Nr. 4/2009, 52. Jahrgang
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Nr. 4/2009, 52. Jahrgang
Zeitschrift des KölNer Zoos Nr. 4/2009 52. JahrgaNg www.ksk-koeln.de n n a k s t n i o Sp jetzt auch - points, das Bonusprogramm der Kreissparkasse. S- Mit den Prämienwelten von s-points und PAYBACK geht das Erfüllen von Wünschen jetzt noch schneller: z. B. das Girokonto zum Nulltarif zu führen. Weitere Infos unter www.ksk-koeln.de/s-points oder bei einem Berater in der Geschäftsstelle. Wenn’s um Geld geht – S-Kreissparkasse Köln. Liebe Freunde des Kölner Zoos! Das Jahr 2009 neigt sich dem Ende zu, Weihnachten steht vor der Tür. Dies ist für viele die Zeit, in der man inne hält, sich besinnt und Rückschau hält. Was haben wir geschaffen, was ist so alles passiert, wurden die gesetzten Ziele erreicht? In unserem Zoo gab es gleich mehrere große Baustellen. So wurde die Seehundanlage, besser bekannt als alte Eisbäranlage, für eine Flugschau umgebaut. Noch nicht ganz abgeschlossen ist in diesem Rahmen eine neue Voliere für südamerikanische Vögel. Vor allem aber nahm der Hippodom, unser Groß projekt für 2010, Gestalt an. Das Richtfest konnten wir am 30. November 2009 feiern. Zudem eröffneten wir einen Energie und Wasserlehrpfad, den die RheinEnergie stiftete. I m Tierbestand hat es einige Veränderungen gegeben und unsere Nachzuchterfolge waren durchaus beachtlich. Allen voran und stellvertretend für alle sei nur die Geburt des vierten Elefantenjungtieres am 27. Juli 2009 erwähnt. Der junge Bulle „Khin Yadanar Min“ erfreut sich bester Gesundheit und ist wunderbar in der Gruppe integriert. Außerdem sind wir schon intensiv mit der Planung für das nächste Jahr beschäftigt. 2009 wurde von IUCN (International Union for Conservation of Nature) zum „Jahr der Biodiversität“ (Artenvielfalt) ausgerufen. Auch der Kölner Zoo wird diesen Fokus setzen, doch vor allen Dingen wird 2010 für uns im Zeichen unseres 150jährigen Jubiläums stehen. Der Kölner Zoo als drittältester Zoo Deutschlands wird mit einer Viel zahl von Aktionen in Erscheinung treten. Genannt seien nur: Kinderzoodirektor, historischer Lehrpfad, historische Füh rungen, Tag der Artenvielfalt, Tiere der Bibel usw. Die Jubiläumsfeier findet am 22. Juli 2010 mit der Eröffnung des Hippodom für geladene Gäste statt. Und einen Tag später öffnet er seine Türen für die Öffentlichkeit – das ist der Plan. In der Jubiläumswoche wird es u.a. zusätzlich einen histori schen Jahrmarkt im Zoo geben. Schauen Sie auf unsere Inter netseite oder besorgen Sie sich unser Jahresprogramm am Besucherservice. Wichtig ist, dass wir aus verschiedenen Gründen (Steuer zugute. Falls Sie noch keine Karte haben – noch sind welche zu haben (bei KölnTicket, im Kölner Zoo oder bei den Alt städtern: www.altstaedterkoeln.de). Wir würden uns auch hier über eine rege Beteiligung freuen! Falls Sie für Ihre Kinder oder Enkel noch kein Weihnachts geschenk haben, dann schauen Sie im ZoovenirShop vorbei. Dort gibt es seit November auch das neue, wunderschöne ZooWimmelbilderbuch. In dieser Ausgabe, der letzten im Jahr 2009, finden Sie einen Artikel über Artenschutzaktivitäten in Indonesien auf Java. Thiemo Braasch wusste, als er uns seinen Bericht schickte, noch nicht, dass der Kölner Zoo zukünftig zu den Haupt sponsoren des Cikananga Wild Animal Rescue Center (PPSC) gehören wird. Seit geraumer Zeit haben wir das Erhaltungs zuchtprojekt für Schwarzflügelstare gefördert und werden unser Engagement und die Zusammenarbeit 2010 ausbauen. Die Beschreibung klingt befremdlich: 60 cm lange Zunge, lange Schnauze, buschiger Schwanz, starke Krallen. Es handelt sich um den Großen Ameisenbären, der im Mittelpunkt des zweiten Artikels steht. Ein Tier, das vor langer Zeit auch im Kölner Zoo gehalten wurde. Vielleicht kommt es alsbald wieder zurück! L recht/Gemeinnützigkeit) die Jahreskarte für erwachsene Zoo fördervereinsmitglieder nur noch für 40 € (statt 30 € wie bis her) und für Kinder für 20 € (statt 15 €) verkaufen können. Auf unserer Mitgliederversammlung wurde darüber eingehend berichtet. Wir bitten um Verständnis und Kenntnisnahme. iebe Freunde des Kölner Zoos, ich wünsche Ihnen von Herzen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest und eine ruhige Zeit zwischen den Jahren. Für das kommende Jahr 2010 wünsche ich Ihnen nicht nur viel Glück und Gesundheit, son dern vor allem auch viel Zeit für und Spaß am Kölner Zoo! A Herzlichst, Ihr m 12. Januar 2010 werde ich einen Vortrag über 150 Jahre Kölner Zoo halten und würde mich über reges Interesse freuen, ebenso wie die Referenten im Februar (Dr. Andreas Pardey: Der Nationalpark Eifel) und März (Dr. Franz Robiller: Impressionen aus Südafrika). Zudem möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass der Kölner Zoo am 15.1.2010 zusammen mit den Altstädtern eine Karnevalssitzung im Kristallsaal der Messe durchführt. Der Reinerlös kommt dem Kölner Zoo Theo Pagel, Zoodirektor 153 ZEITSCHRIFT DES KÖLNER ZOOs NR. 4/2009 52. JAHRGANG Inhalt Forschung an Großen Ameisenbären in Brasilien – welchen Einfluss hat der Mensch auf dessen Ökologie? Lydia Möcklinghoff 155 Rettung von Java-Pustelschwein und Schwarzflügelstar – Artenschutz auf einer der am dichtesten besiedelten Inseln der Welt Thiemo Braasch 175 Titelbild/Letzte Umschlagseite: Reisamadinen (Padda oryzivora) gehören zur Familie der Prachtfinken und kommen ursprünglich nur auf Java und Bali vor. Unglücklicherweise sind diese Vögel durch den Vogelhandel innerhalb Indonesiens mittlerweile stark in ihrem Bestand bedroht. Java sparrows (Padda oryzivora) belong to the waxbills and occur originally only on Java and Bali. Unfortunately, these birds meanwhile are endangered because of the bird trade in Indonesia. Veranstaltungen im Kölner Zoo 15. Januar 2010 28. März 2010 27. März bis 11. April 2010 „Alles för de Dierche“ (Eine Karnevalssitzung zugunsten des Kölner Zoos. Gemeinsam präsentiert von den Altstädtern und dem Zoo. Vorverkauf beim Besucherservice des Kölner Zoos, bei den Altstädtern und bei KölnTicket.) „Elefantentag“ (Spiele, kostenlose Führungen, Mitmach-Aktionen, Informationen rund um große und kleine Dickhäuter) Osterferienprogramm (Rätselspiele und Safari-Führungen. Treffpunkt am Info-Kiosk am Haupteingang) Vorträge im Kölner Zoo Dienstag, 12. Januar 2010 19.30 Uhr „150 Jahre Kölner Zoo – Rückblick und Ausblick“ Theo Pagel, Zoo Köln Dienstag, 9. Februar 2010 19.30 Uhr „Der Nationalpark Eifel“ Dr. Andreas Pardey, Nationalparkforstamt Eifel Dienstag, 9. März 2010 19.30 Uhr „Impressionen aus Südafrika“ Dr. F. Robiller, Weimar Die Vorträge finden in der Mehrzweckhalle des Tropenhauses statt. Bitte benutzen Sie die Diensteinfahrt Boltensternstraße 31. 154 Abb. 1: ein Großer Ameisenbär durchstreift die offene Grassavanne im Bundesstaat Roraima im Norden Brasiliens. A giant anteater walks the open grass savannah in the State Roraima, Northern Brazil. Forschung an Großen Ameisenbären in Brasilien – welchen Einfluss hat der Mensch auf dessen Ökologie? Lydia Möcklinghoff (Fotos: Lydia Möcklinghoff) Lange Schnauze, eine 60 Zentimeter lange Zunge und buschiger Schwanz. Zugegeben, Große Ameisenbären (Myrmecophaga tridactyla) wirken mit ihrer futuristisch anmutenden Form etwas eigen (Abb. 2). Die Nase auf dem Boden, sucht er mit stoischer Ruhe in den Savannen, Wäldern und Sümpfen Südamerikas nach Ameisen und Termiten. Zusammen mit Gürtel- und Faultieren bildet die Gattung der Ameisenbären die in Mittel- und Südamerika weitgehend endemische Ordnung der Nebengelenktiere (Xenarthra, WeTZeL, 1985; DeLSuc et al., 2001). Der Große Zeitschrift des Kölner Zoos · Heft 4/2009 · 52. Jahrgang Ameisenbär ist der größte Vertreter dieser Ordnung. Durch seine Beliebtheit, besonders auch bei der einheimischen Bevölkerung, stellt er eine wichtige biologische Schirmart für den Schutz der teilweise stark bedrohten neotropischen Ökosysteme dar. Dennoch gibt es bis heute kaum Studien über dieses Tier. es ist bekannt, dass Große Ameisenbären solitär leben (abgesehen von Mutter/Kind-Paaren), dass sich ihre Streifgebiete in einem gewissen Ausmaß überlappen und dass sie sich nahezu ausschließlich von Termiten und Ameisen ernähren. es sind Habitatopportunisten, die sowohl in der Savanne als auch in Wald- und Sumpflandschaften vorkommen (MONTGOMeRy, 1985; SHAW et al., 1985; MeDRi & MOuRãO, 2005). Der Große Ameisenbär wird auf der Roten Liste gefährdeter Arten der iucN aktuell auf der Vorwarnliste als “Near Threatened“ (gering gefährdet) eingestuft (iucN, 2009). Allerdings zeigt die Art extrem heterogene entwicklungen der Populationsgrößen. So ist der Große Ameisenbär in uruguay und Teilen Nord-Argentiniens mittlerweile ausgestorben (FALLABRiNO & cASTiNeiRA, 2006; Di BLANcO et al., 2008) und zeigt deutliche Populationsrückgänge im cerrado in Brasilien 155 (MiRANDA, 2004). im Kontrast dazu kommt es im Bundesstaat Roraima im Norden Brasiliens zu auffällig hohen Populationsdichten in Akazienplantagen (KReuTZ, 2007). Die Gründe für diese unterschiedlichen entwicklungen sind bis heute unklar. es ist nicht bekannt, welche grundlegenden Ansprüche die Tiere an ihr Habitat stellen, welche Habitatfaktoren die Populationsdichten der Art beeinflussen und welche anthropogenen Veränderungen ihrer umwelt zu einem Populationsrückgang (oder auch -anstieg) führen. Die Größe der landwirtschaftlich genutzten Flächen steigt in Brasilien, besonders in den letzten Jahrzehnten, dramatisch und nahezu unaufhaltsam an. Die Zukunft der brasilianischen Fauna darf deshalb nicht nur auf der etablierung von Schutzgebieten beruhen. es müssen Wege gefunden werden, wie Nutzflächen möglichst „wildtierfreundlich“ verwaltet werden können. eine nachhaltige Stabilisierung der Populationen Großer Ameisenbären in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet ist ohne diese informationen nicht möglich. Aus diesem Grund beschäftige ich mich seit mehreren Jahren mit der Reaktion dieser Art auf Veränderungen ihres Lebensraumes durch den Menschen, besonders im Lavrado im Norden Brasiliens. in dieser natürlichen Savannenlandschaft, nahe der Grenze zu Venezuela, werden seit 1999 Akazienplantagen zur Wertholzproduktion angepflanzt und somit offene Savanne zu künstlichem Waldhabitat konvertiert. Zusammen mit einem weiteren Diplomanden habe ich dort Populations- Abb. 2: ein Großer Ameisenbär in Nordbrasilien. Giant anteater in Northern Brazil. dichten, Habitatnutzung und das Verhalten Großer Ameisenbären untersucht. im Bereich der Plantagen sind außerordentlich hohe Dichten von Ameisenbären zu beobachten, bis zum zehnfachen des höchsten Dichtewerts aus der Literatur (KReuTZ, 2007). Die Tiere profitieren vor allem vom stabileren Mikroklima und dem verbesserten Nahrungsangebot in Folge der etablierung der Plantagen (MÖcKLiNGHOFF, 2008). Stammesgeschichte Ameisenbären (Vermilingua) bilden zusammen mit Faultieren (Folivora) und Gürteltieren (cingulata) die für die Neotropis typische Ordnung der Nebengelenktiere (Xenarthra) (WeTZeL, 1985). Diese archaische Tiergruppe spaltete sich in der Kreidezeit, vor den meisten anderen rezenten Säugetieren, ab (DeLSuc et al., 2001). im Tertiär entwickelte sie sich mit Abb. 3: ein Großer Ameisenbär wird ca. 2 m lang. Der Rumpf hat in etwa die Größe eines Deutschen Schäferhundes. A giant anteater reaches a length of about two meters. Body length is similar to the size of a German shepherd dog. 156 über 200 Gattungen zur vielfältigsten Säugetierordnung Südamerikas (Mc KeNNA & BeLL, 1997). Zu dieser Zeit war der südamerikanische Kontinent noch von Nordamerika getrennt. Als die Landbrücke zwischen den beiden Kontinentalplatten wieder hergestellt war, wanderten nordamerikanische Raubtiere und Nahrungskonkurrenten ein und der Mensch begann mit der Bejagung der neotropischen Fauna. Die 30 rezenten Arten aus 13 Gattungen sind Überbleibsel der einst großen Tiergruppe (PATTeRSON & PAScuAL, 1972). Mit ihren teilweise sehr ausgeprägten Spezialisierungen scheinen sie sich evolutionär gut angepasst zu haben. Beschreibung Die Familie der Ameisenbären besteht heute aus drei Gattungen: Tamanduas (Tamandua) mit zwei Arten sowie Zwergameisenbär (Cyclopes) und Großer Ameisenbär (Myrmecophaga) mit jeweils nur einer Art (WeTZeL, 1985). Der Große Ameisenbär ist mit einer Körperlänge von 1,0 bis 1,5 Metern und dem ca. einen Meter langen buschigen Schwanz der größte Vertreter seiner Ordnung (NOWAK, 1991). Die Tiere zeigen keinen Sexualdimorphismus und haben an Rumpf und Schwanz dichtes, langes dunkelbraunes Fell (Abb. 3). Die dunkle Farbe ist in Graslandschaften zwar relativ auffällig, bietet dem Tier im Wald jedoch eine perfekte Tarnung. Die Vorderbeine sind hell, über der Schulter liegt ein geschwungener, schwarz-weißer Streifen, der von den Brasilianern „die Flagge“ („a bandeira“) genannt wird, was dem Tier den portugie sischen Namen Tamanduá freier Wildbahn jedoch äußerst defensiv. Sie laufen in der Regel ohne einen Verteidigungsversuch davon oder klettern in Angst auf einen Baum (Abb. 6). Verbreitung und Spezialisierung Abb. 4: Weibchen eines Großen Ameisenbären mit Jungtier auf dem Rücken. Female giant anteater with offspring on her back. bandeira eingebracht hat (FlaggenAmeisenbär). Die „Flagge“ dient vor allem der Tarnung der Jungtiere, die nach der Geburt bis zu neun Monate auf dem Rücken der Mutter getragen werden. Die Zeichnungen der beiden Tiere gehen perfekt ineinander über (Abb. 4). Die Konturen verschmelzen und das Junge wird für Raubfeinde wie Harpyie (Harpia harpyja), Jaguar (Panthera onca) und Puma (Puma concolor) quasi unsichtbar (KRuMBieGeL, 1966). Die langen, scharfen Krallen an den Vorderextremitäten sind ein homologes Merkmal aller rezenten Nebengelenktiere. Während die anderen Ameisenbärenarten meist in Bäumen (arboreal) leben und ihre Krallen zum Klettern gebrauchen, ist der Große Ameisenbär terrestrisch. er nutzt seine Krallen bei der Nahrungssuche und zur Verteidigung. Beim Laufen klappt er sie in eine Hautfalte ein und bewegt sich auf den Knöcheln fort (Abb. 5; TAyLOR, 1985). Mit den massiven Krallen sind die Tiere sehr wehrhaft. Bei Gefahr stellen sie sich blitzartig auf ihre Hinterbeine, „umarmen“ den Feind und versenken dann ihre Krallen in dessen Rücken. in der Tat gibt es Berichte über Große Ameisenbären, die sich mit dieser Technik erfolgreich gegen Jaguare gewehrt haben (im Brasilianischen wird eine umarmung durch eine Person, die für falsche Freundlichkeit bekannt ist, darum auch die umarmung des Tamanduá (Ameisenbären) genannt). Menschen gegenüber zeigen sie sich in Abb. 5: Vorderextremität eines Großen Ameisenbären. Die Krallen werden beim Laufen in eine Hautfalte eingeklappt. Das Tier läuft auf der Außenseite und den Knöcheln der Vorderhand. Front limb of a giant anteater. The animal folds its claws into a skin pocket when walking. Große Ameisenbären sind Habitatopportunisten, d.h. sie bewohnen eine große Vielfalt verschiedener Lebensräume. Sie durchstreifen die Graslandschaften, Sümpfe und Wälder der Neotropis von Belize bis hinunter in den Norden Argentiniens. Nach Westen ist ihre Verbreitung durch die Anden begrenzt (WeTZeL, 1982; 1985; Abb. 7). Trotz dieser Flexibilität in der Habitatwahl ist der Große Ameisenbär vermutlich eines der am meisten spezialisierten Säugetiere der Welt: er ernährt sich in freier Wildbahn nahezu ausschließlich von Termiten und Ameisen (ReDFORD, 1985; 1986) und zeigt zahlreiche Anpassungen an diese Nahrung: Die scharfen Krallen nutzt er, um im Boden nach den sozialen insekten zu graben oder um Termitenhügel aufzubrechen (yOuNG et al., 2003). Die lang gezogene, zahnlose Schnauze und die 60 Zentimeter lange, mit klebrigem Speichel bedeckte Zunge ermöglichen es dem Ameisenbären große Mengen an insekten aus den geöffneten Nestern zu lecken (bis zu 30.000 Termiten und Ameisen am Tag; Abb. 6: Großer Ameisenbär flüchtet in einer Akazienplantage in Nordbrasilien auf einen Baum. Giant anteater climbs a tree in an acacia plantation in Northern Brazil. (Foto: Florian Herzog) 157 Abb. 7: Verbreitungsgebiet des Großen Ameisenbären (in rot). Distribution area of giant anteaters (in red). (Quelle: www.googlemaps.com, bearbeitet durch Lydia Möcklinghoff nach iucN, 2009) MONTGOMeRy, 1985; NAPLeS, 1999; Abb. 8 und Abb. 9). Große Ameisenbären hören und sehen ausgesprochen schlecht, ein ausgezeichneter Geruchssinn hilft jedoch bei der Nahrungssuche (Mc ADAM & WAy, 1967; MONTGOMeRy & LuBiN, 1977). Fressverhalten Fressverhalten Großer Ameisenbären wurden dabei in offenen Graslandschaften durchgeführt, Vergleiche der Nahrungsauswahl zwischen verschiedenen Habitaten sind somit nicht möglich. ten, während diese Temperaturspanne bei anderen „Ameisen-Spezialisten“ deutlich geringer ist (Mc NAB, 1984). Nur vereinzelt wird berichtet, dass Große Ameisenbären in freier Wildbahn auch andere Nahrung wie Käferlarven (coeloptera) und Bienen (Apis sp.) oder deren Honig konsumieren (KRieG, 1944; MiRANDA et al., 2003). ich konnte einmal beobachten, dass kleine Reptilieneier aufgenommen wurden. Große Ameisenbären sind in aller Welt beliebte Zootiere und auch in den Ländern ihrer Verbreitung äußerst populär. Dennoch ist kaum etwas zum Verhalten und der Ökologie der Tiere in freier Wildbahn bekannt (SHAW et al., 1987; yOuNG et al., 2003). Nur wenige Studien haben sich mit Streifgebietsgrößen, –strukturen und der sozialen Organisation beschäftigt (MONTGOMeRy, 1985; SHAW et. al., 1987; MeDRi & MOuRãO, 2005) oder Aktivitätsmuster (MONTGOMeRy & LuBiN, 1977; cAMiLO-ALVeS & MOuRãO, 2006; MOuRãO & MeDRi, 2007) und Habitatnutzung untersucht (MONTGOMeRy, 1985; SHAW et. al., 1985; MeDRi & MOuRãO, 2005). Aufgrund der kalorienarmen ernährung haben Große Ameisenbären, bei einem Körpergewicht von 31 – 45 kg (SiLVeiRA, 1969), eine sehr niedrige basale Metabolismusrate im Vergleich zu Säugern vergleichbarer Körpermasse (70 %, Mc NAB, 1985; 2000). Deshalb können sie sich nur begrenzt an Temperaturschwankungen in ihrer umwelt anpassen. ihre Verbreitung ist folglich auf die tropischen Ökosysteme begrenzt. ihr dichtes, langes Fell ist eine effektive isolierung (Abb. 11) und als zusätzlichen Schutz bedeckt sich das Tier beim Schlafen mit dem buschigen Schwanz (Abb. 12). er isoliert dabei nicht nur bei Hitze oder Kälte, sondern dient auch als perfekte Tarnung. Durch diese Anpassungen können Große Ameisenbären ihren Körper bei 15°c bis zu 36°c thermoneutral hal- Ökologie und Verhalten Große Ameisenbären leben, abgesehen von Mutter/Kind-Paaren und während der Paarung, solitär (SHAW et al., 1987). Streifgebietsgrößen variieren stark, je nachdem, wo die Studie durchgeführt wurde. Das bisher berichtete Minimum von 270 ± 124 ha wurde dabei für den Serra da canastra National Park in Brasilien angegeben (SHAW et al., 1987), während sich das gemessene Maximum auf 2.500 ha in den Llanos in ReDFORD (1986) verglich das Fressverhalten Großer Ameisenbären sehr passend mit dem Grasen von Kühen (Abb. 10): Die Tiere verweilen immer nur ein bis zwei Minuten pro Futterstelle und wechseln dann, die Nase suchend auf dem Boden, zum nächsten Ort mit Nahrungsangebot. So meiden sie Angriffe durch die wehrhaften Soldaten der Ameisen und Termiten, die nach dem Aufbrechen der Nester schrittweise zur Verteidigung ausgesandt werden. Ob anteilig mehr oder weniger Ameisen oder Termiten konsumiert werden variiert stark, je nach dem, wo die Studie geografisch durchgeführt wurde. in den Llanos in Venezuela konsumieren Große Ameisenbären zum Beispiel hauptsächlich Ameisen (MONTGOMeRy, 1985), während im Nord-Osten Brasiliens ausschließlich Termiten aufgenommen werden (ReDFORD, 1986). Alle Studien zum 158 Abb. 8: Lang gezogene, zahnlose Schnauze eines Großen Ameisenbären. The elongated, toothless snout of a giant anteater. MOuRãO & MeDRi, 2007). Bis heute gibt es allerdings keine Studien, die den unmittelbaren einfluss dieser anthropogenen Aktivitäten auf Große Ameisenbären untersuchen. Abb. 9: Die 60 cm lange Zunge eines Großen Ameisenbären. Sie ist mit klebrigem Speichel bedeckt und ermöglicht dem Tier, täglich große Zahlen sozialer insekten zu konsumieren. Foto aus dem Zoo Dortmund. The 60 cm long tongue of the giant anteater, covered with sticky saliva, enables the animal to consume large numbers of social insects each day. Foto taken at Dortmund Zoo. Venezuela beläuft (MONTGOMeRy, 1985). in allen Studien konnte ein gewisses Maß an Überlappung der unterschiedlichen Streifgebiete beobachtet werden. Die Tiere tolerieren sich also bis zu einem gewissen Maß, es gibt jedoch auch Berichte von Kämpfen zwischen Großen Ameisenbären (SHAW, 1985; ROcHA & MOuRãO, 2006; KReuTZ, 2007). Auch Aktivitätsmuster unterschieden sich deutlich zwischen verschiedenen Studienarealen. Während in einer Studie in Venezuela Große Ameisenbären als vollkommen nachtaktiv beschrieben wurden (MONTGOMeRy & LuBiN, 1977), zeigte eine andere untersuchung, dass die Tiere im canastra National Park in Brasilien größtenteils tagaktiv sind (SHAW et al., 1987). eine neuere Arbeit, die sich mit Aktivitätsmustern in Abhängigkeit zu Zeit und Wetterverhältnissen beschäftigt, lässt vermuten, dass Temperatur und Wetter offenbar einen größeren einfluss auf die Aktivität der Tiere haben als die Tageszeit. Dies war die einzige Studie, die die Habitatnutzung Großer Ameisenbären in Abhängigkeit zu Wetterverhältnissen stellte. es konnte gezeigt werden, dass Große Ameisenbären an sehr kalten oder sehr warmen Tagen eher in Waldstücken schlafen als in offenen Arealen. Solche Präferenzen sind an gemäßigten Tagen nicht zu beobachten (MOuRãO & MeDRi, 2007). Gefährdungsstatus und Ziele weiterer Forschung Der Große Ameisenbär ist auf der Roten Liste gefährdeter Arten als „gering gefährdet“ (Near Threatened) gelistet (iucN, 2009). in Brasilien wird er beim Ministério do Meio Ambiente (MMA) als „gefährdet“ (vulnerable) geführt und auf Appendix 2 bei der convention on international Trade in endangered Species of Wild Flora and Fauna (ciTeS, 2009). Große Ameisenbären sind stellenweise relativ häufig (SHAW et al., 1987; KReuTZ, 2007). Für den canastra Nationalpark in Zentralbrasilien und Akazienplantagen in Nordbrasilien werden verhältnismäßig hohe Dichten berichtet (z.B. canastra 0,13 Ameisenbären/ha, SHAW et al., 1987). in einem Großteil ihrer Verbreitung, zum Beispiel im cerrado in Brasilien, erleben sie hingegen einen bedenklichen Populationsrückgang (0,04 Ameisenbären/ha, MiRANDA, 2004). in uruguay und in Teilen Nord-Argentiniens sind sie sogar ausgestorben (FALLABRiNO & cASTiNeiRA, 2006). Als mögliche ursachen für die Populationszusammenbrüche werden durch den Menschen (anthropogen) verursachte Busch feuer angeführt sowie Wildunfälle (Abb. 13), die Jagd durch den Menschen und vor allem Habitatverlust durch Landnutzung (cAMiLO-ALVeS & MOuRãO, 2006; Solche untersuchungen sind unbedingt nötig, um die Populationen Großer Ameisenbären im gesamten Verbreitungsgebiet stabilisieren zu können. insbesondere der einfluss der Landnutzung und der damit zusammenhängenden Landkonversion muss untersucht werden. Brasilien ist ein ökonomisch rasant wachsendes Land mit hohem Flächenbedarf. immer mehr natürliche Landfläche wird zu Soja- und Zuckerrohrplantagen, Viehweiden, Baumplantagen und ähnlichem umgewandelt. ein Beispiel: Die Fläche an Baumplantagen für Wertholz- und Zelluloseproduktion wächst in Brasilien jährlich um 13 % (ABRAF, 2007; iTTO, 2007). Die Ausdehnung von Sojaplantagen vergrößerte sich zwischen 2000 und 2008 um 68 % auf insgesamt 21,5 Mio. Hektar (VALDeZ et al., 2009). Auch die Rinderzucht wird intensiviert, mit einer Steigerung der exportrate von Rindfleisch um sagenhafte 385 % seit 1994 (Abb. 14). Angesichts dieser Tatsachen ist klar, dass die Zukunft der brasilianischen Fauna nicht nur auf der etablierung von Schutzgebieten beruhen darf. es müssen Wege gefunden werden, wie landwirtschaftlich genutzte Flächen möglichst „wildtierfreundlich“ gemanagt werden können. in meiner bisherigen und auch zukünftigen Arbeit stehen deshalb folgende Fragen im Mittelpunkt: Abb. 10: ein Großer Ameisenbär frisst Termiten oder Ameisen in Akazienplantagen in Nordbrasilien. Giant anteater feeding on ants or termites in an acacia plantation in Northern Brazil. 159 Was sind die grundlegenden Ansprüche Großer Ameisenbären an ihr Habitat? Welchen einfluss hat die Landnutzung durch den Menschen auf die Ökologie Großer Ameisenbären? Auf welche Punkte muss beim Flächenmanagement geachtet werden, um das Land ohne oder nur mit geringen negativen Auswirkungen für den Großen Ameisenbären nutzen zu können? inwieweit können diese ergebnisse auf andere Säugetiere in Südamerika übertragen werden? ich konzentriere mich dabei auf den Großen Ameisenbären, weil er eine der wichtigsten Schirmarten für die südamerikanischen Ökosysteme ist, mit einer zentralen Rolle für den Ökotourismus als Alternative zur intensiven Flächenbewirtschaftung. Aufgrund seiner großen Beliebtheit bei der brasilianischen Bevölkerung ist er darüber hinaus ein optimales Zugpferd und Maskottchen für ein angepasstes, nachhaltiges Flächenmanagement in Brasilien. Feldstudie in Akazienplantagen in Nordbrasilien Plantagen zur Wertholzgewinnung bedecken heute große Teile der globalen Landfläche. Zwischen 1996 und 2006 wuchs ihre weltweite Ausdehnung um 48 Prozent von 130 auf 192 Millionen Hektar (ABRAF, 2007; FAO, 2007). Da unberührte Waldhabitate immer seltener werden, wird zunehmend über die mögliche Relevanz von Baumplantagen beim Schutz von Biodiversität diskutiert (BHAGWAT et al., 2008; BROcKeRHOFF, 2008). Plantagen zur Wertholzgewinnung könnten, wenn sie auf bereits entwaldeten, degradierten Flächen etabliert werden, zumindest für einen Teil der nativen, waldbewohnenden Fauna als Alternativhabitate oder Verbreitungskorridore fungieren (LiNDeNMAyeR & HOBBS, 2004). Sie werden in steigendem Maße nach Nachhaltigkeits-Richtlinien wie denen des Forest Stewardship council (FSc, 2008) bewirtschaftet. So auch die Akazienplantagen in Nordbrasilien im Bundesstaat Roraima, in denen ich zwischen Dezember 2005 und März 2008 zwei Feldstudien von insgesamt 8 Monaten durchgeführt habe. 160 Abb. 11: Großer Ameisenbär mit gesträubtem Fell im Pantanal in Brasilien. Das dichte Fell und der buschige Schwanz dienen der isolierung. Giant anteater with raised fur in the Pantanal in Brazil. The dense fur and bushy tail serves as insulation. Die Art Acacia mangium wird dort durch die Firma Ouro Verde Ldta. seit 1999 auf insgesamt 19.000 ha rund um die Hauptstadt Boa Vista zur Wertholzund Zelluloseproduktion angebaut (2° 71’ N, 60° 96’ W). Seit 2007 werden erste Bäume geerntet. Boa Vista liegt nördlich des Amazonas-Regenwaldes. Die natürliche Vegetation ist das Lavrado, eine Savannenformation, die ökologisch Teil der Savannen von Guyana ist. Das Lavrado ist ein Mosaik aus offener Graslandschaft (im Portugiesischen „campo limpo“ genannt), natürlichen Waldstücken, seichten Seen und einem Netzwerk kleiner Bäche und Flüsse, die von Buriti-Palmen (Mauritia flexuosa) umstanden werden. Die aquatischen Ökosysteme fallen im Sommer, zwischen Dezember und März, weitestgehend trocken und es fallen dann nur 10 % des jährlichen Niederschlags (BARBOSA, 2007). in einer Studie während meines Hauptstudiums und abschließend in meiner Diplomarbeit an der Julius-Maximilians-universität Würzburg unter Prof. Dr. K. e. Linsenmair und Dr. F. Fischer habe ich den einfluss dieser Plantagen auf die Populationen Großer Ameisenbären untersucht. Meine Arbeiten flossen dabei in die FSc-Zertifizierung und die entwicklung eines nachhaltigen Flächenmanagements durch die Plantagenfirma ein. Abb. 12: ein schlafender Großer Ameisenbär in Nordbrasilien bedeckt sich mit seinem buschigen Schwanz. Dies dient der Tarnung und dem Schutz vor Temperaturextremen. A sleeping giant anteater in Northern Brazil covers itself with its bushy tail. This serves as camouflage and protection from temperature extremes. um Bewegungsmuster, Habitatnutzung und das Verhalten der Tiere zu studieren, ortete ich sie bei Tag vom Auto aus und folgte ihnen anschließend zu Fuß. ich konzentrierte mich dabei auf ein 144 ha großes Studiengebiet, das sich aus Plantage, Savanne (campo limpo), Bächen und einem seichten See zusammensetzte. um die Routen hinterher nachvollziehen zu können, setzte ich, während ich einem Ameisenbären folgte, alle 5 Minuten und bei einem Habitatwechsel einen Punkt per GPS (satellitengestütztes globales Positionierungssystem). insgesamt konnten so in 166 Stunden Autoobservation 80-mal Ameisenbären geortet werden. Dabei wurden in meinem Studiengebiet acht verschiedene Ameisenbären gesichtet, sechs davon wiederholt. es wurden in 36 Stunden Verhaltensbeobachtungen 607 GPS-Positionen gespeichert, mit einem Maximum von 222 Positionen für einen einzelnen Ameisenbären. Beobachtungsmethoden Große Ameisenbären sind eigentlich scheue Tiere. Wenn sie einen Beobachter bemerken, laufen sie sofort davon. Die Betonung liegt dabei auf „wenn“, denn Große Ameisenbären in freier Wildbahn nehmen Menschen optisch und akustisch kaum war. Man kann mit dem Auto auf wenige Meter an sie heranfahren, in einigen Situationen standen wir zu zweit neben einem Tier und unterhielten uns, ohne dass dieses etwas davon mitbekam. Schlafende Ameisenbären bekommt man nur mit hupen, schreien und trampeln wach Abb. 13: Überfahrener Großer Ameisenbär an der Bundesstraße BR174 in Nordbrasilien. Straßenverkehr ist eine der Hauptbedrohungen für Große Ameisenbären. Roadkill giant anteater on highway BR174 in Northern Brazil. Traffic is a major threat to the species. und auch dann erst nach mehreren Minuten des Herumlärmens. Ob sie einen schlechten Hör- und Sehsinn haben, oder ob es sich dabei um eine sehr selektive Wahrnehmung handelt, kann diskutiert werden. ich nehme eher letzteres an, denn im Zoo reagieren die Tiere deutlich stärker, wenn sie Menschen sehen oder hören. in freier Wildbahn stellt der Mensch eventuell noch keinen feindlichen Schlüsselreiz dar. in der Regel ist es also relativ einfach, einem Großen Ameisenbären in freier Wildbahn zu folgen (Abb. 15). Steht der Wind gut und er kann einen nicht riechen, kann man ihm in der offenen Abb. 14: Rinderherde im Pantanal im Staat Mato Grosso do Sul in Brasilien. Traditionell werden dort Nelore-Rinder, eine ZebuRinderrasse gezüchtet. cattle herd in the Pantanal, Mato Grosso do Sul, Brazil. Traditionally Nelore cattle, a zebu breed is bred there. Savanne bis zu einer Stunde und mehr folgen. Dreht dann der Wind und er riecht seinen Verfolger plötzlich, sträubt sich sein Fell und er läuft im gestreckten Galopp davon. Nach maximal 30 Metern stoppt er wieder, fühlt sich offenbar sicher oder hat den Grund seiner Flucht vergessen und geht wieder in aller Ruhe zur Nahrungssuche über. Schwieriger sind Beobachtungen im Wald. Blätterrascheln und Ästeknacken nehmen die Tiere nämlich leichter war. Glaubt der Ameisenbär etwas gehört zu haben, hält er bei der Nahrungssuche inne, hebt seinen Kopf und scheint sich auf seine umgebung zu konzentrieren. Wenn man in diesem Abb. 15: Die Autorin beobachtet einen Großen Ameisenbären in Nordbrasilien. Die Tiere nehmen Menschen optisch und akustisch kaum wahr und sind deshalb leicht zu beobachten. The author is observing a giant anteater in Northern Brazil. The animals register humans only slightly, neither visually nor olfactorially, and are thus easily observed. 161 Abb. 16: ein Großer Ameisenbär im Pantanal in Brasilien konzentriert sich auf seine umwelt. er hält inne, das Fell ist aus Nervosität gesträubt. A giant anteater is concentrating on its environment in the Brazilian Pantanal. its raised fur signalizes nervousness. Moment „einfriert“, also keine Geräusche und keine Bewegung macht, wird das Tier nach einigen Augenblicken beruhigt weiter fressen, egal ob man sich 5 m oder 25 m entfernt von ihm aufhält (Abb. 16). Die Tiere können mit einiger Übung anhand ihrer Zeichnung einfach individuell unterschieden werden. Dabei sind vor allem dunkle Flecken und Schatten auf den eigentlich hellen Vorderbeinen und die Form der schwarzweißen Flagge auf der Schulter von Bedeutung (Abb. 17). Das Geschlecht kann dabei aufgrund des fehlenden Sexualdimorphismus nicht bestimmt werden. Ökologie Großer Ameisenbären in Akazienplantagen Für mein Studiengebiet konnte ich Dichten von 0,65 Ameisenbären pro Hektar feststellen. Dieser Wert ist fünfmal höher als der höchste in der Literatur genannte Wert (0,13 Ameisenbären/ha im Serra da canastra National Park; SHAW et al., 1987). Die Tiere zeigten eine starke Präferenz für die Plantagen und verbrachten 87 % der beobachteten Zeit in dem künstlichen Waldhabitat (Abb. 18). Auch die Bewegungsmuster unterschieden sich zwischen Plantage und Savanne: Die Tiere bewegten sich innerhalb des Waldhabitats mit 0,25 (± 0,13) km/h, während sie die Savanne im Mittel verhältnismäßig zügig, mit 0,73 (± 0,23) km/h, durchquerten. Diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten resultieren aus der sehr viel intensiveren Nahrungssuche innerhalb der Plantagen. Dort bewegte sich der Ameisenbär immer nur wenige Meter und hielt dann zum Graben und Fressen an. im Gegensatz dazu hielt er in der Savanne nur vereinzelt an, um nach Nahrung zu suchen. Prinzipiell passierte er dieses Habitat nur, um weitere Plantagen- einheiten oder Wasserquellen zu erreichen. ein wichtiger Faktor für die hohe Habitat präferenz dürfte folglich ein besseres Nahrungsangebot an Ameisen und Termiten innerhalb der Plantagen sein. in der Tat belegt eine untersuchung des instituto Brasileiro de Administraçao Municipal (iBAM, 2006) in den Plantagen der Ouro Verde Ldta., dass die Pflanzungen bei der entomofauna im Boden zu einer Verringerung der Biodiversität zugunsten hoher Abundanzen von Hymenopteren, insbesondere Ameisen, führt. Dies geht vor allem auf die dort vorhandene Blattstreu und die stickstofffixierenden eigenschaften der Baumart zurück. Das künstliche Waldhabitat scheint den Tieren darüber hinaus ein größeres Sicherheitsgefühl zu vermitteln. ein Großer Ameisenbär, der in der offenen Savanne aufgeschreckt wird, läuft immer in direkter Linie zurück in die Plantagen (Abb. 19). Dies könnte daran liegen, dass das Tier mögliche Bedrohungen im Waldhabitat besser wahrnimmt, da Schritte und Bewegungen durch raschelndes Laub und knackende Äste akustisch verstärkt werden. Die Plantagen bieten außerdem Schutz vor extremen Temperaturen. in der offenen Savanne klettert das Thermometer in den Mittagsstunden bis auf 50°c. in dem Schatten der Bäume herrscht hingegen ein viel stabileres Klima. Dies spiegelt sich in den Aktivitätsmustern der Tiere wider: in sämtlichen Studien zu Aktivitätsmustern von Großen Ameisenbären zeigten die Tiere ausgeprägte Ruhephasen am Tag. Die Länge der täglichen Abb. 17: Große Ameisenbären können anhand schwarzer Punkte und Schatten auf den hellen Vorderbeinen unterschieden werden und über die Länge, intensität und Form des weißen Streifens auf ihrer Schulter. Hier ein Tier aus Nordbrasilien. Giant anteaters can be distinguished individually by black patterns and shadows on their pale forelegs and the shape, length and intensity of the white stripe on their shoulder. This is an animal from Northern Brasil. 162 Wenn natürlicherweise kein Bach in der Nähe ist, werden künstliche Dränagekanäle gebaut. Bisher war man der Meinung, dass Ameisenbären nicht auf Wasser angewiesen sind und ihren Wasserhaushalt über das Lecken des Taus von den Blättern regeln (KRieG, 1944). ich konnte in meiner Arbeit zeigen, dass dem nicht so ist: Ameisenbären wurden sehr häufig beim Besuch von Wasserquellen beobachtet (Abb. 20). in den Seen und Bächen nahe der Plantage tranken und badeten sie meist ausgiebig, an heißen Tagen legten sich die Tiere sogar manchmal in den seichten Gewässern für einige Minuten schlafen. Die Wasserquellen scheinen folglich eine wichtige Rolle bei der Fellpflege, der Aufrechterhaltung des Wasserhaushalts und der Thermoregulation zu spielen (Abb. 21) Abb. 18: ein Großer Ameisenbär in einer Acacia mangium-Plantage in Nordbrasilien. A giant anteater in an Acacia mangium plantation in Roraima, Northern Brazil. Ruhephasen steigt dabei mit der mittleren Tagestemperatur bis hin zu einem vollkommen nachtaktiven Rhythmus in der Studie mit der höchsten Temperatur (27°c in den Llanos in Venezuela; MONTGOMeRy & LuBiN, 1977; SHAW, 1985; cRuZ & ANDReWS, 1989; MOuRãO & MeDRi, 2007). Die mittlere Tagestemperatur während meiner Studie lag mit 28°c sogar noch über diesem Wert. Dennoch war dies die erste Studie, in der Große Ameisenbären keine festen Ruhephasen aufwiesen. Die Tiere konnten zu jeder Tageszeit beobachtet werden, auch wenn die Sichtungsfrequenzen am frühen Morgen und frühen Abend mit ungefähr 0,6 Tieren pro Stunde deutlich über denen zur Mittagszeit lagen (0,2 Tiere pro Stunde). Vermutlich ermöglicht das gleichmäßigere Waldklima in der Plantage die ganztägige Aktivität, da Temperaturspitzen um die Mittagszeit dort abgesenkt werden. ein weiterer Faktor, der die Dichte der Großen Ameisenbären positiv beeinflusst, ist die sehr gute Wasserverfügbarkeit in und um die Plantagen. Aufgrund der nachhaltigen, FSc-zertifizierten Bewirtschaftung werden keine natürlichen Landschaftsstrukturen wie Wasserläufe, Seen und Waldstücke für die Pflanzungen entfernt. Sie werden also in die natürlichen Gegebenheiten „eingepasst“ und sind umgeben von Bächen und Seen. Diese Wasserstrukturen dienen als Dränage für die Plantagen. Fazit für Ameisenbären in Akazienplantagen Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Große Ameisenbären im Bereich der Plantagen von der höheren Nahrungsverfügbarkeit, dem stabileren Klima und den überall verfügbaren Wasserquellen profitieren. Aus der großen Menge, in der diese Parameter in und um die Plantagen verfügbar sind, ergeben sich vermutlich die hohen Dichten der Tiere. Aus diesen ergebnissen leite ich folgende Hypothesen ab, die in meiner zukünftigen Arbeit überprüft und überarbeitet werden sollen: Grundlegende Habitatansprüche eines Großen Ameisenbären sind Wasser, ausreichend Nahrung (Ameisen und Termiten) und Schatten. Wenn diese Faktoren in ausreichender Menge vorhanden sind und die klimatischen Bedingungen passen, kann ein Großer Ameisenbär auch in einem künstlich geschaffenen Lebensraum existieren. Aus der Menge, in der diese Faktoren verfügbar sind, ergibt sich die Populationsdichte der Tiere. Wenn bei der Nutzung von Land die Menge von einem oder mehreren der drei Parameter verändert wird, beeinflusst das die Dichte der Ameisenbärenpopulation. Abb. 19: Großer Ameisenbär läuft, nachdem er gestört wurde, in eine Baumplantage (in Roraima, Nordbrasilien), da er sich dort sicherer fühlt. Giant anteater running for a tree-plantation in Roraima, Northern Brazil, after beeing disturbed. The animals feel safer in the artificial forest habitat. Wird die Menge erhöht (wie im Fall der Plantagen), beeinflusst das die Dichten der Ameisenbären positiv, wird sie ver- 163 Das Pantanal in Brasilien in meiner Dissertation werde ich meine Studien an Großen Ameisenbären unter Berücksichtigung meiner bisherigen Forschung auf einen weiteren stark beanspruchten Lebensraum Brasiliens ausdehnen: im Pantanal, im Bundesstaat Mato Grosso do Sul im Südwesten Brasiliens, soll mein zukünftiger Fokus liegen. Abb. 20: Großer Ameisenbär im seichten Wasser eines Dränagekanals von Akazienplantagen in Nordbrasilien. Giant anteater in the shallow water of a drainage channel of an acacia plantation in Northern Brazil. ringert (durch Abholzung, erosion usw.) hat das einen negativen einfluss. tatopportunisten sind wie der Große Ameisenbär, sicherlich anders aus. Da Wasser, Schatten und Nahrung sehr basale Ansprüche sind, lässt sich diese Hypothese vermutlich auf andere Säugetiere übertragen. Da das Lavrado rund um die Stadt Boa Vista abgesehen von den Plantagen auch einem sehr starken Bevölkerungsund Landnutzungsdruck ausgesetzt ist, sollten unbedingt Schutzgebiete etabliert werden, um spezialisierte und vor allem endemische Tiere zu schützen. insbesondere sollte in der Stadt an der Sauberhaltung der Bäche gearbeitet werden, denn sie tragen die Verschmutzungen über das Netzwerk von Wasserläufen bis hinaus in die Savanne (cAMPOS et al., 2008). Große Ameisenbären sind sicherlich, was die etablierung der Plantagen angeht, die Gewinner unter den Säugetieren. Nirgendwo sonst konnte jemals eine annähernd so hohe Dichte der Tiere beobachtet werden. Doch diese hohen Zahlen spiegeln die extremen Veränderungen wider, die eine solche umwandlung von natürlicher Savanne in einen künstlichen Wald für die Flora und Fauna der Region mit sich bringt. eine Studie in Venezuela konnte zeigen, wie anfällig ein Savannen-Ökosystem gegenüber menschlichen einflüssen ist: Nach Brandrodungsackerbau brauchte die Savanne über 25 Jahre, um sich annähernd zu erholen (cABReRA et al., 1998). Die Anpflanzung von Akazien in einem solch zerbrechlichen System bedeutet einen ungleich größeren eingriff. Akazien haben Stickstoff fixierende eigenschaften, die die Nährstoffzusammensetzung im Boden möglicherweise irreversibel verändern. Auch wenn Große Ameisenbären und einige insekten von diesen Veränderungen profitieren, sieht das bei vielen anderen Tierarten der Savanne, die keine Habi- 164 Das Pantanal ist das größte Binnenfeuchtgebiet der erde und gilt als eines der Biodiversitäts-Zentren Südamerikas. es erstreckt sich auf über 300.000 km² über die Grenzen von Brasilien, Paraguay und Bolivien hinweg - ein Mosaik aus verschiedensten Landschaftsstrukturen wie Flüssen, Galeriewäldern, Seen und offenen Savannen (cOuTiNHO et al., 1994). Als ein besonders dynamisches System ist es relativ trocken in den Wintermonaten (Juni bis September) und erlebt starke Überschwemmungen im Sommer (November bis Mai), wenn der Wasserspiegel bis zu 5 m über dem Tiefststand liegt (GOTTGeNS et al., 2001). Aufgrund seines Artenreichtums und seiner wichtigen Ökosystemleistungen (z.B. als Puffer bei hydrologischen und klimatischen Schwankungen, Filterung von Grundwasser usw.) ist der Schutz des Pantanals von überregionaler Bedeutung (WANTZeN et al., 2008). in den letzten Jahrzehnten hat es dennoch starke anthropogene Veränderungen erfahren: Durch Dammbauten und entwaldung wurde versucht, das Land „nutzbar“ zu machen. intensivierung Abb. 21: Großer Ameisenbär badet in einem seichten Bach in Nordbrasilien. Mit der langen Kralle durchkämmt er das lange Haar seines Schwanzes. Giant anteater having a bath in a shallow brook in Northern Brazil. it brushes the hair of its tail with its massive claw. geführt, um ein optimales Studiengebiet für meine Dissertation auszuwählen und die zukünftige Methodik vor Ort zu planen. Abb. 22: cowboys treiben im Pantanal in Brasilien Nelore-Rinder. cowboys drive Nelore-cattle in the Pantanal in Brazil. von Landwirtschaft und Rinderzucht gehören zu den problematischen entwicklungen (GOTTGeNS et al., 2001; HARRiS et al., 2005;WANTZeN et al., 2008). Für die Zukunft liegt eine beunruhigende Vielzahl von entwicklungskonzepten und Bauvorhaben für das Pantanal vor wie z.B. Gas-Pipelines, Bahntrassen und Stahlverarbeitungsanlagen (GOTTGeNS et al., 2001). Der einfluss dieser eingriffe auf die Säugetiere des Pantanals ist weitgehend unerforscht (TROLLe, 2003). sivem Management die wirtschaftliche Grundlage bilden, müssen sämtliche Schutzbemühungen mit dieser Art der Landnutzung in einklang gebracht werden (Abb. 22). in den letzten Jahren kam als neuer Wirtschaftszweig der Ökotourismus hinzu, der besonders in der umgebung von campo Grande, der Hauptstadt von Mato Grosso do Sul, eine relativ große Rolle spielt (Abb. 23). ich werde mich in meiner Dissertation deshalb auf diese beiden Formen der Landnutzung konzentrieren. Der Große Ameisenbär ist für den Schutz des Pantanals, vor allem des südlichen Pantanals, in dem ich arbeiten werde, von besonderer Bedeutung. er gehört zu den charismatischsten und beliebtesten Säugetieren dieses Ökosystems und ist darüber hinaus in den offenen Savannengebieten dieser Region leicht zu beobachten. Deshalb ist er eine Attraktion für den Ökotourismus, der dort die einzige wirtschaftliche Alternative zu intensivierung von Landnutzung darstellt. Mit meiner Arbeit möchte ich für das südliche Pantanal zeigen, an welche Veränderungen ihrer umwelt sich Große Ameisenbären problemlos anpassen können und welche eingriffe ernsthafte Probleme für die Tiere darstellen. Solche Veränderungen können natürlichen ursprungs sein (Jahreszeiten respektive jährliche Überschwemmungen) oder auf menschliche Aktivitäten wie Landnutzung zurückgehen. Die Fazenda Barranco Alto im südlichen Pantanal sind 98 % der Flächen in Privatbesitz (GOTTGeNS et al., 1998). Da Rinderzucht und –haltung mit mehr oder weniger inten- im August und September 2009 habe ich eine Vorstudie in Brasilien durch- ich habe mich dabei für die Fazenda Barranco Alto (www.fazendabarrancoalto.com.br) am Rio Negro im Zentrum des südlichen Pantanals entschieden (Bundesstaat Mato Grosso do Sul, Position Haupthaus: 19º 34' 40'' S, 056º 09' 08'' W). Die Farm gehört Lucas Leuzinger und Marina Schweizer. Die beiden sind Brasilianer mit Schweizer Wurzeln und haben in der Schweiz Biologie und Agrarwissenschaften studiert. Heute versuchen sie auf ihren 11.000 Hektar den Spagat zwischen Landnutzung und Naturschutz. Sie züchten, wie im Pantanal üblich, Nelore-Rinder (eine Zebu-Rinderrasse) für die Fleischproduktion und haben eine Touristen-Lodge, in der 10 Gäste Platz finden. Neben Rinderzucht und Ökotourismus gibt es auch Schutzgebiete, insgesamt 4.000 ha, die von Menschen nicht betreten werden. es gibt also neben großen offenen Graslandschaften, auf denen die Rinder weiden, auch Buschsavanne (campo sujo), verschiedene Waldformationen (cerrado, Acurí-Wälder, ect.), Flüsse, Bäche, Salz- und Süßwasserseen und die dazugehörige ufervegetation (NuNeS DA cuNHA et al., 2007). Die Natur erscheint aufgrund der hohen Habitatheterogenität paradiesisch. Fast fühlt man sich wie in einem Safaripark, wenn große Gruppen von Abb. 23: Ökotourismus auf der „Fazenda Barranco Alto“ im Pantanal-Feuchtgebiet in Brasilien. ecotourism at the “Fazenda Barranco Alto“ in the Pantanal wetland in Brazil. 165 Für die Studie werden Fotofallen und Sendehalsbänder verwendet. Fotofallen lösen mit Hilfe eines Bewegungssensors aus, sobald eine Bewegung vor der Linse registriert wurde. Mit diesen Fallen wird also rund um die uhr aufgenommen, welche Tierarten in welcher Frequenz die Kamera passieren. So können neben informationen über Ameisenbären auch die Vorkommen anderer Säugetierarten erhoben und in den verschieden genutzten und geschützten Gebieten verglichen werden. es kann gezeigt werden, inwiefern die aktuell vorherrschende Landnutzung im südlichen Pantanal (Rinderzucht und Ökotourismus) das Vorkommen der verschiedenen Säugetierarten und insbesondere die Dichten Großer Ameisenbären beeinflusst. Abb. 24: ein Flachlandtapir (Tapirus terrestris) im Pantanal, Mato Grosso do Sul, Brasilien. A lowland tapir (Tapirus terrestris) in the Pantanal, Mato Grosso do Sul, Brazil. Wasserschweinen (Hydrochaeris hydrochaeris), Nandus (Rhea americana) und Gürteltiere (vor allem Euphractus sexcinctus) direkt vor der Terrasse vorbeilaufen. Mit etwas Glück können Jaguare (Panthera onca) beobachtet werden. ein Weibchen wurde mit einem Sender ausgestattet, um die Größe ihres Streifgebiets zu ermitteln. in den Flüssen gibt es viele Kaimane (Caiman yacare)- schwenkt man nachts mit einer Lampe über das Wasser, leuchten ihre Augen zu Tausenden in orange. es gibt Schwarze Brüllaffen (Alouatta caraya), Nasenbären (Nasua nasua), Flachlandtapire (Tapirus terrestris) (Abb. 24), Riesenotter (Pteronura brasiliensis), Tayras (Eira barbara), verschiedene Hirsch- und Pekariarten, um nur einen kleinen eindruck der vielfältigen Fauna zu vermitteln. Allein auf der Farm konnten bis jetzt 405 Vogelarten unterschieden werden (in ganz Deutschland gibt es nur etwa 300). Häufig zu beobachten ist hier sogar der stark bedrohte Hyazinthara (Anodorhynchus hyacinthinus) (Abb. 26) sowie der Jabiru-Storch ( Jabiru mycteria) (Abb. 25), das Symbol des Pantanal. Die Farm ist deshalb besonders geeignet für diese untersuchungen, weil es dort Gebiete gibt, die für Rinderzucht und/oder Ökotourismus genutzt werden und andere, die geschützt sind und nicht von Menschen betreten werden. Aktivitäts- und Bewegungsmuster, die Nutzung verschiedener Lebensräume und das Sozialverhalten Großer Ameisenbären sollen in diesen verschiedenen Bereichen verglichen werden. Mit GPS-Halsbändern werden mindestens 6 Große Ameisenbären versehen. Diese Sender speichern automatisch in bestimmten Zeitabständen (z.B. alle drei Stunden) die Positionen der Tiere per Satellit. Diese Positionen werden zusammen mit der Temperatur, der uhrzeit und dem Datum aufgenommen. Später kann dann auf einem Satellitenbild am computer dargestellt werden, wann sich die einzelnen Tiere bei welcher Temperatur in welchem Lebensraum aufgehalten haben. Da die Akkulaufzeit des Senders ca. 370 Tage beträgt, können für ein Jahr sehr genaue Geplante Forschung im Pantanal auf der Fazenda Barranco Alto Mit dieser Studie soll meine bisherige Arbeit zu den Lebensraumansprüchen Großer Ameisenbären und ihre Reaktion auf Landnutzung durch den Menschen fortgesetzt und auf diese neue Region ausgedehnt werden. 166 Abb. 25: ein typischer See im Pantanal mit Jabiru-Störchen (Jabiru mycteria) und Silberreihern (Casmerodius albus) im Pantanal in Brasilien. A typical lake in the Pantanal in Brazil with Jabiru storks (Jabiru mycteria) and great egrets (Casmerodius albus). Angaben zu Aktivität, Bewegungsmustern und der Habitatwahl gemacht werden. Jedes Halsband besitzt zusätzlich eine VHF-Telemetrie-einheit (ultrakurzwelle), durch die der Aufenthaltsort der Tiere im Feld mit Hilfe einer empfangsantenne ausgemacht werden kann. So können die Tiere geortet und direkte Verhaltensaufnahmen durchgeführt werden. Mich interessiert besonders die soziale Organisation der Tiere. im Norden Brasiliens habe ich nie mehrere Große Ameisenbären an einem Ort gesehen. Trotz der sehr hohen Dichte dort scheinen sie ein System zu haben, mit dem sie voneinander Abstand halten. es gab Hinweise, dass die Tiere zu diesem Zweck ein indirektes, geruchliches (olfaktorisches) Kommunikationssystem mit Hilfe von Duftmarkierungen an Bäumen und Latrinen betreiben (Abb. 27). Dies ist ein völlig neuer Aspekt ihres Verhaltens, dem ich unbedingt weiter nachgehen möchte. Fazit Die hier vorgestellte Studie ist aktuell die einzige, die sich mit der Ökologie und dem Verhalten Großer Ameisenbären in Brasilien beschäftigen wird. Die anderen Wissenschaftler des Projeto Tamanduá, in dem ich arbeite, beschäftigen sich mit genetischen Aspekten Großer Ameisenbären und mit der Ökologie und der Genetik der anderen Ameisenbärenarten Brasiliens. Gemeinsam mit den von ihnen gewonnenen erkenntnissen und den bisher existierenden Studien soll ein Schutzkonzept für Ameisenbären in Brasilien entwickelt werden. ich hoffe, zusammen mit diesen Wissenschaftlern, dass im nächsten Jahr genügend finanzielle Mittel für die entstehenden Materialkosten (Fotofallen, Sendehalsbänder, ect.) gefunden werden können, um diese wichtige Forschungsarbeit zum Schutz und der Ökologie Großer Ameisenbären durchführen zu können (www. tamandua.org). Zusammenfassung Als äußerst charismatisches Säugetier stellt der Große Ameisenbär (Myrmecophaga tridactyla) eine der wichtigsten Schirmarten für die südamerikanischen Ökosysteme dar. er spielt eine zentrale Rolle für den Ökotourismus als Alternative zur intensiven Flächenbewirtschaftung. Aufgrund seiner großen Beliebtheit bei der brasilianischen Bevölkerung ist er darüber hinaus ein optimales Zugpferd und Maskottchen für Naturschutz und eine angepasste, nachhaltige Nutzung der brasilianischen Ökosysteme. Auf der Roten Liste der iucN wird der Große Ameisenbär als gering gefährdet geführt, seine Populationen sind jedoch nur in einigen Teilen seiner Verbreitung stabil. Während er in Nordbrasilien stellenweise sehr häufig ist, erlebt er einen starken Populationsrückgang im cerrado in Brasilien. in uruguay und Nordargentinien ist er bereits ausgestorben. Die Gründe für diese unterschiedlichen entwicklungen sind unbekannt. Auch sonst weiß man nur wenig über Habitatnutzung und Verhalten des Tieres. um den Großen Ameisenbären in Zukunft im gesamten Verbreitungsgebiet erfolgreich schützen zu können, muss unbedingt mehr über seine Lebensweise bekannt werden. Abb. 26: Hyazintharas (Anodorhynchus hyacinthinus) im Pantanal, Mato Grosso do Sul, Brasilien. Hyacinth macaws (Anodorhynchus hyacinthinus) in the Pantanal, Mato Grosso do Sul, Brazil. Die Autorin arbeitet deshalb in Brasilien und untersucht dort, inwiefern sich Große Ameisenbären an Veränderungen ihrer umwelt anpassen können 167 und in welcher Hinsicht menschliche Aktivitäten Verhalten und Ökologie der Tiere beeinflussen. in Akazienplantagen in Roraima in Nordbrasilien konnte sie hohe Dichten der Tiere und eine deutliche Präferenz für das künstliche Waldhabitat feststellen. Die Tiere ziehen es aufgrund eines besseren Nahrungsangebots und eines stabileren Mikroklimas der natürlich vorkommenden Savanne vor. in ihrer zukünftigen Arbeit wird sie sich auf das Pantanal in Brasilien konzentrieren. Das Pantanal ist ein Biodi- versitäts-Hotspot. Die wirtschaftliche Grundlage bildet dort die Rinderzucht und neuerdings der Ökotourismus. Von interesse ist zum einen, wie sich Große Ameisenbären an natürliche, saisonale Veränderungen in dem dynamischen Ökosystem anpassen und zum anderen, welchen einfluss die beiden wichtigsten Flächennutzungsformen (Rinderzucht und Ökotourismus) auf die Ökologie und das Verhalten Großer Ameisenbären haben. Zusammen mit brasilianischen Wissenschaftlern des Projeto Tamanduá soll ein Managementkonzept für „ameisenbären- freundliche“ Flächennutzung entwickelt werden. Summary The giant anteater (Myrmecophaga tridactyla) is an important flagshipspecies for South American ecosystems. Due to its charisma it plays a vital role in establishing ecotourism as an alternative for intensified land use. its popularity among the Brazilian people makes it a possible mascot for sustainable land-management and nature conservation in Brazil. Listed at the Red List of the iucN as near threatened, its population is only stable in some parts of its distribution. While in some areas of Northern Brazil giant anteaters are very common, they experience a severe population decline in the cerrado in central Brazil and are already extinct in uruguay and Northern Argentina. Reasons for those regional distinctions are unknown. Generally there are only few studies about habitat use and behaviour of the animals. For successful conservation actions in every part of its distribution there has to be more information about those basic aspects. The author studies the ecology and behaviour of giant anteaters in Brazil and wants to understand, which factors determine population densities and the influence of anthropogenic habitat altering activities. in her previous work in acacia-plantations in Roraima, Northern Brazil, giant anteaters were shown to be abundant, with a high preference for the artificial forest habitat. They chose for this environment, because of a better food supply and more balanced climate. Abb. 27: ein Großer Ameisenbär bekratzt einen Baum. Zahlreiche Beobachtungen dieses Verhaltens geben Anlass zur Vermutung, dass es Teil eines indirekten Kommunikationssystems ist A giant anteater scratches a tree. Numerous observations of this behaviour imply that it is part of an indirect communication system. 168 in her future work the author will focus on the Pantanal in Brazil, a biodiversity hotspot. The economical basis there is cattle ranching and, more recently ecotourism. Of interest there is how giant anteaters cope with natural, seasonal variations of the dynamic ecosystem. Moreover it will be investigated how the species reacts on human activity in the Pantanal, more precisely the influence of cattle ranching and ecotourism on the ecology and behaviour of the giant anteater. Together with Brazilian scientists of the projeto tamanduá, the results of the study will prepare for an effective conservation concept for the animal. Danksagung Literatur Dank an Kolja Kreutz für die tolle Zusammenarbeit. Ohne seine hervorragende Vorarbeit hätte ich meine bisherige Forschung kaum durchführen können. An der uni Würzburg danke ich Dr. Frauke Fischer und meinem erstbetreuer Prof. Dr. K. eduard Linsenmair für die wissenschaftliche unterstützung, Korrekturen und helfende Mails zwischen Deutschland und Brasilien. Anja Pröbsting und Birthe Heikamp danke ich für die moralische unterstützung und den Austausch bei der Arbeit mit ArcGiS. ABRAF (Associação Brasileira de Produtores de Florestas Plantadas) (2007): Statistical yearbook 2007. Baseyear 2006. http://www.abraflor. org.br/estatisticas.asp. Downloaded on 15 July 2008. BARBOSA, R. i., c. cAMPOS, F. PiNTO & P. M. FeARNSiDe (2007): The “Lavrados” of Roraima: Biodiversity and conservation of Brazil’s Amazonian Savannas. Functional ecosystems and communities 1(1): 29-41. in Nordbrasilien bedanke ich mich bei der Ouro Verde Ldta., vor allem Florian Herzog und Przemislav Walotek, für ein Haus, ein Auto, Helfer und die Möglichkeit, auf ihren Flächen zu arbeiten. Mein besonderer Dank gilt Julio Sergio Gardelha Mendes und cleison Souza für ihre Hilfe im Feld. Dem Weltforstinstitut der uni Hamburg, insbesondere Dr. Jobst-Michael Schröder danke ich für die finanzielle und materielle unterstützung in Nordbrasilien. BHAGWAT, S. A., K. J. WiLLiS, J. B. BiRKS & R. J. WHiTAKeR (2008): Agroforestry: a refuge for tropical biodiversity? Trends in ecology and evolution 23 (5): 261-267. Danke an Dr. Frank Brandstätter und ilona Schappert vom Dortmunder Zoo für die Möglichkeit, dort einen Monat lang Verhaltensaufnahmen durchzuführen und einen Kratzbaum aufzustellen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Pfleger des Ameisenbärenreviers: ilona Offhaus, christiane Kerlé, Daniel Schoeneberg, Martin Horn, Martina Gotzeck, Michaela Stahl und Jens Voigtländer. cAMiLO-ALVeS, c. S. P. & G. MOuRãO (2006): Responses of a Specialized insectivorous Mammal (Myrmecophaga tridactyla) to Variation in Ambient Temperature. Biotropica 38 (1): 52-56. Der Feldaufenthalt im Pantanal wurde von der Alexander Koenig Gesellschaft finanziell unterstützt. Vielen herzlichen Dank dafür! im Zoologischen Forschungsmuseum A. Koenig danke an den Betreuer meiner Dissertation, Prof. Dr. Karl-Ludwig Schuchmann. im Pantanal danke ich Lucas Leuzinger und Marina Schweizer für eine unvergessene Zeit in ihrem kleinen Paradies. Für eine unterkunft, essen, ein Auto und die unverzichtbare Tier- und Flächenkenntnis von Lucas und Fernando. Silke Strassel danke ich für ihre Fahrkünste und die Hilfe bei der Feldarbeit. Danke auch an Flavia Miranda für Tipps und Hilfe. Marc Schmitt danke ich für seine Zeit und das geduldige Lesen meiner Texte. Meinen eltern und meiner Schwester danke ich für ihre unterstützung in jeder Hinsicht. BROcKeRHOFF, e. G., H. JAcTeL, J. A. PARROTTA, c. P. QuiNe & J. SAyeR (2008): Plantation forests and biodiversity: oxymoron or opportunity? Biodiversity conservation 17: 925–951. cARBReRA, M., K. JAFFe, W. GOiTiA & F. OSBORN (1998): Recovery of Disturbed ecosystems as Monitored by Ant and Vegetation Diversity in Forests and Surrounding Savannas of Venezuela. Studies of Neotropical Fauna & environment 33: 85-92. ciTeS - The convention on international Trade in endangered Species of Wild Fauna and Flora (2009): Appendices i, ii and iii valid from 22. May 2009. http://www.cites.org/eng/app/ appendices.shtml cOuTiNHO, M. e., M.G.MOuRãO, M. PeReiRA SiLVA & Z. cAMPOS (1994): The sustainable use of natural resources and the conservation of the Pantanal wetlands, Brazil. Acta Limnologica Brasiliensia 5: 165 – 176. cRuZ, A. & R. W. 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Ich persönlich finde besonders das Engagement für Musik, Literatur und den künstlerischen Nachwuchs super. n Janus Fröhlich, Schlagzeuger der kölschen Band „Höhner“ S Sparkasse KölnBonn Kunst und Kultur sind bedeutende Felder unseres Förderengagements in der Region. Wir fühlen uns den Kulturstädten Köln und Bonn mit ihren zahlreichen Museen, Konzertsälen, Theatern und Veranstaltungsorten verpflichtet. Ob Karneval, Laiengruppe, Art Cologne oder Beethovenfest: Gemeinsam mit unseren Stiftungen machen wir Kunst und Kultur für Groß und Klein zum Erlebnis. Sparkasse. Gut für Köln und Bonn. Axer GmbH Früchte-Großhandel • Import 50968 Köln • Großmarkt Ruf 9 34 63 40 %DUWHOV5LHJHU $WHPVFKXW]WHFKQLN*PE+&R.* 172 Speziallieferant für Großverbraucher in Frischware des gesamten Sortimentes Lieferung täglich frei Haus! Frisches Gaffel Kölsch. Der Eine braut´s, der Andere bringt´s. LÜTTICKE & TSCHIRSCHNITZ Gastronomie-Getränke GmbH Partner der Zoogastronomie www.gaffel.de • www.lt-koeln.de GAFFEL. 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(Foto: Pavel Hospodárský) Rettung von Java-Pustelschwein und Schwarzflügelstar – Artenschutz auf einer der am dichtesten besiedelten Inseln der Welt Thiemo Braasch Indonesien ist der größte Inselstaat der Welt, besteht aus mehr als 17.000 Inseln und hat mit mehr als 238 Millionen Einwohnern die viertgrößte Bevölkerungszahl weltweit. Er erstreckt sich über rund 1.875 Kilometer von Norden nach Süden und in west-östlicher Ausdehnung über 5.000 Kilometer (BERIÉ et al., 2008). Durch seine Lage zwischen dem südostasiatischen Festland und Neuguinea bildet er eine riesige Übergangszone zwischen Asien und Australien und beherbergt eine große Artenvielfalt auf den Inseln und ebenso unter Wasser. Schon Alfred Russel Wallace beschrieb im 19. Jahr- Zeitschrift des Kölner Zoos · Heft 4/2009 · 52. Jahrgang hundert diese am Äquator gelegene Inselwelt mit ihren vielen Völkern, ihrem tropischen Regenwald und die Veränderungen der Fauna. Diese ist auf den Großen Sunda-Inseln Sumatra, Borneo und Java noch asiatisch geprägt und wird dann auf Sulawesi, auf den Kleinen Sunda-Inseln und Neuguinea von Arten australischen Ursprungs ersetzt (WALLACE, 1890). Bisher richtete sich der Fokus des Artenschutzes vor allem auf Sumatra und Borneo wegen der dort zum Teil noch vorhandenen großen Regenwaldflächen und der extrem hohen Rate, mit der diese Wälder verloren gehen. Java ist mit ca. 126.500 km² die kleinste der Großen Sunda-Inseln. Auf ihr liegen mit Jakarta und Surabaya die beiden größten Städte Indonesiens. Java ist das politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes, hat mehr als 130 Millionen Einwohner und ist mit einer Bevölkerungsdichte von mehr als 1.000 Einwohnern je km² eine der am dichtesten besiedelten Inseln der Welt (NIJMAN, 2006). Erste Rodungen der Wälder reichen bereits 4.800 Jahre zurück (MALONEY, 1985). Die buddhistischen und hinduistischen Tempelanlagen von Borobudur und Prambanan 175 Abb. 2a + b: Schwarznackenpirol (Oriolus chinensis) und Rotbrustpirol (Oriolus cruentus), zwei Pirolarten, die auf Java leben. Black-naped oriole (Oriolus chinensis) and Black-and-crimson oriole (Oriolus cruentus), two orioles inhabiting Java. (Foto: Johannes Pfleiderer) aus dem ersten Jahrtausend nach Christus zeugen vom frühen Einfluss des Menschen, der ab dem 16. Jahrhundert, intensiviert im 19. Jahrhundert, zu großflächigen Rodungen (SMIET, 1990) und Verdrängung von Großsäugern aus den tiefer gelegenen Gebieten führte. Weniger als 10 % Javas waren 1993 noch von natürlichen Wäldern bedeckt (MACKINNON & PHILLIPPS, 1993), vom tropischen Tieflandwald nur noch 2,3 % (von ur- Abb. 3: Der Rhinozeroshornvogel (Buceros rhinoceros) ist eine der drei auf Java vorkommenden Hornvogelarten. Rhinoceros hornbill (Buceros rhinoceros) is one of three hornbill species in Java. (Foto: Johannes Pfleiderer) 176 sprünglichen 10 Millionen Hektar) und dieser Rest ist inzwischen in zahlreiche Flecken von wenigen Hektar bis 50.000 ha Größe zersplittert (VAN BALEN, 1999). Das, wenn auch langsame, weitere Vordringen landwirtschaftlicher Flächen bis an die Waldränder entlang der Hänge ist die größte Bedrohung für die schon gestörten Waldfragmente (VAN BALEN et al., 2000). So ist das Java-Nashorn (Rhinoceros sondaicus) bis auf eine kleine Population von maximal 65 Tieren im Ujon-Kulon-Nationalpark im äußersten Westen Javas zurückgegangen (WWF, 2006). Der Java-Tiger (Panthera tigris sondaica) gilt als ausgestorben (JACKSON & NOWELL, 2008). Den Java-Elefanten (Elephas maximus sondaicus) ereilte ein ähnliches Schicksal. Er starb im 16. Jahrhundert aus. Allerdings waren einige Tiere zuvor nach Borneo gebracht worden und wurden 2008 als zu dieser Unterart zugehörig klassifiziert (WWF, 2008). Der JavaLeopard (Panthera pardus melas) ist vom Aussterben bedroht (ARIO et al., 2008). Populationsschätzungen sind ungenau. Wahrscheinlich leben weniger als 250 erwachsene Java-Leoparden, möglicherweise sogar weniger als 100. Gründe für den Bestandsrückgang sind Jagd und der Verlust seiner Beutetiere aufgrund deren Bejagung durch Menschen (ARIO et al., 2008). Neben dem Verlust dieser charismatischen Großsäuger haben erstaunlich viele andere, oftmals endemische Arten auf Java überlebt. Im Jahr 2008 wurde sogar eine bisher unbekannte Schlangenart (Dendrelaphis underwoodi) entdeckt (VAN ROOIJEN & VOGEL, 2008). Dennoch beherbergt Java immer noch viele einzigartige Wirbeltierarten wie Java-Pustelschwein (Sus verrucosus), Javanischen Silbergibbon (Hylobates moloch), Java-Banteng (Bos javanicus javanicus), Schwarzflügelstar (Sturnus melanopterus) und Java-Haubenadler (Spizaetus bartelsi), die größerer Schutzmaßnahmen bedürfen. Die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) hat vor kurzem mit Rettungsmaßnahmen für das Java-Pustelschwein und den Schwarzflügelstar begonnen. Ähnlich wie bei schon erfolgreich laufenden Artenschutzprojekten der ZGAP wurden damit besonders bedrohte Arten ausgewählt, die in einem Artenschutzzentrum vor Ort gezüchtet und später wieder ausgewildert werden sollen, um Bestände in freier Wildbahn zu ergänzen und neue Populationen zu etablieren. Abb. 4: Der Java-Leopard (Panthera pardus melas) ist vom Aussterben bedroht. The Javan leopard (Panthera pardus melas) is listed as critically endangered. (Foto: Resit Sözer) Java-Pustelschwein Südostasien ist die Heimat mehrerer endemischer Schweinearten. Das JavaPustelschwein ist auf Java und der kleineren Nachbarinsel Bawean endemisch. Die Art wird auf der Roten Liste der IUCN als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (SEMIADI et al., 2008). Der Ursprung der Art liegt im frühen Pleistozän vor fast zwei Millionen Jahren. Über den Grad der Verwandtschaft der Arten untereinander gibt es sich widersprechende Meinungen. RANDI et al. (1996) datieren die Abspaltung der Art von ihrem nächsten lebenden Verwandten, dem Bartschwein (Sus barbatus), auf den anderen Großen Sunda-Inseln zurück auf zwei bis fünf Millionen Jahre. Damit handelt es sich um eine relativ junge Art. Das Java-Pustelschwein wird in zwei Unterarten unterteilt. Die Nominatform Sus v. verrucosus lebt auf Java und einst auf Madura, gilt aber aufgrund der großflächigen Entwaldung auf Madura dort mittlerweile als ausgestorben (BLOUCH, 1993). Sus v. blouchi als zweite Unterart wurde von GROVES 1981 beschrieben und unterscheidet sich von der Nominatform vor allem durch ihre geringere Körpergröße. Sie lebt auf der Insel Bawean in der Java-See 150 km nördlich von Surabaya (GROVES, 1981). Trotz der Etablierung eines 4.500 ha großen Reservats dort scheint das Überleben dieser Unterart unsicher (BLOUCH, 1993). Die Nominatform kommt auf Java sympatrisch (d. h. gemeinsam) mit dem Bindenschwein (Sus scrofa vittatus), einer Unterart des Eurasischen Wildschweins, vor. Letzteres ist in der Region weit verbreitet. Untersuchungen von BLOUCH et al. (1983; 1993) zeigten, dass sich beide Arten aus dem Weg gehen und ihre höchsten Populationsdichten in Gebieten aufweisen, in denen die andere Art fehlt. Außerdem wies BLOUCH (1988) nach, dass das Java-Pustelschwein im Gegensatz zum Bindenschwein nicht oberhalb von 800 m gefunden wird, das Bindenschwein hingegen sehr viel anpassungsfähiger ist und auch in höheren Lagen vorkommt. Das bevorzugte Habitat des Java-Pustelschweins ist sekundäre Tieflandvegetation. Die Art kommt besonders in Teak-Plantagen in Zentral-Java vor, die sich durch eine Mischung von Bäumen und Grasland mit Büschen und stark gestörten Restwaldflecken auszeichnen. Aufgrund der Ähnlichkeit der beiden sympatrischen Arten sind sie in der freien Natur relativ schwierig zu unterscheiden und daher wird in Angaben zur Naturgeschichte oftmals nicht zwischen beiden Arten differenziert (BLOUCH, 1993). Im letzten Jahrhundert schrumpfte das Verbreitungsgebiet des Java-Pustelschweins stark und die Populationen wurden dabei auch fragmentiert (BLOUCH, 1993). Früher kam es zum Beispiel im bekannten Nationalpark Ujon Kulon vor (HOOGERWERF, 1970), fehlt nun dort aber, möglicherweise aufgrund der dortigen anthropogen verursachten Vegetationsveränderungen (BLOUCH, 1988). Das 2.000 ha große Leuweung Sancang Nature Reserve ist eines der wenigen Abb. 5: Auch beim Java-Leoparden gibt es schwarze Individuen. There are also black individuals of Javan leopards. (Foto: Resit Sözer) Abb. 6: Mähnenhirsche leben auf Java, Sulawesi und den Kleinen Sunda-Inseln. Auf Java existiert eine eigene Unterart, der Java-Mähnenhirsch (Rusa timorensis russa). Rusa deer live on Java, Sulawesi and the Lesser Sunda Islands. Java has its own subspecies called Javan deer (Rusa timorensis russa). (Foto: Johannes Pfleiderer) Abb. 7: Auch beim Indischen Muntjak existieren viele Unterarten von Indien bis Südostasien. Der Java-Muntjak (Muntiacus muntjak muntjak) kommt nur dort vor. The Common barking deer has a huge range from India to Southeast Asia. Java has its own endemic subspecies (Muntiacus muntjak muntjak). (Foto: Resit Sözer) 177 Abb. 8: Javanische Unterart der Bengalkatze (Prionailurus bengalensis javanensis). Javan subspecies of leopard cat (Prionailurus bengalensis javanensis). (Foto: Resit Sözer) Reservate, das Java-Pustelschweine beherbergt (BLOUCH, 1993). Allerdings ist die Art in keinem Nationalpark auf Java nachgewiesen (MEIJAARD & SEMIADI, 2005). Aufgrund dieser Situation erscheint es unwahrscheinlich, dass kurzfristig ein effektiver in situ-Schutz erreicht werden kann (BRAASCH, 2008). Abb. 10: Javanische Silbergibbons (Hylobates moloch) lassen nur noch selten ihren lauten Gesang durch die letzten Wälder Javas schallen. In menschlicher Obhut bemüht man sich um die Erhaltungszucht. Java gibbons (Hylobates moloch) can nowadays only very rarely be heard in the last forests of Java. Therefore efforts for captive breeding take place. (Foto: Resit Sözer) 178 Abb. 9: Das Java-Pustelschwein (Sus verrucosus), endemisch auf Java, Madura und Bawean, ist vom Aussterben bedroht. The Javan warty pig (Sus verrucosus), endemic to Java, Madura and Bawean, is critically endangered. (Foto: Walter Schulz) Ursachen für die Bedrohung des Java-Pustelschweins Nach der Ausrottung des Java-Tigers und des Bestandsrückgangs des JavaRothundes (Cuon alpinus javanicus) ist der Java-Leopard der einzige natürliche Großräuber, der Java-Pustelschweine regelmäßig jagt (BRAASCH, 2008), wobei die Auswirkungen auf den Bestand der Schweine unbekannt sind (BLOUCH, 1993). Nachdem die Art Ende der 1970er Jahre als ausgestorben galt, wurde eine kleine Population an den Waldausläufern des Mount Penanggungan nahe Tretes in Ostjava gefunden (WHITTEN et al., 1996). BLOUCH führte 1983 eine Bestandserfassung durch und fand dabei mehrere verstreute Populationen auf Java und identifizierte Jagd und Vergiftungen als Bedrohungsursachen. Außerdem ist Hybridisierung zwischen Pustelschwein und Bindenschwein eine unbezifferbare, aber ernste Bedrohung für das Überleben des Pustelschweins (BLOUCH & GROVES, 1990). Mit den politischen Unruhen von 1996 bis 1998 änderte sich die Situation für das Java-Pustelschwein, das bis dahin als relativ gesichert galt (BLOUCH, 1988). In dieser Zeit wurden die Teakholz-Plantagen, ein wichtiges Habitat der Pustelschweine, zunehmend durch illegalen Holzeinschlag ge- und zerstört. Die wenigen vorhandenen Daten zeigen eine starke Fragmentierung der verbliebenen Populationen. Außerhalb Indonesiens existieren keine ex-situ-Popu- lationen dieser kritisch bedrohten Art (BRAASCH, 2008). So wurde sie im Jahr 2000 von der IUCN nach „vom Aussterben bedroht“ hochgestuft. Es fehlen aktuelle Bestandszahlen. Allerdings kam eine von MEIJAARD und SEMIADI (2004) durchgeführte Untersuchung zu dem Schluss, dass 53 % der Populationen in den letzten 20 Jahren ausgerottet oder auf minimale Reste reduziert wurden. Der IUCN/SSC Action Plan (OLIVER, 1993) verlangte für die Art höchste Schutzpriorität und hob die Dringlichkeit relevanter Schutzmaßnahmen hervor. Bis jetzt hat es keine neuen Vorschläge für Schutzmaßnahmen Abb. 11: Java-Bantengs (Bos javanicus javanicus), hier im Ragunan Zoo, Jakarta, aufgenommen, stehen durch Lebensraumzerstörung und Vermischung mit domestizierten Balirindern kurz vor der Ausrottung. Java bantengs (Bos javanicus javanicus), here photographed in Ragunan Zoo, Jakarta, are almost extinct due to habitat loss and hybridisation with their domesticated form. (Foto: Johannes Pfleiderer) 1. Aufbau eines Zuchtzentrums als höchste Priorität, 2. Entschlüsselung molekularer Profile von reinrassigen und hybridisierten Java-Pustelschweinen und Wildschweinen und 3. Erstellung eines Standardprotokolls zur genetischen Unterscheidung von Pustel- und Bindenschweinen, um reinblütige Pustelschweine für das Zuchtzentrum zu identifizieren. Abb. 12: Der Schwarzflügelstar ist einer der seltensten Vögel der Welt. The Black-winged starling is one of the most threatened bird species of the world. (Foto: Johannes Pfleiderer) Abb. 13: Der Java-Haubenadler (Spizaetus bartelsi) ist ein weiterer endemischer und vom Aussterben bedrohter Vogel Javas. The Javan hawk-eagle is another endemic bird of Java which is endangered. (Foto: Resit Sözer) seit den Empfehlungen von BLOUCH (1988) und OLIVER (1993) gegeben. zwischen Pustelschwein und Bindenschwein und töten beide. Es mangelt außerdem an Wissen über viele Bereiche der Biologie, Ökologie und Fortpflanzungsbiologie der Art, um effektive Schutzmaßnahmen einleiten zu können (BRAASCH, 2008). Zurzeit sind die größten Bedrohungen für das Java-Pustelschwein die Jagd, um gegen sie als Landwirtschaftsschädlinge vorzugehen, und die Zerstörung ihrer Habitate (SEMIADI & MEIJAARD, 2004; 2006). Der vor mehr als zehn Jahren einsetzende Bestandsrückgang setzt sich bis heute fort. Daher sind die noch vorhandenen Populationen stark zersplittert. Zur Jagd auf Schweine werden Gewehre und Hunde, aber auch Gift und Schlingen verwendet. Ein Bewusstsein für die Einzigartigkeit des Java-Pustelschweins und dessen Bedrohung existiert in der ländlichen Bevölkerung nicht. Jäger machen aufgrund der äußeren Ähnlichkeit keinen Unterschied Am Anfang des Artenschutzprojekts existierten drei Populationen des JavaPustelschweins in Menschenobhut in den Zoos von Surabaya, Jakarta und Yogyakarta (MEIJAARD & SEMIADI, 2005), die allerdings jeweils keine regelmäßigen Nachzuchten aufweisen konnten. Außerdem ist deren genetische Reinheit fraglich. Um das Java-Pustelschwein vor der Ausrottung zu bewahren, wurden daher mehrere Vorschläge gemacht (SEMIADI & SÖZER, 2008): Abb. 14: Schweine sind gerade in Südostasien mit sehr vielen Arten vertreten. Das Java-Pustelschwein ist eine davon. Pigs are very diverse in Southeast Asia. The Javan warty pig is one of them. (Foto: Stephan Bulk) Daraus folgen die Ziele des Zuchtprogramms: 1. Sicherung des langfristigen Überlebens der Art, 2. Erhalt der einzigartigen Biodiversität in den Schutzgebieten auf Java, 3. Stärkung des lokalen Bewusstseins für die Einzigartigkeit dieser Art auf Java und 4. Verbesserung der wissenschaftlichen Kenntnisse über Biologie und Ökologie des Java-Pustelschweins. Eine reinrassige, überlebensfähige exsitu-Population des Java-Pustelschweins soll im Zuchtzentrum aufgebaut werden und die Nachzuchten der Wiederauswilderung, weiterer ex-situ-Zuchtprogramme in anderen Zoos (auch außerhalb Indonesiens) und zur wissenschaftlichen Erforschung dienen. Das Management der Ausgangspopulation erfolgt in Indonesien und alle wild gefangenen Gründertiere bleiben Abb. 15: Das bevorzugte Habitat des Java-Pustelschweins ist sekundäre Tieflandvegetation. Secondary lowland vegetation is the preferred habitat of Javan warty pigs. (Foto: Pavel Hospodárský) 179 Bevölkerung der Etablierung eines solchen Zentrums sehr kritisch gegenüber. Abb. 16: Die Sunda-Pfeifdrossel besitzt mit der Java-Pfeifdrossel (Myiophoneus glaucinus glaucinus) eine endemische Unterart auf Java. The Sunda whistling-thrush has a subspecies on Java (Myiophoneus glaucinus glaucinus). (Foto: Johannes Pfleiderer) auch dort. Zu dieser Zucht werden Experten für Populationsmanagement hinzugezogen werden, um die genetische Vielfalt der ex-situ-Population zu erhalten. Außerdem soll ein „Javan Warty Pig Conservation Consortium“ gebildet und ein Zuchtbuch geführt werden. In den nächsten Jahren sollen außerdem weitere Zuchtgruppen in den Zoos von Surabaya und Singapur entstehen, da diese beiden Zoos Erfahrungen in der Haltung von asiatischen Schweinearten besitzen. 25 % des Nachwuchses sollen als Leihgaben an andere nationale und internationale Zoos abgegeben werden. Das Wiederansiedlungsprogramm wird den IUCN-Richtlinien folgen. Erste Schritte zur Rettung des JavaPustelschweins Beim Aufbau des Schweinezuchtzentrums gab es soziale Widerstände, da in einem muslimisch geprägten Land wie Indonesien Schweine den „haram“ (verboten) Status besitzen (SEMIADI, 2007) und alle Schweine als Landwirtschaftsschädlinge gelten. Aus diesen Gründen steht die Abb. 17: Schwarzflügelstare sind durch Vogelfang bedroht. Black-winged starlings are threatened by collection for the bird trade. (Foto: Pavel Hospodárský) 180 2007 war mit dem 14 ha großen Cikananga Wild Animal Rescue Center (PPSC) in Sukabumi, Westjava, eine Einrichtung gefunden, die sich der Zucht der Java-Pustelschweine annahm. Es wurden vier große Gehege von jeweils einem Hektar Größe geschaffen, die bei Bedarf miteinander verbunden werden können. Diese Anlagen sollen zwei Zuchtgruppen beherbergen. In den Gehegen wurden Nahrungspflanzen wie Cassava (Manihot esculenta) angepflanzt, um das natürliche Ernährungsverhalten der Schweine zu fördern. Ende 2007 erhielt die Station zwei männliche und ein weibliches Tier. Anfang 2008 kamen zwei weitere Eber hinzu, später zwei weibliche und ein männliches Tier aus dem Zoo von Surabaya (BRAASCH, in prep.). Sobald die Finanzierung gesichert ist, sollen weitere Wildtiere gefangen und mit der Erforschung der Biologie, des Fortpflanzungsverhaltens und anderer physiologischer Aspekte begonnen werden (SEMIADI & SÖZER, 2008). Das Zuchtzentrum soll außerdem Öffentlichkeitsarbeit und Umwelterziehung betreiben. Dazu wird geplant, es für Besucher zugänglich zu machen und Informationsbroschüren zu erstellen. Endemische Vögel Javas Indonesien ist eines der Länder mit der höchsten Zahl endemischer Vogelarten (ICBP, 1992). Deshalb hat auch die Insel Java eine große Bedeutung für Abb. 18: Möglicherweise existieren nur noch weniger als 200 wilde Schwarzflügelstare. There are possibly only less than 200 blackwinged starlings left in the wild. (Foto: Pavel Hospodárský) Schwarzflügelstar Abb. 19: Im Cikananga Wild Animal Rescue Centre (PPSC), Sukabumi, West-Java sind nun Rettungs- und Erhaltungszuchtmaßnahmen für die Nominatform des Schwarzflügelstars angelaufen. In der hier gezeigten Voliere können die Vögel sich verpaaren. Conservation measures for and captive breeding of the nominate form of the black-winged starling have recently started in Cikananga Wild Animal Rescue Centre (PPSC), Sukabumi, West Java. In this dating aviary the birds can find their mating partner. (Foto: Pavel Hospodárský) globalen Vogelschutz: Sowohl bezüglich des Artenreichtums, des Endemismusgrads als auch des Ausmaßes an Bedrohung besitzt die Insel im globalen Vergleich Spitzenwerte (VAN BALEN et al., 1999). Auf Java wurden zwei Gebiete mit einer hohen Zahl endemischer Vögel identifiziert: die Wälder und die Küstenzone (SUJATNIKA et al., 1995). Die Wälder Javas beherbergen 38 Vogelarten mit stark begrenzten Verbreitungsgebieten, wobei 25 dieser Vogelarten nur dort vorkommen (SUJATNIKA et al., 1995). Java und Bali waren 1994 Heimat für 19 bedrohte Abb. 20: Einer der männlichen Schwarzflügelstare im PPSC. One of the male black-winged starlings in PPSC. (Foto: Pavel Hospodárský) Vogelarten, während eine Art, der Java-Kiebitz (Vanellus macropterus), vermutlich ausgestorben ist (BIRDLIFE INTERNATIONAL, 2008a). Der Java-Haubenadler wurde in den 1990er Jahren unter dem damaligen Präsidenten Suharto zum Nationalvogel Indonesiens erklärt (WIDYASTUTI, 1993), um auf seine Einzigartigkeit und seine starke Bedrohung aufmerksam zu machen. Dies führte allerdings auch zu einer gestiegenen Nachfrage nach der Art auf den javanischen Vogelmärkten (NIJMAN et al., 2009) zur Privathaltung. Abb. 21: Weiblicher Schwarzflügelstar. Die ersten Nachzuchten geben Anlass zu vorsichtiger Hoffnung. Female black-winged starling. The first offspring raise hope for these birds. (Foto: Pavel Hospodárský) Neben dem Java-Pustelschwein ist der Schwarzflügelstar eine weitere vom Aussterben bedrohte Art Javas (BIRDLIFE INTERNATIONAL, 2008b). Auch für ihn laufen Rettungsmaßnahmen an. Er ist auf den Inseln Java, Bali und Madura endemisch. Es werden drei Unterarten unterschieden: S. melanopterus melanopterus bewohnt das westliche und zentrale Java und Madura, S. m. tricolor den östlichen Teil Javas und S. m. tertius Bali und Nusa Penida (BRAASCH, 2007). Bis 1960 war der Schwarzflügelstar eine weit verbreitete Art, kam in Monsunwäldern, an Waldrändern, auf landwirtschaftlichen Flächen und sogar in Dörfern vor. Leider ist er ein beliebter Käfigvogel auf Java. Die Insel ist für ihre riesigen Vogelmärkte bekannt (BRAASCH, 2007). Wildvögel werden gerne als Haustiere gehalten und wie Schnittblumen verschenkt. Auch der Einsatz von Pestiziden könnte zum dramatischen Bestandsrückgang beigetragen haben. Der Bestand der Art ist bis auf wenige Restvorkommen reduziert (SÖZER & WIRTH, 2007). Man fand den Schwarzflügelstar vor Jahren noch auf Java in Käfigen von Privathaushalten, aber auch deren Zahl nimmt nach dem Erlöschen der meisten Wildpopulationen aufgrund fehlenden Nachschubs ab. Die letzte Bestandsschätzung aus dem Jahr 2001 beläuft sich auf 2.500 bis 10.000 adulte Vögel (BIRDLIFE INTERNATIONAL, 2001). Inzwischen beträgt der frei lebende Weltbestand nur noch wenige hundert Tiere, möglicherweise sogar unter 200 Individuen (SÖZER & WIRTH, 2007). Ob noch alle drei Unterarten in Freiheit existieren, ist fraglich. Die Art wird auf der Roten Liste der IUCN als gefährdet eingestuft. Der Schwarzflügelstar ist zwar durch nationale Gesetze in Indonesien geschützt. Dies bedeutet aber leider wenig, wie die beschriebene Bestandsentwicklung klar aufzeigt (BRAASCH, 2007). In Zoologischen Gärten und bei privaten Haltern gibt es nur sehr wenige Schwarzflügelstare und bei diesen sind oftmals die Unterarten vermischt (so geschehen im Jurong Bird Park in Singapur und im Taman Mini Birdpark in Jakarta) oder sogar mit anderen Arten hybridisiert (BRAASCH, 2007). Es soll in einem Dorf im Osten Javas einige Vogelzüchter geben, die Schwarz- 181 pfau (Pavo muticus) und Schwarzflügelstar geeignet. Alle drei Arten wurden erst vor kurzer Zeit (1989 bis 2001) im Reservat ausgerottet (BRAASCH, 2007). Das PPSC begann dort vor kurzem ein Auswilderungsprogramm für den Ährenträgerpfau. Einige andere Vogelarten, Säuger und Reptilien wurden schon frei gelassen. Abb. 22: Ein männlicher Ährenträgerpfau. Auch für diese Art sind Schutzmaßnahmen angedacht. Male green peafowl. There are also plans for conservation activities for these birds. (Foto: Pavel Hospodárský) flügelstare zum Verkauf an Händler auf den javanischen Vogelmärkten züchten. Welchen Umfang dieses Gewerbe hat und ob diese Personen reinblütige Bestände einer oder mehrerer der drei Unterarten züchten, ist derzeit noch nicht bekannt (BRAASCH, 2007). Rettungsmaßnahmen für den Schwarzflügelstar Im Moment laufen Maßnahmen zur Rettung der Nominatform des Schwarzflügelstars an zwei Orten an: im Cikananga Wild Animal Rescue Centre (PPSC) in Sukabumi, das sich auch um die Rettung des Java-Pustelschweins bemüht (s. o.), und im Cikepuh Nature Reserve, ebenfalls in Westjava (BRAASCH, 2007). Das Cikepuh Nature Reserve wurde in den späten 1990er Jahren durch Holzeinschlag stark gestört, als sich 1.400 Familien illegal im Reservat niederließen. In den Jahren 1999 bis 2001 wurden diese Menschen umgesiedelt, so dass seither der Schutz dieses Gebiets wieder gewährleistet ist (BRAASCH, 2007). Durch die mit der Siedlungsaktivität verbundenen Rodungen ist das Reservat nun sogar eher wieder für die Habitatansprüche von Arten offener Flächen wie Java-Banteng, Ährenträger- Abb. 23a + b: Balzender Ährenträgerpfau im PPSC. Displaying green peafowl in PPSC. 182 Im Moment beherbergt das PPSC 53 Schwarzflügelstare, davon mehr als die Hälfte eigene Nachzuchten. Diese stammen aus Beschlagnahmungen 2002 bis 2006 durch die indonesische Regierung in Jakarta, Westjava, und Bali. Ziel ist die Etablierung und Optimierung einer ex-situ-Zuchtpopulation, deren Nachwuchs im ursprünglichen Habitat (zuerst im Cikepuh Nature Reserve) frei gelassen werden soll, um eine neue lebensfähige Wildpopulation aufzubauen. 75 % des Nachwuchses sollen für das Wiederauswilderungsprogramm verwendet werden, 25 % für die Verstärkung der ex-situ-Population. Langfristig sollen die Artenschutzaktivitäten im PPSC auf andere Arten ausgedehnt werden. Angedacht sind Maßnahmen zur Rettung des JavaLeoparden und der javanischen Population des Ährenträgerpfaus (P. m. muticus). Mit dem Schutz dieser Flagschiffarten werden weitere Lebensräume und damit unzählige weitere Arten geschützt werden. So gibt es trotz der vielfältigen Probleme und vor allem des gewaltigen Bevölkerungsdrucks vorsichtige Hoffnung, dass die einzigartige Tierwelt auf der am dichtesten besiedelten Insel im 21. Jahrhundert überleben wird. (Fotos: Pavel Hospodárský und Resit Sözer) Abb. 24: Dieses Schwarzflügelstarpaar hat zusammengefunden. New formed pair of black-winged starlings in the mating aviary. (Foto: Pavel Hospodárský) Zusammenfassung Indonesien ist der größte Inselstaat der Welt. Bisher richteten sich Artenschutzbemühungen aufgrund der dortigen starken Waldzerstörungen hauptsächlich auf die Inseln Borneo und Sumatra. Java ist die kleinste der Großen Sunda-Inseln und eine der am dichtesten besiedelten Inseln der Welt. Dort begannen die ersten Rodungen im 16. Jahrhundert und nahmen im 19. Jahrhundert zu. Aufgrund des menschlichen Bevölkerungsdrucks hat Abb. 26: Der Kleine Marabu (Leptoptilos javanicus) ist ein Aasfresser. The lesser adjutant is a scavenger. (Foto: Resit Sözer) Java die meisten seiner Wälder verloren und viele Großsäuger wie Java-Tiger und Java-Elefant starben aus oder sind wie das Java-Nashorn fast ausgestorben. Dennoch existieren immer noch viele endemische Wirbeltierarten wie Java-Pustelschwein, Java-Banteng, Schwarzflügelstar, welche dringend Schutzanstrengungen bedürfen. Die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) hat vor kurzem Artenschutzmaßnahmen für das Java-Pustelschwein (Sus verrucosus), endemisch auf Java, Madura und Bawean, und den Schwarzflügelstar (Sturnus melanopterus), endemisch auf Java, Bali und Madura, gestartet. Das Java-Pustelschwein wurde für ausgestorben gehalten, aber doch in den 1980er Jahren wieder entdeckt. Es ist durch Jagd, Habitatzerstörung und Hybridisierung mit Bindenschweinen bedroht. Es existieren nur noch wenige Hundert Tiere. Der Schwarzflügelstar war einst ein häufiger Vogel auf Java. Da die Vögel für den Verkauf auf Vogelmärkten gefangen wurden, kollabierten deren Bestände. Möglicherweise existieren nur noch 200 Vögel im Freiland. Für beide Arten wurde mit einem ex situ-Schutzprojekt im Cikananga Wild Animal Rescue Centre (PPSC) in Sukabumi in West-Java begonnen. Ziel ist, Java-Pustelschweine und Schwarzflügelstare nachzuzüchten und sie Abb. 25: Das Verbreitungsgebiet des Schwarzkopfibis (Threskiornis melanocephalus) reicht von Indien bis Japan und umfasst auch die Großen Sunda-Inseln. The range of the black-headed ibis (Threskiornis melanocephalus) reaches from India to Japan and also comprises the Greater Sunda Islands. (Foto: Pavel Hospodárský) später in gesicherten Gebieten auf Java wieder auszuwildern. In Zukunft werden diese Artenschutzmaßnahmen auch auf andere Arten wie Java-Leopard und Ährenträgerpfau ausgedehnt. Die Schutzmaßnahmen für diese Arten werden das öffentliche Interesse an der bedrohten Biodiversität Javas erhöhen und dabei helfen, andere, weniger bekannte Arten zu retten. Summary Saving Javan warty pig and blackwinged starling – species conservation on one of the most densely populated islands of the world. Indonesia is the largest island state. Conservation measures so far have focused on Sumatra and Borneo due to the heavy logging activities there. Java is the smallest of the Greater Sunda Islands and is one of the most heavily populated islands in the world. The clearing of forests started in the 16th century and increased in the 19th century. Due to these activities and human population pressure it has lost most of its forests and several large mammals like Javan tiger and Javan elephant became extinct, or almost extinct, like Javan rhinoceros. Nevertheless there are still many and often endemic vertebrate species like Javan warty pig, Javan banteng and black-winged starling, which have still survived and need conservation measures. 183 The Zoological Society for the Conservation of Species and Populations (ZGAP) has recently started conservation measures for Javan warty pig (Sus verrucosus), endemic to Java, Madura and Bawean, and black-winged starling (Sturnus melanopterus), endemic to Java, Bali and Madura. The Javan warty pig was thought to be extinct, but was rediscovered in the 1980s. It is threatened by hunting, habitat destruction and hybridization with banded pigs. Only several hundred animals of this species are left. The black-winged starling once was a common bird on Java. Due to collecting them for bird markets, the populations have collapsed and possibly only 200 birds still exist in the wild. An ex-situ breeding project was started for both species at the Cikananga Wild Animal Rescue Centre (PPSC) in Sukabumi in West Java. The aim is to breed starlings and warty pigs to release them later in safeguarded areas on Java. In the future these conservation measures will be expanded to other species like Javan leopard and green peafowl. The con- servation measures for these species will raise awareness for the endangered biodiversity on Java and will help to save other less known species there. Literatur ARIO, A., S. SUNARTO & J. SANDERSON (2008): Panthera pardus ssp. melas. In: IUCN (2009): Red List of Threatened Species. Version 2009.1. <www.iucnredlist. org>. Downloaded on 09 October 2009. BERIÉ, E., C. LÖCHEL, G. von der STEIN & T. STEINHOFF (2008): Der Fischer Weltalmanach 2009. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, Deutschland. BIRDLIFE INTERNATIONAL (2001): Threatened birds of Asia: the BirdLife International Red Data Book. 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Anschrift des Verfassers: Thiemo Braasch Arbeitskreis Java Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) Hans-Adolf-Str. 21 24306 Plön E-Mail: [email protected] 185 BAUMASCHINEN UND GmbH BAUGERÄTE Düsseldorfer Straße 183-193 · 51063 Köln Telefon (02 21) 9 64 57- 0 Fax (02 21) 9 64 57 24 Ein Begriff im Rheinland für Baumaschinen Baugeräte - Baueisenwaren Werkzeuge - Unterkünfte Warum AZ-Mitglied werden ➲ Weil Ihnen die Mitgliedschaft in Deutschlands größtem Verein Informationen zu Vogelschutz, Haltung, Zucht und Ausstellungswesen aller Vogelarten liefert ➲ Weil gemeinschaftliche Gespräche das Wissen über Ihr Hobby erhöhen ➲ Weil unsere monatliche Zeitschrift AZ-Nachrichten bereits im Mitgliedsbeitrag enthalten ist ➲ Weil AZ-Ringe amtlich anerkannt sind Darum Vereinigung für Artenschutz, Vogelhaltung und Vogelzucht (AZ) e.V. 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ZGAP Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz e.V. Franz-Senn-Straße 14 81377 München www.zgap.de 191 Nachzuchten des Kölner Zoos Bred at Cologne Zoo 3 1 1 14 2 1 1 6 2 3 Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft Zoologischer Garten Köln WaLTER GRau Mitglied des Rates der Stadt Köln Vorsitzender MOniKa MöLLER Mitglied des Rates der Stadt Köln 1. stellv. Vorsitzende PETER ZWanZGER 2. stellv. Vorsitzender BETTina HELBinG REinHaRd HOuBEn BRunO KuMMETaT MicHaEL nEuBERT Mitglied des Rates der Stadt Köln BERnd STREiTBERGER Beigeordneter BETTina TuLL Mitglied des Rates der Stadt Köln 192 19. 09. 2009 bis 11. 12. 2009 Reptilien/Amphibien Goldbaumsteiger (Dendrobates auratus) Gebänderter Färberfrosch (Dendrobates leucomelas) Schlangenhalsschildkröten (Chelodina longicollis) Spitzkopfschildkröten (Emydura subglobosa) Leopardgeckos (Eublepharis macularius) Gürtelschweif (Cordylus tropidosternum) Wickelschwanzskink (Corucia zebrata) Quittenwarane (Varanus melinus) Jemenchamäleons (Chamaeleo calyptratus) Königspythons (Python regius) 2 2 1 1 4 1 2 4 Vögel Straußwachteln (Rollulus rouloul) Grauflügel-Trompetervögel (Psophia crepitans) Rotkappen-Fruchttaube (Ptilinopus pulchellus) Prachtfruchttaube (Ptilinopus superbus) Wellensittiche (Melopsittacus undulatus) Türkis-Feenvogel (Irena puella) Rotschwanzhäherlinge (Garrulax milnei) Balistare (Leucopsar rothschildi) 1 1 2 2 Säugetiere Erdmännchen (Suricata suricatta) Przewalskipferd (Equus caballus przewalskii) Onager (Equus onager onager) Hirschziegenantilopen (Antilope cervicapra) Impressum ZEiTScHRiFT dES KöLnER ZOOs früher FREundE dES KöLnER ZOO Zoologischer Garten Riehler Straße 173, 50735 Köln Telefon (0221) 7785-0 · Telefax (0221) 7785-111 E-Mail-adresse: [email protected] internet: www.koelnerzoo.de Postbankkonto Köln nr. 28800-506, BLZ 37010050 Herausgeber: aktiengesellschaft Zoologischer Garten Köln, Theo Pagel, Vorstandsvorsitzender Redaktion: Heidi Oefler-Becker, Theo Pagel, dr. alex Sliwa Telefon (0221) 7785-195 E-Mail-adresse: [email protected] die Zeitschrift erscheint seit 1958 vierteljährlich. nachdruck von Text und Bildern nur mit Genehmigung des Herausgebers. Lithos, Satz, druck: druckhaus duisburg OMd GmbH, 47053 duisburg anzeigenannahme: Heidi Oefler-Becker c/o Zoologischer Garten Riehler Straße 173, 50735 Köln Telefon (0221) 7785-101 · Telefax (0221) 7785-176 [email protected] Gedruckt auf holzfrei weiß, chlorfreiem Papier Printed in Germany imprimé en allemagne iSSn 0375-5290 Gehen Sie nicht auf Tauchstation. Mit uns ist Vorsorge ein Leichtes! Krankheit, Unfall, karge Rente – wenn man sich die Reihe möglicher und wahrscheinlicher Probleme in seinem Leben mal vor Augen hält, möchte man am liebsten auf Tauchstation gehen und sagen „Da wird schon nix passieren!“ Ist aber leider unwahrscheinlich. Ganz abgesehen davon, dass Ihrem Hab und Gut etwas zustoßen kann, müssen Sie vor allem für sich selbst und Ihre Zukunft vorsorgen. Mit dem richtigen Partner ist das ein Leichtes – zum Beispiel mit uns. Denn wir haben eine Reihe von Vorsorgemöglichkeiten entwickelt, die Sie interessieren werden. 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