“ 199 Lindauer führt hierzu aus, dass Pris mit diesem
Satz Decartes Kriterien der Sprache und des Verstandes, welche nur für den
Menschen gültig sind, bezweifelt, denn beide erweisen sich in Hinblick auf die
Replikant_innen als hinfällig.200 Des Weiteren lässt der sterbende Roy Batty gegen
Ende des Films eine weiße Taube fliegen, welche in der christlichen Tradition unter
anderem ein Symbol für die menschliche Seele darstellt, die den Körper nach dem
Tod verlässt.201
Die Wahrnehmung von körperlichen Unterschieden zwischen dem menschlichen und
dem Cyborg-Körper wird, laut Schneider, im Film zur gesellschaftlichen Konstruktion
und erinnere somit an Butlers Begriff vom „biologischen Körper als einem Effekt
hegemonialer Strukturen“.202 Im diesem Punkt muss Schneider zwar rechtgegeben
werden, denn die Grenzen von Mensch und Maschine werden im Film weitgehend
verwischt, jedoch nicht die Grenzen der dichotomen Zweigeschlechtlichkeit. Dies soll
anhand der folgenden Figurenanalyse verdeutlicht werden.
196
Vgl. Schneider, Anthropologische Kränkungen, S. 30f.
Ebd., S. 31.
198
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 240.
199
Scott, Blade Runner, Time Code: 01:17:38.
200
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 91f.
201
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 241.
202
Schneider, Anthropologische Kränkungen, S. 31.
197
46
3.1.4 Figurenanalyse
3.1.4.1 Die Darstellung der weiblich markierten Cyborgs im
Film
Zu allererst muss festgehalten werden, dass alle weiblichen Charaktere im Film als
Replikantinnen ausgewiesen werden und somit "künstlich" sind.203 Arnold-de Simine
schreibt, dass künstliche Menschen seit der Antike überwiegend weiblich sind, und
diese Tatsache durch die Überzeugung entstand, dass Weiblichkeit an sich künstlich
sei und immer durch Maskerade und Kostüm hervorgebracht werde, „so dass die
seelen- und geistlose Frau am leichtesten durch einen rein auf die Materie
reduzierten Automaten ersetzt werden […], ja dieser sogar die Qualitäten der
natürlichen Frau übertreffen“204 könne. Maschinenstatus und Weiblichkeit fallen bei
weiblichen Maschinenmenschen zusammen und verstärken laut Gunzenhäuser den
Geheimnischarakter
des
Anderen.
Sie
betont,
dass
Diskurse
um
Maschinenmenschen und um das Weibliche das Ziel haben, erzählerisch die Brücke
zum
menschlichen
Mann
zu
schaffen,
welcher
sich
sowohl
von
den
Maschinenmenschen als auch von der Frau distanzieren muss, um nicht die
Kontrolle über sich und das Andere zu verlieren.205
Die Zuordnung diverser scheinbar naturgegebener Charakteristika der Geschlechter
geht
auf
das
18.
Jahrhundert
zurück.
Karin
Hausen
spricht
in
diesem
Zusammenhang von einem Aussagesystem der Geschlechtercharaktere. 206 Im 18.
Jahrhundert wird Geschlecht zur Charaktereigenschaft, das heißt, dass es egal ist,
welchem Stand man angehört: alle Frauen bzw. alle Männer teilen bestimmte
Charaktereigenschaften, welche einander entgegengesetzt sind, sich jedoch
wechselseitig
ergänzen.
Laut
Hausen
sind
die
Geschlechtercharaktere
Zuschreibungen, die sich über physiologische, psychische und soziale Eigenschaften
von Mann und Frau definieren zu scheinen.207 Hier wird davon ausgegangen, dass
das Wesen von Mann und Frau eine natürliche Bestimmung ist. Demzufolge ist der
Mann für den öffentlichen Bereich und die Frau für den häuslichen Bereich von Natur
203
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 96.
Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 238.
205
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 227.
206
Karin Hausen: Die Polarisierung der „Geschlechtercharaktere“ – Eine Spiegelung der Dissoziation
von Erwerbs- und Familienleben. In: Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Hrsg. von
Werner Conze. Stuttgart: Neue Forschungen 1976, S. 363.
207
Vgl. ebd., S. 367.
204
47
aus prädestiniert. Während der Mann der Kultur zugeordnet und von Natur aus aktiv,
rational und selbstständig sei, sei die Frau der Natur zugeordnet und ebenfalls von
Natur aus passiv, emotional und abhängig.208 Mit der Literatur der Romantik und der
Klassik entstand die Idee von der romantischen Liebe. Mann und Frau seien der
Natur und Bestimmung nach auf Ergänzung angelegt, was impliziert, dass es einem
einzelnen Menschen unmöglich ist, sich alleine zu einer harmonischen Persönlichkeit
zu entwickeln. Das Wesen von Mann und Frau ist so konzipiert, dass sie zwar
entgegengesetzt sind, sich aber wechselseitig ergänzen. So ist es ihnen nur
gemeinsam möglich, die Summe aller menschlichen Fähigkeiten und Bedürfnisse zu
realisieren.
Hausen
schließt
daraus,
dass
für
die
Polarisierung
der
Geschlechtercharaktere die Idee der Ergänzung der Definitionsgrund gewesen zu
sein scheint.209 Mit dieser scheinbar "natürlichen" Weltordnung wird die Dissoziation
von Erwerbs- und Familienleben als natürlich deklariert und die Gegensätze, die
Männer und Frauen ausmachen, als notwendig und ideal erachtet. 210 Lindauer meint,
dass die drei weiblichen Replikantinnen Rachael, Zhora und Pris auf die oben
ausgeführte dichotome Konzeptualisierung der Frau verweisen,211 was nun im Detail
untersucht wird.
3.1.4.1.1 Rachael, die geheimnisvolle Schöne
Gleich bei Rachaels erstem Erscheinen wird mittels ihrer
artifiziellen Frisur, ihrem puppenhaft geschminkten Gesicht mit
dem kleinen roten Mund und ihrem abgehakten, mechanischen
Gang ihre Künstlichkeit in den Blickpunkt gerückt.212 Des
Weiteren wird zu Beginn mehrmals auf ihre Objekthaftigkeit
verwiesen, wenn etwa Dr. Tyrell sie als „an experiment, nothing
more“ 213 bezeichnet oder Deckard, nachdem er erfahren hat,
dass sie sich ihres Status als Replikantin nicht bewusst ist,
Abbildung 2: Rachael
fragt: „How can it not know what it is?“214. Damit wird Rachael
208
Vgl. ebd., S. 368.
Vgl. ebd., S. 377.
210
Vgl. ebd., S. 378.
211
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 97.
212
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 239.
213
Scott, Blade Runner, Time Code: 00:22:05.
214
Scott, Blade Runner, Time Code: 00:21:58.
209
48
ihre Menschlichkeit und ihre Subjekthaftigkeit abgesprochen,215 aber auch sie selbst
wird sich im Laufe der Handlung über ihren Objektstatus im Klaren, wenn sie,
nachdem sie Leon für Deckard getötet hat, sagt „I´m not in the business. I am the
business“216. Dennoch erweist sie sich laut Elisabeth Bronfen als sehr ambivalent,
denn einerseits wolle sie dem männlichen Subjekt, zuerst Dr. Tyrell, dann Deckard,
dienen und andererseits sei sie bereit, alles zu zerstören, was sich ihrem Begehren,
welches sich primär darauf richtet, als Mensch wahrgenommen zu werden, in den
Weg stellt. Bronfen betont, dass das Töten von Leon zum einen ihre Bereitschaft,
sich dem Willen des männlichen Subjekts vollkommen zu beugen, ausdrückt und
zum anderen zeigt, dass sie diesem gleichzeitig überlegen sei, weil sie Deckard das
Leben spendet, damit er sie retten könne. 217 Gunzenhäuser meint auch, dass
Rachael sich zwar als Replikantin entpuppe, doch gleichzeitig eine Person sei,
„welche
die
als
selbstverständlich
vorausgesetzte
Hierarchie
zwischen
Schöpfer/Killer und Geschöpf, zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Mann und
Frau“218 verkehre. Als Beispiel führt sie die Befragung mittels des Voigt-Kampff-Tests
an, im Laufe deren es Rachael gelinge, die Machtverhältnisse des Verhörs geschickt
zu
unterlaufen,
indem
sie
Gegenfragen
stellt.
Deckard
beginnt
folgende
Fragestellung: „You´re reading a magazine and come across the full-page nude
photo of a girl.“ Bevor er weiterfragen kann, unterbricht ihn Rachael: „Is this testing
whether I´m a replicant or a lesbian, Mr. Deckard?“219. Laut Gunzenhäuser weist
Rachael
mit ihrer Gegenfrage
darauf hin, dass Deckards psychologische
Standardfragen ein heterosexuelles Begehren des/der Befragten voraussetzen.
Damit wird im Film ein Thema angesprochen, das um 1980 vor allem in den
Women´s und Film Studies heftig diskutiert wurde und auch heute noch aktuell sei:
der Zusammenhang zwischen Wahrnehmungsprozessen und Macht. Rachael hebe
implizit hervor, dass die Fragen auf eine heterosexuelle Diskursnorm verweisen, in
der eine falsche Antwort höchstens einen Hinweis auf eine Abweichung von einer
sexuellen Norn gebe und nicht auf die Nicht-Menschlichkeit der Testperson verweise.
Ein solcher Test sehe weder vor, dass der/die Befragte Gegenfragen stelle und somit
215
Vgl. Laszig, Der Glanz im Auge des Replikanten, S. 76.
Scott, Blade Runner, Time Code: 01:03:56.
217
Vgl. Elisabeth Bronfen: Leben spenden. Ohnmacht und Macht des weiblichen Cyborgs. In:
Künstliche Menschen. Manische Maschinen. Kontrollierte Körper. Hrsg. von Rolf Aurich u.a. Berlin:
Jovis Verlag 2000, S. 82.
218
Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 4f.
219
Scott, Blade Runner, Time Code: 00:20:21.
216
49
die Methode unter die Lupe nehme, noch werde davon ausgegangen, dass der/die
Testperson von einer gesellschaftlichen, männlich gesetzten Norm abweichen könne.
Somit stelle Rachael Deckards
Selbstverständnis als Mensch, Mann und
Androidenjäger in Frage und durchbreche die klare Subjekt-Objekt-Beziehung, die er
üblicherweise zu seinen potentiellen Opfern habe.220 Die Figur Rachael weist zu
Beginn des Films durchaus Widerstandspotential auf, jedoch verliert sie dieses im
Laufe der Handlung immer mehr. Die Szene des Verhörs mag Heterosexualität als
Norm zwar unterschwellig in Frage stellen, jedoch wird diese im Verlauf immer
wieder legitimiert und gefestigt.
Arnold-de Simine bemerkt, dass die künstliche Eule, die Deckard in der Tyrell
Corporation entdeckt, als Anspielung auf das Attribut der jungfräulichen Athene
verstanden werden kann. Zum einen wurden Eulen im Volksglauben Hexen,
Zauberinnen und Dämonen zugeordnet und galten als Todesvögel und zum anderen
dienten sie auch als Symbol der weisen Voraussicht. Die Eule verkörpere damit die
ambivalenten Anteile Rachaels, welche als unheimliches Wesen unkalkulierbar
erscheine, aber gleichzeitig von einem Menschen/Mann produziert wurde, was es
möglich mache, sie zu beherrschen.221 Rachael erinnert (wie auch Pris und Zhora) in
mancher Hinsicht an den Weiblichkeitstypus der Femme fatale, den Carola Hilmes in
ihrem Buch Die Femme fatale. Ein Weiblichkeitstypus in der nachromantischen
Literatur analysiert. Dem Klischee nach ist die Femme fatale der Inbegriff eines
verderbenbringenden Eros und ein männermordendes Weib, die durch ihre
Sinnlichkeit eine gar tödliche Macht über den Mann ausübt. 222 Aus der Übertragung
dieses Gedankenbildes in die Realität, ergibt sich laut Hilmes folgendes Problem:
Da eine Bestimmung des Weiblichen aus dem Status der
herausgetreten ist, kann eine Trennung von Realitäts- und
angegeben werden, was den Fehlschluß nahelegt, die in
angegebenen Merkmale des Weiblichen für wahr zu halten. Im
Weiblichkeitsbildes hat das geradezu fatale Folgen.223
Imagination nie wirklich
Fiktionalitätsebene nicht
einem Weiblichkeitsbild
Falle eines dämonischen
Die Femme fatale lässt sich, laut Hilmes, nicht eindeutig definieren, denn „sie ist die
aus
patriarchalisch-misogynen
Weiblichkeitsimaginationen
220
zusammengesetzte
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 5.
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 239.
222
Carola Hilmes: Die Femme fatale. Ein Weiblichkeitstypus in der nachromantischen Literatur.
Stuttgart, Weimar: Metzler 1990, S. 223f.
223
Ebd., S. 4.
221
50
Chimäre, die je nach Kontext Rollen und Masken wechselt“ 224. Sie liefere keine
Wesensbestimmung der Frau, sondern lediglich ein Wunsch- und Angstbild des
Weiblichen, welches in der Zeit des Fin de siécle Hochkonjunktur hatte. 225 Einerseits
sei sie das Ergebnis einer Fixierung des weiblichen Geschlechtscharakters und der
daraus entstandene Hysterisierung des Weiblichen und andererseits spiegle sie eine
Krise des (männlichen) Selbstbewusstseins wider.226 Sie enthalte eine implizite Kritik
sowohl an der prekären Situation des Mannes, seiner Ichschwäche und verdrängten
Triebverfallenheit, als auch an der Situation der traditionell untergeordneten Frau und
ihrer passiven und asexuellen Rolle in der bürgerlichen Gesellschaft. Dadurch, dass
die patriarchalen Rollenzuweisungen mit der Femme fatale durchbrochen werden
und der Sexualität und dem Weiblichen Raum geben, komme ihr ein gewisses
subversives Potential zu,227 dem Hilmes jedoch nicht viel Spielraum zuspricht. In den
Femme
fatale-Gestalten
artikuliere
sich
in
Opposition
zur
herrschenden
Sexualunterdrückung zwar das sexuelle Begehren, ihre Geschichten jedoch seien
die verhinderter Lüste und stilisierter Körper. Somit liefere die Femme fatale kein
Modell der Emanzipation.228 Charakteristisch für die Femme fatale ist ihr
ambivalenter Wesenszug, der an die Eigenschaften von Cyborgs erinnern lässt. Sie
bewegt sich zwischen Fiktion und Realität, Gedeih und Verderb und wird als
unbezähmbar und diszipliniert zugleich imaginiert.229 Ein Problem dieser Frauenfigur
sei jedoch, so Hilmes weiter, dass sie durch ihre Sinnlichkeit nicht nur dem Mann
Verderben bringe, sondern sich auch stets selbst zum Verhängnis werde. Denn
immer dann, wenn sie aktiv werde, falle sie auch sich selbst zum Opfer.230 Ihre
Handlungsspielräume seien meist vorgegeben und fremdbestimmt und die ihr
„zugestandene erotische Wirkungsmächtigkeit ist zwar faszinierend, aber auch
trügerisch,
denn
sie
täuscht
über
Beschränkungen
und
Scheitern
der
Protagonistinnen hinweg“.231 Sie agiere nicht als Subjekt, denn ihre Funktionen seien
meist auf ihre Ausstrahlung, ihre Präsenz beschränkt und sie fungiere somit als
kostbares Objekt der Begierde. Hilmes vergleicht den Typus der Femme fatale auch
224
Ebd., S. 246.
Vgl. ebd., S. 5.
226
Vgl. ebd., S. 14.
227
Vgl. ebd., S. XIV.
228
Vgl. ebd., S. 41.
229
Vgl. ebd., S. 42.
230
Vgl. ebd., S. 224.
231
Ebd., S. 225.
225
51
mit einer "künstlichen Eva",232 welche, wie in Kapitel 2.4.2.2 erwähnt wurde, eine
künstliche verbesserte Kopie des Weiblichen darstellen soll. An Rachael sind einige
Facetten der Femme fatale zu finden: So scheint sie geheimnisvoll, unberechenbar
und verführt Deckard allein mit ihrem Äußeren, jedoch ohne aktiv zu werden. Arnoldde Simine merkt an, dass Rachael kein "Lustmodell" ist und daher auch keine
bedrohliche Sexualität, sondern schon fast kindliche Unschuld verkörpert. Als
unbeschriebenes
Blatt
mit
von
ihrem männlichen
Schöpfer
eingepflanzten
Erinnerungen ist sie von Deckard vollkommen formbar und indem er über ihre
Erinnerungen Bescheid weiß, übt er Macht über sie aus.233 Sein Begehren, so
Gunzenhäuser, flackert dann für Rachael auf, wenn er sich ihrer Künstlichkeit
bewusst wird und sich somit im Geheimnis des Weiblichen verstrickt.234 In der
Kussszene souffliert Deckard ihr nicht nur Sätze, sondern auch die dazu gehörigen
Gefühle und formt Rachael damit zu dem, was sie für ihn sein soll.235 Er drängt sie
gewaltsam in eine Ecke und zwingt sie, zuerst „Kiss me“ und anschließend „I want
you“ zu sagen.236 Gunzenhäuser meint, dass Rachael Deckard sexuelle Sicherheit,
die er im Berufsleben immer mehr verliert, vermitteln soll. Er kompensiere seine
Ohnmacht als Killer durch die sexuelle Macht, die er über Rachael ausübe. 237 Die
Szene erinnert laut Gunzenhäuser und Arnold-de Simine an den Kuss im PygmalionMythos, in dem der Bildhauer Pygmalion eine Marmorstatue belebt. 238 Deckard wolle
durch den Kuss seine Geliebte in einen Menschen verwandeln, gleichzeitig mache er
sie damit zu seinem Geschöpf und erachte sie plötzlich als würdig, mit einem
geschlechtsspezifischen Personalpronomen angesprochen zu werden. Indem aus
dem „es“ eine „sie“ wird, werde sie nicht zur zum Menschen, sondern vor allem zur
Frau.239 Dieser Akt bringt Rachael zum Schweigen und sie ist im weiteren Verlauf
des Films auch kein Störfaktor mehr.240 Arnold-de Simine zufolge bändigt Deckard
mit dem gewaltsamen Kuss die bedrohlichen Ambivalenzen von Rachael, mit denen
auch die anderen Replikantinnen Pris und Zhora ausgestattet sind.241
232
Vgl. ebd., S. 246.
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 240.
234
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 6.
235
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich? S. 240.
236
Scott, Blade Runner, Time Code: 01:11:52.
237
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 7.
238
Vgl. ebd., S. 7. und bei Arnold-de Simine, S. 240.
239
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 240.
240
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 7.
241
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 240.
233
52
Obwohl Rachael ein eher klassisches Frauenbild verkörpert, sieht Anne Balsamo in
der Figur eine Herausforderung kultureller Konventionen. Sie ist der Meinung, dass
die Darstellung weiblicher Maschinenmenschen die Beziehung zwischen Technik
und Weiblichkeit verändern könne.242 Allerdings muss dazu gesagt werden, dass
Rachael nur zu Beginn des Films als eine solche Herausforderung gelesen werden
kann. Im Laufe Handlung fügt sie sich immer mehr in ihre stereotype Rolle als Frau
und ihr Körper wird von einem widerständigen zu einem disziplinierten. Ganz in der
Tradition der Femme fatale wird sie kaum aktiv und bleibt in ihrer traditionellen
Geschlechterrolle verhaftet.
3.1.4.1.2 Zhora – „Beauty and the Beast“
Polizeiinspektor Byrant beschreibt sie, als er Deckard die zu
ermordenden Replikant_innen zeigt, folgendermaßen: „This is
Zhora. She´s trained for an Off-world Kick murdersquad. Talk
about Beauty and the Beast. She´s both.“243 Lindauer stellt fest,
dass an dieser Stelle die dualistische Beschaffenheit der
Weiblichkeit zum Ausdruck kommt, welche von der Natur
scheinbar vorgegeben sei. Die Frau sei Lebensspenderin und
Abbildung 3: Zhora
verkörpere Wildheit auf der einen Seite, und Emotionalität und
Passivität auf der anderen Seite.244 Zhora arbeitet als Tänzerin
in einem Nachtclub, in dem sie folgendermaßen angekündigt wird: „Miss Salome and
the snake. Watch her take the pleasure from the serpent that once corrupted man“.245
Gleich zu Beginn der Einführung der Figur Zhora wird durch den ihr zugewiesenen
Namen Salome und die Beschreibung klar, welchen Weiblichkeitstypus diese Cyborg
verkörpern soll. Salome bezeichnet eine Form der Femme fatale, die laut Hilmes die
mythische Vision weiblicher Allmacht, Exotik, Verworfenheit und ruchloser Schönheit
darstellt.246 Kernthema des Salomemythos ist die Verbindung von Wollust und
Grausamkeit. Eine Frau verführt, beziehungsweise überlistet einen als schwach und
für weibliche Reize empfänglich dargestellten Mann. Der scheinbar überlegenen Frau
242
Vgl. Anne Balsamo, Reading Cyborgs, S. 151.
Scott, Blade Runner, Time Code: 00:14:42.
244
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 98.
245
Ebd., Time Code: 00:51:32.
246
Vgl. Hilmes, Die Femme fatale, S. 102.
243
53
gelingt es, den Mann mit ihrer Sinnlichkeit zu überlisten, und sie durchkreuzt somit
vorübergehend seine männliche Macht, die sie schließlich doch nicht überwinden
kann. Ihr einziges Handlungspotential ist ihre erotische Attraktivität, auf die sie
reduziert wird.247 Nach Hilmes erlaubt es die Geschichte der Salome, eine
Beobachterperspektive einzunehmen und folglich eine Femme fatale zu erleben,
ohne selbst einer Bedrohung ausgesetzt zu sein. Sie spricht von einer Geschichte
des (männlichen) Blicks, in der der Voyeurismus und die begleitenden Wunsch- und
Angstphantasien zum Thema werden, ohne allerdings ein Problem darzustellen. 248
Auch der Schlange kommen ebenso wie der Femme fatale und den Replikant_innen
ambivalente Züge zu. Zum einen untermauert die Schlange, mit der Zhora auftritt,
ihre Rolle als Verführerin und unterliegt in der jüdisch-christlichen Überlieferung einer
negativen Konnotation: Sie steht für die Verführung Evas und ist der Grund der
Vertreibung des Menschen aus dem Paradies. Zum anderen repräsentiert sie in der
griechischen Mythologie den Kreislauf des Lebens. Sie symbolisiert die Spannung
der Seele zwischen Leben und Tod.249 Gemäß der Tradition der Femme fatale muss
Zhora ihre vorübergehende Handlungsmacht mir ihrem Leben bezahlen. Laszig
merkt an, dass die harte Darstellung der Exekution von Zhora die archaische Angst
des Mannes vor dem Weiblichen verdeutliche, besonders dann, wenn diesem die
Kontrolle über die sich autonom bewegende Frau entgleite.250 Die dramatische
Szene, in der Zhora vor dem Tod flüchtet, kann auch als Flucht vor den bestehenden
Machtverhältnissen gesehen werden. Ihre erotische Ausstrahlung und ihr Tanz auf
der Bühne verleihen ihr vorübergehend Handlungsmacht, die sich als Schein erweist
und ihr mit der drastischen Exekution wieder genommen wird. Sie bleibt wie Rachael
in traditionellen Geschlechter- und Machtkonstellationen haften. Der Versuch aus
diesen Machtstrukturen auszubrechen, endet für sie tödlich. Auch ihr widerständiger
Körper
muss
diszipliniert
werden.
Somit
bietet
Subversionsspielraum.
247
Vgl. ebd., S. 105f
Vgl. ebd., S. 108.
249
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 98.
250
Vgl. Laszig, Der Glanz im Auge des Replikanten, S. 80.
248
54
auch
diese
Figur
keinen
3.1.4.1.3 Pris, die Lustmaschine
Pris wird im Film als sogenanntes „Military/Leisure“Modell251 ausgewiesen und kann deshalb laut Laszig
als Lustmaschine bezeichnet werden.252 Lindauer
meint, dass das Weiblichkeitsbild der Femme fatale
vor allem bei ihr deutlich wird, da die Kunst der
Täuschung, die der Frau seit dem 18. Jahrhundert
Abbildung 4: Pris
nachgesagt wird, bei ihr am stärksten zum Ausdruck
komme. Gleich bei ihrem ersten Auftritt vermag sie
J.F. Sebastian (und vielleicht auch die Zuschauer_innen) über ihre wahre Identität
hinwegzutäuschen, indem sie sich mit zerlumpter Kleidung zwischen Müllbergen
ängstlich und schüchtern gibt, um bei J.F. Sebastian Unterschlupf zu finden.253 Pris
wird wie Zhora von Bronfen als gnadenlose Kämpferin, die keine Gewalt scheut, um
an ihr Ziel zu gelangen, bezeichnet. Gleichzeitig beweise sie gegenüber ihren
Gefährt_innen Treue und Liebe.254 Mit ihrer Bemerkung „I think Sebastian, therefore I
am“, wehrt sie sich, so Arnold-de Simine, in zweifacher Weise gegen ihren Status als
minderwertiges Wesen, nämlich gegen ihren Status als das "Andere des Menschen"
und das "Andere des Mannes". Somit finde sie sich nicht mit ihrer Reduzierung auf
ein weibliches Lustobjekt ab.255 Laszig betont, „auch wenn Pris die männlichen
Fantasien verführerisch zu bedienen scheint, will sie keine Wunsch-Maschine sein,
sondern als denkendes Gegenüber wahrgenommen und an-erkannt werden“256.
Nachdem sie sich in J.F. Sebastians Automatenkabinett als Puppe tarnt, folgt eine
äußerst sexualisierte und akrobatische Kampfszene gegen den Blade Runner. 257 Die
Szene wirke, so Laszig, „wie eine getanzte Choreografie männlicher (Sexual-)
Ängste“ in der das begehrte weibliche Objekt zu einer (über-) mächtigen Frau
werde.258 Pris erliegt jedoch der männlichen Macht und ihr wild strampelnder Körper
wird, wie Laszig es nennt, von den Pistolenkugeln penetriert, bis sie stirbt.259 Ebenso
251
Scott, Blade Runner, Time Code: 00:14:54.
Vgl. Laszig, Der Glanz im Auge des Replikanten, S. 80.
253
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 97.
254
Vgl. Bronfen, Leben spenden, S. 82.
255
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 241.
256
Laszig, Der Glanz im Auge des Replikanten, S. 80.
257
Scott, Blade Runner, Time Code: 01:32:06.
258
Vgl. Laszig, Der Glanz im Auge des Replikanten, S. 80.
259
Vgl. ebd.
252
55
wie Zhora muss sie, ganz in der Tradition der Maschinenfrauen und der Femme
fatale, vollkommen liquidiert werden. Jegliches Aufbegehren ihrerseits wird
unterbunden und muss auch mit dem Tod bezahlt werden. Wie schon Rachael und
Zhora versucht sie sich den Spielraum zum Unterlaufen dichotomer Grenzen zu
nehmen, der ihr gemäß ihrem Status als Cyborg zusteht. Doch auch sie scheitert bei
diesem Versuch kläglich und muss sich den vorherrschenden heterosexuellen
Begehrens- und Machtstrukturen vollkommen beugen.
3.1.4.2 Die Darstellung der männlich markierten Cyborgs
im Film
Anders als bei den weiblichen Figuren im Film gibt es nicht nur männlich markierte
Replikanten, sondern auch männliche Menschen, was die Gleichsetzung von
Frau/Maschine
und
Mann/Mensch
als
"natürliche
Gegebenheit"
nochmals
unterstreicht. Im Gegensatz zu den drei Replikantinnen, die sämtliche Ausformungen
der Femme fatale verkörpern, lassen sich die Replikanten, außer dass sie über mehr
Handlungsmacht
entsprechen,
verfügen
und
keinem spezifischen
den
klassischen
männlichen
Stereotypen
Männlichkeitstypus zuordnen.
Leon „wird
eingeführt als ein Symbol männlicher Potenz und Zerstörungswut“ 260, Roy Batty weist
Parallelen zu Frankenstein, Luzifer und Christus zugleich auf und Deckard, gesteht
man ihm den Replikanten-Status zu, verfügt als vermeintlicher Mensch über Macht
über Leben und Tod der Maschinenmenschen, vor allem der weiblichen
Replikantinnen, denn durch seine Hand sterben sehen die Zuschauer_innen nur Pris
und Zhora. Doch ironischer Weise unterliegt auch sein Körper der Kontrolle durch
den Menschen.
260
Ebd., S. 78.
56
3.1.4.2.1 Roy Batty, der gefallene Engel
Der Anführer der geflohenen Replikant_innen steckt in einem
muskulösen männlichen Körper, hat ein markantes Gesicht und
wird stark idealisiert dargestellt. Laszig betont, dass der
Replikant die Inversion des Blade Runners (Roy Batty/Blade
Runner) und gleichzeitig eine Art Doppelgänger verkörpert. Er
beschreibt
Batty
im
Gegensatz
zu
Deckard
als
ein
„omnipotentes idealisiertes Selbst“261, welcher als pathetischer
Abbildung 5: Roy Batty
Kämpfer gegen Unterdrückung eingeführt werde und für
Unabhängigkeit und Freiheit steht.262 Das Einhorn, das Deckard
in seinem Tagtraum sieht, ist nach Fried eng verknüpft mit der weißen Taube, die
Roy vor seinem Tod fliegen lässt: „Both signify something pure, spiritual, and elusive,
an idealization to which people aspire in an attempt to transcend the increasing
meaninglessness, squalor, and sheer Hobbesian viciousness of the entropy that is
accelerated by a fatally flawed human nature“. 263 Laszig zufolge spiegelt er während
des dramatischen Zweikampfs Deckard auf unterschiedlichste Weise. Als er sich
einen Nagel durch die Hand steckt, spürt er den gleichen Schmerz wie Deckard und
lässt diesen Wut, Schmerz, Angst und Trauer spüren. Er überwindet seinen Hass
gegenüber Deckard und rettet ihm schließlich das Leben.264 Warum er gerade
Deckard das Leben rettet, bleibt laut Arnold-de Simine offen. Dies könne entweder
ein Indiz für Deckards Replikantenstatus sein oder aber beweise vielmehr Roys
Empathie und damit Überlegenheit gegenüber den Menschen.265 Des Weiteren kann
die Figur als gefallener Engel oder aber auch als Frankenstein, der gegen seinen
Schöpfer rebelliert, gelesen werden.266 In der Bibel heißt es: „Denn der Teufel kommt
zu euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, daß er wenig Zeit hat.“ 267 Hier
lassen sich gewiss Parallelen zu Roy Batty finden, denn auch er kommt auf den
261
Ebd., S. 81.
Vgl. ebd.
263
K. Willam Fried: Blade Runner. An Interpretation. In: Psychoanalytic Psychology 2004. (=Vol. 21)
S. 313.
264
Vgl. Laszig, Der Glanz im Auge des Replikanten, S. 83.
265
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 234.
266
Vgl. Mark Lussier/Kaitlin Gowan: The Romantic Roots of Blade Runner. In: Wordsworth Circle
2012. (= Vol. 43). S. 166.
267
Die Bibel oder die ganze heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Köln: Naumann & Göbel
1986. Offb 12,12.
262
57
Planeten Erde, ist wütend über seine Situation und beginnt einen Wettlauf gegen die
Zeit. Um von seinem "Schöpfer" Dr. Tyrell mehr Lebenszeit zu erhalten, sucht er ihn
auf und stellt ihn zur Rede: „I want more life, fucker.“268 Dr. Tyrell kann ihm diesen
Wunsch nicht erfüllen: „The light that burns twice as bright burns for half as long and
you have burned so very, very brightly, Roy. Look at you: you're the Prodigal Son;
you're quite a prize!“269 Nach der Diskussion und der Enttäuschung über seinen
Schöpfer nimmt Roy Tyrells Kopf zwischen seine Hände, küsst ihn und drückt ihm
anschließend die Augen aus. Diese Szene erinnert laut Lussier auch an
Frankenstein, der sich aus Rache gewaltvoll gegen seinen Schöpfer auflehnt. 270
Doch Roy wird im Laufe der Handlung zunehmend mitfühlender, er entwickelt sich
Laszig zufolge von einem mordenden Teufel zu einem melodramatischen Helden
und messianischen Retter. Arnold-de Simine schreibt, dass Batty nicht nur Parallelen
zu Luzifer aufweist, sondern gleichzeitig als Christus-Figur stilisiert wird, wenn er sich
zum Beispiel den Nagel durch die Hand treibt oder die weiße Taube fliegen lässt. 271
Laszig meint dazu, dass es in einem postmodernen Weltentwurf schwieriger wird,
sich zu verorten und einen inneren und äußeren Standpunkt aufrecht zu erhalten. 272
Roy Batty erweist sich im Laufe des Films nicht nur als menschlicher als der Mensch,
sondern durch seine idealisierte Darstellung auch als männlicher als der Mann. Der
Film reproduziert somit das männlich konnotierte Bild einer "Kampfmaschine" mit
weichem Kern.
268
Scott, Blade Runner, Time Code: 01:23:44.
Scott, Blade Runner, Time Code: 01:25:04.
270
Vgl. Lussier, The Romantiv Roots of Blade Runner, S. 168.
271
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 241f.
272
Vgl. Laszig, Der Glanz im Auge des Replikanten, S. 73.
269
58
3.1.4.2.2 Rick Deckard, die Mensch-Maschine
Der Blade Runner ist eine ambivalente Figur, die einerseits
mittels des männlich zentrierten Blicks, über den bereits in
Kapitel 3.1.3.1 gesprochen wurde, Macht über Raum und
Maschinen(menschen) hat und andererseits durch seinen
vermeintlichen Replikantenstatus selbst kontrolliert wird. Die
Frage,
ob
Deckard
ein
Replikant
sei,
ist
eine
der
meistdiskutierten in Bezug auf Blade Runner im Internet273 und
Abbildung 6: Rick
Deckard
kam erst durch den Director´s Cut auf. Verantwortlich dafür ist
eine kurze Einhorn-Sequenz, in der ein durch den Wald
galoppierendes Einhorn gezeigt wird. Hier erfahren die Zuschauer_innen intime
Gedanken von Deckard, über die Gaff später Bescheid zu wissen scheint, wenn er
ein Origami-Einhorn vor seiner Haustür zurücklässt. Die Gedanken erweisen sich
somit als implantiert.274 Darüber hinaus leuchten Deckards Augen in der Szene,
nachdem Rachael ihm das Leben gerettet hat, rot auf, wie sie es sonst nur bei den
Augen der Replikant_innen tun.275 Bukatman merkt an, dass die Frage zu stellen
wichtiger ist, als die Antwort selbst.276 Es gehe hier nicht nur um den
Replikantenstatus von Deckard, sondern auch um unseren eigenen Status als
Replikant_innen.277 Womit wir wieder bei der Frage wären, was den Menschen als
Menschen ausmacht und was ihn von anderen Lebewesen unterscheidet. Der
Anstoß von Bukatman zu der Frage, ob wir nicht alle Replikant_innen seien, erinnert
an eine Aussage aus Haraways Manifesto for Cyborgs: „Im späten 20. Jahrhundert,
in unserer Zeit, einer mythischen Zeit, haben wir uns alle in Chimären, theoretisierte
und fabrizierte Hybride aus Maschine und Organismus verwandelt, kurz, wir sind
Cyborgs.“278 Was für Gunzenhäuser dem subversiven Element allerdings im Wege
steht, ist die Tatsache, dass zeitgenössische Cyborgs (wie auch in Blade Runner)
den weißen westlichen Menschen zum Vorbild haben. Gunzenhäuser meint, dass die
Nahaufnahme, die Harrison Ford zu Beginn des Films einführt, alle anschließend auf
273
Vgl. Bukatman, Blade Runner, S. 80.
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 95.
275
Vgl. ebd., S. 96.
276
Vgl. Bukatman, Blade Runner, S. 80.
277
Vgl. ebd., S. 83.
278
Haraway, Ein Manifest für Cyborgs, S. 34.
274
59
den nächsten Schnitt folgenden Gestalten als die Anderen, die Nicht-Weißen
brandmarke. Als Mensch und sogar noch als Replikant stehe Deckard noch für die
Werte und Körpernormen einer westlichen Zivilisation, die ihre Machtphantasien
durch die Herstellung künstlicher Menschen bis in den Weltraum vorantreibe,
während das postmoderne Los Angeles längst asiatisch geprägt sei.279
Schon allein aufgrund dessen, dass die Maschinenmenschen im Film keine
anerkannten Mitglieder der Gesellschaft darstellen und mehreren Kontrollinstanzen
unterliegen, ist ein Unterlaufen der herrschenden Dichotomien schier unmöglich. Die
Figuren versuchen zwar alle aus den herrschenden Verhältnissen auszubrechen,
werden jedoch immer rechtzeitig in ihre Rolle innerhalb der heterosexuellen Matrix
zurückverwiesen. Der Film deutet das den Maschinenmenschen zugesprochene
subversive Potential zwar an vielen Stellen an, schöpft es jedoch nicht aus.
3.1.5 Die Vorlage zum Film
Der Roman, der inzwischen unter dem Namen Blade Runner vertrieben wird, spielt
nicht wie im Film in einem überbevölkerten Los Angeles im Jahr 2019, sondern in
einem ausgestorbenen San Francisco 1992. 280 Durch einen Weltkrieg wurde die
Erde stark radioaktiv verseucht und macht sie somit zu einem großen Teil
unbewohnbar. Die wenigen und kaum leistbaren übriggebliebenen Tiere fungieren
als kostbares Statussymbol der zurückgebliebenen Menschen. Der Blade Runner
Rick Deckard wünscht sich nichts mehr als ein "echtes" Schaf, denn auf seinem
Dach grast nur ein künstliches Schaf, einem lebenden zum Verwechseln ähnlich. Um
sich endlich ein solches Tier kaufen zu können, nimmt er den Auftrag, sechs
Androiden auszulöschen, an.281 Die dystopische Welt wird im Roman äußerst
detailreich beschrieben und der Film übernimmt nur die zentrale Handlung der
Literaturvorlage,282 in der die Unterscheidung zwischen Mensch und Android
verstärkt dargestellt wird.283 Allein durch die Bezeichnung Replikant_innen wird eine
wichtige Änderung in der filmischen Darstellung klar. Durch diesen Begriff werden
279
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 13f.
Vgl. Sammon, Future Noir, S. 20.
281
Vgl. Thomas T. Tabbert: Menschmaschinengötter. Künstliche Menschen in Literatur und Technik.
Fallstudien einer Artifizialanthropologie. Hamburg: Artislife Press 2004, S. 308f.
282
Vgl. Arnold-de Simine, Ich erinnere also bin ich?, S. 232.
283
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 105.
280
60
laut Jeffrey James Oleniacz den künstlichen Menschen Menschlichkeit und
Menschrechte zugestanden, was im Roman nicht möglich sei. Dick skizziert die
Androiden als egoistische und seelenlose Wesen. Das Hauptaugenmerk liege im
Roman darin, dass der Mensch sich manchmal wie eine Maschine verhalte, im Film
sei es genau umgekehrt.
284
Die Unterscheidung von Mensch und Maschine wird bei
Dick zwar auch zunehmend brüchig, dennoch wird Lindauer zufolge die Grenze
zwischen Künstlichkeit und Menschlichkeit aufrechterhalten285. Die Androiden selbst
wirken im Roman
auch
mehr
resigniert,
als dass sie ihre menschliche
Existenzberechtigung einfordern. So meint Rachael etwa: „Wir sind Maschinen,
herausgestanzt wie Flaschendeckel. Es ist eine Illusion, daß ich – ich persönlich –
existiere. Ich vertrete bloß einen Typus.“286 Ob der Roman somit überhaupt Raum
zur Unterwanderung dichotomer Verhältnisse lässt, ist zweifelhaft.
284
Vgl. Jeffrey James Oleniacz: How & Why the Movie is Different. In: Blade Runner Insight. Zuletzt
geändert am 15.07.2001. URL: http://br-insight.com/2001/07/15/how-why-the-movie-is-different/
[05.05.2013].
285
Vgl. Lindauer, Reconstructing Eve, S. 106.
286
Dick, Blade Runner, S. 208.
61
3.2 Ghost in the Shell
3.2.2 Produktion und Entstehung
Must be the reason why I'm king of my castle
Must be the reason why I'm freeing my trapped soul
Must be the reason why I'm king of my castle
Must be a reason why I'm making examples of you
(Wamdue Project, King of My Castle)
Ghost in the Shell ist ein japanischer Science Fiction-Anime im Stil des Cyberpunk
von Mamoru Oshii aus dem Jahr 1995. Der Film basiert auf dem 1989 erschienenen
und gleichnamigen Manga von Masamune Shirow und machte die Gattung des
Anime weltweit populär. Die Verfilmung zeichnet sich, laut Janus, gegenüber der
humoristisch angelegten Comicvorlage durch eine dunklere und nachdenklichere
Stimmung aus, entwickle eine eigenständige Geschichte und durch seine ästhetische
Gestaltung einen völlig neuen Stil, der die westliche Welt faszinierte.287 Bei Ghost in
the Shell handelt sich hierbei um eine Koproduktion japanischer und westlicher
Produktionsfirmen, die dadurch die Auswirkungen der Globalisierung auf Produktion
und Vertrieb reflektiere.288 Oshii selbst erklärt 1995 in einem Interview, dass der
Mensch einer großen Veränderung unterworfen sei: „ Es ist möglich, daß der Mensch
sich durch eine Technologie ändert, die er selbst hervorgebracht hat. […] Es ist dazu
gekommen, daß Menschen die Welt und andere Menschen durch Medien
wahrnehmen, die konkret durch Bildschirme repräsentiert werden.“ 289 Schnellbächer
schreibt, dass Oshii die Ästhetik des film noir für den Animationsfilm und somit für ein
breites internationales Publikum übernommen habe. Das Stadtbild von Ghost in the
Shell erinnere an die Kulisse von Blade Runner, die an Hong Kong angelehnt sei, der
Film und die Stadt haben somit als Modell für die fiktive Stadt in Oshiis Film
gedient.290 Gleichzeitig werden mit Hong Kong als Kulisse die Bezüge zu Japan
abgeschwächt und das Allgemein-Menschliche und das Globale betont.291
287
Vgl. Ulrich Janus, Ludwig Janus: Der Individuationsprozess im japanischen Mangafilm. In: Blade
Runner, Matrix und Avatare. Psychoanalytische Betrachtungen virtueller Wesen und Welten im Film.
Hrsg. von Parfen Laszig. Heidelberg: Springer Verlag 2013, S. 165.
288
Vgl. Tom Schnellbächer: Mensch und Gesellschaft in Oshii Mamorus Ghost in the Shell –
Technische Spielerei oder engagierte Zukunftsvisionen? In: Nachrichten der Gesellschaft für Naturund Völkerkunde Ostasiens (2007), H. 1, S. 70.
289
Oshii zit. nach Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 71.
290
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 78.
291
Vgl. ebd., S. 79.
62
Von 2002 bis 2005 war Ghost in the Shell: Stand Alone Complex als Fernsehserie zu
sehen und 2005 erschien der Nachfolgefilm Ghost in the Shell 2: Innocence,292 der
später noch zur Sprache kommen wird. Des Weiteren folgten noch einige
Videospiele.
3.2.3 Plot
Im Vorspann heißt es: "In the near future corporate networks reach out to the stars,
electrons and light flow throughout the universe.
The advance of computerisation, however, has
not yet wiped out nations and ethnic groups."293
Abbildung 7: Die fiktive Stadt
Die
Handlung
spielt
in
einer
fiktiven
Riesenmetropole im Jahr 2029. Viele Menschen
sind bereits Cyborgs und nicht mehr von "natürlichen" Menschen zu unterscheiden.
Sie stecken in einer Art Biokapsel, die im Film als „Shell“ bezeichnet wird. Den Kern
dieser Wesen bilden einige Gehirnzellen, die ihr menschliches Zentrum, ihren
„Ghost“, darstellen.294 Ganz im Stil des Cyberpunks wird die Gesellschaft von einem
undurchsichtigen politischen Apparat regiert und ist durchdrungen von einer
futuristischen Computertechnologie.295 Verbrechen finden unter anderem inzwischen
durch das Einhacken in Datennetze statt und um diese zu bekämpfen, gründet das
Innenministerium die Elite-Kampfeinheit Sektion 9 unter der Führung von Major
Kusanagi Motoko, die zum Großteil aus Cyborgs besteht. Die Protagonistin, die
ebenfalls eine Cyborg ist, wird während eines Einsatzes eingeführt. Sie hat den
Auftrag, im Falle einer Weigerung einen Verräter auszuliefern, einen ausländischen
Diplomaten zu töten. Sie bekommt die Anweisung, einen gefährlichen Hacker
namens Puppet Master zu jagen. Dieser hackt sich in den Geist diverser Personen
ein, lässt diese Handlungen ausführen und ihre wahre Identität vergessen. Darauf
folgt eine Schlüsselszene des Films, die eine nachdenkliche Kusanagi während eines
Tauchgangs und anschließend in einem philosophischen Gespräch mit ihrem
292
Vgl. Janus, Der Individuationsprozess im japanischen Mangafilm, S. 165.
Mamoru Oshii: Ghost in the Shell. Japan: 1995. Time Code: 00:00:02. (Vorspann)
294
Vgl. Janus, Der Individuationsprozess im japanischen Mangafilm, S. 165.
295
Vgl. ebd.
293
63
Kollegen Batou zeigt. Am nächsten Morgen irrt sie gedankenverloren durch den
hektischen Großstadtdschungel und kommt zu spät zur Arbeit. Inzwischen wurde in
der Nacht im Konzern Megatech illegal ein weiblich markierter Cyborg-Körper
hergestellt, der kurz darauf ausbrach und von einem Lastwagen überfahren wurde.
Der zerstückelte Körper wurde zur Sektion 9 gebracht, um ihn zu untersuchen. Zwar
besitzt das Wesen, das nur noch einen Oberkörper ohne Extremitäten aufweist,
keine menschlichen Gehirnzellen, scheint aber über einen Geist zu verfügen.
Indessen trifft der der Direktor der Sektion 6, einer Truppe des Außenministeriums,
ein, um den Körper zu beschlagnahmen, da es sich bei diesem um den Puppet
Master handle, der im Rahmen des Geheimprojekts 2501 in einem Cyborg-Körper
gefangen genommen worden war. Der Cyborg erwacht plötzlich und leugnet die
Geschichte der Sektion 6-Agenten. Er präsentiert sich als eine aus dem Netz
geborene Bewusstseinsform und möchte darum Asyl in der Sektion 9 erhalten. Im
selben Moment wird Sektion 9 angegriffen und einem unsichtbaren Einbrecher
gelingt es, den Puppet Master zu stehlen. Der Fluchtwagen wird jedoch rechtzeitig
mit einem Peilsender belegt. Ein Agent der Sektion 9 namens Ishikawa nimmt an,
dass der Puppet Master ein Werkzeug des Außenministeriums sei, das dessen
"Drecksarbeit" erledigen soll. Dies würde bedeuten, dass die Flucht des Puppet
Masters eine Gefahr für Sektion 6 darstellt, weil somit vertrauliche Informationen an
die Öffentlichkeit gelangen könnten. Kusanagi und Batou verfolgen währenddessen
den Entführer und trennen sich dabei. Kusanagi folgt einem Fahrzeug in ein
scheinbar verlassenes Gebäude, in dem jedoch schon ein schwerbewaffneter und
getarnter Spinnenpanzer wartet, sie beinahe tötet und ihren Körper fast zur Gänze
zerstört. Batou rettet ihr jedoch in letzter Sekunde das Leben und vernichtet den
Panzer. In der nächsten Szene, die den Höhepunkt des Films darstellt, liegen die
beiden zerstückelten Körper von Kusanagi und dem Puppet Master nebeneinander
und stellen eine geistige Verbindung zueinander her. Er bestätigt, dass er das von
der Sektion 6 indizierte Projekt 2501 darstellt, die ihre kriminellen Ziele durch das
Einhacken in Ghosts verfolgen. Der Puppet Master versteht sich als eine neuartige,
bewusste Lebensform und hält sich gleichzeitig für unvollständig, da er sich nicht
reproduzieren kann. Aus diesem Grund bittet er Kusanagi, sich mit ihm geistig zu
verschmelzen, um daraus ein neues Wesen zu erschaffen und unsterblich zu
werden. Batou versucht vergebens, die Verschmelzung zu verhindern. Mehrere
Helikopter mit Schafschützen der Sektion 6 nähern sich dem Gebäude und zerstören
64
die Körper von Kusanagi und dem Puppet Master vollständig. Batou gelingt es, den
Rest von Kusanagis Hirn zu retten und in einen Cyberkörper eines jungen Mädchens
einzupflanzen. Sie erwacht in seinem Zuhause und erklärt ihm, dass sie weder
Kusanagi noch das Programm namens Puppet Master sei, sondern die Vereinigung
beider. Sie entscheidet sich zu gehen und fragt sich, was sie wohl als nächstes tun
werde, denn „das Net ist weit und unendlich“296.297
3.2.4 Die Darstellung der Maschinenmenschen im Film
Der Mensch/Maschinen-Diskurs muss im japanischen Kontext etwas differenzierter
als im westlichen betrachtet werden. Olaf Möller weist darauf hin, dass sich Japan
erst am Ende des 19. Jahrhunderts vom Agrarstaat zur Industrienation entwickelt hat
und plötzlich mit fremden Apparaten und Maschinen konfrontiert wurde. Diese galten
vorerst als Fremdkörper, die in die Erfahrungswelt der Menschen integriert werden
mussten. Nach 50 Jahren entwickelten die Japaner_innen ein unbelastetes
Verhältnis zur westlichen Technik und begannen sie als etwas Eigenes zu
behandeln.
Fixer
Bestandteil
der
japanischen
Populärkultur
sind
Maschinenmenschen seit etwa 50 Jahren. Eine Besonderheit der japanischen
Maschinenmenschen-Kultur
stellt,
laut
Möller,
ihre
Verbundenheit
mit
der
einheimischen Mythen- und Geisterwelt dar. In den westlichen Kulturkreisen haben
Maschinenmenschen eine ähnliche Funktion wie Geister in Japan: Sie fungieren als
Ausdruck und Projektionsfläche für menschliche Ängste sowie Sehnsüchte. 298
Charakteristisch für japanische Maschinenmenschen-Geschichten seien der darin
thematisierte Glaube und die positive Einstellung zur Technik. Diese stehe stets im
Dienste der Menschen.299 Florian Schumacher meint dazu, dass das Plädoyer für
einen neuen vernetzten Menschen in das gesamte Genre des Anime eingeschrieben
zu sein scheint, denn fast jede dieser Geschichten drehe sich um die Sprengung der
"alten" Körpergrenzen „und um Entwürfe grenzenloser Cyborgidentitäten in
296
Oshii, Ghost in the Shell, Time Code: 01:17:24.
Vgl. Janus, Der Individuationsprozess im japanischen Mangafilm, S. 165-167.
298
Vgl. Olaf Möller: Alb/Träume von Maschinen und Menschen. Japanische Maschinenphantasien: ein
erster Einblick. In: Künstliche Menschen. Manische Maschinen. Kontrollierte Körper. Hrsg. von Rolf
Aurich u.a. Berlin: Jovis Verlag 2000, S. 141.
299
Vgl. ebd., S. 142.
297
65
kosmischen Netzwerken“.300 Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine sind, so
Möller, längst verschwunden.301
In dieser Tradition steht auch Ghost in the Shell. Cyborgs und hochtechnologische
Apparaturen sind längst fixer Bestandteil der Gesellschaft und scheinen auf den
ersten Blick friedlich miteinander zu existieren. Kernthema des Films ist die Frage
nach menschlicher Identität und Subjektivität. Im Mittelpunkt steht die Identitätssuche
der Protagonistin Major Kusanagi, die gleich zu Beginn als Cyborg ausgewiesen
wird, sich aber rein äußerlich, wie all die anderen Cyborgs, nicht mehr vom
Menschen unterscheiden lässt. Menschen, Cyborgs und Roboter sind, Schnellbächer
zufolge, gleichermaßen komplexen Machtverhältnissen ausgesetzt. So gehört etwa
Kusanagi zum Teil dem Staat, der auch ihr Arbeitgeber ist. Dieser wiederum ist von
großen Robotik-Konzernen abhängig. Für Schnellbächer stellen diese Cyborgs eine
neue gesellschaftliche Klasse dar: Einerseits erhalten sie privilegierten Zugang zum
Datenverkehr und zu teuren Erweiterungen des Körpers, andererseits sind sie
Leibeigene des Staates – austauschbar und im Besitz der Regierung. So ergibt sich,
laut Schnellbächer, ein neues Klassensystem. Die unterste Stufe stellen Roboter mit
Elektrohirnen dar und spielen im Film keine wesentliche Rolle. Dann folgen
Menschen ohne kybernetische Erweiterungen, die leistungsmäßig nicht mit Cyborgs
mithalten können.302 Das Thema der Verschmelzung von Mensch und Maschine wird
in Ghost in the Shell weiter als beispielsweise in Blade Runner, gesponnen. Das
Informationsnetzwerk durchdringt inzwischen die gesamten menschlichen bzw.
eigentlich kybernetischen Körper. Zum einen führe, so Ornella, diese Verschmelzung
von Mensch und Maschine zu einer Erweiterung des menschlichen Wissens und der
menschlichen Kommunikation und zum anderen bringe die Vernetzung eine
Verletzlichkeit und Verunsicherung des menschlichen (kybernetischen) Subjekts mit
sich. Das im Film mögliche ghost hacking, durch das man sich in den Geist eines
Individuums einhacken kann, um dessen Gedanken und Erinnerungen zu
manipulieren, ist, so Ornella, ein Hinweis darauf, dass das Subjekt nicht mehr sich
selbst gehört und nun ein Unterworfenes ist. Es sei ständig der Gefahr ausgesetzt,
gehackt und manipuliert zu werden, nur geschützt durch eine nicht unüberwindbare
300
Vgl. Florian Schumacher: Das Ich und der andere Körper. Eine Kulturgeschichte des Monsters und
des künstlichen Menschen. Marburg: Tectum Verlag 2008, S. 180.
301
Vgl. Möller, Alb/Träume von Maschinen und Menschen, S. 142.
302
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 81.
66
Firewall.303 Des Weiteren kann, laut Ornella, die Darstellung der Cyborgs im Film als
kritische Anspielung auf den Transhumanismus gelesen werden. Für diesen ist
Technologie ein Mittel, eine sozial gerechte Gesellschaft zu schaffen. Von dieser sei
die Gesellschaft im Film jedoch weit entfernt, denn die kybernetischen Körper
gehören nicht sich selbst und „das ihnen ‚einwohnende‘ Subjekt wird zum
‚Unterworfenen‘, zum Besitz“.304 Hier zeigt sich der Film ambivalent, denn die
gefeierte Technologie wird auf der anderen Seite zum Albtraum für die Freiheit des
Menschen. Ornella schreibt in diesem Zusammenhang, dass Technologie und
Vernetzung in diesem Fall nicht befreien, sondern neue Abhängigkeiten schaffen,
welche für den einzelnen schwer zu überwinden und zu durchbrechen seien. Der
Film zeichne ein Bild vom Menschen, der sich seiner selbst und seiner
Menschlichkeit nicht mehr sicher sein könne. 305 Schnellbächer hebt hervor, dass
sämtliche Sympathieträger_innen im Film Cyborgs sind. So seien zum Beispiel die
Mitglieder der Sektion 6 keine Cyborgs und werden als verschlagen und
unzuverlässig charakterisiert.306 Auch hier erweisen sich die Maschinenmenschen als
"more human than human". An dieser Stelle soll noch einmal auf das "Cyborg
Manifesto" von Haraway verwiesen werden, in welchem sie die Maschinen als
quicklebendig und die Menschen als beängstigend träge beschreibt.307
Da die Handlung des Films sehr komplex ist, wird im Folgenden eine ausführliche
Figurenanalyse an den zwei relevantesten Cyborgs Major Kusanagi und dem Puppet
Master vorgenommen und anschließend die Mensch/Maschinen-Thematik und die
dazugehörigen Motive an einzelnen Schlüsselszenen herausgearbeitet.
303
Vgl. Alexander Darius Ornella: Das vernetzte Subjekt. Eine theologische Annäherung an das
Verständnis von Subjektivität unter den Bedingungen der Informations- und
Kommunikationstechnologien. Graz, Univ., Diss. 2007, S. 126.
304
Vgl. ebd., S. 130.
305
Vgl. ebd.
306
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 86.
307
Vgl. Haraway, Ein Manifest für Cyborgs, S. 37.
67
3.2.5 Figurenanalyse
3.2.5.1 Motoko Kusanagi – „high-tech pinup girl“ und
japanische Lara Croft-Fantasie
Es handelt sich bei Motoko Kusanagi um einen
bedeutungsvollen Namen, der zum einen auf die
japanische Mythologie und zum anderen auf ihr
Cyborgwesen
verweist.
Kusanagi
no
tsurgi,
wörtlich „Grasmäher“, ist ein Schwert, mit dem
der
Geschichte
vollbracht
Abbildung 8: Major Motoko Kusanagi
nach
diverse
wurden.
„ungesponnene
Seide“
Motoko
und
Heldentaten
bedeutet
schließt
Konnotationen wie „ursprünglich“, „grundlegend“
und „unbearbeitet“ mit ein. Nach Schnellbächer ist die zweite Bedeutung des Namens des
einen elektronischen Bauteils, wie einem Mikrochip, der auf die Beschaffenheit eines
Cyborgs verweist.308 Eingeführt wird die Protagonistin durch eine "Geburtsszene". In einem
Labor wird ein menschliches Gehirn in einem teils organischen, teils künstlichen Körper
eingefasst. Während der Herstellung schwebt Kusanagi schwerelos in einer Flüssigkeit, die
sie nach ihrer Fertigstellung verlässt. Die Szene wird zwar höchst steril und technisiert
darstellt, dennoch erinnert sie an den organischen Vorgang der Geburt und die Flüssigkeit, in
der sie schwimmt, an das Fruchtwasser einer Gebärmutter. Auch wenn Kusanagi nach ihrer
Vollendung kaum vom Menschen zu unterscheiden ist, wird in dieser Szene doch
unweigerlich auf ihre Künstlichkeit verwiesen. Sie steckt in einem unverkennbar weiblich
markierten und stark fetischisierten Körper, bei dem die großen Brüste während des
gesamten Films exponiert werden. Im Kontrast dazu zeigt sie jedoch kein stereotypes
feminines Verhalten, hat die Führungsposition einer Elite-Kampftruppe inne, hantiert mit
phallisch konnotierten Waffen und weist keinerlei sexuelles Begehren auf. Hier lassen sich
durchaus Parallelen zu Haraways Cyborg ziehen. Christopher Bolton schreibt dazu, dass
Kusanagi von verschiedenen Kritiker_innen oftmals mit Haraways Cyborg verglichen wird,
allerdings ohne das Medium des Animes mitzudenken. Die virtuelle oder künstliche Natur
von animierten "Schauspieler_innen", „[…] are always already technological bodies,
coplicates any effort by the film or the critic to draw or blur the line between natural and
artificial or human and machine“309. Kusanagi wird als selbstbewusst, stark, zielstrebig und
auch sehr melancholisch gezeichnet. Nach ihrem Tauchgang erklärt sie ihrem Kollegen
308
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 83.
Christopher Bolton: From Wooden Cyborgs to Celluloid Souls: Mechanical Bodies in Anime and
Japanese Puppet Theater. In: Positions. Bd. 10. Duke Univ. Press 2002 (= Nr. 3) S. 730.
309
68
Batou, der diese Leidenschaft nicht nachvollziehen kann, was sie während des Tauchens
empfindet: „Ich empfinde Einsamkeit, Angst, Kälte. Manchmal spüre ich da unten sogar
Hoffnung“310. Schnellbächer meint, dass sich in der Szene der Widerstand Kusanagis
gegenüber den herrschenden Verhältnissen äußert. Allerdings sei dieser Widerstand kein
aktiver, sondern ein rein innerlicher Vorgang. Somit werde der roboterhafte, mechanische
Aspekt der Protagonistin hervorgehoben. Auch sie selbst zweifelt an dem Unterschied
zwischen einem Roboter und sich, als sie den sichergestellten Cyborg-Körper sieht:
„Vielleicht hat´s mich auch nie gegeben und ich bin völlig synthetisch wie dieses Ding“311. Sie
reflektiert auch über ihre Existenz und da ihr Cyberkörper der Regierung gehört, fühlt sie sich
nicht wie ein freier Mensch, obwohl sie so behandelt wird: „Ich fühle mich eingeengt, ich
kann mich nur innerhalb gewisser Grenzen bewegen“312.
3.2.5.1.1 Der nackte Körper
Die häufige (scheinbare) Nacktheit und die überdimensionalen Körperproportionen
der Protagonistin, die üblich für Manga- und Animeheld_innen sind, bilden laut Bolton
das visuelle Zentrum des Films.313 Kusanagi ist im Film viermal nackt zu sehen,
dreimal davon in Kampfszenen. In der Comic-Vorlage ist sie nur einmal nackt,
nämlich in einer pornographischen Szene, in der sie sich mit zwei anderen weiblich
markierten Cyborgs vergnügt. Neben der Funktion der voyeuristischen Befriedigung
der Rezipient_innen dient diese Szene, nach Schnellbächer, der Demonstration der
Optionen eines virtuellen Nervensystems: Batou soll mit Kusanagi Kontakt
aufnehmen und dringt dazu in ihr System ein. Dies führt in der Szene dazu, dass er
ihre weibliche sexuelle Erregung spüren kann. 314 Die Funktion der Nacktheit ist im
Film, laut Schnellbächer, jedoch eine andere. Die Nacktheit wird im Falle der
Kampfszenen dadurch motiviert, dass Kusanagi mittels thermooptischer Tarnung
unsichtbar wird. Genaugenommen ist sie also nicht nackt, so Schnellbächer, sondern
trägt einen engen Tarnanzug, der manchmal nur durch die Naht um ihren Hals leicht
sichtbar wird. Dass Oshii die Heldin in Kampfszenen nackt zeigen will, hebe
Kusanagis Heroismus und die scheinbare Schutzlosigkeit gegenüber den Räumen
hervor, in denen sie sich bewegt. Ihre Schwäche gegenüber ihrem Gegner werde vor
310
Oshii, Ghost in the Shell, Time Code: 00:30:18.
Ebd., Time Code: 00:42:21.
312
Ebd., Time Code: 00:32:17.
313
Vgl. Bolton, From Wooden Cyborgs to Celluloid Souls, S. 735.
314
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 75.
311
69
allem in der letzten Kampfszene, in der sie gegen den Spinnenpanzer kämpft,
offenbart: Nachdem ihr die Munition ausgegangen ist, versucht sie auf den Gegner
hinaufzuklettern und die Luke des Panzers aufzustemmen. Während dieses
Versuchs reißt es ihren nackten Körper auseinander.315 Diese Szene verwandelt,
Bolton zufolge, eine wunderschöne Frau in einen Dämon. Der Autor schreibt, dass
die Frau hier an ihre körperlichen und sozialen Grenzen stößt: „[…] the
metamorphosis can be read as a terrible empowerment that crosses social and
bodily barriers, in which a woman calls on hidden spiritual powers to take a revenge
that is not possible or permitted in her feminine form. The physical transformation is
also a social one“.316
Dem Film wurde vorgeworfen, die voyeuristischen Fantasien des männlichen
Publikums zu bedienen317, was laut Bolton dazu führt die radikalen Möglichkeiten,
wie die Aufhebung der sexuellen Differenz, im Film zu untergraben.318 Tatsächlich
hat die Vermittlung des totalisierenden (männlichen) Blicks eine lange Tradition in
Science Fiction-Filmen und -Comics. Dies gilt, laut Gunzenhäuser, auch für
asiatische Animes wie beispielsweise Ghost in the Shell.319 In diesem Sinne
bezeichnet Bolton Kusanagi als „high-tech pinup girl“320, betont an anderer Stelle
aber, dass diese Darstellung in Animes und im Cyberpunk-Genre eine lange
Tradition habe und daher im Kontext seiner eigenen Ästhetik gelesen werden
müsse.321
315
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 76.
Vgl. Bolton, From Wooden Cyborgs to Celluloid Souls, S. 762
317
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 75.
318
Vgl. Bolton, From Wooden Cyborgs to Celluloid Souls, S. 737.
319
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 9.
320
Vgl. Bolton, From Wooden Cyborgs to Celluloid Souls, S. 736.
321
Vgl. ebd., S. 737.
316
70
3.2.5.1.2 Motoko Kusanagi als japanische Lara Croft-Fantasie
Unabhängig
davon,
ob
die
fetischisierende
Darstellung des Körpers für das Genre des Animes
durchaus üblich ist, kann Motoko Kusanagi in jene
Tradition der "Superfrauen" eingereiht werden, in der
sich auch Lara Croft befindet. Lara Croft ist die
Protagonistin
Abbildung 9: Lara Croft 1998
eines
der
erfolgreichsten
und
meistverkauften Computerspiele aller Zeiten. Der
erste Teil des Spiels namens Tomb Raider erschien
1996 und machte Lara Croft auch medienübergreifend weltberühmt. 322 Ebenso wie
Kusanagi verfügt sie über einen überdimensional großen Busen, versteht es, mit
allerhand Waffen zu schießen, zeigt kein stereotypes feminines Verhalten, weist
keinerlei sexuelles Begehren auf und das Wichtigste: sie ist ein Cyborg 323. Zwar wird
sie nicht direkt als Cyborg ausgewiesen, dennoch gibt es, laut Gunzenhäuser, einige
Indizien dafür. Sie braucht keine Lebensmittel, ihr Energiepegel wird ähnlich wie bei
einer Maschine ständig gemessen und nach Attacken und Verletzungen ist sie
wieder optimierbar.324 Darüber hinaus sei ihre Sonnenbrille ein Hinweis darauf, dass
sie ein Cyborg ist. Die Sonnenbrille ist, so Gunzenhäuser, ein wichtiges Requisit in
zeitgenössischen Science Fiction-Filmen.
Eine solche
Brille
stehe für die
Selbstverständlichkeit der technischen Optimierung des Körpers und sei somit ein
Zeichen für Laras gepanzerten Körper. Einerseits wirke die Sonnenbrille (wie sie
oftmals auch Kusanagi trägt) gegenüber den Zuseher_innen distanzfördernd und
solle signalisieren, dass die Figur kein Mensch, sondern ein Cyborg ist. Andererseits
wirke sie distanzüberschreitend und suggeriere, dass man auch sein könne wie ein
Cyborg, wenn man sich nur eine Sonnenbrille kaufe.325 Gunzenhäuser vergleicht
Laras hyperweibliche Figur und ihren gestählten Körper mit weiblichen ComicCyborgs und Superfrauen aus berühmten Comics und meint dazu:
Während der Körperbau der Superfrauen mit dem überdimensionierten Busen, den
übertriebenen Kurven und den überlangen Beinen Weiblichkeit signalisiert und diese
stilisierte Körperlichkeit durch die knapp sitzende, spärliche Kleidung noch unterstrichen
wird, vereinen sie offensichtlich auch alle Eigenschaften in sich, die traditionell männliche
322
Vgl. Astrid Deuber-Mankowsky: Lara Croft. Modell, Medium, Cyberheldin. Frankfurt am Main:
Suhrkamp 2001, S. 10.
323
Vgl. ebd., S. 39.
324
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 203.
325
Vgl. ebd., S. 209.
71
Abenteurer auszeichnen, einschließlich deren ambivalentem Verhältnis zur
Körperlichkeit: Menschliche und speziell weibliche Verletzlichkeit bannen sie durch
gestählte Körper und aufrechte Haltung; der Gefahr des Verlustes begegnen sie mit
eiskaltem Einzelgängertum und vertrauen allein auf sich. Aber diese Eigenschaften
machen sie nicht zu Männerfiguren.326
Sie leiht sich für Lara Yvonne Taskers Begriff „musculinity“, die über ähnliche
Actionheldinnen in Filmen schreibt: „These films reinscribe, in different ways, the
female body in terms of masculinity. It is for this reason that I want to introduce the
term ‘musculinity‘“.327 Unter „musculinity“ versteht Tasker den konzeptionellen
Bereich, in dem zeitgenössische Körperkonzepte sehr unterschiedlich und oft
gegensätzlich diskutiert werden. Nach Gunzenhäuser dient Lara Croft auch als
Projektionsfläche für „musculinity“, also eine Körperlichkeit, welche traditionell
männliche und weibliche Eigenschaften in sich vereint. Denn auf den ersten Blick
scheine Laras Körper genau das zu sein, was er zu sein vorgebe: ein weiblicher
Körper. Jedoch setze sie ihn zu Kampfzwecken ein und verhalte sich nicht stereotyp
feminin.328 Sie stehe zum einen für eine phallische, widerspenstige Frau und den
pornographischen Fetisch und fungiere zum anderen als eine Vertreterin der
ästhetischen Kategorie des Schönen, die allerdings durch die aggressive,
fetischisierte Haltung der Femme fatale angereichert sei.329 All das trifft auch auf
Major Kusanagi zu, was sie in vielen Situationen zur Realisierung von Haraways
Cyborg-Konzept werden lässt. Gunzenhäuser zufolge wird in Tomb Raider und vielen
Filmen der 90er Jahre eine Frau als Kampfmaschine inszeniert und diese fordere
dazu auf, sich mit ihrer Gewalttätigkeit und dem Einsatz phallischer Schusswaffen in
starken Frauenhänden zu identifizieren. Hier gehe es ums Überleben in feindlichen
Welten. Gunzenhäuser macht den Sprung zur Gegenwart und meint, um heute
überleben zu können, sei Flexibilität in Bezug auf gender-Zuordnungen, Aggression
und Schnelligkeit notwendig.330 Sie bezeichnet Figuren wie Lara Croft als einen
ironischen Kommentar zur Fetischisierung des weiblichen Körpers. Diese lassen eine
subversive Lesart zu.331 Deuber-Mankowsky ist hier anderer Meinung. Zwar ist eine
Heldin wie Lara das Objekt männlichen und weiblichen Begehrens gleichermaßen,
326
Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 211.
Yvonne Tasker: Spectacular Bodies: Gender, Genre and the Action Cinema. Warwick, Univ., Diss.
1995, S. 13.
328
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 211.
329
Vgl. ebd., S. 213.
330
Vgl. ebd., S. 217.
331
Vgl. ebd., S. 216.
327
72
doch zugleich sei sie „die Statthalterin der hierarchischen Geschlechterordnung mit
all jenen Geschlechterbildern im Schlepptau, die von der feministischen Theorie seit
mehr als dreißig Jahren entziffert und dekonstruiert werden“. 332 Figuren wie Lara
unterstützen die Reduktion der Frauen auf ihren (weiblichen) Körper 333 und
reproduzieren das Phänomen Frau = Körper334. Gunzenhäuser erläutert hierzu, dass
die
subjektkonstituierenden
zeitgenössischen
Texten
und
ganz
die
nah
ironischen
beieinander
Lesarten
liegen
von
und
Körpern
in
im Einzelnen
gegeneinander abzuwiegen sind. Im Zweifelsfall komme es darauf an, wer den Text
rezipiere.335 Im Falle von Ghost in the Shell sind genau diese zwei Lesarten möglich:
entweder man sieht Kusanagi als Parodie auf die (vor allem im Manga und Anime)
vorgeführte Fetischisierung des Körpers oder aber wie Deuber-Mankowsky als
Reduktion der Frau auf den Körper, was keinen subversiven Gestaltungsraum
freilasse. Die Analyse relevanter Schlüsselszenen (in Kapitel 3.2.6) soll über das
mögliche Subversionspotenzial mehr Klarheit verschaffen.
3.2.5.2 Der Puppet Master als fluide Existenzform in einer
Post-Gender-Welt
Der Puppet Master oder auch Projekt
2501
genannt,
Spionageprogramm
fungiert
und
besitzt
als
die
Fähigkeit, sich mittels „ghost hacking“ in
Gehirne
einzuhacken
und
diese
zu
manipulieren. Er bezeichnet sich selbst
nicht als künstliche Intelligenz, sondern
Abbildung 10: Der Puppet Master in einem weiblich
markierten Cyborg-Körper
stellt sich folgendermaßen vor: „Ich bin
eine lebende denkende Einheit, geschaffen im Meer von Informationen“.336 Er
verlangt im Sinne einer sensitiven Lebensform nach politischem Asyl. Dieser Antrag
wird von Seiten der Regierung jedoch vehement abgelehnt, da das Programm nur
zur Selbsterhaltung programmiert wurde und somit keinen Beweis für seine Existenz
332
Deuber-Mankowsky, Lara Croft, S. 16.
Vgl. ebd., S. 66.
334
Vgl. ebd., S. 92.
335
Vgl. Gunzenhäuser, Automaten – Roboter – Cyborgs, S. 216.
336
Oshii, Ghost in the Shell, Time Code: 00:49:39.
333
73
als selbstständige Lebensform liefern könne. Daraufhin stellt der Puppet Master in
einem Vortag die Sonderstellung der menschlichen Existenz in Frage:
Man könnte auch behaupten, DNA sei lediglich ein Programm, das zur Selbsterhaltung
entwickelt wurde. Das Leben ist durch die Informationsfülle wesentlich komplexer
geworden. Wenn das Leben als Spezies organisiert auftritt, brauch es Gene, die sein
Gedächtnissystem bilden. Der Mensch ist also lediglich wegen seines unfassbaren
Gedächtnisses ein Individuum. Es lässt sich nicht definieren, aber es definiert die
Menschheit. Das Aufkommen von Computern und die Akkumulation von ungeheuren
Informationsmengen hat ein neues Erinnerungs- und Gedächtnissystem entstehen
lassen, das parallel zu unserem existiert. Die Menschheit hat die Folgen der
Computerisierung unterschätzt. […] Können Sie mir einen Beweis ihrer Existenz liefern?
337
Weder Wissenschaft noch Philosophie können erklären, was Leben ist.
Der Puppet Master entlarvt in diesem Plädoyer, dass der Unterschied zwischen
Mensch und Maschine nicht mehr haltbar ist. Das Thema der Erinnerung, als
Vergewisserung über die eigene Existenz, wird in Ghost in the Shell weiter
gesponnen als in Blade Runner und philosophisch exemplifiziert. An dieser Stelle
wird darauf aufmerksam gemacht, dass es keine Abgrenzung mehr zu den
Maschinen gibt. Um es in Haraways Worten zu sagen: Die Grenze zwischen
Organismus und Maschine ist durchlässig geworden. In ihrem Manifest heißt es:
Die Maschinen des späten 20. Jahrhunderts haben die Differenz von natürlich und
künstlich, Körper und Geist, selbstgelenkter und außengesteuerter Entwicklung sowie
viele andere Unterscheidungen, die Organismen und Maschinen zu trennen vermochten,
höchst zweideutig werden lassen. 338
Als fluide Existenzform stellt der Puppet Master die höchste Stufe der Cyborgisierung
dar. Er benötigt keinen Körper und entzieht sich somit jeglicher Geschlechtlichkeit. In
der oben erwähnten Szene befindet er sich in einem weiblich markierten CyborgKörper und spricht mit einer männlichen Stimme. In diesem Fall scheinen Körper und
Geschlecht obsolet zu werden. Für Haraway stellt das eine Welt da, „in der niemand
mehr seine Verbundenheit und Nähe zu Tieren und Maschinen zu fürchten braucht
und niemand mehr vor dauerhaft partiellen Identitäten und widersprüchlichen
Positionen zurückschrecken muß“ 339. Die Figur erweist sich als eine radikale
Realisierung von Haraways Cyborg-Metapher, die jegliche dichotomen Strukturen
hinfällig macht, welche, nach Haraway Sprache, Gender und imaginierte Macht
hervorgebracht haben.340 Der Zweifel am Subversionspotential, wie er bei Kusanagi
337
Oshii, Ghost in the Shell, Time Code: 00:48:24.
Haraway, Ein Manifest für Cyborgs, S. 37.
339
Ebd., S. 40.
340
Vgl. ebd., S. 65.
338
74
aufkommt, erübrigt sich im Fall einer Existenz, die nicht an körperliche Konturen
gebunden ist. Bolton meint, dass sich der Film zwischen Körper-Nostalgie und
absoluter Loslösung desselben positioniert: „Oshii´s film seems to be divided
between nostalgia for a firmly physical body, on one hand, and a desire to transcend
that body and enter a world of pure data or language, on the other.“341
3.2.6 Der Tauchgang als Suche nach der eigenen Identität
Motoko Kusanagi pflegt für ein mit mechanischen und elektronischen Teilen
ausgestattetes Wesen ein sehr ungewöhnliches Hobby: das Tauchen. Das Tauchen
und das Wasser spiegeln wortwörtlich die Suche nach ihrer eigenen Identität wider.
Schumacher schreibt in diesem Zusammenhang wie folgt:
Die ursprünglich dem Weiblichen zugeschriebene Metapher des Meeres und des
Wassers, die für gewöhnlich mit einem Gleiten in die Alterität assoziiert wird und somit
eine Bedrohung männlicher Subjektivität nahe legt, erscheint in umkodierter Form als
Leitmotiv des Films und begleitet hier metaphorisch den neuen schrankenlosen
Identitätsentwurf in den Weiten der Netzwerke.342
Kusanagi erahnt also, während sie schwerelos im Wasser gleitet, das Potential
flüssiger Identitäten. Diese Szene erinnert auch an die anfangs gezeigte
"Geburtsszene", in der sie in einer Art künstlichen Gebärmutter schwebt.
Anschließend reflektiert sie in einem Gespräch mit ihrem Kollegen Batou über
Menschlichkeit, beziehungsweise darüber was den Menschen ausmacht und welche
Rolle ihr kybernetischer Körper dabei spielt, der nicht ihr selbst gehört:
Menschlicher Körper und Geist setzen sich aus unzähligen Ingredienzen zusammen. All
diese Komponenten machen mich zu einem Individuum mit einer eigenen Persönlichkeit.
[…] Ich nehme Informationen auf und verarbeite sie auf meine Weise. Aus dem
Zusammenwirken all dieser Vorgänge entsteht mein "Ich" und das Bewusstsein meiner
Persönlichkeit. Ich fühle mich eingeengt. Ich kann mich nur innerhalb gewisser Grenzen
bewegen. 343
Aufgrund dessen, dass Kusanagis Körper, an den sie gebunden zu sein scheint,
nicht ihr selbst gehört, kann sie die von Haraway angesprochenen Grenzen nicht
überwinden.
Sie
erkennt
während
des Tauchgangs zwar
die
potentiellen
Möglichkeiten ihres Cyborgwesens, kann sie aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht
ausschöpfen. Wie bereits in Kapitel 3.2.5.1.2 erwähnt, sieht Schnellbächer in dieser
341
Bolton, From Wooden Cyborgs to Celluloid Souls, S. 731.
Schumacher, Das Ich und der andere Körper, S. 182f.
343
Oshii, Ghost in the Shell, Time Code: 00:42:09.
342
75
Szene nur passiven Widerstand, der ausschließlich in ihrem Inneren stattfindet.
Gleichzeitig übt Kusanagi an anderer Stelle Kritik an Haraways Cyborg-Konzept.
Nach Haraway suchen sich Cyborgs keine eindeutigen Identitäten und haben keine
Ursprungsgeschichte. Kusanagi zweifelt daher an ihrer eigenen Existenz und fühlt
sich verunsichert:
[…] Cyborgs wie ich neigen zu einer gewissen Paranoia, was ihren Ursprung angeht.
Dann habe ich den Verdacht, ich bin nicht die, für die ich mich halte. Als wäre ich schon
vor langer Zeit gestorben und jemand hätte nur mein Gehirn in diesen Körper gesteckt.
344
Vielleicht hat´s mich auch nie gegeben und ich bin völlig synthetisch wie dieses Ding.
Am Ende des Dialogs auf dem Boot fragt Batou Kusanagi was sie da unten auf dem
Meeresgrund zu sehen glaubt. Darauf antwortet sie mit fremder Stimme: „Was wir
jetzt sehen, ist nur ein undeutliches Bild im Spiegel. Doch werden wir sehen, von
Angesicht zu Angesicht.“345 Schnellbächer zufolge handelt es sich hier um ein
Bibelzitat, genauer um den ersten Teil eines Verses des Hohelieds der Liebe. 346
Christliche Symbolik wird im Film mehrmals aufgegriffen, vor allem in der
Verschmelzungsszene tritt diese verstärkt in Erscheinung.
Wie bereits diverse Cyborgs in Blade Runner, erkennt Kusanagi, wenn auch
deutlicher,
das
subversive
Potential,
das
ihr
inne
wohnt.
Während
die
Maschinenmenschen in Blade Runner vergeblich versuchen, ihren vermeintlichen
Möglichkeiten als Cyborgs nachzugehen, gelingt es Kusanagi im Folgenden
tatsächlich, ihre Grenzen zu sprengen und sich somit aus sämtlichen Dichotomien zu
befreien.
344
Oshii, Ghost in the Shell, Time Code: 00:31:42.
Ebd., Time Code: 00:32:28.
346
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 86.
345
76
3.2.7 Die Verschmelzung von Puppet Master und Kusanagi
als von der organischen Reproduktion entkoppelten Akt
Nachdem
Kusanagis
Körper
vom
Spinnenpanzer fast zur Gänze auseinander
gerissen wurde und Batou sie im letzten
Moment retten konnte, möchte sie in den
Ghost von Projekt 2501 eindringen, der in
Abbildung 11: Die Vereinigung
einem weiblich markierten Cyborg-Körper
steckt
und
sich
in
dem
geflüchteten
Fahrzeug befindet. Batou ist Kusanagi behilflich und verbindet die beiden
nebeneinanderliegenden weiblichen Torsi miteinander. Diese liegen in einem
kathedralenartigen Gebäude, welches, Schumacher zufolge, das Zentrum eines
spirituellen Geburtsortes des "neuen" Menschen bildet und in dem ein großer
biologischer Stammbaum an Stelle eines, in der christlichen Kirche sonst
anzutreffendes Kruzifix oder Madonnengemälde zu finden ist. 347 Schumacher sieht in
dem von Maschinengewehren zerschossenen Stammbaum einen blasphemischen
Akt, welcher „gegen den ‚Wahrheitsdiskurs‘ der Biologie interpretiert werden kann“348.
Kusanagi und Puppet Master dringen beide ineinander ein, was unmissverständlich
sexuell konnotiert ist, und tauschen gemäß flüssiger Identitäten die Körper.
Schnellbächer stellt fest, dass es sich hier um eine erotische Liebesszene handelt,
welche sich gleichermaßen auf einer spirituellen, sinnlichen und einer reproduktiven
Ebene abspiele.349 Im Folgenden spielt sich ein Dialog zwischen den beiden ab, in
dem der Puppet Master äußert, sich als intelligente Lebensform zu verstehen,
Gefühle zu haben und seine eigene Existenz zu erkennen. Dennoch fühlt er sich
unvollkommen. Gemäß lebenden Organismen möchte er sich reproduzieren können
und Sterblichkeit erlangen. Den Vorschlag von Kusanagi, sich einfach zu kopieren,
weist er vehement zurück, weil eine Kopie nur ein identisches Abbild sei und nicht die
Möglichkeit von Vielfalt und Originalität biete. Er hat deshalb folgendes Anliegen:
Ich will, dass wir miteinander verschmelzen. […] Eine Vereinigung, eine vollständige
Verbindung unserer beiden Wesen, um neue einzigartige Einheiten zu erschaffen. […]
347
Vgl. Schumacher, Das Ich und der andere Körper, S. 185.
Ebd., S. 185.
349
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 76.
348
77
Bisher waren wir unseren Beschränkungen unterworfen. Nun ist die Zeit angebrochen,
diese Fesseln abzuwerfen und zu einer höheren Stufe des Bewusstseins aufzusteigen.
350
Es ist an der Zeit, Teil des Ganzen zu werden.
Kusanagi zeigt sich jedoch skeptisch und fragt, warum er gerade sie ausgewählt
habe. Darauf antwortet das Programm: „Weil wir einander ähnlicher sind, als Ihnen
bewusst ist. Wir gleichen uns in unserer Essenz, unsere Psychen stehen zueinander
wie Spiegelbilder“.351 An dieser Stelle wird, so Schnellbächer, das Bild der
Spiegelmetapher aus dem Korintherbrief aufgegriffen.352 Ornella zufolge werden in
Animes des Öfteren religiöse Symbole aus diversen Religionen verwendet. Dies
könne in einer vernetzten Welt als Folge der Globalisierung gesehen werden. 353
Kusanagi scheint schließlich einzuwilligen, auch wenn sie dabei äußerst passiv bleibt
und nicht klar ist, ob sie die Vereinigung wirklich möchte. Ornella betont, dass
Kusanagi durchaus stereotype Rollenzuordnungen durchbricht, andererseits falle sie
jedoch wieder in diese zurück, indem sie von der männlichen Stimme auf ihre
weibliche Rolle hingewiesen werde. 354 Der Autor meint an anderer Stelle aber, dass
die Verschmelzung vielleicht nicht ganz freiwillig geschieht, es jedoch Kusanagis
eigener Wille ist, ihre explizit gesetzten Grenzen zu überwinden. 355 Mit dieser
Verschmelzung findet ein von der biologischen Reproduktion entkoppelter Akt statt,
den Haraway als „Cyborg-Sex“ bezeichnet356. Kusanagi ist es nun möglich, die von
Haraway beschriebenen Grenzen zu sprengen. Diese Szene kann als Umsetzung
von Haraways Cyborg-Konzept verstanden werden. In ihrem Manifest heißt es: „Mein
Cyborgmythos
handelt
also
von
überschrittenen
Grenzen,
machtvollen
Verschmelzungen und gefährlichen Möglichkeiten […]“.357
3.2.8 Ein neuartiges unabhängiges Subjekt und der Cyborg
in uns
Beide Körper werden von Scharfschützen vollkommen zerstört. Batou gelingt es,
Kusanagis zentrales Nervensystem in Sicherheit zu bringen und es in einen neuen
350
Oshii, Ghost in the Shell, Time Code: 01:10:34.
Ebd., Time Code: 01:12:24.
352
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 87.
353
Vgl. Ornella, Das vernetzte Subjekt, S. 151.
354
Vgl. Ornella, Das vernetzte Subjekt, S. 129.
355
Vgl. ebd., S. 156.
356
Vgl. Haraway, Ein Manifest für Cyborgs, S. 34.
357
Ebd., S. 39.
351
78
prothetischen Körper zu integrieren. Das Produkt davon ist ein junges Mädchen,
deren Körper Batou, nach eigener Angabe, auf dem Schwarzmarkt erworben hat. Mit
dieser Aussage weist Batou, Schumacher zufolge, auf die Irrelevanz und
Austauschbarkeit des Körpers hin.358 Kusanagi fragt Batou, ob er sich daran erinnern
könne, was sie zu ihm auf dem Boot mit fremder Stimme gesagt habe. Sie meint,
dass sie es nun verstehe und auch die Worte kenne, die ihr noch fehlten. Wie oben
bereits erwähnt, handelte es sich bei dem Vers um einen Teil des Hohelieds der
Liebe, welches laut Schumacher etwas verändert von Kusanagi fortgesetzt wird: 359
Als ich ein Kind war, waren meine Worte, Gedanken und Gefühle die eines Kindes. Jetzt
bin ich erwachsen und kindliche Weisen sind mir fern. Heute kann ich die Worte ohne
Hilfe mit meiner eigenen Stimme aussprechen. Denn heute bin ich weder Frau, die als
360
Major bekannt war, noch das Programm, das einmal Puppet Master hieß.
Das Produkt dieser Fusion ist auf den ersten Blick ein neues unabhängiges Subjekt,
welches jene Schranken durchbrochen hat, die es zu überwinden galt. Schnellbächer
schreibt, dass es sich hier um eine neuartige Lebensform handelt, welchem sein
Eigenleben zu gönnen und welches zu respektieren sei.361 Auch Bolton beschreibt
Kusanagi als emanzipiertes Lebewesen: […] „this final scene also represents her as
an independent subject. She is independent in the sense both of being self-sufficient
and of being free. She is whole, but she retains an openness that allows her to define
herself. Not closed, she is nevertheless complete.“362 Endlich scheint ihr gelungen zu
sein, was Haraways Cyborg ausmacht. Im Sinne Haraways kann sie als „eine Art
zerlegtes und neu zusammengesetztes, postmodernes kollektives und individuelles
Selbst“363 betrachtet werden. Jedoch bleibt hier die Frage offen, warum diese
neuartige Lebensform gerade an jene Körperlichkeit gebunden bleibt, die sie zuvor
so massiv eingeschränkt hat. Schumacher zufolge liegt der Utopie des Films
absolute Körperlosigkeit zugrunde. Der Filmtitel verweise auf eine grundlegende
Beschränkung, welche im Laufe der Handlung zu überwinden sei. Demnach muss,
so der Autor weiter, der "Ghost" die "Shell" verlassen, die den Menschen
zerbrechlich macht und ihn von der Unsterblichkeit trennt. Das Paradoxe daran sei,
358
Vgl. Schumacher, Das Ich und der andere Körper, S. 186f.
Vgl. ebd., S. 186.
360
Oshii, Ghost in the Shell, Time Code: 01:16:40.
361
Vgl. Schnellbächer, Mensch und Gesellschaft, S. 87.
362
Bolton, From Wooden Cyborgs to Celluloid Souls, S. 765.
363
Haraway, Ein Manifest für Cyborgs, S. 51.
359
79
dass wir am Ende des Films wieder einen Körper sehen. 364 Auch Ornella schreibt,
dass es sich hier um ein Dilemma handelt, denn einerseits wird das Körperliche
radikal in Frage gestellt und andererseits ist das Produkt der Verschmelzung erst
wieder an das Materielle gebunden.365 Wie in Kapitel 2.4.1 bereits erwähnt, schafft es
Science
Fiction,
Dinge
darzustellen,
die
es
eigentlich
(noch)
nicht
gibt,
beziehungsweise, die nicht darstellbar sind. Am Ende von Ghost in the Shell tritt die
Cyborg aus dem Haus und sagt: „Und wohin geht die neugeborene Frau als
Nächstes? Das Net ist weit und unendlich.“ 366 Wie Schumacher richtig feststellt,
richtet sich die Kamera auf kein virtuelles Netzwerk, sondern auf die Skyline einer
"wirklichen" Welt.367 Dies könnte auf die begrenzten Möglichkeiten hinweisen, denen
wir aktuell (noch) unterliegen. Die Sprengung der Grenzen und die vollkommene
Loslösung vom Körper ist im Moment noch reine Utopie. Doch was Oshii zeigt, ist
dass Körperlichkeit beliebig sein kann und um es mit Haraway Worten zu sagen: […]
den Status von Mann oder Frau, Mensch, Artefakt, Rassenzugehörigkeit,
individueller Identität oder Körper sehr fragwürdig erscheinen lassen.“ 368 Kusanagi
konnte sich zwar nicht von der Körperlichkeit an sich befreien, dennoch gelingt es ihr
als neuartiges und unabhängiges Subjekt, welches von niemandem beherrscht wird,
hervorzugehen. Des Weiteren steckt sie nun in einem voll angekleideten Körper
eines Kindes, was es ihr ermöglicht, sich dem voyeuristischen männlichen Blick, der
zuvor auf ihren fetischisierenden Körper gerichtet war, vollkommen zu entziehen.
Bolton stellt außerdem fest, dass der Film die Zuseher_innen auch selbst zu Cyborgs
werden lässt: „Every moment that we watch the artificial bodies of Oshii´s celluloid
cyborgs, the technologies of reproduction implicate us in the loop or the network of
high-tech representation that is turning us into cyborgs ourselves.“ 369 Wenn wir also
davon ausgehen, dass nicht nur die Figuren zu Cyborgs werden, sondern auch die
Zuseher_innen zu Cyborgs mutieren, ist Cyborg-Metapher, wie bereits in Kapitel
2.2.1 besprochen, doppelt zu lesen. Demnach sind die Zuschauer_innen in ihrem
Körper
nicht
mehr
ganz
zuhause
und
das
den
Medien
zugesprochene
subjektkonstituierende und gleichzeitig subversive Potential kann sich zur Gänze
entfalten. Der Film erinnert uns daran, dass wir, ganz im Sinne Haraways schon alle
364
Vgl. Schumacher, Das Ich und der andere Körper, S. 187.
Vgl. Ornella, Das vernetzte Subjekt, S. 156.
366
Oshii, Ghost in the Shell, Time Code: 01:17:20.
367
Vgl. Schumacher, Das Ich und der andere Körper, S. 187.
368
Haraway, Ein Manifest für Cyborgs, S. 68.
369
Bolton, From Wooden Cyborgs to Celluloid Souls, S. 767.
365
80
längst Cyborgs sind, denn wir haben „uns alle in Chimären, theoretisierte und
fabrizierte Hybride aus Maschine und Organismus verwandelt“ 370.
3.2.9 Donna Haraway in Ghost in the Shell 2
Dass sich Haraways Cyborg-Konzept in Ghost in the Shell finden lässt, scheint kein
Zufall zu sein. Ein Indiz dafür, dass Haraway Cyborg-Mythos für Oshii tatsächlich
eine tragende Rolle spielt, ist ihr Aufritt in Ghost in the Shell 2371 in einer Szene zu
Beginn des Films. Der zweite Teil knüpft direkt an den ersten an und rollt den
gesamten
Mensch-Maschinen-Diskurs
philosophisch
auf.
Sie
wird
als
Wissenschaftlerin ausgewiesen und untersucht in einem Labor beschädigte CyborgKörper. Mit zwei Agenten von Sektion 9 diskutiert sie über den Unterschied von
Mensch und Maschine und die ethischen Probleme, die sich aus den brüchig
gewordenen Grenzen ergeben. Dass am Ende der Szene ihre mechanischen
Körperteile zum Vorschein kommen und sie somit als Cyborg ausgewiesen wird, mag
in diesem Kontext wenig überraschen.
370
371
Haraway, Ein Manifest für Cyborgs, S. 34.
Mamoru Oshii: Ghost in the Shell 2 - Innocence. Japan: 2004.
81
4 Zusammenfassung
Ich bin ein Neutrum mit Bedeutung
Monstrosität mit Recht
Ich beginne mit meiner Häutung
In ein anderes Geschlecht
(Tocotronic, Neutrum)
Die vorliegende Abschlussarbeit untersuchte Maschinenmenschen in den Filmen
Blade Runner und Ghost in the Shell im gendertheoretischen Kontext. Dabei stand
die Frage nach dem subversiven Potential, welches Cyborgs, Donna Haraway
zufolge, in sich tragen, im Vordergrund. Der Fokus der Analyse lag darauf zu
ermitteln ob der widerständige Körper eine tragende Rolle spielt oder nur
unterschwellig zum Einsatz kommt und von heterosexuellen Begehrens- und
Machtstrukturen überschattet wird. Hier galt es mögliche subversive Potentiale
herauszuarbeiten oder heteronormative Machtstrukturen als solche zu entlarven. Als
Ausgangspunkt
der
Überlegungen
dienten
theoretische
Körper-
und
Medienkonzepte. Als Grundlage für den darauffolgenden Analyseteil fungierte
Haraways "Cyborg Manifesto", auf das im Laufe der Arbeit immer wieder
zurückgegriffen wurde.
Blade Runner repräsentiert den "klassischen" Science Fiction-Film und hat
inzwischen Kultstatus erlangt. Kernthema des Films ist das Brüchigwerden der
Grenzen zwischen Menschen und Maschinen. Die Menschen im Film deuten dies als
potentielle Bedrohung, die mit der Angst eines Kontrollverlustes verbunden ist. Zum
einen geht es um die Furcht, die Kontrolle über die von den Menschen erschaffenen
Maschinen zu verlieren und zum anderen geht es um den Verlust der Kontrolle über
den eigenen Körper, dessen Konturen die Identität des Menschen darstellen. Die
Autonomisierung der Maschinenmenschen wird als Albtraum für die Menschheit
skizziert und knüpft somit motivgeschichtlich an diverse Traditionen von künstlichen
Menschen an, welche bis in die Antike zurückreichen. Die Analyse hat ergeben, dass
die Grenzen zwischen Mensch und Maschine weitgehend porös werden.
Maschinenmenschen sind nicht mehr von "natürlichen" Menschen zu unterscheiden,
was im Film deshalb viele ethische Fragen aufwirft. Der Körper an sich wird als
gesellschaftliche Konstruktion entlarvt und entpuppt sich somit, im Sinne Butlers, als
82
ein Effekt hegemonialer Strukturen. Allerdings tut der Film alles dafür, das
heterosexuelle Geschlechterverhältnis aufrechtzuerhalten. Die Cyborgs bleiben in
Blade Runner an menschliche Konturen gebunden und sind deutlich durch ein
Geschlecht markiert. Die optische Darstellung der "künstlichen" Körper basiert auf
der Vorstellung von weiblichen und männlichen Idealbildern. Interessant ist, dass alle
weiblichen Charaktere als Replikantinnen und somit als "künstlich" ausgewiesen
werden. Maschinenstatus und Weiblichkeit fallen hier als das "Andere" und das
"Fremde" zusammen. Die Untersuchung ergab, dass alle drei weiblichen Cyborgs ein
stereotypes Rollenbild vertreten, welches sie zwar immer wieder zu durchbrechen
versuchen, was ihnen aber nicht gelingt. Rachael weist, wie auch Pris und Zhora,
Eigenschaften der Femme fatale auf, deren ambivalente Wesenszüge an Cyborgs
erinnern lassen. Ihr wird jedoch kein subversiver Spielraum zugesprochen, da die
Femme fatale nicht nur dem Mann Verderben bringt, sondern auch sich selbst. Ganz
in der Tradition dieses Weiblichkeitstypus sind die Handlungsspielräume von
Rachael, Pris und Zhora vorgegeben und fremdbestimmt. Rachael weist zu Beginn
des Films durchaus Widerstandspotential auf, welches sie jedoch im Laufe der
Handlung immer mehr verliert. Ihr Körper wird von einem widerständigen zu einem
disziplinierten. Auch Zhora wird durch ihre Sinnlichkeit und erotischen Reize
vorübergehend Handlungsmacht gewährt, welche ihr durch ihre Tötung genommen
wird. Pris gibt sich zu Beginn ebenso widerständig, ihr Aufbegehren muss sie jedoch
ebenfalls mit dem Tod bezahlen. Alle drei Figuren versuchen sich den subversiven
Spielraum zu nehmen, der ihnen als Cyborgs zusteht. Sie scheitern bei dieser
Unternehmung
allerdings
kläglich
und
müssen
sich
den
vorherrschenden,
heterosexuellen Machtstrukturen vollkommen unterwerfen. Interessant ist die
Tatsache, dass es im Film, anders als bei den weiblichen Figuren, nicht nur männlich
markierte Replikanten, sondern auch männlich markierte Menschen gibt. Dies hebt
die Gleichsetzung von Mann/Mensch und Frau/Maschine als "natürliche Tatsache"
nochmals hervor. Roy Batty wird stark idealisiert darstellt, steckt in einem
muskulösen männlichen Körper und hat ein markantes Gesicht. Diese idealisierte
Darstellung und seine Taten machen ihn im Laufe des Films nicht nur menschlicher
als den Menschen, sondern auch männlicher als den Mann. Der Blade Runner Rick
Deckard verfügt als vermeintlicher Mensch Macht über den Raum, diverse
Technologien und die Maschinenmenschen. Macht und Sehen sind im Film ein
Privileg des Mannes und erfüllen hauptsächlich voyeuristische Funktionen. Der
83
Phallus bleibt in der Hand des Mannes. Die Figuren sind alle bemüht aus den
vorherrschenden Verhältnissen auszubrechen, werden aber immer wieder auf ihren
Platz innerhalb der heterosexuellen Matrix zurückverwiesen. Das den Cyborgs
zugesprochene subversive Potential wird im Film zwar an vielen Stellen angedeutet,
jedoch nicht umgesetzt und ausgeschöpft.
Der Science Fiction-Anime Ghost in the Shell wird Haraways Cyborg-Konzept
weitaus gerechter als Blade Runner. Im Mittelpunkt des Films steht die Suche der
Protagonistin Motoko Kusanagi nach ihrer (Cyborg-)Identität. Es geht um die
Sprengung alter Grenzen und um neue Identitätsentwürfe. Cyborgs sind fixe Glieder
der Gesellschaft und werden nicht mehr, wie in Blade Runner, als Bedrohung
wahrgenommen. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine sind längst
durchbrochen und müssen nicht mehr diskutiert werden. Jedoch sind die Körper der
Cyborgs und deren Cyberbrains im Besitz der Regierung und werden vom Menschen
als Waffe eingesetzt. Sie sind Subjekte, die nicht sich selbst gehören. Das
Informationsnetzwerk durchdringt inzwischen Körper und Geist, sowohl den rein
menschlichen als auch den kybernetischen Körper. Der Film zeigt sich diesbezüglich
aber ambivalent, wenn etwa die gefeierte Technologie zum Albtraum für die Freiheit
des Menschen wird. Die digitale Vernetzung kann nicht nur befreien, sondern auch
neue Abhängigkeiten schaffen, welche für das Individuum schwer zu durchbrechen
sind. Auch in Ghost in the Shell basiert die Darstellung der "künstlichen" Körper auf
der Vorstellung von männlichen und weiblichen Idealbildern. Gemäß dem Genre
zeigt sich Kusanagi in einem stark weiblich betonten und vor allem fetischisierenden
Körper, bei dem die großen Brüste während des gesamten Films exponiert werden.
Im Gegensatz dazu weist sie jedoch kein stereotypes weibliches Verhalten auf. Ihr
Körper repräsentiert eine materiell gewordene Männerfantasie, wie sie auch bei Lara
Croft zu finden ist. Figuren wie Croft werden vorgeworfen, die Frau vollkommen auf
ihren Körper zu reduzieren. Demnach ist hier kein Raum für Widerstandspotentiale
offen. Kusanagi gelingt es jedoch, die ihr gesetzten Grenzen zu sprengen.
Gemeinsam mit dem Puppet Master geht sie eine Fusion ein, die aufzeigt, dass
sexuelle Fortpflanzung nur noch eine Reproduktionsstrategie unter vielen ist. Der
Puppet Master stellt als fluide Existenzform, welche an keinen Körper gebunden ist,
die höchste Form der Cyborgisierung dar und lässt somit Geschlecht und Körper
obsolet werden. Die Figur kann als eine radikale Realisierung von Haraways Cyborg84
Metapher gelesen werden, die sämtliche Dichotomien hinfällig macht, die nach
Haraway beispielsweise Gender, Sprache und Macht hervorbringen. Als fluide
Existenzform in einer Post-Gender-Welt könnte der Puppet Master widerständiger
nicht sein. Dennoch sehnt er sich nach Sterblichkeit und Ursprung. Er möchte sich
reproduzieren, anstatt nur zu kopieren und fühlt sich unvollständig. Dies zeigt das
Dilemma, in dem sich Cyborgs befinden, auf. Sie sind Grenzwesen ohne Ursprung
und Heimat. Das Produkt der Verschmelzung von Kusanagi und dem Puppet Master
ist ein junges Mädchen, was die Frage offen lässt, warum es gerade an jene
Körperlichkeit gebunden ist, die es zuvor so enorm eingeschränkt hat. Die
Schlussszene, in der man die Skyline einer großen Stadt anstelle eines von
Kusanagi angedeuteten virtuellen Netzwerks sieht, lässt sich als ein Hinweis darauf
verstehen, dass körperlose Identitäten und die Sprengung aller Grenzen im Moment
noch reine Utopie sind. Dennoch weist Oshii auf die Irrelevanz des Körpers hin, was
Kategorien wie beispielsweise Rassenzugehörigkeit, Geschlecht oder gar Mensch
höchst fragwürdig erscheinen lassen. Es ist Kusanagi zwar nicht möglich sich von
ihrer Körperlichkeit zu befreien, trotzdem geht sie als neuartiges, unabhängiges
Subjekt aus der Verschmelzung hervor, das nur sich selbst gehört. Darüber hinaus
gelingt es ihr sich dem voyeuristischen männlichen Blick zu entziehen, indem sie sich
nun in einem vollständig angekleideten Körper eines Kindes befindet. Allein schon
die Ambivalenz von Geschlechtlichkeit und Körperlichkeit birgt subversives Potential
in sich. Mit dieser Darstellung einer Cyborg können patriarchale Bilder, welche an
zahllosen Dualismen orientiert sind, unterlaufen werden. Mit der Verschmelzung als
von der Reproduktion entkoppelten Akt kann sie auch die letzten Grenzen, die ihr
den Weg zu Haraways Cyborg versperrten, sprengen. Im Übrigen machen nicht nur
die Figuren eine Cyborgisierung durch, sondern auch die Zuseher_innen mutieren,
laut Bolton, zu Cyborgs.372 Wie in Kapitel 2.2.1 diskutiert, ist die Cyborg-Metapher
also doppelt zu lesen: Das Zuseher_innnensubjekt ist in seinem Körper nicht mehr
ganz daheim, was es dem subjektkonstituierenden und zugleich subversiven
Potential möglich macht, sich zur Gänze zu entfalten. Die widerständigen CyborgFiguren zeigen auf, wie unsicher Körperkonzepte sind und dass sich diese verändern
können. Sie bieten ein Drittes in einer Welt, in der es nur zwei Geschlechter zu
geben scheint und stiften dadurch Verwirrung. Abschließend soll noch einmal betont
372
Vgl. Bolton, From Wooden Cyborgs to Celluloid Souls, S. 767.
85
werden, dass Ghost in the Shell uns daran erinnert, dass wir schon alle schon längst
Cyborgs
sind,
hybride
Wesen
zwischen
technologischer Realität.
86
medial
vermittelter
Fiktion
und
5 Quellenverzeichnisse
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5.2 Filmverzeichnis
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Oshii, Mamoru: Ghost in the Shell. Japan: 1995.
Oshii, Mamoru: Ghost in the Shell 2 – Innocence. Japan: 2004.
5.3 Abbildungsnachweise
Abb. 1: Los Angeles: http://www.filmstarts.de/kritiken/35801-BladeRunner/bilder/?cmediafile=18902235 [06.05.2013].
Abb. 2: Rachael: http://www.filmstarts.de/kritiken/35801-BladeRunner/bilder/?cmediafile=18902075 [06.05.2013].
Abb. 3: Zhora: http://www.filmstarts.de/kritiken/35801-BladeRunner/bilder/?cmediafile=18902077 [06.05.2013].
Abb. 4: Pris: http://www.filmstarts.de/kritiken/35801-BladeRunner/bilder/?cmediafile=18902074 [06.05.2013].
Abb. 5: Roy Batty: http://www.filmstarts.de/kritiken/35801-BladeRunner/bilder/?cmediafile=18902209 [06.05.2013].
Abb. 6: Rick Deckard: http://www.filmstarts.de/kritiken/35801-BladeRunner/bilder/?cmediafile=18902210 [06.05.2013].
Abb. 7: Die fiktive Stadt: http://www.filmstarts.de/kritiken/37331-Ghost-In-TheShell/bilder/?cmediafile=19021884 [13.05.2013].
Abb. 8: Major Motoko Kusanagi: http://www.filmstarts.de/kritiken/37331-Ghost-InThe-Shell/bilder/?cmediafile=19021886 [20.05.2013].
Abb. 9: Lara Croft 1998: http://raidersblog.wordpress.com/tomb-raider-3-3-gold/
[21.05.2013].
Abb. 10: Der Puppet Master in einem weiblich markierten Cyborg-Körper:
http://surrogate-self.com/post/1207826378/the-ultimate-cyberpunk [22.05.2013].
Abb. 11: Die Vereinigung: http://projekt-2501.blogspot.co.at/2008/03/ghost-in-shelldie-rechtferigung-der-ki.html [02.06.2013].
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