Lesen Sie hier mehr - Maurice de Mauriac

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UHREN ZÜRCHER UHRENMACHER
92 BILANZ 05 | 2016
Made in
Zürich
Schöne Uhren werden in Genf gemacht, im Vallée de Joux, im
Jura, in der Region Biel und in Scha!ausen. Stimmt. Doch was
nur Eingeweihte wissen: Auch in der Stadt Zürich produzieren ein
paar passionierte Freunde feiner Mechanik oder ausgeklügelter
Elektronik eigene Zeitmesser. Es sind kleine Serien für grosse Fans.
von TINA STUR ZENEGGER, Fotos, und IRIS KUHN-SPOGAT, Text
Paul Gerber – wer ihn kennt, verneigt sich vor ihm. Er gilt als einer der besten, begabtesten und bewundernswertesten unabhängigen Schweizer Uhrenmacher. Superlative wie diese freuen den 66-Jährigen zwar, doch er braucht sie nicht. Nicht Lobeshymnen,
Ruhm, Ehre oder Geld sind sein Antrieb, sondern Uhrwerke zu bauen und uhrmacherische Raffinessen zu konstruieren, von denen
andere höchstens träumen. Seine Ideenschmiede und Werkstatt, die er im Untergeschoss seines Wohnhauses in Albisrieden eingerichtet hat und in der er seit seine r Pensionierung allein arbeitet, steht auf drei Säulen: Einzelanfertigungen, Entwicklung von Komplikationen für Brands wie Fortis, Sarcar, Fabergé und Glashütte sowie seine Paul-Gerber-Kollektion. Sie umfasst Armbanduhren, die
er abgesehen von Gehäuse und Zifferblatt von Grund auf selber konstruiert und baut. Äusserlich unauffällig, im Innern state of the
art, verkörpern sie nicht nur Gerbers Verhältnis zu Uhren («Das sind technische Herausforderungen»), sondern auch ihn als Persönlichkeit: minimal scheinen, maximal sein.
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Andreas Mossner (o.), einst Grafiker und Werber, wurde zum Uhrendesigner, weil er eine Gestaltungsidee hatte, die ihm so neu und
out of the box erschien, dass er sie nicht «wie viele andere Einfälle» (Mossner) in die Schublade legte, sondern zu seinem Wegweiser
Richtung Zukunft erklärte. Sechs Jahre lang forschte er nach Wegen zum Ziel und brachte schliesslich eine Armbanduhr heraus, die
Zeit nicht mit Zeigern, sondern als Fläche anzeigt. Sie ist aus rostfreiem Stahl, wasserdicht und wird von einer Firma in Biel hergestellt. Sie heisst Partime und ist ab 500 Franken im Verkauf – auch in den Onboard-Shops der Airline Swiss. Mossner-Zeit ist Grossomodo-Zeit. Wem das zu wenig genau ist, der kann per Knopfdruck eine Digitalanzeige aktivieren. 2014, nach weiteren zwei Monaten
des Tüftelns, hat Mossner eine weitere Spielerei von Zeit als Bild lanciert: Swiss Partime. Auf rotem Grund wächst im Lauf einer
Stunde ein weisses Kreuz, ein Punkt am Rand des Runds zeigt an, welche Stunde gerade schlägt. Sie kostet 890 Franken.
Daniel Dreifuss, Gründer und Inhaber der Zürcher Uhrenmarke Maurice de Mauriac, sprudelt vor Ideen, Erinnerungen, Erlebnissen. Und sein Ateliergeschäft an der Tödistrasse 48 ist sein Ebenbild. Hier empfängt er alle wie Freunde, braut Espresso, fragt,
erzählt. Hier sammelt Dreifuss, was ihn «stimuliert» und schliesslich von seinen Uhrmachern in Gestalt von Chronographen und
Automatikuhren umgesetzt wird: Geschichten, Begegnungen, Dinky-Toys-Spielzeugautos, Bücher, Fotografien, Töffhelme und Trouvaillen von Flohmärkten. Hier verkauft er natürlich auch seine Uhren für 1450 bis 5500 Franken. Und Uhrenbänder: karierte, unifarbene, bunte, edle, schrille, textile und ledrige, die er mit grosser Liebe zum Detail selbst entwickelt und produziert. Dreifuss, bis zum
grossen Crash 1987 Börsenmakler in New York, stieg vor 29 Jahren als No-Name mit billigen Werbeuhren in die Branche ein.
Heute ist er mit Maurice de Mauriac jedem in der Szene ein Begriff. Sich selbst bezeichnet er gern als «Farbdenker, Konzepter und
Menschensammler» und seine Uhren als dafür geradezu perfekt.
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Walter Weinbeck (o.) ist ein Goldschmied alter Zürcher Schule. Er liebt sein Kunsthandwerk und pflegt es in seinem Atelier am
Grossmünsterplatz mit Herz, Seele und grossmeisterlichem Können. Das Resultat: Jedes seiner Schmuckstücke ist ein Unikat – und
doch unverkennbar von ihm. Der Wunsch einer Kundin nach einer Uhr, die zu Weinbecks Geschmeiden passt, hat ihn drei Jahre auf
Trab gehalten. «Das war absolutes Neuland für mich», sagt er. Seit letztem Frühling steht sein Erstlingswerk im Verkauf, die Weinbeck No. 1. Sie kostet so viel wie ein Mittelklassewagen – nicht wegen ihrer inneren Werte (das Uhrwerk ist ein automatisches ETAWerk), sondern wegen ihres Äusseren: Das Gehäuse ist aus massivem Weiss-, Gelb- oder Roségold gefertigt, zwölf Vertiefungen bilden
die Stundenindizes. In jeder von ihnen hat Weinbeck einen Brillanten mit einem selbst ersonnenen Mechanismus so verankert, dass
das Juwel bei jeder Bewegung im Licht tanzt. Die Auflage ist auf zwölf Uhren je Edelmetall limitiert. Nun launcht Weinbeck eine
Nummer zwei. Sie heisst Grace. Schlicht im Design ist auch sie, aber feiner, weicher und weniger opulent als das Modell No. 1. Sie
wird 23 000 Franken kosten und an der diesjährigen Baselworld Premiere feiern, an der Weinbeck zum ersten Mal teilnimmt.
Patrick Hohmann – wer im Internet oder in Hohmanns winzigem Atelier am Limmatquai eine Werenbach-Uhr für 6300 bis 8400
Franken kauft, bekommt dazu einen 300 Seiten starken Roman geschenkt. Uhr wie Buch sind Hohmanns Werk und gehören zusammen. Der Roman handelt vom grossen Glück und von den vielen Abenteuern eines Mannes, der seinen Traum wahr macht: eine Uhr
aus dem Material einer echten Weltraumrakete herzustellen. Die Idee kam ihm, als er entlang des Werenbachs am Joggen war.
Fündig wurde er im hintersten Winkel Kasachstans, dort, wo die Triebwerke, welche die Raketen ins All befördern, auf die Erde
zurückfallen. Zusammen mit Spezialisten entwickelte Hohmann Verfahren, um aus Aluminium der Aussenhaut und Stahl der
Dampfturbine Gehäuse für Uhren herzustellen, und fand einen selbständigen Uhrmacher, der das Innenleben mit einem ETA-Werk
ausgestaltete. Im September 2013 begann die erste Werenbach zu ticken – eine entscheidende Etappe auf dem Weg des einstigen
Markenspezialisten mit Topjob in einem Grosskonzern hin zum Entrepreneur. 2016 präsentiert er ein neues Modell: Es heisst Launch
Sequencer und ist in Kooperation mit zwei ESA-Astronauten entstanden. Die Uhr zeigt die Phasen der Sojus-Rakete auf dem Weg in
den Orbit, also jener Rakete, aus der Hohmanns Träume gemacht sind.
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