Martina Pucher Kinder im WWW DISSERTATION - Alpen

Transcription

Martina Pucher Kinder im WWW DISSERTATION - Alpen
I
Martina Pucher
Kinder im WWW
Ein Interventionsforschungsprojekt mit Elementen aus der
Theaterpädagogik
DISSERTATION
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der Philosophie
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung
1. Begutachterin: ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Larissa Krainer
Institut für Interventionsforschung und Kulturelle
Nachhaltigkeit
2. Begutachterin: ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Carina Paul-Horn
Institut für Interventionsforschung und Kulturelle
Nachhaltigkeit
Klagenfurt, Juli 2011
II
Errata – Literaturverzeichnis
Behmer, Markus/Krotz, Friedrich/Stöber, Rudolf/Winter, Carsten (Hrsg.) (2003):
Medienentwicklung und gesellschaftlicher Wandel. Beiträge zu einer theoretischen und
empirischen Herausforderung. Wiesbaden
Devereux, Georges (1973): Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften. München
Falk, Gerhard/Heintel, Peter/Krainz, Ewald E. (Hrsg.)(2005): Handbuch Mediation und
Konfliktmanagement. Schriften zur Gruppen- und Organisationsdynamik. Band 3. Wiesbaden
Fend, Helmut (2003): Entwicklungspsychologie des Jugendalters: ein Lehrbuch für pädagogische
und psychologische Berufe. 3. durchges. Auflage. Opladen
Goldmann, Harald (2006): Überlegungen zur Beobachtungspraxis. In: Heintel, Peter/Krainer,
Larissa/Paul-Horn, Ina (Hrsg.): Beiträge zur Interdisziplinären Ringvorlesung
Interventionsforschung. Band 4. 89 – 94
Guenther, Tina/Schmidt, Jan (2008): Wissenstypen im „Web 2.0“ – eine wissenssoziologische
Deutung von Prodnutzung im Internet. In: Willems, Herbert (Hrsg.): Weltweite Welten. InternetFigurationen aus wissenssoziologischer Perspektive. Wiesbaden. 167 – 187
Hacking, Ian (2002): Was heißt „soziale Konstruktion“? Zur Konjunktur einer Kampfvokabel in
den Wissenschaften. 3. Auflage. Frankfurt am Main
Heintel, Peter (2006): Interventionsforschung: Wissenschaft als kollektive Entscheidung. In:
Heintel, Peter/Krainer, Larissa/Paul-Horn, Ina (Hrsg.): Beiträge zur Interdisziplinären
Ringvorlesung Interventionsforschung. Band 4. 45 – 58
Hoffmann, Christel (2008): Die Kunst des Spielleiters. In: Hoffmann, Christel/Israel, Annett
(Hrsg.): Theater spielen mit Kindern und Jugendlichen. Konzepte, Methoden und Übungen. 4.
Auflage. Weinheim und München. 13 – 33
Johnstone, Keith (2002): Improvisation und Theater. Berlin
Kesselring, Thomas (2010): Die Rationalität der Emotionen. Eine Ergänzung zu Piagets Theorie.
In: Fetz, Reto Luzius/Seidenfuß, Benedikt/Ullrich, Sebastian (Hrsg.): Whitehead – Cassirer –
Piaget. Unterwegs zu einem neuen Denken. Freiburg im Breisgau. 221 – 248
Krobath, Thomas/Heller, Andreas (Hrsg.) (2010): Ethik organisieren. Handbuch der
Organisationsethik. Freiburg im Breisgau
Kohler, Richard (2009 [auf S. 214 dieser Arbeit fälschlicherweise 2010; Anm. d. Verf.]): Piaget
und die Pädagogik. Eine historiographische Analyse. Bad Heilbrunn
Maix, Christa Maria (2006): Das Zürcher Modell der Ethnopsychoanalyse als
Forschungsmethode. In: Heintel, Peter/Krainer, Larissa/Paul-Horn, Ina (Hrsg.): Beiträge zur
Interdisziplinären Ringvorlesung Interventionsforschung. Band 4. 67 – 88
Malinowski, Bronislaw (1961): Argonauts of the Western Pacific. New York
Nielsen, Jakob (1996): Multimedia, Hypertext und Internet. Grundlagen und Praxis elektronischen
Publizierens. Braunschweig/Wiesbaden
Postman, Neil (1985): Das Verschwinden der Kindheit. 9. Auflage. Frankfurt am Main[S. 18
dieser Arbeit 1982, was der 1. Auflage entspricht; Anm. d. Verf.]
Rommel, Herbert (2007): Normenkonflikte und Abwägungsprozesse. Moderne Schlüsselprobleme
in der ethischen Bildung. Freiburg [u.a.]
Schwarz, Gerhard (1997): Konfliktmanagement. Sechs Grundmodelle der Konfliktlösung.
Wiesbaden
Silverman, Hugh J. (2006): Zwischenzonendenkforschung als Interventionsforschung ohne
Intervention. In: Heintel, Peter/Krainer, Larissa/Paul-Horn, Ina (Hrsg.): Beiträge zur
Interdisziplinären Ringvorlesung Interventionsforschung. Band 4. 59 – 66
Steinmaurer, Thomas (2003): Medialer und gesellschaftlicher Wandel. Skizzen zu einem Modell.
In: Behmer, Markus/Krotz, Friedrich/Stöber, Rudolf/Winter, Carsten (Hrsg.): Medienentwicklung
und gesellschaftlicher Wandel. Beiträge zu einer theoretischen und empirischen Herausforderung.
Wiesbaden. 103 – 134
Turkle, Sherry (1998): Leben im Netz: Identität in Zeiten des Internet. Reinbek b. Hamburg
III
EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit
selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten
selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die
angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten oder
dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen
Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche
Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben
gekennzeichnet.
Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich
signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.
Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt
worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und in elektronischer Form abgegeben.
Ich bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der
gedruckten Version übereinstimmt.
Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.
Klagenfurt, am 13. Juli 2011
I
Inhaltsverzeichnis
VORWORT UND DANKSAGUNG...................................................................... 1
1
2
EINLEITUNG ................................................................................................. 5
1.1
THEMA DER ARBEIT ................................................................................. 6
1.2
METHODISCHE VORGEHENSWEISE ............................................................ 9
1.3
AUFBAU DER ARBEIT ............................................................................. 12
VERORTUNG DES THEMAS .................................................................... 16
2.1
DAS KIND IN UNS – EIN GENERATIONENKONFLIKT? .............................. 18
2.2
MEDIENKINDHEIT – EINE SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT?......................... 28
2.3
DAS MITMACH-INTERNET IN DER KINDLICHEN LEBENSWELT ................ 34
3
DAS PROZESSETHISCHE MODELL ALS LÖSUNGSANSATZ ............ 43
4
WAS IST INTERVENTIONSFORSCHUNG? ............................................ 63
5
4.1
ZUR GRUNDAXIOMATIK DER INTERVENTIONSFORSCHUNG .................... 65
4.2
SETTINGS UND METHODEN DER INTERVENTIONSFORSCHUNG ................ 71
4.3
DAS DOKTORANDINNENKOLLEG INTERVENTIONSFORSCHUNG .............. 80
4.4
REFLEXION „WAS IST INTERVENTIONSFORSCHUNG FÜR MICH?“............ 83
PROZESSORIENTIERTE BETRACHTUNG DES
INTERVENTIONSFORSCHUNGSPROJEKTES ............................................... 86
5.1
CHRONOLOGISCHER ÜBERBLICK ............................................................ 86
5.2
DIE EINZELNEN PHASEN DER FORSCHUNG ............................................. 88
5.2.1
Planungs- und Vorbereitungsphase .................................................. 90
5.2.2
Erhebungsphase – das Forschen im System Schule.......................... 93
5.2.3
Dokumentations- und Interpretationsphase ...................................... 95
5.2.4
Rückkoppelungsphase ....................................................................... 97
5.3
6
REFLEXION ZUM PROZESSVERLAUF ..................................................... 102
DOKUMENTATION DER AUSWERTUNGSPROZESSE ...................... 104
6.1
DOKUMENTATION DER TEILNEHMENDEN BEOBACHTUNGEN ............... 105
6.2
KINDERZEICHNUNGEN ALS BESTANDTEIL DER FORSCHUNG ................ 120
II
6.3
7
DOKUMENTATION EINER INTERVIEWAUSWERTUNG ............................. 132
DOKUMENTATION DER RÜCKKOPPELUNGEN ............................... 143
DURCHFÜHRUNG DER RÜCKKOPPELUNG VS I...................................... 144
7.2
DURCHFÜHRUNG DER RÜCKKOPPELUNG VS II .................................... 159
7.3
REFLEXION ZUR RÜCKKOPPELUNG ...................................................... 171
8
7.1
THEATERPÄDAGOGIK ALS INSTRUMENT DER RÜCKKOPPELUNG
INTERVENTIONSWISSENSCHAFTLICHER FORSCHUNG ....................... 172
9
KONZEPT FÜR EIN INTERAKTIVES THEATERPÄDAGOGISCHES
PROJEKT............................................................................................................ 187
10
ZENTRALE ERGEBNISSE UND HINTERGRUNDTHEORIEN ........... 195
10.1
VOLKSSCHULE ALS ORT DER FORSCHUNG ........................................... 197
10.2
COMPUTER IM ALLGEMEINEN .............................................................. 201
10.3
KINDLICHE SICHTWEISE ZUM THEMA WWW IN EINER WELT DER
ERWACHSENEN ................................................................................................ 203
10.4
BEWAHREN UND/ODER VERÄNDERN? .................................................. 211
10.5
GIBT ES SINNVOLLE KONFLIKTE? ......................................................... 213
10.6
APORIEN ALS SCHLÜSSELSTELLEN ....................................................... 215
11
RESÜMEE UND AUSBLICK ................................................................... 218
12
LITERATURVERZEICHNIS .................................................................... 223
13
ANHANG ................................................................................................... 235
13.1
EINVERSTÄNDNISERKLÄRUNG ............................................................. 235
13.2
EINVERSTÄNDNISERKLÄRUNG KINDERZEICHNUNGEN ......................... 237
13.3
PROTOKOLL DER ERSTEN TEILNEHMENDEN BEOBACHTUNG ................ 238
13.4
PROTOKOLL DER ZWEITEN TEILNEHMENDEN BEOBACHTUNG .............. 243
13.5
TRANSKRIPTIONEN DER (GRUPPEN-)INTERVIEWS ................................ 248
13.5.1 Anonymisierungscode: S-GIV 1 .......................................................... 1
13.5.2 Anonymisierungscode: S-GIV 2 .......................................................... 1
13.5.3 Anonymisierungscode: S-GIV 3 .......................................................... 1
13.5.4 Anonymisierungscode: S-GIV 4 .......................................................... 1
III
13.5.5 Anonymisierungscode: IVP E1 ........................................................... 1
13.5.6 Anonymisierungscode: IVP E2 ........................................................... 1
13.5.7 Anonymisierungscode: IVP L1............................................................ 1
13.5.8 Anonymisierungscode: IVP L2............................................................ 1
13.5.9 Anonymisierungscode: IVP L3............................................................ 1
Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG 2.1: FUNKTIONSVIELFALT DER MEDIEN ............................................. 30
ABBILDUNG 2.2: MEDIENKOMPETENZ NACH BAACKE ........................................... 32
ABBILDUNG 3.1: ÜBERBLICK DER NOTWENDIGEN WIDERSPRÜCHE........................ 47
ABBILDUNG 3.2: PROZESSETHIK ALS NOTWENDIGE INSTANZ ................................. 59
ABBILDUNG 4.1: WISSENSCHAFTLICHE ERGEBNISSE DER
INTERVENTIONSFORSCHUNG .......................................................................... 70
ABBILDUNG 5.1: CHRONOLOGISCHER ÜBERBLICK DER EMPIRISCHEN FORSCHUNG 87
ABBILDUNG 5.2: PHASEN DES FORSCHUNGSPROJEKTES ......................................... 89
ABBILDUNG 5.3: ÜBERSICHT DATENERHEBUNGEN ................................................ 95
ABBILDUNG 6.1: PRÄSENTATION DER ZEICHNUNGEN DER
FORSCHUNGSPARTNERINNEN VS II ............................................................. 120
ABBILDUNG 6.2: WAS MACHE ICH GERNE IN MEINER FREIZEIT? .......................... 123
ABBILDUNG 6.3: WAS MACHE ICH GERNE AM PC? ............................................... 126
ABBILDUNG 7.1: EINLADUNG ZUR PRÄSENTATION DER ZWISCHENERGEBNISSE .. 145
ABBILDUNG 7.2: KEILRAHMENBILD FORSCHUNGSPARTNERINNEN VS I .............. 152
ABBILDUNG 7.3: ZEICHNUNGEN DER FORSCHUNGSPARTNERINNEN VS II ........... 160
ABBILDUNG 7.4: KEILRAHMENBILD FORSCHUNGSPARTNERINNEN VS II ............. 163
ABBILDUNG 7.5: CHARAKTERE FÜR DAS ROLLENSPIEL........................................ 165
ABBILDUNG 7.6: STICHWORTKARTEN FÜR DAS ROLLENSPIEL.............................. 166
IV
Abkürzungsverzeichnis
IFF
…
Interuniversitäres Institut für interdisziplinäre Forschung und
Fortbildung der Universitäten Wien, Innsbruck, Klagenfurt und
Graz
IKN
…
Institut für Interventionsforschung und Kulturelle Nachhaltigkeit
DKI
…
DoktorandInnenkolleg für Interventionsforschung
IFO
…
Interventionsforschung
RK
…
Rückkoppelung
FP
…
ForschungspartnerInnen
VS I
…
ForschungspartnerInnen Volksschule Land
VS II …
ForschungspartnerInnen Volksschule Stadt
IV
…
InterviewerIn bzw. Interview
IVP
…
InterviewpartnerIn
S-GIV …
SchülerInnen-Gruppeninterview (Anonymisierungscode)
IVP E …
InterviewpartnerInnen Eltern (Anonymisierungscode)
IVP L …
InterviewpartnerInnen LehrerIn (Anonymisierungscode)
a.a.O. …
am angegebenen Ort
bzw.
…
beziehungsweise
d.h.
…
das heißt
u.a.
…
unter anderem
usw.
…
und so weiter
1
VORWORT UND DANKSAGUNG
Perfektionismus ist nicht die Suche nach dem Besten.
Er ist eine Beschäftigung mit dem Schlechtesten in uns,
dem Teil, der uns sagt, dass nichts von dem, was wir tun,
gut genug sein wird – und dass wir es noch einmal versuchen sollten.
JULIA CAMERON
W
oher nehme ich die ZEIT, um eine perfekte Dissertation zu verfassen?
Was bedeutet perfekt überhaupt? Und ist es nicht so, dass Perfektionisten
früher sterben? Es war an der ZEIT den Perfektionismus abzulegen. Es war an der
ZEIT – immer wieder begleitete mich das Wort ZEIT. Und ich wollte und will
meine Sache irgendwie trotzdem perfekt machen – ZEIT für meine Kinder haben,
ZEIT für ein gutes Leben, ZEIT um Geld zu verdienen und es auszugeben. Ich
lernte ZEIT zu schätzen. Ich nahm mir ZEIT, um zu überlegen und klare Gedanken
zu fassen. ZEIT um zu lesen. ZEIT um zu schreiben – ein einsamer und manchmal
steiniger Weg – ein Weg, der durch den Mangel an ZEIT unendlich zu sein schien.
Ich war auf der Suche nach ZEIT, um in der unendlichen Anhäufung von
geschriebenen Worten jene zu finden, die nach eigenem Ermessen wirklich Sinn
ergeben. Sich ZEIT zu geben, auf alle Sinne zu hören und ZEIT zu haben, um auch
über Sinn-loses nachzudenken. ZEIT zum Lernen – ein Leben lang? ZEIT haben für
Erfahrungen und für Neues. Woher nehme ich die ZEIT? Alles gleichZEITig und
am besten sofort – das ist unmöglich, das weiß ich jetzt.
W
ohin führte mich meine LebensZEIT? Es ist an der ZEIT DANKE zu
sagen. Ich sage
DANKE
für die Möglichkeit, die Wissenschafterin in mir
zu neuem Leben zu erwecken und ZEIT zu finden, um zu
DENKEN,
mich zu
und mich zu
AN(ZU)HALTEN,
NACH(ZU)FRAGEN,
KÜMMERN
ENTWICKELN.
Vor allem danke ich meiner Familie. Meinem Mann, ING. HERFRIED PUCHER, der
mich unentwegt zum Weitermachen motiviert und mir ZEIT zum Schreiben
2
gegeben hat. Meinen beiden Töchtern, CELINE und ELENA, danke ich aus tiefstem
Herzen, dass sie mich in dieser Phase meines Lebens ertragen und mit ihrer Liebe
getragen haben. Ich danke meinen Eltern, ELFRIEDE und RICHARD ZWANTSCHKO,
und meinen Geschwistern, SONJA, HANSI, TANJA und BRIGITTE, für die liebevolle
Unterstützung. Ich bedanke mich bei all meinen Freunden und meinen
StudienkollegInnen aus der guten alten ZEIT – ein lieber Gruß an euch.
Ganz besonders danke ich meiner Erst-Betreuerin Univ.-Prof. Dr. LARISSA
KRAINER für ihre Geduld und Unterstützung im gesamten Forschungsprozess
sowie meiner Zweit-Gutachterin Univ.-Prof. Dr. CARINA PAUL-HORN für die
engagierte
Unterstützung
im
Rahmen
des
DoktorandInnenkollegs
für
Interventionsforschung. Außerdem danke ich allen Lehrenden und KollegInnen
am Institut für Kulturelle Nachhaltigkeit und Interventionsforschung und
besonders Frau INGRID RINGHOFER, der guten Seele des Instituts. Für das Lektorat
bedanke ich mich bei Frau Mag. KATRIN DOBERNIG, Frau Mag. ANDREA GRUBER
sowie BRIGITTE EISELT.
W
ozu nun dieses Theater? Der Wunsch, mit meiner Forschung den
ForschungspartnerInnen etwas zurückzugeben, dieser Wunsch konnte
durch die Methode der Interventionsforschung mitgetragen werden, wenngleich
der Nutzen, den die ForschungspartnerInnen für sich hatten oder haben,
ausschließlich von den selbigen individuell bestimmt oder erfahren werden
konnte. Der Einsamkeit als Forscherin wurde gegengesteuert, indem zahlreiche
Gruppenprozesse in meine Forschungsarbeit einflossen. Auf diesem Wege möchte
ich
mich
bei
meinen
KollegInnen
des
DoktorandInnenkollegs
für
Interventionsforschung bedanken. Im Besonderen danke ich Dr. JAN SEMMLER,
Dr. DIETMAR RANFTLER sowie allen KollegInnen aus dem DissertantInnenseminar. Ich danke euch für die ZEIT, für die Assoziationen, für die spannenden
Interpretationen und Hypothesen. So wurde der einsame Prozess durch zahlreiche
Teamsitzungen gelöster und mit Außensichten angereichert.
3
Diese Dissertation richtet sich an im Erziehungs- und Bildungsbereich-Tätige, an
Eltern, Studierende, aber auch an Kinder. Aus diesem Grund wird ein Konzept
erarbeitet, das in Form eines theaterpädagogischen Projektes zusammenfassend
ein stimmiges Bild für Kinder werden soll – und hinausgetragen in Schulklassen –
zu einem lebendigen, sich ständig weiterentwickelnden Gedankengut werden
kann. Das ist keine Arbeit gegen die Computerskepsis, aber auch kein Werk zur
Beweisführung, dass Computer schlau machen. Die Arbeit soll zum Reflektieren
anregen und auf Forschungsmethoden neugierig machen – zu individueller
Forschung anregen – ich beobachte mich selbst – also bin ich.
„Welchen Preis zahlen wir für Offenheit und Freimütigkeit?“ fragt sich NEIL
POSTMAN (1985: 104) in seinem kulturkritischen Werk vom Verschwinden der
Kindheit und bemerkt, dass es viele Antworten auf diese Frage gäbe und die
meisten von ihnen würden wir gar nicht kennen. Wissenschaft bedeutet für mich
Fragen zu stellen, wenngleich mir durchaus bewusst ist, dass es für nichts eine
letzte Antwort gibt. Dieses unermüdliche Fragen soll zum Denken anregen und
somit wäre es ein Ziel dieser Dissertation, zum Denken anzuregen. Ich schließe
mein Vorwort ganz bewusst mit einem Zitat des vielzitierten Medien- und
Kulturkritikers NEIL POSTMAN (a.a.O.):
„Aber eines ist klar: wenn wir Kindern in großem Umfang
Erwachsenenwissen aushändigen, dann kann und wird die Kindheit nicht
überleben. Erwachsenheit bedeutet per definitionem, daß die Rätsel gelöst
und die Geheimnisse gelüftet sind. Aber wenn die Kinder von Anfang an
die Rätsel und Geheimnisse kennen, wie sollen wir sie dann noch von allen
anderen unterscheiden?“
Dieses Zitat weckt in mir ambivalente Gefühle – wie kann von einem
Verschwinden der Kindheit gesprochen werden oder was heißt es, erwachsen zu
sein und alle Rätsel und Geheimnisse zu kennen? Dieses kritisch zu betrachtende
Zitat hat in meinem Kopf einen Denkprozess angeregt, der sich, wie ich glaube,
durch die gesamte Dissertation fortführt. Schließlich werde ich versuchen, die
Wissenschaftssprache in den Hintergrund zu stellen und diese Dissertation als
Brücke zwischen Wissenschaft und Alltagspraxis zu erbauen.
4
Die kursive Schreibweise wird in dieser Arbeit zum Hervorheben verwendet. Zur
leichteren
Lesbarkeit
wird
bei
Transkriptionen
von
Rollenspielen
die
Zusatzinformation auch kursiv geschrieben.
Die AutorInnen der verwendeten Literatur werden in Kapitälchen geschrieben,
was von meiner Seite als Wertschätzung angedacht ist. In dieser Arbeit wird die
amerikanische Zitierweise verwendet, d.h. die Quelle wird direkt nach dem Zitat
vermerkt. Lediglich bei zahlreichen AutorInnen, Verweisen auf Internetquellen
oder für zusätzliche Informationen wird eine Fußnote verwendet.
Bei meinen kindlichen ForschungspartnerInnen handelt es sich um SchülerInnen
im Alter von acht bis elf Jahren, daher verwende ich in dieser Arbeit sowohl die
Bezeichnung SchülerInnen als auch Kinder und distanziere mich von einer
Unterscheidung.
5
1 EINLEITUNG
Das WWW in der kindlichen Lebenswelt und die Weltsicht des Erwachsenen.
Woher kommt es?
Wohin führt es?
Wozu dieses Theater?
Ein Hinterfragen von scheinbar selbstverständlichen Entwicklungen.
Diese Dissertation richtet sich nicht ausschließlich an das wissenschaftliche
Publikum, da sie sich vor allem im empirischen Teil an den ForschungspartnerInnen unterschiedlicher Generationen und ihrem alltäglichen Erleben
orientiert und für diese als Erkenntnisfläche und Reflexionsebene angesehen
werden soll. Der Versuch des Herstellens einer gemeinsamen Sichtweise
unterschiedlicher Generationen stellt einen Prozess dar, der nur in aktiver
Zusammenarbeit aller Betroffenen gelingen kann. Diesen Weg zu beschreiben und
als wesentlichen Aspekt dieser Forschung zu dokumentieren, gilt als erster Schritt
des Erlernens der Kunst der Nachdenklichkeit. Wie kann ich mich und auch die
LeserInnen meiner Dissertation zum Selbstdenken befähigen?
Der Weg und nicht die Präsentation eines fertigen Gedankengebäudes soll im
Fokus
vorliegender
Interventionsforschung
Dissertation
sein
begreifbar
und
und
auf
erfahrbar
diesem
gemacht
Wege
kann
werden.
Ein
Brückenschlag hin zum anerkannten alltäglichen Wissen soll unternommen und
ein neuer Denkrahmen als Annäherung an Transdisziplinarität (Einbeziehung der
Betroffenen in die Forschung) und den Grundgedanken der Partizipation
geschaffen werden.
6
1.1 THEMA DER ARBEIT
Warum beschäftigt sich gerade dieser Mensch
in dieser Zeit mit diesem Gegenstand?
EWALD E. KRAINZ
Meine Herkunftsdisziplin ist die Publizistik und Kommunikationswissenschaft.
Seit März 2006 arbeite ich als Theaterpädagogin für das Österreichische Zentrum
für Kriminalprävention1 am Projekt Mein Körper gehört mir2, das 1994 von
ANNA PALLAS und REINHARD GESSE,
LeiterIn der Theaterpädagogischen
Werkstatt3 in Osnabrück, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kinderschutzbund,
der
Arbeitsgemeinschaft
Kinder-
und
Jugendschutz
(AJS),
der
Niedersächsischen Polizei und weiteren Organisationen entwickelt wurde. Seit
2001 wird Mein Körper gehört mir auch in Österreichischen Volksschulen
angeboten und bis heute wurden damit rund 82.000 Volksschulkinder und rund
44.000 LehrerInnen und Eltern in Österreich gestärkt. Es handelt sich um ein
interaktives,
theaterpädagogisches,
mehrteiliges
Projekt,
das
sexuellem
Missbrauch an Kindern präventiv entgegentritt. Ziel ist es, Strategien zu
vermitteln, die sowohl Eltern, PädagogInnen und Kindern mehr Sicherheit im
Alltag geben sollen. Kinder werden in ihrem Wissen gestärkt, dass ihr Körper ihr
persönliches Eigentum ist. Er gehört ihnen und nur sie wissen, wie ihr Körper
fühlt. Basierend auf der Präsentation des gesamten Projektes an einem
Elternabend, werden in diesem für Kinder dreiteiligen Theaterprojekt mit viel
Einfühlungsvermögen Probleme und Konflikte theaterpädagogisch dargestellt und
gemeinsam mit den Kindern Lösungen erarbeitet. Die Kinder lernen ihre Ja- und
Nein-Gefühle zu erkennen und diese auszudrücken. Sie erfahren wie sie sich
verhalten, wenn sie einem Exhibitionisten begegnen. Anbahnungsversuche von
SexualstraftäterInnen über das Internet sowie die Schuldfrage im Falle eines
sexuellen Missbrauchs werden thematisiert und die Gefahren des Chattens
diskutiert. Sie üben die drei Fragen4, die ihnen in der Begegnung mit fremden
1
Vgl. http://www.aktiv4u.at (Stand: 25. 01. 2011).
Vgl. http://www.aktiv4u.at/mein_koerper_gehoert_mir_fakten.php (Stand: 25. 01. 2011).
3
Vgl. http://www.theaterpaed-werkstatt.de (Stand: 25. 01. 2011).
4
Die drei Fragen für Fremde lauten: 1. Hab ich ein Ja- oder ein Nein-Gefühl? Weiß eine vertraute
Person wo ich bin? Bekomme ich Hilfe, wenn ich Hilfe brauche?
2
7
Personen beim Einschätzen unklarer Situationen helfen können und erhalten eine
kindgerechte Definition von sexuellem Missbrauch. Ganz wesentlich erscheint
auch die Unterscheidung von guten und schlechten Geheimnissen. Es ist wichtig,
über schlechte Geheimnisse zu reden und sich einem Erwachsenen anzuvertrauen,
damit es einem nachher wieder gut geht. Für die Autoren des Stückes, ANNA
PALLAS und REINHARD GESSE, stehen die Selbstbestimmung und die Stärkung der
Position der Kinder im Mittelpunkt.
In diesem Zusammenhang wurde ich im Rahmen einer Fachtagung der
Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück auf die Thematik Kinder im Netz –
Chancen und Risiken aufmerksam. Begeistert von der aktiven Prävention wurde
mein Interesse an der Interventionsforschung geweckt. Was ist und was
beansprucht Interventionsforschung? Was kann ich erforschen? Da ich derzeit mit
Kindern der dritten und vierten Klasse Volksschule arbeite, werde ich meine
Forschung auch auf diese Altersgruppe (Kinder im Alter von acht bis elf Jahren)
beschränken und ihr Weltbild in einer Welt ohne Grenzen zu erfragen versuchen.
Wie sehen die Erwachsenen die Lebenswelt ihrer Kinder?
Wie ein Leben im Netz (TURKLE 1998: 10) aussehen kann, vermag ich in dieser
Arbeit nicht zu beantworten; aber der Gedanke, dass es im gesamten Bereich des
Internets oftmals unsere Kinder sind, „die uns den Weg weisen, und wir
Erwachsenen hinken ängstlich hinter ihnen her“, dieser Gedanke soll als
Ausgangspunkt der Forschung dienen. Wenngleich ALDOUS HUXLEYS Gedanke in
seiner Dystopie Schöne neue Welt aus dem Jahr 1932, wonach die Menschen
anfangen, ihre Unterdrückung zu lieben und die Technologien anzubeten, die
sodann ihre Denkfähigkeit zunichtemachen, nicht im wissenschaftlichen Kontext
bestehen kann, so denke ich dennoch, dass vor allen Dingen heute dieses
zunehmende „ich kann ohne mein Handy nicht mehr leben“ und die Vorstellung,
das Internet könnte ausfallen, für die Menschheit dem Untergang gleichkommen
könnte, zwar als Erscheinungen unserer Zeit akzeptiert werden, eine kritische
Betrachtung dieser Entwicklungen aber mehr als angemessen erscheint.
8
Es wäre gewiss ein Leichtes zu sagen, es gibt bereits unzählige wissenschaftliche
Auseinandersetzungen mit dem Thema Internet, auch Ratgeber für den richtigen
Umgang mit dem World Wide Web sind vielfach im Netz zu finden, ebenso stößt
man immer wieder auf Flyer oder Broschüren, wo der richtige Umgang mit dem
heute alltäglichen Medium Internet aufgezeigt wird; wozu also eine weitere
Auseinandersetzung mit dieser Thematik? In den Medien finden wir Berichte über
die rasante Entwicklung, auftretende Probleme, Neuerungen, Straftaten und
Risiken. Das Internet ist nicht schlecht, es erleichtert das Leben und bietet
unzählige Möglichkeiten, aber es birgt auch ungeahnte Gefahren. Kinder wachsen
ganz selbstverständlich mit diesem weltweiten Netz auf, sie wissen durchaus, dass
sie aus diesem Netz alles Wissen schöpfen können. Sie sind Meister im Googeln.
Die Frage nach selbstgesteuertem Lernen und eigenverantwortlichem kindlichen
Handeln drängt sich aus meiner Sicht auf. Aus meiner Praxis als
Theaterpädagogin weiß ich, dass Eltern zumeist keine Ahnung haben, was ihre
Kinder im Internet so machen. Es ist auch oft eine Frage der Zeit. Berufstätigen
Eltern fehlt die Möglichkeit, ihren Kindern das zu schenken, was heute zur
Mangelware geworden ist – nämlich Zeit. Manchmal ist es auch Bequemlichkeit,
sich nicht ständig um das kümmern zu wollen, was das Kind im Umgang mit dem
WWW erlebt. Das Internet und der Computer können so wie das Fernsehen auch
als Babysitter missbraucht werden. Auch ist es in einem gewissen Alter einfach
cool online zu sein, und um mitreden zu können, muss man dabei sein.
Zweifelsohne brauchen Kinder auch Privatsphäre – ein Wort, das in seiner
Bedeutung einen Wandel zu durchlaufen scheint; dennoch sollten Eltern die
Internetnutzung ihrer Kinder begleiten und überprüfen. Kinderschutzprogramme
können hilfreich sein, werden aber vielfach von Kindern bereits umgangen.
Heutige Kinderkulturen begründen sich über Filme, Videoclips, über die
Musikszene, die Werbung und vor allem über das Internet. Kreieren bereits
Kinder ihre eigene Ausdruckswelt? Ohne Zweifel treten sie als Konstrukteure
ihrer Welt auf. Die Selbstverständlichkeit, mit der Kinder heute bereits mit dem
WWW umgehen, lässt oftmals in den Köpfen der Erwachsenen Ängste
9
aufkommen,
wie
beispielsweise
vor
der
wachsenden
Wissenskluft
beziehungsweise der sogenannten digitalen Spaltung, dem Digital Divide (vgl.
beispielsweise BLEICHER 2010: 85; FUNIOK 2007: 187 ff.). Für diese Arbeit ist
jedoch weniger die globale Betrachtung der Teilung in Onliner und Offliner oder
Informationselite und Informationsproletariat von Interesse, sondern vielmehr der
Blick auf die unterschiedlichen Altersgruppen innerhalb der europäischen
Gesellschaft. Im Mittelpunkt stehen das Individuum und seine unmittelbare
Lebenswelt. Das Internet spaltet einerseits Generationen, kann aber andererseits
gleichzeitig verbindend wirken. Hierbei denke ich an Situationen, wo Kinder der
älteren Generation den Zugang zum Internet erklären. Mein Ausgangspunkt war,
die alltägliche Online-Nutzung von Kindern und die Gedanken ihrer Eltern zu
beleuchten – was sagen, wissen und denken Kinder über das World Wide Web?
Wie stehen ihre Eltern der Online-Nutzung ihrer Kinder gegenüber? – und dies
mittels der Interventionsforschung zu untersuchen. Auch das Hinterfragen dieser
scheinbar selbstverständlichen Entwicklungen habe ich zu meiner Aufgabe
gemacht.
1.2
METHODISCHE VORGEHENSWEISE
Ein zentrales Element, das Herzstück jeder Forschung ist die Formulierung und
Ausdifferenzierung der Fragestellung. Was ist mir wichtig? Was will ich
erforschen? Meine Forschungsfragen lauteten:
Wie
lassen
sich
die
unterschiedlichen
Sichtweisen,
die
erwachsenenzentrierte und die kindzentrierte Perspektive zur Thematik:
Das WWW in der kindlichen Lebenswelt beschreiben?
Welche Motive, Ängste, Einstellungen herrschen in der Welt der
Erwachsenen und wie sehen Kinder ihre vernetzte Welt? Wie kann
gegenseitiges Verständnis erreicht werden?
10
Ist
Theaterpädagogik
als
Instrument
interventionswissenschaftlicher
Forschung
der
Rückkoppelung
beziehungsweise
in
der
Forschung mit Kindern dienlich?
Was habe ich getan, um die Forschungsfragen zu beantworten? Die vorliegende
Arbeit ist im Rahmen des Interdisziplinären DoktorandInnenkollegs für
Interventionsforschung (DKI) entstanden, das im Wintersemester 2005/2006 am
Institut für Interventionsforschung und Kulturelle Nachhaltigkeit (IKN) an der
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt eingerichtet wurde. Im Zuge dieser
Dissertation wurde ein Interventionsforschungsprojekt an zwei Kärntner
Volksschulen durchgeführt. Die ForschungspartnerInnen waren somit Kinder im
Alter von acht bis elf Jahren, deren Eltern sowie die PägagogInnen dieser
Schulen.
Mittels
teilstrukturierter
der
Methoden
(Einzel-
und
Interventionsforschungsprojekt
der
Teilnehmenden
Gruppen-)
initiiert,
Beobachtung
Tiefeninterviews
wurden
wurde
Hypothesen
und
das
gebildet,
Hintergrundtheorien erarbeitet und die Zwischenergebnisse den ForschungspartnerInnen rückgekoppelt. Dieses Interventionsforschungsprojekt wird im
empirischen Teil dieser Arbeit detailliert beschrieben und Theaterpädagogik als
Instrument
erprobt.
der
Wie
Rückkoppelung
begründet
sich
interventionswissenschaftlicher
der
Entschluss,
die
Forschung
Methode
der
Interventionsforschung anzuwenden? Abgesehen von der Motivation, die ich
durch meine Betreuerin Univ.-Prof. Dr. LARISSA KRAINER und das Umfeld des
DKIs
erfahren
durfte,
konnte
ich
folgende
Gedankengänge
als
Entscheidungsgrundlagen festhalten:
Zunächst handelt es sich bei dieser Arbeit um eine Momentaufnahme, da die
Entwicklungen des Internets explosionsartig voranschreiten und Innovationen von
heute morgen bereits als veraltet gelten können. Auch kann kein Anspruch auf
Allgemeingültigkeit erhoben werden und eine bewusste Distanzierung von
Quantifizierungen erscheint notwendig. Im Fokus des Interesses stehen das Kind
als
Wissensträger
und
die
Widersprüche
und
Differenzen
zu
erwachsenenzentrierten Perspektiven. Einen wesentlichen Faktor stellt die
11
Aufhebung der klassischen Subjekt-Objekttrennung dar, da sie einerseits Raum
öffnet und andererseits eine Einbeziehung von Emotionen zulässt. Eine große
Herausforderung liegt in der permanenten Selbstüberprüfung meiner Rolle als
Forscherin und der Akzeptanz und Selbstbewusstwerdung der eigenen Vorurteile
und Vorannahmen.
Das bewusste Sich-Zeit-Nehmen, um sich tiefgreifend mit den eigenen
Erwartungen und Anschauungen, die bevorstehende Forschungsarbeit betreffend,
auseinanderzusetzen, halte ich für grundlegend. Neben den oben angeführten
Entscheidungsgrundlagen
war
es
deshalb
notwendig,
die
individuellen
Vorannahmen explizit festzuhalten, um so eine bewusste Distanz zur beforschten
Problematik erlangen zu können. Welche Vorannahmen waren nun führend in
meinem Denken und Handeln als Forscherin?
Bei der Konfrontation der erwachsenenzentrierten mit der kindzentrierten
Perspektive erwartete ich mir widersprüchliche Sichtweisen. Ich nahm an, dass
Kinder im Alter von acht bis elf Jahren bereits Erfahrungen im Umgang mit dem
PC und dem Internet vorweisen und dass Eltern durch Selektion und Sanktionen
ihre Kinder vor den schädlichen Einflüssen des Internets schützen wollen. Die
technische Ausstattung hielt ich für wesentlich im Umgang mit den rasanten
Neuerungen. Eine weitere zu erwähnende Vorannahme war, dass eine
bewahrpädagogische Denkweise der Erwachsenen vorherrschend sei, was meines
Erachtens durchaus Konfliktpotential in sich birgt. Außerdem erwartete ich mir
die Frage der Gleichberechtigung, indem allen Kindern in der Schule der Zugang
zum Internet ermöglicht werde, um späteren Benachteiligungen entgegenzuwirken.
Diese
Vorannahmen
wurden
in
Teamsitzungen
mit
KollegInnen
aus
unterschiedlichen Wissenschaften reflektiert. Warum denke ich so und nicht
anders? Die Interventionsforschung geht nicht, wie in vielen Wissenschaften
üblich, mit Hypothesen ins Forschungsfeld, um diese dann zu verifizieren
beziehungsweise zu falsifizieren. Die Hypothesen ergeben sich erst aus den
12
gesammelten Forschungsdaten. Daher handelte es sich an dieser Stelle um diese
Vorannahmen, mit denen ich ins Feld, in die Forschung, ging.
1.3 AUFBAU DER ARBEIT
Nach einer Verortung des Themas, das als ein grundsätzliches Bewusstwerden
von Vorgedachtem betrachtet werden soll, erfolgt eine Darstellung des
Prozessethischen Modells als Ressource für diese Arbeit. Im Folgenden wird
zunächst der Frage nachgegangen, was Interventionsforschung im Allgemeinen
ist. Nach einer prozessorientierten Betrachtung des Interventionsforschungsprojektes erfolgt eine detaillierte Dokumentation der Auswertungsprozesse. Die
Dokumentation der Rückkoppelungen in die beforschten Systeme zeigt auf, wie
Forschung als Nehmen und Geben erlebt werden kann. Die Erfahrungen aus der
Empirie dienen als Basis für die theoretische Fundierung von Theaterpädagogik,
als Element der Rückkoppelung interventionswissenschaftlicher Forschung. Ein
Konzept für ein interaktives theaterpädagogisches Projekt soll als Brücke
zwischen Wissenschaft und Praxis von Nutzen sein. Schließlich finden die
zentralen Ergebnisse und Hintergrundtheorien Diskussionsraum. Das Resümee
und ein Ausblick schließen diese Dissertation ab.
An dieser Stelle sollen nun die einzelnen Kapitel kurz dargestellt werden, um
auch das Lesen einzelner Bausteine der Arbeit zu ermöglichen:
In Kapitel 2 wird im Zuge der Verortung des Themas eine grundlegende
Auseinandersetzung mit forschungsrelevanten Begrifflichkeiten und Theorien
angestrebt. So sehe ich eine kurze Auseinandersetzung mit dem Begriff der
Kindheit und der Frage, was es heißt, mit Kindern zu forschen und wie diese für
mich in Erscheinung treten, für grundlegend. Auch wird der Widerspruch zur
Erwachsenenwelt
diskutiert.
Darauf
aufbauend
wird
der
Fokus
auf
Medienkindheit gelegt und der Begriff der Medienkompetenz im Hinblick auf die
Organisation der Forschung erörtert. Aktuelle Studien und die Frage, was das
WWW eigentlich ist, sollen als Bestandsaufnahme dienen und keinesfalls
13
ausgeblendet werden, da dieser, von Kindern oft als „www irgendwas“
bezeichnete Kommunikationsraum Teil des Herzstückes der Forschungsfrage ist.
Das dritte Kapitel setzt sich mit ethischen Grundgedanken auseinander und eine
Annäherung
an
das
prozessethische
Modell
als
Lösungsansatz
wird
unternommen. An dieser Stelle stehen das Differenzwesen Mensch und die mit
seiner Existenz verwobenen notwendigen Widersprüche im Mittelpunkt.
Die Auseinandersetzung mit Prozessethik führt zur Frage nach der Besonderheit
der Interventionsforschung. Was macht diese andere Wissenschaft so
besonders? Wie kommen in ihr prozessethische Grundgedanken zum Tragen? Im
Kontext der Transdisziplinarität in Forschung und Praxis erfolgen zunächst eine
Diskussion der Grundaxiomatik der Interventionsforschung sowie deren
Methoden und Settings. Ich habe mich bewusst für eine allgemeine Diskussion
der Methoden und Settings der Interventionsforschung entschieden, da ich diese
Auseinandersetzung als zweckdienlich erachte. Eine Reflexionsschleife über
meine individuelle Annäherung an die Interventionsforschung als andere
Wissenschaft schließt diese allgemeine Betrachtung ab.
Das fünfte Kapitel widmet sich dem Forschungsprozess. Zunächst geht es
darum, einen chronologischen Überblick zu bieten. Eine prozessorientierte
Betrachtung des Interventionsforschungsprojektes mit Fokus auf die einzelnen
Phasen der Forschung und eine Thematisierung des Zustandekommens des
Forschungsprojektes sollen die zahlreichen Überlegungen dokumentieren und
eine Zusammenfassung bieten, wobei das Hauptaugenmerk auf die Organisation
der Entscheidungsprozesse in den einzelnen Phasen der Forschung gelegt wird.
Die inhaltliche Ebene kommt im darauf folgenden Kapitel zum Tragen und wird
in dieser prozessorientierten Diskussion weitgehend ausgeklammert.
Die Auswertungsprozesse als wesentlicher Baustein der Empirie werden im
nachfolgenden Kapitel dokumentiert. Der Fokus wird an dieser Stelle auf die
Analyse des angesammelten Datenmaterials gelegt. Zunächst werden die
14
Teilnehmenden Beobachtungen nachvollziehbar dargestellt und neben einer
Skizzierung der einzelnen Auswertungsschritte fließt auch eine methodologische
Reflexion in diesen Teil mit ein. Im Folgenden gilt es, die Kinderzeichnungen als
Bestandteil der Forschung zu diskutieren und zu reflektieren. Schließlich wird die
Auswertung eines Interviews als Fallbeispiel dargestellt und so die Komplexität
des Auswertungsprozesses dargelegt.
Da der Rückkoppelungsprozess in der Interventionsforschung von besonderer
Bedeutung ist, wird dieser in Kapitel 7 explizit dargestellt. Wie gestaltet sich eine
Rückkoppelung im Kontext der Interventionsforschung und wie werden die im
Vorfeld getroffenen Entscheidungen umgesetzt? An dieser Stelle werden die
getrennten Rückkoppelungen an die ForschungspartnerInnen der VS I und VS II
einzeln dokumentiert. Auch die Problematik, dass sich das Ergebnis von den
Erwartungen der ForscherIn grundlegend unterscheiden kann, gilt es zu
reflektieren.
In Kapitel 8 wird basierend auf den Erfahrungen und Erkenntnissen aus der
Empirie
der Versuch unternommen, Theaterpädagogik als Instrument der
Rückkoppelung interventionswissenschaftlicher Forschung zu postulieren.
Das neunte Kapitel widmet sich der Erarbeitung eines Konzeptes für ein
interaktives theaterpädagogisches Projekt, das in Volksschulen einen Weg
aufzeigt, wie mit dem Thema dieser Dissertation vor dem Hintergrund der
Prozessethik gearbeitet werden kann.
Die in Kapitel 10 zusammengefassten Zentralen Ergebnisse werden mit
Hintergrundtheorien (HGTH) untermauert und der Blick auf das Thema wird
vertieft. Die Betrachtung der Ergebnisse wird begleitet von Hypothesen, die in
angemessener Form mit theoretischen Grundgedanken in Verbindung gebracht
werden, um so das Individuum entlasten zu können. Wohl wissend, dass nicht alle
verfolgt werden können, werden zwar alle Themen angeführt (das System Schule
im Kontext der Forschung sowie der Computer im Allgemeinen), der Fokus wird
15
jedoch auf ein zentrales Themen gelegt. Die kindliche Sichtweise zum Thema
WWW und die Weltsicht der Erwachsenen stehen im Fokus. Das Hauptthema
stellen somit der notwendige Widerspruch von Jung und Alt sowie eine
Diskussion der Generationenthematik dar. Damit verbunden sind Widersprüche,
die sich aus der historischen Ungleichzeitigkeit ergeben. Der Grundwiderspruch
von Bewahren und/oder Verändern wird erörtert und Aporien als Schlüsselstellen
von Konflikten werden dargestellt.
Im letzten Teil, dem Resümee und Ausblick, werden die Erfahrungen und das
Erlernte dieser Arbeit noch einmal reflektiert.
Diese Dissertation dokumentiert die Annäherung an „eine andere Wissenschaft“
(HEINTEL 2005a: 112), daher ist der Anspruch, die individuellen Lernprozesse in
die Arbeit mit einfließen zu lassen, unabdingbar. Daraus resultieren auch die
ständigen Reflexionsschleifen, die meine Erfahrungen und Erkenntnisse als
Forscherin nachweisen sollen.
Ich sehe mich als Teil der Forschung.
Forschung lebt von Reflexion.
Leben heißt reflektieren.
16
2 VERORTUNG DES THEMAS
Und sehe, dass wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
JOHANN WOLFGANG GOETHE
Diese Verortung des Themas kann auch als ein Freimachen von VorEntscheidungen und Vor-Gedachtem betrachtet werden. Frei-machen von Wissen
– der Philosoph KONRAD PAUL LIESSMANN (2006) schreibt beispielsweise in
seiner Theorie der Unbildung von den Irrtümern der Wissensgesellschaft und
spricht von einer Missachtung des Wissens. Er kommt zu dem Schluss, dass die
Kapitalisierung des Geistes zwangsläufig in Unbildung münde, wieviel an Wissen
sich in den Speichern auch angesammelt haben mag (a.a.O.:157). Ich denke
hierbei an die undurchschaubare Ansammlung von Wissen – sinnvollem wie
sinnlosem –, das sich in den Speichern des WWW ansammelt. Durch diesen
Gedanken werde ich getragen von dem Wissen, dass ich nichts wissen kann und
finde mich im sokratischen Gedanken wieder, indem ich hinterfrage, was ich zu
wissen meine. Als WissenschafterIn ertragen zu lernen, dass es unmöglich ist,
gemessen an vorhandenen Werken, der Fülle geschriebener Worte, im Internet5
publizierter Formate, von Wissen zu sprechen, empfinde ich als schmerzvolle,
aber grundlegende Haltung. Doch kann diese Haltung auf dem Markt des Wissens
im Zeitalter der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bestehen?
Wie die Schriftstellerin DOROTHY L. SAYERS zu sagen pflegte „Mein Herr, Fakten
sind wie Kühe. Wenn man sie nur scharf genug ansieht, laufen sie im
Allgemeinen weg“, bin auch ich der Auffassung, dass jede Erkenntnis eine
Kehrseite hat. Es wäre die größte Lüge zu sagen, ich schaffe ein Bild, das die
Wirklichkeit widerspiegelt, denn in jenem Moment, in dem ich mein Bild
vollende, entdecke ich Widersprüche, die ich nicht aufzuheben vermag, die sogar
notwendigerweise vorhanden sind. Ein Umgehen-Können mit Widersprüchen soll
erlernt und der grundsätzliche Sinn von Widersprüchen im Bewusstsein verankert
5
Auf eine Differenzierung von Internet und WWW wird weitgehend verzichtet. In Kapitel 2.3
wird in einem kurzen Exkurs auf diese Begrifflichkeiten eingegangen. Für diese Arbeit wird das
WWW aber weitgehend als Synonym für Internet verwendet, da der Fokus dieser Dissertation
nicht auf die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien an sich, sondern vielmehr auf
das Individuum und die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen gerichtet ist.
17
werden. Wissen soll in dieser Arbeit in Anlehnung an die Transdisziplinäre
Forschung, die in ihrem Kern darauf abzielt, die Legitimation und Etablierung
neuer Wissensformen, und zwar solcher, die durch soziale Prozesse zustande
kommen, als ein sozial generiertes Produkt begriffen werden, das seinerseits
Anstoß gibt zu weiterem sozial generierten und vermittelnden Wissen.
Transdisziplinäre Forschungen zielen demnach weniger oder mitunter gar nicht
auf die Generierung von Wissen im Sinne der „harten Wissenschaften“ ab,
sondern auf ein „nicht-wissenschaftliches oder robustes Wissen“, das heißt auf
„soft
skills“
beziehungsweise
„soziale
skills“.
(Vgl.
HANSCHITZ/
SCHMIDT/SCHWARZ 2009: 158) Dies sehe ich auch als Verbindungstür zur
Interventionsforschung.
Diese Dissertation befasst sich einerseits mit weltumfassenden Aspekten, dem
WWW – dem World Wide Web – einem Netz, das dem Individuum die Welt
offenbaren kann und eine Neuregelung der Transformation von Wissen in der
Informationsgesellschaft zu konstituieren scheint, und andererseits mit der
Sichtweise des einzelnen Individuums, eines Kindes oder eines Erwachsenen und
dessen individueller Deutung, Ausgangssituation und Ansätzen vom wirklichen
Leben in einer Gesellschaft, die als solche schwer oder gar nicht zu (er)fassen ist.
Bin ich eine Erwachsene, die glaubt, die Welt des Kindes – oder meine eigene
Welt – verstehen zu können? Es erscheint schwierig zu eruieren, wo in der
theoretischen Diskussion anzusetzen adäquat erscheint. Was ergibt Sinn – das
World Wide Web zu betrachten und das Kind, das in diese omnipräsente Welt
hineingeboren wird, hinten anzustellen? Legen wir den Fokus aber auf das
Lebendige, so wird der Mensch in seiner Biographie, Kindheit an sich und was es
heißt, erwachsen zu sein, im Fokus erster Erörterungen stehen. Sehen wir die Welt
der Kinder in einer Welt der Erwachsenen – oder umgekehrt? Wie hat sich
Kindheit verändert und was bedeutet Kindheit heute? Wo steckt das Kind in mir?
Kindheit ist meines Erachtens eine Schlüsselstelle für die Analyse der
Modernisierungsprobleme unserer weltweit vernetzten Gesellschaft.
18
2.1 DAS KIND IN UNS – EIN GENERATIONENKONFLIKT?
So kann ich davon träumen, wie ich einmal das Gehen lernte.
Doch das hilft mir nichts. Nun kann ich gehen; gehen lernen nicht mehr.
WALTER BENJAMIN
Was ist das „ein Kind“? Auch die Frage, was Kindheit eigentlich bedeutet, mag
banal erscheinen, ebenso wie die Frage, wie ich einst das Gehen lernte – wie
wurde ich zu dem Menschen, der ich heute bin? Viele unterschiedliche
Sozialisationsfaktoren wirken unbeirrt auf jedes Individuum ein. Die Suche nach
einer Erklärung, was das Kind ist, stellt für diese Arbeit einen wichtigen Fundus
dar, da das Bild vom Kind, das ich als Forscherin in mir trage, in die Forschung
mit einfließt. Der vielzitierte Medienkritiker NEIL POSTMAN (1982: 8) bezeichnet
die „Idee der Kindheit (als) eine der großen Erfindungen der Renaissance,
vielleicht ihre menschlichste“ und sieht die Geschichte der Kindheit weitgehend
als eine Folge der Erfindung des Buchdrucks. Das Kind als Forschungsgegenstand
musste erst entdeckt werden. Als einer der Pioniere der Kindheitsforschung kann
einerseits PHILIPPE ARIÈS (1977) genannt werden, der in seinem Buch Die
Geschichte der Kindheit das Familienleben in Frankreich vom 16. bis zum 18.
Jahrhundert diskutiert und der aufgrund der unspezifischen Darstellung von
Kindern in der mittelalterlichen Kunst davon ausgeht, dass die Vorstellungswelt
des Mittelalters Kindheit nicht kannte. Andererseits stellt beispielsweise LLOYD
DE MAUSE (1977: 12 ff.) die Geschichte der Kindheit als psychogenetische
Evolution der Eltern-Kind-Beziehungen von der Antike bis zur Gegenwart dar.
Während ARIÈS die Ausgrenzung der Kinder aus der Welt der Erwachsenen als
die Anfänge einer Leidenszeit der Kinder ansieht, da den Kindern ihre Freiheit
genommen wurde und sie mit Rute und Karzer bekannt gemacht wurden, vertritt
DE MAUSE die geradezu konträre These, dass die Geschichte der Kindheit –
basierend auf den Entwicklungen der Eltern-Kind-Beziehungen, angefangen von
Kindesmord, Weggabe über Ambivalenz und Intrusion (was in der Psychologie
die unauslöschliche seelische Prägung durch eine traumatische Erfahrung meint)
bis hin zur Sozialisation und schließlich Unterstützung – als Fortschrittsgeschichte
zu bewerten sei. Zweifelsohne kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass
wohl die Kritik der Erziehung als Disziplinierung und Domestizierung ernst zu
19
nehmen ist, aber auch vor einer Idyllisierung und Romantisierung der nicht
pädagogisch reglementierten Kindheit des Mittelalters zu warnen ist. (Vgl.
ROLFF/ZIMMERMANN 2001: 10 ff.) Vielmehr stellt sich die Frage, wie Kinder
heute und zukünftig unterstützt, erzogen oder einfach begleitet werden können,
um in der globalen Welt die Orientierung nicht zu verlieren.
Die Möglichkeit Kinder in ihrem Medienhandeln unterstützen zu können, setzt
entwicklungspsychologische
Kenntnisse
über
altersgemäße
Denk-
und
Wahrnehmungsweisen sowie über alterstypische Fragen und Reaktionen voraus.
An dieser Stelle ist der Schweizer Psychologe JEAN PIAGET zu nennen, der mit
seinen vier Stufen der kognitiven Entwicklung (vgl. u.a. PIAGET/INHELDER 1977)
maßgeblich zu dem Wissen beigetragen hat, wie Kinder denken und verstehen.
Bis zum Alter von zwei Jahren spricht PIAGET von der Sensomotorischen Phase,
in der das Kind die Welt durch Sehen, Berühren, In-den-Mund-Nehmen erlebt
und erste Sprachansätze bereits vorhanden sind. Von drei bis sechs Jahren spricht
Piaget von der Präoperativen Phase, wobei in dieser Phase die Verwendung von
Sprache und eine Vorstellung zur Objektpräsentation bezeichnend sind. In der
darauffolgenden Konkret operativen Phase verfügt das Kind über die Fähigkeit
des logischen Denkens über konkrete Ereignisse. Diese erstreckt sich bis zum
Alter von ca. 12 Jahren. Auf diese folgt die Formale operative Phase, in der
abstraktes,
schlussfolgerndes
Denken
kennzeichnend
ist.
(Vgl.
u.a.
SMALL/VORGAN 2009: 49) PIAGET hat sich vorwiegend mit der Frage beschäftigt,
wie sich kognitive Entwicklung, Vorstellungen und symbolische Repräsentationen
beim Kind entwickeln. Seine biologisch begründete und entwicklungspsychologisch erweiterte Erkenntnistheorie übte in den letzten fünfzig Jahren
einen nachhaltigen Einfluss auf die Pädagogik und Didaktik aus (vgl. u.a. KOHLER
2009; FETZ/SEIDENFUSS/ULLRICH 2010) und hat so zur Begründung einer neuen
Sicht des Kindes beigetragen, auf die im Folgenden noch eingegangen wird.
Die Annahme, dass es so etwas wie Kindheit paradoxerweise nicht schon immer
gegeben hat – und ich wage die These, dass heute ebenso viele verschiedene
Kindheiten existieren, wie Menschen auf dieser Erde leben und gelebt haben –
erzeugt in mir ambivalente Gefühle. Jede Zeit, jede Kultur, jedes Individuum hat
20
ein eigenes Bild von Kindheit. IAN HACKING (2002: 162) betont, dass „Zustände,
Befindlichkeiten und Kinder selbst keine Ideen, sondern (…) Gegenstände in der
Welt“ seien. Wenngleich die Bezeichnung Gegenstände für mich denkbar
unglücklich gewählt scheint, so teile ich dennoch die Auffassung, dass Kinder
sind – sie existieren in ihrer Einzigartigkeit –, sie sind wie sie sind. Historisch
betrachtet verändert sich lediglich die Vorstellung, die jedes einzelne Individuum
vom „Kind sein“ hat. Während Kindheit heute weitgehend als soziale
Konstruktion6 beschrieben und akzeptiert wird, wobei Kinder zunehmend nicht
mehr nur als Menschen in Entwicklung, sondern viel mehr als Personen aus
eigenem Recht gesehen werden, hält DIETER LENZEN (1994: 341 ff.) eine
Definition für „Das Kind“ an sich für problematisch. Auch „Das Kind“ ist ihm
zufolge ein Konstrukt. „Wir Erwachsene reden als Erwachsene vom Kind; vom
Kind, das wir als Gegenüber haben, und vom Kind, das wir einmal selbst gewesen
sind. Deswegen sprechen wir gleichzeitig über uns, über die uns umgebende Welt
und über das Kind.“ (a.a.O.: 342) Kann also überhaupt von einer Kindheit
gesprochen werden? Dennoch will ich den Versuch einer Begriffsbestimmung
dieses Konstrukts, was Kindheit heute bestimmt, für diese Arbeit unternehmen, da
diese Ursprung meiner Überlegungen war.
In Anlehnung an eine Definition von Jugend durch BERNHARD SCHÄFERS und
ALBERT SCHERR (2005: 23) induziere ich folgende zu hinterfragende
soziologische Definition des Kindheitsbegriffs für diese Arbeit:
6
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kindheit (Stand: 12. 12. 2009). Hier wurde bewusst auch auf
diese durchaus kritisch zu betrachtende Online-Quelle zurückgegriffen, da sich dieses netzbasierte
Projekt einer Universalenzyklopädie weltweit in den meisten Sprachkulturen höchst erfolgreich
entfaltet und den gängigen Annahmen, dass derartige Produktionen nur auf der Basis selektiver
Rekrutierung, erwerbsmäßiger Arbeitsrollen und hierarchisch organisierter Formalorganisation
möglich seien, weitgehend widerspricht. (Vgl. GESER 2008: 15).
21
Kindheit ist ein Konstrukt – eine nicht verallgemeinerbare gesellschaftlich
institutionalisierte, intern differenzierte Lebensphase, deren Verlauf,
Ausdehnung und Ausprägungen wesentlich durch soziale Bedingungen
und kulturelle Einflüsse bestimmt sind. Kindheit ist keine homogene
Sozialgruppe, sondern umfasst unterschiedliche Kindheiten.
DIETER LENZEN (1994: 346) bemerkt, dass „die Geschichte des Konstrukts ‚Kind„
nicht nur selbst ein Konstrukt (ist), sondern sie ist selbst ein Bestandteil der
Geschichte, sie ist historisch“. Kinder fungieren demnach als Spiegel der
Gesellschaft – als Spiegel der Zeit, in der sie leben. Ausgangspunkt der weiteren
Betrachtungen ist die Hypothese, dass Kinder Symptomträger sind. Demnach
spiegeln sie der Gesellschaft ihre Beschädigungen wider, sie spiegeln die
Selbstdefinition
der
Gesellschaft
in
ihren
Lebensformen
und
Lebensorientierungen. (Vgl. ERDMANN/RÜCKRIEM/WOLF 1996: 7) Ungewissheit
herrscht nun, wie die Gesellschaft mit diesem Spiegel umgeht. Werden Kinder in
unserer Gesellschaft als eben dieses Spiegelbild wahrgenommen oder werden sie
kindgerecht weggesperrt? Wie sehen wir das Kind? REINHARD FATKE (1981: 19)
beschreibt meines Erachtens ein stimmiges Bild, indem er das Kind als
-
aktives Wesen, das sich entwickelt, indem es in eine Auseinandersetzung
mit der Welt eintritt, diese Welt strukturiert und dabei sie und sich selbst
verändert;
-
ein
kompetentes
Wesen,
das
zunehmend
über
Fähigkeiten
zur
Weltaneignung verfügt und im Vergleich zum Erwachsenen nicht als
mangelhaft, sondern als qualitativ andersartig angesehen werden muss;
-
einen Interaktionspartner, der nicht ausschließlich nach den Vorstellungen
des Erwachsenen geformt, gebildet, ‚sozialisiert‟ wird, sondern seinerseits
auch auf den Erwachsenen einwirkt und somit die Prozesse der
Sozialisation und Erziehung aktiv mitgestaltet
charakterisiert.
Dieses Bild vom Kind ist auch Ausgangspunkt meiner Arbeit mit meinen
ForschungspartnerInnen im Alter von acht bis elf Jahren. Aber auch Erwachsene
22
sind Teil meines Forschungsvorhabens und wenn ich versuche zu beschreiben,
was ein Kind ist, dann impliziere ich eine Vorstellung, was denn ein Erwachsener
sei. Jeder Erwachsene war selbst einmal Kind, durchlebte diese von
Erwerbsfreiheit und Lernen7 geprägte Phase des Lebens, mit dem Recht auf
Schutz und Fürsorge sowie auf Erziehung und Entfaltung der Persönlichkeit.
Jeder hat somit ein individuelles Bild von Kindheit, das in seiner Erwachsenenwelt
integriert ist. Ist es in unserer ausdifferenzierten Gesellschaft aber überhaupt
möglich, eine Kultur der Individualität zuzulassen? Auf der einen Seite mag diese
Frage mit Ja beantwortet werden, da das Kind zunehmend als Person
individuellen Rechts, mit eigenen Sichtweisen und durchaus in der Rolle des
Sozialisators im gesamtgesellschaftlichen Kontext wahrgenommen wird. Auf der
anderen Seite drängt sich aber die Frage auf, ob gerade unsere Gesellschaft nicht
ein anderes Bild von Kindheit hat? Werden Kinder nicht mit Konsumgütern,
Kommunikations- und Informationstechnologien überhäuft, in Institutionen
verwahrt und in ein veraltetes Schulsystem gepresst, das anhand des
Durchschnitts-Menschen/Durchschnitts-Schülers vorgibt, wie jedes Kind zu sein
oder was es zu wissen hat? Was kann das im Zuge der rasanten Entwicklungen
der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bedeuten?
Beobachtbar ist laut LARISSA KRAINER und PETER HEINTEL (2010: 175 f.)
beispielsweise auch eine Dependenzumkehr, Ältere kommen mit den neuen
Technologien nicht mehr so recht mit, werden vom Know-how Jüngerer
abhängig. Die sogenannte Erfahrung der Älteren wird entweder entwertet oder
muss genauer beschrieben werden, ein erfolgversprechendes, selten aber
durchgeführtes Unternehmen. Beispiele gibt es zuhauf. Alle weisen auf eine
Notwendigkeit hin, neue Antworten (Werte, Gewohnheiten, Umgangsformen) zu
finden. (Vgl. a.a.O.) Das Internet verschärft meines Erachtens diese Entwicklung
zusehends. So sind es immer häufiger Kinder, die den Erwachsenen zeigen, wo
und wie man im Internet zu Informationen gelangt. Überdies werden Projekte in
7
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass diese Dissertation sich an hoch entwickelten
Staaten wie der Bundesrepublik Österreich orientiert, dennoch aber eine Sensibilisierung für die
Entwicklungsländer nicht ausgrenzen will, denn Kinderarbeit kann leider auch heute nicht auf der
ganzen Welt ausgeschlossen werden und ein Schulbesuch ist vielen Kindern dieser Erde nicht
möglich.
23
Schulen8 durchgeführt, wo SchülerInnen älteren Menschen den Umgang mit dem
Internet erklären und sozusagen lernen durch lehren. Das Internet verbindet in
diesem Fall Generationen und kehrt gleichzeitig das Abhängigkeitsverhältnis um.
Kinder werden zu LehrerInnen der SeniorInnen und zeigen auf, was im Internet
alles möglich ist. Die Pädagogisierung der Kindheit impliziert an und für sich eine
Pädagogisierung aller Lebensbereiche. Ich frage mich, ob Erwachsene nicht
zuletzt durch das notwendige lebenslange Lernen niemals erwachsen werden
können? Was bedeutet Erwachsen-Sein eigentlich? „Ein Erwachsener bzw. eine
Erwachsene ist ein Mensch, der ein bestimmtes oder auch unbestimmbares Alter
überschritten hat und bei dem man deshalb davon ausgeht, dass er die volle
körperliche und kognitive Reife besitzt, wenn nicht bestimmte Ausnahmen
vorliegen. Das erwachsene Individuum hat somit jene notwendigen Fähigkeiten
und Kenntnisse erworben, die es in hohem Maße befähigen, die für sein Leben
und
Fortkommen
notwendigen
Entscheidungen
zu
treffen.
Erwachsene
bekommen im Vergleich mit Jugendlichen sowohl mehr Rechte als auch
Verantwortung.“9 Ein Erwachsener hat somit mehr Rechte und auch mehr
Verantwortung. Diese Verantwortung ist es, die mich dazu veranlasst hat, diese
widersprüchlichen Phasen des Lebens als Grundlage meiner Forschung
heranzuziehen und auf Widersprüche hin zu untersuchen.
Die äußerst problematische Phase der Jugend, welche im Allgemeinen als
Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenalter gesehen wird, findet in dieser
Arbeit
keinen
expliziten
Diskussionsraum,
da
das
Alter
der
ForschungspartnerInnen auf acht bis elf Jahre eingegrenzt wurde und sich diese in
der Regel noch nicht in der Phase Jugend befinden. Da die Trennungslinien aber
schwindend bzw. sich wandelnd sind, sollen folgende Dimensionen in Anlehnung
an HELMUT FEND (2003: 414) den Sinn der Jugendphase deutlich machen,
demzufolge kommt es:
8
Vgl. [u.a.] http://www.goethe.de/ges/soz/dos/dos/age/fub/de387367.htm oder
http://learn.bildungonline.at/joomla/index.php?option=com_content&task=view&id=19&Itemid=2
8 (Stand: 04. 03. 2010).
9
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Erwachsener (Stand: 15. 12. 2009). Ich weise darauf hin, dass
ich mich aufgrund meines Themas bewusst für diesen allgemein zugänglichen Quellenverweis
entschieden habe.
24
1. Vom naiven zum reflektierten Verhältnis zu sich selbst und zur Welt:
Entwicklung des Selbst
2. Von der Fremdlenkung zur Selbstlenkung: Entwicklung von Autonomie
und Zielen
3. Von der kindlichen Elternbindung zum Aufbau neuer Beziehungen zu
Gleichaltrigen: Entwicklung von Bindung
Aus diesen drei Dimensionen wird die Besonderheit der Phase der Kindheit
ersichtlich, denn gerade in der Kindheit sind Kinder noch ohne das Bewusstsein
für das Selbst, sie sind angewiesen auf Fremdlenkung und die kindliche
Elternbindung stellt die Basis für das weitere Leben dar. Erkenntnisse aus der
Entwicklungspsychologie (vgl. stellvertretend BOWLBY 2008) verdeutlichen die
Bedeutung einer konstant sicheren Bindung zwischen Mutter und Kind für dessen
Persönlichkeitsentwicklung.
In diesem Zusammenhang stellt die Familie als wichtiger Ort zur Entwicklung
individualistischer, selbstreflexiver Persönlichkeiten mit Sicherheit eine der
wesentlichsten Determinanten von Kindheit dar. In Anlehnung an PETER HEINTEL
(2010: 464 f.) werden wir alle „immer noch und weltweit, wie es scheint, in
familienanaloge Kleingruppenformationen hineingeboren (wobei hier nicht von
der europäischen Kleinstfamilie ausgegangen werden muss). Wir finden uns in
einer Welt, in der das meiste bereits geregelt, normiert, geordnet ist. Wir lernen
uns hier einzufügen, Vorbild und Nachahmung spielen eine große Rolle, und wo
uns dies nicht durch Eingewöhnung gelingt, werden wir durch das, was Erziehung
genannt wird, eingewöhnt. (…) je stabiler und lebensbegleitender die
Primärgruppe ist, umso unerschütterlicher und längerfristiger ihre Normen, ihre
moralischen Verpflichtungen.“ Nun drängt sich meines Erachtens die Frage auf:
Was verstehen wir eigentlich unter Familie und hat sie heute noch ihren Anspruch
als Primärgruppe? Es kann nach meinem Ermessen keine allgemeine Definition
von
Familie
geben,
weder
in
der
Alltagssprache
noch
in
der
Wissenschaftssprache. Die hohen Scheidungsraten, die Berufstätigkeit der Eltern,
AlleinerzieherInnen, Patchworkfamilien und das immer seltener werdende
25
Zusammenleben unterschiedlicher Generationen unter einem Dach lassen die
Frage aufkommen, ob „die Familie“ als grundlegende, erste und einflussreichste
Sozialisationsinstanz durch die zunehmende Institutionskindheit ins Abseits
gedrängt wird (hierbei denke ich an die Kinderkrippe, den Kindergarten, den
Schülerhort, den Ballettverein, den Fußballclub, die Tanzgruppe oder auch die
Spielgruppe etc.). Die Familie als eindeutiger Ort der Erziehung, so meine
Annahme, wird immer seltener.
An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass eine Makrotheorie der Familie10
sowie die Folgen der Pluralisierung der Lebensformen unter der Berücksichtigung
des Wandels der Elternschaft und der Geschlechterrolle für diese Arbeit nicht im
Vordergrund stehen kann. Vielmehr interessiert ein detaillierter Blick auf die
mikrosoziologische Perspektive. Familien als soziale Systeme zu begreifen, hat
sich heute im human- und sozialwissenschaftlichen Denken weitgehend
durchgesetzt. Diese sozialen Systeme dienen einerseits der biologischen
Reproduktion und materiellen Grundversorgung, andererseits sind sie Ort für
Vertrauen, Geborgenheit, Verständnis, Intimität und letztlich für die Aneignung
der Regeln für gesellschaftliche Begebenheiten. An dieser Stelle halte ich die
Gedanken von LARISSA KRAINER und PETER HEINTEL (2010: 176) für stimmig,
wenngleich angemerkt werden muss, dass sich ihr Fokus nicht auf das Alter
meiner ForschungspartnerInnen (acht bis elf Jahre) richtet, sondern früher ansetzt,
indem sie die inneren Schwierigkeiten der Familie ansprechen und feststellen,
dass durch den zunehmenden Verlust der Wertorientierung auch die
Zukunftsfähigkeit verloren geht und Eltern heute kaum über die kommenden
Lebensbedingungen ihrer Kinder Bescheid wissen können. So soll die Familie,
emotionell überdeterminiert, Bedürfnisse befriedigen, die sonst ihren Ort verloren
haben, das eigentliche Gefühlsleben ermöglichen, Liebe nach allen Seiten
einfordern dürfen, Container für Kränkungen aus der Gefühlswelt sein und bei all
dem soll sie noch dafür sorgen, dass aus den Kindern anständige Menschen
werden. Weil aber viele Familien den Anspruch, der an sie herangetragen wird,
10
Vgl. beispielsweise www.familienhandbuch.de (Stand: 25. 01. 2011).
26
kaum bewältigen können, kommen Instanzen ins Spiel wie beispielsweise
Kindergarten und Schule, die ihrerseits davon ausgehen, die Familien hätten
schon ihren Teil absolviert. Konflikte und unbefriedigende Lösungen stehen somit
an der Tagesordnung. (Vgl. a.a.O.)
PETER HEINTEL (2010: 462 ff.) diskutiert in einer Auseinandersetzung mit
„Gewohnheit und soziale Umgebung“ im Kontext der „Organisation von Ethik“
unter anderem die „Restbestände“, die durch die Familie als „Primärgruppe“
jedem Einzelnen mitgegeben werden und Einfluss auf ihre „moralische“ Bildung
haben. Er hält fest, dass unsere ganze moralische Bildung von Anfang an in
unsere Gefühlswelt hineinverwoben und auch später nicht mehr von ihr zu
trennen ist. Moralität ist demnach nicht etwas, „das Menschen sich leisten
‚wollen„, (…) sie ist deshalb notwendig (also zum Wesen des Menschen
gehörend), weil sie für ihr Zusammenleben eine Orientierung, eine Ausrichtung
ihrer Handlungen darstellt.“ (a.a.O.: 462 f.) Durch die ganze Geschichte bis heute
haben nach HEINTEL Primärgruppen, längerfristige Sozialkonstellationen direkter
Kommunikation, an Stabilitätsfundamenten festgehalten, wie beispielsweise:
-
„Heiligkeit“,
-
„Repräsentation“ (für den Normenschutz müssen Personen in irgendeiner
Form autorisiert sein, beispielsweise Eltern, Vorgesetzte, Pfarrer oder
manchmal auch ältere Geschwister),
-
„Sozialkontrolle“ (gegenseitige Beobachtung muss gewährleistet sein),
-
„Bestätigungs- und Erneuerungsrituale“ (das bloße Sein von Regeln und
Normen genügt nicht, es handelt sich um eine höhere Praxis) und
-
„Tabus“ (Denk- und Freiheitsverbote; so gibt es heute beispielsweise in
Familien immer noch einiges „worüber man nicht spricht“).
(Vgl. a.a.O.: 463 f.)
Ausgehend von der Annahme, dass erste und unmittelbare Konstellationen des
Zusammenlebens sehr wirksam und prägend sind, wird Familie zu einem Ort, der
erhöhter Aufmerksamkeit bedarf. HEINTEL (a.a.O.: 465) weist darauf hin, dass ab
27
einer gewissen Zeit Familie als Primärgruppe als befristete Einrichtung anzusehen
ist und Kinder aus ihr hinauswachsen müssen, nicht nur um selbst Familien zu
gründen, sondern um in Berufswelt und Gesellschaft auf eigenen Füßen zu stehen.
Er hält weiters fest, dass dieses Konzept die Primärgruppe in ihrem Anspruch
geschwächt und den Umgang mit Trotzphasen und Pubertät modifiziert hat.
Verschärft wurde diese Situation nach HEINTEL (a.a.O.) durch die wachsende
Verlegenheit der jeweiligen Elterngeneration, den Kindern etwas Wirksames für
die Zukunft mitgeben zu können.
„Selbst wenn bei uns Familien in ihrer Bildungsfähigkeit immer mehr auf
sich selbst reduziert für weitere Umgebungen inkompetenter werden, sind
sie in ihrer Zuständigkeit für die ersten fünf, zehn Lebensjahre direkt und
indirekt prägend; ein oft zeitlebens wirksamer Ursprung für die von uns so
genannten Restposten.“ (HEINTEL 2010: 465)
Wie an anderer Stelle bereits angedeutet, müssen Familien laut HEINTEL (a.a.O.),
um halbwegs ausbalanciert überlebensfähig zu sein, in sich viele Widersprüche
vermitteln (beispielsweise die zwischen Rivalität, Konkurrenz und Solidarität,
zwischen Generationen, zwischen Nähe und Distanz etc.), die sich im Leben aber
oft in ganz anderer Gestalt zur Kenntnis bringen. So sieht HEINTEL, dass
beispielsweise
bereits
in
der
Schule
eher
das
individualisierende
Konkurrenzprinzip gefördert wird und in Notenvergleichen Rangordnungen
hergestellt werden. Es gelten andere Werte. HEINTEL bemerkt, dass diese Tatsache
Familien immer wieder dazu verführt hat, sich in äußere Bereiche (wie Schule
oder Kindergarten) einzumischen, um dort ihr System weiterführen zu können
und verweist darauf, dass diese Versuche mit einem gewissen Recht meist zum
Scheitern verurteilt sind; wie auch Grundschulen nicht gut daran tun, in quasi
familiärer Form ihren Unterrichtsaufgaben nachkommen zu wollen. (Vgl. a.a.O.:
465 f.)
Es ist mir durchaus bewusst, dass Themen wie Kindheit, Erwachsenenalter und
die Bedeutung der Familie als Primärgruppe sowie ihre erste unmittelbare
Zuständigkeit für die Herausbildung des Gewohnten, Selbstverständlichen im
28
Moralischen und ihre wirksame Einflussnahme auf gegenwärtige „Restposten“
unmöglich in dieser Kürze ausreichend diskutiert werden können; aber ein Ziel
meiner Dissertation ist es, die Kunst der Nachdenklichkeit anzuregen. Eine
Auseinandersetzung mit Kindheit an sich ist für mich in der Verortung des
Themas von grundlegender Bedeutung, da diese Vor-Gedanken sich meines
Erachtens für das Forschen mit Kindern als dienlich erweisen können.
In Anlehnung an WILFRIED FERCHHOFF (1999: 37 ff.) soll an dieser Stelle
zusammenfassend der äußere Wandel der Kindheit, mit dem sich Eltern und ihre
Kinder sowie die Gesellschaft konfrontiert sehen, thesenartig skizziert werden:
Werbekindheit, Verhäuslichte Kindheit, Konsumkindheit, Versportung der
Kindheit, Verplante und gehetzte Kindheit, Verinselte Kindheit und allem voran
Medienkindheit. Jedes einzelne dieser Schlagworte wäre ein Thema für eine
Dissertation und die Ergänzung aus heutiger Sicht durch Multimediakindheit
erscheint mir angebracht. Diese Auflistung soll alltägliche Konfliktpotentiale,
denen jede einzelne Familie und die unterschiedlichen Generationen ausgesetzt
sind, veranschaulichen. Der Fokus muss an dieser Stelle aber auf Medien als
selbstverständliche Sozialisationsfaktoren im kindlichen Leben gerichtet werden.
2.2 MEDIENKINDHEIT – EINE SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT?
We have placed the lives of our children in the hands of media capitalists
who are redefining and reshaping childhood.
It is about time that cultural critics take this issue seriously.
LAWRENCE GROSSBERG
Warum wird heute stets von „Medienkindheit“ gesprochen? Die rasanten
medialen Wandlungsprozesse gehen mit gesellschaftlichen Wandlungsprozessen
Hand in Hand. Vor allem die Veränderungen im Kontext der Digitalisierung und
der Konvergenz der Medien, des Zusammenwachsens von Personal Computer,
Internet, Fernsehen und zunehmend der Mobilkommunikation hin zu einer
29
„Medienkulturgesellschaft“ (vgl. STEINMAURER 2003: 107) prägen das alltägliche
Er-Leben aller Individuen und lassen ein Leben außerhalb der Medien nahezu
ausgeschlossen erscheinen. Wer aber ist es, der Probleme mit dieser
Medienkulturgesellschaft hat? Ist eine tatsächliche Hilflosigkeit der Kinder zu
beobachten oder ist es nicht vielmehr das Hilflos-Sein der mit den medialen
Lernprozessen konfrontierten Erwachsenen, die ihrerseits durch das angebliche
Ausgeliefert-Sein der Kinder verstört sind? Spannend erscheint in diesem
Zusammenhang die Betrachtung der eigenen Medienkindheit. (Vgl. AUSTERMANN
1996: 98)
Diese Gedanken veranlassten mich, der Unbestimmtheit, was Medienkindheit
denn eigentlich sei, nachzugehen. In Anbetracht der vorangegangen Diskussionen
vom allgemeinen Kindheitsbegriff entsteht das Bild, dass jedes Individuum eine
eigene Medienkindheit besitzt, die einer ständigen Weiterentwicklung und
Wandlung unterworfen ist. Meine eigene Medienkindheit betrachtend wurde mir
bewusst, dass diese sich von der Medienkindheit meiner Kinder ganz erheblich
unterscheidet. Medien sind heute omnipräsent und zweifelsohne integraler
Bestandteil kindlichen Lebens, und längst sind es nicht mehr „nur“ das Buch,
Hörspiele und das Fernsehen, die einen hohen Stellenwert für Kinder haben. Die
Frage steht im Raum, ob gerade heute, im Zeitalter des Internets, eine
grundlegende medienkritische Haltung in unserer Gesellschaft zu beobachten ist?
So wurden in der Vergangenheit immer wieder bewahrpädagogische Rufe laut,
wie beispielsweise das klassische Buch von MARY WINNS „Die Droge im
Kinderzimmer“ (1984), die ebenfalls aus dem amerikanischen übersetzten Bücher
NEIL POSTMANS „Das Verschwinden der Kindheit“ (1983) und „Wir amüsieren
uns zu Tode“ (1985) oder des Pädagogen HARTMUT V. HENTIGS, „Das allmähliche
Verschwinden der Kindheit“ (1984). Die alltägliche Medienberichterstattung
betrachtend denke ich, dass diese Entwicklung heute durchaus in veränderter
Form beobachtbar ist und dass ganz offenbar unter Eltern zunehmend
Verunsicherung, individuelle Überforderung und Ohnmachtsgefühle vorliegen,
währenddessen Kinder diese Angst meist nicht spüren und intuitiv handeln.
30
Was aber suchen und finden Kinder in Medien? Die Bedeutung von Medien für
Kinder lässt sich an einer persönlichen Beobachtung in meiner Funktion als
Theaterpädagogin an einer Volksschule exemplarisch veranschaulichen:
Mein Kollege sagt: „Ich habe keinen Fernseher zu Hause.“
Ein Mädchen mit erstaunter Stimme: „Was? Du hast keinen Fernseher?“
Mein Kollege entgegnet: „Ich habe echt keinen Fernseher.“
Das Mädchen mit leiser, ratloser Stimme: „Wie kannst du so nur leben?“
Dieses Beispiel veranschaulicht, wie wichtig und unantastbar Medien, in diesem
Fall das Fernsehen, für Kinder sein können. Auch ich erlebe das tagtäglich in
meiner Aufgabe als zweifache Mutter. Medien sind integraler Bestandteil
kindlichen Lebens und haben für jedes Kind unterschiedlichste Funktionen. RALF
VOLLBRECHT
(2006:
35)
gibt
einen
sehr
guten
Überblick
über
die
Funktionsvielfalt der Medien und meines Erachtens begründet er damit auch den
hohen Stellenwert von Medien im Leben aller Individuen:
Situative Funktionen
•Information
•Unterhaltung
•Vertreiben von
Langeweile (Zeitfüller)
•Stimmungsregulierung
•Eskapismus (Flucht aus
dem Alltag)
•Habitualisierungsfunktion
(Zeitstrukturierung)
Soziale Funktionen
•Gesprächsanlässe in
Familien und Peergroups
•Meinungsbildung
•Gruppenidentität (z.B. in
Jugendkulturen)
•Sich in Medienwelten
positionieren
Biographische und Ichbezogene Funktionen
•Identitätsentwicklung
(Vorbilder, Normen,
virtuelle Erprobungen)
•Selbst-Vergewisserung,
Selbst-Reflexivität und
Selbst-Darstellung
•Modell-Lösungen für
persönliche oder
entwicklungsbezogene
Themen
Abbildung 2.1: Funktionsvielfalt der Medien
Quelle: Vgl. VOLLBRECHT 2006: 35 (eigene Darstellung)
Diese Abbildung betrachtend drängt sich die Frage auf, ob Medien als
Konstrukteure des Lebens fungieren? Sowohl für Kinder als auch für ihre Eltern:
Wir alle beziehen Information aus den Medien. Medien dienen der Unterhaltung.
31
Wir vertreiben uns die Zeit mit Medien und sie dienen auch der
Stimmungsregulierung und können uns helfen, dem Alltag zu entfliehen. Wir
strukturieren sogar unsere Zeit nach Medienangeboten. Zweifelsohne haben
Medien auch soziale Funktionen, indem sie häufig Gesprächsanlässe innerhalb der
Familie
und
im
Freundeskreis
sind.
Auch
unsere
Meinung
und
Gruppenzugehörigkeit wird medial beeinflusst. Wir positionieren uns in
Medienwelten. Vor allen Dingen können Medien für Kinder Modell-Lösungen für
persönliche und entwicklungsbezogene Themen liefern. Sie fließen in die
Identitätsentwicklung mit ein, liefern Vorbilder und Normen und werden auch
von Kindern bereits zur Selbstdarstellung genutzt. Die Medien konstruieren
soziale Welten und werden im Allgemeinen auch so akzeptiert. Ein Leben ohne
Medien scheint undenkbar – es ist undenkbar. Es wäre gewiss ein Leichtes zu
sagen, Kinder gehen ganz selbstverständlich mit Medien um und die Medien sind
Kommunikationsmittel, die ihrerseits der Kommunikation bedürfen. Aber wie
werden Kinder in Zukunft mit der stetig zunehmenden medialen Überflutung
zurechtkommen?
Ich halte an dieser Stelle eine kurze Erörterung des vieldiskutierten Begriffs
Medienkompetenz für sinnvoll und notwendig, denn um Kinder im Umgang mit
Medien unterstützen zu können und sie zu medienmündigen Mitgliedern unserer
Gesellschaft heranreifen zu lassen, bedarf es einer Vorstellung, was ein
medienkompetentes Kind denn eigentlich ist. Grundsätzlich erscheint es mir
dringlich, die aktuelle Diskussion von Medienkompetenz oder Medienbildung zu
skizzieren. Ich schließe mich den Gedanken GERHARD TULODZIECKIS (2010: 52)
an, der die Position vertritt „Medienbildung vorrangig als Prozessbegriff zu
verwenden und Überlegungen zur Medienkompetenz vor allem als Grundlage für
die
Beschreibung
wünschenswerter
Kompetenzniveaus
im
Sinne
von
Zielvorstellungen zu nutzen“. Beide Begriffe haben demnach ihre Berechtigung.
Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, dass sich die Menschen in der
computerisierten
Lebensumwelt
zurechtfinden
müssen,
können
die
Zielüberlegungen zu einem angestrebten, alters- und entwicklungsbezogenen
32
Niveau von Medienkompetenz nach BAACKES (1997: 98 f.) ausdifferenziertem
Modell in vier medienrelevanten Kategorien operationalisiert werden:
Medienkunde:
Medienkritik:
analytisch, reflexiv und ethisch
informativ und
instrumentell-qualifikatorisch
Medienkompetenz
Mediennutzung:
Mediengestaltung:
rezeptiv-anwendend und
interaktiv-anbietend
innovativ und kreativ
Abbildung 2.2: Medienkompetenz nach BAACKE
Quelle: Baacke 1997: 98 f. (eigene Darstellung)
Es geht demnach erstens um die Fähigkeit, die gesellschaftlichen Veränderungen
hinter den Medienentwicklungen kritisch zu verstehen und zu hinterfragen
(Medienkritik); zweitens um das notwendige Wissen, von den Geräten bis hin zur
Politik der großen Medienorganisationen (Medienkunde); drittens um die
Fähigkeit zur praktischen Mediennutzung, der rezeptiven und der interaktiven
Nutzung (wie beim Computer) und viertens um die Fähigkeit zur eigenen
Mediengestaltung, wie beispielsweise beim Erstellen einer Homepage oder bei der
aktiven Videoarbeit. (Vgl. a.a.O.) Bezugnehmend auf BAACKES Modell halte ich
folgende
Auffächerung
von
Medienkompetenz
in
der
alltäglichen
Auseinandersetzung mit Medien für förderlich:
-
Wahrnehmungskompetenz: die Kompetenz, Medien – ihre Strukturen, ihre
Gestaltungsformen und ihre Wirkungsmöglichkeiten – zu durchschauen
-
Nutzungskompetenz: die Kompetenz, Medien und ihre Angebote
zielgerichtet und angemessen zu nutzen
33
-
Handlungskompetenz: die Kompetenz, Medien als Ausdruck der eigenen
Persönlichkeit, Interessen und Anliegen aktiv zu gestalten (Vgl.
PÖTTINGER 2002: 88)
Es geht demnach um wahrnehmen, nutzen und handeln. Aber nicht nur die Frage,
wie Kinder Medien wahrnehmen, sie nutzen und aktiv mit Hilfe der Medien
handeln, soll im Fokus des Interesses stehen. Auch die Wahrnehmung, Nutzung
und Handlungskompetenz der Eltern spielen eine erhebliche Rolle für die
heranwachsende Generation, da diese mitunter Vorbildfunktion haben. In meiner
Funktion als Theaterpädagogin bemerke ich vielfach einen Orientierungs- und
Informationsbedarf von Seiten der Eltern und die Generationenthematik scheint
wieder Hochkonjunktur zu haben. Ohne den Fokus an dieser Stelle auf das Alter
zu richten, drängt sich die Frage auf, was ein medienkompetenter Mensch
eigentlich ist? Laut BERND SCHORB (2009: 54) ist ein Mensch medienkompetent,
„der mit Medien kritisch, genussvoll und reflexiv umzugehen weiß. Er kann sie
nach eigenen inhaltlichen und ästhetischen Vorstellungen gestalten, in sozialer
Verantwortung sowie in kreativem und kollektivem Handeln und somit an der
gesellschaftlichen Kommunikation partizipieren“. Es ist meines Erachtens die
Ebene der Reflexions- und Kritikfähigkeit, die bei Kindern besonderer
Aufmerksamkeit bedarf. Das Nutzen und Gestalten von Medien halte ich für
Kompetenzen, die Kindern, hineingeboren in diese Welt der Medien, angeboren
oder zumindest mit einer Leichtigkeit intuitiv erlernbar zu sein scheinen. Es stellt
sich die Frage: Medienkompetenz von gestern für Kinder von morgen? Der Weg
zu einer kindgerechten Medienkompetenzförderung – gedacht in Köpfen von
Erwachsenen, deren eigene Kindheit das alltägliche Medienhandeln heutiger
Kinder niemals erahnen hätte lassen – soll erarbeitet werden.
Wie können wir verstehen, was Kinder für einen kompetenten Umgang mit dem
WWW brauchen? Um diese Frage beantworten zu können, wird im Folgenden der
Fokus auf das Internet im kindlichen Leben gerichtet. Anhand aktueller Studien
wird den Fragen nach Internetzugang und Internetnutzung der Kinder, dem
34
Umgang der Eltern mit der Onlinenutzung ihrer Kinder sowie einer Konfrontation
mit Onlinerisiken nachgegangen.
2.3 DAS MITMACH-INTERNET IN DER KINDLICHEN LEBENSWELT
[The internet] is part of the pattern of their day
and integrated into their sense of place and time.
[For children and teenagers] internet just is.11
Devil or Angel – internet just is – ob wir „es“ verteufeln oder heiligen. Basierend
auf der Suche nach dem Sinn der Kindheit gehe ich nun der Frage nach, welche
Geheimnisse und Perspektiven diese weltweiten Welten mit sich bringen. SHERRY
TURKLE (1998: 28) spricht von einem Übergang einer „modernen Kultur der
Berechnung“ Ende der siebziger Jahre hin zu einer „postmodernen Kultur der
Simulation“; und heute sprechen wir von einem „Mitmach-Internet, dem Web
2.0“. Multimedia ist zu einem alltagsgebräuchlichen Begriff geworden und meint
die Verschmelzung bisher getrennter Kommunikationstechniken, was auch immer
wieder als Konvergenz der Medien Diskussionsraum findet. Dieses Multimedia
steht somit für die Integration von allen möglichen Kommunikationsmodalitäten,
von
gesprochener
Sprache,
Text,
Video,
Audio,
Telekommunikation,
Unterhaltungselektronik und Computertechnik (Vgl. RIEHM/WINGERT 1995;
WILKE/IMHOF 1996). Für diese Multimediasozialisation spielt neben Interaktivität,
Integration und Vernetzung auch Partizipation zunehmend eine Rolle und die
aktive Beteiligung der NutzerInnen rückt in den Vordergrund (vgl. TILLMANN
2010: 261). Um am Erleben der Kinder im Zuge der empirischen Forschungen
teilhaben zu können erschien es mir sinnvoll, einen Schritt zurück zu machen und
mich zu fragen: Was ist das Internet eigentlich? Woher kommt das WWW? Wer
ist online? Was machen Kinder im Netz? Folgende Diskussionen sollen meine
wesentlichsten
Erkenntnisse
im
Zuge
der
Verortung
des
zusammenfassen:
11
Vgl. Media Awareness Network 2004: 8. URL: http://www.mediaawareness.ca/English_initiatives/surveys/phase_two/index.cfm (Stand: 17. 06. 2009).
Themas
35
KURZER HISTORISCHER ABRISS – WOHER KOMMT ES?
Grundsätzlich ist das Internet mittlerweile ein komplex strukturierter und sich
dynamisch
strukturell
entwickelnder
Sinn-,
Informations-
und
Kommunikationsraum, eine Welt von Sinn- und Sozialwelten, die – wie die
Massenmedien, aber in anderer Weise – alle sozialen Felder (Subsysteme) und
Daseinsaspekte in sich ‚aufführt„, miteinander verbindet, mindestens berührt,
wenn nicht prägt. (Vgl. WILLEMS 2008: 7; GUENTHER/SCHMIDT 2008) Das World
Wide Web, kurz Web oder WWW, ist ein multimediales, weltweites Netzwerk von
Computern und wird im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Internet
gleichgesetzt, wenngleich es aber jünger ist und beispielsweise neben der E-Mail
nur eine mögliche Nutzung des Internets darstellt. Das Web entstand 1989 als
Projekt am CERN bei Genf in der Schweiz, an dem TIM BERNERS-LEE ein
Hypertext-System12 aufbaute. Das ursprüngliche Ziel des Systems war es,
Forschungsergebnisse auf einfache Art und Weise mit Kollegen auszutauschen.
Dieses WWW, das über das Internet abrufbare Hypertext-System, wurde im
August 1991 weltweit zur allgemeinen Nutzung freigegeben.13 Ein historisch
betrachtet junger Kommunikationsraum, der sich sehr gut für jegliche
multimediale Anwendungen eignet, da die Dokumente nicht nur als Texte auf den
Servern abrufbereit vorliegen, sondern auch Stand- und Bewegtbilder sowie Töne
enthalten können und somit vor allen Dingen auch auf Kinder eine besondere
Faszination ausüben. Individuen und Organisationen können somit entsprechend
vielfältige Informationen bereithalten, die meist über die Homepage erreicht
werden. Durch die permanente Aktualisierbarkeit wird auch das Prinzip der sonst
so üblichen medialen Periodizität aufgehoben. (Vgl. WILKE 2009: 332 ff.) Die
Möglichkeit, immer und überall auf Daten zugreifen zu können – das ganz
normale Leben –, bringt zweifelsohne eine Zunahme der Möglichkeiten und
Herausforderungen für Kinder und ihre Eltern aber auch für die, meines Erachtens
im besonderen geforderten PädagogInnen mit sich.
12
Hypertext vernetzt die auf ungezählten Rechnern abgespeicherten Datenbestände (Vgl. NIELSEN
1996)
13
Vgl. Die freie Enzyklopädie unter http://de.wikipedia.org/wiki/World_Wide_Web (Stand: 23.
02. 2010).
36
WER IST ONLINE?
Ich halte die grundsätzliche Unterscheidung von „Digital Natives“ und „Digital
Immigrants“ für dienlich. Die sogenannten „Digital Natives“ (vgl. beispielsweise
SMALL/VORGAN
2009,
WILKE
2009),
die
beispielsweise
auch
als
„Cybergeneration“, „Net Generation“, „Online-Kids“ oder „Generation@“
bezeichnet werden, gelten als hineingeboren in die Cyberwelten und als meist in
diesen eingeloggt, während die „Digital Immigrants“ vor der derzeitigen digitalen
Revolution heranwuchsen. Um die Kluft zwischen diesen Generationen zu
überwinden bedarf es nach GARY SMALL und GIGI VORGAN (2009: 73) zweier
großer Interventionen: Wir müssen einerseits Digital Natives helfen, ihre sozialen
Fähigkeiten zu verbessern, und Digital Immigrants
beibringen, wie sie ihr
technisches Know-how optimieren können. Beide Generationen müssen jedoch
ihre Fähigkeiten zur direkten Kommunikation, zur Deutung subtiler nonverbaler
Gesprächssignale und zur empathischen Anknüpfung von Beziehungen bewahren
und erweitern. Es geht demnach um einen aktiven Dialog unterschiedlicher
Generationen. Der Umgang von Eltern mit der Internetnutzung ihrer Kinder ist
von zentraler Bedeutung, denn das Begleiten, Regulieren und auch Einschränken
der Onlinenutzung durch die Eltern beeinflusst die Erfahrungen der Kinder.
Es gibt zahlreiche Studien zum Umgang von Kindern mit dem Internet. Das
selbstverständliche Aufwachsen und routinierte Agieren heutiger Kinder in einer
Welt der Medien scheint außer Frage zu stehen. An dieser Stelle sollen einige
ausgewählte Studien angeführt werden und Diskussionsraum finden, um so als
Momentaufnahme einen Einblick in aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu
geben. Aus der von SABINE FEIERABEND und WALTER KLINGLER durchgeführten
deutschen KIM-Studie 200814 geht beispielsweise hervor, dass mehr als drei
Viertel der Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren Computererfahrung
aufweisen. Demnach bekommen sie den Umgang mit dem Computer vor allem
14
Die Studienreihe KIM (Kinder und Medien, Computer und Internet) des Medienpädagogischen
Forschungsverbundes Südwest untersucht seit 1999 regelmäßig den Medienumgang von Kindern
in Deutschland. Für diese aktuelle Studie wurden rund 1.200 Kinder im Alter von sechs bis 13
Jahren und deren Haupterzieher befragt. Vgl. http://www.mpfs.de/fileadmin/KIMpdf08/KIM2008.pdf (Stand: 22. 04. 2010).
37
von den Eltern vermittelt und das Mediennutzungsmuster der Eltern prägt die
Mediennutzung ihrer Kinder. Entsprechend dem Studienbericht bleibt aber das
Fernsehen die wichtigste Medientätigkeit, wenngleich der Computer und das
Internet aufholen und Kinder immer früher Interneterfahrungen sammeln. Die
liebste Tätigkeit mit dem Computer stellt das Spielen dar, gefolgt vom Surfen im
Internet und vom Arbeiten für die Schule oder der Beschäftigung mit
Lernprogrammen. Texte schreiben, E-Mails verschicken sowie Malen und
Zeichnen am Computer sind etwas weniger alltägliche Anwendungen. Die Studie
unterstreicht die Annahme, dass das Surfen im Internet als Freizeitaktivität
zunimmt. Im Altersverlauf zeigen sich aber noch enorme Unterschiede: Bei den
Sechs- und Siebenjährigen hat erst jeder Fünfte Erfahrung mit dem OnlineMedium, während bei den Acht- und Neunjährigen bereits die Hälfte
Interneterfahrungen aufweisen und der Anteil der Internetaktiven bei den Zehnund
Elfjährigen
deutlich
auf
79
Prozent
ansteigt.
Die
konkreten
Internetanwendungen betreffend stehen für Kinder die Suchmaschinen an erster
Stelle (mindestens einmal pro Woche: 50 Prozent). Es folgen die Recherche bzw.
Informationssuche für die Schule und außerschulische Interessen sowie der
Umgang mit speziellen Kinderangeboten. Dass das Internet auch Gefahren birgt,
haben viele Kinder bereits direkt erfahren: So geben acht Prozent an, dass sie im
Internet schon einmal auf Sachen gestoßen seien, die ihnen unangenehm waren
oder ihnen Angst gemacht haben. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Erotikoder Pornoseiten, aber auch um gewalthaltige Inhalte oder Bilder und Videos von
Unfällen. Kinder mit Chat-Erfahrung berichten zudem zu 17 Prozent, dass sie in
Chatrooms schon einmal auf unangenehme Leute getroffen seien. Bei jedem
Zehnten ist dies schon mehrmals vorgekommen. Da es sich hier um sehr sensible
Fragen handelt, kann nach Ansicht der StudienverfasserInnen nicht mit Sicherheit
davon ausgegangen werden, dass Kinder unangenehme Erlebnisse einem Dritten
oder gar einem Interviewer (einem Fremden, Anmerkung der Verfasserin)
mitteilen wollen. Deshalb handelt es sich bei den hier ermittelten Werten mit
großer Wahrscheinlichkeit eher um Unter- als um Übertreibungen. Ebenso
ungewollte Folgen kann der allzu sorglose Umgang mit persönlichen Daten im
Netz haben. Dennoch erwähnen in dieser Studie nicht wenige Kinder, dass sie
38
schon einmal in sozialen Netzwerken oder Chats Angaben über sich gemacht
haben: So gibt jeder zehnte Internetnutzer an, Informationen über Hobbys (12
Prozent), die eigene E-Mail-Adresse (12 Prozent) oder eigene Fotos bzw. Filme
(10 Prozent) veröffentlicht zu haben. Bilder von Freunden oder der Familie (5
Prozent) werden ebenso wie die Handy-Nummer (3 Prozent) deutlich seltener
öffentlich zugänglich gemacht. Im Altersverlauf ist auch eine deutliche Zunahme
der im Internet präsentierten Informationen signifikant.
WER LOTST WEN INS INTERNET?
ODER: IST DAS INTERNET EINE FAMILIENANGELEGENHEIT?
Ein anderer interessanter Aspekt geht aus dem Digital Families 2008-Report
hervor, wonach Kinder in westeuropäischen Ländern bereits ihre Eltern ins
Internet lotsen. Außerdem scheint beachtenswert, dass sich Erwachsene mit
Nachwuchs öfter im Internet aufhalten als kinderlose, so die European Interaktive
Advertising Association (EIAA)15, der Branchenverband europäischer OnlineVermarkter. Demnach sind in Europa knapp drei Viertel der Eltern regelmäßig
online und laut Umfrage sorgen Kinder mit dafür, dass die Familien über die
neuesten technischen Angebote verfügen bzw. dass diese gekauft werden. Allem
voran wird das Internet von Eltern in Deutschland und Europa zur Recherche und
E-Mail-Kommunikation in Anspruch genommen und auch geglaubt, durch das
Internet könne Zeit und Geld gespart werden.
WAS ABER SUCHEN UNSERE KIDS IM WEB?
Wenn Erwachsene im Internet surfen, suchen sie laut Statistiken von Google und
Yahoo meist nach harmlosen Dingen. Kinder hingegen wollen nach Zahlen des
Sicherheitsdienstleisters Symantec, der rund 3,5 Millionen Suchanfragen
15
Vgl. http://www.eiaa.net/news/eiaa-articles-details.asp?lang=3&id=165 (Stand: 22. 04. 2010).
Bei der Erhebung wurden jeweils 1.000 Erwachsene in Großbritannien, Deutschland, Frankreich,
Spanien, Italien und Skandinavien sowie jeweils 500 in Belgien und den Niederlanden befragt.
39
ausgewertet hat, die zwischen Februar und Juni 2009 in den USA über seinen
Jugendschutzdienst OnlineFamiliy.Norton getätigt wurden, nicht nur zu YouTube
(häufigster Suchbegriff), Google (Platz 2) und Facebook (Platz 3), sondern auch
mehr über Sex (Platz 4) wissen. Laut Symantec schaffte es dieser Begriff auf den
vierten Platz einer Liste mit den 100 häufigsten Kinder-Suchanfragen. Zudem
schafften es MySpace, Yahoo, Michael Jackson, Ebay und Fred, eine erfundene
Figur mit eigenem Youtube-Channel, unter die ersten Zehn.16 Wenngleich diese
Quelle des Sicherheitsdienstleisters Symantec als unwissenschaftlich zu
kritisieren ist, halte ich es dennoch für angemessen, dieser Illustration in meiner
Dissertation Raum zu geben, da auch meine Praxis als Theaterpädagogin diese
Tendenz widerspiegelt und sich eine Problematik aufzutun scheint, die der
besonderen Aufmerksamkeit vonseiten der Eltern und PädagogInnen bedarf. Die
Sexualisierung in den Medien, insbesondere die Gefahren und Risiken im Internet
betrachtend, gilt es, die Kompetenz der Kinder im Umgang mit den neuen Medien
zu fördern und sie vor allen Dingen bei der Bewältigung ihrer kommunikativen
und sexualitätsbezogenen Medienerfahrungen zu unterstützen. Der Ruf nach
sexual- und medienpädagogischer Arbeit wird laut. Die Eltern sind für die
Chancen und Risiken des Internets zu sensibilisieren und durch Vermittlung
notwendiger Kompetenzen zu befähigen, die Internetnutzung ihrer Schützlinge
angemessen zu begleiten und zu kontrollieren. (Vgl. FLOTHO/HAJOK 2010: 36 ff.)
In diesem Zusammenhang scheint ein 2008 veröffentlichtes Ergebnis des
Projektes EU Kids Online17 äußerst bedenklich, wonach europaweit nur 37,6
Prozent der Eltern Regeln für die Internetnutzung ihrer Kinder setzen. (Vgl.
HASEBRINK/LIVINGSTONE/HADDON 2008: 52)
16
Vgl.
http://www.zdnet.de/news/digitale_wirtschaft_internet_ebusiness_symantec_ermittelt_haeufigste_
suchbegriffe_von_kindern_story-39002364-41501266-1.htm (Stand: 04. 11. 2010).
17
Vgl. www.eukidsonline.net (Stand: 28. 10. 2008).
40
WO LIEGT NUN DIE GEFAHR UND DIE VERANTWORTUNG?
Insgesamt lässt sich aus den unterschiedlichsten Studien der Trend absehen, dass
Kinder häufig länger online sind als angenommen und dass die Kommunikation
über die Internetnutzung der Kinder zwischen Kindern und ihren Eltern eine
besondere Herausforderung darstellt und häufig vernachlässigt wird. Eine 2008
durchgeführte deutsche Studie des Bundesverbandes Informationswirtschaft,
Telekommunikation und neue Medien (BITKOM)18 zur Mediennutzung von
Kindern fokussiert im Speziellen die Risiken und den Jugendschutz im Internet
sowie die Begleitung der Kinder durch ihre Eltern. Entsprechend der Studie darf
jeder zweite Nutzer zwischen sieben und 17 Jahren nur zeitlich begrenzt online
gehen. 38 Prozent der Eltern sprechen mit ihren Kindern über OnlineErfahrungen, und jeder vierte Erziehungsberechtigte setzt spezielle Software ein,
die etwa vor Gewalt- und Sexualdarstellungen schützt. Allerdings mischt sich
jeder Sechste überhaupt nicht in die Internetnutzung seiner Kinder ein. Fast ein
Drittel der Eltern meinen, sie seien nicht in der Lage, die Webaktivitäten ihrer
Kinder zu kontrollieren. 32 Prozent sagen, es fehlen ihnen Informationen über den
Schutz von Kindern im Internet. Empfehlungen von BITKOM und dem deutschen
Bundesfamilienministerium zufolge sollten vorhandene Jugendschutzfilter wie
beispielsweise „Ein Netz für Kinder“ genützt werden und spezielle Kinder- und
Jugendportale wie etwa „Frag Finn.de“ oder „Watch your Web“ zum
verantwortungsvollen Umgang mit persönlichen Daten im Internet animieren.
Außerdem wird auch an dieser Stelle die Wichtigkeit, über Interneterlebnisse zu
sprechen, hervorgehoben und eine Forderung nach Medienkompetenz für Kinder
und ihre Eltern immer wieder ausgesprochen.
18
Vgl. http://schau-hin.info/medienerziehung/detail/article/studie-zur-mediennutzung-computerund-internet-werden-bei-kindern-immer-beliebter.html (Stand: 17. 09. 2009) oder www.bitkom.de
Die Angaben zur Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen gehen aus einer aktuellen Studie
zur Internetgesellschaft hervor, bei der insgesamt 1.000 Deutsche repräsentativ befragt wurden.
Die Befragung wurde vom Hamburger Marktforschungsinstitut Aris im Auftrag des BITKOM
durchgeführt. Ergänzende Daten zu interaktiven Online-Diensten stammen aus dem BITKOM
Digital Consumer Monitor 2008, bei dem das Institut TechConsult ebenfalls 1.000 Personen
befragt hat.
41
Was aber sind nun die konkreten Risiken, denen Kinder ausgesetzt sind? Wie
lassen sich diese erfassen? Laut dem EU Projekt EU Kids Online – zur sicheren
Nutzung des Internets19 werden folgende Risiken nach der Häufigkeit ihres
Auftretens20 genannt:
-
Weitergabe von persönlichen Daten
-
Kontakt von pornographischen Inhalten
-
Konfrontation mit gewalttätigen und hasserfüllten Inhalten
-
Online-Belästigung, -Mobbing, -Bedrohung
-
Unerwünschte sexuelle Kommentare
-
Treffen mit Fremden, die Kinder oder Jugendliche im Internet
kennengelernt haben
(Vgl. HASEBRINK/LIVINGSTONE/HADDON 2008: 29 f.; Europäische
Kommission 2006)
Diese Auflistung betrachtend scheint es überdies beachtenswert, dass Kinder aus
Familien mit niedrigerem sozioökonomischen Status häufiger Online-Risiken
ausgesetzt sind; dies betrifft zumindest den Kontakt mit gewalthaltigen und
pornographischen Inhalten. Interessant ist auch, dass sich in ganz Europa Buben
deutlich von Mädchen unterscheiden: Buben treffen sich eher mit Fremden, die
sie online kennen gelernt haben, geben eher persönliche Daten weiter und
kommen häufiger in Kontakt mit pornographischen Seiten. Mädchen hingegen
chatten häufiger mit Fremden und werden öfter durch unerwünschte sexuelle
Kommentare belästigt oder nach persönlichen Daten gefragt, obwohl sie bei der
Weitergabe solcher Informationen zögerlicher sind als Buben. Die Reaktionen der
Kinder auf negative Erfahrungen reichen von Ignorieren, Vermeiden, der Bitte um
Unterlassung, dem Blockieren von Kontakten bis hin zu Gesprächen mit Eltern
und FreundInnen. (Vgl. PAUS-HASEBRINK/ORTNER 2009: 66)
19
Vgl. www.eukidsonline.net (Stand: 28. 10. 2008).
Dazu wurden sowohl Ergebnisse des Special Eurobarometer 250 (Europäische Kommission
2006), der auf Angaben der Eltern basiert, als auch nationale Befragungen von Kindern und
Jugendlichen herangezogen.
20
42
WAS KÖNNTEN KONSEQUENZEN DIESER ERKENNTNISSE SEIN?
Gesprächsbereitschaft – direkte Kommunikation – und das Bewusstsein für
konkrete Gefahren sollten sowohl bei Kindern als auch bei ihren Eltern gestärkt
werden und hierbei scheint eine intensivierte Einbindung der Schule sinnvoll.
Erfahrungsgemäß kommen aber zu eigens angesetzten Elternabenden zumeist nur
die Eltern, denen die Problematik bereits bekannt bzw. vertraut ist und die sich
gezielt Rat holen wollen. So können Schulprojekte ein entsprechendes Angebot
darstellen, in denen Kinder selbst mit Hilfe des Internets Themen bearbeiten, die
sie anschließend ihren Eltern präsentieren und in denen eine weniger formelle
Diskussion über das Thema Chancen und insbesondere Risiken des Internets
möglich ist. Außerdem sind an dieser Stelle vorwiegend die Schulen gefragt, da
über sie alle Kinder über sozio-ökonomisch sowie lebensweltlich relevante
Aspekte hinaus erreicht werden können. Eine explizite Verankerung von
Medienbildung im Sinne der Vermittlung eines kritischen, reflektierten und
selbstbestimmten Umgangs mit medialen Angeboten in den Lehrplänen aller
Schulformen und ein Hinausgehen über die Vermittlung technischer Kompetenz
wäre mehr als wünschenswert. Voraussetzung für eine solche schulische
Vermittlung von Medienkompetenz ist
eine adäquate Ausbildung von
Lehrkräften. (Vgl. a.a.O.: 68) Diese Problematik angemessen zu diskutieren soll
aber nicht Fokus dieser Arbeit sein, wenngleich ich diese grundlegende
Auseinandersetzung mit aktuellen Studien als Problemaufriss als absolut
notwendig ansehe und dies wiederum zum Nachdenken anregen soll.
„Bildung lässt sich nicht von außen vermitteln …“ (KRAINER/UKOWITZ 2009: 26)
und um ethische Entscheidungsfähigkeit und kritische Urteilskraft von
SchülerInnen zu fördern, bedarf es einer organisierten Herangehensweise.
Entsprechend dieser Meinung will ich im Folgenden das von LARISSA KRAINER
und PETER HEINTEL (2010:159ff.) entwickelte „Prozessethische Modell“ als
Ressource für die vorliegende Forschung heranziehen, da die für diese Arbeit
zentrale Interventionsforschung „als prozessethisches Arrangement“ verstanden
43
werden kann. Prozessethisch gewendet könnte man festhalten, „Forschung richtet
ethische Reflexions- und Entscheidungsprozesse ein“. (Vgl. UKOWITZ 2010: 705)
3 DAS PROZESSETHISCHE MODELL ALS LÖSUNGSANSATZ
Ethik muss entschieden, gestaltet und prozessiert werden.
LARISSA KRAINER, PETER HEINTEL
In den vergangenen Jahren hat sich eine Vielzahl von Feldern der „Angewandten
Ethik“ ausdifferenziert, beispielsweise Technikethik, Bioethik, Medizinethik,
Kunstethik, Wissenschaftsethik, Medienethik, Unternehmensethik, Organisationsethik etc., was auf einen erhöhten Ethikbedarf in verschiedenen Praxisfeldern
hindeuten könnte. LARISSA KRAINER (2010: 602) hält fest, dass sich in all diesen
Modellen wiederum zwei Pole voneinander unterscheiden lassen, zwischen denen
es viele Abstufungen gibt: „Auf der einen Seite stehen jene, die Ethik weitgehend
normativ, häufig von ‚oben bestimmt„ festlegen wollen und darauf vertrauen, dass
sich alle anderen Menschen dann daran halten werden. In ihnen erscheinen
ethische Normen zumeist als weitgehend widerspruchsfreie Konstrukte. Auf der
anderen Seite stehen jene Konzepte, die nicht auf die normative Kraft ethischer
Gebote vertrauen und demgegenüber partizipative Prozesse einrichten wollen, die
es den Betroffenen ermöglichen sollen, selbst über jene Wertsetzungen zu
entscheiden, nach denen sie ihr professionelles Handeln ausrichten wollen und die
getroffenen Entscheidungen mehr als Antworten auf bestimmte (ethische)
Widersprüche und Konflikte verstehen. Diesen ist der Ansatz der Prozessethik
zuzuordnen. Insofern kann Prozessethik nicht bestimmten Bereichsethiken
zugeordnet werden, sie kann vielmehr in allen zur Anwendung gelangen.“ (a.a.O.)
Ethik war und ist eine philosophische Disziplin, „sie kommt aber in eine neue
Rolle, und dies deshalb, weil unsere Alltagspraxis, egal, ob individuell oder
kollektiv, in Organisationen, was Moral, Werte etc. betrifft, ‚reflexiver„, wenn
man so will ‚philosophischer„ geworden ist“. (HEINTEL 2010: 454 f.) Im
Allgemeinen basieren ethische Fragestellungen häufig auf Orientierungslosigkeit,
44
bewussten sowie unbewussten Konflikten und Konfliktpotentialen oder dem
Wunsch nach Sicherheit und Klarheit. Das Gute wird gesucht und in diesem
Zusammenhang kann Ethik meines Erachtens adäquat als „Ort, um das Wollen in
das Sein hineinzutragen“ skizziert werden. Dies kann aber nur mit Hilfe der
Selbstreflexion und unter Berücksichtigung aller Beteiligten geschehen. An dieser
Stelle muss festgehalten werden, dass in dieser Arbeit der Fokus auf Prozessethik
gelegt wird und Ethik in diesem Zusammenhang eher als ein diskursives „Sichgemeinsam-Einrichten“ in der Welt und nicht als eine Reflexion und
Entscheidung über „Gut und Böse“ verstanden wird. (Vgl. UKOWITZ 2010: 704 f.)
Will Ethik nun moralische Fragen und ethische Themen dort bearbeiten wo sie
auftauchen, so braucht sie Organisation. Die Institutionalisierung von Ethik in
Organisationen
kann
eine
Möglichkeit
sein,
die
Ernsthaftigkeit
und
Glaubwürdigkeit des ethischen Commitments zu beweisen. (Vgl. beispielsweise
KARMASIN 2010: 228 ff.) Das stelle ich außer Frage. PETER HEINTEL (2010: 457
f.) ortet in diesem Zusammenhang folgende Herausforderung:
„Organisation im Zusammenhang von Ethik und Philosophie bedeutet für
Letztere, sich aus ihrer traditionellen akademischen Organisation
herauszubewegen, einen Rollenwechsel vorzunehmen, sich verantwortlich
zu sehen für die Organisation von Kommunikationsprozessen mit
Interessenten, Nachfragenden, mit konkreten gesellschaftlichen Systemen,
denen Ethik (selbstreflexiv) ein Thema ist.“
Nur in einer solchen Form, glaubt HEINTEL (a.a.O.), „dass Philosophie in Zukunft
für Ethik Zuständigkeit beanspruchen kann, es sei denn, sie beschränkt sich
weiterhin auf ihr akademisch-theoretisches Inseldasein.“ Wie dies geschehen kann
und worin ethische Fragen ihren Ursprung nehmen, gilt es im Folgenden zu
diskutieren.
LARISSA KRAINER (2010: 584) hält in ihrem Aufsatz „Prozessethik als
Widerspruchsmanagement“ fest, dass der prozessethische Ansatz davon ausgeht,
„dass Normen, moralische und ethische Wertsetzungen aus aufgeklärter Sicht
nicht (mehr) von bestimmten Instanzen vorgeschrieben werden können und
45
dürfen, sondern von den jeweils Betroffenen diskutiert und entschieden werden
können (müssen).“ Den „Wertewandel“ oder gar „Werteverlust“ betrachtend wird
klar, dass Normen, moralische und ethische Wertsetzungen keine ewigen oder gar
letztgültigen Setzungen sein können, sondern jeweils situationsspezifisch
angepasst werden können (vgl. a.a.O.: 585). Die Prozessethik ist es, die eine
Wiedererinnerung an den Menschen als Differenzwesen unterstreicht. Im
Allgemeinen kommen zwei Arten einer inneren Differenz zum Vorschein:
-
Eine, die auf der einen Seite das Tier, Lebewesen, die Natur, die
Geschöpflichkeit, auf der anderen Sprache, Vernunft, Kultur, Geist
ansetzt,
-
die andere, die ein Sein (Gegenwart, Eingebundensein in seine
Gesellschaft,
…)
einem
Werden
(Sollen,
Zukunft,
Verändern)
gegenüberstellt. (Vgl. KRAINER/HEINTEL 2010: 56)
Alle Menschen sind somit Differenzwesen, oder, schärfer formuliert, Widerspruch
in und zu sich selbst (historisch entdeckt im Selbstbewusstsein, ethisch
beispielsweise im Gewissen). Diese Selbstdifferenz (Selbsttranszendenz)21 lässt
sie in ihren Selbstbestimmungen nicht zur Ruhe kommen und ist auch der Motor
für Entwicklung und Geschichte. (Vgl. a.a.O.: 170) Dieses Selbstbewusstsein
kann als Anfang und Ursprung von allem Moralischen gesehen werden und die
Moral
(Normen,
Werte
etc.)
ist
wiederum
eine
Form
eigener
Differenzbewältigung, eine Lösungsantwort auf jene Widersprüche, denen der
Mensch prinzipiell ausgesetzt ist. Die Antworten müssen sich Menschen jeweils
selbst geben. Die Moral ist somit eine Antwort auf die Bewältigung dessen, was
der Mensch ist, nämlich ein nicht instinktgesichertes offenes Mängel- oder
Freiheitswesen. (Vgl. a.a.O.: 166)
Menschen müssen lernen, sich als solche Differenzwesen zu begreifen, um in
weiterer Folge die Lösungsantworten verstehen zu können und diese nicht
21
Transzendent kann mit Ergebnisoffenheit umschrieben werden. Diese Selbsttranszendenz heißt
im Individuellen „Gewissen“, im Kollektiven Selbstbeobachtung und Selbstreflexion. (Vgl. a.a.O.:
168)
46
vorrangig
als
Wirklichkeitselement
anzusehen,
sondern
ihnen
den
Antwortcharakter zukommen zu lassen. Die Wahrnehmung des Menschen als
Differenzwesen beginnt bereits mit dem Begreifen des Kleinkindes als
eigenständiges „Ich“, dem Loslösen von den Eltern und sich als Differenz zu
anderen wahrnehmen zu lernen. Das Bewusstsein des Menschen, sich als
Widerspruchswesen anzuerkennen, die Vielfalt der Widersprüche im Blick zu
behalten und diese als notwendig und sinnvoll zu erachten, birgt meiner Meinung
nach ungeahnte Ressourcen.
Vor allem vor dem Hintergrund, „(…) dass man Ethik nicht an Experten
delegieren kann, dass sie in jedem Menschen ihren Anfang nimmt, somit ihm
selbst ‚gehört„“ (a.a.O.:162), scheint das Begreifen des Menschen als
Widerspruchswesen von großer Bedeutung. Die Beobachtung, dass Menschen
eher in den Antworten, als in den unterschiedlichen Wertsetzungen streiten und
nur in seltenen Fällen auf die notwendigen Widersprüche eingehen, macht eine
nähere Betrachtung dieses Widerspruchsdilemmas, das das Differenzwesen
Mensch begleitet, dringend erforderlich.
Auf der folgenden Seite erfolgt ein Überblick der von LARISSA KRAINER und
PETER HEINTEL (2010: 169ff.) ausgearbeiteten notwendigen Widersprüche.
Demnach lassen sich zwei Ebenen voneinander unterscheiden, die wiederum
verschiedene Untergruppen umfassen:
47
Widersprüche im Unbestimmten –
die sozusagen „reinen“ Widersprüche:
Natur – Freiheit
Leben – Tod
Widersprüche im Bestimmten –
die in der Unbestimmtheit „konkretisierten“:
Existenzielle Widersprüche





Mensch – Natur
Alt – Jung (Generationenwiderspruch)
Mann – Frau (Geschlechterwiderspruch)
Gesund – Krank
Wachen – Schlafen
Widersprüche aufgrund sozialer Konstellationen




Individuum – Paar
Individuum – Paar – Gruppe
Gruppe – Organisation
Organisation – System (Institution)
Systemische Widersprüche

Widersprüche von „Eigenlogiken“, Kulturen, Systemen
Widersprüche aufgrund historischer Ungleichzeitigkeiten
Strukturelle Widersprüche


Hierarchie (Linie) – Teamstruktur (Projekt)
Basisdemokratie – repräsentative Demokratie
Abbildung 3.1: Überblick der notwendigen Widersprüche
Quelle: KRAINER/HEINTEL 2010: 169 (eigene Darstellung); vgl. HEINTEL 2005b: 15 ff.
48
Wie aus dieser Abbildung hervorgeht, werden grundsätzlich zwei Arten von
Widersprüchen (Differenzen) unterschieden: Widersprüche im Unbestimmten und
jene, in der sich die Unbestimmtheit konkretisiert, die Widersprüche im
Bestimmten. Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Widersprüche und ihre
ethischen Implikationen Diskussionsraum finden:
WAS SIND WIDERSPRÜCHE IM UNBESTIMMTEN?
Das „Unbestimmbarkeitsparadoxon“ sowohl des Todes (von dem wir selbst nichts
wissen und doch ist er das Gewisseste in unserem Leben), als auch der Freiheit
(was sie ist, woher sie kommt, was Ursache ist, dass sie sich zu Wort meldet,
wissen wir ebenso wenig, dennoch ist sie in jeder bewussten Entscheidung
anwesend und wir machen von ihr Gebrauch) ist unaufhebbar. Es ist die
Akzeptanz dieser zwei oben angeführten reinen Widerspruchspaare (Leben – Tod;
Natur – Freiheit), die Ethik möglich und im Wesen der Menschen auffindbar
machen. Unser Verhältnis zu Freiheit und Tod (unsere Endlichkeit) bestimmt
deshalb die spezifische Qualität unserer Ethik. (Vgl. a.a.O.: 170f.)
WAS SIND WIDERSPRÜCHE IM BESTIMMTEN?
Zu den Widersprüchen im Bestimmten zählen zunächst die existentiellen
Widersprüche, das sind solche, die mit der Existenz des Menschen verknüpft
sind. Geschlechter (Mann, Frau), Generationen (alt, jung) brauchen einander,
treten aber aufgrund der unterschiedlichen Wertvorstellungen immer wieder in
Konflikt. (Vgl. KRAINER 2010: 587) Im Zuge meiner Forschung wird vor allen
Dingen der Generationenwiderspruch zum Tragen kommen. Es bleibt zu
erwarten,
dass
meine
kindlichen
ForschungspartnerInnen
andere
Wertvorstellungen haben als beispielsweise ihre Eltern oder LehrerInnen.
Während es für die junge Generation durchaus in Ordnung wäre, stundenlang im
Internet zu surfen oder Computerspiele zu spielen, werden Eltern und
PädagogInnen vermutlich andere Vorstellungen haben. Dieses Ausbalancieren der
unterschiedlichen Interessen beinhaltet oftmals Konfliktpotential, das ein
49
gemeinsames Miteinander sehr erschweren kann. Die Suche nach einer sinnvollen
Balance der notwendigen Widersprüche stellt eine große Herausforderung im
Alltag dar. Diese Konflikte verlangen häufig nach neuen Antworten (Werten,
Gewohnheiten, Umgangsformen).
Ähnlich verhält es sich mit den
Widersprüchen aufgrund sozialer
Konstellationen. So erscheint es klar, dass das, was für das Individuum gut ist,
nicht auch für das Paar oder eine Familie gilt. Das Thema Life-Work-Balance
beschreibt auch diese Widersprüche und Konflikte. Menschen sehen sich oftmals
in dem Dilemma, nicht gleichzeitig der Familie und dem Beruf Lebenszeit
widmen zu können. Hierin zeigt sich, dass es ein unterschiedliches, sogar
widersprechendes Gutes gibt, je nachdem, worauf es bezogen wird. Außerdem ist
es sinnlos, hier zu fragen, welches Recht hat beziehungsweise welches das
Bessere ist. (Vgl. KRAINER/HEINTEL 2010: 77; KRAINER 2010: 588)
Eine
weitere
Kategorie
von
Widersprüchen
sind
die
Systemischen
Widersprüche. Diese beschäftigen sich mit unterschiedlichen Systemlogiken, die
vor allen Dingen in Organisationen und unterschiedlichen Kulturen durch innere
Konflikte sichtbar werden. Hierbei geht es häufig um die unterschiedlichen
Wertsetzungen der ökonomischen und der sozialen Logik. Ökonomische Ziel- und
Wertsetzungen lassen sich häufig nicht mit sozialer Qualität vereinbaren und
ökonomische Wertsetzungen sind nicht in allen Bereichen sinnvoll und gut und
bedürfen einer klugen Abwägung. (Vgl. KRAINER 2010: 586 f.)
Zu den Widersprüchen im Bestimmten zählen auch jene, die aufgrund
„historischer
Ungleichzeitigkeit“
entstehen.
Diese
begegnen
uns
im
unmittelbaren Umfeld ebenso wie in der globalen Welt der Veränderungen. So
wäre als Beispiel im Kontext des Generationenwiderspruchs das Problem mit den
älteren Arbeitskräften im Zusammenhang mit den neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien zu nennen, aber auch in den unterschiedlichen
Entwicklungen der Industrialisierung, der Marktwirtschaft, der Grund- und
Freiheitsrechte werden diese historischen Ungleichzeitigkeiten sichtbar. Was aus
50
diesen Widersprüchen hervorgeht, ist, „dass das, was für die einen gut ist, für die
anderen nicht dasselbe sein muss; dass zwar alle ihre Ansprüche (ethischen
Wertsetzungen) zu Recht verfolgen, dass sie dabei aber notwendig mit den
Ansprüchen anderer in Konflikt geraten“ (KRAINER 2010: 589) und das
Ausbalancieren von „Bewahren versus Verändern“ steht im Raum.
Die in der Abbildung zuletzt genannten Strukturellen Widersprüche spielen
eine zentrale Rolle im prozessethischen Verfahren und sind quer zu allen anderen
Widersprüchen überall antreffbar. Sie basieren auf einem zentralen Widerspruch
der Menschen, der sich durch alle sozialen Konstellationen durchzieht. Demnach
wollen Menschen einerseits „gleich“ sein (Gleichheit, Gleichberechtigung, gleich
vor dem Gesetz, und das als Wähler, Staatsbürger, DemokratInnen), andererseits
wollen und müssen sie sich voneinander unterscheiden, gegenüber anderen etwas
Besonderes sein. Sehr gut veranschaulicht wird dies in der strukturellen
Ungleichheit und Ungerechtigkeit der Hierarchien, die Zurückgesetztheitsgefühle,
Ohnmachtsempfinden und potentiell immer auch Widerstand, jedenfalls aber
Konflikte produzieren. (Vgl. KRAINER/HEINTEL 2010: 190)
In Anlehnung an LARISSA KRAINER (2010: 591 ff.) begreifen wir einen
„transzendentalen Freiheitsbegriff“ als eine Bedingung der Möglichkeit von
Prozessethik. Mit ihm verbunden sind die Anerkennung der Autonomie des freien
Willens von Menschen und zugleich die Einsicht, dass Ethik immer eine Frage
des Wollens ist. Im Kontext der „prozessethischen Prämisse der Freiheit“ führt
KRAINER etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung oder auch das Recht auf
Entscheidungsfreiheit als Grundfreiheiten des Menschen an, die selbst als
verfassungsrechtliches Gut gelten. Menschen steht es demnach zu, sich für oder
gegen etwas zu entscheiden und Entscheidungen auf Basis ihrer eigenen Normund Wertvorstellungen zu treffen, schließlich genießen sie Wahlfreiheit (sowohl
was politische Wahlen betrifft als auch Wahlfreiheit in Bezug auf den Markt der
Dinge und Angebote). KRAINER weist darauf hin, dass solche Freiheiten allen
Individuen in gleicher Weise zukommen, nicht veräußerbar sind und demnach an
der Person haften. Umgekehrt zeigt sie aber auf, dass die Zugehörigkeit zu einem
51
System oder einer Organisation in der Regel auch die Übernahme bestimmter
Pflichten, die zumeist auch bestimmte ethische Ausrichtungen implizieren,
bedeutet.
Im Hinblick auf meine Forschungsarbeit könnte das bedeuten, dass Kinder nur
eingeschränkt ihre Freiheit artikulieren können und die Frage drängt sich auf, wie
lange Eltern dafür verantwortlich sind, Kindern ein moralisches Rüstzeug mit auf
den Weg zu geben. Selbst wenn man für die Anerkennung von Freiheiten eintritt
erscheint es notwendig, Kindern Grenzen aufzuzeigen und ihren Trotz- und
Pubertätsphasen auch die autoritäre Stirn zu bieten. Kinder müssen erst begreifen
lernen, dass ihre eigene Meinung nicht immer die der anderen sein muss und dass
auch die anderen ein Recht auf einen eigenen Willen haben. So scheint wertfreie
Erziehung nicht möglich, da selbst antiautoritäre Grundhaltungen nichts anderes
als eine bestimmte Wertfigur repräsentieren. Zwischen der Unterstützung sozialer
Fähigkeiten und der Förderung egoistischer Triebe liegt ein schmaler Grat, den
Eltern mit Sorgfalt zu beschreiten haben. Auch die Frage, ab wann
Mitbestimmung von Kindern in Entscheidungsfragen möglich sei, ist bei weitem
nicht eindeutig zu beantworten; in familiären Kontexten geschieht dies in der
Regel Schritt für Schritt, häufig aber unbewusst im Sinne dessen, dass zumeist
keine konkreten Verfahren dafür vorgesehen werden. (Vgl. KRAINER 2010: 596 f.)
Im Kontext der Mediennutzung eröffnet die von RÜDIGER FUNIOK (1996: 112 ff.;
2007: 155 ff.) diskutierte „Publikumsethik“ für diese Arbeit neben der Fragen der
Staatsbürgerlichen Mitverantwortung für die Medien und der Verantwortung für
sich selbst und die eigene Freizeit vor allen Dingen die Frage nach der
Verantwortung für Heranwachsende. Zweifelsohne liegt diese wiederum in erster
Linie bei den Eltern, ErzieherInnen in Kindergarten und Hort sowie
PädagogInnen in der Schule. Als wichtig erachte ich an dieser Stelle das von
EDMUND ARENS (1996: 73 ff.) beschriebene „advokatorische Moment“22, das
22
EDMUND ARENS geht in seinem Aufsatz „Die Bedeutung der Diskursethik für die
Kommunikations- und Medienethik“ auf das Gerechtigkeitsprinzip der Diskursethik ein. Da eine
grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Diskursethik nicht im Fokus dieser Arbeit liegt, kann
an dieser Stelle lediglich darauf verwiesen werden.
52
meint, dass für Menschen, die nicht oder noch nicht – in diesem Fall Kinder – an
moralischen Diskursen teilnehmen können, das „Instrument der Advokation“ zum
Tragen kommen soll. Hier ist ein „Vertreter“ gemeint, der die Interessen der nicht
Artikulationsfähigen vertritt.
„Advokation meint dagegen, daß auch die Interessen, Ansprüche und
Bedürfnisse derer zur Geltung zu bringen sind, die diese nicht mehr oder
noch nicht artikulieren können.“ (ARENS 1996: 94)
Einen Weg, diesen Gedanken umzusetzen, kann meines Erachtens die
Prozessethik darstellen, da ein Ansinnen von Prozessethik darin besteht, eine
„kollektive Autonomie“, eine „kollektive Aufklärung“ zu erreichen. Kollektive
sollen unterstützt und selbst in die Lage versetzt werden, sich über sich selbst
aufzuklären und ein klares und reflektiertes Selbstbewusstsein zu entwickeln.
(Vgl. KRAINER 2010: 598)
Ehe nun das prozessethische Modell vorgestellt wird, sei einmal mehr darauf
verwiesen, dass das hier vertretene Menschenbild nicht einfach als gegeben
anzusehen ist, da es sein Charakter ist, dass es uns ewig aufgegeben ist. (Vgl.
KRAINER/HEINTEL 2010: 161) Um nun einem bestimmten Menschenbild gerecht
zu werden, das Ethisches und Moralisches im Wesen des Menschen fundieren
lässt, genügt es nicht, es theoretisch-appellativ zu vertreten und mit anderen zu
teilen, um es konkret werden zu lassen bzw. vor Gefahren des Selbstverlustes zu
schützen, bedarf es nach LARISSA KRAINER und PETER HEINTEL (2010: 163f.)
konkreter sozialer und organisatorischer Maßnahmen und eines diesbezüglichen
Kompetenzerwerbs (‚Zweite Aufklärung„). Das folgende Modell soll dafür eine
Stütze sein.
DIE ZENTRALE FRAGE KÖNNTE LAUTEN:
WOLLEN WIR ES SO, WIE WIR ES UNS EINGERICHTET HABEN?23
23
In Anlehnung an HEINTEL (1999: 78) geht es nicht um Kompromisse, um Interessensausgleich,
um die Durchsetzung bereits bestehender Normen, „es geht um eine viel grundsätzlichere
Tätigkeit, nämlich um die Beantwortung der Frage, ob wir das was geschieht, was wir uns
eingerichtet haben, füt gut halten, es auch so wollen oder ob wir etwas anderes wollen.“
53
Im prozessethischen Modell unterscheiden LARISSA KRAINER und PETER
HEINTEL (2010: 164f.) fünf Felder als Momente eines Prozesses, der in beide
Richtungen gehen kann:
-
Das erste Feld ist dem Differenzwesen Mensch und den zu seinem Wesen
gehörenden Widersprüchen gewidmet.
-
Das zweite Feld identifiziert die aus den Widersprüchen folgenden
notwendigen Konfliktpotentiale und Konflikte.
-
Im
dritten
Feld
werden
unmittelbare
Reaktionsformen
und
Lösungsmethoden benannt.
-
Das vierte Feld enthält „Antworten“ (im Sinne von Lösungen) auf
Widersprüche und Konflikte.
-
Das fünfte und letzte Feld führt jene Instanzen des Schutzes und der
Rechtfertigung auf, die die Antworten schützen, begründen und auf
Dauer zu stellen versuchen. (Vgl. a.a.O.)
Die notwendigen Widersprüche, die das Differenzwesen Mensch begleiten,
wurden an vorangehender Stelle bereits angeführt. Zu den im zweiten Feld
angesiedelten Konflikten und Konfliktpotentialen muss festgehalten werden,
dass diese in diesem Kontext für unvermeidbar gehalten werden. Sie werden also
für notwendig und sinnvoll angesehen, weil sie in den im Feld I beschriebenen
ebenso notwendigen Widersprüchen ihre Ursache haben. Nun gibt es zwar
Antworten/Lösungen (Feld IV) die herangezogen werden können, die den
Widerspruch nicht zu einem heftigen Konflikt eskalieren lassen; manchmal gibt es
aber keine Antworten, manchmal reichen sie nicht aus und manchmal müssen sie
durch die Betroffenen konkretisiert, sozusagen neu angeeignet, adaptiert werden.
Vor allen in ethischen, moralischen Zusammenhängen, wo Gewissen, Autonomie
und eigene Überprüfung verlangt wird, müssen Antworten immer wieder neu
gegeben werden. Die Übernahme von Verantwortung heißt, sich „antwortsauskunfts-begründungspflichtig“ zu machen, denn eine bloße Übernahme
bestehender Antworten reicht meist nicht aus. (Vgl. a.a.O.: 191)
54
Den Ursachen im Widerspruch folgend, lässt sich die reiche Konfliktlandschaft
nach folgenden Regionen gliedern; an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass
erst eine Distanz zur eigenen emotionellen Betroffenheit ihre Notwendigkeit und
Sinnhaftigkeit erkennen lässt:
-
Existentielle Grundkonflikte (basierend auf existentiellen Widersprüchen)
-
Sozialkonflikte (basierend auf Widersprüchen sozialer Konstellationen)
-
Konflikte der Systemlogiken und Wertfiguren (basierend auf den
systemischen Widersprüchen)
-
Entwicklungskonflikte
(basierend
auf
Widersprüchen
„historischer
Ungleichzeitigkeiten“)
-
Strukturkonflikte (basierend auf Widersprüchen von Strukturen)
(Vgl. a.a.O.:192)
Durch ein eigens eingerichtetes prozessethisches Verfahren und eine Überprüfung
auf die ihnen zugrundeliegenden Ursachen kann eine Distanz zu emotionell
bestimmten ersten und unmittelbaren Reaktionsformen bei Konflikten erreicht
werden, die im Modell im Feld III neben den Lösungsmethoden angeführt sind.
KRAINER und HEINTEL (a.a.O.:193 ff.) zufolge lassen sich folgende vier
herausragenden Reaktionsmuster immer wieder beobachten. Sie heben die
Bedeutung, sich dieser unmittelbaren Reaktionsformen bewusst zu sein, hervor
und führen „Rücksichtnahme“ und auch „Bearbeitung der ausgelösten
Emotionen“ als Möglichkeit zur Herstellung einer Distanz an:
Zum einen werden Konflikte, da emotionell negativ besetzt, verleugnet,
verdrängt, verharmlost; zum anderen lassen sich die Reaktionsmuster Vorwurf,
Verteidigung, Schuldzuweisungen in Opfertradition beobachten; Ermüdung und
Erschöpfung führen dann oft zu Resignation und somit in das nächste
Reaktionsmuster, das man mit Schicksal übertiteln könnte. Die vierte
Reaktionsform lautet: Schnell entscheiden; eine schnelle Lösung setzen, entlastet
zwar momentan, kann aber mit folgenreichen Nachteilen verbunden sein.
Einerseits wird meist keine tiefere Ursachenanalyse vorgenommen, andererseits
kommt die Macht Dritter ins Spiel, die wiederum die Ohnmacht der Betroffenen
55
bezeugt und Kompetenzdelegation vorsieht. Alle Reaktionsmuster sind Antworten
auf negative emotionelle Betroffenheit und entsprechen einerseits dem Muster
Flucht (Verleugnung, Verdrängung, Verharmlosung, Resignation, Schicksal),
andererseits dem Muster Kampf (Vorwurf, Verteidigung, Schuldzuweisungen in
Opfertradition, schnelle Entscheidungen). Ethische Themen betrachtend gilt es zu
bedenken, dass es sehr oft und unvermeidbar um Wertfragen selbst geht und dass
zudem jedes Konfliktlösungsverfahren selbst ein Agieren von Wertvorstellungen
ist. (Vgl. a.a.O.: 196)
Ein Lösungsmodell gegenüber diesen Reaktionsformen stellt GERHARD SCHWARZ
in seinem Buch „Konfliktmanagement. Sechs Grundmodelle der Konfliktlösung“
vor. SCHWARZ (1997: 215) weist darauf hin, dass ähnlich wie die Konfliktarten
auch die Lösungen auf einige wenige Grundmodelle zurückzuführen sind,
wenngleich im Einzelnen sicher mehr verschiedene Lösungen von Konflikten auf
der Welt existieren, als es Menschen gibt. Dennoch überrascht es, SCHWARZ
zufolge, dass es in diesen vielen Lösungen eine Struktur gibt. Unter Lösung
versteht SCHWARZ, dass die Gegner einen Modus gefunden haben, in dem der
Gegensatz so weit verschwunden ist, dass die Handlungsfähigkeit (im Extremfall
nur von einem) nicht weiter beeinträchtigt wird. Für das Entstehen eines solchen
Modus
der
wiedererlangten
Handlungsfähigkeit
im
Bereich
des
Konfliktgegenstandes gibt es nach SCHWARZ sechs Grundmuster. Die vielfältigen
Lösungen können jeweils auf eines dieser Grundmuster zurückgeführt werden.
Die Grundmuster der vielfältigen Lösungen sind für SCHWARZ (a.a.O.):
„1. Flucht
2. Vernichtung des Gegners
3. Unterordnung des einen unter den anderen
4. Delegation an ein dritte Instanz
5. Kompromiss
6. Konsens“.
56
Die ersten drei entsprechen den Reaktionsmustern des prozessethischen Modells,
was nach KRAINER/HEINTEL (2010:197 f.) dafür spricht, dass alte Prägungen bei
Betroffenheit unser emotionelles Verhalten immer noch bestimmen. Erst im
vierten Grundmuster tritt Konfliktdistanz auf, sie wird aber nach außen verlegt,
beziehungsweise muss von außen kommen. KRAINER/HEINTEL verweisen hier auf
einen
Verlust
(Enteignung)
der
eigenen
Konfliktkompetenz
und
ein
„Sitzenbleiben“ der Konfliktpartner auf ihren unbearbeiteten Emotionen, heben
aber gleichzeitig hervor, dass dies beispielsweise im Rechtssystem als Produkt
dieses Lösungsansatzes unverzichtbar ist. Für das prozessethische Verfahren, in
dem es prinzipiell um Selbstaufklärung und Selbstbestimmung geht, kommen nun
nach KRAINER/HEINTEL nur die beiden oben angeführten Methoden fünf
(Kompromiss) und sechs (Konsens) in Frage. Aber auch die sicher manchmal
sinnvolle Methode vier (Delegation) muss demnach in Methode fünf und sechs
entschieden werden, da sie ja Rückzugsort für ein Nichtgelingen in den anderen
Methoden ist.
Abschließend zu diesem Feld III sei darauf verwiesen, dass in notwendigen
Konflikten, verursacht in Widersprüchen, der Konsens keineswegs geschenkt
wird. Prozesse müssen durchgestanden, Dialektik praktisch durchexerziert
werden; so diskutiert man nicht abstrakt über irgendwelche Widersprüche, sie
sind als Akteure, leibhaftige Personen anwesend. (Vgl. a.a.O.) KRAINER/HEINTEL
zufolge besteht die einfachste Anwendung des Modells darin, sich bei
auftretenden Konflikten, Problemen, offenen Fragen im Repertoire des
Vorhandenen umzusehen. Gibt es brauchbare Antworten? Beispielsweise
Gewohnheiten, die man aufgreifen kann, oder Normen, die man erneuern,
befestigen beziehungsweise verbindlich machen kann, oder Werte, die für
gemeinsame Orientierung tauglich sind. Gesetze müssen ohnehin befolgt werden
und werden sanktioniert. Den Sinn dieser Suche sehen KRAINER/HEINTEL in
dreierlei Hinsicht: „Erstens macht man sich klar, in welcher Umgebung man
ohnehin schon lebt, was es an Einflüssen gibt, was Wert hat, was eher weniger.
Zweitens stellt dieser Reflexionsprozess eine gemeinsame Sichtweise der
Ausgangslage dar. (…) Die gemeinsame erreichte Sichtweise und der Prozess
57
dorthin ermöglichen erst so etwas wie Verbindlichkeit, Identifikation mit der
Lösung; sie kann nicht theoretisch vorgegeben werden. Drittens lässt sich auf
diesem Weg Erstaunliches entdecken. (…) Die Entdeckungen helfen sehr gut bei
der Diagnose der eigenen Situation.“ (a.a.O.: 200)
Die an dieser Stelle erreichten Ergebnisse bezeichnen KRAINER/HEINTEL (a.a.O.:
199), wie an anderer Stelle bereits erwähnt, als Antworten (Feld IV), die
eingebettet in Kulturen historisch, endlich und je nach System von längerer oder
kürzerer Dauer sind. Die Widersprüche sind damit aber nicht aus der Welt zu
schaffen und zwei Fragestellungen erscheinen grundlegend:
Erstens: Wie kommen diese Antworten zustande, wer oder was verleiht
ihnen Gültigkeit?
Zweitens: Wie wird diese begründet, gerechtfertigt und verbindlich
gemacht? (Vgl. a.a.O.: 201)
Im letzten Feld V des Modells finden sich die Instanzen des Schutzes und der
Rechtfertigung. Hier werden beispielsweise die Kirchen, als von Menschen
geschaffene entlastende Einrichtung, die auf unlösbare Widersprüche ewige
Antworten geben, angeführt. Auch die Natur wird als Rechtfertigungskonstrukt
des Menschen angesehen: „Was nämlich Natur ist, vor allem, was man für
ethische Begründungen aus ihr braucht, ist Resultat einer vorweggenommenen
Entscheidung. Daher begibt man sich in einen Zirkel: Aus der Natur soll
begründet werden, was man normativ schon vorentschieden hat.“ (a.a.O.: 203)
Des Weiteren wird der Mensch selbst als Ursache der Antworten wahrgenommen.
Die Menschen müssen demnach auch alle von ihrer Differenz (Vernunft, Freiheit)
Gebrauch
machen
dürfen
und
das
Unmündigkeitsstadium,
jenes
der
transzendenzbegründenden Fremdbestimmung, verlassen, was in der Regel mit
Hilfe von Bildung geschehen kann. Im Gewissen, im Staat und in der Demokratie
ist, basierend auf diesem Selbstbewusstsein, eine weitere Instanz des Schutzes und
der Rechtfertigung gefunden. Sie repräsentiert neben dem Gewissen den
öffentlich verwalteten Widerspruch zwischen Selbst- und Fremdbestimmung,
58
wobei die Ursache für die Antwort „Gesetz“ prinzipiell wieder bei den Menschen
endet. Schließlich spielen noch die politischen Ideologien eine Rolle im
Auseinanderfallen von Legalität und Moralität und es geht im Grunde um eine
Wiederbelebung eines verloren gegangenen Universalismus. Es ist mir durchaus
bewusst, dass diese kurze Abhandlung dieses Bereiches für manchen
unbefriedigend erscheinen mag, aber der Fokus meiner Arbeit ist zunächst
weniger auf eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung als vielmehr auf das
Individuum gerichtet, aus dessen Lebenswelt sich im Zuge der Empirie zentrale
Themen herauskristallisieren werden. (Vgl. a.a.O.: 203 ff.)
Zusammenfassend
betonen
KRAINER
und
HEINTEL
(a.a.O.: 205), dass
Prozessethik das „Verursachungsgeschehen im Menschen“ vertritt und dass sie
die Instanzen Gewissen und Demokratie für unverzichtbar hält, schon deshalb,
weil sie diese Zurückführung in das Differenzwesen Mensch repräsentieren. Die
Prozessethik diagnostiziert nach Ansicht der Autoren aber für beide Seiten mehr
oder weniger prozessuale und organisatorische Defizite; ebenso die Ortlosigkeit
anderer Antworten. Prozessethik „stellt sich nicht von selbst ein, sie muss
organisiert werden, wie überhaupt gesagt werden muss, dass ohne ihre vielfache
Einrichtung wir in ethischen, moralischen Angelegenheiten ‚ungeübt„ bleiben,
was heißt, dass jene vorhin erwähnte Bildung nicht stattfindet.“ (a.a.O.)
In Anlehnung an LARISSA KRAINER und PETER HEINTEL soll folgende Darstellung
die Besonderheit der Prozessethik als Instanz zum Auffangen der oben genannten
Defizite veranschaulichen:
59
Prozessethik als ...
Prozessethik als ...
- Ort der Aufnahme
und
Akzeptanz von Widersprüchen
und Konflikten
- Hilfe für das individuelle
Gewissen
(Selbstaufklärung,
Selbstbesimmung)
- Ort der Analyse
- Kollektive Entscheidungseinrichtung (auf Zeit)
- Ort gemeinsamer "Antworten"
Prozessethik als ...
- Reetablierung einer "säkularen
Transzendenz"
- Möglichkeit, um Bestehendes
zu reflektieren und
Fremdbestimmung zu
relativieren
Abbildung 3.2: Prozessethik als notwendige Instanz
Quelle: KRAINER/HEINTEL 2010: 205 (eigene Darstellung)
Diese Darstellung betrachtend stellt sich mir die Frage, welchen Herausforderungen sich Prozessethik als Ort der Aufnahme und Akzeptanz von
Widersprüchen und den daraus resultierenden Konflikten als kollektive
Entscheidungseinrichtung auf Zeit immer wieder aufs Neue zu stellen hat, um
Bestehendes wirklich reflektieren und Fremdbestimmung relativieren zu können.
Was sind nun die besonderen Herausforderungen, die in diesem Prozess zum
Tragen kommen? Diese an dieser Stelle noch einmal zu skizzieren halte ich für
notwendig:
-
Prozessethik organisiert (kollektive) Selbstreflexion
-
Selbstreflexion betrifft Individuen und Kollektive
-
Selbstreflexion benötigt ein Sich-in-Distanz-Setzen zu Normen und
Werten
-
Kollektive ethische Entscheidungen entlasten von individueller
Überforderung
-
Ethik bedarf der Einrichtung von kollektiven ethischen
Entscheidungsprozessen
60
-
Prozessethik als angewandte Dialektik – als Widerspruchsmanagement
-
Repräsentationsverfahren müssen gegenseitige Feedbackschleifen
ermöglichen (Vgl. a.a.O.: 207 ff.)
Zu guter Letzt gilt es, folgende Schritte in der „Organisation prozessethischer
Entscheidungsverfahren“
zu
beachten,
wobei
aber
zur
intensiveren
Auseinandersetzung mit diesen konkreten Ausführungen auf das Buch von
LARISSA KRAINER und PETER HEINTEL (2010: 208 ff.) „Prozessethik. Zur
Organisation ethischer Entscheidungsprozesse“ verwiesen werden muss. Die
Auseinandersetzung mit der Organisation prozessethischer Entscheidungsverfahren dient an dieser Stelle als Anregung:
-
Ausgangspunkt ist, dass ein ethischer Konflikt auftritt.
-
Dem Konflikt liegt ein Widerspruch zugrunde, der sich nicht logisch lösen
lässt und es werden Möglichkeiten gesucht, den ihm zugrunde liegenden
Widerspruch auszubalancieren.
-
Ein Prozess wird initiiert und zahlreiche Fragen konferiert.
-
Die Einbindung der Betroffenen, die mitunter erst identifiziert werden
müssen, stellt ein wesentliches Kriterium dieses Verfahrens dar.
-
Es erfolgt die Thematisierung der Situation, wobei im Prozess selbst ein
wichtiger Schritt darin besteht, die schwierige Situation, den Konflikt, das
eigentliche Problem, den Widerspruch etc. zu erfassen und gemeinsam
beschreiben zu können.
-
Besonders wichtig erscheint es das Streiten zuzulassen, ehe vorschnelle
Lösungen gesucht werden, denn wenn man sich auf ethische
Entscheidungsverfahren einlässt, sind heftige Konflikte vorprogrammiert.
Es wird ermöglicht, die eigenen individuellen wie systemischen Werte und
Wertvorstellungen lautstark vorzutragen und zu verteidigen.
-
Erst danach gilt es Lösungsoptionen auszuarbeiten, gemeinsam zu
reflektieren, abzuwägen und zu verhandeln.
-
Entscheidungen müssen getroffen werden und es ist wichtig, sich nicht auf
eine
einzelne
Lösung
zu
verständigen,
sondern
verschiedene
61
Lösungsmöglichkeiten miteinander zu verschränken (Konflikt versus
Konsens).
-
Auf Basis der gefundenen Lösungen, Kompromisse oder gemeinsam
erstrittenen Konsense ist es aber wichtig, Maßnahmen der Beobachtung
festzulegen, um feststellen zu können, ob sich die Entscheidungen auch in
der Praxis bewähren und somit eine nachhaltige Wirkung erzielen können.
Abschließend sei festgehalten, dass die „praktische Umsetzung von Ethik in
gesellschaftliche Prozesse“ für diese Arbeit von besonderem Interesse ist, was in
CHRISTOF ARNS24 (2008: 70 ff.) „Konzept des Ethiktransfers“ wie folgt
Diskussionsraum findet: Bei der Umsetzung von Einsichten aus der ethischen
Reflexion in die Praxis ist es demnach wichtig dass man weiß, dass es nicht
darum geht, diese Einsichten 1:1 in die Realität umzusetzen, da der
Umsetzungsprozess erneut von einem Reflexionsprozess begleitet wird.
Außerdem besteht ein Prozess von einer allgemeinen zu einer angewandten Ethik
in dem Sinn, dass man ausgehend von der allgemeinen Ethik die realen Probleme
bedenkt. ARN zufolge befindet man sich hier aber immer noch auf einer
allgemeinen Ebene. Sich praktisch um diese realen Probleme zu kümmern ist
dann ein weiterer Schritt, der erneut eine anspruchsvolle, aber andere Art von
Reflexion verlangt. ARN hat die Erfahrung gemacht, dass viele EthikerInnen
gerade für diesen letzten Schritt nicht geeignet sind, weil ihnen die
entsprechenden
kommunikativen
Kompetenzen
fehlen,
da
es
hier
im
Wesentlichen um Kommunikation geht, deren Verlauf offen ist. Zudem geht es
darum Argumenten nachzugehen, die die eigene Konzeption in Frage stellen und
auch um die Bereitschaft, sich diese Konzeption in Frage stellen zu lassen. (Vgl.
ARNS 2008: 70; HEINTEL 2010:455 f.)
Prozessethisch orientierte Verfahren sorgen demnach zusammenfassend dafür,
dass die schlichte und banale Frage „Wollen wir alles so, wie es ist?“ nicht
untergeht und dass sie an alle Beteiligten gestellt wird. Das Störende,
24
Zeitschrift: Information Philosophie. Heft 4/10/2008 S. 70 ff. „Angewandte Ethik umsetzen“(!);
Rubrik „Philosophische Praxis“.
62
Widersprüchliche kommt in ihrer Wahrnehmung zu ihrem Recht und als
besondere Herausforderung erachte ich, dass es vor allen Dingen darum geht, im
Besonderen auf Gefühle zu achten und diese zu beachten. Es geht also um
organisatorische Voraussetzungen für individuelle Selbstreflexion und ihre
systemrelevante
gemeinsame
Verarbeitung
und
die
Ermöglichung
von
„kollektiver Autonomie“ (Vgl. HEINTEL 2010: 453).
MARTINA UKOWITZ (2010: 700) hält in ihrer Reflexion aus der Perspektive der
Interventionsforschung fest, dass ihre Erfahrungen mit dem Ansatz der
Prozessethik sehr positiv sind. Demnach wird Ethik „der Idee nach greifbarer und
handhabbarer, Ethik wird aus der Sphäre des Erhabenen in die Praxis geholt, der
erhobene moralische Zeigefinger durch reflektiertes, möglichst selbstbestimmtes
Denken, Handeln und Entscheiden ersetzt.“
Nach den folgenden, meines Erachtens zentralen Gedanken, soll ein Schritt
zurück gemacht und die Frage „Was ist Interventionsforschung?“ erarbeitet
werden, um sich ein Grundverständnis für den empirischen Teil anzueignen.
DER ANFANG VON ETHIK IST IN MIR –
SIE GEHÖRT MIR SELBST.
ICH BIN WIDERSPRUCH IN UND ZU MIR SELBST.
DIE SUCHE NACH DEN NOTWENDIGEN WIDERSPRÜCHEN BEGINNT IN MIR.
63
4 WAS IST INTERVENTIONSFORSCHUNG?
Interventionsforschung ist Forschung,
die Wissen vor Ort und in Kooperation mit den Betroffenen erzeugt.
PETER HEINTEL
Interventionsforschung, als eine an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
entwickelte Forschungsmethode, die als „eine Wissenschaft vom Menschen“
(HEINTEL 2006: 45) zu sehen ist, „basiert auf der Haltung, Menschen und
Organisationen respektvoll gegenüberzutreten und sie in ihrer Eigenständigkeit
und Selbstorganisationsfähigkeit zu unterstützen bzw. in deren Entwicklung zu
begleiten. Interventionsforschung geht davon aus, dass Lernen und Veränderung
nicht
von
außen
bestimmt
werden
können,
sondern
in
einer
Forschungspartnerschaft von WissenschafterInnen und PraktikerInnen von innen
heraus entwickelt werden müssen, um nachhaltig zu wirken.“ (Vgl. u.a.
FALK/KRAINER 2006: 263 f.) So wird diese Forschungsrichtung als ein
verbindendes Element zwischen Wissenschaft und Praxis verstanden, in dem
gegenseitiges Lernen und Verstehen eine wesentliche Rolle spielen, was auch
Ausgangsüberlegung und Grundmotivation war, mich dieser Forschungsmethode
zu bedienen.
Intervenieren kann als dazwischen treten, vermitteln, sich einmischen, einem
Prozess beitreten oder als hemmender Faktor in Erscheinung zu treten verstanden
werden. HUGH J. SILVERMAN (2006: 64) versteht beispielsweise den Begriff der
Interventionsforschung im Sinn eines „Zwischenzonendenkens“ und meint damit,
dass sich etwas in einem Zwischenraum ereigne. Bezugnehmend auf das Zitat von
ARNO BAMMÉ: „Die Gesellschaft hat Probleme und die Universität hat
Fakultäten“ betont er, dass wir nicht nur auf unseren eigenen Gebieten arbeiten
sollen, ohne an die anderen zu denken, sondern in den Denkräumen zwischen uns.
Er veranschaulicht dies sehr ansprechend am Beispiel der Brücke, die immer zwei
Weisen anbietet, nach drüben zu gehen – über einen Fluss oder einen
Zwischenraum. Er gibt das Problem zu bedenken, dass, wenn eine Brücke zwei
Richtungen hat, es immer Grenzen gibt. „Aber genau weil eine Brücke zwei
64
Richtungen hat, gibt es auch immer die Möglichkeit, das Interesse der
Gesellschaft innerhalb der Universität zu suchen.“ (a.a.O.: 65 f.) Er fordert
abschließend, dass unsere Forschungen „Zwischenzonendenkforschungen“ als
Interventionsforschung ohne Intervention sein sollen. Was kann dies aber im
Kontext der Interventionsforschung bedeuten? Arbeite ich als InterventionsforscherIn nicht in gewisser Weise über dem Fluss, auf der Brücke in eben dieser
Zwischenzone, indem ich Prozesse initiiere, deren Ausgang ungewiss ist. Die
Kunst, nicht in den Fluss zu fallen und der Angst zu begegnen, nicht wissen zu
können, was dabei herauskommt, ereignet sich meines Erachtens in eben dieser
Zwischenzone, in die sich auch meine ForschungspartnerInnen freiwillig begeben.
PETER HEINTEL (2006: 52) stellt in seinem Beitrag Interventionsforschung:
Wissenschaft als kollektive Entscheidung fest, dass wir heute „an dem Punkt
angekommen [sind; Anm. d. Verf.], an dem Gesellschaft nicht mehr als eine
Wirklichkeit gedacht werden kann, die wissenschaftlich untersucht wird, sondern
wo
die
Gesellschaft
faktisch
ein
Systemzusammenhang
angewandter
Wissenschaft geworden ist. Was wir erleben ist die Verwissenschaftlichung von
Welt. Die Erkenntniswelten sind unendlich geworden, so ist es in der
Wissenschaft selbst angelegt, und zugleich ist es unmöglich geworden, durch
Entscheidungen von außen oder durch individuelle Entscheidungen die
Auswirkungen dieser Verwissenschaftlichung von Welt steuerbar zu machen.“
Um nun begreifen zu können was Interventionsforschung eigentlich ist, soll im
Folgenden kurz auf die Grundaxiomatik der Interventionsforschung eingegangen
werden.
65
4.1 ZUR GRUNDAXIOMATIK DER INTERVENTIONSFORSCHUNG
Das, was passiert, aber ist Entscheidung.
PETER HEINTEL
Es geht PETER HEINTEL (2005a: 112) zufolge um „eine andere Wissenschaft“,
eine Wissenschaft, die einerseits imstande ist, sich vom Spezialistentum innerhalb
der Wissenschaftsorganisation zu verabschieden beziehungsweise dieses anders
zu nutzen, und die anderseits ihr Untersuchungs- und Forschungsfeld als aktive
Quelle der Wissensgenerierung mit einbezieht und sich schließlich dem Thema
Ganzheit,
Gesamtzusammenhang
auf
neue
Weise
annimmt.
Die
Interventionsforschung ist es nun, die einen praktischen Umgang mit dem
jeweiligen Ganzheitsbegriff (das Ganze, die Ganzheit als notwendiger
dialektischer Grenzbegriff) ermöglicht, ohne den wir schlicht nicht auszukommen
scheinen. (Vgl. a.a.O. 117 f.)
Wie oben bereits angeführt gilt als unabdingbare Voraussetzung der
Interventionsforschung:
„Ihr ‚Gegenstand„ ist lebendig und frei.“ (a.a.O.: 124)
In den Mittelpunkt ihrer Vermittlungsprozesse stellt die Interventionsforschung
die „Selbst-Aufklärung“. (Vgl. a.a.O.: 102) Der Zweck einer Interventionsforschung soll demzufolge sein, nicht bloß Kulturen zu beschreiben, zu
vergleichen und den Systemen zurückzumelden, sondern „Hilfestellung in der
Selbstbewusstwerdung“ zu leisten. (Vgl. a.a.O.: 147) Die Besonderheit von
Interventionsforschung liegt also in der Einbeziehung der Forschungsfelder in
einen gemeinsamen Untersuchungs- und Lernprozess. Und hier halte ich den
Hinweis, dass Lernprozesse nicht stellvertretend absolviert werden können, für
besonders wichtig. (Vgl. a.a.O.:149)
Diese Individualität des Forschungsgegenstandes bringt eine Verabschiedung der
in
der
klassischen
Wissenschaft
gängigen
Verallgemeinerbarkeit
und
Vergleichbarkeit mit sich. Ziel kann nicht das Erreichen eines allgemein gültigen
66
Resultates sein, sondern „eine aus Allgemeinen, falls dies überhaupt vorhanden
ist, gewonnene Konkretion. Diese Konkretion stellt die jeweilige Individualität
des Gegenstandes, des Systems dar; sie kann weder vorgegeben werden, noch darf
sie übersprungen werden. In ihr erwirbt sich das Forschungsfeld seine eigene
Handlungsfreiheit.“ (a.a.O.: 144)
Im Zentrum von Interventionsforschung steht das sich Einlassen auf die
Lebenswelt
der
ForschungspartnerInnen,
ihre Probleme und
Gedanken,
Emotionen, Hoffnungen und Erwartungen. Die Anerkennung ihrer Subjektivität
stellt meines Erachtens eine besondere Herausforderung dar. Im Gegensatz zur
traditionellen Wissenschaft stehen gemeinsam erlebbare Prozesse und soziale
Konstellationen und somit eine Beziehung zu Lebendigem im Vordergrund und
das Heraustreten der Wissenschaft aus ihrer eigenen Institution ist notwendig. Die
Rolle der ForscherIn ist in diesem Zusammenhang eine besondere, da dieses
Aushalten der eigenen Unwissenheit (vgl. PAUL-HORN 2006: 5) im Kontext der
traditionellen Wissenschaft eher unüblich ist. Als WissenschafterInnen werden
wir von der Angst begleitet, das Expertenwissen aufzugeben und sich
einzugestehen, nicht wissen zu können, was im Zuge des Forschungsprozesses
herauskommt. Das wiederum setzt einen grundlegenden Vertrauensvorschuss von
Seiten der ForschungspartnerInnen voraus. Vertrauen und Beziehungen sind
forschungskonstitutiv und das bewusste Ausklammern von Belehrungen
(Expertenwissen) soll für ForschungspartnerInnen Mut schaffen, selbst zu denken.
(Vgl. HEINTEL 2005a: 132; 150)
An dieser Stelle wird auch die partielle Aufhebung der Subjekt-ObjektDifferenzierung als Eigentümlichkeit der Interventionsforschung deutlich. Im
Prozess der Interventionsforschung werden die Subjekt-Objekt-Trennungen zwar
auch immer wieder gesetzt, zugleich aber immer wieder aufgehoben. Systeme
bestimmen sich jeweils erst im Zuge des Forschungsprozesses. So werden erste
wissenschaftliche (Fremd)Beobachtungen zur Verfügung gestellt, Hypothesen (im
Sinne von Angeboten) formuliert und mit Hintergrundtheorien angereichert. Diese
regen zur Selbstbeobachtung und Selbstreflexion an, deren Ergebnisse wiederum
67
Material einer Weiterarbeit der WissenschafterInnen ist. Ein dialektischdialogischer
Prozess
der
Auseinandersetzung
von
Beobachtung
und
Selbstbeobachtung setzt dann jeweils die realen Systemgrenzen fest. (Vgl. a.a.O.:
135 f.)
Wesentlich erscheint, dass beide Seiten ihre Systemfreiheit gegenseitig
aneinander zu respektieren haben (Vgl. a.a.O.: 114) Systemfreiheit heißt für
HEINTEL (2005a: 128) im Kontext der Interventionsforschung zunächst nichts
anderes, als ein in sich vermittelter Zusammenhang; ein mehr oder weniger
dichtes „Aufeinander-Bezogensein“, ein Bedingungsgefüge, das die einzelnen
Elemente trägt und erhält. Aus der Sichtweise des Systems heisst dies unter
anderem, dass es von vornherein schwierig ist, von Elementen zu sprechen.
Interventionsforschung muss versuchen zu erreichen, dass man sich auf einer
reflexiven Metaebene auch in den Inhalten treffen kann. Praktisch bedeutet dies
nach HEINTEL (a.a.O.: 133), dass man die Gesamtsituation und die Sichtweisen
auf die Situation selbst zum Sprechen bringt und dass das System sich zur
Selbstdifferenz erhebt. Es bewegt sich demnach nicht mehr bloß in seinen
Elementen und Zusammenhängen, sondern lässt sich über sie befragen, denkt über
sie nach und gibt seine Perspektive wieder. Diese Art der Selbstbeforschung
eröffnet nach HEINTEL eine erste Freiheitsdifferenz.
MARTINA UKOWITZ (2010: 709) thematisiert die Auseinandersetzung mit dem
Interventionsbegriff in der „Neueren Systemtheorie“ (WILLKE 1999). Sie weist
darauf hin, dass sich mit dem Begriff der Autopoiesis [Prozess der
Selbsterschaffung und –erhaltung eines Systems; Anm. d. Verf.] etwa erklären
lässt, dass Systeme, um sich selbst in einem Gleichgewicht zu halten,
Interventionen nicht wirksam werden lassen und Interventionen, wenn überhaupt
Elemente der Koppelung gegeben sind, nur entsprechend ihrer jeweils eigenen
Systemlogik verarbeiten können. Aus dieser Annahme heraus überlegen sich
demnach all jene, die Prozesse gestalten, wie Interventionen gerade so gesetzt
werden, damit sie Veränderung möglich machen, aber nicht zu einer Schließung
des Systems führen. UKOWITZ zufolge ermöglicht die Sicht der „Neueren
68
Systemtheorie“ zweifellos eine aufschlussreiche Perspektive, da vor allem die Art
und Weise und der Moment des Intervenierens fokussiert wird und zudem
beschrieben wird, wie Systeme Interventionen verarbeiten. Interessant erachte ich
in diesem Kontext auch das Zusammenspiel von formell eingerichteten und
informellen Strukturen, das UKOWITZ mit Hilfe ERVING GOFFMANS (2008) Modell
von „Vorder-
und
Hinterbühnengeschehen“
verdeutlicht:
So wäre der
Forschungsprozess aus dieser Sicht als „Vorderbühnengeschehen“ zu beschreiben.
Zugleich agieren die am Forschungsprozess Beteiligten auch auf einer nicht
öffentlichen „Hinterbühne“. Was dort passiert, beeinflusst demnach das
Geschehen auf der „Vorderbühne“ und umgekehrt.
„Eine Interventionstheorie gibt Einblick in die Art der Verarbeitung der
Impulse, Goffmans Perspektive entwirft ein Bild von miteinander
verknüpften ‚Parallelwelten„ (die Welt des Forschungsprozesses und die
Welt des alltäglichen Denkens, Kommunizierens und Handelns der
ForschungspartnerInnen), die entstehen, und bringt damit die
Prozesshaftigkeit des Geschehens zum Ausdruck.“ (UKOWITZ 2010: 710)
UKOWITZ (2010: 710) weist darauf hin, dass für die Praxis daraus folgen könnte,
dass nicht nur auf das Gestalten der Prozesse auf der „Vorderbühne“ sorgfältiges
Augenmerk gelegt wird, sondern auch die „Hinterbühne“ so gut wie möglich in
den Blick genommen wird. Allerdings stoßen die ForscherInnen hier an Grenzen,
weil die Bereiche der nicht öffentlichen „Hinterbühne“ nicht unmittelbar
zugänglich
sind.
Für
prozessethisch
grundgelegte
Interventions-
forschungsprozesse ist es demnach lohnenswert, den Herausforderungen der
Grenzdialektik zu begegnen, indem sie mit diesen Grenzen arbeiten und dieser
Sphäre des Informellen, jenseits der Grenze dessen, was für ForscherInnen
zugänglich ist, weiter nachspüren.
Die Grenzdialektik ist ein weiteres zentrales Thema der Interventionsforschung.
Die Methode der Dialektik versucht nach HEINTEL (2005a: 141), dem Wesen der
Widersprüche (siehe hierzu Kapitel 3) gerecht zu werden und erinnert an die
Unaufhebbarkeit
der
Gegensätze
und
stellt
dabei
häufig
bestehende
(hierarchische) Ordnungen in Frage. So wurde in der Geschichte der Philosophie
69
viel über die Widersprüche nachgedacht, sie blieben aber trotz aller Aufrufe meist
theoretisch. In Bezug auf die notwendigen Widersprüche ist ein Entweder-OderDenken bzw. das Ausschließen eines Gegenpols nicht möglich. So produziert
beispielsweise die bereits erwähnte Generationenunterschiedlichkeit immer
wieder Gegensätze, die zwar gelöst werden mussten, indem die Denkform der
Logik in die Organisationsform der Hierarchie übersetzt wurde. Sie sind jedoch
im Grunde immer voneinander abhängig und nicht trennbar oder auszuschließen.
Interventionsforschung kann nun als angewandte Dialektik bezeichnet werden,
da „es ihr nicht darum geht, Widersprüche zu eliminieren, sondern ihnen einen
ihnen entsprechenden Platz zuzuweisen, andererseits Prozesse zu organisieren, in
denen die Gegensätze selbst aufeinandertreffen, sich gegenseitig begreifen und
anerkennen lernen und beginnen ihr Verhältnis zueinander selbst zu gestalten.“
(a.a.O.) Für Interventionsforschung ist demnach „der Zusammenhang von
unaufhebbaren Widersprüchen (und ihren Repräsentanten), deren Akzeptanz als
Gleichberechtigte und den für sie notwendigen Entscheidungsprozessen, die
jeweils zu Lösungen führen, maßgeblich.“ (a.a.O.)
Wenn es nun darum geht, die Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse von
Interventionsforschung zu diskutieren, unterscheidet PETER HEINTEL (2005a: 143)
vier Ebenen, die in folgender Abbildung dargestellt sind:
70
Die von Wissenschaft und Forschungsfeld
erarbeiteten Lösungen
Die Möglichkeit der Wissenschaft, Wege und
Produkte zu reflektieren und zu sammeln
(das spezifische, praktisch wirksame Produkt)
(Theorie- und Repertoiregewinn)
Lösungsorientierung
Reflexionsorientierung
Die vier Ebenen der
wissenschaftlichen
Ergebnisse von
Interventionsforschung
Der Beitrag zur Selbstaufklärung von Individuen
und Kollektiven
Die Unterstützung bei den Einrichtungen von
Organisationsformen, die auch zunkünftig mit
notwendigen Widersprüchen selbständig umgehen
können
(Einrichtungen spezieller Selbstbeobachtung)
Abbildung 4.1: Wissenschaftliche Ergebnisse der Interventionsforschung
Quelle: Heintel 2005a: 143 (eigene Darstellung)
Neben dem spezifischen, praktisch wirksamen Produkt und dem Theorie- und
Repertoiregewinn trägt die Bewusstwerdung der Individualität und der
Besonderheit sowohl als Individuum als auch als Kollektiv neben dem Umgang
mit bzw. der Akzeptanz der notwendigen und nicht eliminierbaren Widersprüche
innerhalb eines Systems zu einer Aufmerksamkeitserweiterung bei. Diese
Ergebnisse anderer Art ergeben sich mitunter notwendigerweise aus der
Akzeptanz von Widersprüchen, dem Einsehen, dass diese notwendig sind und
nicht eliminiert werden können.
So sei HEINTEL (2006: 54 ff.) zufolge das Kennzeichen der Interventionsforschung
in Erinnerung an die Transzendentalphilosophie KANTS die Akzeptanz der
„Vernunftkompetenz derer, die in einem Problemzusammenhang leben“ und
damit die Perspektive „kollektiver Autonomie“. An dieser Stelle halte ich eine
allgemeine Betrachtung der Settings und Methoden der Interventionsforschung als
Grundlage für den empirischen Teil für notwendig, um vorab einen Einblick in
das Methodenrepertoire der Interventionsforschung zu geben.
71
4.2 SETTINGS UND METHODEN DER INTERVENTIONSFORSCHUNG
Das folgende Kapitel bezieht sich einerseits auf meine individuellen Erfahrungen
im Zuge des DoktorandInnenkollegs für Interventionsforschung (DKI) und greift
andererseits auf die Onlinepublikation: „Settings und Methoden Interventionswissenschaftlicher Forschung“25 zurück. Welcher Methoden bedient sich die
Interventionsforschung
und
welche
Elemente
bedürfen
besonderer
Aufmerksamkeit? Ich halte die Fähigkeit, sich auf die ForschungspartnerInnen
unvoreingenommen einlassen und deren Werte und Grundsätze akzeptieren zu
können, für grundlegend. Auch das Bestreben, nicht in erster Linie Lösungen
erhalten zu wollen, sondern das Erfassen von Ganzheiten als Ziel akzeptieren zu
können, erachte ich als wichtigen Lernprozess im Vorfeld der Forschung. Der
Interventionsforscher/die Interventionsforscherin darf irritieren, nachfragen,
verstören, enttäuschen, Selbstverständliches hinterfragen, begleiten und es liegt an
der Eigenheit und Bereitschaft des beforschten Systems, ob es etwas daraus
macht. Es gibt aber eine klare Vorstellung, wie IFO ablaufen soll, und diese
explizit in der Dissertation anzuführen, halte ich für wesentlich, um als LeserIn
ein Verständnis für den empirischen Teil aufbauen zu können. So richtet
interventionswissenschaftliche Forschung den Fokus gleichermaßen auf Mensch,
Inhalte und den Forschungsprozess an sich. Die Reflexion des ständigen
Wechselspiels
dieser
unterschiedlichen
Ebenen
ermöglicht
Lernen
und
Weiterentwicklung. Dies als solches zu erfassen, stellt mitunter eine große
Herausforderung in dieser Arbeit dar.
DER ANFANG
Aller Anfang zaubert – man muss zaubern.
Während
üblicherweise
neben
der
Konstituierung
eines
interdisziplinär
zusammengesetzten Teams eine erste Teamsitzung zur Formulierung von
Vorvermutungen dient, werden auf Basis
25
dieser Ausgangsüberlegungen
Vgl. Settings und Methoden Interventionswissenschaftlicher Forschung.
http://www.uni-klu.ac.at/iff/ikn/downloads/Settings_u_Methoden_IKN.pdf (Stand: 20. 06. 2010).
72
beispielsweise Designschritte im Detail geplant, Interviewleitfäden erarbeitet,
Beobachtungsschwerpunkte in Aussicht genommen und mit den eventuellen
AuftraggeberInnen vereinbart. Wenn es sich um eine Auftragsforschung handelt,
habe ich im Zuge des Kollegs erfahren, dass der Forscher/die Forscherin sich
immer wieder mit einer Nähe/Distanz-Problematik zum beforschten System
konfrontiert sieht. Eine genaue Auftragsklärung ist grundlegend und wenn dies als
sinnvoll erachtet wird, kann eine Kick-Off-Veranstaltung an den Beginn des
Forschungsprozesses gesetzt werden. Je nach Forschungsauftrag können
Recherchen und Grundlagenstudien oder Sichtung und Diskussion von
Materialien
und
Dokumenten
der
ForschungspartnerInnen
Teil
des
Forschungsprozesses sein.26
Im Folgenden gilt es auf die Forschungsmethoden der Interventionsforschung im
Allgemeinen einzugehen:
DIE METHODE DES TEILSTRUKTURIERTEN TIEFENINTERVIEWS
Wie erlerne ich dieses Erzählen-Lassen?
Teilstrukturierte
Tiefeninterviews
dienen
als
Werkzeug
interventions-
wissenschaftlicher Forschung. Sie werden vor allen Dingen benötigt um das
Forschungsfeld aufzumachen, d. h. die Thematik über die Sichtweisen,
Bewertungen und Einschätzungen der InterviewpartnerInnen zu erschließen und
Reflexionsprozesse in Gang zu setzen. Interviews eignen sich besonders gut zur
Identifikation etwaiger Problemlagen und kontroversieller Sichtweisen. Sie sollen
der IFO entsprechend immer dann zum Einsatz kommen, wenn es gilt,
unterschiedliche Motive und Interessen zu identifizieren und aufeinander zu
beziehen. Hierbei ist es von besonderer Bedeutung, dass der Forscher/die
Forscherin den Kontakt zu den Menschen im Forschungsfeld sucht ohne an
vorgefasste Hypothesen gebunden zu sein. Einen besonders hohen Stellenwert hat
26
Vgl. Settings und Methoden Interventionswissenschaftlicher Forschung.
http://www.uni-klu.ac.at/iff/ikn/downloads/Settings_u_Methoden_IKN.pdf (Stand: 20. 06. 2010).
73
in diesem Zusammenhang die Einstiegsfrage, die das Forschungsfeld öffnen soll.
Auf standardisierte Fragen wird weitgehend verzichtet, das Hauptaugenmerk liegt
auf situativem Nachfragen und so sollen im Rahmen des Gesprächs Erklärungen
oder etwaige Problemlagen eruiert werden. Dabei spielt neben den Informationen
auf sachlicher Ebene vor allen Dingen das Erleben der Befragten, also deren
Sichtweisen, Emotionen, Bewertungen und Einschätzungen, eine zentrale Rolle. 27
Aber wie gelingt es, diese unterschiedlichen Motive, Interessen und Einstellungen
zu erfragen? „Die Kunst des Forschers besteht nun darin, den Gesprächspartner
erzählen ‚zu lassen„“ (GIRTLER 2001:158). Die Frage, wie Interviews richtig
durchgeführt werden, ist zweifellos eine generelle und die Komplexität der
Beantwortung lässt sich mit folgenden Prinzipien zusammenfassen:
1. Der Interviewer/die Interviewerin weiß von nichts.
2. Der Interviewte hat immer Recht.
3. Keine Ratschläge erteilen.
Außerdem hat die Fragetechnik große Bedeutung. Hierbei kann es hilfreich sein,
sich an folgenden Punkten zu orientieren:
1. Zuhören statt selbst reden.
2. Fragehaltung nicht aufgeben.
3. Keine Reaktion außer Verständnis zeigen, auch wenn es schwer fällt.
4. Offene und einfache Fragen stellen.
5. Suggestivfragen vermeiden.
6. Gesprächsverlauf im Blick behalten.
7. Pausen aushalten lernen.
8. Keine psychologischen Löcher bohren.
9. Gefühle aufgreifen.
10. Zeit haben. (Vgl. KRAINZ 2000: 189 f.)
27
Vgl. Settings und Methoden Interventionswissenschaftlicher Forschung.
http://www.uni-klu.ac.at/iff/ikn/downloads/Settings_u_Methoden_IKN.pdf (Stand: 20. 06. 2010).
74
All diese Prinzipien gilt es als ForscherIn umzusetzen und im Denken und
Handeln zu verinnerlichen. Die Gespräche dauern üblicherweise ca. eine Stunde
und werden aufgezeichnet und transkribiert. Diese erhobenen Daten bilden dann
eine Basis für Hypothesenbildung, Rückkoppelung und Ergebnispräsentation. Es
können sowohl Einzel- als auch Gruppeninterviews geführt werden. Wesentlich
erscheint es auch, dass die Daten stets vertraulich behandelt und anonymisiert
werden, was dem Interviewpartner/der Interviewpartnerin Sicherheit geben soll.
DIE METHODE DER TEILNEHMENDEN BEOBACHTUNG
Teilnahme bedeutet Mitmachen und emotionale Bezogenheit,
d.h. die ForscherInnen bekommen ein Gefühl für die Gesellschaft und Kultur.
CHRISTA MARIA MAIX
Als Begründer der Teilnehmenden Beobachtung kann BRONISLAW MALINOWSKI
(1961: 6 f.) genannt werden. Als Methode der Feldforschung stellt die
Teilnehmende Beobachtung auch eine Standardmethode der heutigen Ethnologie
dar, deren Gegenstand die Kultur ist. Zur theoretischen Fundierung ist an dieser
Stelle Das Zürcher Modell der Ethnopsychoanalyse als Forschungsmethode zu
nennen, das CHRISTA MARIA MAIX (2006: 67 ff.) als eine empirische
Feldforschung betreibende Wissenschaft beschreibt. Der Forschungsprozess geht
demzufolge
weg
von
der
Schreibtischethnologie
und
entwickelt
sich
erfahrungsgemäß in erkennbaren Phasen: (a.a.O.: 82 ff.)
-
Art und Weise des Zugangs;
-
Einstieg bzw. die Form der Kontaktherstellung;
-
Beginn der Arbeitsbeziehungen oder Initiation;
-
Phase der Datensammlung;
-
Abschied
Jede dieser Phasen steht nach MAIX im Zusammenhang mit einem neuen
Arbeitsschritt, der neue Fragen auf beiden Seiten aufwirft, Unruhe und
75
Widerstände hervorruft. In Anlehnung an GEORGE DEVEREUX (1973), dem
Begründer der Ethnopsychoanalyse, die sich mit dem Wechselspiel zwischen der
Kultur und dem Verhältnis der bewussten und unbewussten Anteile des
Individuums befasst, stellt das von MAIX vorgestellte Modell mit dem Konzept
der Übertragung und Gegenübertragung den subjektiven Anteil der ForscherInnen
in der Felderfahrung und ihr Verhältnis zu den InformantInnen methodisch in den
Mittelpunkt. Es werden demnach „nicht einfach Phänomene oder Situationen
untersucht und interpretiert, sondern die ForscherInnen selbst sind ein
konstituierendes Element der Untersuchung.“ (MAIX 2006: 77) Die Irritationen
auf der Seite der ForscherInnen werden demnach zu wichtigen Daten, die auf eine
kulturspezifische Psychodynamik verweisen können. (Vgl. PAUL-HORN 2006: 3
f.)
Das Feldtagebuch wird in diesem Kontext als wichtiges methodisches Hilfsmittel
angesehen, das einerseits die grundlegende Funktion der Angstabwehr,
Identitätssicherung und Suche nach Verständigung hat; andererseits soll dieses
Tagebuch zunächst der Selbstbeobachtung (Selbstreflexion) im Forschungsprozess dienen und persönliche Konflikte im Umgang mit dem Fremden sowie
deren Abwehr bewusstseinsfähig und damit handhabbarer machen. Zudem
erscheint es wichtig, Vorgänge und eigene spontane Assoziationen und
Irritationen schriftlich festzuhalten, da sich diese lebendigen Eindrücke bald
verflüchtigen oder auch durch neue Eindrücke überlagert werden. (Vgl. MAIX
2006: 85 f.)
INA PAUL-HORN (2006: 95 ff.) beschreibt in ihrem Beitrag: Psychoanalytisch
orientierte Organisationsbeobachtung ihre ersten Erfahrungen mit dieser
Methode und thematisiert auf diesem Wege die einzelnen Schritte der Forschung:
1. Erstkontakt
2. Ausfindigmachen
Beobachtungen
der
zuständigen
Person
und
Vereinbaren
von
76
3. Herausbilden eines eigenen Rollenverständnisses als BeobachterIn in der
Interaktion mit der Organisation
4. Hineinkommen – Überschreiten der Systemgrenze
5. Einen Platz zum Beobachten aushandeln
6. Einen neuen Platz suchen
7. Arbeit mit dem Beobachtungsmaterial in der Arbeitsgruppe und in der
Großgruppe
Mitunter geht sie in diesem Kontext der Frage nach, wann eine teilnehmende
Beobachtung beginnt, thematisiert die Problematik der Rolle als BeobachterIn und
die Verunsicherung durch die geforderte Passivität des scheinbaren Nichtstuns
sowie die Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz und die Herausforderung,
in Ruhe zu beobachten, ohne bereits vorweg verstehen zu wollen. Die
Arbeitsgruppe
fungiert
nach
PAUL-HORN
(a.a.O.:
101)
als
eine
Art
Resonanzkörper, wo der von einer fremden Organisation zurückkommende
Beobachter seine Beobachtungen hinträgt. „Wie die anderen auf den Beobachter
und das, was er von der fremden Organisation an Material und Eindrücken
mitbringt, reagieren, formiert sich in der Arbeitsgruppe zu einem neuen Bild; die
Arbeitsgruppe arbeitet an und mit den Übertragungsprozessen und stellt noch
einmal eine Situation der Übertragung her.“ In diesem Zusammenhang betont sie
den Unterschied zwischen den Eindrücken und Assoziationen und den
Hypothesen, die gebildet werden können. Außerdem bemerkt PAUL-HORN (a.a.O.:
102), dass in der Großgruppe die Übertragungsprozesse eine noch größere
Intensität als in der Kleingruppe bekommen. Eine Rückmeldung ihrer
Lernerfahrungen an die Organisation war zwar gegen die Seminarvorgabe, diese
war aber ihrerseits ein möglicher Ausstieg aus dieser Interaktion. Meine
individuellen Erfahrungen mit dieser Methode werden im empirischen Teil dieser
Arbeit (vgl. hierzu Kapitel 6.1) ausführlich beschrieben und um Verdoppelungen
zu vermeiden, werden die oben genannten Themen an dieser Stelle reflektiert.
Im Allgemeinen bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass im Sinne der
Interventionsforschung die ForscherInnen bei der teilnehmenden Beobachtung
77
zumeist an Veranstaltungen oder Sitzungen innerhalb des zu beforschenden
Systems teilnehmen. Sie halten sich im Hintergrund, agieren nicht mit und
notieren sich Beobachtungen auf unterschiedlichsten Ebenen (beispielsweise
Inhalte, Stimmungen, Beziehungsdynamik, Moderation/Steuerung, methodische
Vorgehensweise). Die Beobachtungsergebnisse fließen wiederum in die
Hypothesenbildung
mit
ein
und
werden
entsprechend
dem
interventionswissenschaftlichen Setting auch an die ForschungspartnerInnen
rückgekoppelt.
WAS SIND UND WOZU DIENEN HINTERGRUNDTHEORIEN?
Das, was dahintersteckt, ist zumeist wesentlich mehr.
Hintergrundtheorien stellen das zentrale zusätzliche Angebot interventionswissenschaftlicher Forschung dar. Sie dienen dazu, ein besseres Verständnis der
jeweils zu beschreibenden Situation zu erlangen und können zudem zu einer
Entlastung der Betroffenen beitragen. Dies kann beispielsweise gelingen, wenn
Menschen erkennen, dass jene Konflikte, die sie ständig begleiten, mehr mit ihrer
Funktion als mit ihrer Person zu tun haben, und zudem notwendig sind, um zu
sinnvollen Entscheidungen gelangen zu können. Häufig lässt sich dabei mit einer
philosophischen Theorie von Widersprüchen operieren, mitunter benötigt man
auch den Rückgriff auf andere Wissenschaftsdisziplinen (Geschichte, Theologie,
Psychologie, Recht usw.). Das Formulieren von Hintergrundtheorien zielt
grundsätzlich darauf ab, bestehende Widersprüche als notwendig und sinnvoll
auszuweisen und den Betroffenen verständlich und plausibel zu machen, dass es
nicht förderlich ist, Widersprüche nach den Prinzipien der Logik zu lösen (eine
Seite auszuschließen). Die Bearbeitung von Widersprüchen verlangt nach
dialektischer Sichtweise und bedarf eines prozesshaften Verfahrens, in dem nach
einer sinnvollen Balance gesucht werden kann. Diese Hintergrundtheorien sollen
den ForschungspartnerInnen die Möglichkeit bieten zu verstehen, welche Logik,
welches Prinzip sie repräsentieren. Wenn es gelingt, die Prinzipien so zu
formulieren, dass alle Betroffenen sie als grundsätzlich sinnvoll verstehen können,
78
fällt es im Allgemeinen leichter zu verstehen, warum die einzelnen
RepräsentantInnen immer auch so agieren und argumentieren, wie es jener Logik
entspricht, für die sie stehen. Indem ein solches Verständnis geschaffen wird,
können Hintergrundtheorien der individuellen wie kollektiven Entlastung dienen.
Individuell, da üblicherweise sichtbar wird, dass es nicht egoistische
Eigeninteressen sind, die Menschen vertreten, sondern notwendige Prinzipien, die
sie repräsentieren; kollektiv, weil die gemeinsame Einsicht in diese Situation es
erleichtern kann, Menschen und Funktionen zu unterscheiden und selbst jene
Funktionen, die häufig Anlass für Konflikte bieten, als wichtige Funktionen zu
betrachten.28
DIE HYPOTHESENBILDUNG ALS TEILERGEBNIS DER FORSCHUNG
Hypothesen sind nicht gleich Assoziationen.
Sämtliche Interviews werden zunächst von den einzelnen ForscherInnen gelesen
und ausgewertet. In der ersten individuellen Analyse werden thematische
Schwerpunkte,
Differenzen,
Widersprüche
sichtbar
gemacht
und
Auswertungskategorien entwickelt. Kategorien und erste Hypothesen werden
danach im Team ausgetauscht, diskutiert, ergänzt und weitergeführt. Auch die
Beobachtungsprotokolle
werden
in
Teamsitzungen
reflektiert
und
erste
Hypothesen gewonnen. Der Umgang mit Hypothesen ist hier, wie bereits erwähnt,
ein
besonderer:
Hypothesenbildung
Interventionsforschung
immer
erst
auf
erfolgt
Basis
im
Verständnis
gewonnener
der
(vorläufiger)
Ergebnisse. Anders als bei Wissenschaften, die davon ausgehen, dass Hypothesen
am Beginn der Forschung stehen, wo sie als wissenschaftliche Vorannahmen des
Beweises harren, halte ich es für wichtig, einmal mehr darauf hinzuweisen, dass
InterventionsforscherInnen davon ausgehen, dass erst die Forschung es
ermöglicht, Hypothesen über soziale Konstellationen und ihre Wirklichkeiten zu
formulieren. Insofern sind sie immer Zwischenresultate der Forschung und
28
Vgl. Settings und Methoden Interventionswissenschaftlicher Forschung.
http://www.uni-klu.ac.at/iff/ikn/downloads/Settings_u_Methoden_IKN.pdf (Stand: 20. 06. 2010).
79
bleiben im Charakter Annahmen und mögliche Interpretationen sozialer
Situationen. Sie zu bilden gelingt umso besser, je mehr ForscherInnen über die
soziale Situation wissen oder im Zuge ihrer Forschung erfahren haben.
Hypothesen stellen immer nur Angebote seitens der Wissenschaft dar, sie
bedürfen der Überprüfung durch das jeweilige beforschte System, was im
Rahmen der Rückmeldungen erfolgt. 29
DIE RÜCKKOPPELUNG ALS EIN ZURÜCKGEBEN IN DAS BEFORSCHTE SYSTEM
Wissenschaft als Nehmen und Geben verstehen.
Die Rückkoppelungsveranstaltung im Sinne der Interventionsforschung ist ein
zentraler Bestandteil des Forschungsprozesses: Die Vermittlung durch eine
Rückkoppelung beeinflusst einerseits den Forschungsprozess selbst, indem die
Teilnehmer der Veranstaltung die Teil- oder Zwischenergebnisse zur Verfügung
gestellt bekommen und sie so einem Realitätscheck im Sinne der Anwendbarkeit
und der Nachhaltigkeit unterziehen; andererseits sind die Ergebnisse aus der
Rückkoppelungsveranstaltung ein theorie- und praxisgeleitetes Material, das sich
auf die Erfahrungen von Personen in laufenden Prozessen und Verfahren stützt.
Die Ergebnisse führen so in laufenden Verfahren zu reflektierten Veränderungen
und ermöglichen es auch, dass innerhalb des Forschungsprozesses innovative
Erkenntnisse über deren Anwendbarkeit und Nachhaltigkeit gewonnen werden
können. (Vgl. u.a. FALK/KRAINER 2006: 286) Dem wäre hinzuzufügen, dass aus
meinen Erfahrungen im Zuge des DoktorandInnenkollegs Interventionsforschung
bei der Rückkoppelung von Verschriftlichungen abzusehen ist, da sich diese
mitunter als giftig herauskristallisieren können. Denn es kann sich bei den in das
System rückgekoppelten Impulsen lediglich um ein mögliches Angebot für die
ForschungspartnerInnen handeln, gewissermaßen um einen Realitätscheck, der
gleichsam als weitere Erkenntnisfläche dient.
29
Vgl. a.a.O..
80
DER ENDBERICHT
Forschung ist endlich.
Die
Ergebnisdokumentation
betreffend
muss
festgehalten
werden,
dass
Forschungsergebnisse je nach Projektumfang in Form von Zwischen- bzw.
Endberichten dokumentiert werden. Die Ergebnisdokumentation beinhaltet
Hypothesen, zusammenfassende Analysen des Datenmaterials und Überlegungen
zu Tiefendimensionen und Zukunftsperspektiven. Der Bericht dient in aller Regel
als Unterstützung und Vertiefung der bei den Rückkoppelungen laufenden
Kommunikations-
und
Wissenstransferprozesse
mündlichen Ergebnisdiskussionen übergeben.
und
wird
jeweils
nach
30
Das Besondere der Interventionsforschung stellt für mich mitunter die
Rückführung des Wissens in die Praxis dar. Das Wissen, das erzeugt werden
kann, geht aber nicht von den ForscherInnen alleine aus, es entsteht in
Kooperation mit den ForschungspartnerInnen und unter Miteinbeziehung von
Forschungsteams. Für diese Dissertation waren diese im DoktorandInnenkolleg
Interventionsforschung angesiedelt, was zur Folge hat, dass dieses nun in den
Fokus des Interesses gerückt wird.
4.3 DAS DOKTORANDINNENKOLLEG INTERVENTIONSFORSCHUNG
Folgende Auszüge aus meinen Reflexionen zum Start- bzw. Zwischenassessment
sollen den Stellenwert des DoktorandInnenkollegs für Interventionsforschung
(DKI) für mich als Forscherin und für meine Arbeit aufzeigen und als Argument
für eine Diskussion im Rahmen dieser Dissertation gelten:
„Ich möchte mir zunächst den Raum nehmen, meine ersten Tage im DKI
zu reflektieren. Das Betreten des Raumes war für mich bereits mit einem
30
Vgl. Settings und Methoden Interventionswissenschaftlicher Forschung.
http://www.uni-klu.ac.at/iff/ikn/downloads/Settings_u_Methoden_IKN.pdf (Stand: 20. 06. 2010).
81
positiven Gefühl verbunden – der Rahmen, in dem dieses
DoktorandInnenkolleg abgehalten wird, spiegelt für mich eine angenehme
Atmosphäre wider. ‚Ich fühle mich Zuhause„ – kann sich dieses Gefühl
bereits nach so kurzer Zeit zeigen? Ich bin dankbar, in diesen sozialen
Raum aufgenommen zu sein und stehe meinem Dissertationsvorhaben
erstmals wirklich positiv gegenüber, wenngleich mir durchaus bewusst ist,
dass ich noch ganz am Anfang stehe. Die ‚Alten„ und die ‚Neuen„ und
dann sind da auch die ‚Zwischeneinsteiger„31 – aber alle haben ein Ziel
vor Augen und brauchen einander, um ihr Ziel zu erreichen – wir alle
wollen Interventionsforschung betreiben und unsere Dissertation
schreiben. Es war eine Dynamik in der Gruppe zu verspüren, die ich als
sehr anregend empfunden habe.“32
„Ich sitze da – mit rundem Bauch33 – inmitten meiner KollegInnen des
DoktorandInnenkollegs Interventionsforschung, ja, und ich fühle mich
geborgen – in etwa so geborgen wie sich das Baby in meinem Bauch
fühlen muss? Ein schöner Gedanke! Dann werden wir konfrontiert mit der
Realität – ein tödlicher Unfall am Zebrastreifen nahe unseres Kolloquiums
und dann die Benachrichtigung, dass einer unserer DKI Kollegen kürzlich
verstorben ist. Er war in meiner Gruppe im Seminar
Forschungsdokumentation, hat an meiner Forschung mitgearbeitet und
jetzt soll er nicht mehr unter uns sein? Der Tod als Bestandteil des Lebens.
Wie nahe die Grundwidersprüche das Leben und der Tod doch beisammen
liegen?“34
Diese Auszüge aus meinen Reflexionspapieren zeigen mitunter die Verwobenheit
der
unterschiedlichen
Ebenen,
Gruppenarbeit
versus
Einzelarbeit,
Reflexionsräume versus individuelle Reflexion und die Bedeutung der
Widerspruchsproblematik, die das Differenzwesen Mensch begleitet. Einerseits
war ich allein für diese meine Arbeit verantwortlich, andererseits wäre vor allen
Dingen der empirische Teil ohne das Zutun meiner KollegInnen aus dem
DoktorandInnenkolleg nicht denkbar gewesen; daher halte ich eine angemessene
31
Im Rahmen dieses Kollegs trafen ForscherInnen unterschiedlicher Entwicklungsstufen
aufeinander und ermöglichten wertvollen Erfahrungsaustausch. Die „Alten“ könnte man auch als
Pioniere bezeichnen, die seit der ersten Stunde Mitglied des DKI waren, die „Zwischeneinsteiger“
oder „in der Mitte Stehenden“ wurden von uns auch als Quereinsteiger bezeichnet, und die
„Neuen“ wurden ein Jahr nach Etablierung des DKI Mitglied.
32
Auszug aus meiner Reflexion zur Startveranstaltung im Wintersemester 2006/2007.
33
Ich war zu diesem Zeitpunkt im neunten Monat schwanger.
34
Auszug aus meiner Reflexion zum Zwischenassessment im Wintersemester 2007/2008.
82
Dokumentation dieses Kollegs, das mein Handeln und Denken ganz maßgeblich
beeinflusst hat, für notwendig. Auch war ich in meiner Funktion als
Studierendenvertreterin zu den Institutskonferenzen eingeladen und habe so auch
Einblick
in
die
Arbeitsweise
und
die
Begleitforschungen
zum
DoktorandInnenkolleg Interventionsforschung erhalten und dies an dieser Stelle
mit zu reflektieren, halte ich für wichtig und aufschlussreich.
Das DoktorandInnenkolleg legt in der wissenschaftlichen Ausbildung die
Schwerpunkte vor allen Dingen auf Reflexion und die Gestaltung von
Interventionsprozessen. Im Sinne der Einheit von Forschung und Lehre ist ein
Ziel des Kollegs auch die weitere Profilierung von Interventionsforschung,
sowohl hinsichtlich ihrer philosophischen Reflexion als auch im Hinblick auf die
Differenzierung von Reflexion und Prozesskompetenzen. Zudem wird im
DoktorandInnenkolleg interdisziplinäre Forschung gelebt und transdisziplinär
gearbeitet. Die unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen von einerseits
berufstätigen PraktikerInnen, die bereits in einem Interventionsforschungsprojekt
tätig sind, ein solches initiieren oder wissenschaftlich reflektieren möchten und
andererseits Studierende mit Interesse an Anwendung von interdisziplinärer und
intervenierender Forschung, bieten spezifische Lernelemente. Das Curriculum
und den Aufbau sowie die Organisation und Aufnahmebedingungen betreffend sei
an dieser Stelle auf die Onlinepublikation des Instituts für Interventionsforschung
und Kulturelle Nachhaltigkeit (IKN) verwiesen.35
Der hohe Stellenwert der Evaluation kommt in den jährlichen Begleitforschungen
zum Ausdruck. Bezugnehmend auf die von BETTINA PIRKER (2009) durchgeführte
Begleitforschung des DKI lässt sich zusammenfassend sagen, dass sich die
Mitglieder des DoktorandInnenkollegs mit ihren individuellen Interessen und
Fragen sehr gut aufgehoben, ernst genommen und dem DKI zugehörig fühlen.
Wie auch meine persönlichen Erfahrungen gezeigt haben, sind das kollektive
Lernen und das gegenseitige Feedback zu den einzelnen Dissertationsprojekten,
35
Vgl. http://www.uni-klu.ac.at/iff/ikn/downloads/DKI_Curriculum_06.07.pdf. beziehungsweise
http://www.uni-klu.ac.at/iff/ikn/inhalt/16.htm (Stand: 01. 02. 2011).
83
sowie der wertschätzende Umgang miteinander nennenswert. Ein Kolleg, das
stetig evaluiert, überarbeitet und sich durch Begleitforschungen selbst überwacht,
zeigt meines Erachtens, dass gegenseitiges Lernen als oberste Maxime nicht nur
gefordert, sondern auch gelebt wird.
Im Folgenden nehme ich mir die Freiheit und setze an dieser Stelle meiner Arbeit
eine Reflexionsschleife, in der ich meine persönlichen Erfahrungen mit der
Interventionsforschung im Rahmen des interdisziplinären DKI reflektiere. Ich
setze diese Reflexionsschleife bewusst und hebe damit den Stellenwert der
Reflexion in dieser Arbeit hervor.
4.4 REFLEXION „WAS IST INTERVENTIONSFORSCHUNG FÜR MICH?“
Man verdankt anderen immer viel.
Nachzudenken über das WIE und WARUM sind wir nicht gewohnt. Es ist für uns
nicht alltäglich. Die individuelle Reflexion, die mich durch mein ganzes Tun als
Forscherin begleitet hat und in meinem Forschungstagebuch verschriftlicht wurde,
gewinnt erst an Bedeutung, wenn sie in das Gesamte mit einfließen darf. Dies nur
an einer Stelle der Dissertation zu tun, reicht mir nicht aus, da es zu viele
unterschiedliche Ebenen sind, die von der Reflexion getragen wurden. So
argumentiere ich meine Reflexionsschleifen. Reflexion bringt meines Erachtens
Orientierung,
fördert
Kreativität
und
zeigt
die
Bereitschaft
sich
weiterzuentwickeln. Reflexion kann ein Weg sein, um Selbstbewusstsein zu
erzeugen, Wissen offen zu legen und Diskussionsräume zu eröffnen.
Meinen Weg und meine Fragen zur Interventionsforschung zu reflektieren,
erachte ich als eine Möglichkeit der Verarbeitung meiner individuellen
Erfahrungen und dies stellt für mich Erfahrungslernen dar. An dieser Stelle
handelt es sich um die subjektiven Wahrnehmungen des reflektierenden ICHs,
meiner
Person
als
Forscherin.
Wie
oben
bereits
angeführt,
ist
84
Interventionsforschung für mich untrennbar mit dem DKI verbunden. Es war
spannend und hilfreich, sich im Kreise Gleichgesinnter wiederzufinden,
wenngleich oder vielleicht gerade weil die KollegInnen des DKI aus
unterschiedlichsten Herkunftsdisziplinen stammten. Dieser vielfältige Mix an
Wissen und Gedankenspielen sowie die Thesenpapiere der KollegInnen regten
mich zum Nachdenken an und erweiterten meine eigene Sichtweise. Auch das
Aufkommen des Gefühls: „Da sind ja noch andere, die stehen vor ähnlichen
Problemen und Fragen wie ich“, ließ eine gewisse Verbundenheit entstehen und
durch das gemeinsame Ziel, Interventionsforschung erlernen, erleben und üben zu
wollen, kam in mir ein Zugehörigkeitsgefühl auf. Es war angenehm, zuerst von
den Erfahrungen der Alten lernen zu dürfen und dann aber in weiterer Folge den
Neuen von den eigenen Erfahrungen berichten zu können. Im Zuge des DKI habe
ich Wissenschaft als ein Geben und Nehmen erlebt.
In der Wissenschaft wie ich sie kannte, blieb meist kein Platz für Gefühle und
Emotionen und vor allen Dingen kein Raum für das Zulassen von Ungewissheit.
Leben wir in einer Welt, in der sich der fühlende und reflektierende Mensch in der
Wissenschaft bedeckt halten muss? Muss ich mich in meiner Dissertation auch
bedeckt halten oder ermöglicht es mir die Interventionsforschung auch, in mir
selbst im Zuge des Forschungsprozesses immer wieder zu intervenieren? Ein
Kollege hat, meiner Meinung nach ganz treffend von „Intraventionsforschung“
gesprochen – spannende Gedanken, die der Weiterentwicklung bedürfen. Ich
erachte die Interventionsforschung als einen der spannendsten Wege, um sich mit
Menschen und/oder einer Thematik und vor allen Dingen mit sich selbst
auseinanderzusetzen.
Welche Erfahrungen waren für mich zentral? Gleich zu Beginn wurde mir klar,
dass ich begreifen musste, dass am Anfang der Forschung nicht so viel geboten
werden
konnte
und
dies
sowohl
für
mich
als
auch
für
meine
ForschungspartnerInnen einen gewissen Vertrauensvorschuss beanspruchte. Auch
musste ich erkennen, dass ein Forschungsvorhaben nicht überfordern sollte. Ich
erkannte, dass bewusste Entscheidungen notwendig waren und dies einen
85
gewissen Mut zur Entscheidung voraussetzte. So brachte bereits die Suche nach
ForschungspartnerInnen zahlreiche Entscheidungen mit sich und unter meinen
KollegInnen wurde immer wieder die Problematik von Nähe und Distanz zum
beforschten System reflektiert. In einer Vorphase war es wichtig, sich im Falle
einer Auftragsforschung der Abhängigkeit bewusst zu sein und in jedem Fall
angemessen zu recherchieren und die eigenen Vorurteile niederzuschreiben, um
sich nicht von ihnen dirigieren zu lassen. Eine gewisse Spannung brachte für mich
auch der prozessartige Verlauf mit sich und ich habe erkannt, dass man bei jedem
Prozess Neues lernt und dass man am Besten im Tun lernt. Dieses Schauen was
dahinter steckt, die Suche nach Hintergrundtheorien, habe ich als besonders
spannend empfunden.
Schwierig war es für mich auch mit der Ungewissheit umzugehen, nicht wissen zu
können, wie die Forschung ausgeht und/oder ob mein Forschungsvorhaben etwas
bewirkt. Zu erkennen, dass nicht die (Aus-)Wirkung im Mittelpunkt steht, sondern
der Prozess und das gegenseitige Verstehen und Lernen, war für mich eine
Herausforderung. So sind Ergebnisse nicht einfach zu bewerten oder als Resultate
anzusehen. Dies zu verinnerlichen und zu begreifen, dass der Sack, in dem sich
meine Interventionsforschung befindet, irgendwann zugeschnürt werden muss,
selbst wenn es für nichts einen letzten Grund gibt, war für mich eine schmerzliche
Erfahrung, da ich immer das Gefühl hatte noch mehr zu wollen.
Eine individuelle Reflexion zu meinem Interventionsforschungsprojekt folgt auf
die prozessorientierte Betrachtung. An dieser Stelle sollte das Allgemeine im
Vordergrund stehen.
86
5 PROZESSORIENTIERTE
BETRACHTUNG
DES
INTERVENTIONSFORSCHUNGSPROJEKTES
Basierend
auf
einer
grundlegenden
Auseinandersetzung
mit
Interventionsforschung und meinem Zugang zu dieser Art der Wissenschaft
werden nun nach einer chronologischen Darstellung die einzelnen Phasen der
Forschung selbst zum Gegenstand der Beschreibung. Das Hauptaugenmerk wird
in diesem Kapitel auf die Prozessdokumentation gelegt. Die inhaltliche Ebene,
eine detaillierte Dokumentation der Auswertungsprozesse, die Analyse der
Ergebnisse sowie die Hypothesenbildung und Erörterung von Hintergrundtheorien
und eine Dokumentation der Rückkoppelungsveranstaltungen werden in den
darauffolgenden Kapiteln ausführlich diskutiert. Auch auf die Gefahr hin, eine
Verdoppelung nicht vermeiden zu können, werden die grundlegenden Elemente
der einzelnen Phasen in der Prozessbeschreibung erwähnt, um es zu ermöglichen,
nur einzelne Kapitel der Dissertation zu lesen.
5.1 CHRONOLOGISCHER ÜBERBLICK
Antrag
„Interdisziplinäres
DoktorandInnenkolleg
Interventionsforschung“
„DKI“
(September 2006)
Planungs- und
Vorbereitungsphase
(Oktober – Dezember 2006)
Exposé eingereicht
„Das WWW in der kindlichen Lebenswelt – Chance oder
Bedrohung?“, „Die Internetnutzung und im Speziellen das
Chatverhalten von Kindern im Alter von acht bis elf Jahren in
Österreich/Kärnten aus medienethischer Sicht.“,
„Ein interaktives, theaterpädagogisches Projekt als Möglichkeit
des Wirksammachens von Wissenschaft in der Gesellschaft.“
- Literatur- und Internetrecherchen zur Thematik Kindheit
und Neue Medien, Volksschulen und PC, das Internet in
der kindlichen Lebenswelt
- Konstituierung eines Forschungsverständnisses von
Interventionsforschung
- Telefonat mit Landesschulrat – Forschungserlaubnis in
Kärntner Volksschulen
- Kontaktaufnahme mit potentiellem Forschungspartner
Volksschule Land und Volksschule Stadt
- Termin mit Landesschulratspräsidentin
- Konkretisierung der Forschungsfrage
- Formulierung der Ausgangsvermutungen
- Konstituierung eines Forschungsteams
- Forschung organisieren
- Verfassen eines Informationsschreibens und einer
Einverständniserklärung für die Eltern
87
Pre-Phase der Erhebung
Erhebungsphase
Das Forschen
im System
Schule
(November 2006 –
Juni 2007)
Dokumentations- und
Interpretationsphase
(November 2006 –
Juli 2007)
Rückkoppelungsphase und
Präsentationen der
Zwischenergebnisse
(Juli 2007)
-
Planung
Einladung
Durchführung
Der verschriftlichte
Endbericht
(2008 – 2011)
Forschungspartner DKI-Kollege und dessen Sohn
- Eine Teilnehmende Beobachtung
- Ein Interview mit dem Vater des Jungen
Forschungspartner Volksschule Land (eine 3. Klasse)
- Zwei Teilnehmende Beobachtungen
- Drei Gruppeninterviews mit SchülerInnen
- Zwei Interviews mit Eltern (Mutter; Vater)
- Ein Interview Direktor (Klassenlehrer)
- Ein Interview Lehrerin (erste und zweite Klasse)
Forschungspartner Volksschule Stadt (eine 4. Klasse)
- Ein Gruppeninterview mit fünf SchülerInnen
- Ein Interview mit Klassenlehrerin
- Keine Bereitschaft zu Interviews von Seiten der Eltern
- Zehn Kinderzeichnungen
- Anonymisierung und Protokollierung der beiden
Teilnehmenden Beobachtungen Volksschule Land
- Anonymisierung und Transkription der sechs
Einzelinterviews mit Erwachsenen und der vier
Gruppeninterviews mit SchülerInnen
- Sechs Teamsitzungen zur Interpretation der
Beobachtungen und erste Hypothesenbildung
- Drei Teamsitzungen zur Vergemeinschaftung der
individuellen Auswertungen ausgewählter
Einzelinterviews und eines Gruppeninterviews
- Hypothesenbildung und Identifikation von
Hintergrundtheorien
Forschungspartner Volksschule Land (VS I)
Rückkoppelung wurde mit Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen
gemeinsam geplant
Teilnahme: Lehrer/Direktor und Kinder;
(Dauer 60 Minuten)
Forschungspartner Volksschule Stadt (VS II)
Rückkoppelung zunächst an ForschungspartnerInnen
(5 SchülerInnen, Dauer ca. 35 Minuten);
anschließend Präsentation der Ergebnisse im Klassenverbund
(Dauer ca. 15 Minuten)
Präsentation des Forschungsprojektes vor der gesamten Schule
am letzten Schultag im Rahmen der Zeugnisverteilung und
Verabschiedung der 4. Klassen
Etablierung von Theaterpädagogik als Erhebungsinstrument in
der Forschung mit Kindern und als Instrument der
Rückkoppelung
interventionswissenschaftlicher
Forschung;
Erarbeitung eines interaktiven pädagogischen Theaterprojektes
zur Thematik; Zentrale Ergebnisse und Hintergrundtheorien
Abbildung 5.1: Chronologischer Überblick der empirischen Forschung
Wie der chronologische Überblick zeigt, wurde in der Zeitspanne von September
2006
bis
Juli
2007
in
zwei
Volksschulen
in
Kärnten
ein
88
Interventionsforschungsprojekt durchgeführt. Daraus wird ersichtlich, dass sich
die Forschungssettings mit den ForschungspartnerInnen der VS I und VS II36
der jeweiligen Situation entsprechend völlig unterschiedlich gestalteten. Die
Forschungsprojekte entwickelten sich parallel, wurden aber zunächst als
eigenständige Interventionsforschungsprojekte betrachtet. Die Entscheidung,
zunächst den Fokus auf den Prozesscharakter dieser Forschung zu legen, wurde
bewusst
getroffen
und
soll
dessen
hohen
Stellenwert
in
der
Interventionsforschung und somit auch in dieser Dissertation hervorheben.
5.2 DIE EINZELNEN PHASEN DER FORSCHUNG
Der Prozess ist die Antwort.
Aber was war eigentlich die Frage?
In der Interventionsforschung ist die Prozessorientierung von großer Bedeutung
und um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wird der Fokus an dieser Stelle auf
den Forschungsprozess gelegt. Im Folgenden soll entsprechend dem oben
angeführten chronologischen Überblick der Forschungsverlauf beschrieben
werden. Es lassen sich vier Phasen der Forschung erkennen. Beginnend mit den
Vorbereitungen und Planungen in der ersten Phase, was zahlreiche Fragen
implementiert, geht es danach in die Erhebungsphase; dies bezeichnet die Phase
der Datensammlung und kann mit einem Hinausgehen ins Feld, einer
Überschreitung der Systemgrenze, einem Eintauchen in die Welt der
ForschungspartnerInnen
umschrieben
werden.
Der
Rückzug
aus
dem
Forschungsfeld in die Dokumentations- und Interpretationsphase und der
Austausch in Forschungsteams, die Formulierung von Hypothesen basierend auf
den vorübergehenden Ergebnissen sowie das Anreichern mit Hintergrundtheorien,
bringt das Wissen dann wieder zurück in das System Schule, in dem mittels der
Rückkoppelung gegenseitiges Verstehen ermöglicht werden soll
36
– ein
Im Folgenden wird in dieser Arbeit die Abkürzung VS I für die ForschungspartnerInnen der
Volkschule Kärnten Land und die Abkürzung VS II für die ForschungspartnerInnen der
Volksschule Kärnten Stadt verwendet.
89
Wechselspiel zwischen der individuellen Forschungsebene mit der Unterstützung
von Forschungsteams und der Ebene der Forschungspartnerschaft im System der
ForschungspartnerInnen. Zudem muss aber festgehalten werden, dass diese
Phasen nicht klar voneinander abzugrenzen sind. Diese Einteilung wird lediglich
zur
besseren
Übersicht
getroffen.
Es
gilt,
eine
prozessorientierte
Zusammenfassung zu bieten und einen Blick auf das Gesamte zu ermöglichen.
Dies verhindert den Blick auf Details.
Folgende graphische Darstellung der einzelnen Phasen des Interventionsforschungsprojektes dient der Visualisierung und soll zur Reflexion anregen.
Planungs- und
Vorbereitungsphase
Wie lautet meine
Herzensfrage?
Wo finde ich
ForschungspartnerInnen?
Erhebungsphase das Forschen im
System Schule
"Ich"
als Instrument
der Forschung
Dokumentations- und
Interpretationsphase
"Das Arbeiten im
Team"
Hypothesenbildung
Anreicherung mit
Hintergrundtheorien
Rückkoppelung in
das System
Schule
und
die Bereitschaft
der Kinder,
Eltern,
LehrerInnen und
Forscherin von
innen heraus zu
lernen
Abbildung 5.2: Phasen des Forschungsprojektes
Diese Abbildung soll einerseits den sich entwickelnden Charakter der Forschung
und andererseits die Verbundenheit der einzelnen Phasen darstellen. Die großen
Blöcke symbolisieren die Bereitschaft der Forscherin, sich auf ein anderes System
einzulassen, aber auch den Willen des Systems, an der Forschung mitzuwirken
und aktiv teilzuhaben. Ich habe mich bewusst gegen die Darstellung eines
Forschungskreislaufs entschieden, da ich den Standpunkt hervorheben möchte,
dass Forschung endlich sein muss, wenngleich es niemals eine letzte Erkenntnis
bzw. eine letzte Frage geben kann. Obwohl der Pfeil ein stetiges Voranschreiten
versinnbildlicht, muss dennoch durch mich als Forscherin ein Punkt gesetzt
90
werden, an dem das Projekt zum Abschluss kommt. Diese Endlichkeit der
Forschung ist für ForscherInnen oftmals nicht leicht zu ertragen, stellt für mich
aber
eine
Grundbedingung
von
Forschung
dar.
Entsprechend
der
interventionswissenschaftlichen Haltung (siehe hierzu Kapitel 4) können
Forschen, Lernen und Veränderung nicht von außen bestimmt werden, sondern
nur gemeinsam, in einer gleichberechtigten Forschungspartnerschaft, von innen
heraus entwickelt werden, um nachhaltig zu wirken. In Übereinstimmung mit
dieser Haltung ist mein Tun als Forscherin auf einer fortwährenden
Reflexionsbereitschaft und dem Aspekt der Selbstbeobachtung aufgebaut. Das
eigene Unwissen zu ertragen und nicht bestimmt sagen zu können, wohin die
Reise geht, stellt mitunter eine besondere Herausforderung interventionswissenschaftlicher Forschungsprozesse dar. Um dieses Selbsterfahrungslernen der
Forscherin angemessen zu dokumentieren erfolgt nach der prozessorientierten
Abhandlung aller Projektphasen eine individuelle Reflexionsschleife zum
gesamten Prozessverlauf, die die persönlichen Eindrücke, Emotionen und
Erfahrungen der Forscherin im Forschungsverlauf wiedergibt.
5.2.1
PLANUNGS- UND VORBEREITUNGSPHASE
Was mache ich wie und warum?
Das zentrale Element dieser ersten Phase lag zunächst in der Konstituierung eines
Forschungsverständnisses von Interventionsforschung. Neben der theoretischen
Auseinandersetzung mit Grundlagenstudien zum beforschten Themengebiet „Das
WWW in der kindlichen Lebenswelt und die Weltsicht der Erwachsenen“ galt es
ForschungspartnerInnen zu eruieren. Im Zuge eines Coaching-Prozesses mit zwei
KollegInnen des DKI37 wurde mir klar, dass ich im System Schule nach
ForschungspartnerInnen suchen musste. Die potentiellen ForschungspartnerInnen
dieses Forschungsvorhabens waren somit SchülerInnen im Alter von acht bis elf
Jahren, Eltern sowie LehrerInnen und DirektorInnen. Daraus resultierte auch die
Herausforderung eine gemeinsame Sprache zu finden und Wege aufzuzeigen, um
37
Ich bedanke mich bei MAG. RITA TRATTNIGG und MAG. THOMAS HADERLAPP.
91
das Handeln und Denken von Kindern beobachten und beschreiben zu können.
Auf der Suche nach ForschungspartnerInnen war der erste Schritt die
Kontaktierung des Landesschulrates, um eine Forschungserlaubnis einzuholen. Da
es sich bei der Einwilligung zum Beforschen eines Schulsystems um eine
schulautonome Entscheidung handelt, hat diese durch den Direktor/die Direktorin
zu erfolgen. Auch der Frage nach einem möglichen Forschungsauftrag von Seiten
des Landesschulrates wurde nachgegangen; nach einer Präsentation des
Vorhabens bei der Präsidentin des Kärntner Landesschulrates, Frau Claudia
Egger, erhielt ich die Zusage für ein Empfehlungsschreiben für die Kontaktierung
von Kärntner Schulen mit dem Ergebnis der Dissertation, (einem interaktiven
pädagogischen Theaterstück zum Thema WWW – Woher kommt es? Wohin führt
es? Wozu dieses Theater?)
Gestützt durch die Erkenntnisse aus dem Seminar Psychoanalytisch orientierte
Organisationsbeobachtung wurde ein erster Kontakt zu einem Schulsystem,
einem potentiellen Forschungspartner, hergestellt und eine Beobachtungserlaubnis
eingeholt. Im Zuge einer Internetrecherche wurde eine Volksschule im ländlichen
Raum ausgewählt und der Direktor per E-Mail kontaktiert. Ich erhielt die
Erlaubnis, eine Teilnehmende Beobachtung in der dritten Klasse in der PC-Stunde
durchzuführen. Im Zuge dieser ersten Beobachtung wurde anschließend in einem
persönlichen Gespräch mit dem Direktor das Forschungsvorhaben erweitert, ein
Interviewtermin vereinbart und darauf folgend eine schriftliche Einverständniserklärung der Eltern eingeholt. Neben dem ersten Forschungspartner VS I
kristallisierte sich im weiteren Verlauf des Forschungsprozesses eine zweite
Volksschule als Forschungspartner heraus. Die Homepage dieser Volksschule II
war der Auslöser für mich, auch diese Schule per E-Mail zu kontaktieren. Die
Direktorin teilte mir mit, dass eine Lehrerin der vierten Klasse an meinem
Forschungsvorhaben teilnehmen wollte.
Neben der Kontaktherstellung erforderte diese Phase Kompetenzen im Hinblick
auf das Forschungsrepertoire der Interventionsforschung und die Erstellung eines
adäquaten
Forschungsdesigns
sowie
Recherchen
und
zusätzliche
92
Grundlagenstudien. Impuls- und Prüffragen für die Interviewführung wurden
überlegt und die Methodik der Interviewtechniken erlernt und gefestigt.
Außerdem kristallisierte sich die Teilnehmende Beobachtung zunehmend als gute
Basis für das geplante Forschungsvorhaben heraus. Parallel zu diesen
Überlegungen überprüfte ich in dieser Planungs- und Vorbereitungsphase die „für
mich als Forscherin passende“ Forschungsfrage. Diese war Ausgangspunkt und
Bedingung für alle weiteren Schritte und daher von großer Bedeutung. Auch die
Niederschrift der Ausgangsvermutungen erfolgte in dieser Phase und dieser
Klärungsprozess war ein wesentlicher Bestandteil der Vorbereitungsphase, nicht
zuletzt um am Ende der Forschung reflektieren zu können „Mit diesen Annahmen
ging ich ins Feld“. Die Auswahl und Bildung eines Forschungsteams war bereits
zu Beginn der Forschung eine zentrale Herausforderung. Durch die Teilnahme am
DKI war ein Konglomerat an WissenschafterInnen unterschiedlichster Disziplinen
vorhanden und der gegenseitige Austausch barg wertvolle Ressourcen. Die daraus
gewonnenen interdisziplinären Sichtweisen konnten während des gesamten
Forschungsverlaufs in die individuelle Forschungsarbeit einfließen. Hierbei war
das Führen eines Forschungstagebuches äußerst hilfreich, um auch die
Selbstaufklärung angemessen zu dokumentieren.
Zusammenfassend seien folgende Fragen als grundlegend für die Planungs- und
Vorbereitungsphase angeführt:
-
Was bedeutet Interventionsforschung für mein Forschungsvorhaben?
-
Welche grundlegenden theoretischen Axiome gilt es vorab zu diskutieren?
-
Was will ich wissen? Worin liegt mein Fokus? Was ist meine
Herzensfrage?
-
Mit welchen Vorvermutungen gehe ich an die Forschung heran?
-
Wie konstatiere ich mein Forschungsteam/meine Forschungsteams?
-
Wie organisiere ich mein Forschungsprojekt?
Diese
Fragen
fanden
ihren
Ursprung
zwar
in
der
Planungs-
und
Vorbereitungsphase, mussten jedoch im Zuge des weiteren Forschungsverlaufs
93
immer wieder reflektiert und erneut gestellt werden. So spielten diese Fragen auch
in der Erhebungsphase eine Rolle, was einmal mehr unterstreicht, dass diese
Phasen nicht als voneinander unabhängig betrachtet werden können.
5.2.2
ERHEBUNGSPHASE – DAS FORSCHEN IM SYSTEM SCHULE
Ich trete als Instrument der Forschung in Aktion.
Im Zuge dieser Phase wurden zwei Teilnehmende Beobachtungen im Abstand von
zwei Wochen bei den ForschungspartnerInnen der VS I, einer dritten Klasse,
durchgeführt. Im Zuge dieser Beobachtungen wurde auch die Möglichkeit
geboten, den Umgang der Erst- und Zweitklässler mit dem Computer bzw. mit
dem Lernprogramm Lilos Lesewelt zu beobachten. Zudem wurde vorab ein
zusätzliches Beobachtungssetting mit einem Kollegen des DKI und dessen 11jährigem Sohn vereinbart, um mittels einer Teilnehmenden Beobachtung einen
fokussierten Einblick in das Arbeiten eines Kindes mit dem Computer bzw. dem
Internet zu bekommen.
Neben der drei Teilnehmenden Beobachtungen erfolgte in dieser Phase die
Durchführung der insgesamt zehn teilstrukturierten (Einzel- und Gruppen-)
Interviews
mit
den
ForschungspartnerInnen.
Für
die
vorliegenden
Forschungsprojekte an VS I und VS II bedeutete dies zwei Arten der
Interviewführung. Einerseits das teilstrukturierte Einzelinterview mit den
erwachsenen ForschungspartnerInnen, bei dem vor allem die Einstiegsfrage von
Bedeutung war und zu Erzählungen anregen sollte, um so individuelle
Einstellungen, Ängste und Gedanken zu durchleuchten. Insgesamt konnten an
beiden Schulen fünf erwachsene ForschungspartnerInnen gewonnen werden.
Andererseits erforderte das Interviewen von Kindern eine andere Sprache und
Herangehensweise. Es wurde entschieden, teilstrukturierte Gruppeninterviews mit
den Kindern durchzuführen und zusätzlich mit ihnen zu zeichnen, um die
Interviewsituation zu entspannen und eine konstruktive Atmosphäre zu schaffen.
94
In der ersten Erhebungsphase mit den Kindern der VS I wurde im Zuge des PreLaufs ein technischer Fehler38 festgestellt; so konnte sie nur als Vertrauen
stiftendes Moment reflektiert werden. Nach einer Woche wurden erneut drei
Gruppeninterviews mit je vier bis maximal fünf Kindern der dritten Klasse der VS
I durchgeführt. Neben den Interviews mit den Kindern der VS I wurden der
Direktor, der zugleich der Klassenlehrer der beforschten Klasse war, ein
weiblicher Elternteil, ein männlicher Elternteil sowie die Klassenlehrerin der
ersten und zweiten Klasse interviewt.
In der VS II wurde ein Gruppeninterview mit fünf Kindern der vierten Klasse und
ein Interview mit deren Lehrerin durchgeführt. Bei den Eltern der VS II bestand
keine Bereitschaft, der Interview-Einladung Folge zu leisten. Auch wurde von den
insgesamt 16 Kindern lediglich von fünf Eltern die Erlaubnis zur Teilnahme an
diesem Forschungsprojekt erteilt. Im Zuge des Gruppeninterviews mit den
„jungen“ ForschungspartnerInnen wurden von ihnen Zeichnungen zu den Themen
„Was mache ich am liebsten in meiner Freizeit“ und „Was mache ich gerne mit
dem Computer“ angefertigt. Ich erhielt von allen fünf Eltern der VS II eine
schriftliche Einverständniserklärung, diese Zeichnungen in meiner Dissertation
verwenden zu dürfen.
Zusammenfassend soll folgende Abbildung das gesammelte Forschungsmaterial
bis zum Zeitpunkt der Präsentation der Zwischenergebnisse beziehungsweise der
Rückkoppelung darstellen und einen Überblick geben:
38
Trotz des Risikos, dass diese Anmerkung unwissenschaftlich erscheinen mag, halte ich an dieser
Stelle die dringende Anregung, das Aufnahmegerät vor wirklich jedem Interviewtermin auf
eventuelle technische Funktionsstörungen zu überprüfen, für angebracht.
95
VS I
VS II
•Zwei Teilnehmende Beobachtungen
•Vier Interviews mit Erwachsenen (ein Vater, eine
Mutter, eine Lehrerin, der Direktor und gleichzeitg
Klassenlehrer)
•Drei Gruppeninterviews mit Kindern
•Ein Gruppeninterview mit fünf Kindern
•Ein Interview mit der Lehrerin
•10 Zeichnungen der SchülerInnen
Abbildung 5.3: Übersicht Datenerhebungen
Die oben angeführte Abbildung soll das erhobene Datenmaterial übersichtlich
darstellen und zeigt sehr schön, wie unterschiedlich sich die Forschungssettings
entwickelten. Parallel zur Erhebungsphase wurde selbstverständlich mit der
Dokumentation der Forschungsdaten begonnen.
5.2.3
DOKUMENTATIONS- UND INTERPRETATIONSPHASE
Ich selektiere aus der Fülle der Daten und
begebe mich auf die Suche nach Hintergrundtheorien.
In der Dokumentations- und Interpretationsphase ging es darum, das gesammelte
Forschungsmaterial und das Audiomaterial für die weitere wissenschaftliche
Bearbeitung aufzubereiten und zu archivieren. Die zwei Beobachtungseinheiten
der VS I wurden unmittelbar nach der Durchführung protokolliert. In
interdisziplinären universitären Gruppensettings wurden diese Gedächtnisprotokolle assoziiert und analysiert. Zunächst arbeitete ich in kleinen
Arbeitsgruppen mit KollegInnen des DKIs, des Weiteren wurden die
Gedächtnisprotokolle im Zuge eines Seminars von ROSS ALLEN LAZAR im
Plenum assoziiert und Hypothesen aufgestellt.
Die insgesamt zehn durchgeführten (Einzel- und Gruppen-)Interviews habe ich
persönlich transkribiert, was einerseits den Vorteil hatte, das Interview erneut
96
hören bzw. er-leben und im Detail reflektierend betrachten zu können und
andererseits aber einen enormen Zeitaufwand bedeutete. Im Anschluss wurden
sämtliche Interviews zunächst individuell ausgewertet und in weiterer Folge in
Teams mit KollegInnen des DKIs aus den Bereichen Wirtschaft, Psychologie,
Pädagogik und Philosophie gemeinsam besprochen, ausgewertet und interpretiert,
um
Außensichten
in
die
Auswertungs-
und
Interpretationsphase
mit
einzubeziehen. Ich legte besonderes Augenmerk auf eine möglichst materialnahe
und deskriptive Interpretation, um so vor allen Dingen die Sprache der Kinder
wiedergeben zu können. Es sei aber darauf hingewiesen, dass eine Phase des
freien Assoziierens von grundlegender Bedeutung war, da auf diesem Wege eine
gewisse Distanz zum Material gewonnen werden konnte.
Das bestehende Audio- bzw. transkribierte Textmaterial sowie die Fremdsichten
der KollegInnen und deren Interpretationen wurden als Ausgangspunkt zur
Hypothesenbildung
Vergemeinschaftung
(individuell
der
und
im
Team)
Hypothesenbildungsprozesse
herangezogen.
führte
ich
Die
unter
Berücksichtigung der Außensichten und mit besonderem Augenmerk auf eine
kindgerechte Sprache zunächst eigenständig durch und diskutierte diese in
weiterer Folge mit einer externen, nicht in den Forschungsprozess involvierten
Person. Im Sinne der „angewandten Dialektik“ (vgl. HEINTEL 2005a: 141) stellte
das Untermauern der Ergebnisse durch Hintergrundtheorien in einer für Kinder
und Eltern sowie LehrerInnen gleichermaßen verständlichen Form eine besondere
Herausforderung dar.
Die Frage „Wie gestaltet sich idealerweise die Rückkoppelung in das beforschte
System?“ war bereits während der Auswertungsprozesse präsent und wird nun in
dieser prozessorientierten Abhandlung überblicksmäßig angeführt, ohne jedoch
auf die inhaltlichen Aspekte näher einzugehen.
97
5.2.4
RÜCKKOPPELUNGSPHASE
Ich gehe den Weg zurück in das beforschte System.
Die Rückkoppelungsveranstaltungen im Sinne der Interventionsforschung stellten
eine im Forschungsprozess bedeutungsvolle Phase dar, da neben der Präsentation
der Zwischenergebnisse und einer Überprüfung der Hypothesen auch neue
Erkenntnisse gewonnen werden konnten. So waren in dieser Phase fünf
Entscheidungen zur Planung und Organisation der Rückkoppelungsveranstaltung
erforderlich, die nachhaltig auf das gesamte Forschungsprojekt einwirken
konnten: Erstens, an wen sollte rückgemeldet werden, zweitens Zeitpunkt und
Dauer der Rückkoppelung, drittens, wie sollte sich das Setting gestalten, viertens
die Entscheidung, wie der Prozess ablaufen sollte, und fünftens, welche Inhalte
vorkommen sollten.
An
dieser
Stelle
erscheint
es
adäquat,
die
Entscheidungen
zu
den
Rückkoppelungsveranstaltungen in den zwei Volksschulen einzeln abzuhandeln,
da auch die Entscheidungen unterschiedliche waren. Zunächst zu den konkreten
Entscheidungen, die das Interventionsforschungsprojekt VS I betreffen:
Entscheidungsprozess
ForschungspartnerInnen
Volksschule I
Entscheidung: An wen wird rückgemeldet?
Grundsätzlich wurde die Auffassung vertreten, dass ausschließlich an die
interviewten ForschungspartnerInnen rückgekoppelt werden sollte. Im Zuge einer
Teamsitzung entschied
ich mich
allerdings
dafür alle Elternteile zur
Rückkoppelungsveranstaltung einzuladen, da in diesem Zusammentreffen der
unterschiedlichen Generationen zur Thematik
„WWW“ ein
spannendes
Experiment gesehen und ein außerordentlicher Erkenntnisgewinn als möglich
erachtet wurde.
98
Entscheidung: Zeitpunkt und Dauer
Die Rückkoppelung fand in der letzten Schulwoche am Mittwoch in der vierten
Stunde statt. Eine Unterrichtsstunde war dafür vorgesehen und die Präsentation
meiner Zwischenergebnisse (Hypothesen und Widersprüche basierend auf
Hintergrundtheorien) wurde mit maximal 15 Minuten Präsentationszeit festgelegt.
Entscheidung: Wie gestaltet sich das Setting?
Vom Direktor erhielt ich die Zusage, die Rückkoppelungsveranstaltung im
Musikraum durchführen zu können. Zunächst plante ich die Rückmeldung meiner
Ergebnisse im Plenum. Anschließend sollte eine Splittung der Eltern und
LehrerInnen zu Murmelgruppen mit maximal fünf Personen erfolgen, wobei die
Gruppen diskutieren sollten, was ihnen klar bzw. unklar war, wo sie sich
wiederfanden und was der für sie wesentlichste Aspekt sei. Gemeinsam mit den
Kindern
plante
ich
ein
Holzrahmenbild39
zu
gestalten
sowie
ein
theaterpädagogisches Experiment durchzuführen und beides anschließend im
Plenum zu präsentieren. Zur Rollenverteilung muss ich festhalten, dass bewusst
auf eine/n ModeratorIn verzichtet wurde und ich in diesem konkreten Fall eine
Doppelrolle einnahm; zum einen, weil ich den Kindern bereits vertraut war und
zum anderen war es aufgrund des Settings mein Wunsch, die Rolle der
Moderatorin selbst wahrzunehmen. Ich empfand es aber für notwendig, eine von
mir mit dem Forschungsprojekt betraute Person als Unterstützung und zur
Beobachtung des gesamten Rückkoppelungsprozesses mitzunehmen.
Entscheidung: Wie sollte der Prozess ablaufen?
-
Zunächst war ein adäquater theoretischer Input vonseiten der Forscherin
sowie die Präsentation der Hypothesen vorgesehen. Dies setzte eine
Prägnanz der Formulierungen und bewusste Selektion voraus:

Als erstes sollte erklärt werden, was gemacht wurde und
die
Methode der Interventionsforschung sollte kurz vorgestellt werden.
39
Es handelte sich um einen mit Leinen bespannten Holzrahmen in der Größe von ca. einem Meter
mal einem Meter.
99

Die Ergebnisse sollten neutral und wertfrei und die Hypothesen als
Angebote und Vermutungen präsentiert werden.
-
Anschließend sollten Murmelgruppen für Eltern und LehrerInnen einen
Raum zum Reflektieren bieten. (Was war interessant? Was war
verwunderlich? Was ist noch offen geblieben?)
-
Ich wollte unterdessen gemeinsam mit den Kindern in der Großgruppe ein
vorbereitetes
Keilrahmenbild
erarbeiten,
da
ich
aus
meiner
theaterpädagogischen Erfahrung weiß, dass es gut möglich ist, konstruktiv
mit einer Klasse im Klassenverbund zu arbeiten.
-
Ein anschließendes theaterpädagogisches Experiment mit den Kindern
sollte das Programm abrunden.
-
Die Präsentation der Ergebnisse durch die Eltern sowie die Präsentation
des Keilrahmenbildes durch die Kinder und die Aufführung der
theaterpädagogischen Rollenspiele sollten das Programm abschließen.
-
Sollte aufseiten der Kinder und Eltern noch Energie vorhanden sein, war
eine
Diskussion
im
Plenum
bzw.
ein
Zusammenführen
der
unterschiedlichen Sichtweisen geplant, mögliche Konsequenzen könnten
besprochen werden.
Entscheidung: Welche Inhalte sollten vorkommen?
Was sollte vorkommen? Rosenstrauß oder bunter Blumenstrauß? Ich hielt es für
grundlegend, die Kinder nicht zu überfordern, daher versuchte ich immer wieder,
durch Selektion und unter dem Aspekt „Weniger ist mehr“ zu agieren. Auf die
inhaltliche Ebene sowie den tatsächlichen Verlauf der Rückkoppelung wird in
Kapitel 7 detailliert eingegangen. In diesem prozesshaften Überblick muss die
inhaltliche Ebene weitgehend ausgeklammert werden.
Nun zu den konkreten Entscheidungen das Interventionsforschungsprojekt mit
den ForschungspartnerInnen der VS II betreffend:
100
Entscheidungsprozess
ForschungspartnerInnen
Volksschule II
Entscheidung: An wen wird rückgemeldet?
Die ForschungspartnerInnen der VS II betreffend, entschloss ich mich, zunächst
nur an die interviewten Kinder rückzumelden. Gemeinsam mit der Lehrerin der 4.
Klasse der VS II wurde dann entschieden, das erarbeitete Keilrahmenbild sowie
die Annäherung an ein theaterpädagogisches Experiment anschließend im
Klassenverband allen Kindern zu präsentieren. In weiterer Folge wurde der
Wunsch geäußert, diese Forschungsergebnisse vor der ganzen Volksschule am
Zeugnistag zu präsentieren.
Entscheidung: Zeitpunkt und Dauer
Die Rückkoppelungsveranstaltung wurde für die vorletzte Schulwoche eingeplant.
Eine Unterrichtsstunde war dafür vorgesehen.
Entscheidung: Wie gestaltet sich das Setting?
Als Raum wurde der Aufenthaltsraum vor der Klasse vereinbart. Nach der
Rückkoppelung meiner Ergebnisse wurde mit den fünf SchülerInnen ein Bild
gestaltet
und
anschließend
unterschiedliche
Rollenspiele
basierend
auf
Stichwortkarten als theaterpädagogisches Experiment erarbeitet. Auf eine
Moderatorin bzw. eine Beobachterin wurde aufgrund der Größe der Gruppe
verzichtet.
Entscheidung: Wie soll der Prozess ablaufen?
Zunächst sollte kurz erklärt werden, was Interventionsforschung ist. Dann erfolgte
die Präsentation der Zwischenergebnisse und Hypothesen, die möglichst nahe am
Material sein mussten. Hintergrundtheorien flossen in adäquater Form mit ein.
Anschließend
wurde
ein
vorbereitetes
Keilrahmenbild
von
den
101
ForschungspartnerInnen gestaltet. Im Anschluss wurde ein Rollenspiel basierend
auf gemeinsam erarbeiteten Stichwortkarten als theaterpädagogisches Experiment
erprobt. Das Bild/Plakat wurde anschließend im Klassenverbund präsentiert.
Ebenso erfolgte auf Wunsch der Lehrerin die Aufführung der erarbeiteten Szene
im Klassenverbund. Eine Diskussion in der Klasse war geplant, konnte aber
aufgrund von Zeitmangel nicht mehr umgesetzt werden.
Entscheidung: Welche Inhalte sollen vorkommen?
Es wurde wiederum der Leitsatz „weniger ist mehr“ berücksichtigt und vor allen
Dingen auf eine adäquate Sprache geachtet. Die inhaltliche Ebene wird in Kapitel
7
detailliert
veranstaltungen
dargestellt,
in
da
dieser
der
Dokumentation
Arbeit
als
der
besonderes
RückkoppelungsKennzeichen
der
Interventionsforschung ein eigenes Kapitel gewidmet wird. Wenngleich dies zu
Redundanzen führen kann, halte ich diese Herangehensweise für sinnvoll, um so
den Stellenwert des Forschungsprozesses explizit hervorzuheben.
Abschließend
muss
an
dieser
interventionswissenschaftliche
Stelle
angemerkt
Forschungsprozess
werden,
grundsätzlich
dass
der
mit
dem
Verfassen eines schriftlichen Endberichtes abschließt. Dieser muss aber nicht von
vornherein Bedingung sein, da die Interventionsforschung meines Erachtens das
Lernen
von
innen
ForschungspartnerInnen
heraus
von
hervorhebt.
der
So
wurde
Aushändigung
auch
eines
bei
meinen
verschriftlichten
Endberichts abgesehen; nach meinem Ermessen ist diese Dissertation der
Endbericht dieser Forschungen. In mir kam in diesem Zusammenhang die Frage
auf: Ist das, was bleibt, nicht wesentlich mehr? Im Folgenden gilt es meine
persönlichen Eindrücke zum Prozessverlauf zu reflektieren.
102
5.3 REFLEXION ZUM PROZESSVERLAUF
Ich brauche einen neuen Brauch, den wir sofort einführen müssen;
nämlich den Brauch, in jeder Lage neu nachzudenken.
BERTOLD BRECHT
Wie ist es mir im Verlauf dieses Forschungsprozesses ergangen? Bei reflexiver
Betrachtung dieser prozessorientierten Entwicklung meiner Forschung musste ich
für mich erkennen, dass Forschung und vor allen Dingen Interventionsforschung
für mich als Forscherin eine stetige Bereitschaft zur Neuorientierung bedeutete.
Dieses Forschungsvorhaben musste sich erst entwickeln und es war nicht von
vornherein klar abgesteckt. Das Aushalten der eigenen Unsicherheit, nicht wissen
zu können, was eigentlich dabei herauskommen werde, veränderte meine
Denkweise als Forscherin. Nicht das Ergebnis stand im Vordergrund, sondern der
Prozess. Auch das Bewusstsein, dass es sich hierbei nur um eine
Momentaufnahme handeln konnte und sicherlich keine Verallgemeinerbarkeit
daraus ableitbar sein werde, war für mich als Forscherin zu Beginn schwer zu
akzeptieren. Nicht nur die Erfahrung, eine Forschungserlaubnis zu erwirken,
sondern auch die grundlegende Frage, was will ich eigentlich erforschen und
warum, stellten für mich besondere Herausforderungen dar. Interventionsforschung war in meinem Erleben bewusstes Entscheiden und gleichzeitig das
Hinterfragen, warum ich mich so entschieden habe. Mein Interesse an
ForschungspartnerInnen im Alter von acht bis elf Jahren führte ich auf meine
bisherigen Erfahrungen als Theaterpädagogin zurück. Auch hielt ich die Tatsache,
dass ich selbst Mutter zweier Mädchen bin, für mein Interesse an der kindlichen
Denkweise für ausschlaggebend. Gleichzeitig war der Wunsch da, die
erwachsenenzentrierte Perspektive mit einzubeziehen. Meine Suche nach einer
Schnittstelle der unterschiedlichen Generationen endete im System Schule, und
diese stellte sich für mich als adäquater Ort heraus, um zu forschen.
Ein anderer Aspekt, der mir bei der Betrachtung dieser prozessorientierten
Darstellung
auffiel,
war
meine
individuelle
Entwicklung
als
Forschungsinstrument. So war zu Beginn der Forschung die Frage zentral: Wie
kann ich die Angst, als Forschungsinstrument zu versagen, ablegen? Es war für
103
mich das Erfahrungslernen, das mir Sicherheit gab, und so lernte ich mit jedem
Interview dazu und jede Teilnehmende Beobachtung machte für mich dieses
scheinbare
Nichtstun
Forschungsinstrument
erträglicher
und
einzusetzen.
Es
ich
war
lernte
für
mich
mich
bewusst
eine
als
besondere
Herausforderung, als Forschungsinstrument einerseits offen und andererseits
dennoch mit einer gewissen Distanz an das System heranzugehen. Ich empfand es
als schwierig, mich von dem System nicht vereinnahmen zu lassen und diesem
aber gleichzeitig auf eine gewisse Art und Weise vollkommen nah zu sein.
Der Wunsch, mit meiner Forschung etwas zu bewirken, war fortwährend Teil
meiner Gedanken. Nicht zuletzt der Aspekt der Rückkoppelung in das beforschte
System hatte auf mich eine befriedigende Wirkung. Ich musste mir eingestehen,
dass es die Möglichkeit war, dem System etwas zurückgeben zu können, die auf
mich einen besonderen Reiz ausübte. Meine Lust am Forschen wurde durch die
Nähe zur Praxis geweckt. Es mögen an dieser Stelle einige Leser die Stirn
runzeln, aber ja, Forschung kann lustvoll und reizvoll sein. Forschung als Brücke
zwischen Wissenschaft und Alltag zu begreifen war für mich das Besondere der
Interventionswissenschaft.
Da es vor allen Dingen die Inhalte waren, welche den ForschungspartnerInnen
und mir als Forscherin Lernen ermöglichten, wird im Folgenden zunächst der
Weg zu den zentralen Themen dargestellt.
104
6 DOKUMENTATION DER AUSWERTUNGSPROZESSE
In
diesem
Kapitel
Auswertungsprozesse
erscheint
zu
legen,
es
erforderlich,
um
so
die
den
Fokus
Prinzipien
auf
die
vorliegender
Forschungsarbeit, nämlich Lernen durch Erfahrung, nachvollziehbar zu machen.
Die Auswertungsprozesse werden detailliert dokumentiert und sollen den Leser in
die Lage versetzen, sich ein eigenes Bild dieser Forschungsmethodik zu machen.
Zunächst schildere ich mein unmittelbares reflexives Erleben der Teilnehmenden
Beobachtungen und meine Erfahrungen mit dieser Methode im Zuge des
Seminars „Psychoanalytisch orientierte Organisationsbeobachtung“ unter der
Leitung von INA PAUL-HORN (WS 06) sowie die Auseinandersetzung mit
denselben Gedächtnisprotokollen im Seminar „Angewandte Organisationsbeobachtung – Beobachtung im Dienste der Primäraufgabe“ (SS 07) unter der
Leitung von ROSS ALLEN LAZAR. Diese waren Ausgangspunkt und sind somit
Fundament der Forschung mit ForschungspartnerInnen der VS I. Ich konzentriere
mich auf die Dokumentation der auf unterschiedlichen Ebenen der Gruppendiskussionsforschung
(vgl.
SCHIRMER
2009:
218
ff.)
stattgefundenen
Auswertungsprozesse und der daraus resultierenden Ergebnisse und erster
Hypothesen. Die ausführliche Darstellung der Arbeit mit diesen Daten soll
aufzeigen, wie ich mich auf die Suche nach Antworten auf meine
Forschungsfragen begeben habe, wie neue Aspekte durch unterschiedlichste
Teamkonstellationen entdeckt wurden und welche Masse an Datenmaterial durch
diese Prozesse zu Tage trat.
Als
weiterer
Bestandteil
dieser
Forschung
fließt
eine
Analyse
der
Kinderzeichnungen in die Ergebnisse mit ein. Schließlich erfasse ich die
Interviews, wobei der Auswertungsprozess eines Fallbeispiels explizit dargestellt
und diskutiert werden soll, da ich es als notwendig erachte, den Umgang mit dem
Datenmaterial exemplarisch anzuführen, um so den spannenden Prozessen
angemessen Beachtung zu schenken.
105
Basierend auf diesen Erkenntnissen werden dann im Zuge der Rückkoppelung die
Ergebnisse dokumentiert, Hypothesen eruiert sowie hintergrundtheoretische
Gedanken angeboten.
6.1 DOKUMENTATION DER TEILNEHMENDEN BEOBACHTUNGEN
Als Beobachter sehe ich nicht,
dass ich nicht sehe, was ich nicht sehe.
HEINZ V. FOERSTER
Meine Erfahrungen mit dieser Methode gehen auf das Seminar „Psychoanalytisch
orientierte Organisationsbeobachtung“ (vgl. PAUL-HORN 2006: 95 ff.) am Institut
für Interventionsforschung und Kulturelle Nachhaltigkeit an der Alpen-AdriaUniversität Klagenfurt zurück und sollen im Folgenden angemessen beschrieben
werden, da, meines Erachtens, auch die Art und Weise, wie ich mit dieser
Methode
konfrontiert
wurde,
etwas
mit
mir
und
somit
mit
dem
„Untersuchungsinstrument“ (vgl. GOLDMANN 2006: 94) gemacht hat. In der
Vorbesprechung zum Design des Seminars wurde nach einer Einführung die
Grundsatzentscheidung
getroffen,
wer
selbst
beobachten
oder
nur
an
Beobachtungen anderer TeilnehmerInnen partizipieren und in der Arbeitsgruppe
mitarbeiten wird. Basierend auf der Bildung von Arbeitsgruppen mit jeweils einer
Arbeitsgruppenleitung war es dann meine Aufgabe, als Beobachterin in einer mir
fremden Organisation eine Beobachtungserlaubnis zu erwirken und eine
Vereinbarung auszuhandeln, die es ermöglichte, eine Reihe von Beobachtungen
für
die
Dauer
von
jeweils
einer
Stunde
durchzuführen.
Da
die
Organisationsbeobachtung mit der ersten Kontaktaufnahme beginnt, wird an
dieser Stelle, auch auf die Gefahr hin, den Lesefluss zu unterbrechen, diese erste
Interaktion mit der Organisation Schule dargestellt:
106
Martina Zwantschko/Pucher
BK:
10/13/06 05:54 pm
Datum:
Anfrage - Dissertation über PC in der kindlichen Lebenswelt
Betreff:
Anlagen:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Sehr geehrter Herr Direktor!
Mein Name ist Martina Zwantschko/Pucher. Ich habe an der Universität Klagenfurt
Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Meine Diplomarbeit widmete
sich dem Thema "Medienerziehung im Kindergarten am Beispiel des Filmprojektes
'Reflektierend durch die Mediengalerie'". Dadurch, dass ich selbst eine vierjährige
Tochter habe, interessiert mich die Thematik Kinder und Neue Medien sehr.
Ich arbeite derzeit für das Österreichische Zentrum für Kriminalprävention als
Akteurin des Projektes "Mein Körper gehört mir" gegen den sexuellen Missbrauch an
Mädchen und Buben. Durch diese Tätigkeit des Theaterspielens mit den dritten und
vierten Klassen der Volksschulen wurde mein Interesse an der Thematik "Das WWW
in der kindlichen Lebenswelt. Chance oder Bedrohung" geweckt.
Ich nehme nun am interdisziplinären DoktorandInnenkolleg Interventionsforschung
teil und möchte nun im Rahmen eines Seminars eine Beobachtung in einem
Computerraum an einer Volksschule durchführen.
Ich bin wirklich sehr begeistert von der Homepage Ihrer Volksschule und daher wäre
es für mich eine große Freude, Sie in Ihrer Schule als Forscherin/Beobachterin
besuchen zu dürfen.
Ich würde mich gerne eine Stunde im PC-Raum Ihrer Volksschule aufhalten dürfen,
um dort teilnehmend zu beobachten. Meine Eindrücke werde ich dann beschreibend
verschriftlichen. Das Protokoll wird dann in einer Arbeitsgruppe diskutiert und
reflektiert. Gemeinsam werden dann Hypothesen aufgestellt.
In einer zweiten Beobachtungseinheit (ein weiterer Besuch meinerseits im PCRaum) dient dann dazu die Assoziationen und Hypothesen zu überprüfen.
Selbstverständlich herrscht das Prinzip der Anonymisierung. Und die Ergebnisse
werden absolut vertraulich behandelt. Es fallen keine Namen. Es gilt für mich einfach
das Handwerk der Beobachtung zu erlernen.
Sie würden mir sehr weiterhelfen, wenn Sie mir erlauben würden, bei Ihnen
Forschen zu dürfen. Ich befinde mich in einer Lernsituation und hoffe auf eine
Erlaubnis Ihrerseits.
Mit der Hoffnung auf eine Rückmeldung verbleibe ich mit herzlichen Grüßen Martina
Zwantschko/Pucher.
Da die Frage, wie man in ein System hinein kommt bzw. die Erlaubnis zum
Beobachten
erhält,
im
Rahmen
der
psychoanalytisch
orientierten
Organisationsbeobachtung eine bedeutungsvolle ist, wird das Ansuchen und
die Erlaubnis explizit angeführt. Auch Fehlversuche konnten spannend sein.
In diesem Fall traf jedoch gleich am selben Tag die Antwort des Direktors ein
und eine erste Tür in das System Schule öffnete sich:
107
From: Anonymisierungscode VS I
To: "Martina Zwantschko" <[email protected]>
Date: Fri, 13 Oct 2006 18:05:31 +0200
Subject: Dissertation über PC in der kindlichen Lebenswelt - antwort
wenn sie wollen, können sie jederzeit eine PC Stunde am Mittwoch zwischen 10.35
und 11.25 ansehen.
Mit lieben Grüßen Direktor VS I
Die Uhrzeit, zu der die Antwort des Direktors verfasst wurde, lässt mich bei
reflexiver Betrachtung dieses Erstkontaktes bereits darauf schließen, dass der
Direktor wohl mit großem persönlichem Engagement seinen Beruf ausübt und
dem World Wide Web aufgeschlossen gegenüber steht. Da ich mich im Vorfeld
durch Erkundungen beim Landesschulrat abgesichert hatte und im System Schule
gewissermaßen von oberster Instanz die Erlaubnis zur Beobachtung erhalten hatte,
bestand nun der nächste Schritt in der Herausbildung eines eigenen
Rollenverständnisses als Beobachterin in der Interaktion mit der Organisation
Schule. Das Hineinkommen, das Überschreiten der Systemgrenze soll nun anhand
eines Wechsels auf die reflexive Ebene beschrieben werden, um es dem Leser zu
ermöglichen, sich auf diese Methode einzulassen.40
Einleitende Reflexionsschleife – das Herantasten an eine Methode
Die Methode der Teilnehmenden Beobachtung erleben? Wie kann ich beobachten
erlernen? Wie muss ich beobachten? Wie funktioniert dieses „Dabeisein und
Nichtstun“? Was löst es in mir aus? Einen Tag vor meiner ersten Beobachtung
telefonierte ich mit dem Direktor und er teilte mir mit, dass er an diesem Tag nicht
anwesend sein könne. Ich erbat mir aber sein Einverständnis, die unbeaufsichtigte
Stunde beobachten zu dürfen, was er mir telefonisch erlaubte. Am Tag meiner
ersten Beobachtung war ich ziemlich angespannt, da ich nicht wusste, was auf
mich zukommen würde. Auch war mein Denken von der Angst geprägt, gar nicht
alles wahrnehmen bzw. es danach nicht wiedergeben zu können. Ich sollte mich
40
Die Beobachtungs- bzw. Gedächtnisprotokolle befinden sich im Anhang und dienen als
Grundlage der folgenden Ausführungen und Analysen.
108
an diesem Tag zum ersten Mal bewusst selbst als Forschungsinstrument erleben.
Große Verunsicherung füllte mein Inneres. Konnte ich meiner Rolle als
Beobachterin gerecht werden? Als ich in die Schule eintrat, schienen die
Klassenlehrerinnen anderen Klassen zunächst verwundert über meine unerwartete
Präsenz. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass sie sehr bemüht waren, mir das
Beobachten zu ermöglichen. Die Lehrerin der ersten und zweiten Klasse gestand
mir, dass sie dem Direktor bewusst davon abgeraten hätte, mich zu einer
unbeaufsichtigten Stunde kommen zu lassen. Wie sich später herausstellte, hatte
ich am Vortag ein E-Mail vom Herrn Direktor nicht mehr gelesen, in welchem er
mich bat, doch am darauf folgenden Tag zu kommen. Bald wurde mir bewusst,
dass allein meine Anwesenheit das System beeinflusste. Ich wurde von einem
Kind gleich zu Beginn gefragt, ob ich eine Lehrerin sei, was in mir ein gewisses
Zugehörigkeitsgefühl aufkommen ließ. Meine Nervosität begann sich allmählich
zu legen. Als ich mir bewusst einen Platz für meine Beobachtung ausgewählt
hatte und Platz nahm, legte sich meine innere Unruhe. Ich wollte bzw. konnte aber
meinen Block nicht in der Tasche lassen, zu groß war die Angst, mir nicht alles
merken zu können. So machte ich Notizen auf meinen kleinen Block – allein diese
Tatsache beruhigte mich sehr und ich konnte ganz konzentriert und offen das
Geschehen aufnehmen. Das Kind im Fokus meines Interesses – sollte der Fokus
nicht auf das System Schule gerichtet sein? Im Unterbewusstsein war mein Fokus
nicht auf die Organisation Schule gerichtet, sondern auf die wesentlich kleinere
Einheit – das Kind, die SchülerInnen im Umgang mit dem Computer. Für mich
stellte sich nun bei reflektierender Betrachtung die Frage, ob ich nicht ein falsches
Ziel vor Augen hatte – konnte ich unter diesen Umständen überhaupt die Kunst
des Beobachtens, nämlich sich möglichst unvoreingenommen mit Eindrücken
auffüllen zu lassen, erlernen? Mein Ziel war ja weniger, etwas über die
Organisation Schule zu erfahren, als vielmehr über die Kinder und deren Umgang
mit dem Computer. Keinen Fokus zu haben, sich zu entleeren, offen zu sein und
zuzulassen, was mit einem geschieht – dass dieses Nichtstun erlernt werden will,
wurde mir schon im Zuge meiner ersten Beobachtung klar. Die zweite
Beobachtung fiel mir viel leichter. Ich war nicht mehr so angespannt, einerseits
weil mir die Organisation nicht mehr völlig fremd war und andererseits weil ich
109
bereits eine Beobachtung durchgeführt hatte, also auf eine gewisse Erfahrung
zurückgreifen konnte. Hinzufügen möchte ich, dass ich sehr motiviert und positiv
überrascht den Heimweg antrat. Ich war erstaunt, dass meine anfänglichen
Zweifel, ob Kinder im Volksschulalter bereits Zugang zum Internet suchen bzw.
haben, widerlegt worden waren. Auch war ich etwas verwirrt, da ich für dieses
eine Mädchen wirklich eine Vertrauensperson zu sein schien. Mir wurde ein
Geheimnis anvertraut. Bleibt die Frage offen, habe ich wirklich viel mehr
bemerkt, als ich bemerkt habe, dass ich bemerkt habe?
Nun wechsle ich von der Ebene der individuellen Reflexion meiner ersten
Beobachtungen auf die Ebene der Reflexion zu den einzelnen Arbeitsgruppen bzw.
Forschungsteams. Zur Arbeit mit dem Beobachtungsmaterial, den Beobachtungsoder Gedächtnisprotokollen (diese sind im Anhang zu finden), die unmittelbar
nach den Beobachtungen verfasst und möglichst beschreibend und nicht wertend
oder interpretierend gehalten wurden, muss festgehalten werden, dass diese die
Grundlage für alle weiteren Arbeitsschritte bildeten, so auch für die Besprechung
in der kleinen Arbeitsgruppe. Die Arbeitsgruppe, bestehend aus vier Kollegen41
aus den Bereichen Wirtschaft, Philosophie und Psychologie, startete, indem ich
mein Beobachtungsprotokoll der ersten Beobachtung in einem Stück vorlas. Ich
wollte mich dann zurücknehmen, um den Assoziationen der anderen
Gruppenmitglieder Raum zu geben. Zu Beginn hatte ich irgendwie das Gefühl,
dass ich selbst nicht so recht wusste, was ich mit diesem Beobachtungsprotokoll
nun anfangen sollte. Eine Unsicherheit machte sich in mir breit. Hatte ich meine
Aufgabe richtig gelöst? Ohne Forschungsfrage, ohne Fokus in eine Organisation
zu gehen, hat sich für mich als äußerst schwierig herausgestellt. In der Gruppe
fühlte ich mich dann nach und nach in eine Rolle der Expertin gedrängt, die ich
selbst aber gar nicht zu sein glaubte. So war ein großer Nachfragebedarf vonseiten
meiner Kollegen zu bemerken. Unser Arbeitsgruppenleiter griff dann ein und
lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf das freie Assoziieren. Besonders fiel mir
das
41
Interesse
der
zwei
Familienväter
auf,
wohingegen
ein
anderes
Ich bedanke mich bei den Mitgliedern meiner Arbeitsgruppe bestehend aus DR. JAN SEMMLER,
MAG. CHRISTIAN PINNEGGER, DR. DIETMAR RANFTLER für Ihre Zeit, die Assoziationen und
Hypothesenbildung.
110
Gruppenmitglied diese Thematik eher als fad empfand. Ich habe diesen Prozess
als äußerst spannend empfunden. Die Hypothesenbildung gestaltete sich äußerst
konträr – während das Engagement des Direktors einerseits aufgrund der
Probleme mit den Computern angezweifelt wurde, wurde es andererseits gerade
hervorgehoben, da ein eigener Medienraum nicht als Standard von Volksschulen
angesehen werden könne. Allgemein lief die Diskussion eher rational ab. Ich
vermisste irgendwie die emotionale Zuwendung zu den Kindern. Dieser
Gruppenprozess war für mich eine völlig neue Erfahrung und ich fühlte mich
danach eigentlich sehr gut. Ich musste mir aber eingestehen, dass es noch einiger
Übung bedarf, diese Methode wirklich zu erlernen und zu verstehen.
Basierend auf den Ergebnissen aus der kleinen Arbeitsgruppe wurden die
Assoziationen im Plenum diskutiert. Auch die Schilderungen, wie es den anderen
in der Beobachterrolle ergangen war, waren für mich sehr hilfreich. Bezeichnend
war für mich auch, dass gewisse Organisationen oder Themen das Plenum im
wahrsten Sinne des Wortes vereinnahmten (so war es zum Beispiel bei der
Beobachtung in einem Kloster). Meine Beobachtungsassoziationen betrachtend,
war für mich die anfängliche Stille kennzeichnend. Auch habe ich es als spannend
empfunden, dass die Diskussion auch in der großen Gruppe eher rational ablief.
Der Vertrauensvorschuss, der mir zweifelsohne gegeben wurde, war mir
allerdings im Prozess des Beobachtens nicht bewusst. Hatte ich wirklich eine
Ersatzlehrerfunktion? Haben sich die Kinder nur so verhalten, weil ich da war?
Für mich war es in jedem Fall eine lehrreiche Erfahrung und der Gruppenprozess
im Plenum war eine echte Bereicherung, da in der Großgruppe die
Übertragungsprozesse eine noch größere Intensität bekamen als dies in der
Kleingruppe der Fall war. Die zweite Beobachtung wurde durchgeführt und im
Folgenden diente ein zweites Treffen der Arbeitsgruppe in erster Linie zur
Überprüfung der Hypothesen.
Zur Überprüfung der Hypothesen, die in dieser Arbeitsgruppe erarbeitet wurden:
-
Die erste Hypothese, wenn ein Kind an einem schlechten Gerät arbeitet,
sei auch die Motivation schlecht, kann bestätigt werden. Auch wird der PC
111
einerseits als Zeiträuber und andererseits als hilfreich im System
angesehen.
-
Die Frage, ob Kinder durch diese Medien schneller und besser lernen
können bzw. ob die Selbstdisziplin/-organisation bei Kindern höher ist,
wenn sie eigenständig mit dem PC arbeiten (aufgrund der Interaktion),
kann aufgrund der zweiten Beobachtung nicht beantwortet werden. Es
wurde aber festgestellt, dass die Schüler mit natürlichen/herzlichen
Emotionen bei der Sache sind.
-
Dass der EDV-Unterricht ernst genommen wird, kann unter gewissen
Gesichtspunkten bestätigt werden, allerdings standen die technischen
Mängel der Geräte im Vordergrund der Wahrnehmung.
-
Nicht alle in dieser Schule ziehen an einem Strang (eine Lehrerin kann mit
den PCs nicht viel anfangen). Der Direktor muss also seine Schüler und
Mitarbeiter überzeugen (und vorher musste er auch noch die Eltern der
Kinder überzeugen).
-
Der Direktor hat einen Geltungsdrang (das Zepter in der Hand) und
möchte die Situation unter Kontrolle haben (erzählt, dass er die Computer
organisiert hat und Einfluss nehmen will, verändern will…). Auch die
scheinbare Offenheit/respektierte Position der Beobachterin gegenüber
(lädt sie auf einen Kaffee ein, stellt sich auch für ein Interview zur
Verfügung…), lässt darauf schließen, dass er die Situation unter Kontrolle
haben möchte beziehungsweise Einfluss ausüben will. Die Kommentare
des Direktors während der Beobachtung (beispielsweise die Erklärung,
warum er drei Kinder an einem PC sitzen lässt) könnten insofern
manipulativen Charakter haben, als er die Beobachterin die Situation so
verstehen lässt, wie er es in diesem Moment haben will, dass sie es
versteht.
Entsprechend der Auffassung von INA PAUL-HORN (2006: 102) könnte man
sagen,
dass
verschiedene
Gruppenprozesse
verschiedene
Interpretations-
möglichkeiten zu Tage bringen; während die Gedächtnisprotokolle in dieser eben
beschriebenen Arbeitsgruppe und Großgruppe nur vorgelesen wurden, wurden
112
dieselben Gedächtnisprotokolle in einem weiteren Schritt als Skript zur
Bearbeitung an ein Plenum ausgehändigt. Auch auf die Gefahr hin eine
Redundanz nicht vermeiden zu können, will ich die Dokumentation der
Arbeitsschritte meiner Gedächtnisprotokolle im Plenum im Rahmen des Seminars
von ROSS ALLEN LAZAR in dieser Diskussion mitführen, um so die neuen
Aspekte, die jede Phase der Forschung mit sich bringt, aufzuzeigen.
Basierend auf dem Gedächtnisprotokoll der ersten Teilnehmenden Beobachtung
vom 8. November 2006 war es der erste Schritt in der Großgruppe,
Grundsätzliche Gegenübertragungsgefühle aus der Gruppe zu eruieren. Es war
grundsätzlich eine Offenheit gegenüber dem Thema Schule zu spüren, gefolgt von
der innerlichen Spannung, was in einer unbeaufsichtigten Stunde passieren werde.
Enttäuschend war dann das Ausbleiben einer Revolte. Es entstand eine gewisse
Verwirrung bezüglich der Anzahl der Kinder, die Frage tat sich auf, wie viele
weiblich und wie viele männlich waren. Ein Bedürfnis nach Struktur und der
Wunsch, die Sitzordnung der Kinder bzw. den Medienraum darzustellen, wurden
geäußert. Es wurde als interessant empfunden, was passiert ist und was nicht. So
erschien es verwunderlich, dass trotz Internetanschlusses die Kinder nichts
anderes als die ihnen aufgetragenen Übungen gemacht haben. Außerdem wurden
die Dialoge der Kinder als lebendig wahrgenommen und auch das Bewusstsein,
etwas Lebendiges zu beobachten wurde erlangt. Die Messbarkeit der Leistungen
der Kinder mittels der Aufzeichnungen am PC wurde als schockierend
empfunden. Die Lernprogramme lösten im Forschungsteam die Frage nach
Kontrolle durch LehrerInnen aus. Außerdem wurden die Vor- und Nachteile von
Notizen während des Beobachtens diskutiert.
Erst im zweiten Schritt ging man ins Detail des Gedächtnisprotokolls gegangen
und bezog mich als Beobachterin mit ein. Zunächst wurde die Wirkung der
Beobachterin diskutiert und darauf hingewiesen, dass sie keine „Fliege an der
Wand“ sein kann. Die Anwesenheit der beobachtenden Person macht immer auch
etwas mit dem beforschten System. Zu meiner Rolle als Beobachterin muss ich
festhalten,
dass
ich
mich
in
dieser
Situation
nicht
selbst
zum
113
Beobachtungsgegenstand machen durfte, sehr wohl aber erzählen sollte, wie es
mir ergangen war. Der Beobachtungsfokus durfte nicht aus den Augen verloren
werden. Es wurde als Glücksfall empfunden, die Kinder unbeaufsichtigt am PC
arbeitend beobachten zu können. Somit könnte der Fokus in diesem Fall auf zwei
Aspekte gerichtet sein, einerseits: wie arbeiten Kinder am PC und andererseits:
wie arbeiten Kinder unbeaufsichtigt?
Ich als Beobachterin wurde als eindeutig nicht der Organisation angehörend
wahrgenommen, war aber willkommen. Dieses „Schade, dass ich keine Lehrerin
sei“, könnte auf einen Lehrermangel, die drohende Lehrerlosigkeit oder aber
einfach auf Sympathie hindeuten. Die Lehrerin der anderen Klasse zeigte sich
überrascht über mein Erscheinen und betonte, dass „heute ein ungünstiger
Zeitpunkt zum Beobachten sei“ (der Direktor war nicht anwesend – eine
unbeaufsichtigte Stunde) – vielleicht fühlte sie sich beobachtet oder wollte
indirekt Kritik am Direktor äußern. Ihr Versuch, die Beobachtung zu verschieben,
war gescheitert. Auch der kurze Einblick in die Lernumgebung der ersten und
zweiten Klasse wurde als durch den Direktor initiiert wahrgenommen. Die
Beschreibung des Medienraumes und vor allem die bemalten Abdeckungen der
Computer wurden als wertschätzend bzw. als Wertsteigerung gedeutet. Besonders
spannend war die Diskussion über die Spontanität der Sprache, so wurden drei
Varianten, wie die Kinder über den Computer sprechen, beobachtet: erstens, als
ob man selbst das Gerät sei – Identifikation mit dem Computer „Ma, bei mir
geht‟s nit.“; zweitens, ein Sprechen über das Gerät in der dritten Person, der
Computer wird zu einer Person – Personifizierung des Computers „Der muaß
laden. Warte a bissi.“, „Was hat er den jetzt schon wieder!“; und drittens wurde
der Computer direkt angesprochen, eine direkte Anrede wurde beobachtet.
Außerdem ist aufgefallen, dass, als ein Computer nicht funktionierte, gleich auf
den PC am Lehrertisch ausgewichen wurde. Es wurde bemerkt, dass die Lehrerin
der ersten Klasse lange Zeit in dieser Klasse agiert hatte und dass sie sich nun
wohl in einem Rollenkonflikt wiederfand, da sie ja eigentlich in ihrer eigenen
Klasse unterrichten musste. Die Arbeitsphase der Kinder am Computer vermittelte
114
den Eindruck, dass alles recht gut klappte. Es wurde als gut empfunden, dass es
doch gelungen war, eine unbeaufsichtigte Stunde zu beobachten. Die Atmosphäre
wurde als locker und nett gedeutet, was im Kontext der Organisation Schule
irgendwie zu überraschen schien. Aufgrund der Lehrerlosigkeit wurden viele
latente Konfliktsituationen gespürt, es kam aber nicht wirklich zu einem Konflikt.
Als mögliche Gründe wurde einerseits die fehlende Autorität angedacht, da es
keine Macht und daher auch keine Konsequenzen zu geben schien, oder aber war
andererseits das Medium, der Computer, zu stark präsent? Stand die Faszination
und Autorität des Computers im Vordergrund? Eine gewisse Vertrautheit der
Kinder mit dem Computer wurde empfunden, da sich vieles wie von selbst zu
organisieren schien. Die Kinder wurden in einen Wettstreit versetzt, eine
Konkurrenz im Rechnen wurde künstlich erzeugt. Das Messen mit anderen oder
das Fehlerprotokoll schien den Kindern eher egal zu sein. An dieser Stelle war der
Hinweis LAZARs sehr bezeichnend, die Hypothesen nur aus dem Material zu
bilden. In Bezug auf die erste Beobachtung fiel abschließend auf, dass ich wohl
beschrieben hatte, wie ich die Organisation betreten hatte, nicht aber, wie ich
wieder aus der Organisation hinaus gegangen war.
Allein diese Dokumentation der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem
Gedächtnisprotokoll der ersten Teilnehmenden Beobachtung zeigt, dass in ein und
demselben Datenmaterial so viel mehr stecken kann. Nun gilt es, auch die zweite
Teilnehmende Beobachtung nach derselben Vorgehensweise genauer zu
betrachten. Im ersten Schritt galt es zunächst wieder, basierend auf dem
Gedächtnisprotokoll
der
zweiten
Beobachtung,
die
grundsätzlichen
Gegenübertragungsgefühle aus der Gruppe zu dokumentieren. Zunächst wurde
diskutiert, wie man damit umgehen könne, wenn man als BeobachterIn Teil des
Systems wird. So stellte sich für das Plenum heraus, dass ich von der Organisation
bereits okkupiert wurde. In diesem Zusammenhang wurde die Bedeutung von
Feedback hervorgehoben. Die Entwicklung von der ersten zur zweiten
Beobachtung wurde als Lernprozess wahrgenommen. Man lerne immer dazu und
gewinne an Sicherheit. Ein besonders interessanter Aspekt wurde im Zuge dieser
zweiten Beobachtung bewusst: die Gesichter der Kinder wurden von mir gänzlich
115
ausgeblendet und gar nicht beschrieben. Ein Verlangen nach Menschlichkeit
zeichnete sich ab. Der Kontakt zu mir als Beobachterin wurde gesucht. Außerdem
wurde diese Schule am Tag meiner zweiten Beobachtung zusätzlich beobachtet
ein Fotograf war zu Besuch und es entstand eine Irritation, warum eine Mutter mit
Baby extra in die Schule kam, um mit ihren Kindern fotografiert zu werden. So
wurde mir im Zuge dieser ersten Phase klar, dass es für mich als Beobachterin
sehr wichtig ist, Distanz und Anonymität zum Beobachtungsobjekt zu wahren.
Im zweiten Schritt ging es ins Detail des Gedächtnisprotokolls unter
Miteinbeziehung der Beobachterin. Zunächst stand die Lehrerin der ersten und
zweiten Schulstufe im Fokus. Wir blieben einige Zeit an ihrer Person hängen. So
sah sie andere Fertigkeiten und Fähigkeiten wichtiger, als den Umgang mit dem
PC. Der PC wurde als Zeiträuber, eventuell auch als Berufsräuber empfunden.
Auch die Frage, ob allein dadurch, dass ich beobachtete, eine Aufwertung des PCs
in diesem System erfolgte, wurde diskutiert. Auffallend war die Erkenntnis, dass
die Gesichter und Körper der SchülerInnen nicht beschrieben wurden. So wurden
basierend auf dem Erfahrungslernen lediglich Kleidung und Frisuren im Zuge der
zweiten Beobachtung bewusst zu beschreiben versucht. Die Kinder ohne
Gesichter? Außerdem fiel auf, dass die Kinder am Computer arbeiten wollten und
die Unlust der Lehrerin sich nicht auf die Kinder übertrug. Die Lehrerin schien
nach der Empfindung aus dem Plenum keine Vorstellung von den Lernchancen
am Computer zu haben, die Schulung der Feinmotorik wurde angedacht. Für mich
als Beobachterin stellte sich die Frage, ob ich da bin, wo ich hingehöre. Ich
erkannte die Problematik des In-der-Rolle-Bleibens – was war mit mir passiert?
Wurde ich unbewusst vom System vereinnahmt? – Auch beim Niederschreiben
hatte ich diese Vorgänge nicht bewusst wahrgenommen. Es entstand ein Sog und
ich war nicht mehr in meiner Rolle als Beobachterin. Auch die Personifizierung
des PC wurde erneut thematisiert. Spannung, Angst und Frustration wurden
wahrgenommen, bis hin zur Flucht aufs Klo eines Kindes. Der Direktor wurde als
das Recht verkörpernd wahrgenommen. An dieser Stelle war der Hinweis, dass
dieses immer wieder auftretende „Was-wäre-Wenn“ nicht beobachtbar sei,
bestimmend. Im weiteren Diskussionsverlauf wurde festgestellt, dass die Geräte
116
eine starke Autorität bekamen und dass Verständnis gezeigt wurde, wenn das
Gerät nicht funktionierte, dies kompensiert wurde und die Schuld bei sich selbst
gesucht. „Die Maus ist okay, aber du Kind bist nicht okay, denn wenn du die
Maus fester angreifen würdest, dann funktioniert es eh.“ In diesem
Zusammenhang wurde der Direktor als ambivalent wahrgenommen, einerseits
sollten die Kinder die Maus fester angreifen, andererseits wies er aber darauf hin,
dass die Hände der Kinder zu klein seien. In der Folge wurde meine Einladung als
Beobachterin diskutiert, die Frage ob ich gezwungen wurde, die erste und zweite
Klasse im Umgang mit dem PC zu beobachten, tat sich auf. Die Hypothese, der
Direktor wolle den PC auch in ersten und zweiten Klasse vorantreiben und das
auch aufzeigen, wurde angedacht. Ich wurde als „Lieblingstochter“ gedeutet, die
den PC auch gutheißen solle; die Situation spitzte sich zu, als ich zur Mithilfe
gezwungen wurde. Es tat sich das Bild auf, dass die Interaktion über die Maus
liefe. Das unbemerkte Erscheinen des Direktors wurde als Druckausübung
gedeutet. Die mit teilweise selbstbemalten Hüllen bedeckten Computer wurden als
ein gutes Bild nach außen interpretiert. Ein gewisses „Etwas-sich-zu-eigenMachen“ kam auf. Auch wurde an dieser Stelle bemerkt, dass der Direktor von
den SchülerInnen als
Lehrer angesehen
wird. Wieder schwenkte die
Wahrnehmung der Gruppe auf die Situation, als ein Kind aufgab und ich das als
Anlass nahm, um aktiv zu werden. Ich konnte nicht in meiner Rolle bleiben. Es
stellte sich die Frage, ob ich helfen musste. War ich als Forscherin das, was sonst
fehlt? War da eine Sehnsucht nach Menschlichkeit? Die Hypothese tat sich auf,
ich sei etwas, was die Schule braucht. Ich sei da, empfänglich und nicht vom
System, fürsorglich und mütterlich. „Wo gehe ich als Forscherin hin? Warum?“,
die Motivation des Direktors, mich beobachten zu lassen, wurde diskutiert; die
Frage tat sich auf, ob der Direktor vielleicht einmal abgelehnt worden war, wollte
man etwas aufdecken, der Begriff des „Plagiatsjägersyndrom“ wurde in den Raum
geworfen – oder war es einfach Interesse? Der Direktor erschien stolz, das
persönliche Engagement aber auch Ambivalenzen wurden bemerkt. Zur
Rollenzuschreibung Theaterpädagogin versus Forscherin wurde mir bewusst, dass
es ungleich schwieriger war, keine zugeteilte Rolle zu verkörpern, sondern als
Forschungsinstrument im Raum der Ungewissheit zu agieren. Die kollektiven
117
Gegenübertragungen aus der Gruppe mussten erst einmal bewusst werden. Zum
Wettstreit am Computer, dem Konkurrenzverhalten wurde einerseits „Oh Gott, oh
Gott!“ Bestürzung geäußert und andererseits der Hinweis „Klappt doch, oder?“.
Die Verabschiedung von einem Mädchen wurde zum Diskussionsinhalt und der
Körperkontakt sorgte für Irritationen im Plenum. Die Beziehung zu diesem Kind
wurde hinterfragt. Dieses Mädchen brauchte etwas und die Beobachterin wurde in
etwas hineinprojiziert. Die Diskussion schloss mit der spannenden Bemerkung,
dass die Beobachterin etwas gesehen habe, was nicht gesehen wurde.
In einem weiteren Treffen in einer kleinen Gruppe (drei KollegInnen) versuchte
ich, diese stichwortartigen Protokolle der Gruppendiskussionen nochmals zu
konferieren.
Zunächst zum Diskussionsprozess der Gruppe:
In der Gruppe ließen sich unterschiedliche Prozesse beobachten. Einerseits
schienen alle TeilnehmerInnen durch das Biographiethema Schule involviert zu
sein, andererseits schien sich das System Schule in der Gruppe widerzuspiegeln,
da die Gegenübertragungsgefühle der Gruppe meines Erachtens eher kognitiven
Ursprungs waren. Die Vielfalt der Assoziationen und die Auffälligkeit, dass nach
meinem Empfinden nur wenige emotionale Gegenübertragungen aus dem Bauch
heraus erfolgten und auch, dass die Diskussionen eher rational und von
Interpretationen geleitet zu sein schienen, kann einerseits auf die Größe der
Gruppe (über 20 KollegInnen aus unterschiedlichsten wissenschaftlichen
Disziplinen) und andererseits auf die Tatsache, dass wir eher ungeübt in der
Anwendung dieser Methode waren, zurückzuführen sein. Es bestätigte sich für
mich, dass jede Diskussion von Gedächtnisprotokollen neue Perspektiven
eröffnet.
118
Zu meiner Rolle als Beobachterin:
Das Bewusstsein der eigenen Rolle als Forscherin, der eigene Zugang zum
System, die eigenen Erwartungen und Vorurteile flossen zweifelsohne in den
Beobachtungsprozess mit ein und es erfordert viel an Lernerfahrung und
Selbstdisziplin, um als Beobachtungsinstrument angemessen fungieren zu können.
Mein Interesse an der Beobachtung als Primäraufgabe wurde vertieft und ich
möchte mich auf diesem Gebiet weiterentwickeln.
Zusammenfassend
deklarierten
sich
folgende
Hypothesen
dieses
Auswertungsprozesses:
-
Das System Schule muss funktionieren – so oder so –, latente
Konfliktsituationen eskalieren nicht, weil einerseits keine Autorität
vorhanden oder andererseits der Computer als Autorität zu präsent ist.
-
Ein Lehrermangel wird kompensiert bzw. nicht wahrgenommen, die
Beobachterin wird als Objekt wahrgenommen, das sonst fehlt – eine
Sehnsucht nach Menschlichkeit wird empfunden, die Person der
Beobachterin als etwas, das die Schule braucht. Sie ist da, empfänglich,
nicht vom System – fürsorglich, mütterlich? Sie sieht Dinge, die vom
System nicht gesehen werden, wird sofort in etwas hineinprojiziert.
-
Eine Skepsis seitens der Lehrerin gegenüber dem Medium Computer wird
ausgeklammert, in den Hintergrund gestellt. So wird das Empfinden des
Computers als Zeiträuber und die vordergründige Bedeutung von anderen
Fähigkeiten durch den Direktor, einem Lehrer mit persönlichem
Engagement, umwoben von Ambivalenzen und Geltungsdrang, überdeckt.
-
Auffällig im Umgang mit dem Computer ist die Spontaneität der Sprache:

Man redet, als ob man selbst das Gerät sei – Identifikation mit
Computer.
119

Verständnisvolle Sprache – man spricht in der dritten Person über
das Gerät, der PC wird zur Person – Personifizierung des
Computers.

-
Man redet direkt mit dem PC – direkte Anrede des Computers.
Befindlichkeiten der Kinder scheinen durch die Präsenz des Computers
nicht wahrgenommen zu werden oder im kognitiven System Schule wenig
Platz zu haben. Geräte besitzen eine derartige Autorität, dass bei
Problemen die Schuld bei Kindern gesucht wird.
Warum habe ich nun diesen langatmigen Prozess der Auswertung meiner
Gedächtnisprotokolle so detailliert dargestellt? Diese Methode betreffend halte ich
die Dokumentation der persönlichen Lernerfahrungen für unabdingbar. So sind
für mich die Veränderungen meiner Person als Forschungsinstrument zwischen
erster und zweiter Beobachtung äußerst markant und die Wahrnehmung der
Beobachtung als Lernprozess bzw. als Erfahrungslernen wurde erlebt. Das genaue
Hinschauen auf lebendige Objekte und das Nachdenken als zentrale Elemente der
Beobachtung zu begreifen und die Entstehung des Menschlichen – von toten bis
zu lebendigen Objekten – wirklich wahrzunehmen, erfordert eine gewisse
Bewusstseinserweiterung. Aber auch sich zu erlauben, dass man etwas nicht weiß,
ja den Luxus, etwas nicht wissen zu dürfen, zuzugeben, soll einen Platz in der
Forschungsdokumentation haben und so die Angst vor dem Versagen nehmen.
Nach den Beobachtungen aus meiner Perspektive sollen im Folgenden
Zeichnungen meiner kindlichen ForschungspartnerInnen Diskussionsraum finden,
da diese meines Erachtens ihre Sichtweise und ihre Lebenswelt beschreiben und
als Bestandteil dieser Forschung angesehen werden.
Wer Bilder macht, legt die Welt aus, die Welt, in der er handelt,
er legt sein Verhältnis zu der Welt aus, in der er lebt.
Seine Welt ist die psychische Welt, die soziale Welt,
die kulturelle Welt, die gesellschaftliche Welt.
Seine Welt ist die Gegenwart, die er erfährt
und die Vergangenheit, die ihn einholt.
GUNTER UND MARIA OTTO
120
6.2 KINDERZEICHNUNGEN ALS BESTANDTEIL DER FORSCHUNG
Alles was das Kind sagt, wenn man ihm eine Zeichnung zeigt,
kann ein Hinweis auf seine Einstellung, sein Denken und Fühlen sein.
JOSEPF DI LEO
Abbildung 6.1: Präsentation der Zeichnungen der ForschungspartnerInnen VS II
Nicht nur das Betrachten von Zeichnungen, auch das Zeichnen selbst bietet viele
Möglichkeiten, um sich mit unterschiedlichsten Themen auseinanderzusetzen.
Warum nun meine Intention, Zeichnungen als Teil dieser Forschung miteinfließen
zu lassen? In meiner Tätigkeit als Theaterpädagogin wurde ich immer wieder mit
Zeichnungen von SchülerInnen bei Abschluss des Projektes (Mein Körper gehört
mir) belohnt. Auf diesem Wege bekam ich gewisser maßen die Sichtweisen der
Kinder gespiegelt. Wie sehen sie die Rollen, in die wir schlüpfen? Wie
interpretieren sie die Geschichten und Szenen? Was ist ihnen wichtig? Viele
spannende Erkenntnisse wurden uns auf diesem Wege mitgegeben. Diese
Erfahrungen veranlassten mich, Kinderzeichnungen als ein Element meiner
Forschung zu wählen. Einerseits war es mein Ziel, Kinder-Ansichten zu erfassen,
andererseits wollte ich auf diesem Wege die Gruppen-Interviewsituation
angenehmer gestalten. Kinderzeichnungen werden in dieser Arbeit als ein Mittel,
um Kontakt zum Kind herzustellen, verstanden, aber auch als möglicher Ausdruck
121
seiner Persönlichkeitsmerkmale und Wahrnehmungsfähigkeiten. (Vgl. u.a.
WINNICOTT 1973) Die Absicht einer Kombination von Gruppeninterview und
gleichzeitigem Zeichnen begründet sich im Angebot unterschiedlicher Ausdrucksund Gestaltungsmöglichkeiten und der gemeinsamen Reflexion der Zeichnungen
im Zuge des Interviews. Die Zeichnungen sollen in der Be- und Verarbeitung der
in der Interviewsituation aufkommenden Themen unterstützend wirken und im
Zuge der Rückkoppelungsveranstaltung erneut thematisiert werden können, um
auf diesem Wege Kommunikation zu fördern.
Alle kindlichen InterviewpartnerInnen wurden im Zuge des Gruppeninterviews
angeregt, auf ein vorbereites Blatt ihre beliebtesten Freizeitaktivitäten zu
zeichnen. Im weiteren Interviewverlauf wurden sie gebeten, auf ein anderes Blatt
zu zeichnen, was sie gerne am Computer machen. Da die Deutung von
Kinderzeichnungen immer ein im Wesentlichen subjektives Verfahren darstellt,
sind die Interpretationen im Folgenden nicht unfehlbar, sondern sollen als
Denkanstoß dienen. An dieser Stelle muss auch festgehalten werden, dass
lediglich von den Eltern der fünf ForschungspartnerInnen der VS II (fünf
SchülerInnen der 4. Klasse) eine Einverständniserklärung für die Verwendung der
Zeichnungen in der Dissertation unterschrieben zurück erhalten wurde und somit
die Zeichnungen der ForschungspartnerInnen VS I lediglich beschreibend im
Zuge des Rückkoppelungsprozesses in die Auswertung miteinfließen.
JOSEPH DILEO (1992: 61) hat sich mit der Deutung von Kinderzeichnungen
auseinandergesetzt und ist davon überzeugt, dass jede Zeichnung die
Persönlichkeit desjenigen widerspiegelt, der sie gemacht hat; dass sie affektive
ebenso wie kognitive Aspekte der Persönlichkeit ausdrückt; dass sie im Falle von
Kleinkindern mehr über den Künstler als über den dargestellten Gegenstand sagt;
und dass der Ansatz des Untersuchenden notwendigerweise sowohl intuitiv als
auch analytisch sein muss.
122
Die Entwicklung des Zeichnens betrachtend, befinden sich, basierend auf den
kognitiven Entwicklungsphasen nach JEAN PIAGET, die Sieben- bis 12-Jährigen
demnach in der Phase des visuellen Realismus, das bedeutet unter anderem:
-
Die Subjektivität nimmt ab.
-
Die SchülerInnen zeichnen, was tatsächlich da ist.
-
In der Regel ist keine Röntgen-Technik (Transparenzen) mehr anzutreffen.
-
Die menschlichen Figuren sind realistischer, proportionierter.
-
Ebenso sind die Farben realistischer.
-
Die SchülerInnen unterscheiden die rechte von der linken Seite der
gezeichneten Figur.
-
Die Kognition betreffend befinden sich die ForschungspartnerInnen in der
Phase konkreter Operationen.
-
Sie denken logisch und werden nicht mehr von unmittelbaren
Wahrnehmungen beherrscht.
-
Das Konzept der Umkehrbarkeit konstatiert sich: Gleiche Dinge bleiben
gleich, auch wenn sich ihre Erscheinung verändert haben mag. (Vgl.
DILEO 1992: 43)
Es kann nicht Ziel dieser Arbeit sein, die Zeichnungen der SchülerInnen zu
studieren, aber sie sollen in Verbindung mit Zitaten aus der Interviewsituation
Momentaufnahmen der Sichtweise der Kinder widerspiegeln und so diese Arbeit
bereichern.
Auf die Frage „Was mache ich gerne in meiner Freizeit“, haben die Kinder
folgende fünf Zeichnungen gemalt:
123
Abbildung 6.2: Was mache ich gerne in meiner Freizeit?
Diese Abbildung betrachtend, bestätigen sich die in aktuellen Studien
angegebenen Freizeitaktivitäten. So zählten auch für meine ForschungspartnerInnen das Spielen im Freien und das Musizieren sowie das Spielen mit
Freunden, verschiedene Sportaktivitäten, aber auch Fernsehen und Computeroder X-Box-Spielen zu beliebten Freizeitaktivitäten.
Ein
Auszug
aus
der
im
Anhang
Gruppeninterviews42
soll
die
oben
befindlichen
abgebildeten
Transkription
Zeichnungen
des
meiner
ForschungspartnerInnen durch ihre Worte vervollständigen und so ihre Sichtweise
ein Stück weiter offenlegen:
42
Anonymisierungscode S-GIV 4: 2 f.
124
S1: Kann ich da nehmen Gitarre spielen?
IV: Ja, klar und ihr könnt es auch zeichnen so wie ihr wollt. Ihr könnt
es zeichnen in Farbe oder ohne Farbe genauso wie ihr wollt. Ich
schütte die verschiedenen Stifte einfach mal raus und ihr könnt dann
nehmen was ihr braucht.
S3: Kann ich auch mehrere auch?
S4: Ich muss als erster einmal eine Person malen.
S5: Ich mach halt nur Strichmankaln.
IV: Ja sicher. Macht das ganz so wie ihr wollt. S1 du tust gerne
Gitarre spielen. Ja? Das hab ich auch gelernt in meiner
Volksschulzeit.
S1: Ich spiel schon über ein Jahr.
IV: Wow, dann kannst du es ja schon richtig gut? Was tust denn sonst
noch gern?
S1: Also, was tu ich sonst noch, hmm, also, roller skaten, ja und im
Sommer sehr gern schwimmen und ah (Pause) im Winter tu ich gern
eislaufen.
IV: Und du, was machst du gerne in deiner Freizeit S2?
S2: Also, ich fahr also gerne Roller Skates, und äh, i geh gern schwimmen,
und ah ab und zu spiel ich einfach draußen ein bisschen, ah Fußball oder
so.
IV: Aha, also einfach draußen spielen, aha, und du S5, was machst du
so gerne in deiner Freizeit?
S5: Ich, ich spiel gern Fußball, und ich tu gern Bäume kraxeln, ähm
schwimmen tu ich auch gern und äh, und ich spiel auch mal Playstation
und ich treff mich gern mit Freunden und so und unternehmen was mit.
IV: Ja supa, also mit Freunden was unternehmen, ja, und S4, was
machst du so gerne?
S4: Ähm, also ich tu gern Keyboard, also Klavier spielen, ähm, das spiel
ich auch schon seit drei Jahren und, und und und, dann geh ich gern
Rollerbladen und dann gern wandern, und Schifahren, und und und
125
eislaufen im Winter, Scooterfahren und Radfahren und ähm ja mit meinem
Bruder spiel ich auch ganz gern.
IV: Aha, mhm supa, und die S3, was machst du so gerne?
S3: Ich tu auch gern Gitarre spielen, aber ich hab gerade erst angefangen
und, und dann tu ich noch gern wandern, schwimmen, hmm, mit meinem
Hund spielen, mhm.
IV: Ah, hast du einen Hund? Wie heißt er denn?
S3: Lola. Und halt mit alle meinen Haustieren tu ich gern spielen. Und im
Garten bei meiner Oma.
IV: Ah hast du mehrere Haustiere?
S3: Ja, vier Fische, einen Hund, einen Hamster und meine Oma hat ein
paar Katzen. Ähm und dann tu ich noch gern bei meiner Oma im Garten
spielen.
S1: Trampolin hüpfen.
IV: Ja, hast du eines?
S1: Nein, aber mein Cousin, und da bin ich jedes Wochenende. (S-GIV 4:
2 f.)
Ich halte an dieser Stelle fest, dass ich mich bewusst dafür entschieden habe, der
Sprache meiner ForschungspartnerInnen in dieser Arbeit Raum zu geben, da ich
der Meinung bin, dass nur auf diesem Wege ihre Sichtweise auch erfahren werden
kann. Es war für mich erkenntnisreich zu beobachten, dass ich als Forscherin
durch die Kombination von Zeichnungen und der dazu gesprochenen Worte
meiner ForschungspartnerInnen ihre Welt ein Stück weit kennenlernen durfte. Ich
habe für mich erkannt, dass das Betrachten der Zeichnungen immer in
Verbindung mit dem Gruppeninterview bedeutsam war.
Die
experimentelle
Herangehensweise
im
Zuge
dieses
Interventions-
forschungsprojektes, mit Kindern im Rahmen eines Gruppeninterviews auch zu
zeichnen, hat sich vor meinem individuellen Erfahrungshorizont als sehr hilfreich
herausgestellt.
126
Neben den Freizeitaktivitäten waren für mich vor allen Dingen die Vorlieben der
Kinder am PC und im Umgang mit dem WWW interessant. Auf die Frage „Was
mache ich gerne am PC“ wurden folgende Zeichnungen von den Kindern
angefertigt:
Abbildung 6.3: Was mache ich gerne am PC?
Wie aus der Abbildung oben ersichtlich wird, wurde in drei von fünf Fällen der
Computer groß gezeichnet und alle möglichen Nutzungen am gezeichneten PCBildschirm beschrieben oder gezeichnet. Die Tastatur erscheint mir in der
Wahrnehmung der Kinder groß und stellt ein wichtiges Werkzeug für die
127
Bedienung des Computers dar. Auch die Maus wurde in allen Fällen dargestellt.
Einmal wurden viele kleine Computer gezeichnet. Interessant erscheint auch, dass
ein Mädchen auch sich selbst neben vielen kleinen PCs auf der Zeichnung
dargestellt hat. Bei einer Schülerin stand das Erleben im Vordergrund, der
Computer wurde lediglich klein abgebildet und die Anwendung, ein Spiel, das das
Mädchen sehr gerne spielt, wurde gezeichnet. Zu sehen sind verkleidete Figuren
auf einem roten Teppich. Das selbständige Gestalten dieser Outfits scheint für die
Schülerin von besonderer Bedeutung.
Ein Transkriptionsauszug zu den oben abgebildeten Zeichnungen aus dem im
Anhang befindlichen Gruppeninterview43 soll wiederum die Sichtweise meiner
ForschungspartnerInnen untermauern:
IV:
So, jetzt wäre es schön, wenn ihr abschließend noch eure
Zeichnung beschreiben könntet. Wer mag anfangen?
S3: Ich fange an.
IV: Gut, super, dann redet jetzt nur S3, okay.
S3: Also, ich bin gerne im Spele, weil man da sehr viele Spiele spielen
kann. Dann habe ich ein sehr lustiges Spiel, Schi Challenge. Da geht es um
Schi fahren und so. Dann im Powerpoint tu ich sehr gerne arbeiten, was
ma wir leider nicht daheim haben, aber wir kriegen es bald. Dann Paint,
weil ich da, weil man da so gut zeichnen kann und alles.
IV: Tust du jetzt lieber am Computer zeichnen oder so lieber am
Blatt?
S3: So lieber am Blatt, weil da kann man halt mehr selbst. Und
RollerCoaster Tycoon 2, das ist, ja das hab ich ja schon erklärt mit dem
Park, das ist sehr lustig, dann SIMS 2 Haustiere, dann über Word.
IV: Aha, schreiben tust du auch gerne.
S3: Ja, dann SIMS 2 Vier Jahreszeiten, über das haben wir auch schon
geredet. Bubble Struggle, ja, ähm, da muss man so Blasen hin machen und
dann noch Chatten, manchmal und im Internet gern sein.
43
Anonymisierungscode S-GIV 4: 34 ff.
128
IV: Jawohl, super. Okay. Von wem ist diese Zeichnung?
S4: Also ich bin gerne im Internet, dann im Paint, weil da tu ich gerne
malen, Powerpoint tu ich auch gern, mit meinem Bruder so Präsentationen
machen, Zoo Tycoon spiel ich ganz gern, Bubble Struggle, mit die Blasen,
BSR, also Black Sheep Rally spiel ich ganz gern, mit die Schafe und SIMS
2 Haustiere, habe ich auch, das ist so ganz lustig, da geht SIMS so, nur mit
Haustiere. Simpsons Hit and Run, das ist ähm, von die Simpsons, von der
Fernsehsendung, da muss man so Missionen erfüllen und so, also mit
Rennen fahren und so, ganz lustig. Ähm, ORF Schi Challenge spiel ich
ganz gern, mit dem Schi fahren und in Word tu ich gerne schreiben ähm
und dann tu ich noch ganz gern chatten.
IV: Aha, und hast du da eine spezielle Seite, wo du da chattest?
S4: Also ich bin im ICQ, also da muss man sich halt anmelden.
IV: Okay, super, also und die nächste Zeichnung ist von S1. Bitte sehr.
S1: Also ich bin gerne im Paint, da tu ich immer so malen und alles so
was. Dann spiel ich gerne Icy Tower, Icy Tower, dann spiel ich Zoo
Tycoon, ähm, dann tu ich meistens chatten, ich mag da Knuddels. Ja ähm
und im Google, da tu ich halt eingeben die Sachen. (Lachen) Für den MP3
Player die Anschlüsse, also da, und ein Referat machen oder was auch
immer, dann hab ich irgend so ein Spiel wo man so mit dem Fußball spielt,
so ähm so Tore schießen und dann SIMS 2 Die Lebensgeschichte, das ist
da. Das ist ein Spiel, das ist so ein Labyrinth und so.
(Lachen und Unruhe)
IV: Super danke. Bitte jeder hat jetzt seine Zeit. Die anderen sollten
leise sein. Also S5, das ist deine Zeichnung.
S5: Ich tu halt gern im Spelle spielen, oder Paint. In Paint tu ich gern,
Powerpoint tu ich auch sehr gern, oder www.miniclip, da gibt's
verschiedene Spiele, dann geh ich halt gern unter Google oder im Internet,
oder Stronghold oder Autofahren halt, irgendwas, oder Kartenspiele, oder,
oder Stardoll, das ist auch gut. Ja, so.
IV: Super danke, so und jetzt bitte S2, jetzt darfst du uns deine
Zeichnung erklären.
129
S2: Okay, ich spiele gerne, also mein Lieblingsspiel ist Wildlife Park, also
ich find das einfach super, weil bei mir kriegen als erstes nur die
Schildkröten Babys, nur bei mir und ähm und die Pinguine, ihre Babys
sind so nackt (lacht) ja wirklich.
S5: Aha, ja, okay, passt.
S2: Und also wenn ich, also wenn so ein schlechtes Wetter ist, da in der
Schule, dürfen wir immer da zum Computer. Und ähm ich gehe ganz gern
unter Stardoll. Also unter Nick auch gerne und meistens, ganz selten unter
Toggo.
S5: Und gehst du auch unter Clever Club?
S2: Nein.
IV: Und hast du chatten auch schon ausprobiert?
S2: Nein, nein, und ich probier es auch nie aus.
S4: Das sagst du jetzt leider.
S3: Sagen ist leichter als tun.
(Lachen)
S2: Unter Disney Channel geh ich auch gern, Disney Channel, das ist auch
gut. Also da drüben gibt es sehr viele Filme, die zeigen sie da, lalala, und
äh.
IV: Ma, habt ihr jetzt Pause? Möchtet ihr eine Pause machen?
S4: Nein, das ist eh viel besser.
S3: Das ist so lustig.
S5: Können wir noch ein Erlebnis oder so erzählen? Etwas grusliges oder
so?
IV: Genau. Das ist ein guter Abschluss. Jeder darf noch ein Erlebnis
erzählen.
S1: Also mir ist passiert, dass ich da im Internet irgendetwas Falsches
eingegeben habe, und nachher bin ich halt in diese Sexhotline eine, aus
Versehen. (leise) Und da bin ich nicht mehr hinaus gekommen. Und ich
habe die ganze Zeit da gedrückt und gedrückt und es ist nicht gegangen
und dann hab ich einfach den Stecker heraus gezogen und bin neu hoch
gefahren.
130
S3: Also, ähm, bei mir war das auch, in der, in der Schule ja, da haben die
Buben, Ding gemacht, also sie wollten auch nicht unter dieser (Pause)
Sexhotline gehen (lachen im Hintergrund), also die Frauen haben sich halt
da so ausgezogen, die hat da keine Unterhose angehabt und keinen BH und
nichts. Also die wollten das ja nicht.
S4: Also ich habe kein schiaches Erlebnis, ich habe ein blödes, also ich
war da einmal im Google drin. Dann habe ich von einer Band Bilder
angeschaut. Und dann habe ich ein Bild von der Fergie anschauen wollen
und dann, dann war auf einmal eine Homepage von ihr und dann bin ich
da eingestiegen, da ist irgendwas von, weil da ist alles englisch halt
gestanden, habe ich nichts verstanden, habe ich irgendwas angeklickt, wo
gestanden ist, don't hill klick, oder so irgendwas, also meine Mama hat mir
das dann gesagt, dass da gestanden ist, nicht anklicken, ga, dann habe ich
halt hinauf geklickt (Lachen im Hintergrund) und dann ist da immer so
gestanden, wie heißt du und halt so eine Fragen, aber halt auf Englisch und
dann ähm und dann bin ich, dann habe ich immer auf das ähm aussteigen
geklickt und dann ist aber, dann bin ich aber nie hinausgekommen, es ist
immer weiter und weiter gegangen, und dann zum Glück habe ich
irgendwie, ich weiß nicht, irgendwie bin ich dann da ausgestiegen und ich
war dann so froh, dass ich da raus gekommen bin.
IV: Mhm, ja.
S2: Darf ich jetzt.
IV: Ja.
S2: Ähm, also ich war, wollte gerade ein Spiel öffnen und das hat dann so
lang gedauert und nachher ist auf einmal ah, so ah, irgend so ein Zeichen
gekommen, da ist gestanden, ähm, willst du rausfinden wie alt du wirst,
ga, und dann hab ich gerade Doppelklick gedrückt, wo ähm genau wo ich
das anklicken wollte das Spiel, und auf einmal ist das da gekommen und
ich hab gedrückt, nein, jetzt will ich aber sofort raus, und aber ich bin nicht
rausgekommen und da hab ich sofort den Computer ausgeschalten, weil da
hättest sofort was anklicken müssen und dann absenden und dann hätten
sie dir was zurückgeschickt. Aber da zahlst ja voll viel sicher.
131
IV: Mhm, ja.
S2: Ja und mein Bruder hat einmal ähm das Internet hat er so viel runter
hat er so viel runtergeladen, dass wir dann über das Internet so viel gezahlt
haben, und dann hat er 28 Euro oder was zahlen müssen, weil es zu viel
war.
IV: Aha, ja. Ja.
S2: Das war dann auch blöd.
IV: Mhm, ja.
S5: Ähm, ich erzähle ein blödes Erlebnis, ga. Ich, ich wollte einmal über
die Falken was schauen, ga und da ist dann gestanden, Falken Reifen zu
verkaufen. (Lachen aus dem Hintergrund) Ich wollte eigentlich über die
Vogelart Falken was wissen, und da kommt dann Falken Reifen.
IV: Ja die Autoreifenmarke, es ist nicht immer so leicht die richtige
Information zu finden. Das kenne ich auch. So dann sage ich danke
ihr Lieben und ich freu mich schon auf die Rückkoppelung, dann
komme ich nochmal zu euch. (S-GIV 4: 33 ff.)
Dieser
Auszug
aus
der
Transkription
des
Gruppeninterviews
meiner
ForschungspartnerInnen ergänzt einerseits die Eindrücke, die durch das
Betrachten der Zeichnungen entstehen können und zeigt andererseits auf, dass es
für Kinder sehr wichtig sein kann, über Erlebtes im WWW zu sprechen. Dass sie
nach einer Stunde Gruppeninterview immer noch das Bedürfnis hatten, mir noch
etwas zu erzählen, deutet für mich auf eine gelungene Methodenwahl hin. Es
erscheint mir wichtig, die Beschreibungen meiner kindlichen ForschungspartnerInnen an dieser Stelle zu dokumentieren, da sie meines Erachtens ihre
Perspektive verdeutlichen und einen Problemaufriss ermöglichen, der in Kapitel
sieben Diskussionsraum findet.
Die Zeichnungen meiner ForschungspartnerInnen hatten in weiterer Folge vor
allen Dingen im Zuge der Rückkoppelung eine besondere Bedeutung, da sie von
den Kindern erneut betrachtet wurden und so wiederum zu einer Reflexion
anregten (siehe hierzu Kapitel 7).
132
Nach diesen kurzen Auszügen aus dem Gruppeninterview mit SchülerInnen der
Volksschule II erscheint es mir nun wichtig, auch auf die komplexe Struktur einer
Interviewauswertung im Team einzugehen.
Die Dokumentation einer Teamklausur auf Basis der Transkriptionsunterlagen
eines Interviews mit einer Volksschullehrerin und fünffachen Mutter soll Einblick
in die Gestaltung dieses Prozesses geben.
6.3 DOKUMENTATION EINER INTERVIEWAUSWERTUNG
Wenn gedacht nicht gesagt und gesagt nicht gehört ist,
wenn gehört nicht verstanden und verstanden nicht einverstanden ist,
wie gestaltet sich dann die Auswertung eines Interviews?44
Diesem Gedanken folgend erscheint ein Interview unzählige Geheimnisse in sich
zu bergen. Einerseits stecken diese Geheimnisse im interessanten Prozess der
Interviewführung und andererseits in der Anhäufung von Buchstaben, die dann als
Transkription vor dem Auswertungsteam liegen. Nicht nur das Führen der
Interviews erforderte eine hohes Maß an Konzentration und eine gewisse
Fähigkeit, sich auf den Interviewpartner/die Interviewpartnerin einzulassen, auch
die Interpretation der erhobenen Daten muss sorgfältig und unter Einbeziehung
von Forschungsteams erfolgen, um so die Gefahr des Tunnelblicks zu minimieren.
Wie bin ich in meinem Forschungsverlauf vorgegangen? Die Auswertung der
Interviews erfolgte zunächst individuell. Nach eingehendem Lesen der
Transkriptionen wurden relevante Stellen markiert und ein erster Themenkatalog
erarbeitet. Hierbei wurde auf die Nachvollziehbarkeit, aufkommende Irritationen,
verspürte Emotionalität und schließlich auf entstehende Bilder und Hypothesen
geachtet. Anschließend wurden Zitate und Inhalte anhand der eruierten Themen
zusammengestellt. Neben der Auflistung der Zitate „Was wurde in den Interviews
44
In Anlehnung an KONRAD LORENZ (1903-1989), österreichischer Verhaltensforscher und
Nobelpreisträger.
133
gesagt?“ wurde auch der Frage nachgegangen, was über alle Interviews hinaus
beobachtet
und
als
Gemeinsamkeiten
und
interessant
empfunden
Widersprüche
wurden
werden
sichtbar?
konnte.
Im
Welche
Sinne
der
Interventionsforschung war es grundlegend, Außensichten zur Auswertung und
Interpretation der Interviews einzuholen und zu vergemeinschaften. Um die
Komplexität des Auswertungsprozesses zu dokumentieren, soll die Auswertung
eines Interviews als Fallbeispiel im Detail dargestellt werden, wobei auch mein
Erleben
dieses
Prozesses
als
wichtiger
Aspekt
des
Erfahrungslernens
dokumentiert wird.
An dieser Stelle gilt es zu argumentieren, warum in dieser reflexiven Darstellung
des Interviewauswertungsprozesses bewusst darauf verzichtet wird, sich in der
Darstellung auf eine Ebene (inhaltliche, prozessorientierte und reflexive Ebene)
zu beschränken: Ich halte die Verbindung der prozessualen, der inhaltlichen und
der reflexiven Ebene für notwendig, um das Entstehen eines Gesamtbildes zu
ermöglichen und so einen Einblick in diesen Teilbereich der Forschung zu geben.
Das Auswertungsteam bestand in diesem konkreten Beispiel aus zwei Kollegen
aus den Bereichen der Psychologie und der Pädagogik45 und meiner Person,
wobei ich neben der Rolle der Interviewführerin auch als Moderatorin fungierte.
Außerdem wurde diese Teamklausur von einer nicht am Auswertungsprozess
beteiligten Person beobachtet und die Erkenntnisse im Anschluss an das Team
rückgemeldet.
Die
Transkription
und
somit
Vorlage
für
diesen
Auswertungsprozess war das Interview mit dem Anonymisierungscode L 2.
Dieses ist im Anhang zu finden. Es handelt sich bei der Interviewpartnerin (IVP)
um eine langjährige Lehrerin und fünffache Mutter. Das Interview wurde am 26.
April 2007 um 15:30 Uhr in Kärnten/ländlicher Raum von mir persönlich
durchgeführt. Die Kollegen hatten dieses Interview vorab erhalten und individuell
ausgewertet. Die Kollegen hatten die Transkription gelesen, relevante Stellen
45
An dieser Stelle bedanke ich mich bei DR. JAN SEMMLER. Außerdem widme ich dieses Kapitel
dem verstorbenen Kollegen MAG. WOLFGANG JANSCHE, der mich in diesem Prozess so hilfreich
unterstützt hat.
134
markiert, eventuell einen ersten Themenkatalog erarbeitet beziehungsweise eine
Zusammenstellung wesentlicher Zitate anhand der Inhalte vorbereitet.
In einer ersten Runde tauschten wir die Ergebnisse der Einzelauswertungen aus.
Dieser Austausch sollte zunächst ohne Diskussion erfolgen. Lediglich
Verständnisfragen waren erlaubt.
Zur inhaltlichen Ebene:
Die Ergebnisse der Einzelauswertung des Kollegen aus der Psychologie kann wie
folgt zusammengefasst werden: Ihm erschien das Interview thematisch klar und er
fühlte sich durch seine eigenen Erlebnisse in der Schule mit der Thematik
verbunden. Die persönlichen Meinungen und Gefühle der interviewten Person
(IVP) erschienen ihm sehr präsent, wenngleich er eine gewisse eingeschränkte
Wahrnehmung zur Thematik Internet versus verlorene Menschlichkeit bemerkte.
Für ihn waren Ängste vor sozialer Kälte, Isolation und dem Verlust der echten
Kommunikation sowie eine gewisse Überforderung der IVP spürbar. Die IVP
schien hilflos der gesellschaftlichen Entwicklung ausgeliefert. Der IVP mochte
diese Abwehrhaltung bewusst sein, sie wirkte auf ihn aber unsicher und suchend.
Das TV und das Internet wurden von ihr gleich gesetzt und diese undifferenzierte
Betrachtungsweise deutete der Kollege als Ausdruck der Hilflosigkeit. Auch
bemerkte er, dass Werte und Menschlichkeit einen hohen Stellenwert für die IVP
haben. Für ihn waren viel Emotion, eine große Herausforderung an die Erziehung,
und der Wunsch, Kinder weniger sich selbst zu überlassen, spürbar. „Man beginnt
bei den Kindern und endet immer bei sich selbst.“46
Für den Kollegen aus dem Bereich Pädagogik war Wehmut nach „der guten alten
Zeit“ und eine gewisse Unzufriedenheit mit dem, was heute ist, spürbar. Er war
über die starke Kategorisierung der IVP verärgert. Sie teile die Schüler nach ihrer
Herkunft ein, einerseits die vom oberen Berg stammenden, die sie als lebendige
und intelligente Kinder beschreibt, und andererseits die von herunten
46
Zitat meines Kollegen DR. JAN SEMMLER. Auszug aus meinem Forschungstagebuch: Protokoll
der Teamklausur.
135
stammenden, die sie als laut etikettiert. Der Kollege sprach von starken
Differenzierungen durch die IVP im Bezug auf die SchülerInnen. Die persönliche
Meinung der IVP von Medien kam für ihn stark durch und auch dass sie diese
Entwicklungen als durch die Gesellschaft hereingebracht ansah. Die Ursachen für
Probleme würden von der IVP immer außen gesehen. Der Kollege bemerkte, dass
die IVP den PC-Unterricht kritisch sehe und Programme und technische Mängel
stark erwähne, aber nicht auf den pädagogischen Wert des PC einginge. Die IVP
behandle Probleme mit Disziplin, eine Montessori-Ausbildung sei vorhanden,
aber der Kollege fragte sich, warum diese nicht umgesetzt wurde; und wieder
seien es die Schüler von außen, die etwas ändern müssten. Für ihn ist eine starke
Verbindung zu den eigenen Kindern spürbar, aber auch die Frage, wo der
Ehemann sei, drängte sich ihm auf. Abschließend bemerkte er noch, dass der
Direktor eher blass erscheine.
Meine Ergebnisse der Einzelauswertung hatte ich in folgenden Hypothesen
zusammengefasst. Die Lehrerin trat als absolute Gegnerin von TV, Handy und PC
in Erscheinung. Eine gewisse Angst vor dem Verlust der Menschlichkeit war
spürbar. Das In-Sich-Gehen gehe verloren. Der Druck der Gesellschaft, um
konkurrenzfähig zu bleiben, sowie der Kostenfaktor der technischen Neuerungen
schienen für die IVP wichtig zu sein. Es kam in den Augen der IVP zu einer
Veränderung der Kinder über die letzten Jahrzehnte, so müsse körperliche
Bewegung gefördert und die Wahrnehmung der Natur und des eigenen Körpers
wieder fokussiert werden. Die IVP wirkte auf mich stellenweise resignierend und
schien dem WWW gegenüber eher negativ eingestellt.
Kurze reflexive Bemerkung zum Prozessverlauf der ersten Runde:
Diese erste Auswertungsrunde habe ich als Forscherin als angenehm empfunden
und war sehr dankbar für die Gedanken meiner Kollegen. Besonders spannend
war es für mich, einen ehemaligen Lehrer in der Auswertungsgruppe zu haben.
Ich musste mir aber dennoch eingestehen, dass ich bereits an dieser Stelle mit
meiner Doppelrolle (Moderatorin und Auswertungsmitglied, das das Interview
geführt und in gewisser Weise eine Expertenrolle innezuhaben schien) zu
136
kämpfen hatte. Einerseits wollte ich sämtliche Inputs meiner Kollegen mit
notieren, war aber dadurch in meiner Aufnahmefähigkeit und Konzentration
ständig hin und her gerissen – in mir herrschte eine gewisse Angst, etwas
Wesentliches nicht angemessen zu erfassen. Ich fühlte mich wie in einer
Schulsituation. Andererseits veranschaulichten mir diese Außensichten, wie viel
Potential ein einziges Interview haben kann und dass diese unterschiedlichen
Blickwinkel meiner Kollegen für mich als Forscherin bedeutungsvoll sein
konnten, um zu lernen und nicht in meinem Vorurteilsdenken unbewusst zu
verharren. Eines habe ich an dieser Stelle erfahren: Forschung braucht Praxis.
In der zweiten Runde dieser Teamklausur ging es darum, Hauptlinien, wie etwa
Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der Einzelauswertungen, grundsätzliche
Logiken, wichtige Themen, Widersprüche oder Spannungsfelder, zu entdecken
und festzumachen:
An dieser Stelle schien das Auswertungsteam die strukturierte Vorgehensweise
aus den Augen zu verlieren. Es wurden viele Gedanken und Empfindungen
geäußert, aber der eigentliche Auftrag, Hauptlinien zu konstatieren, konnte nur
sehr mühsam umgesetzt werden. Es wurde die Themenvielfalt beklagt und von
einer „Diffusion in der Gruppe“ gesprochen, wobei mir die Bedeutung dieses
Wortes unklar erscheint. Zum einen war die Diskussion durch Verwirrung
bestimmt, zum anderen könnte aber auch von Dissonanz die Rede gewesen sein,
da auf mich ein unharmonischer Klang, eine gewisse Missstimmung spürbar war.
Es fiel den Kollegen nach eigenen Aussagen schwer, die IVP auf den Punkt zu
bringen. Außerdem wurde im Zuge dieser Auswertungsrunde bemerkt, dass es
den Mitgliedern des Auswertungsteams schwer falle, eigene Erfahrungen und
Erkenntnisse zu dieser Thematik auszublenden und den Fokus wirklich auf das
vorhandene Forschungsmaterial, das transkribierte Interview, zu richten. So
flossen Assoziationen aus den Diskussionen der Gedächtnisprotokolle meiner
Teilnehmenden Beobachtungen in diese Interviewauswertung mit ein. Ich will
dennoch versuchen, nach den im Arbeitsauftrag dieser Teamklausur vorgegebenen
Hauptlinien Zuordnungen zu treffen.
137
Was waren die Gemeinsamkeiten beziehungsweise. die Unterschiede unserer
Einzelauswertungen?
Während einerseits die undifferenzierte Betrachtungsweise der Technik, diese
„Glocke über allen Medien“, und eine spürbare Schwarz-Weiß-Malerei bemerkt
wurden, schienen andererseits Ängste und Ablehnung gegenüber dieser
technisierten
Kindheit
und
der
Mediengesellschaft
im
Allgemeinen
vorherrschend. Die IVP erschien sehr präsent und auch ihre Erfahrungen als
Lehrerin wurden nicht angezweifelt. Wohl aber wurde empfunden, dass sie eine
Lehrerin für Schwache sei, vor der die Kinder keine Angst hätten, die aber wenig
Energie hätte, selbst etwas in die Hand zu nehmen und eher hilflos und unsicher
wirke. Sie delegiere viel und suche die Verantwortlichen immer außen.
Lassen sich grundsätzliche Logiken bzw. wichtige Themen herauskristallisieren?
Die Veränderungen der Gesellschaft seien für die IVP ein wichtiges Thema, das
gleichzeitig als bedrohlich und mit Bedauern über diese Entwicklungen
wahrgenommen wurde. Sie fühle sich überrannt von der Wirtschaft, das
Misstrauen gegenüber den Banken, Paranoia, steuernde Instanz, George Orwell
wurden diskutiert.
Welche Widersprüche und Spannungsfelder lassen sich konstatieren?
Die unterschiedliche Zuteilung der SchülerInnen nach ihrer Herkunft (Stadt
versus Land; Berg versus Tal) schien in einem Kollegen ein Spannungsfeld
aufzumachen. Auch trat die Frage auf, was geschehe, wenn eine LehrerIn den PC
in der Schule anwenden muss? Welche Auswirkungen kann das auf die
SchülerInnen haben? Die Ablehnung und gleichzeitig der Auftrag, mit Medien zu
arbeiten, wurde als ein Widerspruch gesehen, der Stress erzeugen kann. Auch die
Frage, was denn eigentlich mit den Kindern passiere, trat auf. Es erschien einem
Kollegen, dass es der IVP schwer falle sich einzugestehen, dass es doch passen
kann. Die grundsätzlichen Logiken von Glück und Unglück wurden thematisiert.
Außerdem wurde in diesem Zusammenhang über Autonomie und das
Selbstbestimmungsrecht der Kinder diskutiert. Auch kamen wir auf ein TV-
138
Verbot als Beispiel für Fremdbestimmtheit zu sprechen. Der Kollege aus der
Psychologie stellte folgendes mentales Bild zur Verfügung: Wenn jemand Drogen
konsumiert, beispielsweise Heroin spritzt, ist es schon zu spät!
Was kommt vor? Was fehlt mir/uns?
Von den Kollegen wurde bemerkt, dass der Computer lediglich an zwei Stellen
positiv erwähnt werde und ein Nachhaken der Interviewerin an jenen Stellen, wo
positiv gesprochen wird, fehle. Die Schilderung einer konkreten Situation von
Kindern am PC oder im Umgang mit dem Internet komme nicht vor. Es kamen
die Fragen auf: Wie sieht der kollegiale Austausch innerhalb der Schule aus? Gibt
es ein didaktisches Konzept, eine Methode zum Einsatz des PC? Wenn nein,
warum gibt es keines/keine? Ist dies so aufgrund mangelnder Akzeptanz vonseiten
der IVP? Handelt es sich hierbei um ein didaktisches Anti-Konzept?
Auch stellte sich die Frage, ob etwas, das nicht von allen getragen werde, auch
nicht funktionieren könne. Sei eine gewisse Abwehrhaltung für die Schule nicht
typisch? Die geringe Einflussmöglichkeit auf das Internet wurde thematisiert.
Einerseits sei ersichtlich, dass dem Schulleiter PCs wichtig seien, andererseits sei
der Schulleiter gar nicht vorhanden. Außerdem wurde von meinen Kollegen
festgestellt, dass wir wenig darüber erfahren würden, wie Kinder im Umgang mit
dem WWW sind. Lediglich allgemeine Aussagen würden getätigt. Es wurde von
meinen Kollegen wenig Bezug auf den PC und Kinder in der Schule gefunden, die
IVP sei eher auf sich bezogen. Die Wertediskussion stehe im Vordergrund und die
Befindlichkeiten gegenüber den Eltern schienen der IVP wichtiger, als über
Kinder zu sprechen. Mir als Interviewerin wurde angeraten, die eigene Stellung
und Position zu reflektieren und der Frage nachzugehen: Was macht das Thema
Internet & Kinder mit mir?
Kurze zusammenfassende Bemerkung zur zweiten Runde:
Was einerseits das Positive an einer Teamklausur ist, nämlich eine größere
Vielfalt an Überlegungen und differenzierte Sichtweisen zu erlangen, bringt
andererseits einen beachtlichen Mehraufwand an Selektionsarbeit mit sich; so
139
wurde mir in dieser zweiten Auswertungsrunde bewusst, dass ich nicht nur mit
meiner Doppelrolle (Moderatorin und Auswertungsteammitglied) zu kämpfen
hatte, sondern dass auch die Selektion und eine angemessene Wiedergabe – sprich
eine wissenschaftliche Aufbereitung dieser zweiten Runde – eine gewisse
Herausforderung für mich darstellten, da ich ständig Sorge trug, die Gedanken
meiner Kollegen falsch wiederzugeben. Aus heutiger Sicht der Dinge wünschte
ich, ich hätte diese Teamklausur auf Tonband aufgezeichnet und transkribiert –
eine Erkenntnis, die ich gerne weitergeben möchte.
Ziel der dritten Runde war es, erste Kategorien und Hypothesen zu erstellen.
Diese sind im Folgenden zusammengefasst aufgelistet:
-
Man beginnt bei den Kindern und endet immer bei sich. Erwachsene reden
eher über sich, nicht über die Erlebenswelt der Kinder.
-
Nostalgie – eine gewisse Sehnsucht nach der guten alten Zeit, der eigenen
Kindheit ist zu spüren.
-
Es ist aufgefallen, dass die individuellen Bilder und Werte der
Erwachsenen einerseits sehr wohl Kinder prägen und beeinflussen und
andererseits auf den Umgang der Kinder mit dem Computer und dem
Internet transformiert werden. Der Verzehrfaktor durch die eigene
Sichtweise der Erwachsenen muss als wesentlicher Aspekt mitgedacht
werden.
-
Werte über den Zugang zum Computer und zum Internet werden nicht in
der Schule vermittelt.
-
Verbote durch Schulleiter bezüglich des Internets werden übertreten und
SchülerInnen brechen bewusst Tabus. Die Allmacht der Schulleitung wird
in Frage gestellt.
-
Die Logiken Gut versus Böse lassen sich erkennen und die Frage: Was
darf ich und was darf ich nicht, wurde gestellt.
-
Was bedeutet es für LehrerInnen oder das System Schule, wenn
LehrerInnen etwas weitergeben müssen, das nicht ihrer Werthaltung
entspricht?
140
Kurze zusammenfassende Bemerkung zur dritten Runde und Tipps meiner
Kollegen zu meiner Situation als Interviewerin:
Grundsätzlich war diese Runde von Verwirrung geprägt und die ersten Kategorien
und Hypothesen ließen sich nur schwer erfassen. Der Fokus war in weiterer Folge
wiederum auf meine Funktion als Interviewerin gerichtet. Von den Kollegen
wurde mir geraten, eine andere Einstiegsfrage zu wählen: Was glauben Sie, was
Ihr Kind erlebt, wenn es am Computer spielt, arbeitet oder im Internet surft?
Können Sie sich in Ihr Kind hineinversetzen? Können Sie Gefahren und Chancen
für Kinder im Umgang mit dem WWW beschreiben? Was brauchen die Kinder
am Computer in der Volksschule? Es kam die Diskussion auf, warum an den
zögerlich kommenden positiven Stellen nicht nachgefragt und generell wenig
nachgehakt wurde. Der Fokus von mir als Forscherin wurde in Frage gestellt und
meine emotionale Verbundenheit mit der Sichtweise der IVP, die Distanz-NäheProblematik und das Problem, in der Rolle des Forschers/der Forscherin zu
bleiben, wurden besprochen. Meine Kollegen diskutierten, wie leicht es sei, durch
Verstärker wie beispielsweise „Mhm“, das Interview zu lenken und der Hinweis,
sich das Forschungsinteresse bewusst vor Augen zu führen wurde wiederholt
angesprochen. Der Fokus war nicht mehr auf die IVP gerichtet und in mir
drängten sich folgende zentrale Fragen zum Prozessverlauf auf:
-
Was hat diese Verwirrung im Auswertungsteam ausgelöst?
-
Warum ist der Gruppenprozess/die Teamklausur so verlaufen?
Meines Erachtens war ein Problem dieser Auswertungsrunde, dass zu wenig am
Material gearbeitet wurde. Einen wesentlicher Teil der Diskussionen waren die
Fragen nach dem, was nicht gefragt und gesagt wurde. Auch fiel mir immer
wieder auf, dass die zwei Teilnehmenden Beobachtungen, die ich in dieser
Volksschule
durchgeführt
hatte,
die
jedoch
im
Kontext
dieser
Interviewauswertung keine Relevanz haben sollten, von meinen Kollegen nur
schwer, ausgeblendet werden konnten. Ich lernte daraus, dass man Erfahrungen
nicht, oder nur schwer ausblenden kann. Es wäre aber wichtig, zunächst nur am
141
Material zu bleiben und das demonstriert für mich auch ganz gut die Problematik,
sich als Forscher vorbehaltlos auf einen Forschungsprozess einlassen zu können.
Erste Versuche, Hypothesen aus dieser Teamklausur zu manifestieren, waren:
Erwachsene sprechen über sich und die eigene Erfahrungswelt und
weniger über die Erlebniswelt der Kinder.
Es ist eine gewisse Nostalgie, eine Sehnsucht nach der guten alten Zeit im
Erleben der erwachsenen Generation zu spüren.
In der vierten Runde war abschließend die Rückmeldung der Forscherin
vorgesehen:
Für mich war der Prozess sehr anstrengend und ich fühlte mich zwischendurch
gewissermaßen hilflos. Trotzdem bin ich sehr dankbar für die Anregungen meiner
Kollegen und war ständig bemüht, alles Gesagte mitzunotieren. Dadurch fiel es
mir merklich schwer, mitzudenken und konstruktiv an der Diskussion
teilzunehmen. Es war für mich eine Herausforderung, mich diesem Prozess zu
stellen und ich habe ihn als spannende Erfahrung erlebt.
Reflexion der persönlichen Lernerfahrungen im Rahmen der Teamklausur
Reflektierend betrachtet, spielen Spiegelphänomene in meinem Erleben dieser
Teamklausur eine gewisse Rolle. So wurde für mich ein gewisser Drang, alles
richtig machen zu wollen, spürbar. Ich fühlte mich zwischendurch unbehaglich,
geradezu zurückversetzt in eine Prüfungssituation im Realgymnasium, die mir in
meiner Schulzeit zu schaffen gemacht hatte. In eben so eine Situation fühlte ich
mich von meinen Kollegen zurückversetzt. Die Verwirrung in unserer Gruppe
könnte meines Erachtens die Hilflosigkeit der Lehrerin widerspiegeln oder aber
auch auf mangelnde Struktur zurückzuführen zu sein – wir sind es gewöhnt, in der
Schule klare Vorgaben zu erhalten. Auch der Fokus auf die Fragetechniken und
142
die Bemängelung, warum nicht mehr nachgehakt wurde, spiegelt für mich
gewissermaßen ein schulisch erwünschtes und korrektes Vorgehen wider. Meines
Erachtens haben die methodische Herangehensweise und der Interviewverlauf
letztendlich viel Raum eingenommen.
Zusammenfassend sei durch diese Dokumentation der Teamklausur die
Komplexität von Interviewauswertungen dargestellt. Ähnliche Verfahren wurden
mit Hilfe der DKI-KollegInnen im Zuge des DissertantInnenseminars47 sowie in
zusätzlichen Teamsitzungen angewandt, um für die insgesamt zehn Einzel- und
Gruppeninterviews Außensichten zu gewinnen.
Im nächsten Kapitel werden anhand der Dokumentation der Rückkoppelungen mit
den ForschungspartnerInnen VS I und VS II die Zwischenergebnisse
dokumentiert. Die Frage wird beantwortet: „Was wurde über alle Interviews
hinaus beobachtet und wo lassen sich Widersprüche deklarieren?“ Es wird
versucht, aus dem Datenkonglomerat ein Konstrukt zu erzeugen, das für sich
selbst spricht und die Lebenswelt der ForschungspartnerInnen widerspiegelt.
Basierend auf den Zwischenergebnissen fließen Hintergrundtheorien in adäquater
Form mit ein, um so Erkenntnisprozesse anzuregen.
Ich lerne in jedem Prozess etwas Neues.
Ich lerne am Besten im Tun.
47
An dieser Stelle bedanke ich mich bei MAG. ANDREA GRUBER, DR. DIETMAR RANFTLER, DR.
JAN SEMMLER sowie allen KollegInnen des DissertantInnenseminars von Frau UNIV.-PROF.
LARISSA KRAINER.
143
7 DOKUMENTATION DER RÜCKKOPPELUNGEN
Wissenschaft verstehe ich als ein Nehmen und Geben.
Die Rückkoppelungsveranstaltung im Sinne der Interventionsforschung ist ein
zentraler Bestandteil des Forschungsprozesses und wurde allgemein bereits in
Kapitel 4.2 thematisiert. Die im Vorfeld zu treffenden Entscheidungen wurden im
Zuge der prozessorientierten Betrachtung der Rückkoppelung (vgl. hierzu Kapitel
5.2.4) diskutiert. An dieser Stelle gilt es nun, die inhaltliche Ebene und den
tatsächlichen Verlauf der Rückkoppelungen zu dokumentieren. Der Hinweis
erscheint mir angebracht, dass die von mir präsentierten Zwischenergebnisse
immer nur Angebote meinerseits darstellten und diese der Überprüfung durch
meine ForschungspartnerInnen bedurften. Die Entscheidungen, was aufgegriffen
werden sollte beziehungsweise was ihrer Perspektive von Wirklichkeit
entspreche, sollte im Idealfall gemeinsam mit den ForschungspartnerInnen
getroffen werden.
Die Kunst, Nachdenklichkeit anzuregen und sich nicht zu sehr auf theoretische
Konstrukte zu konzentrieren, wird die Herausforderung der Rückkoppelung sein.
Entsprechend dem prozessethischen Verfahren soll im Zuge der Rückkoppelung
die Differenz zwischen Jung und Alt, die Aporie von Freiheit und Ordnung, und
das Thema von Bewahren und/oder Verändern
aufgezeigt, ein Prozess als
autonomes Verfahren initiiert und die Ergebnisoffenheit anerkannt werden. Es
geht weniger darum, Schuldzuweisungen Raum zu geben, als vielmehr eine
Ursachensuche für die notwendigen und sinnvollen Widersprüche auszuweisen
und diese sinnvoll auszubalancieren.
Im Folgenden werden die zwei unterschiedlichen Rückkoppelungsveranstaltungen
mit den ForschungspartnerInnen der VS I und der VS II sehr detailliert
beschrieben, um aufzuzeigen, wie dieser Prozess ablaufen kann und welche
Schwierigkeiten auftreten können. Meine Erfahrungen als Forscherin fließen in
diese dokumentarische Darstellung mit ein, da ich es als Bereicherung ansehe,
meine Gefühle und Gedanken in diese Dokumentation mit einfließen zu lassen.
144
Die Elemente der Rückkoppelung bestehen zunächst aus dem theoretischen Input
meinerseits, gefolgt von der Erarbeitung eines Keilrahmenbildes zur weiteren
Datenerhebung und enden schließlich in themenorientierten Rollenspielen als
theaterpädagogisches Experiment.
Ablauf der Rückkoppelungsveranstaltungen:
-
Im ersten Schritt wird kurz dargelegt, was Interventionsforschung
eigentlich ist.
-
Im zweiten Schritt werden die gewonnenen Daten beziehungsweise
Zwischenergebnisse präsentiert.
-
Im dritten Schritt wird mit den Kindern ein Keilrahmenbild
erarbeitet, um so die Eindrücke und Gedanken der Kinder
festhalten zu können und erfahrbar zu machen. (Für die Eltern
waren Murmelgruppen vorgesehen.)
-
Im vierten Schritt werden themenorientierte Rollenspiele als
theaterpädagogisches Experiment initiiert.
-
Eine Reflexion schließt die Rückkoppelungsveranstaltung.
7.1 DURCHFÜHRUNG DER RÜCKKOPPELUNG VS I
Die Entscheidung, alle Eltern zur Präsentation der Zwischenergebnisse
einzuladen, obwohl lediglich zwei Eltern und zwei PädagogInnen aktiv am
Forschungsprozess mitgewirkt haben und zu einem Interview bereit waren, wurde
im Zuge einer Teamsitzung der Auswertungsgruppe getroffen. Eine gemeinsame
Rückkoppelung
mit
den
unterschiedlichen
Generationen
wurde
als
erkenntnisreiches Experiment angedacht.
Da die Art und Weise, wie die Eltern eingeladen werden sollten, als wesentlich
erachtet wurde, halte ich die Darstellung dieser Einladung an dieser Stelle für
145
sinnvoll. Sie spiegelt die zahlreichen Entscheidungen im Zuge der Vorbereitungen
für die Rückkoppelung (siehe hierzu Kapitel 5.2.4) wider:
Einladung
zur Präsentation der Zwischenergebnisse
„Das WWW in der kindlichen Lebenswelt“
Liebe Eltern, liebe LehrerInnen, liebe Kinder!
(Entscheidung: Wen lade ich ein? An wen wird rückgemeldet?)
Ich möchte mich ganz herzlich für die Möglichkeit der Interviews bedanken und Sie zur
Präsentation der Zwischenergebnisse meiner Forschung einladen.
Wann:
letzte Schulwoche, am Mittwoch in der PC-Stunde
4. Juli 2007 um 10:35 Uhr
Wo:
in der Volksschule XY
PROGRAMM:
(Entscheidung: Ort, Zeitpunkt und Dauer)
(Entscheidung: Setting, Prozessverlauf und Inhalte)
Begrüßung und Einführung
Präsentation der vorläufigen Ergebnisse
-
Wie sehen Kinder ihre Lebenswelt?
Wie sehen Erwachsene die Lebenswelt ihrer Kinder?
Welche Einstellungen, Haltungen, Emotionen, Motive und Ängste spielen eine
Rolle?
Kindheit einst und jetzt
Chancen und Risiken des WWW
Diskussion und Ergänzung der Ergebnisse
Resümee
Ich freue mich auch Ihr/Euer Kommen!
Beste Grüße
Martina Zwantschko/Pucher
Abbildung 7.1: Einladung zur Präsentation der Zwischenergebnisse
146
Diese Einladung wurde vom Direktor eine Woche vor oben angeführtem Termin
an alle Kinder verteilt und für die Eltern mit nach Hause gegeben.
Zum Verlauf der Rückkoppelung:
Mit einer Kollegin48 als teilnehmende Beobachterin, die vor allen Dingen in der
zweiten Phase die Eltern in Murmelgruppen beobachten und ihnen bei Fragen zu
Seite stehen sollte, machte ich mich an einem Mittwoch auf den Weg – es regnete
in Strömen. Ich erwähne diese unwissenschaftliche Begebenheit aufgrund der
Tatsache, dass diese Volksschule im ländlichen Raum lag und die Vermutung
nahe lag, dass viele Eltern bei Regenwetter nicht am Bauernhof arbeiten müssten.
Auch war ich erfreut über die Tatsache, dass am selben Vormittag im Vorfeld die
Schulabschlussmesse stattfand, da ich außerdem vermutete, dass im ländlichen
Raum manche Eltern die Schulabschlussmesse besuchen würden. Ich war also
sehr motiviert und guter Dinge, dass auch einige Eltern Interesse für meine
Zwischenergebnisse aufzeigen würden. Meiner Doppelrolle als Präsentatorin und
Moderatorin war ich mir bewusst und der erste wesentliche Schritt vor Ort lag in
der Vorbereitung des Raumes bzw. der Umgebung. Die Rückkoppelung fand im
großen Musikraum der VS I statt. Es wurden Plakatwände mit den Zeichnungen
der Kinder an der Tafel angebracht. Auf der einen Seite die Zeichnungen mit dem
Thema „Was mache ich gerne in meiner Freizeit“, auf der anderen Seite die
Werke
der
Kinder
zum
Thema
„Ich
und
der
Computer“.
Als
Rückkoppelungssetting wurde zunächst ein Sesselkreis gewählt, wobei für die
Eltern ein äußerer Kreis angedacht war und diese somit zunächst die Rolle der
BeobachterInnen ihrer Kinder einnehmen sollten.
Zu Beginn der Rückkoppelungsveranstaltung kam der Direktor und zugleich
Klassenlehrer mit der Klasse in den Musikraum. Er teilte mir mit, dass sich die
Eltern entschuldigen ließen. Ich war enttäuscht, dass sich keine Eltern für diese
Rückkoppelung Zeit nehmen konnten. Zumindest mit den InterviewpartnerInnen
48
Ich bedanke mich bei TANJA ZWANTSCHKO, selbst Mutter von zwei Kindern und mit der
Thematik des Forschungsprojektes vertraut.
147
hatte ich gerechnet bzw. auf ihre Teilnahme gehofft. Die Enttäuschung
verdrängend, konzentrierte ich mich auf das Hier und Jetzt. Es waren an diesem
Tag zwölf Kinder in der Schule und ich startete die Rückkoppelung mit einer
kurzen Erklärung – was denn Interventionsforschung eigentlich sei. Wie habe ich
diese kindgerechte Definition formuliert? Ein gewagter Versuch:
„Interventionsforschung bedeutet für
mich eine Verbindung von
Wissenschaft und der Lebenswelt meiner ForschungspartnerInnen. Ich
darf von euch lernen und ihr könnt durch meine Gedanken (Vermutungen
oder wie wir das in der Wissenschaft nennen, durch meine Hypothesen)
vielleicht auch etwas dazu lernen – jeder für sich, von innen heraus.“
Zu Punkt eins der Einladung „Wie sehen Kinder ihre Lebenswelt“ bezog ich mich
zunächst auf die Galerie der Zeichnungen49 zum Thema Freizeitaktivitäten der
Kinder, die sie während der Gruppeninterviews gemalt hatten. Es wurde
ersichtlich, dass für die Buben vor allen Dingen Fußball eine beliebte
Freizeitbeschäftigung war (drei Zeichnungen mit Fußballspielern und einem Tor
aus der Totale), aber auch der Traktor und der landwirtschaftliche Alltag und die
Natur schienen für die Kinder wichtig zu sein. So hatte ein Bub einen Traktor und
drei Mädchen Aktivitäten im Freien gezeichnet, wobei sie den Computer explizit
durchgestrichen hatten. Verstecken spielen, Radfahren, Seilspringen und im
Regen draußen spielen wurde dargestellt. Auffällig war auch die große leuchtende
Sonne auf vier Zeichnungen. Ein Mädchen hatte ein Klavier gezeichnet und
ebenfalls den Computer durchgestrichen. Auf drei Zeichnungen hingegen wurde
eine komplette Computer-Hardware-Anlage gezeichnet, wobei zweimal der
Computer auf dem Schreibtisch zu sehen war und lediglich einmal zusätzlich zur
Computer-Hardware ein roter Eishockey-Schläger mit Puck auf der Zeichnung zu
sehen war. Der Computer scheint keinen vorrangigen Stellenwert in der Freizeit
zu haben, aber durchaus Bestandteil der Freizeitaktivitäten zu sein.
49
Ich hatte vorbereitete Einverständniserklärungen für die Eltern ausgedruckt, um von
anwesenden Eltern die Erlaubnis erhalten zu können, die Zeichnungen in meiner Dissertation
abzubilden. Da keine Eltern zur Präsentation erschienen waren und die Rückkoppelung in der
letzten Schulwoche stattfand, distanzierte ich mich von diesem Vorhaben.
148
Zu meiner Frage „Was mache ich gerne am Computer?“ bzw. „Ich und der
Computer“ hatten die Kinder wiederum Zeichnungen angefertigt, die ich an
dieser Stelle ebenfalls präsentierte: Ein Kind zeichnete ein Porträt von sich selbst
und davor die Tastatur des Computers. Viermal wurde die Computer-Hardware
inklusive Soundboxen und Drucker sehr detailliert auf einem Schreibtisch
gezeichnet, wobei groß Pferd, VSV, Auto-Spiel und ein Kampfspiel mit Kriegern
am Bildschirm abgebildet wurden. Mehr als die Hälfte der Kinder zeichneten den
Computer groß über das ganze Blatt und auf dem Bildschirm wurden
verschiedene Spiele dargestellt. Ein Windows-Media-Player, Auto-Spiele, ein
LKW-Spiel, ein Paint-Programm, Geschicklichkeitsspiele sowie eine TraktorenHomepage wurden gezeichnet. Nach einer kurzen Besprechung dieser Galerie
ihrer Zeichnungen konfrontierte ich die Kinder mit meinen Ergebnissen:
Ich vermute, für Kinder sind das WWW und der Umgang mit dem
Computer eine Selbstverständlichkeit, sie erscheinen mir neugierig,
experimentierfreudig und nicht immer vorsichtig. Mädchen scheinen
vorsichtiger und Buben eher von Gewaltspielen fasziniert. Auch das
Thema Sex hat, so vermute ich, wenngleich nach wie vor tabuisiert, eine
gewisse Faszination im kindlichen Erleben.
Folgende Zitate hatte ich auf einem Flip-Chart vorbereitet, um zu zeigen, wie die
Kinder das Internet beispielsweise beschrieben haben:
-
„Da [im Internet, Anm. d. Verf.] kann man halt so verschiedene Sachen
sehen, alles was ma, für das alles was man sich interessiert.“ (S-GIV 3: 4)
-
„Da kann man eine gehen WWW.“ (S-GIV 2: 3)
-
„WWW ich weiß nicht was, WWW irgendwas.“ (S-GIV 2: 3)
-
„Da kann man so etwas Aufregendes erleben.“ (S-GIV 1: 11)
-
„Im Internet, das bin ich drin, okay drinnen nicht, aber ich hab mir eine
eigene Seite gemacht.“ (S-GIV 2: 6)
149
Eine Auswahl an Zitaten zur Untermauerung meiner Hypothese hatte ich ebenfalls
vorbereitet:
-
„Das Lustigste ist, wenn meine Mama die Spiele wegschmeißt und
ich nachher wieder vom Papierkorb mir nachher wieder her
(unverständlich).“ (S-GIV 2: 16)
-
„Ah, ich tu immer so viel hinauf spielen [auf den PC; Anm. d.
Verf.], dass er hin wird.“ (S-GIV 1: 15)
-
„Da sind zwei Gegner und da musst halt deine Gegner, deinen
anderen Gegner mit Bomben, mit der Ding, mit der Luft Ding, alles
abschießen, Raketen alles vor dir.“ (S-GIV 2: 14)
Meine Gedanken zur Frage „Wie sehen Erwachsene die Lebenswelt ihrer
Kinder?“ wurde sehr kurz abgehandelt, da keine Eltern anwesend waren.
Erwachsene sahen die Lebenswelt ihrer Kinder vorrangig vor dem Hintergrund
ihrer persönlichen Lebenserfahrungen und sprachen wenig über die Erfahrungen
der Kinder. Auch die Thematik Kindheit einst und jetzt wurde nicht behandelt, da
keine Eltern an der Rückkoppelung teilnahmen. Die größte Herausforderung war
für mich das Einfließen-Lassen von adäquater Hintergrundtheorie und diese
sowohl für die Eltern als auch für die SchülerInnen angemessen zu präsentieren.
Ich hatte Angst, die Kinder mit meinen Gedanken zu überfordern, und gleichzeitig
das
Bedürfnis,
viele
meiner
Erkenntnisse
weiterzugeben;
eine
echte
Herausforderung, der ich mich im Kontext dieser Rückkoppelung leider nicht zur
Gänze
stellen
konnte,
da
das
Zusammenführen
der
unterschiedlichen
Generationen nicht gelang. Ich hatte folgenden theoretischen Input vorbereitet:
Die Prozessethik hat mir bewusst gemacht, dass wir, jeder einzelne von uns, als
Differenzwesen in eine Welt voller notwendiger Widersprüche hineingeboren
werden. Leben und Tod, jung und alt, Mädchen und Buben, das Individuum (du
oder ich) und die Gruppe (die Klasse), das sind wohl die grundlegendsten
Widersprüche. Schon als Kind haben die Eltern einerseits den Wunsch, die
Bedürfnisse der Kinder als das Höchste anzusehen, sie merken aber schnell, dass
auch Grenzen und Leistungsorientierung unbedingt notwendig sind. Jeder
150
Erwachsene war selbst einmal Kind und sieht sich konfrontiert mit einerseits
Freiheit und andererseits Ordnung. Die Auseinandersetzung mit Bewahren
und/oder Verändern steht an der Tagesordnung. Auch Konflikte und Streitigkeiten
stellen sich oft als notwendig dar. Wir können uns selbst immer wieder fragen:
Wollen wir es so, wie wir es uns eingerichtet haben? Und es erscheint ganz
wichtig, den anderen verstehen zu wollen und seine Sichtweise anzuerkennen.
Jeder lebt in seiner eigenen Welt, die aber die Welt seiner Mitmenschen braucht,
um als solche existieren zu können. Das Internet eröffnet uns die Welt und
gleichzeitig kann es uns einsam machen. Wie seht ihr eure Welt? Wie sehen Sie
die Welt ihrer Kinder?
Meine tatsächlichen Worte zu den Kindern waren folgende:
Weiß jemand von euch was Ethik bedeutet? Ich würde es mit „das Wollen,
das was ich will, in das Sein, also so wie es ist, hineintragen“ beschreiben.
Ich sehe den Menschen, jeden einzelnen von uns, dich und dich und mich,
als Differenzwesen, d.h. wir leben in einer Welt voller notwendiger
Widersprüche/Gegensätze. Leben und Tod, jung und alt, Mann und Frau,
der Einzelne (du oder ich) und die Gruppe (die Klassengemeinschaft) –
alles ist notwendig und gehört zum Leben dazu. Jeder braucht Freiheiten
und auch Grenzen, und besonders spannend finde ich, dass auch Konflikte
oftmals notwendig sind. Das gegenseitige Verstehen, warum der jeweils
andere anders denkt und handelt, kann uns helfen, miteinander gut
auszukommen. Was wollen wir uns bewahren? Was wollen wir verändern?
Auch das WWW eröffnet uns auf der einen Seite die Welt, kann aber auch
dazu führen, dass wir einsam vor dem PC sitzen und dabei nicht nur
schöne Sachen sehen und erleben. Das Internet ist etwas ganz
Selbstverständliches. Wozu also dieses Theater? Wie erlebt ihr euch im
Umgang mit dem Internet?
Im Zuge dieser Transkription kam in mir die Angst auf, versagt zu haben und
entgegen meiner Grundeinstellung, mich von der Zeigefingerwissenschaft zu
distanzieren, zu theoretisch und belehrend agiert zu haben. Diese Angst des
151
Versagens stellt für mich im Lernprozess einen Teil von Interventionsforschung
dar. Nach der Präsentation meiner hintergrundtheoretischen Gedanken war eine
Diskussion der Eltern in Murmelgruppen vorgesehen; diese musste leider
aufgrund mangelnder Teilnahme entfallen. Mit den Kindern wurde demgegenüber
ein vorbereitetes Keilrahmenbild zu folgenden Fragen erarbeitet:
-
Wie bist du zum WWW gekommen? Wer hat dir gezeigt, wie das
funktioniert?
-
Was gefällt dir/macht dir Spaß im WWW? Welche Internetadressen
kennst du?
-
Was gefällt dir nicht so gut/magst du gar nicht im WWW? Oder Bist du
schon auf Gewalt- oder Sexseiten gestoßen?
Ich platzierte das vorbereitete Keilrahmenbild, auf dem die drei Fragen
symbolisch dargestellt waren (ein Pfeil: wie bin ich dazu gekommen; ein
lachendes Smiley: was gefällt mir gut; ein trauriges Smiley: was missfällt mir) in
die Mitte des Sesselkreises. An alle Kinder wurden Kärtchen verteilt und sie
durften darauf ihre Antworten schreiben. Es entwickelte sich eine Dynamik in der
Gruppe und alle waren intensiv am Mitarbeiten. Der Direktor und zugleich
Klassenlehrer hielt sich während dieses Prozesses im Hintergrund. Die Abbildung
des Bildes soll diesen Prozess veranschaulichen und im Anschluss werden die von
den Kindern aufgeschriebenen Antworten aufgelistet, um die Lesbarkeit zu
gewährleisten. Es wurde bewusst darauf geachtet, die Schreibweise der Kinder zu
übernehmen und nicht zu korrigieren.
152
Das gestaltete Keilrahmenbild der ForschungspartnerInnen VS I:
Abbildung 7.2: Keilrahmenbild ForschungspartnerInnen VS I 50
50
Die Frage: Bist du schon auf Gewalt- oder Sexseiten gestoßen wurde nur mündlich gestellt und
ist nur für die Fotodokumentation an dieser Stelle angebracht und danach wieder entfernt worden.
153
Folgende Antworten, in der Schreibweise der Kinder, sind auf dem
Keilrahmenbild zu lesen:
Was gefällt mir im WWW?
-
Ich spiele gerne Spongbob.
-
www.Landtechnik.co.at
-
www.Jetztspielen.at
-
Spiele spielen, www.Nick.com, www.Landwirt.at
-
www.kartsohp.com
-
Musik hören, Spiele spielen
-
www.Landtechnig.co at www Spiele at
-
spielen, Pferde
-
Michael Katz, Sörfen, Spiele (GTI unleserlich)
-
Spiele.at, Nick.de, Fußball.at, [unleserlich]
-
www.Nick.de, Spiele, www.[unleserlich], VSV.de
-
Spielen, sörfen, Pferde
-
www.Nick.de [unleserlich]
Was mag ich nicht im WWW? Und die Frage wurde gestellt: Bist du schon
auf Gewalt oder Sexseiten gestoßen?
-
Ja ich war schon einmal bei sex seiten und es war lustig.
-
Flörten, Fotos, Nackte Frauen
-
Nein, langweilige Seiten, Gewalt
-
flörten, [unleserlich], nackte Frauen, Möpse
-
www.[unleserlich].at
-
NEIN
-
NEIN
-
ja oft
-
NEIN
-
[unleserlich] flörten
-
Ja
-
www.Tokiohotel.at
154
Zusätzlich wurden folgende Web-Adressen von den Kindern angeführt:
-
WWW.COMPUTER.AT
-
WWW.TRAKTOR.DE
-
WWW.VSV.DE
-
WWW.FUßBALL.AT
-
www.Nickcom
-
www.Landtechnik.co.at
-
WWW.Toggo.de
-
www.Landwirt.at
Vor dem Hintergrund „Das Wollen in das Sein hineinzutragen“ stellte ich im
Anschluss die Frage in den Raum, ob meine ForschungspartnerInnen Lust hätten,
Rollenspiele auszuprobieren. In Anlehnung an HILDEGARD PRUCKNERS (2001: 58)
Verständnis von Rollenspielen, wonach sich die spannendsten Rollenspiele dann
ergeben, wenn man den Kindern breitesten Raum für die eigene Entwicklung
eines Spieles gibt, d.h. nur einen Übertitel oder ein Stichwort zur Verfügung stellt,
um so mehr davon zu erfahren, was sie gerade bewegt, erklärte ich nur kurz die
von mir vorbereiteten Vorgaben.
„Die Frage ist, wollen wir es so, wie es ist? Oder, wie ist es in eurem
Erleben? Ich habe hier einen alten Laptop und Requisiten, diese können
Bestandteil des Rollenspiels sein. In welche Rollen würdet ihr gerne
schlüpfen?“
Es handelte sich gewissermaßen um ein themenorientiertes Rollenspiel, da zu
erwarten war, dass der Laptop einen gewissen Raum im Rollenspiel einnehmen
würde. Gemeinsam mit den Kindern wurde nach möglichen Rollen gesucht, die
ich auf der Tafel notierte. Folgende wurden genannt:
-
Kind und Geschwister
-
Mutter oder Vater
-
Oma oder Opa
155
-
FreundIn
-
NachbarIn
Ich hatte einfache Requisiten mitgebracht, wie beispielsweise eine Mütze, einen
Hut, ein Tuch, einen Schal, eine Jacke und eine bunte Weste. Die Begeisterung
der Kinder, in eine Rolle zu schlüpfen, war für mich eine Bestätigung meiner
Erfahrungen als Theaterpädagogin. Wichtig war auch der Hinweis, dass es in
diesem Rollenspiel kein Richtig oder Falsch geben sollte. Es wollte beinahe jedes
Kind einmal in eine Rolle schlüpfen, wobei die Rolle des Kindes, das am
Computer sitzt und mit dem Computer hantieren durfte, mit Abstand die
beliebteste war. Auffallend waren auch das Festklammern am Laptop und das
Wegreißen wollen. Auch wurde sehr deutlich, dass auch von Seiten der Kinder die
unterschiedlichen Sichtweisen (erwachsenzentrierte versus kindzentrierte) eine
Rolle zu spielen schienen. So war es meist das Kind, das der Oma zeigen wollte,
was man im Internet alles machen könne. Auch wurde immer wieder von der
Rolle der Mutter oder des Vaters betont, doch nicht die ganze Freizeit vor dem
Computer zu verbringen und besser raus zu gehen in die Natur. Es entstanden
immer wieder konfliktgeladene Situationen, in denen die unterschiedlichen Rollen
schwer zu einem Konsens fanden. An dieser Stelle griff der Klassenlehrer immer
wieder ein und forderte zu mehr Disziplin auf.
Exemplarische Transkription der vier erarbeiteten Rollenspiele51:
Erster Versuch:
Kind (sitzt freudig beim Laptop, beginnt zu spielen und am Laptop die
Tastatur zu bedienen): Tusch! Bäng! Tusch! Bäng!
Mutter (kommt): Wirst du jetzt nicht mal – geh einmal raus.
Kind: Nein.
Kleine Schwester (kommt): Mama darf ich bitte auch einmal spielen?
51
Zusatzinformationen werden zur leichteren Lesbarkeit kursiv geschrieben.
156
Mutter: Ja. Jetzt (zu älterem Kind) geh du einmal raus und lass die Kleine
einmal spielen.
Kind: Nein. Tusch! Bäng! Tusch! Bäng!
Oma (kommt): Jetzt hör einmal auf zum Computer-Spielen. Gä. Jetzt hörst
aber sofort auf. Früher hat‟s das noch nicht gegeben. Da wird einem ja
ganz schlecht. Gä.
Nachbarin (kommt): Hallo. Kann ich einmal deinen Computer, ich muss
über die Bank etwas überweisen. Kann ich einmal ins Internet?
Kind: Tusch! Bäng! Tusch! Bäng!
Mutter: Geh einmal weg. Die Nachbarin möchte etwas überweisen.
Kind: Nein. Tusch! Bäng! Tusch! Bäng!
(Publikum lacht)
Es begann das Suchen nach einer Lösung und der angedrohte Hausarrest von
Seiten der Mutter wurde vom Kind mit Freude angenommen, da es das als cool
empfand. Dann könne es ja Computer spielen. Darauf folgte ein Computerverbot,
das vom Kind ignoriert wurde und es begann ein Handgemenge um den Laptop.
An dieser Stelle wurde die Szene gestoppt.
Wir diskutierten diese Entwicklungen, wobei für die Kinder eindeutig die Freude
am Rollenspiel im Vordergrund stand. Der Konflikt in diesem Rollenspiel war für
sie nebensächlich. Meine ForschungspartnerInnen wollten unbedingt einen
weiteren Versuch unternehmen. Wieder fanden sich rasch AkteurInnen, die sich
selbständig mit den Requisiten ausstatteten.
Zweiter Versuch:
Bub sitzt am Laptop und spielt wiederum ein Kriegsspiel.
Bub: Nänän. Pusch! Nänän. Pusch! (Der Vater kommt)
Vater: Jetzt geh einmal weg da. (Akteure raufen sich um den Laptop.) Geh
hinaus. Schleich dich raus.
Zweites Kind (kommt): Jetzt lass mich einmal spielen.
157
Oma kommt: Jetzt hörst aber einmal auf zum Spielen jetzt. Jetzt schalt
einmal den Scheiß Krempel [Ramsch, Plunder; Anm. d. Verf.] ab. (Kinder
lachen)
In diesem Rollenspiel schien es unmöglich, ohne körperliche Handgreiflichkeiten
das Problem zu lösen. Mein Hinweis, eine Lösung zu suchen, ohne den Laptop zu
berühren, fand keine Umsetzung und der Klassenlehrer unterbrach die Szene mit
dem Hinweis, dass man so das Problem nicht lösen könne. Wir starteten einen
dritten Versuch und ich äußerte zu Beginn die Anleitung, doch eine Lösung ohne
Handgemenge zu finden.
Dritter Versuch:
Kind (sitzt am Computer): Stirb, Nudel, stirb! Ja, stirb.
(Publikum lacht)
Mutter (kommt): Du, jetzt wirst du aber einmal hinaus gehen, ga?
Bub: Ma, nein.
Mutter: Sonst hast du Computerverbot, eine Woche lang.
Bub: Ist mir egal.
Schwester: Ich mag bitte auch einmal am Computer spielen.
Mutter (versucht ihrem Bub den Computer wegzunehmen): Jetzt gehst du
raus.
(Bub weint. Reißt den Laptop wieder an sich.)
Oma (versucht ebenfalls, den Buben vom Laptop wegzubekommen): Was
tust denn du da? Wir gehen jetzt raus.
Der Einwurf des Klassenlehrers, dass die Oma etwas netter sein müsse, wurde von
dem Jungen der sie spielte, mit einem Raunzen angenommen. Das Kind weigerte
sich hinaus zu gehen und die Mutter resignierte und sagte, dass es dann eben hier
sitzen bleiben solle. Die Nachbarin kam noch vorbei und führte ihre
Überweisungen durch. Der Bub blieb weinend am Schreibtisch ohne Laptop
sitzen. Die Szene endete wiederum ohne Aufarbeitung des Konfliktes. Ich war
überrascht von dem nach meinem Empfinden enormen Konfliktpotential und
158
musste meine Erwartungen bezüglich einer Lösungsorientierung reduzieren.
Wichtig war an dieser Stelle vor allen Dingen, dass die Kinder mit Freude am
Rollenspiel teilnahmen. Auf Drängen der ForschungspartnerInnen wurde ein
vierter Versuch unternommen.
Vierter Versuch:
Bub spielt am Computer ein Autospiel, was sich durch die quietschenden
Geräusche äußerte. Mutter kommt.
Mutter: Du, Servus Kind, geh jetzt einmal weg von dem Krempel.
Bub: Nein, das ist meiner, nicht deiner.
Mutter: Geh doch einmal raus.
Bub: Nein, will ich nicht.
Mutter: Geh einmal raus, draußen gibt es ein Eis für dich.
Bub: Will ich aber nicht.
Mutter: Was willst denn haben?
(Oma und Opa kommen.)
Oma: Jetzt gehen wir einmal raus. In den alten Zeiten hat‟s das noch nicht
gegeben.
Opa: Jetzt gehst einmal mit raus.
Bub (zu Oma und Opa): Bla bla bla bla, bla bla bla bla.
Wieder endete die Szene in einem „Ringen um den Laptop“, auch das
Computerverbot, das in dieser Szene von der Oma eingefordert und von der
Mutter ausgesprochen wurde, blieb wiederum unbeachtet. Der Konflikt zwischen
den Generationen stand für mich aus der Perspektive der Kinder sehr im
Vordergrund. Ich war aber sehr angetan von diesem, in meinem Erleben sehr
aktiven Prozess. Die Kinder schienen richtig Freude daran zu haben in andere
Rollen zu schlüpfen. Und es schien für sie auch nicht problematisch, in die Rollen
der in diesen Szenen resignierenden Erwachsenen zu schlüpfen. Aufgrund der
voranschreitenden Zeit war es abschließend wichtig, die Erfahrungen zu
reflektieren. Wir fragten uns: Möchte ich noch etwas zum Rollenspiel sagen? Wie
erging es mir in den verschiedenen Rollen? Die Kinder hatten Spaß. Es herrschte
159
eine sehr positive und ausgelassene Stimmung und eine Faszination von Laptop
und Internet war zu spüren. Das gestaltete Keilrahmenbild wurde im
Computerraum aufgehängt und bleibt so in der Wahrnehmung meiner
ForschungpartnerInnen erhalten.
In mir taten sich neue Fragen auf: Was hat diese Rückkoppelung in meinen
ForschungspartnerInnen ausgelöst? Was wird ihnen bleiben? Und was hat diese
Rückkoppelung in mir ausgelöst? Was hat sich in mir verändert? In einer
Rückkoppelung kann sich immer noch etwas verändern, dies zu dokumentieren,
halte ich für äußerst wertvoll. Für mich hat sich meine Sichtweise erweitert und
die Mitarbeit der Kinder hat mich überrascht. Auch die Darstellung der Konflikte
zwischen den unterschiedlichen Rollen und der selbstverständliche Umgang damit
haben mich etwas irritiert. Ich musste im Zuge dieser theaterpädagogischen
Versuche meine Lösungsorientierung sehr zurücknehmen und wirklich die Kinder
als meine ForschungspartnerInnen agieren lassen. Der Weg abseits von
Belehrungen hin zu partizipativen Auseinandersetzungen mit Kindern scheint mir
eine besondere Herausforderung zu sein. Auch die Enttäuschung, dass es mir
nicht gelungen war, die Generationen zusammenzuführen, war für mich zu
Beginn zwar sehr intensiv, aber ich lernte, dies zu akzeptieren und als Teil meiner
Forschung anzunehmen. Wenngleich ich mir eine Forschung nach der Forschung
gewünscht hätte, musste ich für mich erkennen, dass irgendwann Schluss ist –
Forschung ist endlich!
7.2 DURCHFÜHRUNG DER RÜCKKOPPELUNG VS II
Zum vereinbarten Termin im Juni 2007 fuhr ich um 7:30 Uhr in die Volksschule
meiner
ForschungspartnerInnen.
Die
Klassenlehrerin
konnte
an
der
Rückkoppelung nicht durchgehend teilnehmen, da sie parallel die übrigen
SchülerInnen betreuen musste. Sie stellte uns den Aufenthaltsraum vor der Klasse
zur Verfügung und die fünf ForschungspartnerInnen setzten sich im Halbkreis um
160
mich herum. Zunächst versuchte ich, mit einfachen und kindgerechten Worten zu
erklären, was Interventionsforschung ist und verwendete folgende Erklärung:
„Interventionsforschung ist für mich eine Verbindung von Wissenschaft
und eurer Lebenswelt. Ich darf von euch lernen und ihr könnt durch meine
Gedanken und Vermutungen, oder wie wir das in der Wissenschaft nennen,
durch meine Hypothesen, vielleicht auch etwas gewinnen – jeder für sich,
von innen heraus.“
Zur Reflexion ihrer Lebenswelt präsentierte ich zunächst die Zeichnungen der
SchülerInnen und wir diskutierten
erneut
über ihre
Lebenswelt, ihre
Freizeitbeschäftigungen und ihren Umgang mit dem Computer. (Vgl. hierzu auch
Kapitel 6.2)
Abbildung 7.3: Zeichnungen der ForschungspartnerInnen VS II
Auf Basis der Auswertung des Gruppeninterviews und des Einzelinterviews mit
der Lehrerin präsentierte ich meine Zwischenergebnisse:
-
Die ForschungspartnerInnen gehen ganz selbstverständlich mit dem
Computer und dem Internet um und lernen sehr schnell.
161
-
Das Arbeiten und Spielen am PC wird überwiegend als lustig und positiv
erlebt, wenngleich dies durchaus mit Anstrengung oder auch Verärgerung
oder Angst im kindlichen Erleben verbunden sein kann.
-
Das Thema Sex scheint als negative Erfahrung bereits einen gewissen
Raum im kindlichen Erleben einzunehmen.
Folgende Zitate hatte ich zur Untermauerung meiner Zwischenergebnisse
ausgedruckt, wobei ich aus Zeitgründen nicht alle vorlas:
-
„(…) wenn die kommen zu mir jetzt in der Dritten sind die perfekt, also die
die wissen, die können alles googeln, also meine sind Meister im Googeln,
(…) also es ist der Umgang mit dem eine Selbstverständlichkeit so wie ich
einen CD Player einschalte oder den Fernseher drücke ich, das hat sich
geändert, ga.“ (IVP L 3: 1)
-
„Ähm, ich geh meistens ins Internet, wenn ich Spiele spiele und da spiele
ich gerne unter Spelle Autofahren oder irgend sowas Trampolin springen,
da gibt es eigentlich alles Mögliche.“ (S-GIV 4: 6)
-
„Ich, ich krieg schon ein bisschen Augen weh, aber, aber, dann, aber dann
schau ich kurz einmal weg und geh wieder ein bisschen raus.“ (S-GIV 4:
10)
-
„(…) das kann passieren, wenn man normal so Spiele spielen will und so,
dann passiert das manchmal, dass man dann so auf so falsche Sachen
kommt.“ (S-GIV 4: 18)
-
„Ja aber manchmal ist das so blöd, wenn da jetzt zum Beispiel jetzt so
eine Warnung kommt, irgend so ein, möchten sie das jetzt machen? Und
dann weiß ich nie richtig, ah soll ich da jetzt mit ja oder mit nein. Und
wenn dann das x nicht geht, dann hab ich da immer so eine Angst.“ (SGIV 4: 18 f.)
-
„Ich bin auch einmal von einer Homepage nicht mehr rausgekommen,
aber das war nur so von irgendeinem, von so einer Berühmtheit, halt. Ja,
und da hab ich da, aber dann meine Mama gerufen, weil die hat da so eine
Falle eingebaut, der Star da und da hat sie dich immer so gefragt, wie
heißt du und alles so und dann ist meine Mama gekommen und dann sind
wir zum Glück herausgekommen. Aber da war nichts Schlimmes oben.“
(S-GIV 4: 28)
162
-
„(…) da hab ich eine Frau ausgesucht [im Spiel SIMS; Anmerk. d. Verf.],
da hat sie, ah, sie hat ein Haus gehabt, mit Whirlpool und dass das Wasser
so blubbert und dann, ja und dann, dann, äh, dann, äh war halt so ein
Mann drinnen, dann hab ich, ga, dann hab ich so was gesehen, da, da ist
sie, da hat sie sich ausgezogen hat, ist einfach da eine gegangen und hat
mit dem einen da geknutscht, mein Gott (langatmig), wäh.“ (S-GIV 4: 13)
Als nächster Schritt wurde mit den ForschungspartnerInnen ein vorbereitetes
Keilrahmenbild zur Thematik „Das WWW in der kindlichen Lebenswelt. Woher
kommt es? Wohin führt es? Wozu dieses Theater?“ gestaltet, wobei auf
vorbereiteten Kärtchen Antworten auf folgende Fragen zu finden sind:
-
Wer hat euch den Zugang zum WWW ermöglicht, beziehungsweise wer
hat euch den richtigen Umgang mit dem Internet erklärt?
-
Was macht ihr besonders gerne, wenn ihr im Netz unterwegs seid?
-
Welche negativen Erfahrungen habt ihr mit dem WWW gemacht?
-
Was wünsche ich mir im Umgang mit dem WWW?
Nachfolgende Abbildung des Ergebnisses52 soll diesen Prozess veranschaulichen.
Im Anschluss werden die von den Kindern aufgeschriebenen Antworten
aufgelistet, um die Lesbarkeit zu gewährleisten. Es wurde bewusst darauf
geachtet, die Schreibweise der Kinder zu übernehmen.
52
Dieses Keilrahmenbild hängt heute (2011) immer noch im ehemaligen Klassenzimmer meiner
ForschungspartnerInnen, wie mir die Lehrerin kürzlich mitteilte. Eine nachhaltige Wirkung dieses
Prozesses ist meines Erachtens durchaus denkbar.
163
Das gestaltete Keilrahmenbild der ForschungspartnerInnen VS II:
Abbildung 7.4: Keilrahmenbild ForschungspartnerInnen VS II
164
Folgende Antworten sind auf dem Keilrahmenbild zu lesen:
Zugang zum Computer durch:
-
Durch meinen Papa. Mit dem Computer ist es sehr lustig und manchmal
fad.
-
Durch meine Mama. Mit dem Computer bin ich immer anders. In viele
Spiele bin ich gut.
-
Freunde, Eltern; immer anders, weil neue Spiele nicht immer leicht sind.
-
Durch meine Mama und durch Freunde. Es ist immer anders. Aber wenn
man es einmal kann, kann man es immer.
Was mache ich gerne im Internet? Das mag ich …
-
Ich mache gerne Informationen suchen und ich spiele gerne in Spelle.nl
und schaue lustige Videos an.
-
Also ich gehe gerne in die Seite Stardoll, High School Musical, Spelle.nl,
Clipfish, DisneyChannel.
-
Informationen
Im Speziellen wurden folgende Internetadressen aufgeschrieben:
www.spele.nl, www.spelle.nl, www.google.at, www.toggo.de,
www.clipfish , www.spele.nl, www.toggo.de, www.knuddels o.sms.at ,
www.clipfish, www.G.nextTopmodel.de, www.staddl
Welche negativen Erfahrungen habe ich gemacht? Das mag ich nicht …
-
Ich mag keine Sexhotline. Ich mag keine Verfolger und keine Perversen.
Ich würde eine (unleserlich) für Sexhotline (unleserlich).
-
Was ich nicht mag – Ich mag keine: Sexhotline, Witch, verarschungen,
komische Seiten, manchmal ebay, spiele
-
Das mag ich nicht! Sexhotline, Witch, icq, Verarschungen
-
Ich mag keine Sexhotleins, Verarschgespräche, Witch. Ich hasse das!!!
-
Ich hasse Sexseiten.
165
Das wünsche ich mir im WWW …
-
Ich wünsche mir das Warnungen sind wenn Seiten kommen die für Kinder
verboten sind!!!!!!!
-
Das alles Kinderfreundliche Seiten im Internet sein.
-
Ich wünsche mir das es keine Sexhotline gebe.
-
Rechenmaschinen PS: zaubern
-
Sexhotline abschaffen
Worte, die wortlos machen? Die oben abgebildete Auflistung der Gedanken der
Kinder, Bemerkungen und Antizipationen (Erwartungen) bleiben im Zuge dieser
Dokumentation der Rückkoppelung unkommentiert und sollen zum Nachdenken
anregen. Dieser gestalterische Prozess hat sich für mich als Forscherin als sehr
dienliche Arbeitsweise mit Kindern herausgestellt, meine Auffassungen wurden
dadurch gewissermaßen bestärkt.
Als
abschließenden
Schritt
dieser
Rückkoppelung
fragte
ich
meine
ForschungspartnerInnen, ob es ihnen Freude bereiten würde, gemeinsam mit mir
ein themenorientiertes Rollenspiel zu erarbeiten. Von Seiten der SchülerInnen war
gleich volle Begeisterung zur Mitarbeit spürbar. Basierend auf meinen
Erkenntnissen aus meiner ersten Rückkoppelung mit den ForschungspartnerInnen
der VS I stellte ich folgende fünf zu vergebende Rollen/Charaktere vor und fragte
nach Ergänzungen oder anderen Vorschlägen:
Freund oder
Freundin
Lehrer oder
Vater oder
Leherin
Mutter
Schwester
oder Bruder
Oma oder
Opa
Abbildung 7.5: Charaktere für das Rollenspiel
166
Nach einer kurzen Diskussion hatten bald alle einen Charakter gewählt und wir
beschlossen, mit Hilfe von Stichwort-Karten den Erzählverlauf zu strukturieren.
Gemeinsam erarbeiteten wir folgende Themenbereiche, bei denen es vor allen
Dingen darum ging, dass sie an der Lebenswelt der Kinder orientiert waren. Zur
dramaturgischen Steuerung des Rollenspiels wurden folgende Stichwortkarten
angefertigt:
früher &
heute
Freizeit
Feind
googeln
Compi
Abbildung 7.6: Stichwortkarten für das Rollenspiel
Zusammenfassend wurde von meinen ForschungspartnerInnen besprochen, dass
früher alles anders war und die Oma mit dem Compi nichts anzufangen weiß,
dieser sogar als Feind angesehen werde. Natürlich gaben sie auch zu bedenken,
dass man nicht die ganze Freizeit vor dem PC verbringen könne. Das Googeln sei
aber schon etwas Tolles, da man damit alle Informationen bekommen könne. Im
Anschluss an diese Diskussion wurde basierend auf den angefertigten
Stichwortkarten, die ich bei Bedarf hochhalten sollte, um so den Erzählverlauf zu
steuern beziehungsweise voranzubringen, rasch ein Handlungsstrang vereinbart,
d.h. wir einigten uns, welche Charaktere in welcher Reihenfolgen in Erscheinung
treten sollten. Wichtig erschien mir wiederum der Hinweis, dass es in diesem
Rollenspiel kein Falsch oder Richtig gäbe. Ich erklärte ihnen, dass alles sein dürfe
und im Anschluss geprüft werden könne. Die folgende Transkription des
Rollenspiels soll diesen Prozess dokumentieren.
167
Transkription des Rollenspiels:
(Die Mutter, die von Beruf Lehrerin ist, sitzt beim Schreibtisch und
arbeitet am Laptop. Es klopft an der Tür und ihr Sohn öffnet.)
Kind: Ich geh schnell an die Tür. (Geht und öffnet die Tür.) Hallo!
Oma und Opa: Hallo.
Oma zu Mutter: Was machst denn du schon wieder da?
Mutter: Ja ich schau mal gerade auf einer Internetseite.
Oma: So ein schönes Wetter draußen. Kannst ja baden gehen, oder? Immer
nur bei dem alten Krempel [unnötiges Ding, Plunder, Ramsch; Anm. d.
Verf.] sitzen.
Mutter: Nein, aber, aber ich bin, ich bin leider eine Lehrerin und ich muss
schauen, was es Neues im im Internet gibt.
Opa: Früher, früher vor 60 Jahren da haben wir noch Karten gespielt und
heute? Und heute sitzt du auf dem Computer.
Kind: Ja, aber der Computer ist ja auch gut. Man kann zum Beispiel
Informationen über Tiere herunterholen, oder so.
Oma: Ja, aber das kann man ja anders auch.
Mutter: Willst du das einmal sehen?
Opa: Nein danke.
Oma: Das ist ja so ein Blödsinn.
Kind: Ja, na, dann zeig ich dir einmal. Jetzt googeln wir einmal was. Was
willst denn du gerne sehen? Ein Tier oder irgendein Ding?
Opa: Ähm, ich tät gern einmal sehen, wie ein Dachs ausschaut.
Mutter. Ja, kommt‟s, kommt„s einmal Eltern her.
Opa: Na, aber eigentlich will ich es nicht sehen, weil die Freizeit ist ja viel
wichtiger.
Oma: Kannst draußen mit deine Freunde spielen und dabei sitzt du da
herinnen bei dem Krempel und tust irgendetwas.
Kind: Ja, aber nehmen wir jetzt einmal ein Beispiel, die Freunde sind nicht
da. Was willst dann? Dann kannst, dann bleib da einmal ein bisschen
spielen, oder so.
Oma und Opa: Aber, aber.
168
Kind: Und lernen auch noch, und so.
Mutter: Ja, aber und wenn ich es dem Peter (Name geändert) erkläre, dann
kapiert er es und ich muss es ihm nur einmal erklären, dann kapiert er
alles.
(Oma und Opa schütteln den Kopf.)
Mutter: Schau, das ist ganz einfach. Manche Kinder in der Schule vom
Peter haben überhaupt keinen Computer und deshalb kennen sie sich
nirgends aus.
Kind: Das ist eine Benachteiligung.
Oma: Das ist ja ein Feind, dieser Krempel da.
Opa: Von uns zwei.
Kind: Nein, jetzt zeigen wir euch einmal was.
Mutter: Schaut, ihr wollt den Dachs sehen. (Schiebt den Laptop zum Kind
und dieses gibt die Internetadresse ein)
Kind: Schaut, wir gehen einmal unter www.google.at.
Oma: Aber dieser Computer ist aber schon ein Krempel.
Opa: Ja, find ich auch.
Kind: So jetzt, ihr wollt den Dachs schauen, ga. Wälder, Web oder was?
Oma: Warum nennst du den Krempel eigentlich Compi?
Kind: Ja so, das ist eine Abkürzung.
Oma: Des is a Schaß des.
(Lachen aus dem Publikum)
Kind: Jetzt schau einmal her, jetzt hab ich dir noch nicht einmal fertig
erklärt. Jetzt geben wir Dachs ein.
Opa: Was ist denn das da unten da?
Kind: Jetzt schau her.
Oma: Da sieht man ja nicht einmal was.
Opa: Da steht irgendwo so ein dünnes Dings weg da. Was ist denn das?
Oma: Da sehe ich nicht einmal was. Da kenne ich mich nicht aus und da
kann ich schauen wie ich will.
Kind: Schaut‟s da ist ein Bild von einem Dachs und das wolltet ihr doch
haben, oder?
169
Opa: Ja aber was ist denn das?
Kind: Was, das kannst du lesen was über was (wird unterbrochen)
Opa: Ja, aber was ist denn das, was da vom Dachs so wegsteht, da, was ist
denn das?
Mutter: Das ist der Schwanz.
Oma: Ach so (ausrufend). Na, also das ist super, so etwas müssen wir uns
auch zulegen, ga.
(Oma und Opa gehen ab. Die Szene ist aus.)
Es erscheint mir wichtig, dieser Szene, die von meinen ForschungspartnerInnen
selbst erarbeitet wurde, Raum zu geben, da sie meines Erachtens die
unterschiedlichen Sichtweisen zwischen den unterschiedlichen Generationen aus
der Perspektive der Kinder zeigt. Es lassen sich die Themen, die von Kindern
wahrgenommen werden, erkennen. Dieses Schlüpfen in die Rolle der anderen
Generation, oder auch generell das Spielen einer anderen Rolle hat meinen
ForschungspartnerInnen große Freude bereitet. Ich habe sie als sehr offen,
neugierig, wach und enorm begeisterungsfähig erlebt. Das ermutigte mich, das
gestaltete Bild anschließend im Klassenverbund präsentieren zu lassen. Auf
Wunsch meiner ForschungspartnerInnen, der Lehrerin und MitschülerInnen
erfolgte dann auch die Aufführung der erarbeiteten Szene im Klassenverbund. Für
mich hat sich gezeigt, dass vor allen Dingen das Schlüpfen in unterschiedliche
Rollen eine grundlegende Auseinandersetzung mit einer Thematik initiiert und so
ein Problembewusstsein aktivieren kann, was auch den MitschülerInnen
Austausch ermöglichte und zur Kommunikation anregte. Nach der sogenannten
„Entrollung“ (vgl. PRUCKNER 2001: 54) war ein kurzes Rollenfeedback
vorgesehen und wir gingen der Frage nach, ob noch jemand etwas zum Spiel
sagen möchte. Gerade bei themenbezogenen Rollenspielen ist es wichtig, direkt
an das Rollenspiel eine Nachbearbeitung im Klassenverbund anzuschließen.
Abschließend wurden meine ForschungspartnerInnen und ich von der
Klassenlehrerin und der Direktorin eingeladen, am Zeugnistag diese Ergebnisse
der Rückkoppelung vor der gesamten Schule im Zuge der Zeugnisverteilung und
170
Verabschiedung der Viertklässler zu präsentieren. Das war für mich eine
besondere Bestätigung und es freute mich, dass dieses Thema auf diesem Wege
auch den anderen SchülerInnen dieser Schule nähergebracht werden konnte.
Am Zeugnistag präsentierten meine ForschungspartnerInnen nach einer kurzen
Einleitung meinerseits, das erarbeitete Keilrahmenbild mit viel Selbstbewusstsein
und einer Selbstverständlichkeit, die mir imponierte. Die Transkription dieser
Präsentationen soll veranschaulichen, wie dieses Interventionsforschungsprojekt
sein Ende fand:
FP53 1: Also wir haben auf diesem Plakat da unsere Wünsche, also was wir
uns wünschen im Internet und was man will und und was man nicht so
will. Ja also zum Beispiel, D. du sagst.
FP 2: Ja also, es ist ja meistens so, dass man irgendetwas anklickt und auf
einmal kommen irgendeine Seiten, die was man nicht so richtig will. Und
da sollten sie warnen davor. Und dass sie halt irgendwie abgeschafft
werden, die Sexseiten.
(Lachen im Plenum und unter den ForschungspartnerInnen)
FP 3: Und wir haben ja viele Internetseiten uns ja aufgeschrieben. Und
worum es ja.
FP 1: Und wer uns das, wer uns das gezeigt hat mit dem Internet und so.
Also es haben viele Eltern gezeigt, viele Freunde, äh die Geschwister die
älteren.
Meine ForschungspartnerInnen spielten auch das Rollenspiel erneut vor der
gesamten Schule mit viel Freude. Besonders erstaunlich war für mich, dass die
Wortwahl im Rollenspiel sich nahezu gänzlich mit der Aufführung im
Klassenverbund deckte – die ForschungspartnerInnen hatten den Text, der aus
dem Stegreif kam, gewissermaßen verinnerlicht. So kann ich an dieser Stelle auf
die
53
Transkription
oben
verweisen.
Abkürzung für ForschungspartnerIn.
Auch
aus
meiner
Erfahrung
als
171
Theaterpädagogin weiß ich, dass sich Kinder kurze Szenen sehr gut merken und
diese auch eine Woche später wortgetreu wiedergeben können.
7.3 REFLEXION ZUR RÜCKKOPPELUNG
Ich habe im Zuge dieser zwei Rückkoppelungsveranstaltungen viel gelernt. Für
mich hat
sich gezeigt,
dass
die unterschiedlichen Möglichkeiten der
Datenerhebung in der Forschung mit Kindern eine erhebliche Rolle spielen. So
hat sich für mich das Gestalten eines Keilrahmenbildes als besonders hilfreich
herausgestellt, um die Gedanken meiner kindlichen ForschungspartnerInnen
sichtbar machen zu können.
Im Besonderen wurde ich darauf aufmerksam, dass das themenorientierte
Rollenspiel als theaterpädagogisches Element der Forschung ein sehr dienliches
Instrument zur Datenerhebung darstellt. Ich habe die Kinder als außerordentlich
begeistert von dieser Art der Auseinandersetzung mit einem Thema erlebt. Dieser
Gedanke
bildet
Theaterpädagogik
auch
als
das
Fundament
Instrument
wissenschaftlicher Forschung.
der
der
folgenden
Rückkoppelung
Diskussion
der
interventions-
172
8 THEATERPÄDAGOGIK ALS INSTRUMENT DER
RÜCKKOPPELUNG
INTERVENTIONSWISSENSCHAFTLICHER FORSCHUNG
Die Kunst der Beobachtung
Das erste
Was ihr zu lernen habt, ist die Kunst der Beobachtung.
Du, der Schauspieler
Musst vor allen anderen Künsten
Die Kunst der Beobachtung beherrschen.
Nicht wie du aussiehst nämlich ist wichtig, sondern
Was du gesehen hast und zeigst. Wissenswert
Ist, was du weißt.
Man wird dich beobachten, um zu sehen
Wie gut du beobachtet hast.
Aber Menschenkenntnis erwirbt nicht
Wer nur sich selbst beobachtet. Allzu viel
Verbirgt er selbst vor sich selbst. Und keiner ist
Klüger als er selbst.
Also muss eure Schulung beginnen unter den
Lebendigen Menschen. Eure erste Schule
Sei euer Arbeitsplatz, eure Wohnung, euer Stadtviertel.
Sei Straße, Untergrundbahn und Laden. Alle Menschen dort
Sollt ihr beobachten, Fremde, als seien sie Bekannte, aber
Bekannte als seien sie euch fremd.
(BERTOLD BRECHT54)
54
Vgl. BRECHT, BERTOLD (1993): Rede an dänische Arbeiterschauspieler über die Kunst der
Beobachtung. In Schriften 2. Teil 2. Frankfurt am Main. S. 862 f.
173
Die Kunst der Beobachtung stellt nicht nur im Kontext schauspielerischer
Tätigkeiten ein zentrales Element dar, sie ist auch in der Interventionsforschung
eine sehr dienliche und wichtige Methode. Die in dieser Arbeit beschriebene
Methode der psychoanalytisch orientierten Organisationsbeobachtung (siehe
hierzu Kapitel 6.1) hat mich angeregt, die Kunst der Beobachtung auf den
gesamten Forschungsprozesses zu erweitern, da nur so Reflexion möglich war.
Ich musste mich und mein Verhalten als Forscherin beobachten, um über mein
Handeln nachdenken und reflektieren zu können. Dies äußerte sich in meiner
interventionswissenschaftlichen Forschung auch am hohen Stellenwert des
Forschungstagebuchs, an den in dieser Arbeit integrierten Reflexionsschleifen,
aber auch an der Notwendigkeit der Vergemeinschaftungen durch ForscherInnenteams, um so nicht allzu viel vor mir verbergen zu können. Die Forschung und vor
allen Dingen die Beobachtung begann somit bei mir als Individuum, sie endete
aber
nicht
bei
mir.
Forschen
bedeutete
in
diesem
Kontext,
die
ForschungspartnerInnen dort abzuholen, wo sie standen, und fähig zu sein, ihre
Sichtweisen zuzulassen und anzunehmen. Aber nicht nur das Individuum als
ForscherIn
musste
die
ForschungspartnerInnen
beobachten,
auch
diese
beobachteten sich untereinander und der Versuch, die Sichtweise des jeweiligen
Gegenübers einzunehmen, stellte für mich eine zentrale Möglichkeit des
Verständnisgewinns dar. Ich spreche an dieser Stelle ganz bewusst von der Kunst
der Beobachtung. Es ist das bewusste Beobachten von Lebendigem, das
Erfahrungen prägt. Die häufig unbewusst gelebten notwendigen Widersprüche
können meines Erachtens erst durch diese Kunst der Beobachtung sichtbar und in
weiterer Folge im Sinne eines prozessethischen Verfahrens (siehe hierzu Kapitel
3) bearbeitet werden. Nun werden, basierend auf grundlegenden theoretischen
Gedanken, die Erkenntnisse aus dieser Forschung zur Begründung von
Theaterpädagogik als Instrument interventionswissenschaftlicher Forschung
herangezogen.
Im Allgemeinen kann die Kunst der Beobachtung meiner Meinung nach sehr gut
in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sichtweisen praktiziert werden.
Wenn ich mich in mein Gegenüber hineinversetzen und mich hineindenken kann,
174
ermöglicht mir dieser Perspektivenwechsel unter Umständen, mein Gegenüber zu
verstehen. Dies kann durch das Schlüpfen in eine andere Rolle arrangiert werden
und dies kann wiederum nur geschehen, wenn ich diese einzunehmende Rolle
zuvor beobachtet habe beziehungsweise ein Bild von dieser Rolle in mir trage,
ihre Sichtweise in gewisser Weise verinnerlicht habe. Das Aneignen und
Verstehen unterschiedlicher Sichtweisen stellt somit eine Kernfrage für diesen
Teil der Arbeit dar. Wesentlich erscheint hierbei, die natürliche Spielfähigkeit
durch Theater sichtbar werden zu lassen. „Um sich selbst zu erkennen, muss sich
der Mensch ein Spiegelbild schaffen, sich noch einmal sehen. Und dieser Spiegel
kann nur der andere Mensch sein. So ist es in der Kindheit und so bleibt es ein
Leben lang, unabhängig, wo und in welchem Kulturkreis dieser Erde ein Mensch
geboren wird.“ (HOFFMANN 2008: 15) Selbstverständlich prägen Erfahrungen den
Menschen und somit ändert sich auch sein Umgang mit diesem Spiegelbild.
Kinder erlernen diesen Umgang im Spiel. „Das Spiel hilft ihnen oft auch im
Leben, eigene Interessen durchzusetzen, und dies schon sehr früh. Im Spiel
befriedigen Kinder nicht nur ihre Bedürfnisse, sie benutzen es auch strategisch,
d.h. sie wählen ihre Rollen auch zweckgerichtet.“ (a.a.O.: 16) Betrachtet man das
darstellende Spiel als die Ausbildung einer natürlichen Fähigkeit, die im
Allgemeinen erst durch Theater sichtbar wird, aber als Alltagsverhalten existiert,
so kann die Beobachtung des Lebens als Quelle der Theaterarbeit festgemacht
werden.
„Das pädagogisch gelenkte Spiel, wie man es auch bezeichnen mag –
Drama in Education – Creative Dramatics – Darstellendes Spiel usw. –
kann den Kindern die Augen öffnen zu sehen, das Gehör schärfen, genauer
hinzuhören und sie anregen, das Beobachtete und Erfahrene miteinander
zu vergleichen. Dabei geht es um die Darstellung menschlicher
Beziehungen, die die Kinder im Spiel neu erfahren, bewusst erleben und
erkennen.“ (a.a.O.: 17)
Im Zuge meines Interventionsforschungsprojektes habe ich praktisch erprobt, wie
theaterpädagogische Elemente als Instrument der Rückkoppelung (siehe hierzu
Kapitel 7) dem beforschten System in der Auseinandersetzung mit einem Thema
oder mit einer namentlichen Problematik nützen können. Der Zugang zu
175
unterschiedlichen Sichtweisen wurde durch das Schlüpfen in andere Rollen
erleichtert, beziehungsweise schien sich für mich erst in diesen Rollenspielen die
Lebenswelt der Kinder ein Stück weiter abzuzeichnen. So bietet die Theaterpädagogik eine zusätzliche Möglichkeit, die Welt der ForschungspartnerInnen
näher kennenzulernen. Was aber ist Theaterpädagogik? „In der Wortverbindung
Theater-Pädagogik steht das Wort Theater an vorderer Stelle. Es bestimmt
gewöhnlich den Grund, weshalb man zusammenkommt, und die Pädagogik sorgt
für das Geschick, dass man zusammenbleibt.“ (HOFFMANN 2008: 13)
Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass der Begriff der Theaterpädagogik
nicht eindeutig zu definieren ist, da die Ausrichtungen und Konzeptionen in den
verschiedenen Institutionen zu unterschiedlich sind. Der Fokus richtet sich in
dieser Arbeit auf praxisorientierte theaterpädagogische Arbeit und die
Möglichkeit des Erlebens der individuellen Geschichte. Zur theoretischen
Auseinandersetzung sei beispielsweise auf die Publikation der Theaterpädagogin
GABRIELE CZERNY (2004: 24 ff.) verwiesen, die nach der Untersuchung
verschiedener theaterpädagogischer Konzepte55 zu dem Schluss kommt, dass das
Theaterspielen grundlegende ästhetische Fähigkeiten ausbildet, aber auch
Selbstbildung und soziale Bildung zum Ziel hat. In Übereinstimmung mit CZERNY
(a.a.O.: 148 ff.) entwickelt das Theaterspielen die Fähigkeit, dass sich Spielende
als agierende Subjekte wahrnehmen, die in der Lage sind, zu anderen
Mitspielenden und zu sich selbst in Beziehung zu treten. Was kann dies für die
Arbeit mit Kindern bedeuten? Kinder können durch das Theaterspielen lernen,
sich selbst wahrzunehmen, mit anderen mitzufühlen, sich in sie hineinzuversetzen,
sie zu verstehen und anzunehmen. Theaterpädagogisch gilt vor allen Dingen das
Prinzip: das Erleben reflektieren, was meines Erachtens auch in der Interventionsforschung grundlegend ist. Der Fokus liegt auf den Bereichen Wahrnehmung,
Gefühl und Bewusstsein. Die Beobachtungs- und Ausdrucksfähigkeit wird
geschult. Das Spiel mit neuen Identitäten, das Schlüpfen in andere Rollen fördert
55
An dieser Stelle sollen diese angeführt, jedoch nicht näher auf sie eingegangen werden, da der
Fokus dieser Arbeit nicht auf der Diskussion unterschiedlichster theaterpädagogischer Konzepte
liegt. Zur näheren Auseinandersetzung mit diesen Konzepten sei auf die oben genannte Autorin
verwiesen: SCHELLER, INGO: Szenisches Spiel; KUNZ, MARCEL: Szenisches Interpretieren; FREI,
HEIDI: Ausdrucksspiel aus dem Erleben; JOHNSTONE, KEITH: Improvisation und Theater; RITTER,
MARTIN: Körper und Sprechen; JENISCH, JAKOB: Der Darsteller und das Darstellen.
176
das Selbst- und Fremdverstehen. Durch diese Figurenverkörperung werden neue
Erfahrungsperspektiven ermöglicht und neue Erlebensräume geschaffen. Die
AkteurInnen lernen beispielsweise Widersprüche und Differenzen zu erkennen
und
sie
in
das
eigene
Selbst
einzuordnen
und
auszuhalten.
Durch
theaterpädagogisches Arbeiten wird auch der soziale Bildungsprozess beeinflusst,
da die Gruppe von der spielerischen Interaktion über Kooperation (teamfähig
werden) und Kommunikation, die sowohl auf verbaler als auch auf non-verbaler
Ebene stattfindet, schließlich zu einer Präsentation gelangt, wobei diese im
Kontext dieser Arbeit keine Aufführung an die breite Öffentlichkeit sein kann. Es
handelt sich hierbei vielmehr um ein Produkt des eigenen Erfahrungslernens und
dieses trägt seine Wirkung im Inneren jedes Einzelnen.
Der von CZERNY (a.a.O.) ebenso angeführte Beitrag theaterpädagogischer
Verfahren zu einem kreativen und produktiven Umgang mit Texten und somit zur
subjektiven Rezeption von Literatur ist für diese Arbeit zu vernachlässigen, da
die Orientierung an der Lebenswelt der ForschungspartnerInnen Ausgangspunkt
der theaterpädagogischen Arbeit ist und somit das Arbeiten ohne Textvorlagen
zielführend ist. Was bedeutet ein Arbeiten ohne Textvorlagen? Auch meine
Erfahrungen im Zuge der Rückkoppelungen haben gezeigt, dass das Arbeiten
ohne Textvorlagen einerseits eine Herausforderung darstellt, andererseits aber
einen meines Erachtens großen Vorteil bieten kann: „Bei theatralen Arbeiten ohne
Textvorlage wird aus der Rolle heraus improvisiert oder/und aus der eigenen
Wahrnehmung gesprochen.“ (HEINDL 2007: 235) Dieses Sprechen aus der
eigenen Wahrnehmung halte ich für den entscheidenden Aspekt, warum ich
theaterpädagogisches Arbeiten im Zuge einer Rückkoppelung interventionswissenschaftlicher
Forschung
als
sinnvoll
ansehe.
Zusätzlich
zu
den
vorangegangenen Interviews und durchgeführten Teilnehmenden Beobachtungen
können im Zuge der Präsentation der Zwischenergebnisse mittels dieser Methode
eine Überprüfung der Hypothesen stattfinden und neue Erkenntnisse gewonnen
werden.
177
Es gilt nun, ausgewählte Konzepte theatraler Interventionen56 (vgl. a.a.O.: 129 ff.)
kurz darzustellen, die als theoretische Wurzeln dieses Konzeptes verstanden
werden.
Bereits BERTOLT BRECHT (1948/49: 79 ff.) hat mit seinen Überlegungen zu einem
epischen Theater betont, dass wir ein Theater brauchen, „das Gedanken und
Gefühle verwendet und erzeugt, die bei der Veränderung des Feldes selbst eine
Rolle spielen“, und so müsse „das Theater, was es zeigt, verfremden“. Hier sehe
ich eine starke Verbindung zur Interventionsforschung, da an beiden Orten Raum
für Gefühle nicht ausgespart werden darf und das Erfahrbare auch verfremden
darf.
„Da ist viel im Menschen, sagen wir, da kann viel aus ihm gemacht
werden. Wie er ist, muß er nicht bleiben; nicht nur, wie er ist, darf
betrachtet werden, sondern auch, wie er sein könnte. Wir müssen nicht von
ihm, sondern auf ihn ausgehen. Das heißt aber, dass ich mich nicht
einfach an seine Stelle, sondern ihm gegenüber setzen muß, uns alle
vertretend.“ (BRECHT 1948/49: 82)
Im Fokus von BRECHTS (1929/30: 78 f.) epischem Theater steht die Aktivierung
der Zuschauer und es geht um das Verstehen von Zusammenhängen, das
Erkennen von den anderen und sich selbst. Die Empfindungen dienen dem
Erkenntnisgewinn und der Mensch ist Gegenstand der Untersuchung – der
veränderliche und verändernde Mensch. Interessant erscheint auch, dass nicht der
Ausgang als wesentlich erachtet wird, sondern die Spannung liege im Gang, im
Prozess der Auseinandersetzung. Der Mensch als solches wird als Prozess
wahrgenommen und das gesellschaftliche Sein bestimmt sein Denken. Die
Veränderungen, die jeder Mensch zu bewerkstelligen hat, scheinen in Zeiten der
neuen Informations- und Kommunikationstechnologien immer rascher zu
geschehen und für Kinder sind diese stetigen Veränderungen alltäglich. Im Zuge
der Rückkoppelung werden den ForschungspartnerInnen Hypothesen und
56
Für ein detailliertes Studium Theatraler Interventionen sei auf das Buch von ANDREAS HEINDL
(2007) „Theatrale Interventionen. Von der mittelalterlichen Konfliktregelung zur zeitgenössischen
Aufstellungs- und Theaterarbeit in Organisationen.“ verwiesen.
178
Hintergrundtheorien angeboten. Eine Abhandlung der dabei aufkommenden
Gefühle und Konflikte kann durch theaterpädagogische Aufarbeitung gemeinsam
durchlebt werden. In jedem Fall gilt: Der Mensch ist Gegenstand des Interesses
und der Prozess der Auseinandersetzung soll Selbsterfahrungslernen ermöglichen.
Für diese Arbeit erscheint vor allen Dingen AUGUSTO BOAL (1989: 68) mit
seinem Theater der Unterdrückten wichtig, da dieser zwei zentrale Grundsätze
geschaffen hat: „Der Zuschauer, passives Wesen, Objekt, soll zum Protagonisten
der Handlung, zum Subjekt werden“ und „Theater soll sich nicht nur mit der
Vergangenheit beschäftigen, sondern ebenso mit der Zukunft“. Der Mensch und
seine Probleme mit alltäglicher Unterdrückung stehen im Vordergrund und mit
den betroffenen Personen wird selbst gearbeitet. „Bei einem Setting des Theaters
der Unterdrückten gibt es keine Zuschauer, sondern nur aktiv eingreifende
Beobachter. Diese nennen wir Zu-Schauspieler (spect-actors).“ (BOAL 1999: 47)
So ist es auch im Zuge der Rückkoppelung notwendig, dass sich alle
ForschungspartnerInnen einbringen und aktiv am Prozess mitwirken können, denn
nur auf diesem Wege kann gegenseitiges Verständnis erreicht werden.
Aus den von BOAL entwickelten zahlreichen Methoden für sein Theater der
Unterdrückten will ich mich auf das Forumtheater beschränken und darauf näher
eingehen. Das Forumtheater sehe ich als zweckdienliche Theaterform, die sich vor
allen Dingen im Zuge eines Rückkoppelungsprozesses als hilfreich herausstellen
kann. Außerdem habe ich mit dieser Methode im Rahmen einer Fachtagung der
Theaterpädagogischen Werkstatt bereits Erfahrungen gesammelt und glaube, dass
unter anderem diese Erlebnisse meine Entscheidung, mit Kindern im Rahmen
meines Interventionsforschungsprojektes Szenen zu erarbeiten, beeinflusst haben.
AUGUSTO BOAL zufolge ist die Entstehung des Forumtheaters auf einen Zufall
zurückzuführen:
„(…) the occurred the genuine intervention of a „spect-actor‟, which gave
rise to Forum of Theatre. It was in Peru, in 1973, when I was directing a
workshop about popular forms of theatre. We presented a play and, during
the debate that followed, a female spectator came on stage, taking the
179
place of the protagonist, and showed us what she would do, if she were in
the protagonist‟s place – she showed it by playing” (BOAL 2001: 205)
Das Forumtheater ist nach BOAL (1982: 82 ff.) eine kreative Spielform, die
Schauspieler und Zuschauer gleichermaßen einbezieht. Demnach soll der
Zuschauer zum Mitwirkenden an der Handlung werden und sich dessen auch
bewusst sein. Eine problematische Szene wird gespielt und ein Lösungsvorschlag,
mit dem nicht alle Zuschauer einverstanden sein könnten, präsentiert – die
Schauspieler präsentieren die „Welt, so wie sie ist“ und wollen diese zu Ende
bringen. Das aktive Publikum, das in die Handlung eingreifen und sie verändern
kann, hat die Möglichkeit, durch den Ausruf „Stopp!“ das Geschehen anzuhalten.
Augenblicklich müssen die Schauspieler in ihrer Bewegung innehalten. Der
Zuschauer kann statt eines beliebigen Protagonisten auf die Bühne gehen und dort
ansetzen, wo er seinen eigenen Lösungsvorschlag in die Szene integrieren möchte.
Er versucht, die Welt in eine „Welt, wie sie sein könnte“ zu verändern, wobei sich
der Schauspieler, der ersetzt wurde, nicht zurückzieht, sondern als eine Art HilfsIch außerhalb der Spielfläche bleibt, um den Zuschauer zu unterstützen und bei
Bedarf in seinem Rollenverständnis zu korrigieren. Auf diesem Wege können
neue
Verhaltensweisen
ausprobiert
und
mit
verschiedenen
Reaktionen
experimentiert werden. Verlässt der Zuschauer wieder die Szene, schlüpft der alte
Protagonist wieder in seine Rolle zurück und das Stück läuft wieder seiner
ursprünglichen Lösung entgegen. Erneut kann von einem Zuschauer eingegriffen
und eine bessere Lösung angestrebt werden.
Ein Spielleiter erläutert die Spielregeln und achtet auf die logische Entwicklung
der Szene. Er macht auf Fehler aufmerksam und achtet darauf, dass es nicht zum
Leerlauf oder Stillstand kommt. Er hat aber „nicht die Wahrheit für sich
gepachtet, sondern ermutigt die Beteiligten, ihren Standpunkt zu vertreten und ihn
durchzusetzen. Ist das Forum beendet, so erarbeiten die Mitwirkenden ein Modell
zukünftigen Handelns, das von den Zuschauern dargestellt wird.“ (a.a.O.: 85)
BOAL zufolge muss den Zuschauern-Mitwirkenden klar werden, dass es an ihnen
liegt, die Wirklichkeit zu verändern. In diesen Ausführungen wird für mich die
Bedeutung
dieser
Methode
für
die
Rückkoppelung
interventions-
180
wissenschaftlicher Forschung deutlich: Es wird ein Problem dargestellt und
gemeinsam bearbeitet, um so zu einer kollektiven Sichtweise und gegenseitigem
Verständnis zu gelangen. Die Möglichkeit, in unterschiedliche Rollen zu
schlüpfen, birgt meines Erachtens großes Potential in sich.
Einige der oben genannten Elemente finden sich bereits in dem von JAKOB LEVY
MORENO entwickelten Stegreiftheater.
„Die Wandlung der Zuschauer in Zuschauspieler, des Zuschauerraumes in
ein Zuschautheater versetzt die Regie in ein neues Versuchsfeld. Die
Teilnahme des Publikums muss von Willkür befreit und ästhetischen
Gesetzen gefügig gemacht sein. Einem bestimmten Zuschauer wird die
Führung übertragen, dem Zuschaudirektor. Um ihn schart sich eine
mittätige Gruppe, während die große Mehrheit den Hintergrund
bildet.“(MORENO 1924: 12)
Die Aufgabe des Zuschaudirektors würden im Kontext einer Rückkoppelung
interventionswissenschaftlicher Forschung die ForscherInnen inne haben, da sie
im Zuge der Interviewführungen, der Teilnehmenden Beobachtungen und der
Präsentation der Zwischenergebnisse sozusagen eine Makro-Sicht auf das
Geschehen haben. Die ForschungspartnerInnen verfügen jeweils über die MikroSicht und im Zuge der Rückkoppelung kann es gelingen, basierend auf einer
Meso-Sichtweise zu einer „kollektiven Autonomie“ (vgl. HEINTEL 2010: 453) zu
gelangen, wobei jedes Individuum wiederum selbst entscheidet, was es von diesen
unterschiedlichen Sichtweisen für sich beansprucht. Spannend erachte ich an
dieser Stelle auch einen Blick auf das, was sich neben der Vorderbühne (den
offiziellen Forschungsphasen) auf der Hinterbühne (in informellen Gesprächen
unter den ForschungspartnerInnen) abspielt (siehe hierzu Kapitel 4.1). Ich
vermute
in
einer
theaterpädagogischen
Auseinandersetzung
mit
den
Zwischenergebnissen die Möglichkeit, das, was für den Forscher/die Forscherin
nicht sichtbar vonstatten geht, sichtbar werden zu lassen – ein Gedanke mit dem
es sich auf jeden Fall zu experimentieren lohnt. Ich sehe in MORENOS
Stegreiftheater auch eine Suche nach einer Vereinigung aller Widersprüche und
gewissermaßen die Suche nach einer kollektiven Autonomie.
181
„Ich [Moreno; Anm. d. Verf.] aber wünsche nicht das Theater des guten
Gedächtnisses, der kreisförmigen Behaglichkeit, des Selbstvergessens. An
Stelle der alten Dreiteilung tritt unsere Einheit: Es gibt keine Dichter,
Schauspieler, Zuschauer mehr. Jeder ist Dichter, Schauspieler und
Zuschauer in einer Person. Fort mit den Augen der Gaffer und den Ohren
der Horcher. Unser Theater ist die Vereinigung aller Widersprüche, des
Rausches, der Unwiederholbarkeit.“ (MORENO 1924: 12)
Zusammenfassend experimentierte MORENO mit seinem Stegreiftheater an
folgenden Aspekten: Erstens mit dem Ausschalten des Theaterschriftstellers und
des geschriebenen Wortes; zweitens mit der Teilnahme des Publikums, wonach
jeder Teilnehmer und Schauspieler in diesem Theater ist; drittens mit dem Gang
der Handlung, wobei die Lösung der Konflikte spontan in der Gemeinschaft
geschaffen wird; und viertens mit dem Verschwinden der alten Bühne, indem an
ihre Stelle die offene Bühne, der Lebensraum, das Leben tritt. (Vgl. MARSCHALL
1988: 49)
Auch im Zuge der Rückkoppelung interventionswissenschaftlicher Forschung
sind es der Lebensraum und das Leben der ForschungspartnerInnen, die es zu
erforschen gilt. In einer gemeinschaftlichen Lösungsorientierung sehe ich die
Parallelen zur Prozessethik. Eine spontane Lösung der Konflikte, wie sie hier
angestrebt wird, kann meines Erachtens aber nur gelingen, wenn von vornherein
der Sinn und die Notwendigkeit von Konflikten anerkannt und auch die
Widerspruchsfelder mitgedacht werden, was durch die ForscherInnen mithilfe von
Hintergrundtheorien geschehen kann. Das Potential theaterpädagogischer Arbeit
als zusätzliches Instrument der Rückkoppelung interventionswissenschaftlicher
Forschung spiegelt sich meines Erachtens auch in dem von MORENO ständig
weiterentwickelten Psychodrama.
Die Psychodrama-Bühne bietet sich nach ANDREAS HEINDL (2007: 139) an, „um
Situationen der Zukunft durchzuspielen und im Voraus zu einer oder zu mehreren
Lösungen zu kommen.“ Diese Zukunftsorientierung kann mitunter auch im
Rahmen eines Interventionsforschungsprojektes von Interesse sein und die Frage,
wollen wir es so, wie wir es uns eingerichtet haben, kann diskutiert werden.
182
Wenngleich eine Auseinandersetzung mit Psychotherapie nicht Ziel dieser Arbeit
sein kann, birgt das Psychodrama als Psychotherapie des Raumes, interessante
Aspekte für dieses Konzept in sich.
„Die Idee einer Psychotherapie des Raumes wurde zum ersten Mal durch
das Psychodrama verwirklicht, welches handlungsorientiert ist und all die
Dimensionen des Lebens in umfassender Weise in sich zu integrieren
versucht.“ (MORENO 1989: 34)
Obgleich es unmöglich scheint, alle Dimensionen des Lebens in umfassender
Weise zu erfassen, so denke ich, versucht auch die Interventionsforschung auf das
zu schauen, was dahintersteckt. MORENO (a.a.O.: 36) hat den Begriff der
„Surplus-Realität“ („surplus reality“) geprägt, wobei in dieser Surplus-Realität
Mittel angewandt werden, die über die Lebensrealität hinausgehen. Die Verfahren
im Psychodrama können nach MORENO (a.a.O.: 189) „in plausibler Weise mit drei
Stufen in der Entwicklung des Kindes verglichen werden: (a) das Stadium der
Identität (oder das Stadium des Doppelns); (b) das Stadium der Selbsterkenntnis
(das Stadium des Spiegelns); (c) das Stadium des Erkennens der anderen (das
Stadium des Rollentauschs).“ Das Doppeln kann bedeuten, dass mit Hilfe eines
Hilfs-Ichs ein Doppelgänger erschaffen wird und so neue Erfahrungen möglich
sind. Das Spiegeln kann hilfreich sein, wenn ein Spiegelbild uns ermöglicht, uns
selbst zu erkennen. Das Rollenspiel, das Erkennen der Anderen, der Rollentausch
sind für diese Arbeit von besonderem Interesse.
Bezugnehmend auf das dem Psychodrama zugrunde liegende Konzept, dass der
Mensch ein Rollenspieler ist und der Rollenbegriff zunächst ein aktionaler ist
(vgl. PRUCKNER 2001: 130), halte ich an dieser Stelle eine grundlegende
Auseinandersetzung mit dem Rollenbegriff für sinnvoll. Auch ich spiele
zahlreiche Rollen in meinem alltäglichen Leben: die Rolle der Mutter, die Rolle
der Ehefrau, die Rolle der Tochter, die Rolle der Schwester, die Rolle der
Theaterpädagogin,
die
Studierendenvertreterin
Rolle
sowie
offensichtlichsten zu nennen.
der
die
Dissertantin
Rolle
der
und
Freundin,
die
um
Rolle
der
nur
die
183
„Rolle kann definiert werden als die aktuelle und greifbare Form, die das
Selbst annimmt. Wir definieren Rolle also als die funktionale Form, die
der Mensch in dem spezifischen Moment annimmt, in dem er auf eine
spezifische Situation reagiert, an der andere Personen oder Dinge beteiligt
sind. Die symbolische Repräsentation dieser funktionalen Form, die der
Einzelne oder andere wahrnehmen, wird Rolle genannt. Die Form wird
aus vergangenen Erfahrungen und den kulturellen Mustern der
Gesellschaft, in der das Individuum lebt, geschaffen und wird dann durch
die spezifische Art seine Produktivität ausgefüllt. Jede Rolle hat zwei
Seiten, eine persönliche und eine kollektive Seite.“ (MORENO 1989: 105)
Die zahlreichen Rollen, die jeder Mensch im alltäglichen Leben bewusst oder
unbewusst spielt, zeigen meines Erachtens auch die dem Menschen immanente
Fähigkeit, in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen. Durch Offenheit, Spontaneität
und Kreativität können im Psychodrama Rollen und Lebenssituationen mit Hilfe
von Darstellung und Techniken, wie beispielsweise die des Rollentauschs,
verarbeitet und neu erlebt werden. Dies auch im Kontext interventionswissenschaftlicher Forschung zu nutzen, ist ein Anliegen dieser Arbeit.
In Anlehnung an die Elemente und den Ablauf des Psychodramas (vgl. HEINDL
2007: 147 ff.) diskutiere ich an dieser Stelle einige Querverbindungen zur
Interventionsforschung. Der Ablauf des Psychodramas gliedert sich klar in drei
Phasen: Warm-up (Schaffen einer angstfreien Umgebung, Themenfindung und
Protagonistenauswahl), Action (Spiel, Ausprobieren neuer Handlungsoptionen
und Rollen) und Sharing (Feedback der Gruppe). Im Rahmen der Rückkoppelung
interventionswissenschaftlicher Forschung bedeutet dies, basierend auf dem
präsentierten Zwischenergebnis, den Hypothesen, ein Problem oder einen
Konflikt darzustellen und Protagonisten zu deklarieren. Der Leiter des
Psychodramas hat die Prozessverantwortung, er initiiert das Kennenlernen und
das Vertrautwerden der TeilnehmerInnen, was im Falle eines Interventionsforschungsprojektes in den Verantwortungsbereich der ForscherInnen fällt. Die
InterventionsforscherInnen erhalten die Aufgaben eines Spielleiters: er initiiert die
Übergänge zwischen den einzelnen Phasen, treibt das eigentliche Spiel voran
(beispielsweise durch Rollenzuweisung, das Doppeln einer Rolle oder durch einen
inneren Monolog, indem Unausgesprochenes gesagt wird), er moderiert das
184
Feedback im Sharing und beendet schließlich den Prozess. Besonders interessant
finde ich die Gegebenheit, dass jeder Teilnehmer der Gruppe ein potentieller
Protagonist ist und die übrigen Teilnehmer die Außenwelt repräsentieren und
dabei auch ihr Inneres offen legen können. Sie nehmen Anteil am Geschehen, am
Problem des Protagonisten, indem sie ihre Gefühle, Einsichten und Erfahrungen
zum Dargebotenen mitteilen (Sharing). Sie teilen dem Protagonisten mit, wie sie
ihn, sein Problem und sein Handeln erlebt haben (Feedback). Sie analysieren
Verhaltensmuster, die im Spiel sichtbar wurden (Analyse). Die Gruppe erfährt
durch Anteilnahme und Identifikation eine ähnliche persönliche Katharsis
(Läuterung) wie der Protagonist. Schließlich stellt die Gruppe sowohl im Spiel als
auch im anschließenden Gespräch ein Lernfeld für Kommunikationsprozesse
bereit. (Vgl. a.a.O.: 150 f.)
Ohne zu sehr auf die Einzelheiten des Psychodramas einzugehen, halte ich diese
grundsätzlichen Gedanken für brauchbar und die oben beschriebenen Konzepte
(BRECHT, BOAL, MORENO) haben etwas für die Interventionsforschung
Wesentliches gemeinsam: sie verwischen die Grenze zwischen AkteurInnen und
Zuschauern. Diese Auffassung macht Theater zum Ort für individuelle aber auch
kollektive Entwicklung. Das kann mitunter auch als ein Anliegen der
Rückkoppelung im Rahmen der Interventionsforschung deklariert werden, was
die Notwendigkeit der Diskussion dieser Konzepte unterstreicht.
Im Folgenden wird ein interaktives theaterpädagogisches Konzept erarbeitet, das
einerseits die Erkenntnisse aus der Empirie verwertbar macht und somit die
Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis darstellt; andererseits soll dieses
Konzept eine Erweiterung und Offenlegung der Zweckdienlichkeit von
Theaterpädagogik im Zuge der in dieser Arbeit durchgeführten Rückkoppelungen
verdeutlichen. Unabhängig davon, zu welchem Zweck theatralische Mittel in
Lernzusammenhängen eingesetzt werden oder mit welchem Ziel ein Spielleiter
mit Kindern Theater macht, sollte nach CHRISTEL HOFFMANN (2008: 19) der
Anknüpfungspunkt stets das natürliche Spielvermögen der Kinder sein und nicht
die Nachahmung irgendeiner Form professionellen Theaters, was auch im Zuge
185
der Rückkoppelung Ausgangspunkt war. Als Quelle der Theaterarbeit wird die
Beobachtung des Lebens angesehen, was auch die Querverbindung zur
Interventionsforschung darstellt.
Ehe im folgenden Kapitel ein Konzept für ein interaktives theaterpädagogisches
Projekt erarbeitet wird, gilt es an dieser Stelle noch zu erörtern, was bei der
Erarbeitung eines theaterpädagogischen Projektes zu beachten ist? Die didaktischmethodische Bedeutung lässt sich sehr gut anhand der einzelnen Bausteine des
von GABRIELE CZERNY (2004: 162 ff.) entwickelten SAFARI-Modells
veranschaulichen. Demnach konstituiert sich der Prozess in folgenden
Komponenten: Stoff, Auftakt, Figur, Aktion, Reflexion und Inszenierung.
Während den Stoff in diesem Fall die präsentierten Zwischenergebnisse im Zuge
der Rückkoppelung darstellten, muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass
der Reflexion in diesem Modell eine besondere Stellung zukommt, da sie in jeder
Phase des Prozesses von großer Bedeutung sein kann. In der ersten Phase bezieht
sie sich auf die sinnlichen, körperlichen, emotionalen und sozialen Erlebnisse zum
Stoff und unterstützt somit das individuelle Erleben. Wie geht es uns mit den
präsentierten Zwischenergebnissen? Entdecken wir uns in diesen wieder? In der
zweiten Phase steht das ästhetische Erleben in der Figur im Vordergrund, wobei
sich die Spielenden über ihren individuellen Weg hin zur Figur bewusst werden.
Welche Figuren spielen im Kontext dieser Thematik eine Rolle? Welche Figuren
wollen wir spielen? Hierbei können Requisiten, beispielsweise ein alter Laptop,
sehr hilfreich sein. Die dritte Reflexionsphase konzentriert sich auf die
Improvisationen, auf freies, spontanes Spielen. Was wollen wir darstellen? Was
ist zu Beginn? Was geschieht als Nächstes? Dabei geht es darum, dass sich die
Spielenden ihres Handelns, der Situationen und des szenischen Ablaufs sowie der
Beziehungen der Figuren zueinander bewusst werden. Wortfragmente zur
Steuerung des szenischen Ablaufs können sich an dieser Stelle als nützlich
herausstellen. In der letzten Reflexionsphase findet eine Gesamtreflexion aller
bisherigen Arbeitsphasen statt und die Intention und das Ziel des Projektes treten
nochmals deutlich ins Bewusstsein. (Vgl. a.a.O.: 173 f.)
186
Das Ergebnis dieser in Kapitel 7 beschriebenen theaterpädagogischen Elemente
im Zuge der Rückkoppelung war meines Erachtens eine beachtliche
Improvisation von VolkschülerInnen, in der die Phantasie der Spielenden durch
die Situation angeregt und verschiedene Handlungen ausgelöst wurden. Besonders
spannend empfand ich die Beobachtung, dass jede Figur die Situation
unterschiedlich wahrnahm und dass Handlungen ohne vorherige Absprachen
immer unmittelbar und spontan im Spiel entstehen konnten. Dieses Ablehnen von
vorherigen Absprachen schloss aber nicht ein Durchdenken von Fragen aus, wie
beispielsweise „Was war zu Beginn?“,
„Was kommt als Nächstes?“, „Was
wollen wir?“, „Worauf wollen wir hinaus?“. CZERNY (2004: 173) hält in diesem
Kontext weiters fest, dass sich die theatrale Situation immer deutlicher
herauskristallisiert, bis sie schließlich szenisch fixiert und dadurch wiederholbar
wird. In meinem persönlichen Erleben der theaterpädagogischen Experimente im
Zuge der Rückkoppelung hat sich dieser Prozess unsagbar schnell und intuitiv
vollzogen. So kamen ihre Sichtweisen sehr gut zum Ausdruck: Ich erkannte, dass
meine ForschungspartnerInnen im Rollenspiel eigentlich wenig Lust hatten, sich
in der Rolle des Kindes auf Belehrungen der Eltern und Großeltern einzulassen, in
der Rolle der Eltern und Großeltern jedoch nicht zu verzweifeln schienen. Die
Großeltern wurden in den Augen der Kinder als durchaus lernfähig
wahrgenommen, wenngleich dies im Rollenspiel meines Erachtens mit
Überzeugungsarbeit durch das Kind verbunden war.
Für mich haben sich viele spannende Gedanken aufgetan, die ich im Folgenden in
einem Konzept zusammenfassen werde, um so meinem Anspruch auf
Verwertbarkeit meiner Erkenntnisse aus der Forschung gerecht zu werden.
Der Worte sind genug gewechselt,
Laßt mich auch endlich Taten sehen (…)
JOHANN WOLFGANG GOETHE
187
9 KONZEPT
FÜR
EIN
INTERAKTIVES
THEATERPÄDAGOGISCHES PROJEKT
Spielräume
sind Luftblasen des Lebendigseins,
in denen das erlebt werden kann,
was im Alltag oft übersehen, aber
doch ersehnt wird.
REINHARD HÜBNER/ELLEN KUBITZA/FRITZ ROHRER
Ziel
dieses
Konzeptes
ist
es,
Spielräume
zur
theaterpädagogischen
Auseinandersetzung zu schaffen, die sich des Themas „Das WWW in der
kindlichen Lebenswelt und die Weltsicht der Erwachsenen. Woher kommt es?
Wohin führt es? Wozu dieses Theater? Ein Hinterfragen von scheinbar
selbstverständlichen Entwicklungen.“ annimmt. Es geht weniger darum, eine klar
umreißbare theoretische Postulierung zu finden, als vielmehr eine denkbare
Verbindung von theoretisch Erfahrbarem und alltäglicher Praxis zu beschreiben.
Die Theaterpädagogik bietet meines Erachtens eine Möglichkeit, um vor allen
Dingen dem prozessethischen Gedankengut einen Raum im alltäglichen Erleben
zu verschaffen. Wie oben bereits erläutert, wird lebensnahe Theaterpädagogik als
Grundvoraussetzung angesehen. Auch die Bedeutung der Interaktivität und das
Initiieren von Prozessen spielen im folgenden Konzept eine tragende Rolle. Die
Trennung von Zuschauerraum und Bühne wird aufgebrochen und die direkte
Ansprache und Beteiligung des Publikums, der Klassengemeinschaft oder der
Gruppe stellt den Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen dar.
In Anlehnung an das „Theater im Klassenzimmer“ (SCHNEIDER/LOEWE 2006)
erachte ich das Klassenzimmer als einen Brennpunkt unserer Gesellschaft, als
einen Ort sozialer Begegnungen, der bei Weitem nicht nur von dem Konflikt des
Individuums mit der Gruppe geprägt ist. Dieser Ort erscheint mir besonders
geeignet, um theaterpädagogisch aktiv zu werden.
Das Arbeiten mit SchülerInnen erfordert meines Erachtens die Fähigkeit der
PädagogInnen, zwischen Hochstatus und Tiefstatus im Unterricht souverän
188
entlang zu surfen, d.h. beispielsweise einerseits fachlich gut vorbereitet zu sein
und jeder Schülerin und jedem Schüler seine Aufgabe, seine Verantwortung
innerhalb der Gruppe deutlich zu machen, diese einzufordern, Ziele zu
beschreiben und den Weg mit der Gruppe dorthin selbst zu verantworten,
Entscheidungen zu treffen (menschlich und fachlich) und den Raum zu
beherrschen, andererseits aber auch über sich selbst zu lachen und Witze zu
machen, die SchülerInnen anzunehmen und ernst zu nehmen, Gefühle zu zeigen
und auch Quatsch zu machen und den SchülerInnen zu ermöglichen auch einmal
auf die PädagogInnen herabzuschauen. (Vgl. PLATH 2009: 22 f.) Dass
LehrerInnen „Chef im Klassenzimmer“ sein müssen, ist wichtig, denn sie tragen
die Verantwortung. „Chef“ zu sein ist aber nicht gleichbedeutend mit „im
Hochstatus sein“, sondern bedeutet, seinen Status situationsangemessen heben
und senken zu können. (Vgl. JOHNSTONE 2002: 55 f.) Dieses Balancieren
zwischen Hoch- und Tiefstatus erachte ich als besondere Herausforderung, die
keinesfalls von Angst getragen werden sollte.
„Spielleiter zu sein, das bedeutet wortwörtlich: der Leiter bzw. die Leiterin
von Spielen zu sein. Und spielen bedeutet: ohne Angst vorm Scheitern
alles ausprobieren und dabei lernen, so wie kleine Kinder es schon immer
tun. Das muss auch für uns selber gelten – wenn wir nicht mitspielen,
klappt es nicht.“ (PLATH 2009: 24)
MAIKE PLATH (2009: 23 f.) kommt zu dem Schluss, dass Mitspielen im
rollendefinierten Lehrer-Hochstatus gar nicht möglich sei und LehrerInnen
zwangsläufig StatuswechslerInnen sein müssten. So müssen sie Verantwortung
tragen und dabei aber ständig den Status verändern und den SchülerInnen
gegenüber gleichzeitig FreundIn, SpielleiterIn, Boxsack und MentorIn sein. In
diesem Konzept ist auch die Lehrerschaft vor eine Herausforderung gestellt. Zur
Frage, ob vorzugsweise die KlassenlehrerIn während des Projektes anwesend sein
solle, gilt Folgendes zu beachten: Einerseits ist das Klima in der Klasse ein
anderes, wenn die Lehrperson nicht anwesend ist. Das könnte für den gesamten
Prozessverlauf förderlich sein. Andererseits könnte die LehrerIn als BeobachterIn
für die Nachbearbeitung des Projektes von großer Bedeutung sein.
189
Grundsätzlich
konzipiere
ich
dieses
Projekt
als
mehrteiliges
und
im
Klassenverbund stattfindendes Erfahrungslernen, das die Lebenswelt der
SchülerInnen zum Ausgang hat. Partizipation ist ein Prinzip dieses Konzeptes,
d.h. die SchülerInnen dürfen und sollen mitbestimmen, wie der Verlauf des
Projektes sein soll. Um das Erfahren zu ermöglichen sind Spielregeln notwendig,
die im Folgenden in das Konzept mit einfließen sollen. Wesentlich erscheint mir
an dieser Stelle festzuhalten, dass alles, was die Gruppe bei diesen Spielen zu dem
Thema entdeckt und was es mit ihnen tut, es wert ist, beispielsweise auf
Wandzeitungen festgehalten, fotografiert, gezeichnet, gemalt, aufgeklebt zu
werden. „Nichts ist unwichtig.“ (HÜBNER/KUBITZA/ROHRER 1985: 175)
Folgende Schritte gilt es zunächst zu beachten:
Schritt eins: Räume
Der Klassenraum wird als ein Raum der SchülerInnen, als ihr Erfahrungsraum, als
der Raum ihrer sozialen Begegnungen wahrgenommen und wird ganz bewusst
durch dieses theaterpädagogische Projekt aus dem gewohnten Ablauf genommen.
Zunächst soll Raum entstehen. Die Tische werden auf die Seite geschoben und die
Stühle im Raum verteilt. (Vgl. beispielsweise HOFFMANN 2008: 21)
Schritt zwei: Das Kennenlernen und Schaffen einer angstfreien Atmosphäre
Bei der Begrüßung erscheint es mir wichtig, wirklich zu jedem Kind Kontakt
aufzunehmen, jedem Kind die Hand zu geben, mich vorzustellen und zu fragen
„Und wie heißt du?“, den Namen zu wiederholen, um zu zeigen: du ich nehme
dich ernst, ist für mich Grundvoraussetzung.
„Ich bin heute mit einem Workshop zu euch gekommen. Das Thema „Das WWW
in der kindlichen Lebenswelt und die Weltsicht der Erwachsenen. Woher kommt
es? Wohin führt es? Wozu dieses Theater? Ein Hinterfragen von scheinbar
selbstverständlichen Entwicklungen.“ begleitet uns durch diesen Vormittag.
190
Als Einstieg und um mit den SchülerInnen in Kontakt zu treten wird die
Aufforderung ausgesprochen, sich doch einmal ganz anders auf den Stuhl zu
setzen, zunächst ganz bequem und dann äußerst unbequem. Wie haben wir uns
dabei gefühlt? Wie hat sich unser Klassenraum verändert? Wie hat sich jedes
Individuum verändert? Hatten wir Spaß? Oder irritiert uns diese ungewohnte
Situation? Wesentlich ist es, auf spontane Anliegen der SchülerInnen einzugehen;
das stellt eine große Herausforderung dieses Schrittes dar. Nicht alles kann von
vornherein bestimmt sein. Das gegenseitige Kennenlernen und das Schaffen einer
vertrauenswürdigen Atmosphäre stehen im Vordergrund und das bedeutet für
mich, den Hochstatus zu verlassen und mich mit den Kindern auf einer Ebene zu
bewegen.
Eine Übung zur spielerischen Erprobung wechselnder Gefühlssituationen mit
Stimme und Körper und um den Hochstatus zu erproben beziehungsweise
bewusst zu verlassen, kann wie folgt aussehen:
Die SchülerInnen verteilen sich im Raum und gehen in Zweier-Gruppen
zusammen. DarstellerIn A stellt sich auf die Sitzfläche eines Stuhles. DarstellerIn
B steht dicht vor dem Stuhl und sieht zu A auf.
-
A sagt nur „Nein“.
-
B sagt nur „Ja“.
B beginnt. Das „Ja“ wird von B in allen möglichen Haltungen und Stimmungen
(bittend, flehend, wütend, hoffend, zornig, laut, leise, beschwörend, mit und ohne
Fragezeichen, Ausrufungszeichen etc.) gespielt. A reagiert in seiner erhöhten
Position auf dem Stuhl auf jedes ihm herauf gegebene „Ja“ mit einem der
angebotenen Situation entsprechenden oder widersprechenden „Nein“. Auch
Schweigen kann eine Antwort sein, den Blick verweigern oder auch brüllen. Der
Spielleiter/die Spielleiterin unterbricht (lautstark!) erst, wenn sich die Situationen
wiederholen. Die DarstellerInnen tauschen die Plätze, der der oben war, steht jetzt
vor dem Stuhl und umgekehrt; es wird sofort weitergespielt. Der SpielleiterIn
unterbricht erst, wenn sich die Situationen wiederholen. (Vgl. JENISCH 2005: 20)
191
In einer Reflexionsschleife wird dann besprochen, welche Rolle mit welchen
Gefühlen in Verbindung gebracht wurde. Welche Rolle ist den SchülerInnen
leichter gefallen? Widersprüche können thematisiert werden und die Erlebnisse,
Erfahrungen und Phantasien der SchülerInnen, ihre Konflikte und Wünsche,
Ängste und Träume sollen Gegenstand dieser Phase des Projektes sein. (Vgl.
SCHELLER 1981: 63)
Schritt drei: Konfrontation mit einer Szene
Anschließend führe ich vor, jemand anderes zu sein. Ich verkleide mich und lege
mich mit einem Laptop in die Mitte des Raumes und beginne eine vorbereitete
Szene zu spielen, mit der Bitte an die SchülerInnen, diese aufmerksam zu
betrachten, um danach in einer Interaktion diese Szene zu bearbeiten. Wichtig ist
hier, dass die SchülerInnen nicht Zuschauer sind, sondern sich als aktiv am
Prozess Beteiligte erleben sollen. Sie können jederzeit durch das Ausrufen von
„Stopp!“ die Szene stoppen und diese nach eigenem Ermessen fortführen.
Vorbereitete Szene:
10jähriges Mädchen spielt am Computer.
Bum, Bäng, Tusch, Bum, Bäng, Tusch. Na warte, dich krieg ich auch
noch.
Mädchen blickt auf und stellt fest, dass die Eltern außer Haus sind.
Ma, endlich hab ich mal Zeit für mich. Mama und Papa sind nicht da.
Jetzt kann ich ins Internet. Ich chatte voll oft.
Mädchen loggt sich in ihren Lieblingschatroom ein und spricht mit sich
selbst.
Also, da ist der, der mich immer so verarscht oder so. Aber meine
Nummer verrate ich nicht, weil der mich dann vielleicht belästigt oder so.
Es kann ja sein, dass ich mit so einem alten Mann chatte, ga, und dieser
alte Mann, und dann trifft der sich mit mir und der sagt er ist 16 oder was
und nachher tut er mich vielleicht entführen. Wenn ich chatte, dann gebe
192
ich immer irgend so eine andere Adresse ein, eine andere Telefonnummer,
und dann kommt er zum anderen. (lacht)
Ich bin Superwoman und das ist gut so! Ich geb‟s ja zu, manchmal sag ich,
ich sei 20, obwohl das gar nicht stimmt, aber sonst komm ich ja nicht in
gewisse Chatrooms, das ist eh normal, dass du sagst du bist 16 oder 20.
Mit einem chatte ich meistens über eine Stunde. Ah, da ist er ja, Konrad,
mein Chatfreund. Den mag ich total.
Mädchen schreibt auf der Tastatur:
Du, was machst du gerade?
Aha, er spielt Zoo Tycoon. Das mag ich auch voll.
Wie, ja, äh, der will sich mal mit mir treffen. Coole Idee! Oder doch nicht?
(Pause)
Mädchen nimmt das Handy aus der Tasche
Nein, da schreibt die ganze Zeit einer, willst du ähm dich mit mir treffen
oder irgendwas. Und ich sage immer, nein, habe keine Zeit oder so
irgendwas.
Mir schreibt die ganze Zeit einer SMS, magst du mich. Die ganze Zeit, ich
weiß nicht, wie er meine Nummer gekriegt hat, von wem der, es haben
viele Leute meine Nummer. Jeder hat meine Nummer fast, ga, meine
Nachbarn, und dann schreibt der die ganze Zeit, fast jeden Tag, wie heißt
denn du? Ich hab dich so gern. Magst du mich? Weißt und dann schreib
ich schon gar nichts mehr zurück oder lösche ich das SMS. Ja du, ga. Aber
fast jeden (betont) Tag kommt so ein SMS.
Mädchen legt das Handy weg.
Aber ich muss noch was für die Schule googeln, Moment mal, was
brauche ich für mein Referat? Ja, Skorpion, ja da find ich sicher viele
Informationen.
Also, was steht da – Igitt, ich bin auf Sexseiten gestoßen? Ich wollte das
doch gar nicht! Da zieht sich eine aus? Da sind alles nackte Mädchen. Ich
muss da raus! (drückt nervös auf die Tastatur) Was soll ich tun? Mist, ich
komm nicht mehr raus. (klappt den Computer zu)
193
An dieser Stelle setzt die Interaktion mit den Kindern an, sofern die Szene nicht
zuvor bereits von den Kindern gestoppt wurde:
Habt ihr auch schon einmal so etwas Ähnliches erfahren?
Wie erlebt ihr eure Interneterfahrungen?
Welches Thema ist für euch spannend?
Worüber wollen wir mehr erfahren?
Was hat uns selbst vielleicht schon einmal betroffen?
Oder kennen wir jemanden, der mit soeben dargestellten Themen bereits
konfrontiert wurde?
Die Erfahrungen der SchülerInnen stehen im Mittelpunkt. Entweder die Kinder
wollen diese erzählen, oder, so wie ich, die Erlebnisse mit dem Laptop als
Requisite vorspielen. Die Freude und der Spaß am spielerischen Austausch
miteinander, an der Erprobung von spontanen, unerwarteten Szenen, am
Verwandeln und Verkleiden, am Improvisieren und den eigenen Intuitionen zu
folgen, stehen im Vordergrund. Mit Interesse und Wertschätzung begegnen wir
einander. Es gibt kein Richtig oder Falsch, kein Gut oder Schlecht – in diesem
Workshop ist kein Platz für Wertungen. Die Beobachtungen, die die aktiven ZuSchauspielerInnen machen, sind sehr wichtig und nach jeder gespielten oder
erzählten Geschichte soll Raum sein, diese Beobachtungen wertfrei zu äußern.
Alle TeilnehmerInnen dieses Workshops werden zu Mitentdeckern, Mitgestaltern
des Geschehens. Wir erfinden unsere Lebensumwelt neu und das kann das vorher
Entdeckte in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.
Der Kommunikationserfolg ist die Kommunikation an sich und die Beteiligung
aller, ohne die Angst zu versagen. Es geht nicht um ein Belehren oder Verändern,
sondern vielmehr um eine Spurensuche, die initiiert werden soll. Neue
Erfahrungen sollen ein Verstehen ermöglichen und der Fokus liegt auf dem Hier
und Jetzt, auf dem Bewusstsein und der Erfahrung. Der eigentliche Gewinn ist der
Prozess und nicht die fertige Präsentation.
194
Schritt vier: Wir erarbeiten eigene Rollenspiele
Es kann jedes Kind bei seinem Thema bleiben oder es bilden sich Kleingruppen
zu jeweiligen Themen. Eigene Rollenspiele werden überlegt und geprobt.
Spontanität und Kreativität stehen im Vordergrund.
Nach einer Präsentation der Rollenspiele beginnt die Suche nach Widersprüchen
in den einzelnen Themenfeldern.
Schritt fünf: Die Suche nach den Widersprüchen beginnt
Die SchülerInnen begeben sich auf die Suche nach Widersprüchen in den
einzelnen Szenen. Diese werden dann im Plenum diskutiert; auf diesem Wege
kann prozessethisches Gedankengut erfahren werden.
Als Theaterpädagogin erscheint es mir wichtig einen Fahrplan zu haben, diesen
aber jederzeit verlassen zu können. Die Lebenswelt der SchülerInnen steht im
Mittelpunkt;
dies
vor
dem
Hintergrund
unserer
Erfahrungen
und
erwachsenenzentrierten Sichtweisen wirklich erleben zu können, stellt gewiss eine
große Herausforderung dar. Man sollte sensibel sein für das, was die SchülerInnen
brauchen, Flexibilität ist gefordert. Fragen und Anregungen von Seiten der
SchülerInnen sind erwünscht und die Reflexionsebene hat einen besonderen
Stellenwert. Es ist eine Frage der Herangehensweise und der Partizipation durch
die SchülerInnen, ob eine für alle bereichernde (Lern)Erfahrung zustande kommt.
Das Spiel ist der Königsweg der Kinder.
JAKOB L. MORENO
195
10 ZENTRALE ERGEBNISSE UND HINTERGRUNDTHEORIEN
Was habe ich beforscht?
Was ist dabei herausgekommen?
In
diesem
Kapitel
wird
nun,
basierend
auf
den
Daten
aus
dem
Interventionsforschungsprojekt, der Blick auf das Thema vertieft und interpretiert.
Durch intensives Nachdenken soll eine Erweiterung des Erfahrungshorizontes
ermöglicht werden. Ich habe in meiner Forschung die Sichtweise der Kinder zum
Thema WWW durchleuchtet und die der Erwachsenen dazu in Bezug gesetzt. Ein
Hinterfragen von scheinbar selbstverständlichen Entwicklungen soll nun in
diesem zusammenführenden Ergebniskapitel mit der Präsentation meiner
Hypothesen und Hintergrundtheorien enden. An dieser Stelle halte ich einmal
mehr fest, dass die Dokumentation des Interventionsforschungsprojektes in dieser
Arbeit einen hohen Stellenwert hat. Auch sehe ich in der Dokumentation der
Rückkoppelungsveranstaltungen wesentliche Ergebnisse dieser Forschung. Selbst
wenn auf diesem Wege Redundanzen nicht zur Gänze vermieden werden können,
ermöglicht diese Vorgehensweise das Querlesen einzelner Bausteine der
Forschung.
Durch die ständige Bereitschaft zur Neuorientierung und das Zulassen der eigenen
Unwissenheit in Bezug auf das Ergebnis, ist es mir gelungen, im Zuge des
Forschungsprozesses stetig dazu zu lernen. Zunächst legte ich den Fokus auf die
Ergebnisse auf der Ebene der Methoden. Hier kristallisierte sich für mich die
Methode der Theaterpädagogik als dienliches Instrument der Rückkoppelung
interventionswissenschaftlicher Forschung heraus (siehe hierzu Kapitel 8). Bei
reflektierender Betrachtung der Forschung komme ich außerdem zu der
Auffassung,
dass
das
themenorientierte
Rollenspiel
eine
förderliche
Erhebungsmethode im Kontext des Forschens mit Kindern darstellt. Auch die im
Zuge der Rückkoppelung angefertigten Keilrahmenbilder manifestierten sich als
geeignete Methode der Wissensgenerierung im Forschungsprozess mit Kindern.
So waren die Teilnehmende Beobachtung und das Gruppeninterview, begleitet
von der zeichnerischen Aktivität der Kinder zwar die grundlegenden Methoden,
196
um die Sichtweise der Kinder zu erfahren; diese wurden im Forschungsverlauf
aber durch das partizipative Gestalten eines Keilrahmenbildes und das
Experimentieren mit theaterpädagogischen Elementen, dem themenorientierten
Rollenspiel, erweitert. Die Kombination all dieser Bausteine der Forschung stellte
sich als sehr brauchbares Methodenrepertoire für das Forschen mit Kindern
heraus. Erst durch diese Vielfalt an unterschiedlichen Zugängen ist es mir
gelungen, ein Bild entstehen zu lassen, das meines Erachtens einen interessanten
Spiegel der kindlichen Sichtweise darstellt.
An dieser Stellte gilt es aus der Fülle an Forschungsdaten die zentralen
herauszufiltern und Diskussionsraum zu bieten. Aus dieser Vielzahl von
Ergebnissen sollen nun jene herauskristallisiert werden, die der zusätzlichen
Betrachtung bedürfen, und Hintergrundtheorien angeboten werden. Ein möglicher
Weg kann es sein, Probleme auf ihre Grundwidersprüche zurückzuführen, da dies
das Individuum entlasten kann. Wichtig ist es an dieser Stelle zu erkennen, dass
zwei Aussagen einander zwar widersprechen und dennoch beide als richtig
angesehen werden können. Demnach muss die Logik ausgeschaltet werden,
wonach zumindest eine der beiden Aussagen als falsch gelten muss. Die in
Kapitel 3 vorgestellte Prozessethik wird als Widerspruchsmanagement (vgl.
KRAINER 2010: 584 ff.) ausgeführt und dient hier als grundlegendes Basiswissen.
Bei wiederholter Betrachtung meiner Forschungsdaten und der Reflexionen zu
den Teamsitzungen machten sich drei große Themenfelder als zentrale Ergebnisse
auf:
Erstens würde sich aufgrund meiner Daten der Fokus Schule anbieten, zweitens
der Fokus Computer als Kommunikationsmedium und drittens der Fokus Kinder
im WWW im Kontext der Generationenthematik.
197
10.1 VOLKSSCHULE ALS ORT DER FORSCHUNG
Der Lehrer ist nicht mehr „Lehrer“
(in einem traditionellen Verständnis),
sondern Organisator von Lernprozessen.
EWALD E. KRAINZ
Die Tatsache, dass meine ForschungspartnerInnen im System Schule verankert
waren, macht meines Erachtens eine nähere Betrachtung dieser Art der
Organisation erforderlich. Auch war mein Erstkontakt zur Erlangung der
Genehmigung für eine Teilnehmende Beobachtung57 bei den ForschungspartnerInnen der VS I der Beginn dieser Forschung. Vor allen Dingen die in
Kapitel
6.1
dokumentierten
Auswertungsprozesse
der
Teilnehmenden
Beobachtungen haben in meinen ForscherInnenteams Bilder erzeugt, die es im
Folgenden zu reflektieren gilt.
Das System Schule wurde in den letzten zwei Jahrhunderten erfunden, um
einerseits die Kinder unterzubringen, um den Erwachsenen im Zuge des
Industriezeitalters die Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, und andererseits eine
Anpassung in die gesellschaftlichen Begebenheiten, die Anerkennung von
Autorität und Hierarchie, zu erreichen. Heute steht weniger die Erziehung zum
Gehorsam im Vordergrund, vielmehr sollen SchülerInnen zu selbständigem
Arbeiten, zu Kritikfähigkeit und zu Demokratie angeleitet werden. Die gesetzlich
verankerten Zielformulierungen und die hierarisch strukturierte Arbeitsweise
ergeben aber notwendigerweise einen Widerspruch. (Vgl. KRAINZ 2000: 185 f.)
Es entspricht der inneren Logik des Systems Schule, dass LehrerInnen zugleich
den Status von Autoritäten und einen guten sozialen Umgang mit SchülerInnen
benötigen. LARISSA KRAINER (2010: 600) zufolge sind die inneren Logiken „in
aller Regel von Widersprüchen gekennzeichnet. (…) Sie zunächst gemeinsam
beschreiben
zu
können
(und
auch
ihre
Widersprüchlichkeit
als
überlebensnotwendig zu begreifen) hilft dabei, sie anschließend kritisch
reflektieren zu können und danach zu fragen, was daran erfolgreich ist und
57
Die Beobachtungsprotokolle befinden sich im Anhang.
198
beibehalten werden soll, wo demgegenüber Veränderungsbedarf besteht und wie
dieser erreicht werden kann, ohne die Logik der Organisation dabei aber völlig
außer Kraft zu setzen (wenn sie nicht zu einer völlig neuen werden soll).“
Die Schule als Organisation scheint vor dem Hintergrund der sich wandelnden
Rahmenbedingungen und allem voran der zunehmenden Mediatisierung
kindlicher Lebenswelten und der rasanten Entwicklungen der neuen Informationsund Kommunikationstechnologien einer grundlegenden Neuorientierung zu
bedürfen. Wenngleich die Organisation Schule in der Vergangenheit immer
wieder versuchte, sich an den Veränderungen zu orientieren und kleinere
korrektive Maßnahmen setzte, so ist sie dennoch, so glaube ich, nach wie vor im
Kern unverändert geblieben und der oben von LARISSA KRAINER beschriebene
Prozess der kritischen Reflexion durch alle Beteiligten ist meist ausgeblieben.
Schule muss sich meines Erachtens am Ort des Geschehens selbst zum Thema
machen und Lernen muss gemeinsam reflektiert und neu gedacht werden. Wie
aber kann dies geschehen? Ein möglicher Weg aus der Unterordnung hin zur
Selbständigkeit der SchülerInnen könnte es sein, wenn der Unterricht als
„Geschehen, das organisiert werden muss“ und „Lehrer und Schüler als
Vertragspartner“ angesehen würden. Es müsste demnach nicht primär um
inhaltliche Fragen gehen, sondern um die soziale Form, in der Inhalte jeglicher
Art bearbeitet werden. Das Design des Unterrichts als Formgebung und darüber
hinaus als bewusstes, beabsichtigtes und „berechnendes“ In-Beziehung-Setzen
von Form und Inhalt, bedeutet in der Durchführung die Organisation von
Lernprozessen, was unter Umständen einen Perspektivenwechsel in der Arbeit
von LehrerInnen und SchülerInnen mit sich zieht. (Vgl. KRAINZ 2000: 185 f.)
Lernen müsste demnach zukünftig als Entwicklung und als sozialer Prozess
verstanden werden, der kommunikative Vorgang müsste besondere Beachtung
finden. Ist es uns möglich, uns von individuellen Lernbegriffen zu lösen und
„Bildung als kollektive Anstrengung zu beschreiben“? (KRAINER 2007: 368)
199
An dieser Stelle eröffnet sich für mich auch die Frage nach „Bildung und Ethik“.
In Anlehnung an HERBERT ROMMEL (2007: 17 ff.) vertrete ich die Ansicht, dass
der Bedarf nach Ethik größer ist denn je und daher die Bildungsinstitutionen auch
wieder gefordert sind. Im Kern geht es darum, wie durch den kollektiven Prozess
der Bildung ethische Kompetenzen bei SchülerInnen gefördert werden können,
um ihnen zu ermöglichen, sich selbst ihre Werte bewusst herauszubilden und
ethische Urteile bzw. Entscheidungen treffen zu können. Welchen Einfluss soll
und kann Schule nehmen, welchen keinesfalls – das führt zur Frage, welche
methodisch-didaktischen Settings Ethik braucht. (Vgl. KRAINER/HEINTEL 2010:
144 f.)
In diesem Zusammenhang treten wiederum Widersprüche auf, die zahlreiche
Fragen aufwerfen und den Spannungsbogen Schule und Ethik kennzeichnen.
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Soll eine Wertevermittlung in und durch
Schulen erfolgen? Welche Werte gelten? Wie wird mit unterschiedlichen
Wertkulturen verfahren? Soll Schule für ethische Bildung zuständig sein? Wie
kann Ethik im Unterricht überhaupt gestaltet werden? Ethik ist seit jeher in das
Spannungsfeld zwischen Fachwissen und ethischer Entscheidungsfähigkeit
gestellt. Autorität ist einerseits für den Unterricht dienlich (fachliche
Wissensvermittlung), andererseits ermöglicht erst ein teilweiser Verzicht auf
fachliche Autorität ein Vorankommen, um die kritische Urteilskraft der
SchülerInnen zu fördern. (Vgl. a.a.O.: 145 f.) Ein möglicher Schritt zum bereits
oben andiskutieren Rollenwechsel von Lehrenden hin zu ModeratorInnen und
GestalterInnen von sozialen Prozessen könnte mittels des von mir in Kapitel 9
erarbeiteten „Konzeptes für ein interaktives theaterpädagogisches Projekt“ in
Schulen getan werden und einen adäquaten Ort und die dafür aufzubringende Zeit
bieten.
Im Zuge der Auswertungsprozesse der Teilnehmenden Beobachtungen (siehe
hierzu Kapitel 6.1) wurden folgende zentrale Hypothesen als Ergebnisse meiner
Forschung erarbeitet:
200
-
Das System Schule muss funktionieren. Latente Konfliktsituationen
eskalieren nicht, selbst wenn keine Autorität vorhanden ist oder weil der
Computer als Autorität zu präsent ist.
-
Ein Lehrermangel im System Schule wird kompensiert beziehungsweise
nicht thematisiert. Die Beobachterin, die in das System Schule kommt,
wird als Objekt wahrgenommen, das den SchülerInnen sonst fehlt. Eine
Sehnsucht nach Menschlichkeit wird in
der Auswertungsgruppe
empfunden. Die Person der Beobachterin stellt demnach etwas dar, was
die Schule braucht: Sie ist da, empfänglich, nicht vom System, fürsorglich,
mütterlich? Sie sieht Dinge, die vom System nicht gesehen werden. Sie
wird sofort in etwas hineinprojiziert. (Ein Kind fragte mich, ob ich eine
Lehrerin sei, ich verneinte und das Mädchen sagte „Schade“). (Vgl. Erstes
Beobachtungsprotokoll im Anhang)
-
Eine Skepsis seitens der Lehrerin gegenüber dem Medium Computer wird
ausgeklammert, in den Hintergrund gestellt. Das Empfinden des
Computers als Zeiträuber und die vordergründige Bedeutung von anderen
Fähigkeiten wird in der Auswertungsgruppe wahrgenommen; ebenso die
Eigenschaften des Direktors, einem Lehrer mit persönlichem Engagement,
umwoben von Ambivalenzen.
-
Die Kinder haben keine Gesichter. Befindlichkeiten der Kinder werden
durch die Präsenz des Computers nicht wahrgenommen oder haben im
kognitiven System Schule wenig Platz. Geräte haben eine so starke
Autorität, dass bei Problemen die Schuld bei den Kindern gesucht wird.
Konflikte der Systemlogiken des Systems Schule und deren Wertfiguren,
basierend auf den systemischen Widersprüchen, treten in den Blickwinkel der
Aufmerksamkeit. Diese Gedanken und Fragen seien an dieser Stelle zwar
angeführt, sie werden in weiterer Folge aber weitgehend ausgeklammert, da der
Fokus im Folgenden nicht auf das System Schule gerichtet ist.
201
10.2 COMPUTER IM ALLGEMEINEN
„(…) das ist die Zukunft, also ohne Computer läuft eh nichts mehr.“
(IVP E1: 2)
Das Thema Computer im Allgemeinen und die Handhabung der Technologie soll
an dieser Stelle kurz Diskussionsraum finden. Wenngleich im Zuge meiner
Forschung die Funktionsweise und die Autorität des Computers an sich
wiederholt zum Thema wurde, werden die Ergebnisse zu diesem Themenbereich
nur kurz zusammengefasst, da der Fokus im Folgenden auf das Lebendige gelegt
werden soll.
Die Auseinandersetzung mit dem Computer wird als aktiver Prozess angesehen
und Kinder erfahren dabei Lob und Bestätigung. (Vgl. IVP E1: 3 f.;
Beobachtungsprotokolle) Während Kinder den Umgang mit dem Computer mit
einer „spielerischen“ (IVP L1: 4 f.) Leichtigkeit erfahren, „aus ihrem eigenen
Instinkt heraus das Richtige machen“ (IVP E2: 5), stellt dies für manch
Erwachsenen einen „gefürchteten“ Lernprozess (IVP E1: 4) dar. Einerseits wird
der Computer von Erwachsenen als „Zeiträuber“ (IVP L2: 11 f.), andererseits als
„positiver als der Fernseher“ (IVP E1: 8) wahrgenommen. Als dienlich bei
Bankgeschäften, sinnvoll in der Schule und als unabdingbar in unserer Zeit bringt
der Computer zweifelsohne viel Positives mit sich.
Wie aber gelingt Kindern dieses spielerische Lernen mit dem Computer? Die
Beobachtungen im System Schule haben den Fokus auf die Probleme beim
Hantieren mit der Hardware gerichtet. So wurden die Mängel und Probleme mit
der Maus oder Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme des Computers basierend
auf
den
Beobachtungsprotokollen
von
meinen
KollegInnen
aus
unterschiedlichsten Wissenschaften stark wahrgenommen und beeinflussten nach
ihrem Ermessen auch die Motivation der Kinder im Umgang mit den neuen
Informations- und Kommunikationstechnologien.
202
In diesem Zusammenhang war bei den kindlichen ForschungspartnerInnen im
Umgang mit dem Computer die Spontaneität der Sprache auffällig:
-
Erstens redet das Kind so, als ob es selbst das Gerät sei. Eine
Identifikation mit dem Computer ist beobachtbar. „Ma, bei mir geht‟s
nicht.“
-
Zweitens spricht das Kind in der dritten Person über das Gerät. Der PC
wird zu einer Person. Eine Personifizierung des Computers findet statt.
„Der muß laden. Warte a bissi.“ Oder „Was hat er denn jetzt schon
wieder?“
-
Und drittens redet das Kind direkt mit dem PC. Es erfolgt eine direkte
Anrede des Computers.
Kinder lernen den Umgang mit dem Computer sehr schnell und sehen ihn als
etwas Selbstverständliches an. Sie ärgern sich aber auch, wenn etwas nicht
funktioniert beziehungsweise die Maus verzögert reagiert. Dies äußerte sich vor
allem in meiner zweiten Beobachtungseinheit der Kinder der 1. und 2. Schulstufe
im Umgang mit dem Lernprogramm „Lilos Lesewelt“58.
Als spannendes Ergebnis erachte ich auch die Beliebtheit des „alten Laptops“ im
Zuge der theaterpädagogischen Experimente. So war die Rolle des Kindes, das
mit dem Laptop spielen durfte, bei meinen ForschungspartnerInnen der VS I mit
Abstand die beliebteste und auch das Festklammern am Gerät und das Nichthergeben-Wollen waren für mich interessant zu beobachten. Die ForschungspartnerInnen der VS II gestalteten das Rollenspiel anders; hier war es die Mutter,
die von Beruf Lehrerin war, die am Computer arbeitete. Aber auch hier war es das
Kind, das den Großeltern das Google erklären wollte.
Im
Folgenden
gilt
es
nun,
die
Sichtweise
meiner
kindlichen
ForschungspartnerInnen zu diskutieren und in weiterer Folge mit der Sichtweise
der Erwachsenen in Beziehung zu setzen.
58
Siehe hierzu Beobachtungsprotokoll der 2. Teilnehmenden Beobachtung im Anhang.
203
10.3 KINDLICHE SICHTWEISE
ZUM
THEMA WWW
IN EINER
WELT
DER ERWACHSENEN
Der Fokus richtet sich nun auf das Kind, die kindliche Lebenswelt und den
Stellenwert des WWW im Leben der Kinder, sowie auf die Sichtweisen meiner
erwachsenen ForschungspartnerInnen und in diesem Zusammenhang vor allen
Dingen die der Eltern und LehrerInnen, da sie in der kindlichen Lebenswelt eine
tragende Rolle spielen. Es erscheint naheliegend, an dieser Stelle die
Generationenthematik zu beleuchten. NEIL POSTMAN (1983: 76 f.) kommt nach
der Betrachtung der Kinderpsychologie des vergangenen Jahrhunderts59 zu dem
Schluss: „Niemand hat bestritten, daß Kinder anders sind als Erwachsene.
Niemand hat bestritten, daß Kinder die Erwachsenheit erwerben müssen.
Niemand hat bestritten, daß die Verantwortung für das Heranwachsen der Kinder
bei den Erwachsenen liegt. Und niemand hat bestritten, daß der Erwachsene in
einem gewissen Sinne am ehesten dort er selbst ist und der Zivilisation am
nächsten kommt, wo er sich um Pflege und Erziehung der Kinder bemüht.“
(a.a.O.) Dies soll auch Ausgangspunkt meiner Überlegungen sein.
Schon als Baby werden wir hineingeboren in eine Welt voller Widersprüche.
Diese zu erkennen und sich selbst als Differenzwesen begreifen zu lernen, ist ein
Grundsatz der Prozessethik. Welche Widersprüche spielen nun für meine
ForschungspartnerInnen eine grundlegende Rolle? Ich sehe in der Divergenz von
Kindheit einst und jetzt und im Festhalten an traditionellen Bildern, in der
Abwehrhaltung
gegenüber
neuen
Informations-
und
Kommunikations-
technologien und dem Spüren einer gewissen Angst und Unsicherheit meiner
erwachsenen InterviewpartnerInnen den existentiellen Grundwiderspruch von Alt
und Jung.
Während ich im Zuge des Forschungsprozesses zum Ergebnis gelangte, dass
meine ForschungspartnerInnen der VS I im Alter von acht bis elf Jahren ganz
59
Vgl. beispielsweise Werke von JEAN PIAGET, HARRY STACK SULLIVAN, KAREN HORNEY,
JEROME BRUNNER oder LAWRENCE KOHLBERG.
204
selbstverständlich, experimentierfreudig, neugierig, wenngleich nicht immer
vorsichtig mit dem Internet umgehen und auch das Thema Sex durchaus
aufkommt, wobei ich Mädchen als vorsichtiger und Buben als eher von
Gewaltspielen fasziniert erlebt habe, war auf Seiten der Erwachsenen eine gewisse
Nostalgie (Sehnsucht nach der alten Zeit) und der Fokus auf die eigene
erwachsenenzentrierte Erfahrungswelt bemerkbar. Individuelle Erfahrungen
ließen sich von den Erwachsenen nur schwer oder gar nicht ausblenden.
Die ForschungspartnerInnen der VS II betreffend können folgende Ergebnisse
zusammengefasst werden:
-
Die ForschungspartnerInnen gehen ganz selbstverständlich mit dem
Computer und dem Internet um und lernen sehr schnell.
-
Das Arbeiten und Spielen am PC wird überwiegend als lustig und positiv
erlebt, wenngleich dies durchaus mit Anstrengung oder auch Verärgerung
oder Angst im kindlichen Erleben verbunden sein kann.
-
Das Thema Sex scheint als negative Erfahrung bereits einen gewissen
Raum im kindlichen Erleben einzunehmen.
Auf die Frage hin, ob meine kindlichen ForschungspartnerInnen bereits negative
Erfahrungen im WWW gemacht hätten, sollen folgende Transkriptionsauszüge
aus den Gruppeninterviews für sich sprechen. Ich halte es für wichtig, den Worten
meiner kindlichen ForschungspartnerInnen Raum zu geben:
„Also, also letztes Jahr, da, da sind die Buben, also gespielt, ich weiß
nicht wer jetzt gespielt hat, aber sie wollten auf eine Internetseite gehen,
aber keine also, und plötzlich ist da so ein nacktes Mädchen. Und also ah,
ich kann es nicht erzählen und äh, ah, wie soll ich sagen, also, so wie das
Mädchen war ga, also hat sie sich nackt ausgezogen und da aber, es war
alles verdeckt. Man hat nicht gesehen genau.“ (S-GIV 4: 27)
„Ma und ich bin von der Seite einmal nicht mehr rausgekommen. Ich hab
die ganze Zeit x gedruckt und es ist nicht gegangen und schließen und
dann hab ich Gott sei Dank sofort den Stecker rausgerissen.“ (S-GIV 4:
27)
205
„Also, die Paris Hilton, aber ich würde nicht unter Paris Hilton de gehen
oder irgendetwas unter Google, weil sie hat da einmal ein Sexvideo
gemacht.“ (S-GIV 4: 28)
„Sex und ficken. (Lachen) Das hat ??? gesagt.“ (S-GIV 1: 14)
„[Auf die Frage was Chatten ist; Anm. d. Verf.] Ja, aber das ist blöd,
wenn man da Fotos schickt von mir nackt, ich hab das schon einmal im
Fernsehen gesehen.“(S-GIV 3: 3)
„Schon voll oft. Mit einem chatte ich über eine Stunde meistens.“ (…)„Wir
tun meistens nur äh ja meistens tun wir halt so eine anderen Namen, dass
wir halt so, nein nur manchmal tun wir die richtigen Namen, aber nur
manchmal, dann tun wir halt ein anderes Alter eingeben, das ist eh ganz
normal.“
„Ja weil 10 kannst du nicht eingeben, du kannst nur 20.“
„16 oder 13 geben wir meistens ein, so alt wie der andere halt ist.“ (S-GIV
4: 30)
Pornographische Darstellungen und Chaterfahrungen sind im kindlichen Erleben
nicht mehr auszublenden und die Rolle der Erwachsenen wird zukünftig eine
andere werden. Sie finden sich nicht mehr so sehr im Expertenstatus wieder,
sondern um die Welt ihrer Kinder verstehen zu können, wird vor allen Dingen
Interesse an ihren Erlebnissen und aktives Zuhören von Bedeutung sein.
Zweifelsohne haben die stetigen Entwicklungen und Neuerungen der globalen
Kommunikationstechnologien
nicht
nur
positive
Seiten.
Wie
aus
den
Interviewauszügen der Kinder hervorgeht, sehen sie sich immer öfter mit
inadäquaten Inhalten konfrontiert. Vor allem vor dem Hintergrund der Gefahren
und Risiken des Internets drängt sich mir die Frage auf, ob Kindheit an sich noch
gewahrt bleiben kann? Im Fokus steht die Frage, wieviel Eltern von den
Interneterlebnissen ihrer Kinder wissen. So halte ich die Erlebnisse mit
pornographischen Darstellungen im WWW für bedenklich. Gehen Eltern davon
aus, dass ihre Kinder davor sicher sind?
„(…) da sind sicher Gefahren, aber ich fürchte deswegen nicht um meine
Kinder, (…) natürlich kann es passieren, dass sie, (…) in irgendeine
206
Pornofotos, vielleicht, hineinkommen, aber (…) da fürchte ich nicht, dass
die Kinder da jetzt auf die schiefe Bahn geraten.“ (IVP E1: 6)
Das Gespräch über belastende Erlebnisse erhält einen neuen Stellenwert und
wiederum wird der Faktor Zeit eine Rolle spielen. Haben Eltern Zeit, um ihren
Kindern aktiv zuzuhören? Können Eltern Kindern in ihre Onlinewelt überhaupt
noch folgen? Historische Ungleichzeitigkeiten vor dem Hintergrund der
unterschiedlichen Erfahrungen der Generationen im Umgang mit dem WWW
können deren Zusammenleben maßgeblich beeinflussen.
Auch die Entwicklungsunterschiedlichkeiten im Umgang mit dem WWW von
Kindern die Zugang beziehungsweise keinen Zugang zum Internet haben, könnten
für die Zukunft wegweisend sein. So können Konflikte basierend auf
Widersprüchen
„historischer
ForschungspartnerIn
hat
das
Ungleichzeitigkeiten“
Problem
der
auftreten.
Gleichberechtigung
Eine
folgend
angesprochen:
„(…) es sind natürlich die Kinder benachteiligt, die zu Hause, aber da ist
der Prozentsatz schon sehr gering, die keinen Computer, also kein Internet
haben, (…) also ich muss sagen, es, sie lernen sehr schnell, sie sind da
sehr, es geht also flott, sie sind da in der Auffassung viel, also einem
Erwachsenen wesentlich (betont) überlegen. Ga, einem älteren Menschen,
ich meine, der ist da dann ja aufgeschmissen.“ (IVP L3: 2)
HEINTEL (2005b: 20 f.) bemerkt, dass gerade die Einführung der diversen
Computertechnologien
und
der
elektronischen
Kommunikation
in
der
Vergangenheit oft Risse in Organisationen deutlich gemacht hat, die schwer
heilbar waren. Dazu kommt, dass wir uns nach HEINTEL „seit einigen Jahren in
einem unreflektierten innovationshysterischen Veränderungsfieber befinden, das
uns ohnehin laufend Konflikte beschert.“ Der Grundwiderspruch liegt nach
HEINTEL (2005b: 21) aber tiefer und lautet „Bewahren und/oder Verändern“ und
„solange sich der Mensch als offen auf seinen Zukunftsentwurf gerichtet erkennt,
wird er, wenn er nicht daran gehindert wird, versuchen zu entwickeln, zu
verbessern, zu verändern.“ Diese Risse in Organisationen treten wohl auch
207
innerhalb der Familien auf. Wohin führt dieses Entwickeln, Verbessern,
Verändern und worin liegt der Sinn des Bewahrens? Jedes Individuum muss sich
damit auseinandersetzen, welche Veränderungen es annimmt und was es als
erhaltenswert ansehen möchte. Das zentrale Spannungsfeld Verändern versus
Erhalten drängt sich meiner Meinung nach auf. Das WWW verändert das Leben
jedes Einzelnen in irgendeiner Art und Weise. Sei es, dass man beruflich darauf
angewiesen ist oder durch keinen Zugang als ausgeschlossen gilt. Wie oben
bereits angedeutet, gelten Kinder, die keinen Internetzugang haben, als
ausgegrenzt und können nicht mitreden. Sie lernen aber sehr schnell und müssen
zunehmend als aktives Publikum wahrgenommen werden.
RÜDIGER FUNIOK (1996: 107 ff.) sieht in der Publikumsethik einen oft
vergessenen Teil der Medienethik und die ethische Frage: „Wie soll ein
verantwortliches Publikum die Medien nutzen?“ erachtet er als zentral, wobei er
sich von der Falle des Moralisierens distanziert, indem er eine „Anthropologie des
Publikums – aus der Perspektive der Mediennutzung“ als Ausgangspunkt ansieht.
Im Wesentlichen nennt er drei Aspekte:
1. Aktives und bewusstes Auswählen in einem sozialen Kontext
2. Privater Charakter und öffentliche Bedeutung der Mediennutzung
3. Positive Sichtweise des Unterhaltungsbedürfnisses
Der entscheidende Punkt zur Aktiven und bewussten Mediennutzung liegt
demnach vor allem in der gedanklichen Verarbeitung von Medieninhalten und
ihrer Versprachlichung in einem sozialen Kontext. „Die soziale Einbettung kann
bestimmte Reflexionen und Bewertungen ermöglichen, andere unterbinden, sie
kann zu persönlichen Stellungnahmen anregen oder nicht.“ (a.a.O.: 110)
In diesen Gedanken bestätigt sich meines Erachtens die Forderung nach aktivem
Zuhören, wenn Kinder über Medienerlebnisse sprechen. Generell hebe ich die
Bedeutung von Gesprächen über negative Erfahrungen im WWW hervor. Vor
allem im Zeitalter der globalen Kommunikationstechnologien erhält das aktive
208
und bewusste Auswählen von Medieninhalten eine besondere Stellung. Meine
ForschungspartnerInnen sind „Meister im Googeln“ (IVP L3: 1) und das
Selektieren aus der Fülle an angebotenen Informationen stellt mitunter eine
besondere Herausforderung dar. So gelangen Kinder häufig unbeabsichtigt auf
Seiten, die sie gar nicht ansehen wollten.
„Also ich bin auf ein Spiel gegangen, weil ich gedacht habe, das ist ein
normales Motorradl-Spiel, und dann, ma nein, das will ich nicht sagen,
und da zieht ma so rüber und da ziehen sich die Mädchen dann unten
aus.“ (S-GIV 4: 27)
Aber auch die Tatsache, dass im WWW nichts so privat ist, wie es scheint,
erfordert Bewusstseinsbildung. So führt FUNIOK als weiteren Aspekt der
Publikumsethik den Privaten Charakter und die öffentliche Bedeutung der
Mediennutzung
an.
Das
in
vermeintlicher
Privatsphäre
stattfindende
Nutzungsverhalten des WWW wird über die Zugriffe erhoben und erlangt somit
öffentliche Bedeutung. „Die Mediennutzung ist also ein individual- und
sozialethisch relevantes Handeln, als dessen angemessene ethische Haltung eine
Rezeption in Verantwortung anzusehen ist.“ (FUNIOK 1996: 110)
Verantwortung
wird
zum
zentralen
Begriff
im
Kontext
meiner
Forschungsergebnisse. Die Medienethik betrachtend, kommt LARISSA KRAINER
(2001: 289) zu dem Schluss, dass weder der Politik, noch der Judikatur, noch den
Wissenschaften, noch den ProduzentInnen und auch nicht den KonsumentInnen
die Alleinverantwortung zugeschrieben werden kann. Vor allem vor dem
Hintergrund
des
WWW
als
globale
Kommunikationstechnologie
muss
festgehalten werden: „Nicht alles kann, nicht alles soll rechtlich verankert werden.
Spätestens dort, wo das Recht an seine Grenzen gelangt, ist Verantwortung
gefragt. Spätestens dort, wo das Recht nicht weiter kann, sind wir selbst
gefordert.“ (KRAINER 2001: 48)
Die Verantwortung für Heranwachsende, für unsere Kinder liegt aber zweifellos
bei den Eltern und den in pädagogischen Institutionen Tätigen. Es geht einerseits
209
um die Förderung „kindlicher Medienkompetenz“ (siehe hierzu Kapitel 2.2) und
vor allen Dingen um Hilfestellungen, um es Kindern zu ermöglichen, „die
Divergenz zwischen virtueller und praktischer Realität“ (KRAINER 2001: 189) zu
verstehen. Eltern sind sich ihrer Verantwortung meist bewusst, gehen aber häufig
davon aus, dass für ihre Kinder keine Gefahr besteht.
„Und was für Erwachsene dann ist, (…) liegt (…) in der eigenen
Verantwortung von ihnen, (…) ich könnt mir nicht vorstellen, dass sie [die
eigenen Kinder; Anm. d. Verf.] so etwas anschauen würden, ja. Nur wenn
ich den geringsten Verdacht irgendwo einmal schöpfen würde, ja, ga, ich
schaue ja oft einmal nach, ob irgendetwas ist, wo du sagen könntest, das
passt nicht, ga. Aber es ist ja auch nichts, ga.“ (IVP E2: 15)
Auch unter den LehrerInnen werden die Gefahren und Risiken des Internets nicht
wirklich als Problem wahrgenommen, dass diese aber im Allgemeinen nicht zu
vernachlässigen sind, wurde in Kapitel 2.3 diskutiert.
„Also, das war bei uns nie ein Problem, weil die Kinder genau wissen,
welche Inhalte aus dem Internet zulässig sind. Es ist passiert, wenn andere
Gruppen in der Schule sind, sind bestimmte Seiten aufgerufen worden,
aber es ist das bei uns kein Problem. Ich kann da nachschauen, welche
Seiten bei diesem Computer aufgerufen worden sind und ich kann
kontrollieren, wenn ein Schüler solche Absichten hat, kommen wir da
sofort drauf. Es hat nur einmal ein Problem gegeben, weil eben ein
Schüler vor zehn Jahren eben mit solchen Ideen in die Schule gekommen
ist, warum und wieso weiß ich nicht, wir haben das sofort erkannt und
dann entsprechend abgestellt. Es gibt aber im Allgemeinen diesbezüglich
nicht die geringsten Beschwerden oder Probleme, über das brauchen wir
normalerweise überhaupt nicht reden, weil es nicht vorkommt.“ (IVP L1:
5)
In der heutigen Zeit sollte das Problembewusstsein für die Gefahren und Risiken
im Internet sensibilisiert werden. Eine offene Gesprächshaltung zu den
SchülerInnen kann als Basis für eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit in der
Schule angesehen werden.
210
„Ja, natürlich schauen die Kinder auch in Seiten rein, die für sie nicht
sind. Sie geben es dann aber auch zu. (…) in der Schule ist das (…) so
etwas darf man nicht und wer das macht, darf dann nicht zum Computer.
(…)Ich hab das dann so gesagt, ich kann mich auf dich dann nicht
verlassen, du klickst Seiten an, die für dich nicht passen oder es gibt ja
auch Seiten die für Erwachsene strafbar sind, wenn man draufkommt, wer
das gemacht hat. (…)Das halten sie aber auch ein. Und (…) sollte einer
einmal etwas anklicken, dann sagen das eh die anderen sofort (…) nur
versehentlich dort hin gerutscht, schauen sie dann nicht und schalten
weiter und ich glaube da sollte das ganze System ein bisschen, also,
gesichert [werden; Anm. d. Verf.]“ (IVP L3: 3 f.)
Das Bedürfnis nach Sicherheit im Kontext des WWW ist auch unter den Eltern
spürbar. Eine Herausforderung ist es aber, auch den Wunsch nach Unterhaltung
unserer Kinder anzunehmen und nicht so sehr in die Falle der Moralität zu tappen.
FUNIOK (1996: 111) sieht eine „wichtige Voraussetzung für eine ausgewogene
Publikumsethik“ in der grundsätzlich positiven Bewertung des emotionalen
Erlebens, der Entspannung oder des Wunsches nach Zugehörigkeit und sozialer
Positionierung. Unterhaltung ist nach FUNIOK nämlich auch relevant für die
eigene Identität – wenigstens im Sinne der Zugehörigkeit zu kulturellen Milieus
und die Medienangebote prägen unsere individuellen Erlebnisformen und unsere
Lebenskultur in vielfältiger Weise mit.
In Kapitel 2 wurde das Kind an sich zum Thema und Medienkindheit wurde
diskutiert. Das Mitmach-Internet ist Bestandteil kindlichen Erlebens und bietet
Kindern vielfältige Möglichkeiten, ihre Bedürfnisse nach Unterhaltung zu stillen.
Zweifelsohne handeln wir Erwachsene ebenso wie unsere Kinder nicht immer voll
verantwortlich und sind im Kontext der Medienethik auch nicht die Einzigen, die
Verantwortung tragen. „(…) wir suchen nach Räumen, wo wir vom bewußten
Handeln und Stellungnehmen entlastet sind.“ (FUNIOK 1996: 111)
Eine Abgabe der Verantwortung kann aber vor allen Dingen in Zeiten der
globalen Kommunikationstechnologien negative Auswirkungen auf unsere Kinder
haben. Die unterschiedlichen Vorstellungen von einer aktiven und bewussten
Internetnutzung von Eltern sowie LehrerInnen auf der einen und Kindern auf der
211
anderen Seite bergen mit Sicherheit Konfliktpotential in sich und eine
Auseinandersetzung mit dieser Thematik kann mitunter einen spannenden Prozess
auslösen. Notwendig ist es daher, die Erwachsenen und Kinder für diese Thematik
zu sensibilisieren. Die jungen ForschungspartnerInnen sehen das WWW nicht
mehr als etwas das Leben Veränderndes, sondern als etwas Selbstverständliches,
als etwas, das sie sich bewahren wollen. Für manch Erwachsenen ist das nicht
nachvollziehbar und es wird eine Sehnsucht nach der guten alten Zeit empfunden.
Auch die Frage was ist Spiel und was ist Realität (IVP E2: 7) ist für Eltern ein
Diskussionspunkt. Eine Konfrontation mit der Thematik von Bewahren und
Verändern kann an dieser Stelle hilfreich sein.
10.4 BEWAHREN UND/ODER VERÄNDERN?
Ein „Bewahren und/oder Verändern“ drückt sich meines Erachtens auch im
Zusammenspiel von Assimilation (Angleichung, Annäherung, Verschmelzung,
Strukturerhaltung) und Akkommodation (Anpassung, Anreicherung, Anhäufung,
Umweltanpassung) in der erkenntnistheoretischen Theorie von JEAN PIAGET aus.
Ohne mich an dieser Stelle in die sehr umfangreichen und sich entwickelnden
Theorie PIAGETS zu vertiefen, will ich lediglich die Aspekte des Erhaltens und des
Veränderns im Kontext meiner Ergebnisse beleuchten. Entsprechend der Meinung
von THOMAS KESSELRING (1981: 90) sind Assimilation und Akkommodation
gegenläufig: demnach besteht die Assimilation in der Integration von etwas
Äußerlichem in den physiologischen Organismus oder den funktionellen bzw.
schließlich intellektuellen Schematismus eines Individuums, also gleichsam in der
Anpassung oder Angleichung von etwas Äußerem (Objektivem) an das Subjekt,
wohingegen die Akkommodation die Anpassung des Subjekts an das Objekt, also
eine Einspielung in umgekehrter Richtung ist. KESSELRING zufolge hat die
Assimilation zwei Aspekte: einerseits die Erhaltung oder Reproduktion des
Organismus und seiner Schemata und andererseits die Veränderung dessen, was
sich das Subjekt aneignet; ebenso hat die Akkommodation zwei Aspekte:
einerseits die Erhaltung und Erweiterung des Interaktionsfeldes zwischen Subjekt
und Umwelt, andererseits die Veränderung des Organismus bzw. der subjektiven
212
Schemata. KESSELRING (a.a.O.) argumentiert, dass sich aus dieser Symmetrie
zwischen Assimilation und Akkommodation zugleich ihre asymmetrische
Stellung erhellt: folglich ist die Assimilation der Akkommodation bei PIAGET
übergeordnet. In der Interaktion von Subjekt und Objekt verändert sich zwar
sowohl das Objekt als auch das Subjekt, aber beide ändern sich um des Subjekts
willen, das diese Interaktion steuert. Besonders interessant erscheint mir, dass
Assimilation und Akkommodation nicht einfach gegenläufige Prozesse, sondern
zwei verschiedene Aspekte eines einzigen sind. (Vgl. a.a.O.: 91)
Kinder nähern sich dem WWW mit einer Selbstverständlichkeit an, sie ordnen
ihre neuen Erfahrungen oder Erlebnisse in ihr bestehendes Denkmuster ein. Ihre
Wahrnehmungen werden ständig erweitert und verändert. Entsprechen die
vorhandenen Denkmuster nicht den neuen Erfahrungen, müssen sich diese der
Wirklichkeit anpassen, die Denkmuster (Schemata) müssen erweitert werden.
Neues wird immer vor dem Hintergrund von bereits Bekanntem interpretiert und
wenn dieses nicht angeglichen werden kann, müssen die kognitiven Strukturen
der Realität entsprechend angepasst werden. Der oben sehr vereinfachte,
komplexe Vorgang von Bewahren und/oder Verändern spielt sich meiner
Meinung nach tagtäglich im Leben jedes Individuums ab. Was erhalte ich mir und
was verändere ich von mir aus? Was erhält mir meine Umwelt und was verändert
sich aus meiner Umwelt heraus? Inwiefern sind Kinder in der Lage, das, was sie
bewahren wollen, und das, was sie verändern wollen, zu erfassen?
Folgende Zitate der Kinder im Zuge der Erarbeitung eines Keilrahmenbildes
während der Rückkoppelung sollen die Wünsche der Kinder widerspiegeln. Die
Schreibweise der Kinder wurde übernommen und auf ein Lektorat bewusst
verzichtet:
-
Ich wünsche mir das Warnungen sind wenn Seiten kommen die für Kinder
verboten sind!!!!!!!
-
Das alles Kinderfreundliche Seiten im Internet sein.
-
Ich wünsche mir das es keine Sexhotline gebe.
213
-
Rechenmaschinen PS: zaubern
-
Sexhotline abschaffen
Es wird an dieser Stelle notwendig sein, speziell auf die Gefühle der Kinder zu
achten und diese zu beachten. Entsprechend der Ansicht der Prozessethik sehe ich
an dieser Stelle die Bestätigung des Menschen als Differenzwesen in und zu sich
selbst. Jedes Individuum lebt Assimilation und Akkommodation und wird
getragen von Erhaltung und Veränderung. Der Mensch lebt notwendigerweise im
Widerspruch in und zu sich selbst und die soziale Umwelt, sei es im realen oder
im virtuellen Leben, ist Ursprung von zahlreichen notwendigen Konflikten.
10.5 GIBT ES SINNVOLLE KONFLIKTE?
Sind Konflikte notwendig? Haben sie einen Sinn? Ja, denn es geht um
Sinnkonstitution. „Systemkonflikte beweisen nämlich zweierlei: erstens, dass
gesetzter Sinn, egal von welchem System er kommt, relativierbar ist, keinen
absoluten Anspruch vertreten darf; zweitens aber auch, dass Sinn notwendig ist,
unverzichtbar fürs Überleben und Glück menschlicher Existenz.“ (HEINTEL
2005b: 20) Der Sinn von Konflikten muss aber überprüft werden und die Suche
nach Lösungen stellt einen wesentlichen Schritt dar, um den Widersprüchen
begegnen zu können. Im Widerspruch leben zu wollen scheint unmöglich, da wir
in einer Anpassungsgesellschaft leben, die mit der Machtausübungsgesellschaft
einhergeht. Die Bedürfnisorientierung steht der Leistungsorientierung gegenüber.
Gewinnen heißt in notwendigen Widersprüchen immer auch selbst zu verlieren.
(Vgl. KRAINER/HEINTEL 2010 173 ff.)
Die Realisierung eines liebevollen, konstruktiven Miteinanders stellt sowohl
Kinder als auch Erwachsene tagtäglich vor neue Herausforderungen; sie erfordert
Kooperation, da weder die familiäre noch die schulische Erziehung ohne
Kooperation denkbar ist. An dieser Stelle entdecke ich eine Querverbindung zum
Konzept der Kooperation nach PIAGET. Er bezieht dieses zwar auf Gleichaltrige,
214
es drückt aber meiner Meinung nach auch das Entscheidende bei der Kooperation
unterschiedlicher Generationen aus: einerseits die Erfahrung der gegenseitigen
Achtung und der Gleichwertigkeit, womit ein Autonomiegefühl entstehen kann,
und andererseits die Konfrontation mit anderen Meinungen, Normen oder
Verhaltensstrategien, die zu Konflikten führen und damit zur Problemlösung
auffordern. (Vgl. KOHLER 2010: 342)
Wie kann aber so eine Kooperation gelingen? Haben Eltern und LehrerInnen nicht
die hierarchische Struktur der Eltern-Kind- beziehungsweise LehrerInnenSchülerInnen-Beziehung verinnerlicht? Wie kann es also gelingen, die Gleichheit
der Beziehung und die Autonomie des Kindes zu leben? Wie in Kapitel 3 bereits
angeführt, treten existentielle Grundkonflikte basierend auf existentiellen
Widersprüchen auf. Zweifelsohne birgt das Miteinander von Jung und Alt
zahlreiches
Konfliktpotential
in
sich.
Folgende
Auszüge
aus
den
themenorientierten Rollenspielen der Kinder der VS I sollen diese Problematik
aus der Perspektive der Kinder verdeutlichen:
Kind (sitzt freudig beim Laptop, beginnt zu spielen und am Laptop die
Tastatur zu bedienen): Tusch! Bäng! Tusch! Bäng!
Mutter (kommt): Wirst du jetzt nicht mal – geh einmal raus.
Kind: Nein.
Kleine Schwester (kommt): Mama darf ich bitte auch einmal spielen.
Mutter: Ja. Jetzt (zu älterem Kind) geh du einmal raus und lass die Kleine
einmal spielen.
Kind: Nein. Tusch! Bäng! Tusch! Bäng!
Oma (kommt): Jetzt hör einmal auf zum Computer spielen. Gä. Jetzt hörst
aber sofort auf. Früher hat‟s das noch nicht gegeben. Da wird einem ja
ganz schlecht. Gä.
Kind (sitzt am Computer): Stirb, Nudel, stirb! Ja, stirb.
(Publikum lacht)
Mutter (kommt): Du, jetzt wirst du aber einmal hinaus gehen, ga?
215
Bub: Ma, nein.
Mutter: Sonst hast du Computerverbot, eine Woche lang.
Bub: Ist mir egal.
Diese Auszüge aus den Rollenspielen sollen für sich sprechen und zum
Nachdenken anregen.
Aus der Perspektive der Erwachsenen wurden beispielsweise der Stellenwert der
Erziehung, der Stellenwert der Familie sowie die Akzeptanz der Individualität
jedes einzelnen Kindes thematisiert. Die Kindheit, das Leben jedes Einzelnen hat
sich nicht zuletzt durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien verändert und das bringt ohne Zweifel Herausforderungen für die
Erziehenden mit sich.
„(…) die Kindheit heute ist komplizierter geworden, einfach komplizierter.
Die wachsen einfach so bunt auf, (…) es ist auch vielleicht deswegen die
Erziehung schwieriger geworden.“ (IVP E1: 18)
Kinder „wachsen bunter und vielseitiger und dadurch auch komplizierter auf.“
(IVP E1: 23) In diesem Zusammenhang hat für die Interviewpartnerin die Familie
einen besonderen Stellenwert (siehe hierzu Kapitel 2.1); auch versucht sie „ein
offenes Ohr zu haben und vielleicht auch manchmal zwischen den Zeilen [zu
lesen; Anm. d. Verf.].“ Der Wandel der Kindheit (siehe hierzu auch Kapitel 2.2
und 2.3) bedarf meines Erachtens besonderer Aufmerksamkeit. Ein „offenes Ohr“
für die Anliegen der Kinder zu haben, könnte meines Erachtens zu
Konfliktlösungen beitragen. Das Erkennen der Notwendigkeit von Konflikten und
die Fähigkeit, die Lösungen als Resultat von Prozessen anzusehen (vgl. HEINTEL
1998: 26), halte ich für zudem für grundlegend.
10.6 APORIEN ALS SCHLÜSSELSTELLEN
Die Rollenspiele (siehe oben) haben gezeigt, dass auch in der Wahrnehmung der
Kinder zahlreiche Konflikte zwischen den Generationen vorliegen. An dieser
216
Stelle halte ich die Diskussion von Aporien als Schlüsselstelle von Konflikten für
sinnvoll. Eine Aporie liegt nach GERHARD SCHWARZ (2001: 287) vor, wenn zwei
Behauptungen oder Interessen gegeben sind, die einander widersprechen, die
beide wahr beziehungsweise berechtigt und voneinander abhängig sind. Nur wenn
die eine Behauptung wahr ist, kann es auch die andere sein und umgekehrt. Ein
sehr anschauliches Beispiel für praktische Aporie, die jeder täglich erleben kann,
ist nach SCHWARZ die Dialektik von Bedürfnis und Leistung. Er habe diese
Aporie oft am Beispiel des Sonntagsspazierganges reflektieren müssen:
„Der 5jährige Sohn sieht irgendwo etwas Interessantes und rennt los. Der
Vater ruft nach: ‚Langsam, langsam!„ Diese Mahnung ignorierend, rennt
der Sohn weiter und fällt prompt hin. Darauf natürlich ein Gebrülle oder
lautes Weinen. Die (aporetische) Frage lautet: Soll man ihn schimpfen,
weil er so blöd gelaufen ist, oder soll man ihn trösten, weil er so arm ist?
Meist neigen die (leistungsorientierten) Väter dazu, ihn zu schimpfen, und
die (bedürfnisorientierten) Mütter dazu, ihn zu trösten. Der Konflikt
zwischen den Ehepartnern ist notwendig, denn man kann nicht gleichzeitig
schimpfen und trösten. (Deswegen haben Kinder sinnvollerweise auch
zwei Personen, die die einander widersprechenden, aber notwendigen
pädagogischen Interventionen setzen können.)
Die Aporie kann sich auch zu einem handfesten Konflikt zwischen Vater
und Mutter entwickeln: Mutter: ‚Du herzloser Mensch, der braucht jetzt
nicht deine Kritik, sondern Trost!„ Vater: ‚Du Glucke belohnst ihn auch
noch durch Zuwendung für seine Blödheit!„ Nie wird er lernen, auf
vernünftige Hinweise zu achten, wenn immer die Mama bei jeder Blödheit
tröstet? Aporie meint, dass beide Recht haben.“(a.a.O.: 287 f.)
Häufig geht es in Konfliktsituationen zwischen Erwachsenen und ihren Kindern
auch um Macht und Recht. Ein Beispiel für eine solche Aporie ist die
Selbständigkeit unserer Kinder. Die Entwicklungen der neuern Informations- und
Kommunikationstechnologien verlangen immer selbständigere Kinder. Es fehlt
auch die Zeit, jede Handlung der Kinder zu begleiten. Andererseits führt diese
Selbständigkeit der Kinder mitunter dazu, dass sie sich weniger an die Weisungen
ihrer Eltern halten und auch das Wort Gehorsam eine neue Bedeutung zu erhalten
scheint. Folgender Auszug aus den themenorientierten Rollenspielen der Kinder
217
soll, neben den oben bereits angeführten Auszügen, diese Problematik aus der
Perspektive der Kinder darlegen:
Bub spielt am Computer ein Autospiel, was sich durch die quietschenden
Geräusche äußerte. Mutter kommt.
Mutter: Du, Servus Kind, geh jetzt einmal weg von dem Krempel.
Bub: Nein, das ist meiner, nicht deiner.
Mutter: Geh doch einmal raus.
Bub: Nein, will ich nicht.
Mutter: Geh einmal raus, draußen gibt es ein Eis für dich.
Bub: Will ich aber nicht.
Mutter: Was willst denn haben?
(Oma und Opa kommen.)
Oma: Jetzt gehen wir einmal raus. In den alten Zeiten hat‟s das noch nicht
gegeben.
Opa: Jetzt gehst einmal mit raus.
Bub (zu Oma und Opa): Bla bla bla bla, bla bla bla bla.
Eltern und Großeltern sehen sich vor neuen Herausforderungen im Umgang mit
ihren autonomen (Enkel-)Kindern. Die oben angeführte Aporie von Macht und
Recht stellt nach SCHWARZ (a.a.O.: 289) einen Spezialfall der Aporie von Freiheit
und Ordnung dar: „Ordnung zerstört die Freiheit, Freiheit zerstört die Ordnung.
Beide Behauptungen sind wahr, und beide sind voneinander abhängig. Nur wenn
die Ordnung die Freiheit einschränkt, ist sie Ordnung; nur wenn die Freiheit
Ordnung relativiert ist sie Freiheit.“
Kinder wünschen sich zweifelsohne Freiheit im Umgang mit dem WWW
beziehungsweise dem Computer; Eltern hingegen verlangen nach einer Ordnung
und einem geregelten und kontrollierten Umgang, was von einem Kind folgend
zum Ausdruck gebracht wurde:
218
„Das Lustigste ist, wenn meine Mama die Spiele wegschmeißt und ich
nachher wieder vom Papierkorb mir nachher wieder her
(unverständlich).“ (S-GIV 2: 16)
Ein Konsens ist meines Erachtens im Miteinander von Jung und Alt möglich,
wenn das Streben nach Ordnung bei den Vertretern der Freiheit (bei den Kindern,
die Freiheit für sich beanspruchen) gerade so groß geworden ist, wie das
Bedürfnis nach Freiheit bei den Hütern der Ordnung (den Eltern, die sich für
Ordnung verantwortlich sehen). Dann liegt SCHWARZ (2001: 294) zufolge eine
dialektische Lösung des Konfliktes zwischen Ordnung und Freiheit nahe: „eine
von der Freiheit gewünschte Ordnung wird installiert. Damit haben beide Recht
bekommen und Recht behalten. Es ist etwas Neues entstanden, das einen
Fortschritt darstellt, ohne die Gegensätze zu vernichten.“
11 RESÜMEE UND AUSBLICK
Es gibt im Leben Augenblicke, da die Frage,
ob man anders denken kann, als man denkt
und anders wahrnehmen kann, als man sieht,
zum Weiterschauen und Weiterdenken unentbehrlich ist.
KÄTE MEYER-DRAWE
Ich möchte dieses Resümee mit den für mich zentralen Gedanken einleiten: Der
Anfang von Ethik ist in mir. Sie gehört mir selbst. Ich bin Widerspruch in und zu
mir selbst. Die Suche nach den notwendigen Widersprüchen beginnt jeden Tag
aufs Neue. Es erscheint mir wichtig abschließend festzuhalten, dass es in dieser
Arbeit nicht darum ging, Recht zu haben; auch das Ertragen von möglicherweise
falschen Entscheidungen war Teil des Weges, den ich als Forscherin zu gehen
hatte. Es ging mir unter anderem darum, mit dieser Unwissenheit, nicht zu wissen,
was herauskommt, umgehen zu lernen, den Fokus auf die Frage, was dahinter
steckt, zu legen und nichts als selbstverständlich hinzunehmen. Dies alles hat
meine Tätigkeit als Forscherin getragen.
219
So war meine Forschungsarbeit von Themenkarrieren gekennzeichnet, diese an
dieser
Stelle
anzuführen,
dient
einer
reflexiven
Orientierung
meines
Forschungsweges. Zu Beginn schien mich die Thematik Kindheit und das WWW
gänzlich zu vereinnahmen. Ich musste erst lernen, mich von diesem Thema zu
distanzieren und offen zu sein für neue Erfahrungen. Dies gelang mir, indem ich
für mich festhielt, welche AutorInnen sich bereits mit dem Thema beschäftigt
hatten, was in einer Verortung des Themas endete. Ein Verständnis für
Interventionsforschung und sehr gute Einblicke in die Praxis meiner KollegInnen
erlangte ich im Zuge des DoktorandInnenkollegs für Interventionsforschung, was
auch der Grund für die Diskussion des DKIs in dieser Arbeit war. Ohne meine
KollegInnen wäre diese Arbeit nicht zu dem geworden, was sie ist. Meine
Gedanken schweiften immer wieder in weite theoretische Felder ab, so fand ich
mich zwischendurch in einer Theorie der Web-Kluft wieder. Diese Gedanken
ließen sich aber mit zunehmendem Fokus auf meine Forschungsdaten nicht zu
Ende denken. Während sich Spiegelphänomene im Kontext des Systems Schule
als wichtige Ressource abzeichneten, was wiederum ein weites Feld aufgemacht
hätte, lag letztendlich der Fokus dieser Arbeit auf einer eindrucksvollen
Dokumentation des Interventionsforschungsprojektes mit besonderem Augenmerk
auf die kindliche Sichtweise versus der erwachsenenzentrierten Perspektive mit
dem obersten Ziel, Theaterpädagogik als Instrument der Rückkoppelung
interventionswissenschaftlicher Forschung und als Erhebungsmethode in der
Forschung mit Kindern zu etablieren.
Was ich in meinem Interventionsforschungsprojekt im Kleinen erfahren und
miterlebt habe, spiegelt sich auch in den Ergebnissen des aktuellen EU Kids
Online60 Forschungsverbundes wider, was die Bedeutsamkeit dieses Themas
unterstreicht.
Die
europaweite
Forschung
betrachtend
fällt
auf,
dass
österreichische Eltern die Online-Risiken ihrer Kinder, vor allem was das
Betrachten von sexuellen Darstellungen und das Erhalten von Nachrichten mit
60
Vgl. http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/554 (Stand: 06. 04. 2011). Für die
Untersuchung wurden 2010 mehr als 25.000 Kinder in Europa im Alter von neun bis 16 Jahren
sowie je ein Elternteil befragt.
220
sexuellen Inhalten sowie das Treffen mit Online-Bekanntschaften angeht,
unterschätzen. So gaben 17 Prozent der österreichischen Kinder an, in den
vergangenen zwölf Monaten Bilder mit sexuellen oder pornographischen Inhalten
im Internet gesehen zu haben, wohingegen nur sechs Prozent der Eltern dachten,
dass ihr Kind bereits solche Bilder im Netz gesehen hätte. Weiters geht aus dem
Bericht hervor, dass in Österreich nahezu jedes zweite Kind (45 Prozent) mit
Fremden online Kontakt hatte und 16 Prozent hatten schon Personen, die sie über
das Internet kennengelernt hatten, getroffen. Von den Eltern haben hingegen nur
sieben Prozent angenommen, dass ihr Kind schon Onlinebekanntschaften im
realen Leben getroffen hätte. In Zeiten von Social Networks erscheint es
außerdem interessant, dass sieben Prozent der österreichischen Kinder von
Online-Mobbing betroffen sind, wobei nur vier Prozent der Eltern in Österreich
davon ausgehen, dass ihr Kind bereits online gemobbt wurde.
In dieser Studie sehe ich eine Bestätigung für zukünftigen aktiven
Handlungsbedarf zu diesem Thema. Dass dies nicht ausschließlich im
Schulsystem geschehen kann, sondern dass vielmehr auch bei den Eltern
anzusetzen
ist,
erscheint
mir
eindeutig.
Dass
dies
im
Zuge
von
Interventionsforschungsprojekten geschehen könnte, wenn es gelänge, die
unterschiedlichen
Generationen
auf
Basis
von
organisierten
Prozessen
zusammenzuführen, erachte ich als Zukunftsaufgabe. Auch in dem in dieser
Arbeit angedachten Konzept zu einem interaktiven theaterpädagogischen Projekt
für Kinder sehe ich wertvolle Ressourcen für zukünftiges Agieren. Was können
gesellschaftliche Institutionen und was kann jeder Einzelne von uns tun, damit
unsere Kinder in einer sicheren Online-Umgebung groß werden können? Diese
Frage scheint auf den ersten Blick banal, aber es ist an der Zeit, die Wirklichkeit
mit den Augen unserer Kinder wahrnehmbar zu machen.
Selbstverständlich sind Kinder anders als Erwachsene. Sie haben weniger
Erfahrungen und können beispielsweise Gefahren und Risiken nicht so gut
einschätzen. Wohin soll die Reise gehen? Streben wir Partizipation unserer
Kinder in unserer Gesellschaft an, so kann das natürlich nicht heißen, Formen der
221
Beteiligung von Erwachsenen einfach auf Kinder zu übertragen. Wir können
Kinder von heute nur verstehen, wenn wir in der Lage sind, unsere
erwachsenenzentrierte Perspektive auszublenden und uns auf die Sichtweise der
Kinder einzulassen, ihnen aktiv zuzuhören und uns auch durch Verfremdungen
überraschen zu lassen. In welcher Zukunft sollen unsere Kinder leben können und
wie kann Partizipation ermöglicht werden? Die Verantwortung dafür liegt bei
jedem Einzelnen.
Ich habe in dieser Arbeit gezeigt, dass die Auseinandersetzung mit dem WWW
vor allem in der kindlichen Lebenswelt von großer Bedeutung ist. Es war mir ein
besonderes Anliegen, die Wissenschaft im Alltag zu verankern; eine
Wissenschaft, die auch Emotionen und Gefühlen Beachtung schenkt, die als Ziel
hat, vom Alltag zu lernen und sich vom Podest der Erhabenen und Wissenden
herab begibt, das ist meines Erachtens Interventionsforschung. IFO so wird sie
kurz genannt, hört dem Einzelnen zu und beobachtet genau. In Teams werden die
Transkriptionen der Interviews und Beobachtungsprotokolle vergemeinschaftet
und gemeinsam werden Hintergrundtheorien gesucht. Die Suche nach dem, was
dahintersteckt, beginnt. Die Suche nach den notwendigen Widersprüchen ist Teil
des Menschseins. Ich habe deutlich gemacht, dass Widersprüche notwendig sind
und dass sich daraus oftmals unausweichlich Konflikte ergeben, die in einer
prozesshaften Auseinandersetzung zu gegenseitigem Verständnis führen können.
Es geht nicht um das Recht-Haben, sondern um das Verstehen wollen. Die
ForschungspartnerInnen werden als gleichwertig angesehen und wenn es darum
geht, die Erkenntnisse rückzukoppeln, also den ForschungspartnerInnen etwas
zurückzugeben, so wird beobachtet, ob diese Hypothesen auch ihre Berechtigung
haben. Jeder einzelne Forschungspartner kann dann entscheiden, ob das
angebotene Wissen auch in Zukunft Bedeutung in seinem Leben haben kann. Es
geschieht sozusagen von innen heraus.
Wenngleich der Fokus dieser Arbeit nicht auf das System Schule gelegt war, hat
die Tatsache, dass meine ForschungspartnerInnen im System Schule verankert
waren und sind, auch etwas mit der gesamten Forschungsarchitektur gemacht. So
222
glaube ich, dass auch meine Forschungsteams gewissermaßen vom System Schule
vereinnahmt waren. Ob sich das System Schule in der Krise befindet oder nicht,
vermag ich an dieser Stelle nicht zu beantworten. Eines erscheint mir jedoch
unumgänglich, die Erkenntnis, dass Schule zu Veränderung bereit sein muss. Ein
Weg wäre, Bildung als Beitrag zur Etablierung einer kollektiven Autonomie, einer
ethisch-selbstreflexiven Gesellschaftskultur anzusehen. Ich denke, die Schule ist
veränderungsfähig und es ist an der Zeit, Bildung als kooperativen Prozess und
gemeinschaftliche Anstrengung zu begreifen. Ich denke, die Gesellschaft ist
veränderungsfähig. Ich denke, der Mensch ist veränderungsfähig, wenn er sich als
Differenzwesen
begreift
und
die
notwendigen
Widersprüche
bewusst
wahrnehmen kann.
Diese Dissertation demonstriert diese „andere Wissenschaft“ und meiner Meinung
nach bringt diese Art der Forschung einen stetigen Lernprozess für die eigene
Persönlichkeit mit sich. Das zeichnet meines Erachtens Interventionsforschung
aus – die eigene Person, die Rolle der ForscherIn muss nicht ausgeblendet werden
und findet Raum in einem Konglomerat das versucht, eine Brücke zwischen
Wissenschaft und Alltag zu erbauen. Abschließend möchte ich noch festhalten,
dass ich im Zuge dieser Dissertation gelernt habe, die Wissenschaftskultur als ein
Nehmen und Geben zu verstehen, Kritik schätzen zu lernen und als Chance
anzusehen. Mir wurde bewusst, dass Forschen immer auch ein gewisses Maß an
Mut erfordert, sich hinzustellen und zu sagen: So ist das im Hier und Jetzt.
(…) und das Wesen des Menschen
liegt nicht in seinen Erlebnissen und Gefühlen,
sondern in der zähen, stillen Auseinander- und Ineinssetzung
mit ihnen.
ROBERT MUSIL
223
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235
13 ANHANG
13.1 EINVERSTÄNDNISERKLÄRUNG
Liebe Eltern!
Erlauben Sie mir, dass ich mich kurz vorstelle:
Mein Name ist Martina Zwantschko/Pucher.
Ich bin 29 Jahre alt und habe eine vierjährige Tochter.
Ich arbeite für das „Österreichische Zentrum für Kriminalprävention“
als Theaterpädagogin am Projekt „Mein Körper gehört mir“.
Nach meinem Studium der „Publizistik und Kommunikationswissenschaft“ an der
Universität Klagenfurt schreibe ich nun an meiner Doktorarbeit zur Thematik
„Das Internet in der kindlichen Lebenswelt“.
WWW
Woher kommt es?
Wohin führt es?
Wozu dieses Theater?
Ein Hinterfragen von scheinbar selbstverständlichen Entwicklungen
Ich möchte nun gerne an Ihrer Schule meine Forschungsarbeit durchführen:
Allem vorweg kann ich Ihnen versichern, dass sich die Interventionsforschung
der Anonymisierung verpflichtet, d.h. es werden keine Namen und Daten der
beteiligten Personen im Forschungsbericht verwendet.
Das Arbeiten mit Kindern macht mir große Freude und ich möchte in meiner
Dissertation Kinder sprechen lassen. Für mich ist die Sichtweise der Kinder von
großem Interesse – wie sehen Kinder das Internet? Worin liegen ihre Interessen?
In Gruppen von drei bis fünf Kindern möchte ich mich gerne mit ihren Kindern
zusammensetzen und mit ihnen über ihre Sicht der Dinge sprechen.
Und diese möchte ich mit der Sicht der Erwachsenen zusammenführen. Daher
suche ich auch Eltern, die bereit wären, sich eine Stunde für mich Zeit zu
nehmen, um mir die Möglichkeit eines Interviews über Ihre Einstellungen,
236
Haltungen und Emotionen zu dieser Thematik zu geben. Selbstverständlich sind
diese Interviews, ebenso wie die Gruppeninterviews anonym.
Bei Fragen erreichen Sie mich unter folgender Telefonnummer: 0650/7710270
Nach der Durchführung der Interviews erfolgt die Transkription und Auswertung,
die
Anreicherung
mit
Hintergrundtheorie
und
Hypothesenbildung.
Die
Rückmeldung/Rückkoppelung an Sie und Ihre Kinder sowie das Lehrerkollegium
und den Direktor möchte ich dann mittels eines interaktiven pädagogischen
Theaterstückes am Ende des laufenden Schuljahres in der Schule durchführen.
Ich hoffe, ich kann von Ihnen und Ihren Kindern lernen, und auch Sie und Ihre
Kinder können von mir lernen. Mein Ziel ist es, das Wissen aus der Wissenschaft
mit
dem
Wissen
aus
der
Praxis/aus
dem
Leben/aus
dem
Alltag
zusammenzuführen und so gegenseitiges Lernen zu ermöglichen.
EINVERSTÄNDNISERKLÄRUNG:
Ich erkläre mich einverstanden, dass mein Kind an dem Forschungsprojekt von
Frau Mag. Martina Zwantschko teilnimmt. Die Interventionsforschung verpflichtet
sich der Anonymisierung, d.h. die Aussagen meines Kindes werden nicht
namentlich gekennzeichnet.
Unterschrift: ________________________________
Ich nehme mir auch gerne die Zeit für ein Interview (Zeitrahmen eine Stunde bis
eineinhalb Stunden) mit Frau Mag. Martina Zwantschko. Die Auswertung der
Interviews erfolgt selbstverständlich anonym.
Unterschrift: ____________________________________
Terminvorschlag für ein Interview: ________________________
Telefonnummer (wegen Terminvereinbarung): ________________________
237
13.2 EINVERSTÄNDNISERKLÄRUNG KINDERZEICHNUNGEN
Liebe Eltern!
Ich bedanke mich für das schöne Erlebnis meinerseits, mit Ihren
Kindern ein Gruppeninterview durchführen zu dürfen.
Es war für mich sehr spannend und lehrreich, Ihre Kinder als
ExpertInnen zu erleben.
Im Zuge des Interviews haben wir gezeichnet und die Resultate sind
für mich echt bemerkenswert!
Nun meine Frage:
Darf ich die zwei Zeichnungen (siehe Folgeblätter) Ihres Kindes in
meiner Dissertation verwenden, um zu zeigen wie Kinder einerseits
ihre Freizeit gestalten und andererseits was sie gerne am PC machen?
Bitte ankreuzen und Ihrem Kind mitgeben.
O Ich bin einverstanden!
O Ich bin nicht einverstanden!
Unterschrift:
________________
Im Zuge der Rückmeldung an Ihre Kinder (nächste Woche), können mir
diese dann diesen Abschnitt zeigen!
Mit freundlichen Grüßen
238
13.3 PROTOKOLL DER ERSTEN TEILNEHMENDEN BEOBACHTUNG
Beobachterin: Mag. Martina Zwantschko/Pucher
Tag der Beobachtung: 8. November 2006
Ort der Beobachtung: VS I; Medienraum; PC-Stunde (unverbindliche Übung)
Mittels eines E-Mails (Erstkontakt) habe ich mich an die VS gewandt, meine
Situation und Absichten geschildert und um die Genehmigung einer Beobachtung
im PC-Raum gebeten.
Vom Direktor (zuständige Person) habe ich eine positive Antwort erhalten, dass
ich mittwochs von 10:35 Uhr bis 11:25 Uhr in der PC-Stunde als Beobachterin
dabei sein kann.
Nach einem Telefonat mit dem Landesschulrat wurde mir bestätigt, dass die
Erlaubnis eine schulautonome Entscheidung sei und es keine Einwände seitens
des Landesschulrates gibt.
Nachdem auf mein Antwortmail bezüglich des Termins keine Rückmeldung kam,
habe ich mich am Tag vor meiner Beobachtung telefonisch mit dem Direktor der
VS in Verbindung gesetzt, wobei er mir mitteilte, dass er am nächsten Tag (am 8.
11. 2006) nicht in der Schule sei, die Kinder aber selbständig am Computer
arbeiten würden. Das war für mich von großem Interesse und er erlaubte mir,
mich in der „unbeaufsichtigten“ Stunde als Beobachterin einzufinden. (Herausbilden
eines eigenen Rollenverständnisses als Beobachterin in der Interaktion mit der Organisation)
Hineinkommen – Überschreiten der Systemgrenze
Um 10 Uhr betrat ich die Schule über den Haupteingang, der mit dem Schriftzug
„Herzlich Willkommen“ versehen war. In der Schule, renoviert und mit vielen
Werken der Kinder gestaltet, orientierte ich mich im Erdgeschoß und über eine
breite Treppe kam ich in den ersten Stock, wo ich die Direktion und in der
anderen Ecke den Medienraum fand.
Als es läutete, stieg der Lärmpegel an und Kinder kamen über die Treppe im
Turngewand heraufgerannt – die Mädchen liefen in den Medienraum und die
Jungen in die 3. Klasse. Ein Kind fragte mich, ob ich eine Lehrerin sei, ich
verneinte und das Mädchen sagte „Schade“.
239
Ein Junge rief „ajo, mia homma hiatz computan“.
Dann kam die Lehrerin der 4. Klasse aus dem Klassenzimmer und erklärte mir,
dass heute ein ungünstiger Zeitpunkt zum Beobachten sei, da die Kinder
unbeaufsichtigt bzw. nur durch sie mit beaufsichtigt wären. Ich erklärte ihr, dass
für mich diese Situation von sehr großem Interesse sei, um die Kinder im Umgang
mit dem PC zu beobachten. Die Lehrerin schickte mich in der Zeit, in der die
Kinder sich umzogen, zur Lehrerin der 1. und 2. Schulstufe, die mir das
Lernprogramm „Lilo“ zeigte und erklärte. Ein Kind betrat den Raum, in dem an
einer Wand drei PCs standen und setzte sich zum ersten PC. Es klickte seinen
Namen an und begann mit dem ihm vertrauten Lernprogramm selbständig zu
arbeiten. Es betätigte die Maus und führte Aufgaben, die akustisch von einem
Männchen am PC mitgeteilt wurden, durch.
Dann holte mich die Lehrerin der 4. Klasse und teilte mir mit, dass die Kinder
nach und nach von der Klasse in den Medienraum kommen würden, da sie noch
eine Aufgabe fertig stellen müssten. Ich betrat den Medienraum: Ein heller,
kleiner Raum in dem sich an der Fensterseite links und an der Wand rechts je fünf
PCs hintereinander auf Kinderschulbänken befanden. Die PCs waren mit von
Kindern bemaltem, maßgeschneidertem Leinen abgedeckt. Bei vier PCs standen
zwei Stühle vor dem Arbeitsplatz, bei den restlichen befand sich ein Stuhl vor
dem PC. In der Mitte vorne befand sich ein PC auf dem Lehrertisch und links
daneben ein Drucker. Der Bildschirm des PCs war für die Kinder sichtbar.
Darüber war ein TV-Gerät, links daneben eine Tafel, rechts daneben eine
Projektionstafel an der Wand angebracht. Zum Beobachten wählte ich den Platz
hinten, in der Mitte an der Wand, da ich so Blick auf alle Kinder und PCs hatte.
Ich nahm mir den Lehrerstuhl nach hinten und setzte mich.
Die Kinder der 3. Schulstufe liefen nacheinander in den Raum. Zu drei PCs
setzten sich jeweils zwei Kinder gleichen Geschlechts, drei Kinder saßen allein
vor einem PC. Zu Beginn waren neun Kinder im Medienraum. Ich begrüßte die
Kinder, diese waren bereits vorab von der Lehrerin über meine Anwesenheit
aufgeklärt
worden,
und
zog
mich
sogleich
wieder
auf
meine
Beobachtungsposition zurück. Die Lehrerin schrieb die Aufgabenstellung – die
einzelnen Schritte des Einstiegs in das erforderliche Lernprogramm Mathe 3 – auf
240
die Tafel. „BB, Mathe 3, schriftlich, subtrahieren…“. Die Kinder deckten die PCs
ab und schalteten sie selbstständig ein. „Der muaß lodn! Wart a bissi!“ sagte ein
Junge, der mit einem zweiten ganz vorne links am PC saß. Ein Kind sagte zum PC
„geh, geh, geh, ma…“, die Lehrerin betonte, dass diese Klasse in der 1.und 2.
Schulstufe noch keinen PC Unterricht hatte und daher noch Probleme beim
Einsteigen habe. Bei einem Mädchen auf der linken Seite fiel mir auf, wie flink es
mit der Maus hantierte. Der Junge hinter ihr war bereits im Programm und begann
selbständig zu arbeiten. Auch der Junge zwei Reihen vor ihm arbeitete bereits. Ein
weiteres Mädchen kam herein und setzte sich rechts hinten zum PC. „Ma ba mia
geht‟s nit“ meinte sie wiederholt. Der PC der beiden Jungen rechts vorne
funktionierte nicht und die Lehrerin wich mit ihnen auf den PC am Lehrertisch
aus. Der Lehrertisch war aber zu hoch, so gab ich dem Jungen meinen großen
Sessel, nachdem ein anderer Junge, der bereits arbeitete, seinen großen Sessel
nicht hergeben wollte.
Ein weiterer Junge betrat den Raum. Die Kinder lachten zwischendurch. Zwei
Mädchen, die rechts von mir an einem PC saßen, drehten sich immer wieder zu
mir um. Auch sie begannen zu arbeiten. Es stellte sich heraus, dass ihnen diese
Rechnungen noch Schwierigkeiten bereiteten und so wichen sie nach Anweisung
der Lehrerin auf bereits vertraute Multiplikationen aus.
Wiederholt stand ein Junge auf und half seinen Mitschülern. Die Lehrerin meinte,
ehe sie den Raum verließ, dass einige Geräte bereits an Altersschwäche leiden
würden. Sie betonte, dass die Kinder sich abwechseln müssten.
Die drei Kinder auf der linken Seite, die jeweils allein vor dem PC saßen,
arbeiteten ruhig und selbstständig. Bei den Kindern rechts vorne, die jeweils zu
zweit vor dem PC saßen, entstand eine Art Gruppenarbeit. In einer Vierergruppe
wurden die Ergebnisse verglichen. „Ba eich is des folsch“.
Das Mädchen rechts hinten zählte mit den Fingern und war intensiv am Rechnen.
Ein Junge am PC vorne am Lehrertisch zeigte immer wieder mit dem Bleistift auf
den Bildschirm. Der andere bedauerte unterdessen, dass er immer die
Minusaufgaben bekam.
241
Ein weiteres Mädchen mit langen Haaren betrat den Medienraum und sagte „Ma,
du sitzt auf mein Computa! Jeda hot normal sein Computa“.
Ein Junge wechselte von seinem Partner auf der rechten Seite zu einem Jungen
auf der linken Seite.
Die beiden Mädchen rechts von mir drehten sich wiederholt zu mir um und
lächelten. Ich lächelte zurück und musste es mir verkneifen, Fragen zu stellen.
Immer wieder wurde es laut in der Klasse und die Kinder lachten.
„Aufe, ume, obe“ sagte ein Junge wiederholt. Das Programm nannte sich „Kran“:
Ein Haken holt eine Rechenaufgabe, die Kinder ziehen diese mittels der
Pfeiltastatur hoch, schieben sie nach rechts und müssen sie dann wieder nach
unten der richtigen Lösung zuordnen.
Das Mädchen links vorne, das später dazugekommen war, hatte Probleme beim
Einsteigen – „He, i waß nit wie eine!“ - „Du muaßt wortn. Er lodet!“ meinte der
Junge vorne. „Jo, i waß“ entgegnete sie! „Nix druckn – er lodet“ betonte der
Junge vorne wiederholt.
Ein Junge, der allein rechts am PC saß, hatte das Rechenprogramm geändert. Es
waren nun Kegel auf seinem Bildschirm zu sehen und er sagte „He i tua
Babyrechnen!“
Ein weiteres Mädchen kam dazu. Sie setzte sich zu dem Mädchen rechts vorne
und sie versuchten nun gemeinsam in das Programm einzusteigen. Ein Mädchen
ging die Lehrerin holen, bevor sie aber zurückkam, lief das Programm bereits.
Das Mädchen rechts hinten setzte sich im Schneidersitz auf den Stuhl und begann
zu singen. Allgemein wurde es laut in der Klasse und ich vernahm Aussagen wie
„Meine hot gstumman! Ende“, „Schrottkistn!“, „Du bist auf mein Plotz!“ sagte
das Mädchen links vorne wiederholt zu dem Jungen hinter ihr. Ein Junge
versuchte, eine Haarspange bei drei seiner Schulkollegen im Haar festzumachen.
Das Mädchen rechts von mir war intensiv am Rechnen, was ich durch das leise
Mitzählen der Finger beobachten konnte.
Wieder war Lachen zu beobachten und der Lärmpegel stieg an.
Ein Mädchen hatte die Aufgabe geschafft und meinte „Was jetz“. Bei einigen
waren nun am Bildschirm die Anzahl der Aufgaben und der Fehler sowie die
242
Minuten aufgelistet. Der Junge rechts hinten hatte 30 Aufgaben mit 8 Fehlern in
14 Minuten gelöst.
Es begann unruhig in der Gruppe zu werden. Zwei Jungen standen auf. Ein
Mädchen ging hinaus, um die Lehrerin zu holen.
Einige Kinder begannen das Rechenprogramm mit den Kegeln durchzuarbeiten.
Die Kinder wechselten selbständig das Programm. Ein Junge sagte, dass er das
„Schwere“ machte, ein Mädchen meinte „das Plus is obergeil!“.
Das Mädchen rechts neben mir war mit der ersten Aufgabe noch nicht fertig und
meinte wiederholt „Ma i wüll do außa“. Es drückte immer wieder ESC und STRG
und ALT zugleich, aber es konnte das Programm nicht beenden. Ein Junge zwei
Reihen vor ihr hatte es bereits geschafft und rief „I hobs gschofft!“
Es läutete und die Lehrerin betrat wieder den Raum. Sie gab den Kindern die
Anweisung mit „STRG draufbleiben und gleichzeitig Pause“ aus dem Programm
auszusteigen, mit ESC die Blätter zu schließen und den PC herunterzufahren. Sie
forderte die Kinder auf, die PCs abzudecken und die Stühle ordentlich zum Tisch
zu stellen. Die Kinder hatten nun Schule aus und stellten sich an der Klassentür
an. Es war laut und die Kinder alberten herum.
Ich machte mich mit vollgestopftem Kopf – und ich gestehe, ohne ein paar Notizen
wäre ich verloren gewesen – auf den Heimweg. Dass Beobachten so anstrengend
sein kann?
243
13.4 PROTOKOLL DER ZWEITEN TEILNEHMENDEN BEOBACHTUNG
Beobachterin: Mag. Martina Zwantschko/Pucher
Tag der Beobachtung: 22. November 2006
Ort der Beobachtung: VS I; Medienraum; PC-Stunde (unverbindliche Übung)
Mittels E-Mailkontaktes holte ich mir die Erlaubnis für die 2. Beobachtung ein.
Am 22. November 2006 kündigte ich meinen neuerlichen Besuch telefonisch kurz
vor acht beim Direktor nochmals an, um sicher zu gehen, dass das auch diesmal in
Ordnung sei. Bereits um halb Zehn betrat ich die Schule und wurde sogleich vom
Direktor, der in der Aula war, im Lehrerzimmer, gleich unten rechts, auf einen
Kaffee eingeladen. An diesem Tag war auch ein Fotograf zu Gast in der Schule
und zwei Mütter mit Babys kamen in die Schule, um sich mit ihrem Kind und
dem Baby fotografieren zu lassen. Nach dem Kaffee und einem angenehmen
Gespräch mit den beiden Lehrerinnen, dem Direktor und dem Fotografen schaute
ich mich zunächst in der Aula um, wo eine Ausstellung des aktuellen Projektes
der Volksschule zum Thema Kinderrechte aufgebaut war. Nachdem der Fotograf
seine Arbeit beendet hatte, durfte ich wieder bis zum Beginn der PC-Stunde
Kinder der 1. und 2. Schulstufe im Umgang mit dem PC und dem Lernprogramm
„Lilos Lesewelt“ beobachten.
An drei PCs, die hintereinander an der rechten Seite des Klassenraumes im
Erdgeschoß standen, nahmen drei Mädchen Platz und begannen zu arbeiten. Die
Lehrerin hatte zuvor die PCs eingeschaltet; im Gespräch mit ihr erfuhr ich, dass
sie keinen Schwerpunkt auf den PC-Unterricht lege, da die Kinder von ihren
Fähigkeiten und Fertigkeiten so unterschiedlich weit entwickelt seien (manche
könnten nicht einmal eine Schere halten oder zeichnen) so dass es gilt, zunächst
diese Mängel aufzuheben, was ohnedies schwierig genug sei. Sie selbst sieht im
PC einen Zeiträuber. Auch beobachtete ich, dass sie im Umgang mit dem PC
sprach, als ob sie mit dem PC kommunizieren würde. „Was hat er denn jetzt
schon wieder!“
Das Mädchen ganz vorne trug eine bunte Weste und hatte blonde, mittellange
Haare. Wie sich zeigte, besuchte es die 2. Schulstufe. Das Mädchen in der 2.
Reihe mit zwei Schwanzerln trug ein rotes Leiberl und eine Brille, das Mädchen
244
in der dritten Reihe hatte auch lange Haare in zwei Zöpferl geflochten. Sie trug
ein hellblaues Gilet. Diese beiden Mädchen besuchten die 1. Schulstufe. Das
Mädchen mit der Brille hatte Probleme mit den Kopfhörern, die immer wieder
herunterrutschten und auch verursachten, dass ihre Brille nicht richtig saß. Die
Lehrerin ging immer wieder von einem Mädchen zum anderen und versuchte, die
Probleme mit Maus und Tastatur zu beheben. Das Mädchen vorne arbeitete
bereits selbständig. Es war eine Tastatur am Bildschirm zu sehen und es erschien
ein Wort, das nicht zu 100 Prozent zu sehen war. Das Mädchen musste mittels der
Maus die mit Farbe unterlegten Buchstaben der Tastatur am Bildschirm in
korrekter Reihenfolge anklicken. Die beiden Mädchen der 1. Schulstufe erhielten
von Lilo (Figur am Bildschirm) akustische Anweisungen „Klick von links nach
rechts auf die beiden Buchstaben“. Wenn die Mädchen zu langsam waren, wurden
sie aufgefordert, es schneller zu versuchen. „Versuchs schneller“. Das Mädchen in
der Mitte hatte Probleme mit der Maus und benutzte die Leertaste. Als wiederholt
Kinder aus der Klasse zur Frau Lehrerin kamen und eines sogar weinte, sagte die
Lehrerin, dass sie nun in die Klasse müsse. Das Mädchen ganz hinten klagte
immer wieder über die Funktionsweise der Maus „Die Lilo waß jo gor nit, dass
mei Maus nit gscheid geht“, es wollte auch lieber mit der Leertaste arbeiten, die
Tastatur, die ohne Kabel mit dem PC verbunden war, funktionierte aber nicht. Das
Mädchen in der Mitte musste „aufs Klo“. Als es zurückkam, hatte es wiederum
Probleme mit dem Kopfhörer, ich half ihr und sie arbeitete weiter.
Das Mädchen ganz hinten ärgerte sich immer wieder über die Maus. Unterdessen
kam der Direktor herunter und meinte zu ihr, sie könne die Maus ruhig fest
angreifen, sie solle sich nur trauen. Zu mir meinte er, dass es für die Kinder nicht
einfach sei, da sie so kleine Hände haben. Er verließ uns wieder. Das Mädchen
vorne arbeitete konzentriert und stützte ihren Kopf ab. Das Mädchen ganz hinten
hatte immer noch Probleme, mit der Maus zurecht zu kommen. „Bis dos geht,
vageht a klane Stund“. Dann musste sie auch „aufs Klo“. Da sie mich fragend
ansah, sagte ich, sie solle ruhig gehen. Das Mädchen in der Mitte, das mit der
Leertaste arbeitete, kam gut voran. Immer wenn es zwei Buchstaben schnell
genug angeklickt hatte (in ihrem Fall doppeltes Drücken der Leertaste), musste es
die Buchstaben lesen und der richtigen Silbe, die wiederum akustisch zu hören
245
war, zuordnen. „Heißt das Wort IM oder UM?“, es klickte jenen Kreis an, wo
akustisch das IM war. Hier benützte es die Maus.
Das Mädchen hinten versuchte es wieder, war aber wieder stets zu langsam, so
holte es die Lehrerin. Als ich dem Mädchen helfen wollte, hatte ich den Eindruck,
dass die Maus wirklich nicht leicht handzuhaben war und mit einer Verzögerung
reagierte. Die Lehrerin kam und versuchte es auch. Sie sagte dem Mädchen sie
müsse die Maus in die rechte Hand nehmen und sie dürfe sie nur auf dem
Mousepad bewegen und nicht mit der Maus über den ganzen Tisch fahren. Der
Lehrerin zufolge funktionierte die Maus „eh“, obwohl auch sie einige Versuche
benötigte. Das Kind versuchte es weiter, hatte aber wieder Probleme und meinte,
es habe keine Lust mehr. Die anderen Kinder, die mit der Lehrerin den Raum
betreten hatten, schienen auch zum PC zu wollen „nacha bin oba i dron ga!“ Das
Mädchen ganz vorne schien keine Probleme zu haben und klatschte vor Freude
über die richtigen Aufgaben in die Hände. „I wüll neama“ sagte unterdessen das
Mädchen ganz hinten wiederholt. Dann läutete es und die Mädchen machten sie
auf in ihre Klasse. Ein weiteres Mädchen kam aber sogleich in den Raum, setzte
sich zum ersten PC und klickte seinen Namen an. Als das Programm die ersten
Anweisungen gab, meinte es, i hör nix, und sie bat mich ihr den Kopfhörer
aufzusetzen. Dieses Mädchen besuchte auch die zweite Schulstufe und ich wollte
eigentlich schon nach oben in den Medienraum gehen. Als ich bemerkte, dass das
Mädchen nicht wusste, wie das Lernprogramm ablief, erklärte ich es ihr kurz und
als ich das Gefühl hatte, nun würde es gehen, ging ich hinauf in den ersten Stock.
Ich betrat wieder den Medienraum und diesmal war der PC am Lehrertisch bereits
eingeschaltet und auch am TV Monitor war der PC-Bildschirm zu sehen. Die zehn
PCs der Kinder waren noch abgedeckt und die Kinder liefen nacheinander in den
PC-Raum. Der Direktor gab den Kindern die Anweisung, sich zu zweit zu den
PCs zu setzen. Eine Gruppe von drei Schülern musste zusammen an einem PC
arbeiten. Wie sich herausstellte, hatte der Direktor das bewusst gemacht, um mir
so ein Beobachten der sozialen Aspekte vom Arbeiten der Kinder mit dem PC zu
ermöglichen.
246
Auf der linken Seite saßen ganz vorne ein Bub und ein Mädchen mit kurzen
Haaren. Dahinter saßen zwei Buben, dahinter zwei Mädchen und hinter ihnen
wiederum zwei Mädchen an einem PC. Auf der rechten Seite saßen vorne am
dritten PC zwei Buben gemeinsam und dahinter eine Dreiergruppe vor einem PC.
Die Kinder deckten die PCs ab, schalteten sie eigenständig ein und starteten nach
den Anweisungen des Direktors das Programm, in welchem es darum ging,
Begriffe aufgrund bestimmter Oberbegriffe zu finden und zuzuordnen. Wieder
gab es bei einigen Problemen beim Einsteigen. „Vielleicht spinnt der wieder!“
meinte der Direktor nach anfänglichen Problemen beim Starten des Programms.
Die Kinder mussten die Anzahl und die Namen der Spieler eingeben. Das
Mädchen, das mit zwei anderen den PC teilen musste, meinte wiederholt zum
Direktor „Ma, i kum nit zuabe!“ Die anderen Kinder begannen zu arbeiten und
waren mit Freude und Eifer am Begriffe-Zuordnen. „Jaa!“ „Ma, hiatz hob i fia di
gmocht!“ Die Kinder halfen sich gegenseitig und wurden sogleich vom Direktor
ermahnt. Der Direktor wurde immer herbeigeholt, wenn Probleme auftraten. Eine
Tastatur wollte nicht so richtig funktionieren „Homma wieda mit dem Keyboard
Probleme ba eich“ meinte der Direktor.
Unterdessen bemerkte ich, dass ein Mädchen der Dreiergruppe den Tränen nahe
zu sein schien. Der Direktor sagte mir, dass auf diesem Wege das Lernen in der
Gruppe erlernt werde. Die Situation schien sich nach kurzer Zeit wirklich zu
entspannen und die drei vor einem PC schienen einen Weg zu finden, miteinander
auszukommen, wenngleich das Mädchen, das gezwungenermaßen etwas abseits
vom PC saß, verständlicherweise etwas traurig und unzufrieden schien. Immer
wieder gab der Direktor Hinweise und wies die Kinder zurecht: „Ihr müsst lesen
was da drinnen steht!“ z. B.: Baum – Gegenstand, Natur, Wetter, anfassen. Den
Kindern schien das Arbeiten am PC Freude zu bereiten. „Herr Lehrer wos is denn
des fia a Frog?“ fragte ein Mädchen, das noch Probleme hatte, der Funktionsweise
des Programms zu folgen. Lachen und aktives Arbeiten der Kinder war zu
beobachten.
Der Direktor teilte mir mit, dass bereits vor 15 Jahren die ersten PCs an der
Volksschule eingeführt worden waren. Bereits seit 1996 existierte die Homepage
der Volksschule. Er erzählte mir, dass er von einer Hauptschule gekommen sei.
247
Da ihm dort die Hände gebunden waren, hätte er zur Volksschule gewechselt, um
hier etwas zu bewirken. Er erklärte mir, dass zunächst von Seiten der Eltern
Misstrauen zu verspüren gewesen war, da sie dachten, die Kinder würden mit den
PCs in der Schule nur spielen. Nach zwei Jahren waren sie dann aber eines
Besseren belehrt. Auch erzählte er mir, dass die Schule im Zuge der Aktion
„Schulen ans Netz“ nur drei PCs erhalten hätte, die anderen Geräte hatte er privat
aufgetrieben.
Die Kinder arbeiteten selbständig und nach den anfänglichen Schwierigkeiten war
nun auch ein Lachen aus der Dreiergruppe zu vernehmen. Die Kinder arbeiteten
brav. Der Direktor wies darauf hin, sie müssten genau überlegen, z.B. welcher
Begriff sich zu Flüssigkeit, Getränk, Alkohol zuordnen lässt. Ein Faustschlag auf
den Tisch von einem Jungen ganz vorne zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Er
dürfte sich geärgert haben, danach war der Ärger aber verflogen. Der Lärmpegel
stieg an und Lachen aus den Reihen war zu vernehmen. Die Kinder arbeiteten
eifrig das Programm durch.
Zwischendurch teilte der Direktor den Kindern den höchsten Punktestand mit,
worauf sie gleich reagierten und ihre eigene Punktezahl ausriefen. Als Folge
begannen sie sich noch konzentrierter mit der Aufgabe zu beschäftigten. Wieder
wies der Direktor darauf hin „Zuerst nachdenken, dann die richtige Antwort
anklicken, wal sonst gibt‟s an Punkteabzug!“. In der Dreiergruppe waren die zwei,
die näher am PC saßen, mit Begeisterung dabei, das Mädchen am Rand hingegen
schien wieder traurig zu sein. Vier PCs im Raum waren ja ausgeschaltet, was auf
mich eigenartig wirkte, da ich das eine Mädchen „leiden“ sah.
Die Kinder, die fertig waren, durften wieder die „Kegel-Rechnungen“
durchrechnen, was ihnen scheinbar leicht fiel. Über Mathe, PluMi Kegeln kamen
sie ins Programm. Die Kinder saßen teilweise schon unruhig auf den Stühlen. Ein
Junge vorn plumpste überhaupt vom Stuhl herunter.
Als ich den Direktor nach dem Zugang zum Internet für die Kinder fragte, sagte
er, dass dies durchaus möglich sei. Es gäbe spezielle Kinderseiten, die mit den
Kindern gemeinsam besucht würden. Die Kinder links vorne hatten das
Kegelspiel bereits fertig und durften nun eine Internetseite aufmachen. Eine
Musikseite (mit Tokyo Hotel) und eine Landwirtschaftseite waren geöffnet
248
worden. „Ma die dürfen Bilder schauen“ rief ein anderes Kind. Der Direktor sagte
mir, dass er soeben unter den bisher geöffneten Homepages eine mit Sex gelesen
hatte, man müsse immer aufpassen, was die Kinder anschauen oder im Google
suchen. Als es dann läutete, wurden die PCs wieder von den Kindern selbständig
ausgeschaltet, ordentlich abgedeckt und dann war die Schule aus. Die
Klassenordner und Tafelordner mussten noch einmal in die Klasse, um ihren Job
ordnungsgemäß zu erledigen.
Beim Anziehen in der Garderobe sprachen die Kinder über verschiedene
Homepages; einer meinte, er habe kein Internet zu Hause, aber der Nachbar hätte
ein Internet und da gehe er immer hin. Auch vom Musik-Runterladen war die
Rede. Ein Mädchen meinte, es habe so genug Bilder zu Hause die es anschauen
könne „I hob kans daham (Internet), oba i hob a schöne Bilder”.
“I hob daham www.Sex.at eingebn! Oba Pscht!“ sagte das eine Mädchen zu mir,
das mit der Dreiergruppe zu kämpfen gehabt hatte, als der Direktor aus der
Direktion kam.
Ehe ich fuhr, sprach ich noch kurz mit dem Direktor, einem engagierten Mann mit
intelligenten Kindern (stolze Erzählung); er teilte mir mit, dass er mir auch für ein
Interview zur Verfügung stehen würde.
Draußen kam das eine Mädchen (Sexseite) wieder auf mich zu und wollte mich
gar nicht gehen lassen. Sie fragte mich, ob ich wohl wieder kommen würde. Auch
suchte sie wirklich meinen Körperkontakt – stellte sich direkt vor mich hin, um
abzumessen, wieviel ich größer sei. Ich verabschiedete mich dann aber und fuhr.
Ich habe diese zweite Beobachtung viel entspannter erlebt. Die Organisation war
mir nicht mehr vollkommen fremd und es war für mich auch nicht mehr so
anstrengend.
13.5 TRANSKRIPTIONEN DER (GRUPPEN-)INTERVIEWS
Die Transkriptionen aller Interviews befinden sich auf den folgenden Seiten. Es
handelt sich um jene in den Auswertungsteams bearbeiteten Daten und diese
dienen als Quellennachweis.
1
13.5.1 ANONYMISIERUNGSCODE: S-GIV 1
InterviewpartnerInnen (S1-5): fünf SchülerInnen
(drei Buben und zwei Mädchen)
Interviewerin (IV): Martina Pucher (geborene Zwantschko)
Termin: 22. März 2007
Ort: Volksschule I; Kärnten; Land
Dauer: 24 Minuten
IV: Ma, es freut mich wirklich, dass ich euch interviewen darf. Ja,
und weil wir ja doch so viele sind, würde ich euch bitten zunächst
einmal euren Namen und euer Alter zu sagen. Okay? Ich fange
gleich an, also mein Name ist Martina, ihr kennt mich ja schon
von den Beobachtungen und vom Probelauf letztes Mal, und ich
bin 29 Jahre alt. Wer möchte denn weitermachen?
S1: Servus (spricht direkt ins Aufnahmegerät) ich bin die ???
(Kinder lachen)
IV: Ja, Lachen ist erlaubt, Lachen ist sogar erwünscht. Wer mag
den weitermachen? Machen wir vielleicht da weiter. Wie heißt
denn du?
S2: ???.
IV: Und wie alt bist du?
S2: 9 Jahre.
S3: Ich bin der ??? und bin 9 Jahre.
S4: Ich bin der ??? und bin auch 9 Jahre.
S1: Ich bin die ??? und bin 9 Jahre.
S5: Ich bin die ??? und bin 9 Jahre.
2
IV: Super. Dann beginnen wir jetzt. S5, setzt du dich vielleicht
auch ein Stück weiter her, damit wir auch dich gut auf dem
Aufnahmegerät hören.
S1: Nein, bleib du da drüben, sonst setze ich mich weg.
IV: Ist das wirklich so schlimm, wenn sie dir gegenüber sitzt?
(Pause – S5 setzt sich neben mich) Also, gut jeder hat jetzt einen
Platz am Tisch der ihm gefällt, dann können wir ja loslegen.
Letztes Mal, im Probelauf und der Kennenlernphase habt ihr für
mich ja gemalt, was ihr gerne in eurer Freizeit macht und ob der
Computer einen Platz in eurer Freizeit hat. Also, hier ist heute
wieder ein Blatt Papier und es wäre jetzt ganz toll, wenn ihr für
mich ein Bild malen könntet, auf dem ihr zeichnet „Was kann ich
alles mit dem Computer tun oder einfach ‚Ich und mein
Computer’.“ Okay? So, und jetzt erzählt mir doch mal, wer
macht denn was am Computer oder was habt ihr denn schon mal
ausprobiert?
S1: Fußball spielen! (begeisterter Ausruf)
IV: Am Computer?
S1: Ja, voll lustig.
IV: Aha und wo hast du das Spiel her? Ist das am Computer
installiert?
S1: Ja, das ist am Computer installiert.
IV: Aha, wer hat dir denn das gezeigt?
S1: Die Mama hat mir das gezeigt. Voll cool, voll lustig.
S3: Ich kann das selber.
IV: Du kannst das schon selber installieren, S3?
S3: Ja.
3
IV: Und was machst du sonst gerne am Computer, auch Fußball,
hm, oder etwas anderes noch?
S3: Mmm, ein LKW-Spiel.
IV: Mhm. Ein LKW-Spiel gibt's auch. Aha. Und du, was tust du
gerne am Computer.
S2: Ich tu gern Traktor anschauen.
IV: Aha, auf einer Homepage, da gibt's ja tolle Bilder
wahrscheinlich, ga?
S2: Ja.
IV: Und du, was machst du so gerne am Computer?
S4: Mmm, Spiele spielen.
IV: Und was spielst du da so gerne zum Beispiel, was gibt's da für
verschiedene?
S4: Ah, Minen Crash oder wie das heißt.
IV: Aha, da tut man Minen aufstöbern, oder wie?
S4: Ja.
IV: Und du, was tust du gerne am Computer?
S5: Ich gehe am liebsten unter www.Pferde.at hinein.
IV: Aha, gut. So und jetzt könnt ihr einfach einmal anfangen zu
zeichnen und ich werde euch zwischendurch immer wieder
Fragen stellen. Okay?
S1: Hallo! (laut ins Aufnahmegerät)
IV: Oh du sagst hallo, das freut mich aber sehr. (Die Kinder
lachen.)
S1: Ich weiß ja nicht was ich zeichnen soll?
IV: Ihr könnt zeichnen was ihr wollt und ich beginne einfach zu
fragen. Also, gut. Wann habt ihr denn eigentlich zum ersten Mal
4
mit dem Computer gearbeitet? Ist das schon länger her oder habt
ihr damit in der Schule begonnen?
S2: Ich war in der Zweiten.
S1 und S4 und S5: He, in da Ersten (flüsternde Zurufe).
S3: Wann wir in der Schule oder zu Hause?
IV: In der Schule und zu Hause auch. Ja, also wenn ihr zu Hause
einen Computer habt, wie ist es da, wann habt ihr denn da
angefangen euch mit dem Computer zu beschäftigen?
S3: Mit 5.
IV: Fünf Jahre warst du alt (zu S3)?
S3: Mhm.
S1: Ich war vier.
IV: Aha, da hast du selber dürfen am Computer irgendetwas
anschauen, oder so?
S1: Sicher. Da war ich viere und da war ich bei meinem Bruder und
da hab ich "Conter Strike" gespielt und das ist für unter 18 Jahren
nicht geeignet.
IV: Oh, aha.
S1: Hihi (lacht ganz hinterlistig).
IV: Aha, aber dein Bruder hat dir das gezeigt, mhm.
S4: Ich war in der Ersten.
IV: Aha, in der ersten Klasse schon, aha, habt ihr da auch schon
das Lernprogramm "Lilos Lesewelt" gehabt.
S1 und S4: Nein.
S2: Es ist jetzt wohl drin, aber (wird unterbrochen)
S4: Kenne ich gar nicht.
S3: Meine Schwester hat das.
IV: Aha, deine Schwester lernt jetzt damit?
5
S3: Ja, genau.
IV: Mhm, cool.
(Pause, Kinder lachen und zeichnen)
IV: Was kann man mit dem Computer alles machen? Da könnt
ihr zeichnen was ihr wollt, ga. Man kann ja sehr viele Sachen
machen, ga.
S 2: Ma, S3, gib mir mal dein Stift.
S1: Was ist denn das für ein Computer?
S3: Da oben steht erst der Computer.
S1: Von meiner Mama ist das Computerkasterl ist hin. Ich hab einmal
mit einem, mit einem Fußball drinnen gespielt und da hab ich dann
hinauf geschossen und dann war es hin.
IV: Aha, also ist der Computer jetzt kaputt.
S1: Nein, es ist nur das Kasterl da, wo die CDs drin sind.
IV: Aha, das ist kaputt geworden.
(Kinder murmeln unverständlich vor sich hin, währenddessen sie
zeichnen)
S3: (zeigt auf seine Zeichnung, auf der er einen Computer am
Schreibtisch in allen Details aufgezeichnet hat) Reset, Start und da ist
das Laufwerk (lacht)
IV: Aha, also, du kennst dich da also ganz genau aus wie ein
Computer ausschaut. Mhm, wer kann mir denn das einmal
erzählen, was alles notwendig ist bei einem Computer, was da so
alles dazugehört?
S1: Ich (begeisterter Ausruf) eine Maus, dann braucht man ein
Mousepad, dann braucht man die Tastatur, ein Kasterl da unten, (wird
unterbrochen)
S2: Überhaupt einmal den Computer, ha.
6
S1: Und dann braucht man einen Bildschirm und dann braucht man
die Boxen.
IV: Aha, und du hast da vorhin die Knöpfe gezeichnet, kannst du
uns die noch einmal erklären?
S3: Ah, Reset-Knopf, Start-Knopf und ein Laufwerk.
S1: Zeig her! (Kinder lachen)
IV: Mhm und wie nennt sich da der Turm da?
S2: Das ist der Computer.
IV: Ja, das ist der eigentliche Computer.
S1: Und wie heißt das dann oben?
IV: Das ist dann der Bildschirm.
S4: Ich mal noch ein paar Mankalan, die was mit einem
Maschinengewehr herumlaufen.
IV: Aha, genau, das ist ein Spiel was du da zeichnest?
S4: Ja.
IV: Und, (Pause) tut ihr am Computer lieber spielen oder tut's ihr
auch gerne so Lernprogramme durchmachen?
S1 und S5: Nein. (vor sich hin murmelnd)
S4: Nein, lernen nicht. (überzeugt)
IV: Aha, aber die Übungen am Computer in der Schule machen
euch die Spaß?
S: Ja. (ein einheitliches murmelndes Ja aus der Runde)
IV: Was macht ihr lieber? Rechnen und Schreiben im Heft oder
an der Tafel oder am Computer?
S: Computer. (einheitlich von allen)
IV: Also, ihr rechnet und schreibt alle lieber am Computer als im
Heft oder an der Tafel, warum eigentlich, weil rechnen müsst ihr
ja am Computer auch mit dem Kopf?
7
S1: Computer ist ja viel lustiger, da lernst du was dazu.
IV: Ja, aber du musst ja trotzdem rechnen?
S1: Ja des is ja wurscht.
S3: Ja, weil das ist voll cool.
S4: Mathe ist immer blöd.
IV: Und schreiben, weil ihr habt da ja auch so Schreibübungen?
S4: Ja, Deutsch ist besser. Deutsch ist besser.
IV: Fällt euch das nicht schwer, die Buchstaben auf der Tastatur
zu finden.
S1, S3, S4 und S5: Nein. Nein (murmelnd).
S2: Kreuzworträtsel, das ist zach.
(Pause - Kinder malen und murmeln vor sich hin).
S1: Die zwei mögen sich nicht. Weißt eh. Weil er läuft immer weg,
wenn (wird unterbrochen)
S4: Ja die lässt mich nie in Ruhe. (meint S5)
S1: Ja und er meint sie breitet Aids aus.
S3: Ist ja stimmt, ja das stimmt ja wohl.
IV: Nein, so darf man aber nicht reden.
S4: Doch, voll grausig.
S3: Das denk ich mir auch gerade. (Pause)
IV: Also, und wir haben ja beim letzten Mal schon so einige Dinge
besprochen. Ähm. Wisst ihr eigentlich noch was chatten ist?
Alle: Ja.
IV: Wisst ihr was das heißt.
S2: Ja, schon.
S1: Ja, chatten heißt im Internet surfen.
IV: Nein, nicht ganz, was heißt im Internet surfen?
S1: Ja, das heißt, das heißt chatten (lacht).
8
IV: Nein genau nicht. Wer weiß das? Weiß einer von euch das?
Hm? Was ist denn der Unterschied zwischen surfen und chatten?
S3: Beim Chatten da schreibst so hin und her.
IV: Ja, genau, super S 3. Und surfen, was heißt das?
S1: Da tust irgendeine Internetseiten schauen.
IV: Genau, verschiedene Seiten, verschiedene Internetseiten tust
da anschauen. Ja, super. Mhm.
S1: Kann ich ein VSV-Leiberl auch zeichnen, weil das hab ich
nämlich im Internet angeschaut.
IV: Ja, sicher, sicher. Gut. Hast du dir die Homepage vom VSV
schon einmal angeschaut, wenn du so ein Fan bist. Weißt du da
vielleicht auch die Adresse?
S1: Ja, sicher, www.VSV.at.
IV: Aha, ja, ich weiß das nicht. Wie ist denn das, wenn man etwas
sucht im Internet, wie kann man denn das am besten machen.
Habt ihr da eine Idee?
S2: Wenn, wenn (wird unterbrochen)
S3: Mit dem Google.
S4: Gugelhupf (lacht).
IV: Aha, und wie funktioniert das da?
S1: Da brauchst nur eingeben VSV at, ah, www VSV at.
IV: Habt ihr das schon einmal ausprobiert, etwas im Internet
suchen?
S1: Sicher, mit meinem Cousin, der ist schon 25.
S3: Und dann steht dann, meinten sie?
IV: Hm?
S3: Meinten sie blablabla.
9
IV: Aha, ja genau (lacht) da steht dann, "Meinten Sie" - wenn der
Begriff nicht gefunden wurde. Ja genau.
S4: Blablabla. (Lachen)
IV: Ja, was man halt eben sucht. Das kommt ganz darauf an.
Wenn sie zum Beispiel etwas von Pferde sucht.
S4: Hähä. (gesprochenes Lachen)
(Lachen)
S1: Alle haben noch keinen Computer.
S5: Super, bei meiner Oma, ha.
S1: Ja, wir haben daheim zusammen mit dem Nintendo und dem
Laptop, haben wir drei Computer.
S5: Was zusammen mit dem Nintendo?
S2: Die kennt ja das nicht, die ist ja noch nicht so modern.
S4: Nintendo DS.
S1: Nein, nicht Nintendo DS, nur Nintendo. (Pause, murmelndes
Gelächter)
IV: Also, Ihr kennt doch alle das Internet.
S1: Sicher voll cool.
IV: Wie würdet ihr das beschreiben? Wisst ihr eigentlich was das
Internet ist? Meine kleine Tochter ist vier Jahre, wie würdet ihr
meiner kleinen Tochter das erklären? Was ist das Internet
eigentlich?
S1: Da kann man Seiten anschauen, die was es so nicht gibt. Die was
keiner hat. Die kannst du nur im Internet anschauen und die kannst
ausdrucken.
IV: Am Computer?
S2: Oder am Laptop.
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IV: Mhm, ja ein Laptop ist ja auch ein Computer. Also, es ist gar
nicht so leicht zu sagen was das eigentlich ist. Aber ihr habt das
ganz gut auf den Punkt gebracht, das sind ganz viele Computer
auf der ganzen Welt und die sind miteinander verbunden. Und da
kann man dann die verschiedenen Internetseiten anschauen.
S5: Weißt du was das coolste ist?
IV: Was ist denn das coolste?
S5: Du heißt Martina und meine Mama heißt Martina. Du bist 29 und
meine Mama ist 29.
IV: Aha. (zeitgleich)
S2: Man kann auch eine eigene Homepage machen. (leise)
IV: Was hast du jetzt gesagt, man kann auch eine eigene
Homepage machen? Mhm. Ihr kennt ja sicher auch alle die
Homepage von eurer eigenen Volksschule, oder? Wie gefällt euch
die?
S4: Die ist voll langweilig.
S1: Ich find die auch langweilig.
IV: Warum findest du die langweilig?
S1: Ja, weil man da nichts anschauen kann, von Eishockey.
IV: Aha, ja deshalb. Also mir gefällt sie ganz gut, da sind so viele
Fotos von Projekten und so.
(murmelndes naja - murmelndes zeichnen)
S2: Der schaut am Handy nach wie man Sony schreibt.
S3: Ja hab ich ja ein Sony.
IV: Also gut, super macht ihr das, was hast du da alles gezeichnet
(zu S3)? Kannst du uns das noch einmal beschreiben?
S3: Ah, Computer, eine Boxen, einen Drucker, ein Telefon
(Lachen)
11
IV: Aha, der Monitor.
S3: Ah, einen Drucker, ähm, hab ich schon gesagt.
IV: Mhm alles da, die volle Ausstattung, ja perfekt und was tust
du eigentlich gern am Computer machen?
S3: Das muss ich jetzt da noch hinauf zeichnen.
IV: Mhm, aha, ja sehr gut.
S4: Da S2 "hot an glossn". (Lachen)
IV: (lacht) Ähm, würdet ihr jetzt sagen, dass das Internet ist
super oder eher, ah, das ist mir "wurscht".
S4: Cool.
S2: Weiß ich nicht.
S1: Geil.
IV: Und warum?
S1: Ja, weil es einfach cool ist.
IV: Und was ist so cool an der ganzen Geschichte?
S5: Da kann man so etwas Aufregendes erleben.
IV: Aha, mhm, ja da kann man so etwas Aufregendes erleben.
Aha.
S1: Ja des ist obergeil.
S4: Gleich wie im Kino (murmelnd).
IV: Aha, und ihr tut ja sicher alle Fernsehen auch. Oder?
Alle: Ja.
IV: Aha, was tut ihr lieber, Fernsehen oder Computer spielen?
S1: Jetzt wird ja der Gameboy wieder interessant.
S2: Ja. Jetzt habe ich schon seit einem Jahr nichts mehr gespielt. Seit
fünf Tagen spiel ich wieder.
IV: Aha.
S1: Ma, ich bin jetzt bei Power Ranger durchgefallen.
12
(Murmeln)
IV: Was macht ihr jetzt lieber Fernsehen oder Computer spielen.
S4: Computer spielen.
Alle: Computer.
IV: Aha, aber Fernsehen tut ihr auch gerne?
S1: Ja nach dem Fußball.
IV: Und in eurer Freizeit, was macht ihr da am liebsten?
S4: Fußball, Schi fahren.
S2: Ich gehe lieber raus als am Computer zu spielen.
(Pause – Kinder zeichnen vor sich hin)
IV: So, jetzt fällt mir noch etwas ein, kennt ihr das OnlineShopping? Was heißt denn das?
S1: Da tust du online Sachen bestellen.
IV: Aha, und wie funktioniert das?
S1: Ja, weiß ich nicht.
S3: Da gibt man die Adresse ein und die Kontonummer und nachher
schicken sie dir das.
S1: Aber du musst immer das dünn geschriebene auch lesen, weil ich
habe das einmal im Fernsehen gesehen, da hat einer das nicht gelesen,
und dann hat er müssen 80 Euro zahlen. Und der hat das aber nicht
gewusst. Und der hat gemeint, der kriegt das Handy gratis.
IV: Aha, also das Kleingeschriebene lesen.
S4: He, die gibt nie eine Ruhe.
(Rufe durch die Runde: Aids. Aids. Weitergeben! Weitergeben! Eine
Unruhe macht sich breit - Lachen)
IV: So Friede. Friede. (Pause) Okay. Habt ihr schon einmal ein EMail geschrieben? Kennt ihr das E-Mail schreiben?
13
S (nicht zuordenbar): Das ist ein Tagebuch, da kann man
reinschreiben und nachher schreibt jeder wieder zurück.
IV: Aha, du meinst ein Gästebuch. Das ist aber etwas anderes als
E-Mail schreiben.
(Die Kinder raufen und albern herum)
IV: So ihr müsst jetzt aufhören, sonst müssen wir unser Interview
beenden.
Alle: Ma, na.
IV: So gut, weiß jetzt jemand von euch was E-Mail bedeutet?
S4: Jou! (lacht) Ma die gibt nie eine Ruh.
S4: Da schreibt man Nachrichten.
S2: So wie SMS.
IV: E-Mail ist mehr so wie ein Brief, den du nicht mehr mit der
Post wegschickst, sondern
S3: Ich habe ja ein E-Mail auch auf meinem Handy.
IV: Echt? Und hast du das schon einmal ausprobiert?
S3: Nein.
S4: Wäh! Jetzt hat sie Aids oben.
IV: Jetzt frage ich, frage ich jeden von euch nach eurer
Lieblingshomepage?
S1: www.admiral-sportwetten.at, www.VSV.at.
S5: www.Pferde.at.
S2: www.Landwirt.at.
S4: www.kärntensport.at
IV: Und was findet man auf dieser Homepage?
S4: Ah, Fußballergebnisse, mm.
IV: Aha, und wie bist du da draufgekommen. Hast du das selber
herausgefunden?
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S4: Nein, das hat ??? (ein Schulkollege) mir gesagt.
IV: S1 kommst du bitte her. Weil ansonsten machen wir einen
Wechsel. (Pause) Okay, es gibt da ja aber auch Seiten im Internet
die für Kinder ja eigentlich nicht geeignet sind? Wer weiß denn
da was ich da meinen könnte.
(Kinder lachen und murmeln vor sich hin.)
S1 (zu S5): Ah, nein sag du.
S5: Sex.
S1: Sex und ficken. (Lachen) Das hat ??? gesagt.
IV: Was denkt ihr da darüber?
S4: Da ??? mag das anschauen.
S5: Aber das zeigst du nicht im Radio, ga, also bleibt das unter dir?
IV: Nein das erfährt niemand.
S1: Auf einmal steht da vielleicht jemand vor der Tür.
IV: Aha, woher weißt du das? Kennst du das aus der Werbung
"Sehen Sie was ihr Kind sieht"?
S1: Aber die beste Werbung ist noch immer, da tut ein Kind malen,
dann geht das Kind und klebt da Mama was rauf.
S4: Die Werbung mit der Schokolade ist auch geil.
(Lachen)
S4: www.Radiergummi.at
IV: Ja, da müssen wir nur nachschauen, ob es diese Homepage
wirklich gibt?
S4: www.pferdeaepfel.at.
(Lachen)
IV: Ja, dann machen wir jetzt einen Wechsel.
S1: Ma, gebt's eine Ruhe, sonst müssen wir wieder rübergehen.
S4: Schau, wie du schon stotterst, findest du sie fesch?
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(Lachen und Herumalbern)
IV: Aber hallo, ich will mit euch jetzt über Computer reden, und
nicht über Verliebte. (mit einem Augenzwinkern) Das letzte Mal
haben wir ja auch schon darüber gesprochen, worauf man
aufpassen sollte, wenn man jemanden übers Internet kennenlernt.
Würdet ihr euch mit Leuten, die ihr nur über den Computer
kennt treffen?
S1: Nein das würde ich nicht, weil wenn du dich mit ihm triffst, dann
kommt da ein Großer und der nimmt dich nachher mit.
S5: Immer nur mit einem Erwachsenen.
IV: Aha, ja super. Wo habt ihr das her? Wo habt ihr das gehört?
S1: Na, von dir.
IV: Toll, von letzter Woche - ihr habt euch das gemerkt. Super.
(Murmeln und Lachen)
IV: Würdet ihr da euren richtigen Namen verwenden, wenn ihr
im Internet chattet?
Alle: Nein.
IV: So, gut dann schauen wir uns abschließend noch einmal eure
Zeichnungen an und jeder kann noch einmal sagen, was er gerne
am Computer macht. S 1, was gefällt dir am besten?
S1: Am Computer gefällt mir am besten das Eishockey spielen.
IV: Aha und hast du da auch so Spiele die dir gefallen?
S1: Ja, da gibt es ein Heft, da kauf ich mir ein Heft, das kostet 4,50
Euro und da sind dann immer so Spiele oben.
IV: Aha, und die spielst du gerne. Gut und was machst du sonst
noch so gerne am Computer?
S1: Ah, ich tu immer so viel hinauf spielen, dass er hin wird.
IV: So und was machst du gerne?
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S1: He ich bin noch nicht fertig. Ich hab auch ein Poster von VSV
gezeichnet.
IV: Ja, da bist du ein großer Fan. (Pause) Okay. So und jetzt du,
was hast du gezeichnet?
S5: Ich habe einen Computer gezeichnet und da wo Pferde oben steht.
Ja und ich gehe am liebsten unter www.pferde.at eine. Oder sonst
spiel ich das Spiel Sims. Ah, ja und meine Oma hat einen Computer,
weil die tut die Schulmilch liefern und da hat sie auch einen
Computer.
IV: Aha, ja. Gut. Und was hast du gezeichnet? Was tust du gerne
am Computer?
S2: Ah, Traktor anschauen.
IV: Okay, das hast du ganz toll gezeichnet. und was hast du
gezeichnet, was machst du gerne?
S3: Ein LKW-Spiel.
IV: Aha, und wie funktioniert das? Wie spielt man das?
S3: Mit die Pfeiltasten. Da fährst du mit dem LKW durch Amerika
und musst einen Hänger abliefern.
IV: Aha, und was machst du alles gerne, was hast du da
gezeichnet?
S4: Ein Bundesheerspiel.
IV: Aha, und wie funktioniert das Spiel?
S4: Da muss man da durchgehen.
(Kinder werden zunehmend unruhig und albern herum)
S1: Die S5 ist jetzt mit dem Stuhl umgefallen.
IV: Das hört man eh, glaubt mir das. Also gut dann schließen wir
diese Runde. Dann sage ich danke zu euch.
S5: Ma, zeichnest du mir bitte noch ein Pferd?
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S1: Nein, ma, bitte zeichnest du mir einen Adler? Ma, ich möcht noch
die ganze Stunde so weiterreden.
S2: Ich bin fertig.
IV: Ihr habt das ganz toll gemacht. Okay, dann sage ich noch
einmal danke. Und wir sehen uns dann wieder, wenn ich mit
meinen Zwischenergebnissen komme, okay?
1
13.5.2 ANONYMISIERUNGSCODE: S-GIV 2
InterviewpartnerInnen (S1-4): vier Schüler (Buben)
Interviewerin (IV): Martina Pucher (geborene Zwantschko)
Termin: 22. März 2007
Ort: Volksschule I; Kärnten; Land
Dauer: 25 Minuten
IV: So, ihr kennt mich jetzt eh schon von den Beobachtungen und
von unserem "Probelauf" letztes Mal, da habt ihr ja schon etwas
gemalt für mich, oder nein, du warst ja noch nicht dabei, ga. Du
warst dabei, du warst dabei und du warst dabei. Okay. Also, ich
bin ja die Martina und interessiere mich für alles, was euch so
interessiert. So jetzt würde ich euch zu Beginn bitten, dass ihr mir
kurz euren Vornamen sagt und wie alt ihr seid.
S1: Ich bin 8.
S2: 9 Jahre.
S3: Ich bin auch 9.
S4: 9.
IV: Okay! So. Also, das letzte Mal haben wir ja gezeichnet was ihr
gerne tut in eurer Freizeit und heute wäre es super, wenn ihr
zeichnen könntet, was ihr alles mit dem Computer machen könnt.
Was könnt ihr alles am Computer machen. Okay? Los geht’s,
jeder kann zeichnen, was er möchte. Jeder kann es so zeichnen,
wie er es mag. (Kinder beginnen zu zeichnen, lachen, albern
herum – ich beobachte zunächst)
S2: Was wird das X?
S3: He, das wird ja kein Computer.
S4 Ma, ich hab da jetzt aber schon ein Monster gezeichnet.
2
IV: Ja, das schaut ja cool aus, du kannst ja einfach auf die
Rückseite malen, was du gerne am Computer machst, ga? Jeder
kann zeichnen was er möchte. Gut, ich frage euch einfach so
zwischendurch, okay? (Pause) Was macht's ihr denn gerne am
Computer?
S3: Ich spiele immer Spiele
IV: Wann habt ihr denn das erste Mal etwas am Computer
irgendetwas gemacht?
S1: Fragst du den?
S3: Gestern.
IV: Nein, ich meine, wie alt ward ihr, wie ihr zum ersten Mal am
Computer gespielt habt? Habt ihr in der Schule zum ersten Mal
mit dem Computer euch beschäftigt, oder schon zu Hause?
S4: Daheim.
S2: Daheim.
S3: Daheim.
IV: Habt ihr schon alle zu Hause auch einen Computer?
Alle S: Ja.
IV: Aha, und könnt ihr mir beschreiben, wie schaut denn
eigentlich so ein Computer eigentlich aus? Aus was besteht ein
Computer?
S2: Aus Spiele.
S3: Der Kasten da.
IV: Einmal der eine Kasten da. Aha. Was braucht man noch?
S1: Bildschirm.
S4: Und Tastatur, Maus.
S3: Und Internet.
S2: Drucker, Kopierer.
3
IV: Jawohl, du hast gesagt Internet, könnt ihr mir sagen, was ist
denn eigentlich für euch das Internet?
S3: Da kann man eine gehen WWW.
S4: WWW, ich weiß nicht was, WWW irgendwas.
IV: Aha, ja genau, da kann man also WWW "irgendwas"
anschauen. Habt ihr das schon einmal ausprobiert?
S2: Wir haben einen Computer, da hat jeder sein eigenes Programm.
IV: Mhm, hat da jeder sein eigenes Passwort oder wie?
S2: Ja.
IV: Aha, mhm, und wenn ihr jetzt irgendetwas sucht im Internet,
wie würdet ihr das angehen? Ihr könnt ruhig weiterzeichnen, ich
frag einfach so in die Runde, okay? Wir können ja nebenher so
ein bisschen plaudern, ga. (Pause) Also, hat einer von euch eine
Idee, wie kann man Dinge finden oder suchen im Internet?
S1: WWW Google und etwas.
S3: "Google".
IV:
Aha,
genau,
das
ist
eines
von
den
bekanntesten
Suchprogrammen, mhm. (Pause - Kinder zeichnen) Ja, und habt
ihr das alle schon mal ausprobiert.
Alle S: Ja.
IV: Mhm, super. (Pause) Sagt mal, wisst ihr eigentlich was E-Mail
heißt? Das habt ihr ja wahrscheinlich auch schon mal gehört?
S1: E-Mail.
S3: Schreiben
S4: Irgendwen schicken was.
IV: Mhm, so wie Briefe schreiben, oder?
S2: Nur ein bisschen schneller geht's.
4
IV: Aha, mhm, genau. (Pause) und was ist dann der Unterschied
zum Chatten? Habt ihr schon einmal chatten gehört?
S2: Ja, chatten.
S1: X du.
S3: Nein. Gehört hab ich es schon einmal, aber ich weiß nicht was das
heißt.
IV: Aha, ja chatten heißt ja plaudern, kommt aus dem
Englischen, ist wo wie SMS schreiben über den Computer.
(Pause) Mhm, also das interessiert euch weniger? (Pause) Und
was fällt euch noch so ein? Was wollt ihr mir noch erzählen?
S4: Weiß ich nicht, frag du was?
IV: Gut, ich soll euch noch weiter fragen. Hm, ihr seid ja fleißig
am Zeichnen.
S1: Was malst denn du da?
S3: Das ist so, weißt eh, wie S1: Was?
S3: (unverständlich) wie du mit dem Gameboy spielen kannst, da
musst so mit einem Mankalan herumlaufen und da kommen so eine
Figuren herum, die musst abschießen, drauf hupfen, so wie im Super
Mario.
S4: Die Vampirkühe, ha, das ist gut (lacht).
IV: Aha, wie funktioniert das?
S4: Da geht immer so ein kleines und hupft herum, doing, doing,
doing und einmal hupft es so hinauf (lacht).
IV: Aha, mhm. (Pause) Und das letzte Mal haben wir ja auch über
das Online-Shopping geredet. Könnt ihr euch noch dran
erinnern? Was heißt denn das für euch?
S2: Da braucht man so viel Geld.
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IV: Aha, da braucht man so viel Geld. (schmunzelnd)
S2: Ja da muss man aufpassen auf die Preise und so. (Pause)
S1: Wie schreibt man Internet.
IV: Ja, das stimmt eh so und eben das hinten das N E T das heißt
Netz, so wie die Spinne, die macht ein Netz, ga und da sind ja viele
Computer miteinander verbunden. (Pause) Jawohl, und und was,
kannst du uns jetzt einmal erklären, was tust du am Computer
gern.
S1: Spiele spielen.
IV: Spiele spielen, aha. Und welche gefallen dir besonders gut.
S1: Weiß i nit. (Pause) Skateboard fahren (unverständlich)
S2: Ja, das spiel ich auch immer.
IV: Aha, so Skateboard fahren. (Pause) Mhm, aha. Und das letzte
Mal haben wir ja auch geredet, ihr tut ja in der Schule auch am
Computer arbeiten, ga. Was macht euch da mehr Spaß, das
Rechnen und Schreiben im Heft oder an der Tafel oder das
Rechnen und Schreiben am Computer?
S3: Computer.
S1: Heft, Heft, Heft.
S4: Computer.
S2: Heft.
IV: Aha, also zwei schreiben lieber im Heft und ihr zwei schreibt
und rechnet lieber am Computer. Warum ist das für euch beide
am Computer lustiger?
S3: Weil du schneller bist.
S1: Nein. (betont)
IV: Mhm, aber man muss ja trotzdem selber rechnen und
schreiben.
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S3: Aber trotzdem bist schneller.
S4: Nein, du brauchst ja lei so schreiben und da musst so drücken und
so.
S1: Ja, aber (unverständlich).
S3: Ja, aber ich kann ja die Tastatur schon auswendig.
S2: Ja, ich auch, aber trotzdem.
S4: Ja, ich auch.
S1: Ich auch.
(Pause - Buben zeichnen)
IV: Mhm, ja, und habt's Ihr eine Homepage, die eure
Lieblingshomepage ist?
S3: Ja meine. (bestimmt)
IV: Aha, und welche ist das deine?
S3: Im Internet, das bin ich drin, okay drinnen nicht, aber ich hab mir
eine eigene Seite gemacht.
IV: Echt? Hat dir da dein Papa geholfen oder deine Mama?
S3: Keiner.
IV: Was?
S3: Keiner. (betont)
IV: Wie hast du das nachher gemacht?
S3: Ja, irgendetwas eingeben, nachher ist es gegangen.
IV: Aha, habt's ihr da so ein Programm daheim, oder wie?
S3: Ja.
IV: So ein Homepage-Erstellungsprogramm, oder wie?
S3: Aber wo ich drin bin im Internet, das weiß ich jetzt noch nicht.
IV: Aha, mhm. (Pause) Also tut ihr auch gern experimentieren?
S3: Ja.
S4: Ich geh immer unter WWW.jetztspielen eine.
7
IV: Jetztspielen, aha, und da gibt es wahrscheinlich die
verschiedensten Spiele?
S4: Ja.
IV: Aha, und was ist da das was du am liebsten spielst?
S4: Ja, da kannst so, Autochrash kannst spielen, da fahren Autos
herum und du hast so eine Keule in der Hand.
IV: Aha, aha.
S1 (leise): Aber ich zeichne noch was anderes. (Pause - die Kinder
malen ruhig)
IV: Würdet ihr jetzt sagen, dass der Computer eine gute
Erfindung ist, oder nicht?
S2: Gut.
S1: Naja, so das Beste ist es auch nicht, aber das (unverständlich).
IV: Aha, ja, und ihr tut's sicher auch gern Fernsehen?
S1: Nein.
IV: Hä, und so wenn schlechtes Wetter ist, na?
S3: Ja.
S2: Nein.
S4: Wenn schlechtes Wetter ist dann muss ich eher (unverständlich).
IV: Ja, was gefällt euch besser Computer spielen oder Fernsehen
schauen?
S3: Computer.
S4: Computer.
S2: Fernsehen.
IV: Aha, ihr zwei tut lieber Computer spielen, du fernsehen und
du?
S1: Mm, fast gar nichts.
IV: Weder noch. (lächelnd)
8
S4: Ich tu, wenn schlechtes Wetter ist, dann tu ich immer Zoo bauen.
Da haben wir so eine eigene CD. Da kannst einen eigen Zoo bauen.
Da kannst Tiere kaufen, Bäume, Pflanzen,
IV: Das was du dann alles am Bildschirm oben siehst?
S4: Ja, und da kannst du dann runter und schauen, richtig, die gehen
alle, da kommen Besucher.
IV: Aha, und siehst du da auch, ob dein Zoo erfolgreich ist? Ob
du die richtigen Tiere eingekauft hast?
S4: Ja.
IV: Aha, ja, und jetzt haben wir da, dich habe ich noch nicht
gefragt, hast du eine Lieblingshomepage? Oder was tust du gerne
am Computer?
S3: Mm, Spiele spielen.
IV: Aha, welche zum Beispiel?
S3: Vampirkühe.
IV: Hm, was ist denn das?
S4: Das ist geil. Da fährst du mit dem Auto herum und da musst du
nachher Vögel abschießen.
S3: Nein Kühe.
IV: Aha, heißt es deshalb die Vampirkühe?
S3: Ja. Und wenn du sie nicht abschießt, nachher scheißen sie dich an.
(lachen)
IV: Oh du meine Güte. (lacht)
S4: Auf die Scheibe rauf. G. brauchst lei die rechte Maustaste
drücken, nachher tut er Scheibenwischen.
IV: Mhm.
S4: Mhm, was noch. Mm, Moorhuhn.
IV: Aha, ja das kenne ich.
9
S4: Da schießen mich, da schießen die ganze Zeit die Moorhühner in
meinen Schädel eine.
S3: Das ist cool.
S4: Mhm, da schießen die Moorhühner sogar dich ab.
S1: Mm, Lego-Auto fahren.
S3: 707 Spiele.
S4: 707, du kannst ja nicht.
IV: Was, so viele Spiele kennst du schon?
S3: Ja.
IV: Echt?
S3: Ja, alle auf einer CD, die brauchst du lei hinein tun dann kann man
sie schon spielen.
IV: Wow.
S1: Mein Onkel hat einen Laptop mit Internet.
S4: Ich habe alle vier Moorhuhn-Spiele (unverständlich)
S1: Der kennt sich so gut aus.
IV: Ja, jetzt kann man ja schon kabellos ins Internet, habt ihr
davon schon gehört?
S3: Wir haben so eine Karte haben wir daheim, beim, beim äh beim
Laptop.
IV: Aha, und dann kannst ins Internet.
S3: Ja. Drei. So eine Karte.
S4: Voll geil.
S2: Nimmst ihn einmal mit. Von Drei.
S3: Die kannst du nicht runterladen.
S4: Musst auf eine CD um brennen.
S3: Ja, geht nicht.
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IV: Jawohl. (Pause) So, was haben wir beim letzten Mal noch
geredet?
S3: Weiß ich nicht mehr.
S4: Mm. Ob wir lieber ins Internet hineingehen.
S1: Ich brauch eine Farbe.
IV: Jawohl, gut. Ja, im Internet gibt’s ja alle möglichen Seiten.
Glaubt ihr dass das auch gefährlich sein kann im Internet.
S2: Ja.
S1: Ja.
S3: Bei mir ist er einmal abgestürzt.
S4: Ma, das ist ja nicht gefährlich.
S3: Ja nachher hat er einen Spinner gehabt.
IV: Was glaubt's ihr? Was ist positiv am Internet? Was ist
negativ?
S3: Autos anschauen, das ist positiv. (lachen)
S2: Spiele spielen.
S4: Schaue ich lieber in echt an.
(Pause - Kinder malen konzentriert vor sich hin. Es ist ruhig. )
IV: Und was denken eure Eltern über das Internet oder wenn ihr
sagt, ihr wollt Computer spielen?
S3: Nichts.
S4: Nichts.
S2: Bei mir sagen sie öfters ja.
S1: Äh, wenn ich meine Hausaufgaben gemacht habe, dann sagen
meine schon ja.
S2: Ich geh nachher hinaus immer. (Pause) Ich geh nachher Dach
springen. (lachen)
IV: Das ist aber nicht so hoch, oder?
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S2: Ja fünf Meter runterspringen.
IV: Ach so, aber nur jetzt, weil so viel Schnee ist, oder.
(unverständliches Gemurmel)
S2: Wir haben eine Rutschbahn gebaut.
S1: Ich mach daheim höchstens mit meinem Papa irgendetwas, mehr
mach ich daheim nicht, okay, vielleicht die Kühe füttern.
S3: Kühe füttern?
S1: Ist eh lustig, was hast denn?
S3: Du tust das ja nie.
S4: G. weißt noch wie ich am Baum meine Hose ist aufgerissen.
S3: Aber eine schöne hast du angehabt.
S2: Da P. hat gemeint, eine schöne Unterhose hast an. (lachen)
S1: G. du, ist die J. nachher noch gekommen?
S3: Ja.
S4: Ja, das war voll geil.
S3: Die J. wollt mich abbusseln. (lachen)
(Gemurmel – unverständlich)
IV: Aha, ja genau, und wie ist das, würdet ihr euch mit einer
Person treffen die ihrs übers Internet kennenlernt.
Alle S: Nein.
S3: Bruder treffen.
IV: Hm?
S3: Bruder treffen. Den Bruder treffen im Internet. Ja, voll cool.
IV: Den Bruder treffen. Wie funktioniert das?
S3: Ja, E-Mail.
IV: Aha, da könnt ihr hin und her schreiben. Mhm. Hat einer von
euch schon einmal gechattet?
S2: Nein.
12
S1: Nein.
S3: Nur einmal, aber das war langweilig.
S1: G. weißt noch wie wir bei dir das Lego-Auto gespielt haben?
S3: Ja, das hab ich, das da.
IV: Ja, super. Schreibst du da vielleicht noch deinen Namen dazu
oder noch dein Lieblingshomepage?
S4: Kann ich das runterladen, weil ich hab einen neuen Computer.
S3: Ja.
S2: Passt, danke. (Malgeräusche)
S1: Fertig.
IV: So, jetzt machen wir noch so eine abschließende Runde, wo
jeder sagen kann, was er gezeichnet hat und was er gerne macht
am Computer. Fangen wir einmal bei dir an. Ja.
S2: So ein Spiel, da gehst mit einem Mankalan herum, dann kommen
so eine anderen Viecher und auf die musst drauf hüpfen und wenn du
das nicht schaffst, du hast drei Leben und ich gewinne immer. (lacht
zaghaft) Und am meisten tu ich Spiele spielen, schreiben mag ich
nicht so gern. (zaghaftes Lachen).
IV: Mhm, und wie ist das mit dem Rechnen und so am
Computer? Das Budenberg?
S2: Äh, tu ich gach einmal.
S1: Ich hab Budenberg daheim.
IV: Mhm, okay und du?
S3: Ich spiel am liebsten das Autospiel.
IV: Mhm, und was interessiert dich sonst noch so?
S2: Nichts (von anderem eingesagt).
S3: Nichts. (Lachen)
IV: Und du, was machst du gerne?
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S3: Ich spiel am liebsten das LKW Spiel, da kannst die Auto
zusammenfahren (lachen), den Hänger zu einer Stadt fahren und äh.
IV: Brauchst du da so ein Lenkrad dazu?
S3: Nein, die Tastatur. Mit die Pfeile, und da muss man blinken,
hupen, Licht einschalten und Gang schalten.
IV:
Alles?
Aha,
ja
also
ist
das
schon
so
eine
Geschicklichkeitsübung auch? Muss man da schnell sein mit den
Fingern?
S3: Ja, das spielen wir immer, wo da P. so „hintrisch ist obegrutscht“.
IV: Mhm, aha. (Pause) Und was tust du sonst noch gern? (Pause)
S4: Moorhuhn (wird leise eingesagt).
S3: Was?
S4: Moorhuhn. (laut)
IV: Ja darüber haben wir auch schon geredet.
S3: „Tsch, Tsch, tuff“ (das Durchladen eines Gewehres).
IV: Okay und du?
S4: GTA 3. (selbstsicher)
S3: Hä?
IV: Das musst du mir beschreiben, das kenne ich nicht.
S4: Ein Spiel.
IV: Mhm, und um was geht es da?
S4: Da laufen Mankalan herum, da laufen Mankalan herum und
nachher schießen sie dich ab.
IV: Und du musst?
S4: Sie abschießen.
IV: Die auch abschießen. Jawohl, mhm. Was tut ihr sonst noch?
Was tust du sonst noch so?
S4: Radl fahren.
14
IV: Aha, also, außer am Computer. Mhm und würdet ihr (wird
unterbrochen)
S2: Flipper spielen. (Ausruf)
S3: Ich kenne auch noch was, da musst so mit einem Hubschrauber
herumfliegen, dann ist, sind unten so ein Haus und nachher kommen
die Leute zuba [herbei] und nachher sehen sie, und müssen sie
Bomben wegfeuern und oder du musst obe [hinunter] feuern. Aber so
lange, da musst du so langen obe feuern bis kein Leben mehr das Haus
hat, nachher fliegt es eh in die Luft.
IV: Mhm.
S3: Die Menschen kannst auch treffen. Nachher fliegen sie in die Höh
zurück.
S4: (Unverständlich) ist auch cool.
IV: Mhm und wie geht das?
S4: Da sind zwei Gegner und da musst halt deine Gegner, deinen
anderen Gegner mit Bomben, mit der Ding, mit der Luft Ding, alles
abschießen, Raketen alles vor dir.
S3: Geil (leise).
S4: Und des musst abschießen. (Pause)
S3: Raketis. Ptschiu. Raketis.
IV: Ja super, gut. Wollt ihr mir sonst noch etwas erzählen?
S2: Du musst uns was fragen.
IV: Ah ich muss euch etwas fragen. Ja, jetzt haben wir ja schon
vieles gehabt.
S3: Ich weiß noch was ich gerne tu.
S2: MMS schicken. (Ausruf aus Hintergrund)
IV: Was denn?
15
S3: Äh, da sind so eine, so Schilder, mit Ziele und nachher, nachher
fahren sie hin und her und auf und nachher gehen sie auf und nachher
musst du sie mit da Waffe treffen und Atombomben hat dabei.
IV: Hilfe. Also solche Spiele taugen euch, mit dem Herum
schießen?
S: Ja (mehrheitlich begeistert ausrufend)
S1: Nein, mir nicht so ganz aber.
S4: Da kommen die alten Mankalan her mit einem Messer und
nachher stechen (lachen) hinterm Aug.
S2: Sicher.
S3: Ich kenne noch was, da musst mit der Kanone was schießen,
nachher sind oben so eine Enten und die musst dann abschießen.
S4: He mein Nachbar, Handgranaten, Auto gesprengt.
S3: Das ist der LKW oder was?
S4: Ja.
IV: So mögt da noch eure Lieblingshomepage aufschreiben, wisst
ihr eine auswendig?
S: Ja.
S1: Was, Internet-Ding?
IV: Ja, irgendeine Internetadresse, ja.
S1: WWW jetztspielen.
IV: Kennt ihr vielleicht www.blindekuh.de?
S2: Ja, ich finde das blöd.
IV: Warum denn?
S2: Ich find das blöd.
S1: Wie geht denn das?
IV: Das ist eine Suchmaschine für Kinder.
S1: Ich kenne nur das Google.
16
S3: WWW.google.at
IV: Aha, okay, jeder schreibt noch irgendeine Homepage auf, die
ihm gefällt. (Pause)
S1: Ich bin fertig.
S2: Zeig einmal.
IV: Super. Danke. Schreibst du noch deinen Namen und das Alter
hinauf, dann tu ich mir zu Hause leichter, mich an euch zu
erinnern.
S1: Volksschule XY
S3: Die ist langweilig.
IV: Ja und findet ihr das super, macht euch das Spaß, dass ihr
auch in der Schule am Computer arbeiten dürft.
Alle: Ja!
S2: Was schreibst du da?
S1: www.jetztspielen.at.
IV: Ach ja, was wir das letzte Mal noch gesagt haben, was für
euch das lustigste oder das blödeste am Computer?
S2: Das Blödeste? Das ist noch immer das Lesen.
S1: Ja.
S3: Das Lustigste ist wenn meine Mama die Spiele wegschmeißt und
ich nachher wieder vom Papierkorb mir nachher wieder her
(unverständlich).
S4: Das ist gut.
IV: Mhm, aha deine Mama löscht die Spiele, tut sie in den
Papierkorb und du holst sie wieder raus, aha (lächelnd).
S3: Ich tu gern Spiele ausprobieren aus dem Internet. Neue.
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S2: Das blödeste ist, dass wenn du ein Spiel nicht weißt, was du tun
musst, nachher muss man immer hineingehen und musst immer alles
durchlesen.
S3: Ich find das immer blöd, warum ich vom H. immer hienige
[kaputte] CDs kriege. Und dann gehen sie nicht.
IV: Kaputte CDs? Und warum?
S3: Ja, er sagt die gehen und bei mir sind sie hin, ich weiß ja nicht.
S4: Bei mir gehen sie auf dem Computer nicht, (unverständlich) mir
borgt da G. ein paar Computerspiele und nachher gebe ich sie und
nachher sieht er, hin.
S3: Ja, bin aber auch lei ich draufgekommen. Und das coolste ist,
wenn die Mama nicht einmal auf dem Computer Auto fahren kann.
IV: Ja, das ist aber oft so, dass da die Mamas und die Papas nicht
so gut sind wie die (wird unterbrochen)
S3: Profis.
IV: Wie die Profis, wie die Kids. Ja.
S4: Ja, aber da brauchst ja nur vier Finger, nachher fährst du.
IV: Ja, aber da muss man ja so schnell sein mit die Finger, oder
findet ihr nicht?
S2: Nein.
S4: Nein, ich brauch ja nur zwei, ein/am Reifen bin ich immer oben
und einfach, nachher tu ich immer nur mit die zwei.
S3: Am geilsten ist mit dem Lenkradl Autofahren.
S1: Nein das ist blöd.
S4: Das geht ja einfach, lei mit dem Mittelfinger auf den Pfeil
vorwärts, mit dem einen bleib ich eh immer am Gas.
IV: Aha.
S4: Ja, weil sonst verlierst ja.
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S3: Ich habe bei meiner Cousine, da sind so Panzer gekommen und
dann und ich bin auch in einem drinnen gewesen und nachher hast
müssen, nachher habe ich, dann haben sie so einen Hebel gehabt und
nachher hast müssen herumfahren und nachher oben draufdrücken und
nachher schießt du eine Atombomben weg.
S4: Den Hebel habe ich auch daheim, aber der ist blöd.
IV: Ah, ihr redet da von einem Joystick? Aha, aber mit der Maus
spielt ihr nicht, ihr spielt mit der Tastatur?
S1: Mit der Maus kann ich nicht spielen.
S4: Ich bin einmal mit dem LKW über die Leitschiene gefahren.
S3: Ja, mir ist der LKW einmal in die Höhe gegangen.
S2: Ich habe einmal Schneeketten gekauft.
S4: Beim Autofahren ist das Blödeste, ist das Coolste halt, dass da hab
ich immer, da hab ich, von meinem Onkel habe ich noch eine CD mit
Oldtimer bekommen. Der hat so Kräne (unverständlich) oben und
nachher tut er auf und ab. Und nachher musst du durchgehen und ich
fahr immer oben drüber.
IV: Funktioniert das auch mit der Tastatur?
S4: Ja, Y DOT X.
S1: Ich tu lieber Kartrennen spielen.
S2: Nein das ist blöd, Flipper ist nachher viel besser.
S1: Nein, Kartrennen.
S4: Ping Ball.
S2: Wie heißt das?
S4: Ping Ball.
IV: Das kenne ich ja alles nicht.
S4: Ping Ball spiel ich auch.
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S1: Ma, bei uns gehen die halben Spiele nicht, weil wir kein Internet
haben.
S3: Bei uns gehen alle.
S2: Wir haben auch Internet, aber das ist hin.
S3: Ja nachher bringt's dir aber eh nichts. (lachen)
S4: Wir haben einmal einen Stecker ausgesteckt und nachher haben
wir alles wieder neu installieren müssen, weil sie irgendein anderen
Stecker haben gehabt dabei.
S3: Wir können alle Stecker ausstecken und dann wieder einstecken
und dann funktioniert alles wieder.
S1: Ich bin auch fertig.
S2: Ich auch.
IV: Ja super. So, dann sage ich Dankeschön, dass ihr euch noch
mal die Zeit genommen habt, um mit mir zu plaudern. War echt
super.
1
13.5.3 ANONYMISIERUNGSCODE: S-GIV 3
InterviewpartnerInnen (S1-4): vier Schülerinnen (Mädchen)
Interviewerin (IV): Martina Pucher (geborene Zwantschko)
Termin: 22. März 2007
Ort: Volksschule I; Kärnten; Land
Dauer: 16 Minuten
IV: Hallo nun bin ich heute wieder bei euch – leider hat ja das
Aufnahmegerät letzte Woche immer nur kurze Frequenzen
aufgezeichnet – danke, dass ich euch noch mal interviewen darf.
Vielleicht, sagt ihr noch mal kurz eure Vornamen und euer Alter
damit ich mir beim Transkribieren – beim Niederschreiben leichter
tu.
S1: Ich bin die ??? und acht Jahre.
S2: Ich heiß ??? und bin neun.
S3: Ich bin die ??? und neun Jahre alt.
S4: ???, acht.
IV: So, und jetzt habe ich für euch heute als Aufgabe, das letzte Mal
habt ihr mir ja gezeichnet was ihr gerne in eurer Freizeit macht und
da habt's ihr ja alle schöne Bilder gemalt, und heute wäre es super
wenn ihr mir zeichnen könntet, was ihr alles mit dem Computer
machen könnt. Was kann man da alles tun, was für verschiedene
Sachen?
S3: Unser Computer ist eingegangen.
IV: Auweh.
S3: Ich weiß nicht, ob den wieder jemand richten kann.
S1: Ich kann da ja einen großen Computer zeichnen und da alles hinein
zeichnen.
2
IV: Das wäre eine super Idee. Ganz toll, aber ihr könnt es machen
wie ihr wollt.
S1: Ma schade, dass wir nicht über Fernsehen reden, weil wir haben
einen Flachbildfernseher.
IV: Hui, können wir aber auch. So und jetzt können wir wieder
drauf los plaudern.
S1: Ich schaue im Fernsehen immer Lenssen und Partner und Richterin
Holt. Aber das ist alles nur gespielt.
IV: Aha.
S2: Nimmt er das jetzt auf?
IV: Ja, das nimmt er jetzt auf. Was würdet ihr jetzt gerne
besprechen, zum Thema Computer und Internet.
S3: Ja, was man gern tut und so.
S4: Ja und dass man nicht E-Mail schreiben soll, wenn man den nicht
kennt und so.
IV: Mhm, E-Mail schreiben, was heißt denn das für euch?
S2: Ja so.
S4: Wie Briefe schreiben.
S3: Da schreibt man etwas auf dem Computer und das schickt man dann.
So ähnlich wie reden, aber man sieht denn halt nicht.
IV: Mhm, so wie Briefe schreiben, das ist ganz gut beschrieben. Und
was ist der Unterschied zum Chatten?
S1: Da weiß ich nicht was.
IV: Das ist mehr das, was du gesagt hast, so wie reden, ga. Da
schreibt man so hin und kriegt gleich eine Antwort zurück.
S1: Aha.
IV: Habt's Ihr das schon einmal ausprobiert oder gesehen bei
Geschwistern oder Mama und Papa?
S2: Deine Schwester, oder? Weißt?
3
S1: Ja, aber das ist blöd, wenn man da Fotos schickt von mir nackt, ich
hab das schon einmal im Fernsehen gesehen.
S3: Man weiß ja nicht wer anderes dort ist.
IV: Mhm, da haben wir das letzte Mal ja auch kurz darüber
gesprochen, ga, auf was man da aufpassen sollte?
S2: Ja, weil wenn man da Bilder schickt, nackte, und dann tut, stellt der
das ins Internet und alle können das anschauen, wenn die die was die
Bilder geschickt hat, die kann das nachher selber sehen und dann kann
man das nicht mehr löschen.
IV: Aha, ja, ja. Da muss man also vorsichtig sein?
S4: Soll ich da jetzt einfach einen Strich machen und da dann noch einen
und so hinein zeichnen.
IV: Ja, das ist super, super Idee.
S1: Muss ich jetzt überall so Tasten zeichnen und so ja.
IV: Nein musst du nicht, kannst sie ja auch weglassen, schau, so wie
sie, zeichnest nur den Bildschirm, wie du möchtest.
S2: Was sollte ich da jetzt zeichnen?
S3: Da unten kann ich ja alle Programme zeichnen, wo ich drinnen war.
Wo ich drin war, kann ich ja auch so eine Leiste machen?
IV: Ja, freilich.
S1: Ich zeichne, wenn unser Computer noch gehen tät, dann weiß ich
schon was ich zeichne. Jetzt weiß ich schon was ich zeichne.
IV: Habt ihr alle einen Computer zu Hause?
S2: Ich habe schon einen Computer und aber da habe ich kein Internet,
da fehlt ein Kabel.
S3: Ich hab einen eigenen Computer.
IV: Aha. (Pause) Wisst ihr jetzt eigentlich was das Internet ist?
S (alle): Ja.
IV: Wie würdet denn ihr das beschreiben?
4
S2: Ich war noch nie drinnen. (lacht verlegen)
S4: Doch, in der Schule.
IV: Ja in der Schule habt ihr das ja schon mal ausprobiert?
S4: Ja, einmal bin ich bei Musik rein gegangen.
S3: Da kann ma halt so verschiedene Sachen sehen, alles was ma, für das
alles was man sich interessiert.
IV: Aha.
S1: Ich hab einmal gehabt, beim Computer, da wo er noch gegangen ist,
da hab ich von, wir haben da ja so kleine Kasterl, da steht der Namen
oben und da hat man ein Kennwort und ich hab da bei alle hineingehen
können und die Bilder zu mir rüber schicken, dass was ich nicht darf,
aber dann hat irgendwer das bemerkt und jetzt kann ich das nicht mehr.
IV: Aha. (Lächelnd)
S1: Ma, das war so lustig, nachher hab ich alle Bilder können
(unverständlich)
S3: Ja, jetzt kannst es sowieso nicht, wenn der Computer hin ist, oder?
S1: Ja, schon. Das ist halt gerade das depperte.
IV: Das ist deppert wenn der Computer kaputt ist? Ja. Du hast
gerade vorher gesagt, da kann man verschiedene Sachen anschauen,
was einem interessieren. Wie heißen denn dann die einzelnen Seiten,
die man da so anschauen kann?
S3: Ah, Spiele? (lacht)
IV: Ja, Spieleseiten, ah, Homepage, kennt ihr das Wort Homepage?
S4: Aja, genau.
IV: Ja, ja?
S2: Ich hab da einfach zwei Sachen hergeschrieben.
IV: Aha, liest das einmal vor?
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S2: Ähm, play me, das ist einmal so spielen, und so ein Player, da kann
man Musik hinauf kopieren und und dann kann man die hören dann auf
dem Computer.
IV: Aha, hast du das auch schon einmal ausprobiert?
S2: Ja, habe ich schon ein paar Lieder oben.
IV: Was hast dann noch da oben stehen (zeigt auf die Zeichnung)?
S2: Nick.de, aber da war ich einmal drinnen, aber dann ist nicht
gegangen.
S1: Ah, was gibt's denn noch?
IV: Aha, den Windows Media Player hast du da auch
aufgeschrieben. Genau, aha. Und du, was kennst du für eine
Homepages, oder was hast du schon einmal angeschaut?
S1: Äh. Ich hab eigentlich nur einmal ein Lied angeschaut. Oder da hab
ich eine CD hineingetan und dann hat man das gesehen, was sie da für
ein, gefilmt haben.
S2: Bei mir ist nie ein Film dabei, wenn ich eine CD spiele, da sind
immer nur so eine Muster.
IV: Mhm.
S3: Vielleicht geht das mit der CD, die was die S1 noch hat. (Pause Kinder zeichnen) Ich weiß nicht was ich noch hineinschreiben soll. Ich
zeichne einfach was her.
IV: Genau.
S1: Ja was denn?
S3: Ja äh was denn, gute Idee.
S4: Ma, ich weiß nicht was ich soll.
S2: Ich weiß es jetzt (lachen).
S4: Kann man etwas anderes auch zeichnen?
IV: Ja, dann auf der hinteren Seite. (Pause) Also ga, auf die Frage
was das Internet ist, habt ihr eigentlich nicht so genau sagen können,
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was das Internet ist, aber wohl dass man da verschiedene Sachen
anschauen kann. Habt ihr das schon einmal gehört, dass da ganz
viele Computer auf der ganzen Welt miteinander verbunden sind,
habt ihr das schon mal gehört?
S2: Nein.
S1: Echt?
S4: Darf ich jetzt anmalen.
IV: Und was denkt ihr so über das Internet und über die
Möglichkeiten, was man da alles anschauen kann?
S3: Die sollten nicht so was, so eine Fotos da nicht hineintun.
IV: Aha, was für eine Fotos?
S3: Dass man, dass man, dass das nicht geht, Fotos hineintun, irgendeine
Fotos, von wem anders oder so.
IV: Mhm. Was noch? Erzählt mir noch was?
S4: Was noch? Bromelie Bromm Bromm. (lachen).
IV: Was zeichnet die S2 da gerade, dass sie so lacht.
S2: Du wirst das kennen. Das Lied kennst du sicher auch.
IV: Ah. Ein Stern der deinen Namen trägt, ja das ist mein
Lieblingslied.
S3: Ich habe es auf meinem Handy oben.
IV: Und wie hast du das da hinauf bekommen?
S3: Von meiner Schwester.
S4: Ich hab voll viele Lieder oben.
IV: Aha, mhm.
S2: (Erzählt den Witz "Trekka fahren")
S1: Kann ich heute zu dir kommen?
S2: Nein. Das geht heute leider nicht.
IV: Okay, gut. Wenn ihr im Internet etwas suchen würdet wie
würdet ihr es machen?
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S3: Einfach www und das was man sucht.
IV: Und was wenn ihr gar nicht wisst, wie die Homepage heißt?
S4: Äh, dann tät ich nicht mehr suchen. (lacht verlegen)
S1: Die Mama fragen.
IV: Kennt ihr das Google?
S2: Ja.
S3: Ja.
S1: Ja. Ich habe einmal Bilder eingegeben und meinen Vornamen. Und
da waren alles T.s drinnen.
S4: Alle T's der Welt?
S1: Ja.
S4: Wow, geil.
S1: Ja, cool, außer ich.
S2: Wenn ich da Lena eingebe, nachher bin ich da bei der Volksschule
X.
IV: Aha, also in der Homepage von eurer Volksschule? Aha, da bist
du eingegeben. (Pause) Ja und habt's ihr schon einmal was davon
gehört, dass man über das Internet auch Sachen bestellen kann?
S4: Ja.
S1: Ja.
IV: Wie funktioniert denn das? Wisst ihr das?
S2: Das soll man aber nicht tun.
S3: Ja, weil wenn die Eltern nichts davon wissen dann kriegen die auf
einmal die Rechnung und immer mehr und wollen das nicht zahlen.
IV: Und habt's ihr das schon einmal ausprobiert? Wisst ihr wie das
funktioniert?
S4: Ich weiß es nicht.
S2: Nein.
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IV: Aha, also habt ihr noch nicht probiert, wie man da etwas
bestellen kann. Und hat einer von euch schon einmal Chatten
ausprobiert?
S3: Nein.
S1:
Nein.
Einmal
hab
ich
einfach
irgendetwas
Komisches
eingeschrieben.
IV: Aha. Ja da kann man ja hin und her plaudern, chatten heißt ja
plaudern.
S1: Da hab ich einfach irgendetwas hineingeschrieben.
IV: Mhm. Und welche Spiele gefallen euch am Computer?
S3: Moped fahren. (Ausrufe)
S2: Budenberg.
S4: Karten spielen.
S1: Hintergrund versauen (???)
S?: Ähm, ähm, ähm.
S3: Moped fahren.
S1: Katzen abschießen, (begeistert)
S2: Maa.
S1: Da geht so "diiieeet" und nachher musst die Katzen in die Höhe eine
hauen und nachher kannst die Katzen (wird unterbrochen)
S2: He, jetzt hör auf! (energisch)
S1: Ma ja, das spiel ich eh nicht, das kann ich eh nicht.
IV: Und wisst ihr was downloaden heißt, habt ihr das schon mal
gehört?
S3: Nein.
S2: Nein.
S4: Ja.
(Mädchen singt "Ein Stern ..." und zeichnen fleißig)
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IV: So, und jetzt wäre es super, wenn ihr mir noch einmal sagen
könntet was ihr da gezeichnet habt und was ihr am liebsten am
Computer macht?
S 1: Playme das sind Spiele, dann gibt es da noch so Hintergrundsachen.
Nick.de da kann man, weiß ich, irgendwas vom Fernseher erfahren und
so. Und ähm noch, äh, Windows Media Player (lacht), da kann man
Musik hören und Spiele, da geh ich immer bei Karten spielen eine.
IV: Und du?
S2: Ich geh bei Power Paint immer eine und da zeichne ich halt so
Sachen. Ich tu gern ausprobieren. Und dann tu ich noch (unverständlich)
Karten spielen.
IV: Power Paint, wo man auch so Präsentationen machen kann? Da
tust du zeichnen, wie machst du das?
S2: So wie da zum Beispiel. (lacht) Da tu ich Monde malen. Und da
kann man dann so, das kann man ja da so eingeben.
IV: Mit der Maus?
S2: Ja, und da hat man dann so einen Stift, da kann man so fahren und
dann geht der dann von automatisch da dort hinüber oder der taucht
unter.
IV: Und was machst du noch gerne?
S2: Ja auch Karten spielen. Und selber Hintergrund machen.
S3: Was für ein Kartenspiel spielst denn du? (unverständlich) oder
Solitäre.
IV: Aha, mhm. So und du?
S 3: Ich tu gern Musik hören und nachher auf Minus drücken, dass der
Windows Media Player weggeht und nachher kannst was spielen. Das ist
lustig, dann hast Musik und Spiele.
S1: Nein, Windows Media Player aufs Kreuzerl, nachher ist er ganz weg.
S3: Ja ich weiß.
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S1: Ah, aber du willst, dass derweil die Musik läuft, ga?
S3: Ja.
S1: Ähm, müssen wir bald gehen, nicht, ga?
S3: Nein nicht. Wir wollen noch lange so dahin „ratschen“.
S2: Ich möchte jeden Tag da sitzen und ratschen, außer Samstag und
Sonntag.
IV: (lacht) Das ist schön, (Pause) so und du, was hast du da
gezeichnet?
S4: Ich habe mich in den Computer hineingezeichnet.
IV: Ein Foto von dir?
S4: Ja.
S3: (unverständlich) Affe rauf zeichnen.
IV: Und was hast du schon ausprobiert? Da in der Schule hast du
auch schon ausprobiert am Computer, oder?
S3: Ja.
IV: Und wie gefallen dir die Lernprogramme? Budenberg an der
Schule zum Beispiel?
S3: Da kann man immer so viel, da kann man ein leichtes und ein
schweres Deutsch eine gehen.
IV: Was gefällt euch denn eigentlich besser, im Heft schreiben und
rechnen, oder das Schreiben und Rechnen am Computer?
S1: Man kriegt Hand weh vom Schreiben.
S4: Was wird man denn immer am Computer tun.
(Es läutet)
S2: Musst du das jetzt echt alles niederschreiben?
S3: Hört man uns da jetzt oben?
IV: Ja. So ja, ihr Lieben, leider, es hat geläutet. Danke, für das
Interview.
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13.5.4 ANONYMISIERUNGSCODE: S-GIV 4
InterviewpartnerInnen (S1-5): fünf SchülerInnen
(vier Mädchen und ein Bub)
Interviewerin (IV): Martina Pucher (geborene Zwantschko)
Termin: 23. Mai 2007
Ort: Volksschule II; Kärnten; Stadt
Dauer: 1 Stunde und 13 Minuten
IV: Hallo, hallo, oh ja es funktioniert. Also meinen Name kennt ihr
ja schon, ich bin die Martina und also vielleicht könntet ihr mir
zuerst eure Vornamen sagen und euer Alter, damit ich mich beim
Transkribieren auch auskenne, wer was gesagt hat. Ja. Das ist nett.
Also wie heißt du?
S1: ???
IV: Und wie alt bist du?
S1: 10 Jahre.
IV: Okay. Supa. Und daneben haben wir die? Wie heißt du?
S2: ???
IV: Schöner Name. Und wie alt bist du?
S2: Ich bin neun, aber ich werde zehn im Mai, am 1. Mai.
IV: Ah, dann hast du ja sehr, sehr bald Geburtstag. Also bist du
noch neun Jahre, machen wir das so. Und du, wie heißt du?
S3: Ich bin die ???
IV: Ah, so wie meine kleine Nichte. Und wie alt bist du?
S3: Zehn.
IV: Ah und du wer bist du?
S4: Die ??? und auch zehn.
IV: So und jetzt haben wir den Burschen in unserer Runde. Wie
heißt du?
S5: Ich bin der ???
2
IV: Auch ein schöner Name. Wisst ihr, weil ich habe nämlich ein
Baby im Bauch und wir haben noch keinen Namen gefunden.
S2: Wird‟s ein Bub oder ein Mädl?
IV: Das weiß ich auch noch nicht. Erst bei der nächsten
Untersuchung. Aber meine große Tochter, sie ist vier, die würd sich
über eine Schwester und einen Bruder freuen. Wie alt bist du S5?
S5: Zehn.
IV: So, also ihr wisst eigentlich eh warum ich da bin, weil ich mit
euch ein Gruppeninterview machen möchte. Eigentlich könnt ihr
mir frei von der Leber weg erzählen, was ihr mir erzählen möchtet,
ich werde aber immer wieder zwischendurch Fragen stellen, wenn
ich darf und ihr erzählt mir das was ihr wollt. Und (Pause) zeichnet
ihr gerne?
S (alle): Ja (ausrufend).
IV: Ja, okay also, wenn ihr gerne zeichnet, ich habe euch da zwei
Blätter mitgebracht, weil wir werden nicht so dasitzen und sagen, ja
was erzählen wir jetzt und Däumchen drehen, ihr dürft da zuerst
einmal auf die grünen Blätter - da wäre es super wenn ihr da hinauf
malen könntet was ihr gerne in eurer Freizeit macht - Was tu ich
gerne in meiner Freizeit? Das können sein, Sport oder Spiele oder
so.
S1: Kann ich da nehmen Gitarre spielen?
IV: Ja, klar und ihr könnt es auch zeichnen so wie ihr wollt. Ihr
könnt es zeichnen in Farbe oder ohne Farbe genauso wie ihr wollt.
Ich schütte die verschiedenen Stifte einfach mal raus und ihr könnt
dann nehmen was ihr braucht.
S3: Kann ich auch mehrere auch?
S4: Ich muss als erster einmal eine Person malen.
S5: Ich mach halt nur Strichmankaln.
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IV: Ja sicher. Macht das ganz so wie ihr wollt. S1 du tust gerne
Gitarre spielen. Ja? Das hab ich auch gelernt in meiner
Volksschulzeit.
S1: Ich spiel schon über ein Jahr.
IV: Wow, dann kannst du es ja schon richtig gut? Was tust denn
sonst noch gern?
S1: Also, was tu ich sonst noch, hmm, also, roller skaten, ja und im
Sommer sehr gern schwimmen und ah (Pause) im Winter tu ich gern
eislaufen.
IV: Und du, was machst du gerne in deiner Freizeit S2?
S2: Also, ich fahr also gerne Roller Skates, und äh, i geh gern
schwimmen, und ah ab und zu spiel ich einfach draußen ein bisschen, ah
Fußball oder so.
IV: Aha, also einfach draußen spielen, aha, und du S5, was machst
du so gerne in deiner Freizeit?
S5: Ich, ich spiel gern Fußball, und ich tu gern Bäume kraxeln, ähm
schwimmen tu ich auch gern und äh, und ich spiel auch mal Playstation
und ich treff mich gern mit Freunden und so und unternehmen was mit.
IV: Ja supa, also mit Freunden was unternehmen, ja, und S4, was
machst du so gerne?
S4: Ähm, also ich tu gern Keyboard, also Klavier spielen, ähm, das spiel
ich auch schon seit drei Jahr und, und und und, dann geh ich gern
Rollerbladen und dann gern wandern, und Schifahren, und und und
eislaufen im Winter, Skooter fahren und Rad fahren und ähm ja mit
meinem Bruder spiel ich auch ganz gern.
IV: Aha, mhm supa, und die S3, was machst du so gerne?
S3: Ich tu auch gern Gitarre spielen, aber ich hab gerade erst angefangen
und, und dann tu ich noch gern wandern, schwimmen, hmm, mit meinem
Hund spielen, mhm.
4
IV: Ah, hast du einen Hund? Wie heißt er denn?
S3: Lola. Und halt mit alle meinen Haustieren tu ich gern spielen. Und
im Garten bei meiner Oma.
IV: Ah hast du mehrere Haustiere?
S3: Ja, vier Fische, einen Hund, einen Hamster und meine Oma hat ein
paar Katzen. Ähm und dann tu ich noch gern bei meiner Oma im Garten
spielen.
S1: Trampoline hüpfen.
IV: Ja, hast du eines?
S1: Nein, aber mein Cousin, und da bin ich jedes Wochenende.
IV: Ah, ja, habt ihr eigentlich Geschwister auch?
S5: Ja, ich hab eine Schwester.
S4: Ich hab einen großen Bruder, der geht ins Gymnasium.
IV: S5, ist deine Schwester älter?
S5: Ja, älter.
IV: Und du S3?
S3: Nein ich hab keine Geschwister.
S2: Ich hab zwei Geschwister. Eine kleine Schwester, die geht in die
erste Volksschule da und einen kleinen Bruder. Der ist erst zwei.
IV: Und du?
S1: Ich hab auch keine Geschwister.
IV: Aha, okay, dann interessiert mich eigentlich auch, ob ihr zu
Hause einen Computer habt?
S (alle): Ja, ja, ja.
S3: Ich bin froh, dass ich einen Computer hab.
S5: Ich auch.
IV: Habt ihr den Computer zu Hause, oder hat jemand auch einen
eigenen für sich?
S1: Nein, meine Mama ist nämlich Buchhalterin.
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S3: Ich hab selber einen zu Hause.
S5: Ich hab auch einen selber, einen eigenen. Und meine Mutti hat auch
einen.
S2: Ja ich auch.
S4: Weil mein Papa hat einen Laptop und wir haben einen Computer
zusammen mit meinem Bruder. Und da haben wir dann gleich einen
Laptop und einen Computer.
(Kinder lachen und amüsieren sich über ihre Zeichnungen; starkes
Durcheinander; nicht verständlich)
IV: Ja, das schaut schon alles super aus. Eure Zeichnungen schauen
spitze
aus.
Ja
und
wie
schaut
es
eigentlich
mit
einem
Internetanschluss bei euch zu Hause aus?
S1: Ja, wir haben einen neuen gekriegt.
S5: Wir haben auch.
S3: Ich hab es auch.
S4: Ich krieg einen.
S2: Ich krieg vielleicht einen nächstes Jahr.
IV: Ich muss euch gestehen, ich hab momentan auch keinen zu
Hause. Wir haben früher einen gehabt, aber weil ich sehr viel auf
der Uni machen kann, also da hab ich das Internet zu Hause nicht
unbedingt gebraucht.
S2: Aber für die Tochter?
IV: Naja, die Celine ist vier, da interessiert sie das Internet noch
nicht so sehr. Sie tut viel lieber Fernsehen. Apropos, tut ihr das
eigentlich auch gerne?
S (alle): Ja.
S2: Ich schau so drei Stunden, glaub ich.
IV: Was schaut ihr denn momentan so gern? Was gefällt euch?
S5: Uh, mir taugt zum Beispiel Galileo.
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IV: Das ist ja supa. Das ist ja wie lernen. Da lernt man ja wirklich
tolle Sachen.
S5: Und ähm, jetzt wollt ich noch etwas sagen, ähm. Aber jetzt weiß ich
es nicht mehr.
IV: Was mögt ihr denn für Serien?
S4: SpongeBob. Ja, der ist voll cool.
S3: Ich mag ihn auch. Oder Tom Turbo.
S2: Oder Forscherexpress.
IV: Aha, Forscherexpress, was ist das?
S2: Das ist im ORF 1, um 8 Uhr 15 ist das, immer nur am Samstag und
am Sonntag.
IV: Aha, super (Pause) Ja gut, also Fernsehen tun wir alle auch
gern, aber zurück zum Computer, mag vielleicht jeder einfach mal
erzählen was er so gerne am Computer macht. Was macht euch
Spaß am Computer? S5 magst du vielleicht beginnen?
S5: Also, mir macht es Spaß, also da Spiele zu spielen um oder, oder
vom Internet irgendetwas Wissensreiches runterzuholen, also so über
Tiere oder so was.
IV: Aha, Spiele was für Spiele spielst du da zum Beispiel, weil ich
kenn mich da ja weniger aus.
S5: Ähm, ich geh meistens ins Internet, wenn ich Spiele spiele und da
spiele ich gerne unter Spelle Autofahren oder irgend sowas Trampolin
springen, da gibt es eigentlich alles Mögliche.
IV: Aha, und wo findest du das im Internet?
S5: Unter Spelle.
S1: WWW Spelle. Das ist eine coole Spiele-Seite.
S (alle): Ja (laut).
IV: Die kennt ihr alle?
S (alle): Ja.
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S2: Da kann man Spelle mit einem E L, Spele oder Spelle schreiben.
IV: Also, www.spelle. und dann?
S5: Nl.
IV: Ah, nl, kommt das aus den Niederlanden? Aha. Da hab ich ja
schon wieder etwas dazu gelernt. Aha und da gibt es wahrscheinlich
die verschiedensten Spiele. Ja und was ist da dein Lieblingsspiel?
S5: Am liebsten spiele ich da, äh, ma, jetzt fällt mir das nicht ein (S4 und
andere sagen ein) ja, Bomber Man, ja, das ist meines.
IV: Aha, hat die S4 dir das Spiel gezeigt? Und S4, wer hat dir das
gezeigt, die Spiele-Seite?
S4: Ähm, mein Bruder eigentlich, weil der tut gern am Computer, weil
der ist ein so ein Computerfreak.
S5: Profi (lächelnd).
S4: Ja volle.
IV: Aha, der große Bruder, alles klar. Und S5 wer hat dir eigentlich
den Umgang mit dem Computer erklärt oder gezeigt?
S5: Ähm, meine Mutti ein bisschen und ich geh ja jetzt Computerkurs,
ähm, da zeigen sie ah (unverständlich) von der Schule.
IV: Ihr habt einen Computerkurs da in der Schule?
S5: Mhm.
S3: Den geh ich auch.
S4: Ich auch.
IV: Aha, geht ihr alle?
S1: Nein.
S2: Ich auch nicht.
IV: Aha. Und wie oft ist der Computerkurs?
S5: Jede, jeden zweiten Montag.
S3: Und seit dem Schulanfang, seit der vierten.
S5: In der dritten hat es das noch nicht gegeben.
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S4: Aber in der Klasse haben wir zwei Computer, da darf, da dürfen wir
in der Pause meistens spielen, abwechselnd. Dann schauen halt die
anderen immer zu.
IV: Also, die zwei Computer in der Klasse dürft ihr in der Pause
selber nutzen. Ja super. Okay, S5, wir kommen eh zu dir noch
einmal zurück. Mhm, wer möchte jetzt? Machen wir es einfach der
Reihe nach? (bejahendes Lachen) Also gut, dann zu dir S4. Ihr
könnt sowieso alle mitreden. Du hast ja schon gesagt, dass dein
großer Bruder, der hat dir schon einiges erklärt und ihr habt
Internet zu Hause?
S4: Mhm.
IV: Was tust denn du gerne am Computer? Oder hast du eine
Geschichte, die du erzählen möchtest? Was gefällt dir so?
S4: Ähm, ja, ich schreib gern so bei Veranstaltungen, zum Beispiel
Weihnachten oder so, schreib ich immer gern für die Familie eine
Geschichte oder so am Computer und, ja, ähm (Pause)
IV: Aha, du tust also schreiben auch schon am Computer?
S4: Ja und dann mache ich ganz gern Referate am Computer, mm, und
ähm, ähm, dann spiele ich auch ganz gern am Computer.
IV: Und eben eh unter dem Spelle.nl?
S4: Ja.
S5: Es gibt aber andere auch.
S4: Ja, meistens spiele ich auch unter www.happytree.com. Das ist das
zirka gleiche. Ähm.
IV: Aha, kannst du mir die Web Adresse da aufschreiben, oder
irgendeine andere? Ma supa, ich kenne von anderen Kindern ja zum
Beispiel Nick.de.
S5: Nein, das gefällt mir nicht, da sind nicht so gute Spiele.
S3: Mir gefällt das echt gut.
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IV: Ja, Geschmäcker sind ja verschieden und das ist auch gut so.
S5: Zum Glück, ja.
S2: Ich bin fertig mit der Zeichnung.
IV: Supa, vielleicht schreibt ihr mir hinten euren Vornamen hinauf,
damit ich auch weiß, von wem welches Bild ist. Ja supa.
S4: Mir ist einmal passiert ga, weißt du was, ich hab so viele Spiele am
Computer gehabt und aus Versehen hab ich die alle gelöscht, (traurige
Stimme) das ist mir ah einmal passiert.
S5: Das ist schlimm.
IV: Ma.
S4: Da hab ich geplärrt, ich sag es euch.
IV: Hey, du hast da ja eh schon einen Computer aufgezeichnet.
S5: Ja.
S3: Ich spiel gern am Computer. (lachen)
S1: Ich auch. Aber ich kann nicht so oft.
S3: Also ich spiel am Computer sicher drei Stunden.
S2: Ich nicht.
S1: Nein.
S5: So viel sicher nicht.
IV: Drei Stunden an einem Stück, haltest du das durch?
S3: Ja, schon, weil wenn ich, ich hab so ein Spiel, da gibt es nur von
Tieren, also ich spiel gern, ich spiel gerne diese Spiele, wenn Tiere dabei
sind und ich äh, ich gründe äh ich gründe so einen Zoo und man braucht
einfach solche drei Stunden bis man das, also den ganzen, äh, fertig hat.
S2: Das hab ich auch.
S4: Ich auch. Ma, das ist so lustig (ausrufend)!
S1: Das ist so lustig (voll Begeisterung)!
S4: Ja, aber SIMS ist auch cool.
S1: Ja, SIMS 2! (begeisterter Ausruf) SIMS 2 Familie, Leben, ja alles.
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S2: Da gibt es alles, Accessoires, dann Jahreszeiten, alles.
S1: Ja wisst ihr was, ga, ich hab SIMS 2, und da hab i genommen, ähm,
so ein Merkwürdighausen, das waren so merkwürdige Leute und da hat
ein Mann ein Baby gekriegt.
IV: Das geht ja gar nicht.
S2: Ja, weil das ist ja Merkwürdighausen.
S1: Der hat so einen Bauch gekriegt und auf einmal wüm (ausrufend) ist
das Baby rausgekommen. Ein kleines Alien.
IV: Ma, das ist ja echt merkwürdig, in, wie habt ihr gesagt,
Merkwürdighausen. Also gut, habt ihr Lust noch weiter zu
zeichnen?
S (alle): Ja.
IV: Würdet ihr dann hier auf das zweite Blatt zeichnen, was mache
ich alles gerne mit dem Computer.
S3: Aber auf, www Stardoll, das ich echt toll.
S1: Ja das ist auch lustig.
S3: Da kannst du die Stars kleiden, alle FiftyCent, Britney Spears, alle
kannst du, Stars kleiden.
IV: Ups, ich kenn das gar nicht, klingt aber spannend.
S5: Ähm, warte einmal, ich kann bei der PlayStation genauer, beim
Computer kann ich nicht so genau zeichnen.
S3: Ich, ich krieg schon ein bisschen Augen weh, aber, aber, dann, aber
dann schau ich kurz einmal weg und geh wieder ein bisschen raus.
IV: Ja, das ist ja bei deinem Spiel schwierig, oder, da brauchst du ja
so lange?
S3: Aber ich muss manchmal rausgehen, weil ich muß warten, bis, äh,
sich ein Paarungspartner, also ein, ein Männchen ein Weibchen gesucht
hat und dann muß ich ein paar, also ein paar Stunden (unverständlich)
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S1 (laut): Bei SIMS dauert da auch immer so lange, wenn du eine
Familie erstellst. Bei SIMS dauert das auch länger. (unverständliche
Zusprüche aller IVP)
S3: Beim Elefant muß ich drei Jahre warten.
IV: Und wie lange ist diese Zeit ungefähr am Computer?
S3: Das ist ungefähr, so zwei Stunden.
IV: Ma (Ausruf) und das macht dir trotzdem Spaß, obwohl du so
geduldig sein musst?
S3: Ja.
S1: Bei diesem SIMS ga, da stehen unten die Wünsche und die Ängste,
ga und das war so, Merkwürdighausen hab ich wieder gespielt, ga und da
hat eine Frau, die wollt ein Kind kriegen, ga und nachher hab ich einen
Mann angeklickt und dann müssen wir nachher einmal knuddeln und
nachher Baby kriegen und wenn das nicht klappt (wird unterbrochen)
S3: Techtel mechtel oder mhm Baby (wird unterbrochen)
S1: Ja, kann man auch, aber, dann ist dazu gestanden, wenn es nicht
klappt, nicht traurig sein, dann sind sie nicht so richtig, so irgendwie, so
verwandt oder was auch immer, ga. Und nachher hat sie mit ihrer
Tochter (laut) wollte sie ein Baby kriegen, ist gegangen.
IV: Aber, geh?
S1: Schon, das ist gegangen. Schwöre.
S3: Lesbisch, wäh. (Lachen)
S2: Was ist denn das für eine Mutter, bitte schön?
IV: Und das spielt ihr?
S1und 3: Sicher.
S1: Wir machen ma immer die Tür zu. Wir machen immer die Tür zu.
S3: Ja ich auch, weil die marschiert nachher unters Bett eine, wenn sie
ein Baby kriegen.
S5: Ich spiel das nicht.
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S4: Und bei mir ist es ganz anders. Ich hab ein anderes Spiel. Da ist, das
handelt sich so um Jahreszeiten. Da, das ist auch von SIMS, aber da ist
so, da tun sie eher draußen, weil sie ja immer die Jahreszeiten wechseln
und jetzt, da kannst Gartenhäuser bauen und im Pool baden und da, ähm
und da tun sie eher so draußen spielen, bei SIMS 4 Jahreszeiten.
S2: Darf ich jetzt?
IV: Jetzt darf noch kurz S5, dann darfst du, ga?
S5: Äh ich spiel zwar nicht SIMS, dafür spiel ich aber andere, eh, Spiele,
die auch so merkwürdig sind.
IV: Was gibt‘s da zum Beispiel?
S5: Ähm, ähm, ich spiel gern (unverständlich), zwar auf der Playstation,
das ist, das ist, na ja, okay, ja, da kannst, da musst Missionen machen
und alles und da musst, ähm, Sachen kaufen, so damit man weiter
kommt und so.
IV: Aha, so von einem Level ins nächste weitarbeiten?
S2: (unverständlich) ähm irgend so ein anderes Spiel, aber bei die
meisten tun sie halt so, dass du weitermachen schon musst, immer so,
dass du, ma, das ist ein bisschen dumm.
S1: Aber wenn man SIMS spielt, nachher, dann bist sehr lang am
Computer, weil das muß erstens immer laden. Sobald du was machen
willst, ladet es.
IV: Aha, also wenn ich jetzt sage, ich will jetzt einmal SIMS spielen,
wie mache ich das?
S2: Ja, das dauert lang.
S3: Das dauert über ein paar Stunden.
S2: Da musst du die CD eine tun von SIMS.
S5: Oder du kannst es vom Internet runterladen.
S2: Ich kann sie dir borgen.
S4: Nein, du kannst sie vom Internet runterladen oder brennen.
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S2: Der ??? kann das machen, dass das geht.
IV: Aha, das ist ja cool. So magst jetzt du (S2) weiter erzählen, weil
du warst noch nicht dran?
S2: Äh, ich war einmal bei meiner, von meiner Mutti die Freundin, sind
wir einmal gegangen, da hat es, da eine, das war, er, sie hat, sie hat einen
Sohn gehabt und da bin ich rauf gegangen und hab eben mit ihm so
SIMS gespielt. Er hat es aber auf Playstation gehabt. Und da sind wir,
nein okay, dann, da hab ich eine Frau ausgesucht, da hat sie, ah, sie hat
ein Haus gehabt, mit Whirlpool und dass das Wasser so blubbert und
dann, ja und dann, dann, äh, dann, äh war halt so ein Mann drinnen, dann
hab ich, ga, dann hab ich so was gesehen, da, da ist sie, da hat sie sich
ausgezogen hat, ist einfach da eine gegangen und hat mit dem einen da
geknutscht, mein Gott (langatmig) wäh.
IV: Und das siehst du dann am Computer?
S2: Ja, auf der Playstation kann man das auch sehen. Aber nur, dass das,
das da solche. (Pause)
IV: Also das SIMS kenne ich ja gar nicht, ich glaub, ich muss mir
das mal anschauen.
S3: Aber das kostet viel. Ja zuerst brauchst die SIMS zwei und dann
brauchst du die Erweiterung.
S1: Du, ich hab aber die CD eins, die CD zwei, du brauchst alle CDs
dazu.
S3: Das kostet sicher 30 Euro.
S5: Nein, ich hab jetzt gesehen, SIMS um zwei Euro.
S1: Nein, das gibt„s nicht.
S3: Nein, das gibt„s nirgends. Außer im Second Hand, na gut.
S4: Ich hab einmal eine uralte gesehen von SIMS, SIMS Haustiere, aber
das ist nicht von SIMS, äh, zwei sondern, das hat nur acht Euro gekostet.
IV: Ich kenne das nämlich nur aus der Werbung im Fernsehen.
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S1: SIMS, ja, das ist sehr lustig, SIMS. Das ist eines meiner
Lieblingsspiele.
S5: Ich wollt mir auch schon eines kaufen (unverständlich) hab ich aber
noch nicht getan.
S4: Ich hab da noch ein so ein Spiel, das heißt nicht Zoo Tycoon (wird
eingesagt)
S5: RollerCoaster.
S4: Ja, RollerCoaster Tycoon, ähm drei oder zwei und da musst du so
einen Park bauen.
S5: Das kenne ich, das ist cool.
IV: Aha, da gibt‘s also viele so Spiele, wo du einfach so selber etwas
bauen musst?
S3: Mein Lieblingsspiel ist das also mit dem Zoo, weil ich, das ist, finde
ich das, das für mich das beste Spiel. Ich hab mehrere Spiele auf meinem
Computer, aber ich spiel nur (betont) das.
S5: Also wir müssen jetzt zeichnen was ma gern am Computer macht?
IV: Genau, ja, du kannst das machen, wie du willst.
S2: Ah, wenn man kein Internet hat, man kann aber trotzdem zeichnen,
äh, was mir taugt.
IV: Ja, freilich, weil wenn du sagst, du hast zu Hause kein Internet,
kannst du ja vielleicht bei einer Freundin ins Internet.
S1: Internetcafé.
IV: Gibt es da bei euch in der Nähe eines?
S3: Ja, bei mir, bei meiner, äh, nicht bei meiner Freundin, sondern bei
mir, ich wohne in der […] Straße, da äh, da is meine Wohnung und dann
brauchst nur an Meter gehen, 100 cm und dann äh bist schon da.
IV: (lacht)
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S3: (lacht) Ja, ich kann„s nicht anders. (lacht) Ah und da ist dann gleich
ein Internetcafé. Da steht Kopieren, Telefonieren, günstig telefonieren,
Internet für, für 30 Minuten kostet ein Euro 50, hab ich gelesen.
S1: Ja für eine Stunde kostet es zwei Euro und für drei Stunden äh
(Pause)
IV: Aha, da kann ich also auch hingehen. Sagt‘s einmal, wie geht‘s
euch eigentlich mit der Tastatur und mit der Maus, wenn ihr so am
Computer etwas macht? Könnt ihr am Computer mit zehn Fingern
schreiben?
S4: Also ich tät das gern lernen und deswegen übe ich meistens so, wenn
i jetzt Geschichten schreibe, übe ich jetzt meistens so, dass ich's gut kann
nachher.
IV: Wer hat dir das gezeigt, deine Mama?
S4: Nein, ich lern es mir selbst.
IV: Weißt du wie ma die Finger auf die Tastatur legt?
S4: Ja, h und g ist frei.
S5: Kannst du das? (zu IV)
IV: Ja ich kann das, aber ich hab das erst in der neunten Klasse
richtig gelernt.
S2: Wie schnell?
IV: Ja ich kann das schnell.
S2: Wow. Also schnell kann ich das noch nicht, ich kann erst so (zeigt
mit den Händen).
S5: Ja, ich kann auch erst so (zeigt ebenfalls am Tisch).
IV: Und wie geht‘s euch mit der Maus, tut ihr euch da schwer?
S (alle): Nein.
S3: Nur auf dem Computer, da wo ich bin im Computerkurs, die spinnt
ein bisschen, deswegen muß ich immer so (zeigt mit der Hand ruckartige
Bewegungen die Maus simulierend) also blöd, das ist ein bisschen blöd,
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ja. Aber es geht, jetzt hab ich mich schön langsam dran gewöhnt
deswegen macht„s mir jetzt nicht mehr so viel.
IV: Also, es geht dann schon, wenn man sich daran gewöhnt hat?
S3: Ja.
S4: Aber auf, auf meinem Computer ist die Maus ohne Kabel.
S5: Eine Funkmaus. Ja, die habe ich auch.
S1: Bei mir auch.
S4: Aber die spinnen manchmal.
IV: Ah die spinnen auch?
S4: Ja, manchmal schon.
S2: Ja, bei meiner muß man auch immer die Batterie einsetzen, aber mir
macht das nichts, wenn die ohne Kabel ist, weil wenn du ein Kabel hast,
dann musst du dauernd ziehen.
S3: Nein, bei einem Laptop nicht, wenn du kein Kabel hast.
S5: Meine Mutti hat es beim Laptop mit Kabel und das ist einfach.
IV: Ja, das ist manchmal leicht, manchmal dann ärgerlich. Aber
interessant, wie gut ihr euch auskennt. So S4, magst du uns noch
irgendeine Geschichte erzählen, was du so erlebt hast?
S5: Ich mag auch.
IV: Ja, gleich, wir haben genug Zeit. Jeder kommt dran.
S4: Ja, da wollt ich einmal, ähm, ich wollt mit da S3 ein Referat über den
Knut den Eisbären machen. (lacht) Und dann ist sie weggegangen und
dann wollt ich am Abend noch geschwind was fertig machen und auf
einmal ist der Computer abgestürzt und dann war alles (betont
dramatisch) weg und ich hab zuerst da so viel gemacht, aber Gott sei
Dank, weil dann (wird unterbrochen)
S3: Wir, wir haben das gemacht.
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S4: Ja, ja und nachher war alles weg, aber da hab ich zuerst noch was
dazu geschrieben und das war so lang, aber nachher Gott sei Dank hab
ich so ein Glück gehabt, dass es von selbst speichert.
IV: Ma, automatischer Speicher?
S4: Gott sei Dank! Da hab ich mich so gefreut. Sonst wäre alle Arbeit
umsonst. Aber Gott sei Dank.
S5: Ich tu immer Zwischenspeichern. Immer Zwischenspeichern.
IV: Ja, und wer hat euch dos gezeigt, das mit dem Speichern.
S5: Ma, das ist leicht.
S4: Alles mein großer Bruder.
S3: Mir zeigt alles mein Papa.
S4: Ich hab jetzt nachher Computerkurs. Wir kriegen heute unseren Test
zurück, weil wir haben das letzte Mal einen Test schreiben müssen.
IV: Und was waren da zum Beispiel für Fragen?
S4: Zum Beispiel da waren jetzt so Zeichnungen aufgezeichnet und dann
hat sie dich zum Beispiel gefragt, ähm, welches kannst du anmalen, ohne
dass die Farbe ausläuft oder so irgendwie. Ähm, damit der Hintergrund
auch so wird.
IV: Ah, ist dass das Paint Programm?
S4: Ja, sie hat die gefragt vom Word ein paar Sachen, vom Paint ein paar
Sachen und vom Power Point ein paar Sachen.
S5: Ja und so ein paar Sachen und so ein bisschen Sachen über die Maus
und was man muss so anklicken zum Rückgängig machen und so.
IV: Das lernt ihr jetzt alles schon?
S3: Ist eh ganz einfach.
S4: Ja und wie oft man kann rückgängig machen und so.
S5: Oder wie kann man im Word zeichnen und so.
IV: Im Word kann man zeichnen?
S3: Ja.
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S5: Ja.
IV: Das müsstet ihr mir zeigen, das würde ich gerne wissen.
S3: Ja, da gehst du unter Word, Word und dann äh, wo man schreibt, da
druckst du äh so ein, da gibt es so ein, so ein äh (Pause)
S5: Auto-Formen.
S3: Ja genau, und da druckst du, dann geht das.
IV: Ah, die Zeichen oben in der Leiste.
S3: Ja, es gibt, neben dem glaube ich, ich kann es ja nicht auswendig,
aber ich weiß das.
IV: Aha, also wenn du es siehst dann weißt du wo du hin musst.
S3: Ja.
S5: Ja.
S1: Ja ich auch.
IV: So wer mag denn noch eine Geschichte erzählen, S5, du wolltest
ja auch noch eine Geschichte erzählen?
S5: Ich, ah, ja. Ich wollte rein einmal in ein Spiel, Spiel auf Spelle, so
Motorrad springen und so und dann ist da auf einmal gestanden,
möchten sie das jetzt kaufen, und so ga. Da bin ich auf so eine Website
gestoßen, wo man so kaufen kann und so, das kann passieren, wenn man
normal so Spiele spielen will und so, dann passiert das manchmal, dass
man dann so auf so falsche Sachen kommt.
IV: Aha, und merkt ihr das dann auch, dass wenn ihr da so auf
Spiele-Seiten seid, dass da dann auch so Werbung, so Werbe-Banner
sind?
S (alle): Ja.
S5: Das zipft mich dann manchmal voll an, weil die kommen manchmal
so da so dazwischen rein.
S3: Ja aber manchmal ist das so blöd, wenn da jetzt zum Beispiel jetzt so
eine Warnung kommt, irgend so ein, möchten sie das jetzt machen? Und
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dann weiß ich nie richtig, ah soll ich da jetzt mit ja oder mit nein. Und
wenn dann das x nicht geht, dann hab ich da immer so eine Angst.
IV: Aha, das x das macht das Fenster ja einfach zu, oder?
S3: Ja, genau.
S1: Müssen wir jetzt gehen?
IV: Nein, wir wollen schon noch ein bisschen plaudern.
S1: Gott sei Dank.
S4: Ma, alles was ich auf einem Computer kann, hat mir mein Papa
gezeigt. Äh, ga.
S2: Weißt du was mir einmal passiert ist?
S4: Ga, bei mir, wie ich einmal meinen neuen Computer gekriegt habe,
das war der neuste zu Zeit.
(ein Kind flüstert unverständlich)
IV: Okay, dann erzählst zuerst du, S4 weiter und dann kommen die
nächsten. Damit ich mich dann noch auskenne.
S4: Ja und nachher ist da bei unserem Computer immer so etwas
gekommen, wie Viren-Prüfer und so. (wird unterbrochen)
S3: Wir haben Norton.
S2: Ja wir auch.
S4: Ja, und dann ist so gegangen, zum Beispiel seit 47 Tagen konnte ihr
Computer nicht mehr das und das finden und dann hab ich mir gedacht,
was ist denn da jetzt los. Und dann hab ich eine Bekannte gefragt, und
die hat gesagt, dass ich da vergessen habe da etwas, irgend ein
Programm habe ich vergessen zu speichern und sie hat gesagt, wenn ich
da jetzt noch ein bisschen gewartet hätte, dann wäre das irgendwie, was
weiß ich, irgendwie (Pause)
IV: Dass da dann vielleicht nichts mehr geht?
S4: Mhm. Ja.
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S2: Und mein Papa der hat da so eine Kamera, mit dem man, wenn man
(...)
S3: Eine Webcam.
IV: Wirklich, habt ihr eine?
S3: Ja, wir auch.
S2: Ja, aber ich meine so einen Fotoapparat.
IV: Aha, aber ihr kennt alle eine Webcam?
S1: Da kann man auch so chatten.
S3: Ich tu da immer chatten.
S2: Ja, chatte du mit deinem Freund, (lacht).
S3: Mit meiner Freundin tu ich.
IV: Ja, über das Chatten möchte ich auch noch reden.
S2: Also, mein Papa hat da so einen, wie heißt das, Rechner, und denn
kann man da so auf machen und da kann man dann ganz viele, also ich
zeichne das mal auf: (spricht beschreibend während sie zeichnet), also
blau, also es gibt, da für eine CD, wo man so eine CD, also so Spiele
hineingeben kann, und einen DVD Player.
IV: Aha, das ist auch extra.
S2: Dann, dann gibt„s da unten so einen Schalter wo man einschalten
kann. Bei mir ist der unten. Und dann da oben so, und da oben, da gibt es
so einen Knopf und wenn du da drückst, dann geht das so auf und dann
gibt das dann da so viele so wo du einstecken kannst, so für, sagen wir so
für Gameboy und so.
IV: Aha und den USB-Stick?
S2: Und so.
S3: Und für MP3-Player, dass du Lieder raufladen kannst.
S2: Und mein Papa, also er fotografiert zuerst und dann hat er, dann hat
er so eine kleine ähm die Karte und die steckt er dann da rein, und dann
kann er sie auf den Computer raufladen.
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IV: Aha und dann hat er die Fotos am Computer.
S2: Ja. genau.
S5: Ja, das ist was wir auch machen, nur wir machen das mit einem
Kabel. Ja und dann können wir es auch auf den Fernseher tun und dann
können wir das auch am Fernseher anschauen.
S1: Ja bei uns können wir das auch.
S4: Das eBay ist auch so mittel gut.
S (bestätigendes Gemurmel)
S3: Ja, aber weißt du was, ja, ga, Frau Lehrerin, ah nein
IV: (lächelnd) Martina.
S3: (lacht) ja, ah Martina. Entschuldigung, ja weißt du, mit dieser
Webcam da, wie wir da so gechattet haben, da war von uns da so ein
Foto drinnen, von meiner Freundin und mir und dann hat meine
Freundin geschrieben (lächerlich betont) schau einmal, da sind wir zwei
auf dem Foto oben, weißt eh, hat sie zum anderen geschrieben (Pause)
aber wirklich dumm.
IV: Wo tust du chatten?
S3: Im Knuddels.
S1: Ich tu im ICQ.
S2: Ja ich auch.
S4: Ja ich auch. Mein Bruder tut auch immer so ah (wird unterbrochen)
S5: Ich tu nicht chatten, aber meine Schwester.
S3: Ich schreibe dir das auf meine Zeichnung. Wo soll ich das
hinschreiben?
IV: Wie du möchtest, entweder da hinein auf den Bildschirm oder
am Rand, ganz wie du möchtest.
S2: Ich schreib das auch auf. Knuddels at oder de, musst du probieren.
S4: Gleich in die Mitte.
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IV: Ja in der Mitte könnt ihr ja alles hinschreiben, da ist ja genug
Platz.
S1: Unter unsere Schule können wir gehen. Da sind wir auch im Internet.
Aber da weiß ich nicht die Adresse.
S3: Ja also, wenn du ins Internet-Cafe gehst und unter Google (spricht
Gogl aus und wird von anderen sogleich ausgebessert).
andere S: Google (richtige Aussprache).
S3: Ja, Google. Entschuldigung, dann, ah,
IV: Ja aber G O O G L E schreibt man, ga.
S3: Ja, dann brauchst du nur Stardoll eintippen.
IV: Aha, also, kennt ihr das alle das Google?
S (alle): Ja.
S2: Da kann man alles eingeben. Pony-Interviews oder so.
S1: Kann ich da jetzt auch kleine Programme hinzeichnen?
IV: Ja klar. Ganz super machst du das.
S3: Ich habe da Wildlife Park, meiner heißt so mein Zoo. Und was soll
ich noch? Was spiele ich denn noch gerne? (lacht)
S5: Jetzt weiß ich was, aber wie heißt das, wie heißt das?
S4: Was spiele ich noch gern?
IV: Ja, du hast ja auch schon das Chatten ausprobiert, das kannst
du natürlich auch hinschreiben.
S4: Ja man kann auch so chatten so wie mein Bruder (wird
unterbrochen)
S3: Das ist so (betont) lustig.
S4: Denn der hat gehabt Kopfhörer und dann hat er ein Mikrophon
gleich beim Kopfhörer, und da kann er dann mit seine Freunde reden und
mit der Web-Cam sieht er den anderen auch noch.
S3: Ich hab mit einem schon einmal eine Stunde ähm gechattet.
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IV: (lacht) - soll ich euch etwas erzählen, ich habe erst einmal
gechattet. Das ist ja lustig.
S: (unverständliches Durcheinanderreden)
IV: Also, dann machen wir weiter. S3, was magst du denn so
erzählen? Wer hat dir denn den Zugang zum Computer gezeigt,
erklärt.
S3: Meine Mama hat mir eigentlich das meiste gezeigt, ähm und im
Computerkurs zeigen sie auch sehr viel, was man noch nicht gewusst hat
richtig und das ist ja auch lustig und ähm.
IV: Was macht denn dir am meisten Spaß, von den Programmen
her?
S3: PowerPoint.
S5: Mir auch.
IV: Warum gefällt dir das am besten?
S4: (im Hintergrund hörbar) Ma, ich muss dir auch noch etwas erzählen.
S3: Weil man da einfach gute Präsentationen machen kann.
IV: Hast du Präsentationen auch schon gemacht?
S3: Ja haben wir schon gemacht eine Präsentation und das ist einfach so
lustig, weil da kann man einfach alles loslassen und so.
IV: Da kann man schöne Sachen machen, ga?
S3: Ja.
S4: Weißt du was? Meine Cousine, ga, die geht jetzt schon ins
Gymnasium, die ist älter als ich und die hat jetzt von der Schule aus ein
Spiel am Computer machen müssen. Die hat aber so ein cooles Spiel
gemacht (betont)
IV: Selber?
S4: Ja, die hat da alles Labyrinthe, bis zum Level 10 oder was.
IV: Sie hat also selber das Spiel programmiert?
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S4: Ja, alles selber gemacht, alles selber, nicht einfach von einer CD,
alles selber, vom ersten Punkt weg.
IV: Hast du gesehen wie das geht?
S4: Nein.
S5: Das möchte ich auch gerne machen. Weil das wäre ja irgendwie
cool, weil dann könnte man es ja selber auch spielen, verstehst? Weil
dann kann man es ja selber auch spielen und so.
S3: Ja, ma, aber da gibt es auch noch so ein lustiges Spiel, das heißt
Sheep Rallye.
S1: Das hab ich auch.
S3: Also Black Sheep Rallye, da fährst du mit einem Schaf, da bist du
ein Schaf, das kannst du dir aussuchen und dann machst du ein Rennen,
halt so gegen deinen Gegner und äh.
S5 zu S3: Und äh gibt's das im Internet oder so auf CD?
S3: CD ähm weiß ich nicht so genau ähm , der hat das so runtergeladen,
aber das ist ganz lustig, da musst du halt so hin und her rennen, also das
ist dann, wie mit einem Auto nur du bist da halt das Schaft und du musst
halt immer Hindernisse überqueren und schauen dass dir keine anderen
raufspringen. Also das ist halt so lustig. Das gefällt mir so gut.
(Kinder zeichnen)
S5: Playstation spielen tu ich auch gern.
S4: Ich auch.
S3: Ein Königreich für ein Lama, das spiel ich so gerne auf der
Playstation. Das ist so lustig.
S1: Ich hab keine Playstation, aber ein Nintendo, auch die Box, Nintendo
GameCube da gibt es halt weniger so Kampfspiele und so, aber ich hab
da ein Spiel, das gefällt mir ganz gut. Das ist Harvest Moon. Das ist, da
handelt sich, da hast du einen Bauernhof und du musst da als erstes
einmal Geld verdienen, dass du Tiere kaufen kannst und so.
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S5: Meinst du Nintendo DS oder meinst du (wird unterbrochen)
S1: Das gibt„s auf beide Spiele.
IV: Also ihr zeichnet das echt super, das gefällt mir. Ihr seid ja
richtige Künstler. Wenn ich darf und eure Eltern das erlauben,
werde ich die Zeichnungen einscannen und dann in meiner
Dissertation abbilden.
S5: Echt? Verwendest du das echt?
IV: Ja sehr gerne, wenn ich darf. Ihr könnt richtig stolz sein. Ihr
seid Künstler.
S5: Danke.
IV: Ja und nun, ah, die wer hat denn, ah S3, was hast du denn sonst
so Erfahrungen?
S3: Ja also ich bin ja leider nicht so oft am Computer, weil wir wohnen,
als ich wohne ja in ??? und ich bin also fast den ganzen Tag, also nur am
Abend bin ich bei mir daheim, den ganzen Tag bin ich sonst bei meiner
Oma, weil die wohnt da ganz in der Nähe und komme erst am Abend
nach Hause.
IV: Aha, dann bist du am Nachmittag bei deiner Oma.
S3: Und deshalb kann ich nicht so oft zum Computer.
IV: Aber du kennst dich sehr gut aus für das.
S3: Ja weil ich ja den Computerkurs auch gehe. (Pause)
IV: Aber den Computerkurs muss man nicht selber zahlen oder?
S5: Sicher.
S2: Wieviel denn?
S3: Ich glaub 15 Euro.
IV: Ihr kennt euch ja wirklich schon sehr gut aus, auf dem
Computer.
S3: Ja und dann, wenn zum Schluss, ist da bei dem Computerkurs so
eine Prüfung und dann gehen wir da so in eine Halle, haben sie da nicht
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gesagt, dass wir da in so eine Halle gehen, weißt eh, da machen wir nicht
da den Computertest.
S5: Ich weiß es nicht. Ja aber da, wir machen wir den Test.
S3: Ja den machen wir dann am Computer und wenn wir den dann
bestanden haben, dann bekommen wir da so einen Schein.
S5: So einen Ausweis. Einen Computerführerschein.
S3: Ja oder so irgendwie.
(Kinder lachen und scherzen über eine Lehrerin)
S2: Schade, dass das nicht jeden Tag da bist.
S3: Sag bitte, dass du noch nicht fertig bist.
IV: Wir sind eh noch nicht fertig. Also ihr habt‘s da ja viele
Homepages aufgeschrieben.
S5: Ma, mir fällt auch noch eine ein. Clever Club, das versteh ich schon
mehr.
S4: Toggolino Club ist was für Babys. Typisch Andi spiel ich meistens.
IV: Babykram? BSR, was ist denn das?
S3: Das ist Black Sheep Rallye, ich schreib dir das da her. Aber ich weiß
nicht ob ich das richtig schreibe, ga.
IV: Habt ihr in der Schule eigentlich schon immer einen Computer
in der Klasse gehabt?
S5: Nein.
S4: Sicher, da waren wir ja noch bei Frau L., da waren schon Computer
in der Klasse, nur die hat uns nie dazu gelassen.
S3: Es gibt ja Lehrer, die lassen einen zum Computer und es gibt Lehrer,
die lassen einen nie zum Computer.
S2: Unsere Lehrerin ist die netteste was es gibt.
S1: Mit ihr können wir über alles reden.
S2: Ma, auf myvideo.de da sind so witzige Videos oben, da lachst du
dich tot.
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S4: Das kenne ich.
(Lachen)
IV: Seid ihr eigentlich schon mal auf arge Sachen gestoßen?
S5: Ich bin auf etwas Brutales gestoßen, aber das will ich nicht sagen.
S1: Ich bin da, ein Ding, ga, ich hab da irgendetwas so falsch, bin da
irgendwie so falsch rüber und (Pause) da bin ich auf eine Sexhotline rauf
(lacht).
S5: Das ist mir auch passiert.
S2: Also, darf ich auch etwas erzählen?
S5: Also ich bin auf ein Spiel gegangen, weil ich gedacht habe, das ist
ein normales Motorradl-Spiel, und dann, ma nein, das will ich nicht
sagen, und da zieht ma so rüber und da ziehen sich die Mädchen dann
unten aus.
(Lachen)
S4: Ma, das nimmt alles auf.
IV: Ja, aber ich verwende da ja keine Namen. Ja und außerdem
finde ich, dass es wichtig ist, dass man auch über solche Erlebnisse
spricht. Mir ist so etwas ja auch schon passiert.
S3: Also, also letztes Jahr, da, da sind die Buben also gespielt, ich weiß
nicht wer jetzt gespielt hat, aber sie wollten auf eine Internetseite gehen,
aber keine also, und plötzlich ist da so ein nacktes Mädchen. Und also
ah, ich kann es nicht erzählen und äh, ah, wie soll ich sagen, also, so wie
das Mädchen war ga, also hat sie sich nackt ausgezogen und da aber, es
war alles verdeckt. Man hat nicht gesehen genau.
S4: Ma und ich bin von der Seite einmal nicht mehr rausgekommen. Ich
hab die ganze Zeit x gedruckt und es ist nicht gegangen und schließen
und dann hab ich Gott sei Dank sofort den Stecker rausgerissen.
S2: Ich glaub, deshalb will mein Papa nicht Internet.
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S1: Ich bin auch einmal von einer Homepage nicht mehr rausgekommen,
aber das war nur so von irgendeinem, von so einer Berühmtheit, halt. Ja,
und da hab ich da, aber dann meine Mama gerufen, weil die hat da so
eine Falle eingebaut, der Star da und da hat sie dich immer so gefragt,
wie heißt du und alles so und dann ist meine Mama gekommen und dann
sind wir zum Glück herausgekommen. Aber da war nichts Schlimmes
oben.
S3: Also, die Paris Hilton, aber ich würde nicht unter Paris Hilton de
gehen oder irgendetwas unter Google, weil sie hat da einmal ein
Sexvideo gemacht.
S4: Na, und beim Handy, ga, da wählst ja eine Nummer, ga und wir sind
auf irgendeine Hotline kommen, irgend so etwas, ihre Hotline ga, aber
nicht eine Sexhotline, ga (lacht).
IV: Habt ihr eigentlich ein eigenes Handy.
S1,2,3,4: Ja.
IV: Aha, nur S5 hat noch kein Handy.
S2: Ich krieg heute ein neues.
IV: Warum denn?
S2: Ja weil meines so blöd ist.
IV: Ja soll ich euch mal meinen alten Knochen zeigen?
(Lachen)
S1: Bei meiner Mama geht schon ein Knopf nicht mehr beim Handy,
weil ich immer so viel herumdrücke.
S4: Bei meine Eltern, von meine Eltern das Handy das geht schon ein,
und jetzt ist das so, weil das hebt nur mehr einen Tag mit dem Akku, und
jetzt krieg ich ein neues und sie kriegen mein altes, weil das ist noch
ganz gut, mein altes.
IV: Das ist aber ein guter Tausch. Du hast aber liebe Eltern.
S5: Ich kann sagen in wieviel Tagen ich Geburtstag hab.
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IV: Sag.
S5: In 88.
S2: Er ist unser Mathe-Genie.
S4: Ich bin das Lesegenie.
S1: Wann hab denn ich S5?
S3: Er war kurz davor einen dreier zu kriegen bei der Mathe Schularbeit.
S5: Ma, ja, einmal super (genervt).
S1: Jeder hat einmal einen Blackout.
(kurze Unterbrechung - die Lehrerin erkundigt sich kurz wie es uns geht
und bestätigt, dass ich noch weiter interviewen darf)
IV: Ja okay, dann kommen wir wieder zurück. Wir haben ja vorhin
einmal eBay gehört. Hat jemand von euch schon einmal etwas über
das Internet bestellt?
S (alle): Nein.
S2: Nur meine Tante.
S5: EBay ist zum Chatten.
S3: EBay ist zum Kaufen, du!
S2: Ich geh da nicht hinein, weil ich kenne das nur über meine Tante,
weil wir haben zu Hause gar kein eBay.
S3: Bei eBay haben sie manchmal so komische Sachen verkauft, einer
hat sogar ein Brusthaar von ihm verkauft.
S5: Was, ein Brusthaar? Was bringt denn das?
S3: Oder Schweinurin oder was.
S (alle): Wäh! (Lachen)
IV: Also bestellen tut ihr noch nichts im Internet.
S4: Das is ja so, manchmal tun sie ja immer mehr ähm abzapfen mehr
Geld meistens.
S5: Ähm, ja aber ich kenne da einen Freund, den ???, der hat das einmal
gemacht und der tut immer so, so wenn er etwas bestellt hat, der erste
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ganz viel, und dann bevor er okay klickt, wenn die schon sagen, ja okay,
dann, dann tut er noch ganz schnell herunter senken auf ein Cent und
dann tut er okay (lacht). Und dann zahlt er nur ein Cent.
S4: Der ??? ist ja gescheit.
S3: Können wir nachher ein Foto von uns allen machen? Ihr kommt
dann einfach zu uns her.
IV: Ja klar. Okay, also, über das Chatten würde ich auch noch mal
kurz mit euch reden. Das habt ihr ausprobiert?
S (alle) Ja.
S4: Ich habe Bauchweh.
IV: (besorgt) Hast du echt Bauch weh?
S4: Nein, nur ein bisschen.
IV: Vielleicht hast du einen Hunger?
S3: Weil ich lache zu viel. (Lachen) Wir lachen alle so gern. Wir lachen
so gern alle.
IV: Lachen ist gesund.
S3: Ich bringe mich um mit meinem Lachen, haha (lacht ganz laut und
alle lachen mit).
IV: Also, noch kurz zum Chatten? Das habt ihr schon, ga?
S4: Schon voll oft. Mit einem chatte ich über eine Stunde meistens.
IV: Ah, wie machst du das? Verwendest du da deinen richtigen
Namen?
S4: Wir tun meistens nur äh ja meistens tun wir halt so eine anderen
Namen, dass wir halt so, nein nur manchmal tun wir die richtigen
Namen, aber nur manchmal, dann tun wir halt ein anderes Alter
eingeben, das ist eh ganz normal,
S3: Ja weil 10 kannst du nicht eingeben, du kannst nur 20.
S4: 16 oder 13 geben wir meistens ein, so alt wie der andere halt ist.
IV: Und die Adresse oder deine Telefonnummer?
31
S3: Wenn dann nur eine gefakte.
IV: Aha.
S5: Was, was machst du eine gefakte oder was?
S4: Der schreibt dann meistens lol, der schreibt dann immer laut lachen,
das zipft mich dann auch immer an.
S1: Wenn ich chatten werde, dann werde ich alles voll machen, ich
werde ich irgend so eine andere Adresse eingeben, eine andere
Telefonnummer, und dann kommt er zum anderen.
IV: Hat jemand schon einmal daran gedacht, dass ihr euch mit
jemandem trefft, wenn der oder wenn die in der Nähe wohnen.
S murmelnd durch die Runde: Nein.
S2: Die S4 will da was erzählen.
S4: Nein, nein, nein.
IV: Ma bitte, willst du echt nicht?
S4: Nein, da schreibt die ganze Zeit einer, willst du ähm dich mit mir
treffen oder irgendwas. Und ich sage immer, nein, habe keine Zeit oder
so irgendwas.
S2: Mir schreibt die ganze Zeit einer SMS, magst du mich. (lautes lachen
in der Runde) Die ganze Zeit, ich weiß nicht, wie er meine Nummer
gekriegt hat, von wem der, es haben viele Leute meine Nummer. Jeder
hat meine Nummer fast, ga, meine Nachbarn, und dann schreibt der die
ganze Zeit, fast jeden Tag, wie heißt denn du? Ich hab dich so gern.
Magst du mich? Weißt und dann schreib ich schon gar nichts mehr
zurück oder lösche ich das SMS.
S4: Ich habe sie gegeben.
S2: Ja du, ga. Aber fast jeden (betont) Tag kommt so ein SMS.
IV: Ma, ist für dich das lästig? Wenn ja, dann könntest du ja mal
mit deinen Eltern reden. Die können dir sicher weiterhelfen.
S2: Ja.
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IV: Ja und was meint ihr, wenn man jemanden jetzt schon sehr
lange also mit ihm hin und her chattet, was glaubt ihr, was ist
wichtig, wenn ihr euch mit dem neuen Freund/oder der neuen
Freundin treffen wollt? Auf was würdet ihr aufpassen.
S2: Also, dass er, dass sie oder er mich nicht verarscht oder so.
S4: Oder falls er, falls ich ähm erst dann sehe wie er richtig ist, dass ich
ihm dann nicht meine Nummer verrate, oder so irgendwas, dass er mich
dann nicht belästigt oder so.
S1: Nein, es kann ja sein, dass du mit so einem alten Mann chattest, ga,
und dieser alte Mann, und dann triffst du dich mit dem, und der sagt er
ist 16 oder was und der ist dann, und nachher tut er dich entführen.
IV: Das ist aber gut, dass ihr da darüber nachdenkt.
S2:
Ich habe einmal so Angst gehabt, ga, bin ich auf der Straße
gegangen, und auf einmal ist da so ein Mann, der hat so ganz lange
schwarze Haare gehabt, vor das Gesicht vorne und nachher bin ich
schnell weggelaufen. Der hat mich angeredet und auf die Schulter
gegriffen und dann bin ich weggelaufen.
IV: Mhm, mhm, das ist eh wichtig und richtig.
S5: Und ich hab ihn getreten. (Lachen)
S4: Die S1 hat ein paar Tipps, wenn man, wenn einer sagt, willst mit,
ähm, weil der Papa hat mir gesagt, äh, gesagt äh, dass wir heimfahren,
ähm dass ich dich heimfahren soll oder so. Ma ja, sag die Tipps.
S1: Ja manchmal tust dann einfach so, wenn da vorn, oder wer ist, sagst
dann einfach so, hallo Mama oder irgendwas oder hallo Papa, als wäre
wer da drüben, weil nachher merken die schon, aha die sieht da gerade
wen, und wenn es dir unheimlich ist, sagst einfach, hallo Mama, oder so
hallo Papa.
S3: Oder du holst das Handy raus und tust so wie du telefonieren tätest.
Und sagen, Mama da ist irgendeiner.
33
IV: Mhm.
S2: Und was ist, wenn man kein Handy dabei hat.
S3: Ja dann fange ich schreien an. (lautes Lachen)
(unverständliches Durcheinander und Lachen)
S3: Dann lauf ich wohin, so viele Leute sind.
IV: Ja genau. Wichtig ist, nie alleine zum ersten Treffen gehen,
immer gemeinsam mit einem Erwachsenen. Dann kann euch nichts
passieren.
S5: Wenn ich Angst habe und im Garten bin, dann klettere ich immer
ganz hoch hinauf, meistens bis zur Baumspitzen, rauf und dann kommt
keiner herüber. Das ist mein Trick.
S4: Ich tu immer, ich laufe in die Tiefgarage.
S1: Ich tät dort hingehen, wo viele Leute sind. (S reden durcheinander
und lachen)
IV:
So, jetzt wäre es schön, wenn ihr abschließend noch eure
Zeichnung beschreiben könntet. Wer mag anfangen?
S2: Ich fange an.
IV: Gut, super, dann redet jetzt nur S3, okay.
S3: Also, ich bin gerne im Spele, weil man da sehr viele Spiele spielen
kann. Dann habe ich ein sehr lustiges Spiel, Schi Challenge. Da geht es
um Schi fahren und so. Dann im Powerpoint tu ich sehr gerne arbeiten,
was ma wir leider nicht daheim haben, aber wir kriegen es bald. Dann
Paint, weil ich da, weil man da so gut zeichnen kann und alles.
IV: Tust du jetzt lieber am Computer zeichnen oder so lieber am
Blatt?
S3: So lieber am Blatt, weil da kann man halt mehr selbst. Und
RollerCoaster Tycoon 2, das ist, ja das hab ich ja schon erklärt mit dem
Park, das ist sehr lustig, dann SIMS 2 Haustiere, dann über Word.
IV: Aha, schreiben tust du auch gerne.
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S3: Ja, dann SIMS 2 Vier Jahreszeiten, über das haben wir auch schon
geredet. Bubble Struggle, ja, ähm, da muss man so Blasen hin machen
und dann noch Chatten, manchmal und im Internet gern sein.
IV: Jawohl, super. Okay. Von wem ist diese Zeichnung?
S4: Also ich bin gerne im Internet, dann im Paint, weil da tu ich gerne
malen, Powerpoint tu ich auch gern, mit meinem Bruder so
Präsentationen machen, Zoo Tycoon spiel ich ganz gern, Bubble
Struggle, mit die Blasen, BSR, also Black Sheep Rally spiel ich ganz
gern, mit die Schafe und SIMS 2 Haustiere, habe ich auch, das ist so
ganz lustig, da geht SIMS so, nur mit Haustiere. Simpsons Hit and Run,
das ist ähm, von die Simpsons, von der Fernsehsendung, da muss man so
Missionen erfüllen und so, also mit Rennen fahren und so, ganz lustig.
Ähm, ORF Schi Challenge spiel ich ganz gern, mit dem Schi fahren und
in Word tu ich gerne schreiben ähm und dann tu ich noch ganz gern
chatten.
IV: Aha, und hast du da eine spezielle Seite, wo du da chattest?
S4: Also ich bin im ICQ, also da muss man sich halt anmelden.
IV: Okay, super, also und die nächste Zeichnung ist von S1. Bitte
sehr.
S1: Also ich bin gerne im Paint, da tu ich immer so malen und alles so
was. Dann spiel ich gerne Icy Tower, Icy Tower, dann spiel ich Zoo
Tycoon, ähm, dann tu ich meistens chatten, ich mag da Knuddels. Ja
ähm und im Google, da tu ich halt eingeben die Sachen. (lachen) Für den
MP3 Player die Anschlüsse, also da, und ein Referat machen oder was
auch immer, dann hab ich irgend sein Spiel wo man so mit dem Fußball
spielt, so ähm so Tore schießen und dann SIMS 2 Die Lebensgeschichte,
das ist da. Das ist ein Spiel, das ist so ein Labyrinth und so.
(Lachen)
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IV: Super danke. Bitte jeder hat jetzt seine Zeit. Die anderen sollten
leise sein. Also S5, das ist deine Zeichnung.
S5: Ich tu halt gern im Spelle spielen, oder Paint. In Paint tu ich gern,
Powerpoint tu ich auch sehr gern, oder www.miniclip, da gibt's
verschiedene Spiele, dann geh ich halt gern unter Google oder im
Internet, oder Stronghold oder Autofahren halt, irgendwas, oder
Kartenspiele, oder, oder Stardoll, das ist auch gut. Ja, so.
IV: Super danke, so und jetzt bitte S2, jetzt darfst du uns deine
Zeichnung erklären.
S2: Okay, ich spiele gerne, also mein Lieblingsspiel ist Wildlife Park,
also ich find das einfach super, weil bei mir kriegen als erstes nur die
Schildkröten Babys, nur bei mir und ähm und die Pinguine, ihre Babys
sind so nackt (lacht) ja wirklich.
S5: Aha, ja, okay, passt.
S2: Und also wenn ich, also wenn so ein schlechtes Wetter ist, da in der
Schule, dürfen wir immer da zum Computer. Und ähm ich gehe ganz
gern unter Stardoll. Also unter Nick auch gerne und meistens, ganz
selten unter Toggo.
S5: Und gehst du auch unter Clever Club?
S2: Nein.
IV: Und hast du chatten auch schon ausprobiert?
S2: Nein, nein, und ich probier es auch nie aus.
S4: Das sagst du jetzt leider.
S3: Sagen ist leichter als tun.
(Lachen)
S2: Unter Disney Channel geh ich auch gern, Disney Channel, das ist
auch gut. Also da drüben gibt es sehr viele Filme, die zeigen sie da,
lalala, und äh.
IV: Ma, habt ihr jetzt Pause? Möchtet ihr eine Pause machen?
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S4: Nein, das ist eh viel besser.
S3: Das ist so lustig.
S5: Können wir noch ein Erlebnis oder so erzählen? Etwas grusliges
oder so?
IV: Genau. Das ist ein guter Abschluss. Jeder darf noch ein Erlebnis
erzählen.
S1: Also mir ist passiert, dass ich da im Internet irgendetwas Falsches
eingegeben habe, und nachher bin ich halt in diese Sexhotline eine, aus
Versehen. (leise) Und da bin ich nicht mehr hinaus gekommen. Und ich
habe die ganze Zeit da gedrückt und gedrückt und es ist nicht gegangen
und dann hab ich einfach den Stecker heraus gezogen und bin neu hoch
gefahren.
S3: Also, ähm, bei mir war das auch, in der, in der Schule ja, da haben
die Buben, Ding gemacht, also sie wollten auch nicht unter dieser
(Pause) Sexhotline gehen (lachen im Hintergrund), also die Frauen
haben sich halt da so ausgezogen, die hat da keine Unterhose angehabt
und keinen BH und nichts. Also die wollten das ja nicht.
S4: Also ich habe kein schieches Erlebnis, ich habe ein blödes, also ich
war da einmal im Google drin. Dann habe ich von einer Band Bilder
angeschaut. Und dann habe ich ein Bild von der Fergie anschauen
wollen und dann, dann war auf einmal eine Homepage von ihr und dann
bin ich da eingestiegen, da ist irgendwas von, weil da ist alles englisch
halt gestanden, habe ich nichts verstanden, habe ich irgendwas
angeklickt, wo gestanden ist, don't hill klick, oder so irgendwas, also
meine Mama hat mir das dann gesagt, dass da gestanden ist, nicht
anklicken, ga, dann habe ich halt hinauf geklickt (lachen im
Hintergrund) und dann ist da immer so gestanden, wie heißt du und halt
so eine Fragen, aber halt auf Englisch und dann ähm und dann bin ich,
dann habe ich immer auf das ähm aussteigen geklickt und dann ist aber,
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dann bin ich aber nie hinausgekommen, es ist immer weiter und weiter
gegangen, und dann zum Glück habe ich irgendwie, ich weiß nicht,
irgendwie bin ich dann da ausgestiegen und ich war dann so froh, dass
ich da raus gekommen bin.
IV: Mhm, ja.
S2: Darf ich jetzt.
IV: Ja.
S2: Ähm, also ich war, wollte gerade ein Spiel öffnen und das hat dann
so lang gedauert und nachher ist auf einmal ah, so ah, irgend so ein
Zeichen gekommen, da ist gestanden, ähm, willst du rausfinden wie alt
du wirst, ga, und dann hab ich gerade Doppelklick gedrückt, wo ähm
genau wo ich das anklicken wollte das Spiel, und auf einmal ist das da
gekommen und ich hab gedrückt, nein, jetzt will ich aber sofort raus, und
aber ich bin nicht rausgekommen und da hab ich sofort den Computer
ausgeschalten, weil da hättest sofort was anklicken müssen und dann
absenden und dann hätten sie dir was zurückgeschickt. Aber da zahlst ja
voll viel sicher.
IV: Mhm, ja.
S2: Ja und mein Bruder hat einmal ähm das Internet hat er so viel runter
hat er so viel runtergeladen, dass wir dann über das Internet so viel
gezahlt haben, und dann hat er 28 Euro oder was zahlen müssen, weil es
zu viel war.
IV: Aha, ja. Ja.
S2: Das war dann auch blöd.
IV: Mhm, ja.
S5: Ähm, ich erzähle ein blödes Erlebnis, ga. Ich, ich wollte einmal über
die Falken was schauen, ga und da ist dann gestanden, Falken Reifen zu
verkaufen. (Lachen aus dem Hintergrund) Ich wollte eigentlich über die
Vogelart Falken was wissen, und da kommt dann Falken Reifen.
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IV: Ja die Autoreifenmarke, es ist nicht immer so leicht die richtige
Information zu finden. Das kenne ich auch. So dann sage ich danke
ihr Lieben und ich freu mich schon auf die Rückkoppelung, dann
komme ich nochmal zu euch.
1
13.5.5 ANONYMISIERUNGSCODE: IVP E1
InterviewpartnerInnen (IVP): Eltern (Mutter)
Interviewerin (IV): Martina Pucher (geborene Zwantschko)
Termin: 28. März 2007
Ort: Volksschule I; Kärnten; Land
Dauer: 1 Stunde und 7 Minuten
IV: Ich schreibe meine Dissertation zum Thema, welchen
Stellenwert hat der Computer, bzw. das Internet in der kindlichen
Lebenswelt. Sie haben ja ein Kind in dieser Volksschule. Ja und ich
würde Sie nun bitten über ihre Erfahrungen und Eindrücke zu
sprechen.
IVP: Ja, also ich habe mehrere Kinder. Also, ich habe fünf Kinder, also,
die großen zwei sind schon aus der Hauptschule draußen, 16 Jahr, 15
Jahr und dann einer in der Hauptschule, und dann der ??? eben in der 3.
Klasse und die ??? in der 1. Klasse. Also, und ähm, der Stellenwert vom
Computer, also ich meine, da sind wir eigentlich eher ein bisschen hinten
nach, wir haben einen Computer, mein Mann hat vor 5 Jahren einen
Computerkurs gemacht. Mein Mann erledigt daheim die ganzen
Bankgeschäfte, die ganzen Tierkennzeichnungen, das mit der AMA, das
mit der Molkerei, die Verbindung, das macht der alles über den
Computer, aber wir leben äh, nicht wirklich, für die Kinder ist ja wichtig
das Computerspielen, also Spiele, das fasziniert die Kinder. Aber da wir
eigentlich so wenig mit dem Computer tun, haben wir ihnen das
vielleicht auch nicht so vorgelebt, ga, dass wir vielleicht selber nicht so
fasziniert sind, in dem Sinn, Computer, klasse, jetzt steigen wir einmal
ins Internet oder so. Das kommt bei uns eigentlich selten vor und wenn,
sicher, die Zeitgefühl verliert man, dann ist man einmal drei Stunden
drin, ga, aber das hat bei uns aber wirklich Seltenheitswert, wenn wir
2
sagen, wir steigen jetzt einmal bei der Firma ein und schauen uns da mal
eine Landmaschinen an oder irgend so was. Und da sind die Kinder dann
dabei, aber so selber, also die ??? hat auch in der ersten Klasse so ein
Lesebuch, da wo mit einer Computer CD, natürlich war sie ganz happy,
ich hab sie ah immer lassen spielen, wenn sie gesagt hat, i will jetzt mit
dem Computer, das ist eigentlich ein Lernspiel, also wo sie Buchstaben
muss fangen und, und da war sie fasziniert, aber das ist auch, also mit
der Zeit ist das abgeflaut, also ich hab nie so strikte Verbote beim
Computer gebraucht machen wie beim Fernsehen, also Fernsehen war
extremer. Aber beim Computer, ah die großen Kinder, ich weiß nicht ob
die mit 16, 15 Jahr auch (fragender Tonfall)
IV: Also, mich interessiert alles, erzählen sie bitte. Ja.
IVP: Aha, ja, ich denke mir, die gehen eben drinnen im ???, sind im
Internat und da bringen sie dann oft auf dem USP-Stick ein Spiel mit
heim. Also, und ich hab es ja auch immer, weil ich ja neugierig war, was
sind das für eine Spiele, ich hab wohl auch gesagt, ja, könnt‟s ah wohl.
IV: Ja, aha.
IVP: Und, das haben sie eigentlich gespielt, aber auch nie, dass ich, dass
sie haben das müssen, die haben jederzeit wieder gekonnt aussteigen.
Also, wenn mein Mann gekommen ist und gesagt hat, jetzt gehen wir
einmal hinaus und machen einmal das, die haben jederzeit gekonnt sich
ausklicken sich wieder davon.
IV: Mhm. Mhm.
IVP: Also, äh, mit dem Computer, finde ich für die Kinder sehr wichtig,
also das ist die Zukunft, also ohne Computer läuft eh nichts mehr. Aber,
ich glaube, dass das ganz viel auf dem Vorleben, weil, weil ich denke
mir, weil wenn man da den Medien glauben kann, wie viel Erwachsene
spielsüchtig, computersüchtig sind, ich denke mir, wenn die Eltern, die
Erwachsenen vor dem Computer hocken, hocken die Kinder auch vor
3
dem Computer. Ah, und ich denke mir, wenn es Alternativen gibt,
Kinder laufen gern, Kinder toben gern, dann glaube ich ist da nicht die
Gefahr, dass Kinder computersüchtig werden. Nur wenn es nichts was
anderes gibt, wenn es keine Highlights im Leben vom Kind gibt, ga,
nachher hocken sie vor dem Computer und nachher suchen sie dort
immer die Bestätigung und, und ja, das wäre es. Ja, also, ich weiß nicht.
IV: Ganz interessant, ja, also, habe ich Sie da richtig verstanden, es
war also für Sie nicht notwendig da jetzt strikte Grenzen für Ihre
Kinder zu setzen, im Umgang mit dem Computer?
IVP: Nein, überhaupt nicht, also wenn sie jetzt einmal vor dem
Computer, also ich kann jetzt sagen bei den Großen, bei die 15-, 16Jährigen wenn sie ein Spiel gemacht haben, das hat nie länger als wie
eine Stunde gedauert, dann sind sie wieder selber weggegangen. Also,
das ist nicht so, dass sie sich jetzt dort hingesetzt haben und dass ich mir
gedacht habe, wird der nie fertig oder, oder jetzt kannst aber wieder
einmal weggehen.
IV: Aha, mhm.
IVP: Also, also, denke ich, habe ich bei meinen Kindern nie gebraucht so
eine Verbote machen müssen, als wie beim Fernsehen. Also, Fernsehen
war bei uns schlimmer. Obwohl wir da auch nichts vorgelebt haben. Bei
uns wird bei Tag überhaupt nie Fernsehen geschaut und aber da waren
sie oft so, dass sie von der Schule heim und hinein und sich dann haben
sich einfach berieseln lassen.
IV: Mhm, genau, dieses berieseln lassen.
IVP: Ja, und beim Computer da müssen sie selber irgendwie aktiv sein
und, und Kinder messen sich gerne mit solche, oder suchen Bestätigung.
Und ich denke mir auch bei die Kleinen, bei die Spielzeugcomputer,
also, äh, wie da, also es gibt da immer ein großes Lob, also es gibt da
kein Schimpfen und kein Tadeln, es gibt nur Lob, Bravo! Und wenn sie
4
es nicht kapieren, dann heißt es versuch es noch einmal und das ist eben
die Motivation und ich denke mir, das brauchen die Kinder und das
fasziniert sie auch so. Und (Pause)
IV: Mhm, ja. Und wie würden Sie das jetzt beschreiben, wenn Sie
sagen, ahm, wie erlernen Kinder den Umgang mit dem Computer?
Sie haben ja fünf Kinder und Ihr Mann hat ja einen Computerkurs
gemacht, könnten Sie vielleicht beschreiben, welchen Eindruck Sie
haben, wie ist es Ihrem Mann ergangen und wie erlernen ihre
Kinder den Umgang mit dem Computer?
IV: Ja, also bei die Kinder, also bei meinem Mann, muss ich auch dazu
sagen, wir haben, der hat von null angefangen, der hat den Computerkurs
das erste Mal besucht, dann sind wir Villach gefahren, Media Markt,
einen Computer kaufen und dann haben wir das erste Mal eine Maus in
den Händen gehabt, also, und für meinen Mann war das eine komplette
Umstellung, also, der hat sich regelrecht gefürchtet. (lacht) Der hat
immer gesagt, jetzt wird wieder alles weg werden, aber und der hat den
Kurs besucht und ah, bei die Kinder ist das automatisch gegangen, ah
vielleicht durch das, dass da eben vom Direktor aus sehr viel mit
Computer, dass das eben äh, dass er das in die Kinder, äh, die kommen
in die Volksschule und dürfen mit der Maus schon, also und ich denke
mir, ah, die sitzen hin, mein Mann der hat „gefippert“, die Maus die ist
oben geflogen und die Kinder sind hin und haben das angeklickt, auch
bei der M. die war zuerst nie beim Computer, die ist nie dazu gegangen,
aber jetzt durch das, dass sie eine eigene CD hat, dass wir, die haben wir
hinein getan die CD und dann ist sie gefahren mit der Maus. Das ist
eigentlich, ah, automatisch gegangen bei die Kinder, ja. Also, die finden
das gleich, fahren und die klicken das an, da gibt es kein herum suchen.
IV: Mhm, aha.
IVP: Und, ja, bei mir ist es eigentlich auch so, ich mache eigentlich ganz
5
wenig mit dem Computer, aber mit der Maus kenne ich mich
mittlerweile auch aus. Aber ich habe mir mit dem Computer eigentlich
auch nicht so schwer getan, aber ich würde auch noch gerne einmal
einen Computerkurs machen, nur muss ich dann ein bisschen Zeit haben,
auch, mich nachher damit zu beschäftigen, auch. Also durch das, durch
die Kinder, die vielen Hausübungen, dass immer zum Helfen ist, und
habe ich mir das jetzt einfach einmal, habe ich mir das einfach einmal
auf die lange Bank geschoben. (lacht)
IV: Mhm, ist derzeit einfach keine Zeit.
IVP: Ja, und durch das, das mein Mann über den Betrieb das alles macht,
brauche ich das jetzt nicht unbedingt. Das ist so, Maschineschreiben, das
kann ich, also einen Brief schreiben am Computer das ist für mich auch
kein Problem.
IV: Mhm, mhm. (Pause) Und wenn Sie jetzt so darüber nachdenken,
zum Thema Internet, Sie haben ja gesagt Ihr Mann macht zu Hause
Bankgeschäfte und alles. Würden Sie sagen, dass Ihre Kinder zum
Internet auch schon einen Draht haben oder dass sie sagen sie
möchten da verschiedene Sachen nachschauen oder ausprobieren?
Haben Sie da Erfahrungen gemacht?
IVP: Also, ja, von sich aus eigentlich nicht. Also es ist oft so, ga, wir
haben die landwirtschaftlichen Zeitungen daheim, dass man da einmal
schaut, aber eigentlich von die Kinder aus weniger, als wie von meinem
Mann aus, dass er sagt, klicken wir da einmal an, dass die Kinder dann
sagen ja, und dann gehen sie ins Internet, um da zum Schauen und, und
unsere die machen das drin in der Schule, also die haben das Informatik,
aber ich weiß nicht, unsere sind nicht unbedingt, also ich kann nicht
sagen, dass die einfach fanatisch auf den Computer sind, also, ich meine,
die machen das, die lernen das auch, also es werden die Kinder sicher
alle einmal über den Computer ihre Arbeiten erledigen aber so extra
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Spiel, äh, glaube ich nicht, also, also ich befürchte bei meine Kinder
keine Spielsüchtigkeit über den Computer (lacht), so viel getraue ich
mich sagen.
IV: Mhm, ja und, wenn Sie jetzt so nachdenken, die Chancen und
Risiken vom Internet im Leben ihrer Kinder, ich meine, dass auch
Kindern über das Internet so quasi die ganze Welt geöffnet wird, ich
denke da, dass wenn Sie einen Begriff im Google eingeben ja auf
irgendwelche Seiten stoßen können. Ah, können Sie da Ihre
Gedanken beschreiben?
IVP: Also ich denk, sicher es ist möglich, da sind sicher Gefahren, aber
ich fürchte deswegen nicht um meine Kinder, also nur, also ich denk mir,
natürlich kann es passieren, dass sie, ich weiß nicht, in irgendeine
Pornofotos, vielleicht, hineinkommen, aber ich denke mir, da fürchte ich
nicht, dass die Kinder da jetzt auf die schiefe Bahn geraten. Also da
fürchte ich mich vor dem Internet weniger, als wie wenn sie da jetzt in
irgendeine Disco fahren, da fürchte ich mich um meine Kinder
wahrscheinlich mehr, als wie wenn sie im Internet irgendwelche
Gefahren ausgesetzt sind. Ah, und ich denk einfach auch, mit 15, 16
Jahr, da kann man die Kinder schon in etwa einschätzen, ich meine, man
erlebt immer wieder blaue Wunder und niemand ist davor gefeit, dass
dann doch alles danebengeht, aber, ich denk mir, die Grundwerte haben
sie bis 15, 16 Jahr und ich denk mir, wenn ich da nachher müsste immer
Angst haben, dann machst dich selber fertig (lacht).
IV: Mhm, ja, mhm.
IVP: Zumindest ich vertrau einfach, ich leg einfach ganz viel Vertrauen
und sag, äh, wenn sie auch wirklich einmal auf da eine kommen und da
von mir aus irgendetwas sehen, aber ich denke mir nicht, dass sie da
dann selber einen Schaden davontragen. Also das ist wiederum,
vielleicht im Fernsehen, äh, schlimmer, weil da oft auch die Kleinen, oft
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eine Szenen zu sehen kriegen, auch grässlich mit Blut und allem und ich
mir oft denke, bei die Kleinen ist es oft viel schlimmer, weil sie einfach
Realität und das, das Spiel oft noch nicht unterscheiden können.
IV: Mhm, genau.
IVP: Und, äh, Internet, ich weiß nicht ob der ??? daheim irgendwo ins
Internet einsteigt, also ich weiß nicht, kann ich mir irgendwo nicht
vorstellen. Sicher da in der Schule machen sie das, aber, aber ich glaube,
wenn er, wenn er daheim das will, dass er dann irgendetwas
durchklingen lässt, dass ich da weiß, der geht jetzt da ins Internet und
dann hat man irgendwie ein Aug auf ihn und schaut wo ist er da jetzt
drinnen und ja. Vielleicht ist es bei uns anders, weil wir einfach auf dem
Berg sind, weil wir einen Bauernhof haben, weil einfach mehrere
Generationen da sind, dass man vielleicht einfach das nicht so eng sieht
oder dass man einfach die Kinder nicht so einfach aus die Augen verliert,
als wenn ich auf die Arbeit geh, die Kinder kommen heim und ich komm
erst am Abend heim, wo sie da vielleicht stundenlang allein sind, dass
man sie da irgendwo aus die Augen verliert, dass man da oft gar nicht
mehr weiß, was macht der eigentlich. Oder, oder dass die Kinder
vielleicht sagen, sie haben den ganzen Nachmittag gelernt und die haben
weiß Gott was getan. Also da denk ich, sind unsre unter ganz vieler
Augen (lacht) ich denk mir, weil die Schwiegereltern im gleichen
Haushalt sind und die kommen heim, irgendwer ist immer da und ich
denk mir, dass da auch nicht so ist, dass sie jetzt sagen, ich bin eh allein
daheim, jetzt klick ich einmal geschwind oder Google irgendetwas und
ich glaub, dass, das würde irgendjemand mitkriegen, dass das einfach
irgendein Unterschied ist. Deswegen glaube ich oder deswegen habe ich
auch nicht so die Angst vor dem Computer, nicht, beim Fernsehen ist
auch so, wir haben jetzt noch keine SAT-Antenne oben und ich denke
mir drei Programme sind bis da oben hin genug, weil ich auch immer
8
wieder in die Kinder sag, sie sollen das Leben irgendwie aktiver
gestalten, nicht nur vorm, ich bin auch kein absoluter Gegner vom
Fernsehen, ich lass sie sehr wohl wieder fernsehen, aber einfach nur,
nicht dass sich der ganze Tagesablauf dann nach, am Fernsehprogramm
richtet. Das äh, gegen so etwas bin ich halt strikt. Also, weil, das habe
ich bei meinem Ältesten mitgekriegt, der ist von der Volksschule heim
und wir haben den Fernseher eben in einem anderen Raum und er ist
dann gleich in den anderen Raum hinein und äh, die Schwiegermutter
hat nicht einmal gewusst, dass der heimgekommen ist, und der hat
nachher Simpsons geschaut und das war dann in dem Kopf schon so
drinnen, wenn ich heim komm, muss ich Simpsons schauen, da hat
gekonnt das Essen bleiben, da hat gekonnt die Hausaufgabe bleiben, da
hat gekonnt alles liegen und stehen bleiben und dann ist halt Simpsons
aus und dann können sie nicht mehr weg vom Fernsehen, das sehr wohl,
also das haben alle gehabt, dass sie nicht gesagt haben, so jetzt ist das
aus, jetzt schalte ich ab, das geht nachher nicht mehr. Die sitzen und die
täten sitzen bis zum Liegengehen täten sie da sitzen (lacht) und dort hab
ich wohl müssen striktes Verbot, einfach Schlüssel drüber, weil das
ganze nichts mehr genützt hat, also und da kann ich vom Computer her
eigentlich, obwohl ich den Computer viel positiver sehe, als den
Fernseher, weil ich doch immer denk, da tun die Kinder irgendwas, da
sind sie irgendwie aktiv. Beim anderen sitzen sie nur drin. Und (Pause)
IV: Und lassen sich berieseln. Mhm.
IVP: Ja, ja genau.
IV: Das finde ich in ihrem Fall spannend, dass das beim Computer
ganz anders ist, dass sie da nicht so (wird unterbrochen)
IVP: Nein, also ich sehe den Computer prinzipiell positiver als den
Fernseher, also (Pause)
IV: Aha, und die Kinder sind jetzt nicht so gefesselt worden, von
9
irgendwelche Spiele oder so.
IVP: Nein, nein auch nicht, dass sie hysterisch, also vor dem Fernseher
sehr wohl, wenn ich dann einmal, wenn du den abschaltest, dann kann
passieren, dass sie einmal zusammenbrechen. (lachen) Dann brechen sie
nieder. Aber, äh vorm Computer, da kann ich eigentlich nicht, also die
fünf Jahre was er bei uns im Haus steht, finde ich den eigentlich mehr
positiv als negativ. Und ich muss sagen, also ich finde auch das, eben
mit die ganzen Abwicklungen und das, also ich finde das auch für uns
voll einfach, weil wir doch auf dem Berg sind, also es geht, du kannst
jede Überweisung bis auf den letzten Tag lassen und dann überweist du
das, wo du sonst müsstest immer fahren und auch das mit die ganzen
Milchkontrollen, du kriegst einfach alles schön ins Haus geliefert, du
weißt genau, was die letzte Milchprobe, die ganze Auswertung und ich
meine, das ist für uns einfach total positiv, also, also für uns ist das
wirklich eine große Hilfe.
IV: Aha, mhm, und seit fünf Jahren haben Sie jetzt das Internet?
IVP: Ja. (Pause)
IV: Wenn Sie jetzt eine Skala hernehmen würden, von 1 bis 10, und
1 ist sehr wichtig, sehr wichtig, 10 ist gar nicht wichtig, aus der Sicht
ihrer Kinder, so aus dem Bauch raus, wie würden Sie die Bedeutung
vom Computer im Leben ihrer Kinder einstufen, 1 ist sehr wichtig
und 10 gar nicht.
IVP: Aus der Sicht meiner Kinder?
IV: Ja, aus der Sicht der Kinder? Der Computer im alltäglichen
Leben Ihrer Kinder?
IVP: Ja, also ich kann das nur für meine Kinder sprechen, also eher so, 5
oder 6, also eher weniger wichtig.
IV: Aha, mhm, eher weniger. Und wenn Sie jetzt so an die Zukunft
denken,
die
rasche
Entwicklung
am Kommunikationssektor
10
betrachtend, also ich denke da an Chatten oder die auch von
Kindern schon genannte Web-Cams wie sind da Ihre Gefühle, was
haben Sie da für Gedanken?
IVP: Ah, ja, da habe ich eher doch eine mulmiges Gefühl, weil ich mir
denke, dass äh, da doch äh ganz wichtige persönliche Beziehungen,
solche wo ma wir gehabt haben, ich war bei einer Volkstanzgruppe zum
Beispiel, da hat man den Partner noch berührt irgendwie und auch beim
Tanzen, bei die Zeltfeste und die, das Freundschaft knüpfen und ich
denke mir, dass das übern Computer, dass wenn das weitergeht, dass
man sich nachher nicht mehr wird können gegenüber sitzen, sich in die
Augen schauen, und das macht mich sehr (betont) nachdenklich, wo ich
mir dann oft denke, wenn die Kinder dann nur mehr solche Freunde
haben, über die Kamera, da lässt es sich leichter kommunizieren, also,
wenn, wenn irgendwas bedrückt, dann tut man das über das Telefon
leichter als man steht Auge in Auge gegenüber und sagt ihm das und das
macht mich eigentlich schon bedenklich, also wo ich mir denke, dass äh,
sich die Leute dann einfach eine Mauer herum bauen, und sich dann sich
nur mehr so mit der Außenwelt in Verbindung setzen, also das macht
mich nachdenklich, also, dass dann nichts mehr das Aufeinander
zugehen, äh, ich habe jetzt einmal gelesen, dass der Partner und die
Partnerin sich am Tag im Schnitt fünf Mal am SMS Ich-liebe-dich
schreiben, aber sich Jahre nicht können sich das an, einfach ihn ins
Gesicht sagen, ga, also äh und das sind die Sachen, die mich einfach
irgendwie nachdenklich machen, ga, also und ich denke mir, jeder
Mensch ist irgendwie Schauspieler und das, denke ich mir, ist auch wenn
ich jetzt mit einem Partner chatte oder so, äh kann ich mich besser
verstellen, nachher geh ich wieder weg, als wenn ich mit einem Partner
irgendwo hin gehe, was essen, was trinken und und eben so äh
kennenlernen tut man einen Menschen anders oder ich denke mir das
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gleiche, wie ein Foto schicken, nachher sind oft ganz dicke Leute, was
sich dann so geschickt fotografieren lassen, dass sie gar nicht mehr dick
ausschauen, und so denke ich mir, dass, wird man sich auch so
verstellen, dann hat der andere von einem ein Wunschbild, obwohl er gar
nicht ist, es hat der andere keine Macken mehr, man kriegt selber
vielleicht Komplexe, weil man weiß, der ist so gut, und wie bin ich, wo
stehe ich und dann dass sie sich absondert und sich nicht mehr unter die
Menschen getrauen, weil sie immer meinen jeder andere ist so viel
besser wie ich. Also das macht mich irgendwie bedenklich, das mit dem
Chat, mit dem Austausch, auch wenn es mit Kamera ist, trotzdem und
schlimmer noch wenn man nur sich schreibt. Da kann man bald einmal
was schreiben und und man sieht den anderen ja nicht, wie der gerade in
dem Moment herschaut, und, also da hab ich eigentlich schon Bedenken,
also da denke ich mir, auch vielleicht bei meine Kinder, dass äh einfach,
man muss schauen, dass sie raus, dass sie Freundinnen, dass sie unter die
Leute kommen, also, da sehe ich eigentlich schon ein bisschen eine
Gefahr. (Pause) Wenn es so praktisch ist, dass ich mich nicht mehr
umziehen brauche, dass ich mit dem Jogginganzug vorm Kasterl sitzen
kann und so mach ich mir meinen Samstagabend, das macht mich
irgendwie schon nachdenklich, also äh, dass, dass die Leute dann
irgendwie lax werden und ja.
IV: Ja, das ist ganz spannend. (Pause) Haben Sie vielleicht
irgendwelche Erfahrungen, dass eines Ihrer Kinder jemanden
einmal übers Internet kennengelernt hat und es zu einem ersten
Treffen gekommen ist, oder hat Sie eines Ihrer Kinder einmal um
einen Rat gefragt, oder von Chaterlebnissen erzählt?
IVP: Nein, also eigentlich überhaupt nicht, ja also, mit 15 und 16 Jahr,
nein, also ich bilde mir ein, dass sie auch in der Schule sehr gut
aufgebhoben sind, dass sie dort, das ist ein Burscheninternat, es sind
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wohl auch in jeder Klasse auch ein paar Mädchen, aber die haben das
andere Haus, und sie haben auch einen Tanzkurs gemacht, ich glaube äh,
dass sie einfach ganz irgendwie sehr Grundwerte vermittelt werden,
dass sie vielleicht gar nicht auf die Idee kommen. Also, ich denke mir,
dass
meine
vielleicht
dann
schon
einen
Kontakt
mit
die
Tanzpartnerinnen, mit die sie Tanzkurs gemacht haben, dass sie, ich
merke das bei die Handys, weil, dass, dass die Wertkarten schneller leer
werden wie früher (lacht) aber ich denke mir, dass sie doch mit die
Kontakt haben, wo ich mich, wo ich selbst keine Bedenken habe, aber so
über das Internet also das macht mich auch, eigentlich nachdenklich, mit
Leute die was man noch nie gesehen hat, noch nie gekannt hat und ich
weiß, dass hat es auch früher gegeben wie ich Kind war, dann war es halt
die Brieffreundin oder der Brieffreund. Und ich denke mir, da sind auch
oft Enttäuschungen herausgekommen, eine Nichte von mir, die hat drei
Jahre sich mit einem, ah vier Jahre, die ganze Hauptschulzeit hat sie sich
mit einem geschrieben, und dann hat sie sich auf irgendeiner, Raumberg
draußen weil er von der Steiermark oder Oberösterreich war, und hat sie
sich eben dann getroffen mit ihm und nachher war halt die Enttäuschung
so, also dann war der Briefkontakt komplett aus, also, äh, weil sie sich da
ein Bild aufgebaut hat, so ist er, so schaut er aus, so denkt er, so fühlt er
und man vertraut im Brief auch die ganzen, die intimsten Sachen, seine
Ängste, seine Bedenken und der weiß dann von die so viel (lacht) und
das äh ist sicher im Internet, das wird sicher gefördert durch das Internet,
weil das einfach schnell und einfach geht. (Pause) Also das macht mich
schon ein bisschen nachdenklich, dass da Leute dann enttäuscht werden
und ich denke mir, gerade wenn der Mensch noch nicht fertig ist, denke
ich mir, hinterlässt das ganz riesen Macken, die sie dann vielleicht ihr
ganzes Leben tragen tun. Also ich denke mir halt, wenn sie ein paar Mal
eine Enttäuschung erleben, dann geht's gach nicht mehr mit einer
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richtigen Beziehung oder dann geht's einfach nicht, haben sie irgendwie
Komplexe auch, überhaupt zu die Menschen, überhaupt in der
Gesellschaft. Und das sind Sachen die machen sie mich schon
bedenklich, also. (Pause)
IV: Mhm, aha, ja. Ein Kollege von mir, hat ein für mich sehr
treffendes Beispiel gebracht, er hat gesagt, das Internet ist nicht an
sich schlecht oder gut, sondern das was jemand damit macht. So
kann man mit einer Axt Holz hacken aber auch einen Menschen
zerstückeln.
IVP: Ja, genau, ja, genau.
IV: Wie denken Sie da darüber?
IVP: Das ist aber eh im Leben, nicht nur beim Computer, das ist mit
jedem, mit allem. Man kann Gutes machen daraus, und auch bei die
Kinder, also eben weil ich fünf Kinder habe, jedes Kind ist anders im
Wesen. Ich habe immer gedacht, die müssen jetzt alle gleich sein, die
sind grundverschieden, jeder ist seine eigene Persönlichkeit, und äh, ich
denke mir oft, der eine ist stur bis zum geht nicht mehr, er ist aber eben,
der was jetzt in der dritten Klasse ist, aber er ist auch sehr ehrgeizig und
man kann aus dem, also der hat sein starres Wesen eigentlich (lacht) aber
äh man kann mit ihm, muss mit ihm halt anders umgehen, wie, also, das
sind einfach mit jedem Kind, deswegen sage ich, Erziehungsbücher
können sie 1000 schreiben und dann musst du noch selbst wissen, wie du
das Kind groß kriegst (lacht) weil, ich denke mir, man kann auch aus
dem jetzt, äh, so lange, ja immer sagen, du bist so stur, du bist so stur,
und äh im Gegenstück ist er sehr ehrgeizig. Er hat sein starres Wesen,
aber wenn er sich das einbildet, ich mach das und ich will das, dann
zieht, dann zieht der das einfach durch und das ist für mich sehr positiv.
Also im Rechnen, wenn ich sage, ich werde dir helfen im Rechnen, "i
kapier das nit" und dann schreit er und da fällt er unter den Tisch
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hinunter, er lässt sich nichts erklären, weil er sich einbildet, so muss das
gehen und dann muss man ihn einfach lassen. Nachher muss ich, sage
ich einfach, lass das Rechnen, äh morgen vielleicht erklärt es der
Direktor noch einmal, dann wirst's kapieren. Da muss man einfach ganz
anders, also ich habe mit die anderen, da bin ich dazu gesessen und da
hat er zugehorcht. Der horcht mir nicht zu, deswegen sage ich, es sind
die Kinder alle ganz anders und deswegen muss man auch mit jedem
anders umspringen. Und deswegen sage ich auch, jeder wird sein Leben
meistern, nur wenn du jetzt nur auf die Negativen, oder wenn du das,
oder seine Eigenschaften alle so ins Negative ziehst, dann kannst du das
Kind komplett verhauen. Also (Pause) und so denke ich mir ist das auch
mit dem Computer, nicht. (Pause) Und das ist einfach, bei uns wird auch
viel, eben so, bei der Arbeit, sie sind viel mit uns mit und bei, und es ist
auch immer noch am Abend, ich sehe auch bei unsere Kinder, wenn sie
jetzt vor dem Computer was machen und dann sind sie wieder weg, dann
haben sie wohl ein Spiel gespielt, aber es ist nichts da. Und wenn wir
sagen, gehen wir hinaus, tun wir da mit dem Holz eine "Greadn" (Holz
schlichten) machen, dann sind sie so mit einem Eifer dabei, wo man oft
sagt, ma das schaffen wir heute nie, und dann ja unbedingt, also auch so
kann man Erfolgserlebnisse haben. Dass sie sich "einehobn"
(hineinknien) und dass sie, dass sie dann alle zusammenhelfen und dann
eigentlich mit einer Befriedigung am Abend sagen, heute haben wir das
geschafft, das haben wir fertig gebracht. Also, und es ist etwas da. Und,
und jedes Mal wenn sie vorbeigehen, dann sagen sie, weißt noch da
haben wir alle so müssen zusammenhelfen, dass wir das geschafft haben,
und und ich denke mir, dass äh, deswegen, solche Highlights kann man
genauso machen, es muss nicht unbedingt der Computer, weil, äh ich
denke mir, messen, äh und gut ein Kind soll ja heute immer am besten,
am schnellsten, am gescheitesten, also es soll immer überall am besten
15
sein und ich denke mir äh daheim in der Familie kann es wirklich noch
so sein, wie es ist. Und ich denke mir, dass da einfach die Familie
einfach wird müssen wieder eigentlich ein bisschen mehr Stellenwert
kriegen, also das ist auch meine persönliche Meinung, und ich denke
mir, das soll eigentlich das Nest schlechthin sein, wo sie wirklich sich
zurückziehen können und wo das irgendwie, das Urvertrauen da ist, weil
viele Kinder, wenn sie auch wirklich im Internet etwas schlechtes
gesehen haben, oder, die trauen sich das oft nicht einmal in die Eltern
sagen, die werden nicht fertig damit, und und wissen nicht, äh wie sie
das in die Eltern sagen sollen, oder die Eltern sind mit ihrer Arbeit so
aufgefüllt, dass die Kinder schon wissen, ma die Mama ist heute eh so
müde, ich darf heute eh nichts mehr fragen. Also, und ich denke mir,
dass da äh Familie muss einen Stellenwert, dann glaub ich auch, dass die
Gesellschaft und alles nicht so schlecht ist, oder dass da das Internet
wirklich so ein Werkzeug von einem Teufel wird oder so (lacht). So
denke ich mir das. Also, äh, allein Computer gut oder schlecht, ga, das
lässt sich ganz schwer sagen. Aber ich denke mir, jedes Kind lässt sich
lenken, bis es groß ist, und äh, mehr lässt sich noch vorleben und und äh,
wenn immer Druck ist, und wenn die Kinder eh in der Schule leisten
müssen und dann kommen sie heim und dann bekommen sie wieder
Druck und und irgendwann äh suchen sie dann, dann sagen sie, ich geh
in Computer, weil der lobt mich immer (lacht), dann suchen sie vielleicht
einfach dort irgendwo und dann kann es passieren, dass sie abhängig
werden und einfach vom Kasterl nicht mehr wegkommen. (Pause)
IV: Mhm, mhm, das ist spannend.
IVP: Ja, so denke halt ich. Also (lacht) ich meine, ich kann vielleicht
auch leicht reden, weil wir eben einen Bauernhof haben und weil ich
meine Arbeit daheim habe. Ich rede vielleicht leichter. Also ich wüsste
auch nicht, wenn ich jetzt nur Hausfrau wäre, ob mir die Decke nicht auf
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den Kopf fallen tät, bei die Kinder daheim, ob ich nicht sagen müsste,
ich muss auch einmal hinaus, und deswegen rede ich da vielleicht leicht,
ga also, das ist sicher für jeden individuell, aber eines ist sicher, also das
Daheim muss ein Nest bleiben, und nicht nur für kleine Kinder, auch
noch für 16 und 20jährige Kinder, vielleicht auch nachher noch später,
und und heute ist das das Schlimme, weil einfach so viel äh eine Familie
gründen, soviel Jugendliche, was selber keine Familie mehr erlebt haben
und dann sollen sie da jetzt irgendwie Familie, die sehen das alles
irgendwie so romantisch, ohne Arbeit, ohne Aufopferung, dass das
einfach alles wieder zerbricht und das sehe ich, das ist das Schlimmere
als der Computer. Das und ich denke mir halt immer, also ich habe ja
eine gute Familie gehabt und ich denke mir immer, wenn man das selber
erlebt hat, man denkt ja oft zurück, wie man war als Kind und dann
versucht man das in die Kinder auch wieder weiterzuvermitteln, denke
ich mir, ma, ich habe immer Rückendeckung gehabt und ich habe genau
gewusst, wenn ich irgendetwas war, ich habe immer gekonnt, heimgehen
und da war auch das Urvertrauen da. Und ich habe Ausgehen gedurft
und und ich habe heimkommen dürfen, wann ich gewollt habe, also da
waren sie ganz liberal, aber ich habe immer gewusst, meine Eltern
wissen, ich, ich mache da keinen Blödsinn, also die haben das
Urvertrauen irgendwie doch, und und ich denke mir, das, das versuche
ich in meine Kinder auch, weil ich kann nicht jetzt immer zu jedem
sagen, du darfst jetzt fortgehen und um 11 Uhr komme ich dich abholen,
oder (lacht) nachher werde ich nicht mehr fertig (lacht) nachher bin ich
nur mehr Chauffeur und Taxi und deswegen äh versucht man das halt in
die Kinder, dass man, dass sie wirklich, wenn sie 15, 16 Jahr, so wie die
Großen, dass man wirklich, man sieht nicht immer den Erfolg, aber
irgendwie das Urvertrauen ist da, irgendwie kennt man sie die Kinder.
Also, irgendwie weiß man. (Pause)
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IV: Also, wenn ich Sie da richtig verstehe, sind für Sie die Familie
und das Vertrauen in die eigenen Kinder sehr wichtig.
IVP: Ja, eine Familie das wird eine Seltenheit und das find ich
eigentlich, ja, ich denke mir oft, also ich war beim 4. Kind im
Krankenhaus, und da ist eine, eine Bettnachbarin habe ich da gehabt und
die hat eben, und nur einen Freund und der hat sie eigentlich schon bevor
das Kind auf die Welt gekommen ist, verlassen. Und die wollte das mir
dann eigentlich erklären, dass das eigentlich eh sinnlos ist, heute braucht
man keinen Mann mehr um ein Kind großzukriegen, also, wo ich mir
gedacht habe, eigentlich sind ja wir ja eigentlich altväterisch und spießig,
also, das sind ein paar Tage hat die mich die so traktiert, wie altväterisch
und wie das alles blöd ist, wie wir das machen, dass ich mir gedacht
habe, und das ist auch heute oft so, äh, wo ich mir denke, eigentlich wird
eine jede Patchwork-Familie wird schon mehr geschrieben, mehr äh
propagiert, als eigentlich die ursprüngliche Familie, ga. Und und sicher,
äh Familie das ist, das soll eigentlich das Nest sein, also ich denke mir,
wenn du eine starke Kindheit hast, mit dem kannst du dann das ganze
Leben eigentlich haushalten, eigentlich.
IV: Aha, mhm, auf das kann man alles aufbauen.
IVP: Ja, und ich denke mir die Kinder die sind heuer, oder heutzutage
einfach so verweichlicht, also, sie sind wirklich, äh was also einfach das
Gehen anbelangt, es braucht keiner mehr ein paar Schritte zu Fuß gehen
und auf dem Gebiet sind sie einfach verweichelt. Sie haben selber keine
Idee, wie komme ich jetzt einmal heim, weil ja eh jeder schon ein Handy
hat, nicht, und wenn nachher irgendetwas ist, nachher wird schon
angeläutet. Und äh ich selber lass die Kinder nicht zu Fuß gehen, aber
(lacht) aber ich denke das ist halt der Trend, nicht, und äh ich denke
auch, so wie, ich rede ja oft mit meinem Schwiegervater, der ist 81 Jahre,
und der sieht das halt nach einem ganz einem anderen Blickwinkel und
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das ist auch interessant wie er aufgewachsen worden ist, und ich sage
auch immer, die Kindheit heute äh ist äh komplizierter geworden,
einfach komplizierter. Die wachsen einfach so bunt auf, also es ist auch
vielleicht deswegen die Erziehung äh schwieriger geworden. Also äh,
nicht mehr so, früher, so wie mein Mann der ist oben am X-Berg, da sind
eben vier, fünf Häuser und oben war die Schule, der ist oben Schule
gegangen und dann hat die Erntezeit angefangen, dann haben die Kinder
keine Hausübung mehr gekriegt, weil sie da aufs Feld haben müssen.
IV: Mhm, weil sie da haben müssen zu Hause helfen, aha.
IVP: Und jetzt oft noch so, wie meine Schwiegermutter sagt, ja wissen
die Lehrer nicht, dass wir draußen Arbeit haben (lacht) ich sage, also da
fängst ja echt an Lachen, ga. Sie glaubt jetzt auch in ??? die Lehrer
müssen jetzt, wenn es zum Mähen ist, weniger Hausübung geben (lacht)
ja, also die sehen das dann auch ganz anders und ich sage auch, so wie
mein Schwiegervater, der ist äh hart aufgewachsen, der ist da in ??? da
zur Schule gegangen, in der alten Schule natürlich und der ist eben auch
mit sechs Jahren von ???, hat er müssen zu Fuß heruntergehen.
IV: Wie weit ist das ungefähr?
IVP: Ja das sind äh 6, 7 Kilometer, mit seine kurzen Füßlein, und auch
im Winter, da sind sie oft nachher immer erst beim Finstern wieder
heimgegangen, also die sind durch den Schnee sind sie herunter, dann
waren sie "watsch nass" in der Schule, dann hat der Lehrer den Ofen
eingeheizt gehabt und nachher ist warm geworden, dann sind sie
verschlafen (lacht) und dann den ganzen Tag Schule und dann ist finster
gewesen wieder beim Heimgehen, sagt er. Und dann ist oft so
schneegetragen, sagt er, dann haben sie ja noch die Hohlwege gehabt,
dann war der Hohlweg oft mit dem Schnee eben zu, dann hat oben ein
Altbauer, hat er immer erzählt, der hat dann mit der Schaufel ein Steigerl
gemacht, dass die Schüler haben wieder können heim kommen, und und
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nachher kein Licht, also, nachher hat er in der Früh müssen zur Schule
herunter Eier mitnehmen und bei dem Geschäft hat er dann müssen die
Eier umtauschen gegen Petroleum, also (lacht) es war Geld ja auch
keines, ga und ich sage es war hart, es war wirklich hart, aber es war
einfacher, ga, die Leute waren ja alle gleich. Ich denke mir, das war ja
nur die Bauern und äh und auch durch die Kirche ist früher ganz viel äh,
das ist gepredigt worden und so haben die Leute zu leben. Und heute,
wie lebst heute, du kannst so, so, so, ga, es ist alles richtig, also,
deswegen und ich sage, das fängt bei die kleinen Kinder an. Die einen
sagen es soll auf dem Bauch liegen, die anderen sagen es soll auf der
Seite liegen, bei die ersten war nur Bauchlage, bei die letzten zwei
Kinder war nur mehr Rücken, (lacht).
IV: Nur mehr Rückenlage (lacht mit) da sollst dich auskennen.
IVP: Deswegen, ich sage, deswegen das ist, es unterscheidet sich immer
wieder, ga. Also da musst dann ganz viel aus dem Bauch heraus, ich
sage, man muss äh ganz viel dem Gefühl nach auch, und (Pause) ja und
der Computer hat das halt alles auch noch ein bisschen (Pause)
IV: Mhm, ja und wenn Sie jetzt an ihre eigene Kindheit
zurückdenken, wie sind da ihre Erinnerungen, Gefühle?
IVP: Ja, also ich bin Volksschule gegangen, dann war bei uns der
Fernseher, meine Oma hat den gekauft, und das war natürlich ganz etwas
Großartiges, und dort haben wir immer dürfen Pezi schauen, das war das
einzige (lacht) auf das kann ich mich erinnern. Ich weiß auch nie, mein
Mann sagt immer, sie sind immer zum Nachbarn gegangen Kasperle
schauen, aber auf das Kasperle kann ich mich gar nichts erinnern, also
bei uns hat es das Pezi gegeben und das haben wir am Anfang dürfen
schauen, und das war auch am Anfang äh ganz äh "rar" das
Fernsehschauen, obwohl wir den Fernseher in der Küche haben gehabt,
aber es ist auch nur, ich weiß nicht was da für eine Sendungen, das
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Dalidali war dann und äh da sind nur die bestimmten Sendungen sind
aufgeschaltet geworden und die sind vom Anfang bis zum Schluss
geschaut worden und nachher war wieder aus. Und und ja, wir haben
nachher, also später, (Pause) aber, äh, es ist mein Bruder, der ist etwas
jünger, der ist am meisten aufs Fernsehen. Es hat auch bei uns daheim
nie strenge Verbote gegeben, aber ich weiß mein Bruder der ist ganz viel
vor dem Fernseher gehockt, also der ist eigentlich auch dann später wie
er gearbeitet hat, der ist von der Arbeit heim, dann hat er schon gegessen
vor dem Fernsehen. Also, bei dem, der war, es hat auch dann die Mama
nicht unbedingt gesagt, du darfst jetzt nicht fernsehen, das war halt
einfach so. Und heute ist auch, du kannst nicht sagen, er ist
fernsehsüchtig, ga, er fährt eben die ganze Woche, er fährt mit dem
LKW durch Europa und hat ein Haus nebenbei jetzt gebaut, äh der hat
sich so entspannt, deswegen sehe ich auch gar nicht so eng. Ich bin
eigentlich auch äh schon ein bisschen bunter aufgewachsen wie mein
Mann, ga. Wir haben auch ganz viel so Sommergäste gehabt, die haben
immer schon die Neuigkeiten gebracht. Also wir haben auch ganz viel
profitiert von unsere Sommergäste, was Gewand anbelangt, also wir
haben oft schon Pullovern angehabt, die was erst in zwei Jahren da in
Kärnten, was eigentlich erst die Freundinnen in zwei Jahren später
gehabt haben (lacht) und aber ja, es ist auch meine Mama, die ist
eigentlich ganz jung und die hat auch dann, wie wir so 15, 16 Jahr, wir
haben eigentlich ein total ein freundschaftliches äh Verhältnis gehabt, ga.
Ich meine, sie war wohl immer die Mama, aber sie hat auch mit meiner
Schwester und mit mir, meine Schwester ist ein Jahr älter, aber ich habe
ihr gekonnt eigentlich alles sagen. Also, es war auch so beim Fortgehen,
also, wenn man irgendwie Liebeskummer sogar solche Sachen hat man
können mit ihr, es gibt immer Sachen, was man nicht sagt, aber so
gewisse Sachen hat man schon und meine Mama die war einfach auch
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immer eine, die war einfach da, wenn man hat wollen reden, dann war
sie da und äh das sind eigentlich die Sachen die was man dann versucht
seinen Kindern auch wieder weiterzugeben. Nicht sagen, so jetzt setzen
wir uns einmal alle zusammen, jetzt erzählt einmal, weil das funktioniert
nicht, (Pause) und ich denke mir auch oft, wenn ich von der Schule nach
Hause gekommen bin, dann war ich einfach nur müde. Das sehe ich bei
unsere das gleiche (Pause) und wir haben früher wo die einen in die
Hauptschule gegangen sind, da haben wir immer am Freitag einen
Spieleabend gemacht, eben mit Monopoly, das war eben der
Überhammer das und Uno oder solche Sachen. Und dass ist jetzt wo die
zwei Großen das Internat besuchen, hat sich das jetzt in eigentlich einen
Gesprächsabend umgewandelt. Es wird nie mehr gespielt, es wird
einfach das ein und das andere, das wird immer einfach Freitag am
Abend wird gejausnet und da kommen einfach so viele Sachen, was sie
halt erlebt haben und äh da versuche ich schon eigentlich ein offenes
Ohr zu haben und vielleicht auch manchmal zwischen den Zeilen, ga,
das war bei uns zu Hause auch, also ich habe einen jüngeren Bruder und
einen älteren Bruder noch, aber ich denke mir, meine Mama die war
einfach so jung, ga, die hat einfach, das ist aber, als Kind ist mir das
nicht bewusst gewesen, ga. Nur äh dann wie ich vorm Heiraten war und
so, ga, da war eigentlich nachher schon eigentlich irrsinnig stolz, ga,
dass ich einfach alles habe können anvertrauen, oder dass sie auch oft
gemerkt hat, ga, wenn ich hineingekommen bin, dass sie gemerkt hat, es
geht mir nicht gut und dass sie dann vielleicht neben mich noch einmal
hingesessen ist und gesagt hat, magst einen Kaffee trinken, sie trinkt
auch einen, dass sie einfach so irgendwie, mich immer wieder zum
Reden gebracht hat. Und bei meinem jüngeren Bruder, da war dann halt
schon immer ich das offene Ohr, der hat immer mir erzählt, ga. Und der
hat auch viel Blödsinn gemacht, aber ich habe immer alles sofort
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erfahren, weil er hat das immer irgendwen gebraucht zum Sagen, und
und äh, und das ist eigentlich wichtig, dass man, und das soll eigentlich
Familie sein, und das habe ich gehabt und das versuche ich eben jetzt
den Kindern auch wieder weiterzugeben, also und das sind auch viele
Sachen, was man als Kind nicht versteht, also ich bin dann bei meiner
Oma gelegen und die hat mir oft Sachen gesagt, mit die habe ich
überhaupt nichts anfangen können und jetzt ist die Oma schon so lange
gestorben und jetzt kommen mir oft noch Sachen, ja, da hat sie
eigentlich Recht gehabt, ach das hat sie eigentlich gemeint, ga. Das, das
wird eigentlich erst dann alles bewusst, wo man oft denkt, was meint sie
denn damit, wo man eigentlich dann erst später draufkommt, aha, das hat
sie gemeint damit, und ja! Und das ist eigentlich in die Kinder eigentlich
zum Wünschen, und das tät ich mir für jedes Kind einfach wünschen,
dass es einfach irgendwie eine intakte Familie hat, auch wenn beide auf
die Arbeit gehen, aber dass da vielleicht einfach oft, äh ich denke mir
oft, die Väter ziehen sich oft so geschickt aus der Affäre, wo oft einfach
nur mehr die Mütter alleine die Verantwortung tragen. Man merkt es ja
auch da beim Elternsprechtag und bei solchen Sachen, wo sich ja, wo
einfach nur mehr die Mütter da sind, in der Hauptschule, da sind nur die
Mütter und dann ist eben oft, einfach wo die Kinder schwierig werden,
und äh wo dann einfach eher von die Väter oft der Vorwurf kommt, du
hast da nicht geschaut oder du hast dich da nicht gekümmert und ich
denke mir, die Väter müssen einfach wieder mehr für die Kinder da sein.
(Pause) Nicht nur derweil sie klein und herzig sind, auch dann werden
sie gebraucht (lacht) und das vermisse ich eigentlich, (Pause) dass dann
das Interesse irgendwie schwindet, halt einfach oder wenn die Kinder
einen eigenen Willen, ich merke das bei meinen Schwiegereltern,
derweil sie klein sind, so herzig so lieb und da, da macht es gar nichts,
wenn sie auch schlimm sind, aber dann wenn sie einen eigenen Kopf
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kriegen und dann äh heißt es halt immer, ma, nein heute sind die Kinder
ganz anders, wie ma wir waren und wie sie früher waren und und das
hilft halt einem auch nicht weiter (lacht), wenn du immer so etwas hörst.
Das hilft einem nicht wirklich weiter (lacht) ja, die wachsen bunter und
vielseitiger und dadurch auch komplizierter auf. Also, das bin ich schon
draufgekommen, weil ich sage zu meinem Mann auch immer, was hast
denn du gesehen? (Pause) Du hast ja nur gesehen, was da auf dem Berg
her oben war, das war ja einfach (lacht) aber heute, wo die Kinder, wo
die kleinen Kinder, überall hin kommen sie schon und nachher sehen sie
das und dann haben sie eine Freundin, da geht es daheim vielleicht ganz
anders zu, nachher, was ist denn dann richtig eigentlich, ga, da kommen
sie dann so. Ist das richtig wie wir das machen oder ist das richtig oder,
dann fängt das schon an, wo sie selber. (Pause)
IV: Ja, sie bekommen ja quasi schon die ganze Welt via Fernsehen
und Internet ins Haus geliefert.
IVP: Ja, ja, das außerdem, und es ist auch so, dann sehen sie oft Brocken
und und reimen sich selber was zusammen und (Pause) ja, jetzt wird das
Band eh schon heiß (lacht).
IV: (lacht) Na, das geht noch viele Stunden. (beide lachen) Mich
würde abschließend noch interessieren, wie war für Sie das
Gespräch?
IVP: Ja, habe ich mich total wohl gefühlt äh, ich tu auch gern, gach
einmal, einfach meine Standpunkte sagen, also was ich halt richtig finde,
ga, das heißt noch lange nicht, dass die anderen das auch alle richtig
finden, und das vom Computer also, äh ist sicher ein ganz eine
interessante Sache, wie Sie das da machen und dass man da einfach
einmal die Kinder beobachtet, wie sie sind vor dem Computer und und
auch der ??? der sieht das auch eigentlich ganz interessant, ich meine,
bei die Kinder ist immer alles ganz interessant was so neben dem
24
Unterrichtsstoff noch so dazu kommt, wohl. (Pause)
IV: Ja, ich habe mit den Kindern ja auch Zeichnungen gemalt,
während der Interviews, ja, damit es ihnen leichter fällt, mit mir zu
plaudern.
IVP: Ja, das hat ??? erzählt. Er hat einen Computer gezeichnet und da
einen Traktor rein. Ja, also ich denke mir, die Kinder lassen sich da
schon lenken und wenn man daheim, aber ich denke mir, unserer der ist
einfach
so
ein
Freak
für
die
Maschinen
und
das
ist
der
Nachahmungstrieb, irgendwie. (lacht)
IV: Wie sind denn Ihre Erfahrungen mit Computerspielen, im
Speziellen denke ich da jetzt so an Kriegsspiele oder das Wort
Atombombe und schießen, haben Sie da Erfahrungen?
IVP: Ja, ja, das haben unsere aber eigentlich überhaupt nicht so. Sie
haben äh also auf dem Gameboy also diese Moorhuhnjagd, das ist das
einzige, das ist das einzige was unsere Kinder so auf dem Gameboy
einmal gespielt haben, aber so vom Schießen selber, also äh (Pause)
kann ich gar nicht sagen, dass sie, dass sie irgendwie so auf das fixiert
waren, also, obwohl man auch, ich sage immer, ich bin da nicht gegen
strikte Verbote, aber ich merke, dass das von die Kinder das selber nicht
unbedingt jetzt verlangt wird, oder, oder es ist in der Hauptschule, wenn
sie vom Weltkrieg lernen, dann sage ich ganz oft, geht's zum "Date",
lasst's euch das erklären, eben von meinem Schwiegervater. Und der
erklärt, und der erklärt wirklich nüchtern (lacht) dass, dass Krieg
eigentlich nur Elend bedeutet, dass das eigentlich nichts klasses
Herumschießen ist, dass das wirklich nur Elend, und der bringt da
wirklich so. Und und ich weiß auch bei uns oben ist ein Hof, der, da ist
auch einer im Krieg geblieben und das hat der Schwiegervater so oft
erzählt eben, der hätte sollen Bauer werden, der hat eine Freundin gehabt
und dann hat er müssen einrücken und dann ist er gefallen. Und nachher
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ist
eben,
die
haben
einen
ganz
einen
riesen
Berg
Steine
zusammengeführt zum Stall bauen und nachher ist alles nichts. Und das
haben jetzt eben einen Teil vom Feld und die Hofstatt die haben wir
gekauft und die anderen Bauern eben auch einen Teil vom Feld. Und von
dem Betrieb, weil jetzt eben der Stall eigentlich so alt ist, so zum
Zusammenfallen und wir haben halt unsere Schafe unten und von dem
Betrieb wird oft erzählt, eben was, vielleicht einfach so, was passiert,
eben dass das eigentlich dann nichts mehr ist, ga. Also das, jeder Betrieb
oder wie viele Betriebe sind über dem Berg eigentlich wo dann keiner
mehr drauf war, weil eben die, die was hätten sollen im Krieg geblieben
sind, ga also so viel Elend und meine Oma, oder meine Oma, von
meinem Mann die Oma, die ist auch, die ist 94 Jahre alt geworden, die
war noch oben, wie ich schon oben war, und der Opa auch, und der hat
eben beide Weltkriege miterlebt und äh wenn man das hört, dann sieht
man das wieder anders, ga. Und vielleicht auch, wenn die Kinder das
hören, ga, also die sind ja, die sind ja ganz, wie war denn das im Krieg,
wie war denn das, ga also, und dann kann man ihnen das auf zwei Arten
erzählen, also ich kann da nichts erzählen, weil ich da eigentlich nichts
weiß und heute ist ja eigentlich der Großteil der Gesellschaft da, die was
reden, die was nur von den Büchern heraus mehr was kennen und das
nachher weitervermitteln, auch die ganzen Lehrer, aber ich denke mir,
dass muss in den Kindern eigentlich schon so gesagt werden, dass das
wirklich nur Elend war (verhaltenes Lachen) egal auf welcher Seite das
war, dass das einfach nur Elend war. Und so wie meine
Schwiegermutter, die ist in L. oben aufgewachsen, die war 14 Jahre, wie
der Zweite Weltkrieg war und die hat gesagt, sie hat nie richtig gelernt
mehr, weil sie haben ja immer, es war ja immer wieder zum in den Wald
hinaus laufen und äh in den Bunker hinunter, und sie hat dann eben ihre
vierjährige Schwester, Halbschwester eigentlich, und sie sind aber
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immer lieber in den Wald hinaus gelaufen, hat sie gesagt, ga, sie hat
immer Angst gehabt, dass das Haus zusammenbricht, sie mit 14 Jahren,
ihre Mutter, ihre Stiefmutter eigentlich, äh die war, die hat gewaschen
bei die reichen Leute, Wäsche gewaschen und die war dann nie da, und
dann hat sie das Kind dawischt, die Schwester, und hinaus in den Wald
und dann ist schon nieder gegangen, sagt sie, und das erzählt sie eben
den Kindern, und das ist niedergegangen und der Schwester eben die
Splitterbomben, einen Splitter in den Fuß hinaus und die hat, haben sie
müssen amputieren, und die kommt jetzt immer zu uns auf Urlaub, also
die ist jetzt, wird sie 70 Jahr und die hat eben ein Holzbein, aber der
haben sie so schlampig abgenommen, eben dort im Krieg und dann ist
immer wieder ein Brand immer weiter hinter, eben ganz her oben und
die hat eben so einen Holzfuß, aber sie ist ganz eine agile Tante, also ga,
sie sie hat ihr Leben gemeistert, sie hat eine Trafik gehabt und die hat ihr
Leben gemeistert, aber wenn die Kinder, die denken sich dann was
dabei, ga und wenn sie die Tante sehen und jetzt kommt die wieder mit
dem Holzfuß, ga, und dann denken sie vielleicht einfach doch ein
bisschen anders, und so wie die Mame, also die Schwiegermutter dann
sagt sie ist, 4. Hauptschule, oder 4. Volksschule oder nein 8. Volksschule
hat das dort geheißen (lacht) und nachher hat sie auch gesagt und nach
dem Fliegeralarm nachher sind sie wieder zur Schule hinüber und
nachher war die Lehrerin unter den Trümmern drunter, sagt sie, und
nachher habe ich, hat sie gesagt, und dort haben sie nachher nur mehr
den Kopf gefunden und das sind einfach Bilder, die vergisst man nie, ga.
Also. Sie hat gesagt gesagt, dann ist die Lehrerin, also dann sind sie ja
nicht mehr Schule gegangen, also, sie hat eigentlich keinen richtigen
Schulabschluss mehr gehabt und (Pause) und sie hat ja gesagt, also so
wie der Schwiegervater da auf dem Berg, hat weniger miterlebt derweil
er daheim war, der hat ja auch müssen einrücken, aber wenn er daheim
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war, da haben sie weniger mitgekriegt als wie halt in L. oben, also in der
Stadt. Also in der Stadt ist es also so rund gegangen. Also die erzählt
Sachen, also da fängt mir an gruselig werden (lacht) also, nachher sagt
sie, da haben sie in den Wohnblöcken, die gibt es heute noch in den
Siedlungen, zwischen den Wohnblöcken sind die Hubschrauber
durchgeflogen und rechts und links sind die Mannlan herausgehängt und
haben geschossen, die haben bei den Fenstern hineingeschossen,
eigentlich total auf die Zivilisten und ja komplett. Und sie immer
entweder unter die Türstöcke, ga, falls das Haus zusammengeht oder
unter den Tisch, ma sagt sie, und nachher sind sie, nachher sage ich,
nachher bist aber nicht in Deckung gegangen, wenn du das gesehen hast,
nachher sagt sie, nein, ich war, sie war, die war so starr, da hat man die
Mannlan gesehen wie sie zwischen die Häusereinen hinausgeflogen mit
dem Hubschrauber, also, und ich sage, äh, das sind nachher die Sachen,
die ich auch eigentlich erst dann gehört habe, wie unsere Kinder nach
dem Krieg gefragt haben und dann hat sie halt, aber das sind halt Sachen,
die vergisst man sein ganzes Leben nicht mehr. (Pause) Und und ich
denke mir, dass das in den Kindern eigentlich so muss vielleicht ein
bisschen, dass das Elend, dass das Schießen eigentlich äh, nicht nur
klasse ballern, ballern oder so und aber ich denke mir, also ich habe
meine Schwester, die ist drinnen in der ??? daheim, da fahren wir durch
das ???-Tal hinein und dort haben sie, wie heißt der neue Sport, wo sie,
wo sie mit dem Schießen mit dem Farb, mit die Farbkleckse und das
wird ja immer wieder, das ist ein Sport und das wird so verharmlost und
ich denke mir, allein die Hemmschwelle fällt, wenn du so, schaut ja aus
wie ein Gewehr, also ich denke mir immer wenn wir da hinein fahren,
nein, äh also (lacht) ich denke mir einfach nur, die Hemmschwelle wird
herabgesetzt. Und das ist bei die Computerspiele auch wo sie zum
Schießen haben, wo sie auch schon fast eine Knarre in der Hand haben
28
und abdrücken, weil wenn ich das dort schon so mache und die Männlein
fallen im Bildschirm um, dann ist es für mich eigentlich nicht mehr das
Problem wirklich vor dem Menschen hin zu stehen und das machen.
Also ich denke mir, das üben sie dann praktisch. Obwohl, äh, das allein,
also ich sage, äh den Spielen sind ja dann meistens solche labilen Leute
verfallen, die was Komplexe haben, da wo ganz viel dahinter ist, die was
sich halt keinen Ausweg mehr finden und die machen das am Computer
und irgendwann einmal in Echt. Also, das sind die Sachen.
IV: Das ist echt spannend, wichtig darüber einmal nachzudenken.
IVP: Ja, und oder oder auch bei die Filme, der Held, der ist immer der
Star, wie viele Leute der umbringt, das spielt überhaupt keine Rolle, aber
der überlebt alles und neben ihm gehen die Bomben hinunter und der ist
der Star, der überlebt alles und einfach und das geht irgendwie in die
falsche Richtung einfach. (Pause) Ja, aber ich denke mir, Kinder lassen
sich ganz viel lenken. Und ich denke mir auch, wenn meine Kinder ein
Spiel haben, wo nur mehr geschossen wird, äh, könnt ich nicht tatenlos
zuschauen, da müsste ich sie fragen, was ist jetzt los. Was willst du
damit bezwecken oder da muss ich irgendwie nach einem Hintergrund
suchen, warum die jetzt so etwas fasziniert. Und ich denke mir, so
kleine, so 8, 9-jährige, die müssen das ja irgendwo von einem
Geschwister, oder von den Eltern oder von einem Onkel, oder noch wen,
die müssen das ja irgendwo sehen, dass es das gibt und dass sie oder dass
vielleicht einfach ein großer Bruder da so schießt und wenn der das sieht,
natürlich fasziniert ihn das nachher und und fängt auch das an. Und das
ist bei unsrer, bei uns daheim Gott sei Dank überhaupt nicht, also wir
haben nirgends so ein Spiel oder so etwas. Und ich schaue auch immer,
wenn sie da wieder so neue Spiele hinauf laden auf ihre USB-Sticks, was
das ist, aber da kann ich immer sagen, also, ohne weiters, ga, also und
das ist vielleicht auch in den Schulen, so wie ??? drin, da sind doch viele
29
Bauernkinder oder hauptsächlich Bauernkinder sind, dass vielleicht
einfach die Gesellschaft, dass sie da einfach nicht so gefährdet sind,
auch. Als wie wenn sie jetzt irgendwo, man weiß nicht, weißt eh, es sind
oft Sachen, heute sage ich auch so, wenn, ich habe absolut nichts gegen
Ausländer, aber wenn sie dann vielleicht ins Polytechnische gehen und
dann sind vielleicht vier noch von da und der Rest sind alles Ausländer
und ich denke mir, dass da schon die Meinungen, die Auffassungen sind
da schon ganz anders. Und dass da dann, wenn sie vier sind, und die
ganze Klasse die andere Auffassung haben, dass die dann dort
mitgerissen werden, ga. Und, und, (Pause) da denke ich mir, also
deswegen, weil jeder versucht seine Kinder irgendwie in eine andere
Schule zu bringen, nur nicht mehr Polytechnikum, obwohl die Schule
selber sicher überhaupt nicht schlecht ist, oder für ein berufsorientiert,
obwohl sie gar nicht schlecht ist, aber ich habe auch von einer Freundin
gehört, die was gesagt hat, ihr Bub hat halt wirklich Probleme gehabt,
sagt sie. Wirklich Schwierigkeiten, einfach nicht einmal gescheit
Deutsch können sie und, und das ist das Problem. Ja, (Pause) es geht
auch die ganze Auffassung, die ganze Kultur, es ist ja alles ganz anders,
und und ich denke mir mit 14, 15 Jahren, da sagst dann schon, ja
eigentlich ist das alles blöd. Es ist, im Grunde stellen sie eh alles in
Frage, im Grunde stellen ja schon Volksschulkinder alles in Frage.
Zuerst bist noch die Mama, super, klasse, dann kommen sie in die
Schule, dann wirst du mit der Lehrerin verglichen, nachher kommt es ja
schon so, ga und nachher mit 14, 15 Jahr stellen sie so sehr viel in Frage
und wenn sie nachher noch wo anders bestätigt kriegen, nachher denke
ich, dass, das denke ich halt, das ist bei unsere Kinder Gott sei Dank äh
sind die da drinnen, oder ich bilde es mir ein, irgendwie sind sie da drin
doch gut aufgehoben, ga. Und dass sie dann einfach reifer werden und
einfach irgendwie selber eine Meinung haben, ga, und hinter der
30
Meinung stehen, dass sie irgendwie im Rücken gestärkt sind, dass sie
sich nicht wegen jedem anderem Ding gleich umhauen oder aus der
Bahn schmeißen lassen. (Pause) Ja. (Pause) So, jetzt wiederhole ich mich
schon schön langsam.
IV: Danke, das war echt interessant, ich bedanke mich für das
Gespräch und dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
1
13.5.6 ANONYMISIERUNGSCODE: IVP E2
InterviewpartnerInnen (IVP): Eltern (Vater)
Interviewerin (IV): Martina Pucher (geborene Zwantschko)
Termin: 28. März 2007
Ort: Volksschule I; Kärnten; Land
Dauer: 52 Minuten
IV: Darf ich Sie dann bitten, können wir anfangen? Ich würde Sie
nun einladen, Ihre persönlichen Eindrücke über den Stellenwert
vom Computer im Leben ihrer Kinder zu sprechen oder wie
beschreiben Sie den Stellenwert vom Internet im Leben ihrer
Kinder.
IVP: Ja, wie gesagt, ich möchte mich ganz kurz vorstellen, eben, mein
Name ist ???, bin im 46 Lebensjahr, wir haben zwei Kinder, wobei eine
jetzt ins Gymnasium geht in Villach und eine noch da in der dritten
Klasse Volksschule. Ja, wie wir ja eingangs im Gespräch [im
Vorgespräch] schon festgestellt haben, ist das ja ein Thema, das mich ja
eigentlich auch etwas interessiert. Und, ja, das zu dem. Also wir sind
verheiratet seit, seit 15 Jahren und ja, wir haben in unserer
Kindererziehung das Thema Internet, um das es im Grunde ja jetzt geht,
das so gehandhabt, dass wir, also grundlegend einmal so gehandhabt,
dass wir sagen, ah, Internet ja, kontrollierten Zugang, ja, und auch, ah,
Zeitbegrenzung was die Dauer betrifft, ja, weil uns, ah, Internet ist schon
wichtig, aber es ist für uns auch ganz, ganz wichtig, dass das Kind
spielen darf, dass es auf die frische Luft kommt, dass es die
Kommunikation mit die Nachbarskinder erhaltet und nicht vor dem
Computer steht. Also das ist einmal unser Oberstes eigentlich dabei
gewesen, nicht. Ah, sollt das jetzt so sein, dass ich einfach frei weg von
mir weitererzähle oder, oder Sie stellen dazwischen Fragen?
2
IV: Also, ja, ja, das ist ganz gut so, ich würde Sie einladen, einfach
zu erzählen und ich frage dann zwischendurch schon nach, wenn
mir etwas unklar ist. Wir sind da eh schon mittendrin. Also, das
wäre mein Ziel, wenn Sie mir einfach erzählen, was ihnen einfällt
und ja, was Sie sich zu diesem Thema denken, ja?
IVP: Okay, ja, wie gesagt, ah, vom Internet selber her, also von der
Nutzung her, wir haben, also, es ist die Zugangsmöglichkeit eigentlich
nicht beschränkt. Ah, unsere Kinder, weiß ich, ah und ich kenne das
auch vom Fernsehen her, sie mögen nichts schauen was irgendwie
anstößig oder sonst was ist, ah wenn da ein, ein Trickfilm ist, mit so
komische Figuren oder so, das wollen sie gar nicht schauen, nicht. Ah,
sie schauen zum Beispiel gern, ah, eine Heidi, diese Sendung da aus der
Schweiz, oder den Pumuckl, aber wenn nach dem Pumuckl diese
komischen Zottelbären mit den roten Hauben da kommen, was ich da
jetzt einmal gesehen habe, schalten sie ab, also das wollen sie gar nicht,
also wenn das zu, zu extrem wird, von der, von, von, also ich tät das so
beschreiben, dass diese Kinderphantasie, also unsere Kinder sind eher
dieses bodenständige Denken ah gewöhnt, ja. Und wenn das zu sehr
ausufert, wollen sie das nicht. Sie schalten im Prinzip selber ab und tun
Gitarre, ach ja, beide Kinder tun Instrumente spielen auch noch, nicht.
Und wenn solche Geschichteln sind im Fernsehen, nicht, wird der
abgedreht und auch im Internet schauen sie sich solche Dinge nicht an.
Da wird, Schi-Challenge, zum Beispiel tun sie, was da vom ORF im
Internet gibt, da kann man Schi fahren und ah, aber wie gesagt, wenn
irgendetwas anderes oder das nicht mehr Spaß macht, dann gehen sie
halt von dort weg und ah spielen Klavier oder Gitarre oder Flöte oder
was auch immer, nicht. Und das gefällt uns natürlich sehr dabei, nicht,
ga.
3
IV: Mhm, ja. Also, wenn ich Sie da richtig verstanden habe, die
Kinder wissen genau was sie wollen und was sie, was sie sehen
wollen?
IVP: Also, ich denke so, dass sie aufgrund ah der Erziehung, wo meine
Frau, also ich will mich da gar nicht so viel einbringen, also schon auch,
aber den Großteil hat doch die Frau, und die ist da sehr konsequent, ga.
Und ich glaub auch, dass das wirklich Früchte getragen hat, nicht. Und
damit dieser ah, sagen wir so, das ganze resultiert ja aus dem, weil die
Kinder ah, die Möglichkeit haben, die Mutter daneben zu haben. Das ist
ganz ein wesentlicher Punkt für uns, nicht. Wenn du im Fernsehen oft
hörst, oder im, im oder wo auch immer man das liest, nicht, wo sie sagen
Kinderhorte und ah Kinder mit drei Jahren da hinein damit die Mama
arbeiten gehen kann, finde ich das eine komplett eine falsche
Entwicklung, weil es ist ganz, ganz sicher so, dass die Kinder zur Mutter
gehören oder zu den Eltern gehören und das sollte man forcieren und
nicht umgekehrt, nicht. Und, ich kenne auch, wir haben, also in der
näheren Umgebung jemandem, nicht, der da also komplett irgendwie
ausgeufert ist, nicht. Wo, wo, wo das eben nicht so gelaufen ist, nicht.
Wo die Mutter nicht daheim war, wo er mit dem Schlüssel
heimgekommen ist und da war Internet ohne Ende und da taucht
natürlich, da tauchen die Probleme natürlich auf, nicht. Schwer
erziehbar, tut was er will, geht bei Nacht fort ohne Ende ohne dass sie
das wissen und alles so eine Schmäh, ja. Ga, ja.
IV: Mhm, also da spielt schon die Erziehung eine ganz wichtige
Rolle, wenn ich Sie da richtig verstehe?
IVP: Ja, ganz sicher.
IV: Mhm.
IVP: Ja, ganz, ganz sicher. Weil einfach das Wesen, mir kommt vor, im
Kindesalter da wird es ja sehr geprägt, nicht. Und dort entscheidet sich
4
es schon, glaub ich, was daraus wird. Ob, ob es in die richtige Richtung
geht, also unserer Ansicht nach in die richtige Richtung, nicht, weil es
gibt ja mehrere Ansichten. Es gibt ja Eltern wo diese richtige Richtung in
unserem Sinne eigentlich die falsche ist, nicht. Die gibt‟s ja auch, nicht.
Das habe ich auch einmal erkennen müssen, wie mir in Villach, also bei
einer in einer ??? Schule einmal, weil die hat sich gerühmt damit, weil
ihr Bursch sich fest gegen die Lehrer gewehrt hat, nicht. Und alles so
Sachen, nicht. Da müsste man die Eltern einmal zuerst erziehen und
dann die Kinder. Damit es wieder hinhaut. Ja.
IV: Mhm.
IVP: Aber, Internet, also wenn ich das noch einmal kurz zusammenfasse,
also die Kinder, ah, also ich habe einmal (Pause) ah bei einem PC, also
ich bin Selbständig, nicht und habe selber eine Firma und bei einem PC
da habe ich einmal gekauft, da war witziger weise so eine Lego-CD
dabei, da war so ein Lego-Spiel dabei, nicht, wo sie so Rennbahnen
bauen können und so und fahren, nicht. Und zuerst war eigentlich wie
sie das kennen gelernt haben, am Anfang einmal so, dass sie einmal
erforscht haben, was können sie da jetzt, also sprich, die einfache
Bedienung, das heißt, also einfach Autole hinstellen, auswählen, was für
eine Reifen und so weiter und dann fahren einmal eine Runde, nicht,
auch die Mädchen, ga, und dann war das ihnen zu wenig, nicht. Und
dann haben sie einmal erkundigt, oder zumindest, erforscht in dem
Programm, was können Sie noch tun, nicht. Weil ihnen das einfach vom
Aufwand her, also vom geistigen Aufwand her anscheinend zu wenig
war, nicht.
IV: Aha, mhm.
IVP: Nachher haben sie halt Fahrbahnen oder diverse Loopings und so
eingebaut und das selber kreiert nicht, und damit war das auch wieder,
also haben sie von dem auch ein bisschen eine Vorstellung gekriegt,
5
nicht. Und das finde ich ja wieder, ah, vielleicht für, für, was weiß ich,
für den Unterricht auch wieder eine sinnvolle Sache, nicht, weil wenn
die Vorstellungskraft steigt, wird das ja in andere Richtungen auch
gefördert, nicht. Zumindest egal wo im Leben, ga. Ja, ah (Pause).
IV: Also, die Kreativität wird auch angeregt. Und, war das jetzt der
erste Zugang zum Computer, dieses Lego-Programm? Oder wie
würden sie den ersten Zugang oder Umgang mit dem Computer
oder zum Internet von ihren Kindern beschreiben? Können Sie sich
da noch erinnern, oder wissen Sie vielleicht eine Geschichte was da
war, oder so?
IVP: Also, nein, eigentlich, wenn ich so hinter denke, war es das. Wir
haben einen anderen Computer weg getan, weil er zu klein und zu alt
war, und dort habe ich, dort hat das eigentlich begonnen, ja. Dort habe
ich diese Lego hinein getan. Sie haben beim Computer wohl schon
einmal so geschaut, aber das war noch nicht so interessant. Und wie ich
das dann hinein getan habe, nachher haben sie einmal geschaut, wie geht
das und so, und nachher haben sie sich selber eigentlich, ah, eigentlich
relativ viel Dinge ah angeeignet, wo sie selber geschaut haben, aha wie
geht das, oder ah einen anderen ah Bildschirm, ah Bildschirmschoner
eingestellt und sich Dateien angelegt, also ich habe nur starr geschaut,
was da von alleine geht, nicht. Wenn ich denke, also ich habe es mir
müssen selber aneignen, ich bin nie, ich habe nie die Möglichkeit gehabt
in so eine Schule zu gehen, nicht. In unserer Zeit war das nicht, und
danach wie das gekommen ist, na gut, war halt so, nicht. Aber sie haben
eigentlich aus ihren eigenen Instinkt heraus das Richtige gemacht,
Ordner angelegt, ah und dann habe ich einmal, dann hat dieses
Programm gesponnen, dann habe ich es heruntergelöscht, neben ihnen,
und dann habe ich es einmal installiert, ga, und von dort weg haben sie
das selber gemacht. Sie haben das hinauf geladen ohne Probleme, nicht.
6
Also da, das ist schon ein Hammer, also wenn ich denke, wie viel man
da selber Zeit investiert hat, damit man das gewusst hat, nicht. Und im
Prinzip machen sie das komplett anders, nicht. Mir hat einmal eine Dame
gesagt, Kinder in dem Alter, ah, ja lernen einfach das viel schneller weil
sie in diese Zeit hineingeboren sind, ist eh irgendwo wahrscheinlich klar,
weil sie unmittelbar immer damit zu tun hast und das zweite ist, die hat
auch gesagt, Kinder, die nach dem Jahr 2000 geboren sind, sind
überhaupt anders in der Kommunikation, die leben in eine andere Zeit
hinein, ah, (kurze Pause) also ich sage das deswegen, weil meine Frau
die macht viel so Energiearbeit, ich weiß nicht ob Sie schon was gehört
haben davon, und ich muss ja sagen, ich bin ja ein totaler Skeptiker
gewesen, ga, also ich hab ja, also was ich nicht sehe, habe ich nicht
geglaubt, ganz einfach, nicht.
IV: Mhm. Ja.
IVP: Das waren aber Dinge wo ich echt gesagt habe, das darf ja nicht
wahr sein, nicht. Und, ah, deswegen glaub ich auch daran, an diese
verschiedenen Aussagen, nicht. Nur ein Beispiel warum ich das so
glaube, ah, meine Frau hat lang „dihin“ keinen, ah, oder lange Zeit, ah
„long dihin“ ist ein, ein „do‟igs“ Wort.
IV: Ah, ein „do’igs“ Wort. (lacht) „Long dihin“.
IVP: Hat dir nichts gesagt, ga. (lacht)
IV: Naja, ich habe ja selber viele verschiedene Dialekte … (wird
unterbrochen)
IVP: Naja, ich habe ja noch viel von früher, nicht. Ja, auf jeden Fall war
so, sie hat über längere Zeit, ah, ja, ah (Pause) ja, jetzt habe ich den
Faden verloren, ja, ah, eine Allergie gehabt gegen Apfel, Katzen und was
weiß ich was alles, ga. Und war bei Ärzten überall, ga. Hat Tests machen
lassen, Heuschnupfen und alles, ga. Und hat dann alles Mögliche mit die
Ärzte probiert, hat aber letztendlich nichts gefruchtet, ga. Und ist dann
7
zu dieser Dame da hingekommen, nicht, und, wo eigentlich eher
skeptisch war, nicht, und hat wirklich von einem Tag auf den anderen
das los gehabt. Die hat am nächsten Tag einen Apfel gegessen, ohne
Probleme. Wenn sie zuerst einen Apfel gegessen hat, hat sie Lippen
gekriegt, als wie Neger, nicht, und die Augen sind zu gegangen und weiß
ich was alles, nicht.
IV: Aha, mhm.
IVP: Und deswegen, also von dort weg, also, ja Hut ab, also das hätte ich
nie gedacht. Und es war aber so.
IV: Aha, da ist also was dran?
IVP: Ja, und es war aber wirklich so. Tatsache, nicht. Also, wo vieles
versagt hat. Und damit wieder hinter zu die Kinder, nicht. Und im
Prinzip denke ich, dass sie da auch nicht unrecht hat, weil man sieht ja
diese Generation jetzt, die, die wächst ja mit die Kinderschuhe schon
auf, mit dem ganzen Internet, nicht.
IV: Ja, mhm, genau.
IVP: Ga, wo ich einfach dagegen bin, also sehr dagegen bin, was ich so
sehe oft einmal, bei uns heroben nicht so, muss ich echt sagen, aber
wenn sie so Gewaltfilme schauen oder sich aus dem Internet so Zeugs
runterladen, das, das ist ein Wahnsinn, nicht. Wo, wo führt das hin? Und
deswegen ist die Hemmschwelle wenn, wenn man das ganze so
betrachtet, Villach, Lederergasse, Gerbergasse, und, und Raufereien und
so, ich meine, was soll denn das, das ist unser eigenes Erzogenes, nicht,
was wir ihnen vielleicht auch durchs Internet anerzogen haben, nicht.
Durch, durch, oder Computerspiele, durch die das publik geworden ist,
oder wie auch immer. Weil ich denke halt, dass die Hemmschwelle der
Kinder total daneben ist, nicht. Wo, irgendwo können sie vielleicht nicht
mehr unterscheiden wo Realität ist und wo, wo nur Spiel ist, nicht. Weil,
es passiert ja doch genug, nicht. Ga. (Pause)
8
IV: Mhm, das ist ganz ein interessanter Punkt, ja. Und, ah, wenn
Sie, also, weil sie da so lieb gesagt haben, sich wachsen heute, also sie
werden hineingeboren in diese Welt, wenn Sie jetzt auf ihre eigene
Kindheit zurückdenken, wie würden Sie diese Unterschiede
beschreiben? Wie sind da Ihre Gefühle?
IVP: Sie müssen mir da jetzt sagen, unter welchen Bezug?
IV: War das früher besser? Oder ist früher unter den Burschen
weniger gerauft worden?
IVP: Ach so, das. Von der, von, ah vom allgemeinen Aufwachsen her?
IV: Ja, denn wenn ich so denke, ich bin schon HBLA gegangen, da
haben
wir
erst
Telefon
zu
uns
nach
Hause
bekommen.
Festnetzanschluss.
IVP: Wirklich, mit 29 Jahren? Also, jetzt sind sie 29 Jahre.
IV: Ja, also wir wohnten wirklich sehr abgelegen.
IVP: Ja, macht ja nichts. Wo, wo sind sie daheim?
IV: In Pustritz, am Fuße der Saualm. Ja, das war bei uns wirklich
sehr spät, es war mitunter auch eine Kostenfrage. Ja, und
deshalb…(bricht ab)
IVP: Ja, mhm, ja, aber mein Kindsein, ja, passt eigentlich auch in keinen
Maßstab. Wir sind, also ich bin aufgewachsen, wir waren vier Kinder,
am Bergbauernhof da ganz in der Nähe drinnen, und, also es war, sagen
wir so, wir haben alle genug zum Essen gehabt, ja, aber wir haben auch
sehr, sehr viel Arbeit gehabt, von klein auf, nicht. Also das war, diese
Arbeit war im Prinzip vordergründig. Ah, einen Radio haben wir gehabt,
der war beinahe größer wie heute ein Fernseher, ga. Ich meine, diese Zeit
haben wir erlebt, und Fernseher hat es damals sowieso keinen gegeben,
nicht. Und irgendwann einmal ist er aufgetaucht, nicht, aber da war, ich
weiß nicht, für uns Kinder war um sieben war sowieso Schluss, weil in
der Früh hast du müssen aufstehen, um halb sechs, nicht, also, da war
9
das sowieso kein Thema und vor sechs am Abend hast auch nicht
Fernsehen geschaut, weil dort noch zum Schöpfen in der Landwirtschaft
war, das war einfach so, nicht. Und wir sind ja, also, oder ich als Kind
bin ja aufgestanden und habe noch müssen Mist hinaus radeln, noch vor
dem Schulgehen, nicht, und das ist ja. Ja.
IV: Unvorstellbar eigentlich heute.
IVP: Deswegen sag ich ja, das kann man eigentlich gar nicht
vergleichen. Die Kinder stehen auf, frühstücken, die Schultasche
„dawischt“ und zack hinaus bei der Tür, und ab. Und deswegen sag ich
ja, das kann man irgendwie ja gar nicht, wie soll man das in eine
Relation setzen, gar nicht eigentlich, nicht.
IV: Mhm, ja.
IVP: Ja, nein, und was Kommunikation her war, was war denn, gar
nichts. Die Kinder beim Schulgehen haben geratscht, nicht, aber das tun
sie heute noch.
IV: Mhm, ja.
IVP: Aber, aber, heute eigentlich eh weniger, das ist ja auch ein so ein
Thema. Wenn du denkst, wenn du denkst, die Kinder früher, nicht, wir
sind dreieinhalb Kilometer in eine Seite zu Fuß gegangen jeden Tag,
nicht, sechs Tage in der Woche, nicht. War so. Und beim Hinuntergehen
hast halt die eine oder andere Auseinandersetzung oder „Ratschereien“,
oder was auch immer gehabt, nicht. Und in der Schule warst halt relativ
ruhig, weil im Prinzip warst eh schon fast müde, nicht. Und, und beim
Heimgehen bist halt auch noch einmal gefordert worden, körperlich,
nicht, und im Prinzip hast deine Aufgabe dann auch da macht, nicht.
Heute ist so, heute werden sie geführt von A bis Z, nicht, und im Prinzip
werden diese Aggressionen die sie haben, gar nicht so abgebaut, weil im
Prinzip ist er ja, sind die Kinder körperlich ja gar nicht so, körperlich
nicht, geistig ja, aber körperlich weniger gefordert. Und deshalb glaub
10
ich auch in der Schule, schau hinein in die Hauptschule, nicht, wo das
Problem auftaucht. Und noch eine Geschichte ist, durch die Sache
Internet beeinflusst man ja auch, ah, ich würde einmal so sagen, fast das
Lernverhalten der Kinder, nicht. Wenn du jetzt sagst, wenn du das so, so
im Griff hast, und sagst die gewisse Zeit und, wenn sie das selber
checken und sagen jetzt ist irgendwo genug, dann wird auch gelernt
daheim, nicht. Meine Kinder sind recht gut, beide. Und daraus resultiert
jetzt noch eine Geschichte, und auf des wollte ich eigentlich hin, auf den
Punkt. Ah, Unsere Kinder sind beide. Also, in der Volksschule hat es
keine andere Note gegeben als wie Einser, wurscht, bis vierte, ja. Und
jetzt die Kleine, was jetzt dritte geht, hat auch bis jetzt noch gehabt, ich
weiß nicht wie‟s weiter sich entwickelt, nicht. Nur das Problem taucht
auf, sagt sie, wenn du jetzt eigentlich lernst, ga, wirst in der
Schulgemeinschaft irgendwie ein bisschen „abgemacht“, als „Strebale“
und du lernst ja, und weißt eh, sind immer ein bisschen in eine
Sonderstellung gestellt. Und wenn ich jetzt auf die ältere Tochter denk,
die Gymnasium geht jetzt, erste, nicht, ah, hat sehr, sehr viel
Freundinnen, nicht, ah, spielen auch miteinander, kommunizieren
miteinander, und sie hat auch jetzt einmal gesagt, die Tage, es ist
wirklich schön, da unten wird man für das Lernen nicht ausgespottet, ga.
IV: Aha, mhm.
IVP: Ga, und das habe ich heute mit dem Lehrer auch ganz kurz geredet,
sage ich, er ist aber nicht so richtig eingestiegen auf das, nicht. Weil, bei
meiner jüngeren Tochter ist es nämlich ganz dasselbe. Ga, die hat auch
damit Probleme, wenn sie jetzt alles kann und weiß, und, verstehst, dass
sie in der Klassengemeinschaft irgendwie hinunter gedrückt wird, oft
einmal, nicht. Ja.
IV: Aha, so eine Extrastellung.
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IVP: Ja, müssen wir halt manchmal ein bisschen nachhelfen und wieder
richten, damit das ganze wieder ins Lot wieder stimmt, ga. Und ich habe
gesagt, eigentlich müsste das der Lehrkörper ja merken, nicht, meine
Meinung, nicht, ich kann es nicht beurteilen, nicht, nur meine, nur
meine, meine Vermutung, irgendwo muss er doch merken, „Teifl eine
noch amol“ da passt ja irgendetwas nicht, nicht. Ga, aber das haut glaube
ich nicht so recht hin und deswegen meine ich ja auch, dass das Internet,
dass viele Kinder, es wäre ja einmal interessant zu wissen, es ist eh
schade, dass sie das nicht mehr machen, nicht.
IV: Mhm.
IVP: Wie lange sie dabei sitzen, dass man einfach einmal schaut, wie
viel täglich wird konsumiert, wie schaut das aus mit den Noten und das
ganze Drumherum, nicht. Ga, hat wahrscheinlich noch keiner gemacht,
oder wie? Wäre auch einmal interessant zu tun, ga.
IV: Ja, es gibt sehr wenige Studien noch, über Kinder, also vor allem
in dem Volksschulalter gibt’s derzeit noch sehr wenig. Ich habe da
zwar eine Studie, wo im Kindergarten bereits begonnen wird mit
Kindern kreativ zu arbeiten, da habe ich eine Studie zu Hause, aber
eben, ich denke im Volksschulalter da gibt’s noch sehr wenig. Also,
jetzt über den tatsächlichen Umgang, wie viel Zeit nehmen sich die
Kinder, oder bekommen’s oder dürfen’s pro Tag ins Internet, und
so weiter.
IVP: Ja.
IV: Also, das ist echt eine spannende Geschichte, wo man noch nicht
soviel weiß. Ja.
IVP: Ja, es ist, wie gesagt, es ist, für mich selber ist Internet rein
Informationsmedium, wo ich nachschaue und viel für die Firma, wo du
einfach kommunizierst, recht schnell und super, nicht, das, also das
möchte ich nicht missen, also das ist schon ein „murts“ Vorteil, ga.
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IV: Ja, mhm, ja.
IVP: Ja, aber wie gesagt, wir sind ja heute eigentlich mehr bei die
Kinder, ga? Wir sind ja eigentlich mehr bei die Kinder.
IV: Ja, nein mich interessiert sowohl die Erwachsenensicht, und der
Stellenwert vom Internet, also ich will da schon beide Sichtweisen
kennen lernen und die dann versuchen in Bezug zu setzten, ja. Das
passt schon so.
IVP: Ja, also ich denke so, wenn du heute Leute hast, die irgendwie,
sagen wir so, sprich einen Normalhaushalt haben, nicht, wird es ein
anderes Internetverhalten geben als wie bei uns, nicht. Weil im Prinzip
bist durch deine Selbständigkeit relativ stark eingeteilt, also Internet
nutzt, schaust nach und zack schaltest es wieder ab, nicht.
IV: Genau.
IVP: Nutzt es aber dafür, ich weiß nicht, zehn, zwölf oder fünfzehn Mal
am Tag. Wo du wieder, wo du wieder was holst und Bestellungen
machst über das Internet, und diese Dinge, nicht. Und deswegen denke
ich einfach, ja, also wie gesagt, meine Frau tut wieder weniger dabei,
weil sie, weil sie irgendwie mit die Kinder, also da unterstützt sie sie
auch sehr in der Schule und schaut, dass alles passt und so, ga. Da bleibt
eigentlich weniger Zeit dafür, nicht, ga. Oba, ja, (Pause) ja.
IV: Mhm, ja, also wenn Sie jetzt sagen, sie nützen das Internet
beruflich ja in verschiedensten Sparten, könnten Sie mir jetzt
beschreiben, was Ihre Kinder jetzt heute, also Sie haben mir ja den
Zugang über dieses Lego-Spiel geschildert, was die Kinder heute
alles am Computer machen oder probieren, worüber wissen Sie
Bescheid?
IVP: Ah, der Ist-Stand, jetzt, sozusagen?
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IV: Ja, genau, was jetzt ist, was sind ihre Interessen, was machen Sie
im Internet, oder so, können Sie mir da vielleicht auch Beispiele
beschreiben?
IVP: Die tun jetzt eigentlich relativ wenig, weil sie einfach mit der
Schule sehr eingeteilt sind, ja. Wenn sie, wenn sie was machen, die
ältere schreibt die Hausaufgabe und so, die Jüngere geht selber eigentlich
nicht dazu, die macht das nicht, die, also wenn sie, ganz, ganz, also es ist
so, sie haben selber einen PC gehabt, ga und den muss ich erst wieder
aufstellen, weil der Raum geändert worden ist, ga, und jetzt, durch das
haben sie einfach ein bisschen weniger Zugang, nicht.
IV: Mhm.
IVP: Aber sie gehen so zu unserem nicht dazu, ohne dass sie fragen
würden, nicht. Und wenn ich jetzt so auf die letzte Zeit zurückdenke,
(Pause) wohl, Ding haben sie geschaut, wie heißt das, Nachmittag dieser,
diese Schnulzen, die jeden Tag läuft da, diese Fernsehserie da, (Pause)
IV: Welche? (lacht)
IVP: Irgendetwas, was weiß ich wie das Zeugs heißt da, wo halt immer
so Beziehungsprobleme.
IV: Die haben sie am Computer angeschaut, oder wie?
IVP: Naja, wenn sie es versäumt haben, das haben sie immer mit meiner
Frau gerne geschaut, ga. Das war so beim Heimkommen so die Pause,
nicht.
IV: Aha, ja.
IVP: Und, und das haben sie geschaut, nein nicht „Reich und Schön“,
irgendwie anders heißt das. Es ist jetzt immer, die ganze Zeit.
IV: Die nachmittags immer sind.
IVP: Das läuft jetzt schon ewig. Das läuft ja, weiß nicht wie lange schon.
IV: Ah, ja, ja, diese Telenovella.
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IVP: Ja, ich kann es nicht sagen, ich müsste jetzt lügen, damit ich das
richtige Wort finde. Und das haben sie eigentlich recht gerne geschaut,
weil das sind so Beziehungsprobleme, was sie so haben, und jetzt
kommen sie so schön langsam in ein Alter, wo sie schon gerne ein
bisschen schauen, weißt eh, wie das so ist, und was passiert da alles und
was gibt es alles und wenn sie das jetzt versäumt haben, ga, dann haben
sie das im Internet angeschaut, ga. Und dort ist es normal zum
Nachvollziehen, der ganze Film, nicht.
IV: Aha, ja.
IVP: Und das haben sie eigentlich getan, das hat sie eigentlich
interessiert, das habe ich nämlich gesehen, weil die Downloadzeiten
relativ hohe waren, nicht, ga.
IV: Aha, ja.
IVP: Und da ist mir halt aufgefallen, hoppla, jetzt sind sie schon wieder
drüber draußen gewesen und das war, und dann habe ich nachgeschaut,
was das war, und dann habe ich eben gesehen, dass es das war.
IV: Aha, ja, (lacht) ja.
IVP: Das war jetzt so aktuell, aber sonst, nein, ich könnt wirklich nicht
sagen, dass irgendetwas anderes da, nein, ah, passiert eigentlich, ga. Ja.
(Pause)
IV: Mhm, und so haben Sie, wenn Sie jetzt so nachdenken,
irgendwelche Erlebnisse oder Geschichten, wo sie sagen würden,
aha, das Internet ist ein super Medium das man sehr gut und sehr
viel brauchen kann, aber gibt es da irgendwelche Bedenken, wenn
sie da auf ihre Kinder denken, oder auf Kinder im Allgemeinen,
dass dieses Medium auch falsch genützt werden könnte?
IVP: Ja, falsch, das ist ja eigentlich das, was wir ja eingangs eigentlich
eh ganz kurz angesprochen haben. Ah, für mich ist es so, nicht, ich habe
ja eingangs im Gespräch gesagt, wir haben dieses Internet nicht begrenzt
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in, ah, da gibt es ja diese Zugriffs- ah Möglichkeiten, wo du sagst, das
weniger, das eine mehr, oder was auch immer. Wir haben das nicht
begrenzt. Ah, wo ich früher auch gesagt habe, wo Eltern zuerst erzogen
werden müssen damit die Kinder das Internet nutzen können, dort ist
sicher gescheit, dass sie‟s tun, nicht, weil was wenn bei die Eltern mit
diesen Dingen etwas locker umgegangen wird, nicht, wird‟s dieses
Problem, denke ich einmal, mehr geben, dass die Kinder diese Zeit
nutzen, um z.B. ein Kriegsspiel, oder so, also ich meine, ich mag nicht
einmal schauen wenn im Fernsehen, wenn sie die erschießen und das
Blut spritzt, oder so. Ich meine, das mag ich nicht, ga. Die Kinder wollen
das von Haus aus nicht, meine Frau nicht, aber es gibt Eltern, die das mit
aller Seelenruhe anschauen, als wie, ich weiß ja auch nicht, als wie tätest
eine Tafel anmalen mit rot, nicht, und denen tut das nichts. Und
deswegen denke ich, ah, (Pause) dass es in dem Fall, negativ wird es ja
nur dann, wenn die Verantwortlichen das nicht richtig im Griff haben,
für Kinder. Nicht. Und was für Erwachsene dann ist, das ist ja im Prinzip
ihr eigenes, liegt ja in der eigenen, also in der eigenen Verantwortung
von ihnen, nicht, was sie damit machen, aber, aber ich sage halt so, ich
könnt
mir
nicht
vorstellen,
noch
einmal
auf
unsere
Kinder
zurückzukommen, ich könnt mir nicht vorstellen, dass sie so etwas
anschauen würden, ja. Nur wenn ich den geringsten Verdacht irgendwo
einmal schöpfen würde, ja, ga, ich schaue ja oft einmal nach, ob
irgendetwas ist, wo du sagen könntest, das passt nicht, ga. Aber es ist ja
auch nichts, ga.
IV: Mhm, ja.
IVP: Aber ich sag ja, es gibt sicher viele Kinder, die diese Dateien
heraus löschen, wo sie herum gesurft sind, dass die nicht einmal
nachschauen können, ga. Und ich denke halt noch eines, was die Gefahr
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ist, wenn Eltern ihren PC weit weniger im Griff haben als wie die
Kinder, ga.
IV: Ja, mhm, ja.
IVP: Weil da taucht dann das Problem auf, ga, weil die wissen genau,
wie er damit umgeht, dass die Eltern nicht schauen können, nicht. Zum
Beispiel, nicht, ga. Und deswegen denk ich, wär‟s ja, wär‟s ja fast
sinnvoll, für solche, wo die Eltern eine gewisse Grundkenntnis für so ein
Gerät kriegen, dass sie wissen, wie kann ich mein Kind schützen, nicht.
Ga, und um das ginge es, glaub ich.
IV: Mhm, ja.
IVP: Das passiert ja nicht, ga. Und ich bin auch davon überzeugt, dass es
genug Eltern gibt, wo das so der Fall ist, ga. Ja, ist das schon einmal
aufgetaucht, oder so?
IV: Ja, Erwachsene haben einen ganz anderen Zugang. Kinder
gehen eher spielerisch damit um, und lernen das viel leichter, die
sehen das einmal und können das einfach, das hat mir auch ein
Interviewpartner bestätigt. Er hat mir gesagt, es ist ein extremer
Unterschied einem Erwachsenen den Zugang zum Computer zu
lernen oder einem Kind, dem Kind zeigt man das einmal und es hat
das herausen.
IVP: Ja, ja, ist klar. Weißt du was ich noch sagen möchte, was mir nur so
spontan einfällt, da hat es einmal die, die (Pause) eine Runde sind wir
einmal gewesen, das haben sie gesagt, boah, die Kinder heute sind ja ein
Wahnsinn, Rauchen auf der Straße, gehen und keiner sagt was, tun was
sie wollen, ga. Wie ich so ein Bursch war, ga, mein Vater hat seinerzeit
diese AustriaC geraucht, das waren diese weißen Packeln, ga, und da hat
er mich mit dem Traktor von oben hinuntergeführt, und das letzte Stück
hab ich müssen zu Fuß gehen, zum Gasthaus, für ihn die Tschik kaufen,
ga.
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IV: Aha.
IVP: Ja, da bin ich hinein, und hab gesagt, ich bräuchte ein Packerl
AustriaC, ga. Die hat mich vielleicht „zusammengeschissen“, „Du
vadamta Saubersch, wirst du rauchen“ und was weiß ich was alles, ga.
Nein, die brauch ich für meinen Vater, ja das kann jeder sagen, nicht.
Auf jeden Fall mit harter Mühe hab ich die dann gekriegt. Musst dir
vorstellen, ga. Der Vater hat oben weiter gewartet, im Wald auf mich,
bis ich wieder zurückkomme, der hat oben derweil etwas getan, nicht.
Ah, so und wenn du heute schaust, wenn die Kinder rauchen oder so, da
trauen sich die Eltern ja schon fast nichts mehr sagen, weil sonst ist eh
ein Theater fertig, nicht. Also, da muss man sich einmal vorstellen, wo
man da hin, wo da die Entwicklung hingegangen ist, nicht. Und wenn ich
denk, Schuld ist die Generation, die, die die letzten zwei, was im Prinzip
noch so, sagen wir so, ich wenn ich zum Beispiel jetzt einen sehe und
der benimmt sich daneben, echt, für meine Verhältnisse daneben, dann
rede ich ihn an. Sag ich, so du das kann jetzt aber nicht sein, mein lieber
Freund. Weißt eh, oder so, nicht. Oder ein Beispiel in Villach unten sind
wir mit der Frau einmal Essen gegangen, sind wir dort runter da, ich
weiß nicht wie der Platz da unten heißt, kommt ein so ein Bursch
herunter, hat so einen Mantel an, wie von der Gestapo, ga, und geht bei
mir vorbei, ga, und weicht einfach nicht aus. Weicht nicht aus, ich hätte
nicht „zube“ weiter gehen gekonnt und rempelt mich, ga. Nachher bin
ich hinter und habe gesagt, so was soll denn das jetzt, weil ich mir
gedacht habe, „du vadamta Knilch, du elendiger“, ga, er war ganz
erschrocken, ga, weil das sonst anscheinend keiner tut. Nur das andere
ist, wenn du selber ein „Krischpale“ bist und tust das bei einem anderen,
dann hast du ein Problem, wahrscheinlich, nicht.
IV: Mhm, ja.
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IVP: Und deswegen meine ich, es gehört einfach mehr geschaut, es hilft
nichts. Es hilft nichts. Des passiert ja so viel, wenn man allein schaut
was Mädchen rauchen und so, es ist ja irr, und keiner sagt was, weil
keiner mehr getraut sich etwas zu sagen, nicht.
IV: Mhm.
IVP: Und nachher sagen sie unsere Kinder, ja klar, und das ist ja der
Grund, und da sind wir wieder genau dort, wo die Mutter nicht daheim
ist, ga. Wo sie ein Geld in die Tasche kriegen und sagen und Tschüss,
ga. Und ich hab meine Ruhe, ga.
IV: Mhm, und dann sind sie oft wirklich sich selber überlassen?
IVP: Ja, aber grundlegend noch einmal zurück, die Politik geht da in die
Kursseite, ganz hundertprozentig, die ganzen Kinderhorte und so, also
das sehe ich komplett falsch. Das sehe ich als komplett falsch. Also, das,
das kann‟s nicht sein. Wie, wie Kinder aufgehen, wenn, wenn das
stimmt, wenn die Beziehung stimmt dahinter, das ist ja unbeschreiblich.
Das, das kann man ja gar nicht sagen. Und wenn ich auf meine Jugend
denk, nicht, aber wir haben ja, Mensch, wenn da Probleme gehabt hast,
da bist, da hast müssen mit dir selber fertig werden. Weißt schon, da war
das nicht so, da hat keiner geredet mit dir und gesagt, du pass auf, da und
da „happats“ oder so.
IV: Mhm, aha.
IVP: Das war einfach nicht, ga. Und so wie da, ist das auch ein Beitrag
dafür, wenn die Beziehung zu die Kinder stimmt, dass sie das einfach
weiß, was alles passiert, die, die sagen dir was alles passiert, nicht. Wenn
sich gach nichts mehr erzählen, dann fängt es eh schon an, nachher ist eh
schon irgendetwas falsch, weil ich sehe ja lei, wenn ihnen irgendwo der
Schuh drückt, nachher kommen sie eh gleich heim ‚Du Mama!‟ [spricht
im Tonfall seiner Töchter], weißt eh, nachher weiß ich schon genau, halt,
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jetzt war was, aber sie erzählen es und nachher passt die Welt wieder,
nicht.
IV: Mhm. Ja.
IVP: Und genau so sehe ich die Entwicklung mit dem Internet und
deswegen sage ich, viele Eltern, ich meine, je jünger die Mütter werden,
oder je jünger die Väter werden, desto besser wird‟s, nicht. Aber diese
Übergangsgeneration, wenn ich das so nennen darf, ah, für die wäre es
sicher gescheiter, wenn sie das ein bisschen schauen würden, ga, ja.
(Pause) Ah, jetzt weiß ich nicht mehr was ich noch erzählen soll. (lacht)
IV: Das ist ganz, ganz spannend, da steckt irrsinnig viel schon
drinnen. Mhm.
IVP: Na, ich sage, gesellschaftlich, gesellschaftlich ist es ja ein
Wahnsinn, wenn du schaust, ga. Da sind Kinder, schau hinunter nach
Villach, ins Kino, da hast, das ist ja irr, stehen beim „Kibl“ [ComputerAutomaten] dort, wie in Trance und fährt als wie ein Irrer, he und kennt
aber draußen in der freien Natur kein Vögele mehr, oder weder sieht er
noch, wenn er irgendwo nur geht, dass er eben, ein Schmetterling, na ja,
vielleicht Schmetterling ja noch, aber irgendein Käferle oder so ein
kleines Vieh, das, das, das geht ja gar nicht mehr. Nicht, er kennt sich
zwar dort gut aus, aber das andere bleibt bei weitem liegen, nicht. Und
deswegen meine ich, das ganze unter einen Hut zu bringen, glaube ich
wäre wesentlich sinnvoller. Ga.
IV: Aha, und wenn Sie jetzt nachdenken, oder wenn man denkt,
dass das jetzt erst der Anfang ist, weil, wenn man auf die Jahre
zurück denkt, wie schnell diese Entwicklung jetzt gegangen ist, mit
dem Computer, Handy, heutzutage haben ja sehr viele Kinder
bereits ihr eigenes Handy, haben ihre Kinder auch ein Handy?
IVP: Nur eine, die was ins Gymnasium geht, aber ich muss sagen, sie ist
da sehr sparsam, ich habe ihr gesagt, das Limit ist 8 Euro und alles was
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mehr ist, muss sie selber zahlen, ga. Aber sie hat, 4 Euro noch
irgendetwas hat sie gehabt, nicht.
IV: Aha, sie lernt also schon einen ersten Umgang?
IVP: Ja, nur für Geschichten, wenn sie zu spät kommt oder so.
IV:
Mhm,
ja,
um
noch
einmal
auf
die
vorige
Frage
zurückzukommen, wie würden die ihre Gefühle beschreiben, wenn
sie an die rasche Entwicklung der Technik, die Technik im
Vormarsch, den Fortschritt denken?
IVP: Es ist ja ganz einfach. Es ist ja ganz einfach. Mit der Technik ist ja
vieles verschwunden, nicht. Und wenn ich denke, früher einmal, bei uns
ganz markant, also nicht wo ich selber daheim bin, aber bei uns in der
Nachbarschaft da sind ja so ein paar Bauernhöfe relativ nahe
beieinander, wir sind ja eher weiter auseinander, ga. Und dort hat es
immer diese Gassenbank gegeben, nicht, Gassenbank sagt dir ja wohl
was?
IV: Hm, ja?
IVP: In der Gasse eine Bank, da war beim Haus „zube ein Bankerl“ und,
und beim nächsten Haus eine Bank, nicht. Und nachher sind sie, in die
Gassen am Sonntag hinübergegangen, sind zusammen gesessen und
haben geredet, ga und das war, das war‟s im Prinzip, ga. Und jetzt ist sie
ja komplett tot, das gibt‟s ja heut überhaupt nicht mehr, nicht. Diese
Runden im Prinzip, ja, nein, überhaupt nicht mehr, diese so genannten
„Oachnbänk“ die es gegeben hat, die gibt‟s ja überhaupt nicht mehr.
Jetzt gibt‟s wohl die Bänke, aber die sind dahinter drinnen eingezäunt,
wo nur sie sitzen können, und der Zaun so hoch, dass ja keiner
hineinsieht. Und da sieht man ja eigentlich was passiert ist, ja, ja, was ist
denn passiert, jeder will seine Ruhe haben, nicht, ja, ganz genau so ist es.
IV: Mhm, ja, mhm.
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IVP: Ja, und das ist genau, das ist, das zeigt es eh, die Bank hinter dem
Zaun ist all das was jetzt passiert ist, zuerst war die Bank außerhalb vom
Zaun, weil die Leute alle zusammen gesessen sind und dort
kommuniziert haben, wie geht‟s dir und was tust du und so, nicht. Das
kommt ja komplett weg, nicht. Das kommt ja komplett weg.
IV: Mhm, ja die hohen Hecken und Zäune, ein Bild aus unserer
Zeit.
IVP: Ja, und Kinder denke ich, schau, Kinder, vielleicht habe ich da zu
wenig Ahnung, aber, wenn jetzt Kinder kommunizieren dann tun sie das
in der Schule, wo sie relativ viel noch zusammen sind, so. Und dann ist
ja eigentlich der Tag mehr oder weniger gelaufen, nicht. Und das zweite
ist, ich meine, ich kann es mir nur vorstellen, in der Stadt Kinder, die
schwärmen aus, von dem einen Einkaufszentrum in das andere und
spielen auf die Automaten und das war‟s, nicht. Und bei unsre, von unsre
kann ich nur reden, dass sie am Nachmittag mit die Nachbarskinder
wenigstens noch spielen gehen, nicht. Das, das läuft ja noch
einigermaßen, aber ich denke schon, dass es total leidet darunter, dieses,
dieses, reden tun sie ja schon, beim Chatten, aber dieses Nebeneinander
sein, dieses Beisammen sein ist weg, weil dort drehst du es ab, wenn es
dir nicht mehr taugt und der ist weg, weißt was ich mein, den kannst
IV: Mhm, genau, du hast also die Kontrolle?
IVP: Den drehst du ab wie einen Fernseher. Tschüss, wenn es dir nicht
mehr passt. Den einen hast aber neben dir, nicht, das das Nebeneinander
sein und das, so wie wir beide jetzt reden, das ist ganz was anderes, als
wenn man, ich weiß nicht, nur über das Telefon kommuniziert, ga.
IV: Ja, oder wenn man das Gesagte überhaupt nur in die Tastatur
hinein klopft, da ist die Hemmschwelle eine ganz andere.
IVP: Genau so ist es, nicht. Du, und da haben sich, was weiß ich, da hat
sich ein Paar kennen gelernt, auch über den Computer, ga, und der hat
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sich die, das Gegenüber ganz anders vorgestellt, der hat nicht gewusst
wie sie ausschaut, nicht, hat sich sein gegenüber irgendwie vorgestellt,
nicht, und nachher haben sie sich kennen gelernt und nachher hat er sich
erschrocken, nicht und umgekehrt, kann ja auch sein, nicht, weißt was
ich meine, kann ja eine „muats“ Euphorie sein, aber genauso kann, kann
es eine schwarze Katze auch sein, oder so, grob ausgedrückt, ga. Ja.
IV: Ja, wir haben bei unserem pädagogischen Theater jetzt auch
eine Chat-Szene dabei, um den Kinder zu zeigen, dass Personen die
man nur aus dem Internet kennt, ganz andere Identitäten haben
können. Wenn da jetzt steht Susi, 8 Jahre kann das (wird
unterbrochen)
IVP: Das auch ein Mann mit 40 sein, ja, genau, deswegen meine ich ja.
IV: Und auch die Problematik des Verschicken eines Fotos
besprechen wir mit den Kindern.
IVP: Ja, der muss sich ja nicht outen, nicht. Der kann sich ja hinter einer
Phantasiegeschichte verstecken und irgendwelche Fotos schicken. Ja,
deswegen meine ich ja, das Gegenüber, ich meine sie sind so (zeigt auf
mich), ga. Und dort sind ja alle möglichen Variationen sind möglich,
nicht, bis zum ersten Mal sehen, wenn es dann dazu kommt, ja. Ja, so ist
das, ga. (Pause) Ja, da haben sie jetzt eh einiges vor. Was sagen die
Kinder da eigentlich so?
IV: Ja, das erfahren sie dann bei der Rückkoppelung Ende Juni, ja.
IVP: Ich bin neugierig, ob sich das deckt, was ich da erzählt habe. (lacht)
Aber normal müsste es passen.
(Kurze UNTERBRECHUNG – es klopft an der Tür, eine Lehrerin muss
den IV-Termin für diesen Nachmittag absagen.)
IVP: Wo sind wir denn stehen geblieben, jetzt? Davor?
IV: Also, wir haben jetzt ja schon viele verschieden Bereiche
angesprochen. Echt interessant, muss ich echt sagen. (Pause)
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IVP: Haben wir ein Thema vergessen oder? Nein.
IV: Ja, vielleicht könnten wir noch einmal kurz auf die Chancen und
Risiken vom Internet zurückkommen? Können Sie vielleicht da
noch ein paar ergänzende Gedanken sagen?
IVP: Ja, die Risiken haben wir ja an und für sich ja eh gehabt, nicht. Die
Chancen sind dabei, ah, (Pause) ja, es haben sich sehr viele neue Dinge
aufgetan, wo, wo, wo Arbeiten von daheim aus gemacht werden, wo
Leute, äh, nicht mehr vom Wohnort weg müssen und alles über das
Internet im Prinzip abwickeln können. Ihre, ihre Arbeitstätigkeit, ah,
Chancen, (kurze Pause) Kommunikation ist wesentlich rascher,
schneller.
IV: Ja, rascher, schneller, aha.
IVP: Äh, was gibt es noch? (Pause) Chancen, Chancen, das ist eine so
eine Sache, die was ich gar nicht mehr wegdenken könntest, ga.
IV: Kommunikation hat sich verändert, ganz einfach. Genau, ja.
IVP: Also die Chancen sind eigentlich unermesslich, wenn ich so denke.
Wie viele Leute man da erreicht, das ist schon gewaltig, ga.
IV: Ja.
IVP: Ja, (Pause) ja, ich hab zum Beispiel, Chancen, ja, warte einmal jetzt
fällt mir noch eine Sache ein, Chancen, ah, indem ich zuerst nicht gar so
dick drauf war, bei Internet und so, ga, ah, haben Leute die, die das
verstehen einem etwas zu präsentieren und vielleicht sagen, die setzen
das um, relativ eine gute Chance viel Geld zu verdienen, oft einmal, ja.
Aber auf der anderen Seite, die, die Kehrseite ist das, ah, wenn Leute
davon dann wenig Ahnung haben, kann es leicht passieren, dass die dich
dann über den Tisch ziehen, ga. Ich habe so eine ähnliche Geschichte
gehabt, bei der Internetgeschichte für uns, ja und habe seit dieser
Erfahrung, die ich dort gemacht habe, das so geändert, dass ich meine
Homepage selber gestalte, aber wirklich von Grund auf.
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IV: Aha.
IVP: Ga, also das ist für mich die Chance gewesen zu lernen, nicht, und,
und nutz das ganz gleich, als wie zuerst wo ich wirklich ein Geld dafür
gezahlt habe, nicht, ga. Also, ich habe gesagt, aus, aus dem Schaden
dran, habe ich im Prinzip für mich eine Tugend gemacht, ga. Und habe
gesagt, das will ich selber können und ich mache das und ich habe mich
auch einige Nächte dahinter geklemmt, ga. (lacht) Ja, ja, aber jetzt
geht‟s, ga. Also, jetzt bin ich selber schon, jetzt läuft es.
IV: Aha, also so im Selbststudium angeeignet, mhm, super, aha, ja?
IVP: Ja, ja, genau. Ja, mache ich Flash, ah, Animationen und das ganze
Zeug alles selber. Ja, ja, das geht jetzt schon. Also ich bin wohl lange
gesessen.
IV: Ja und wenn ihre Töchter Sie da so beobachten, wenn Sie am
Computer arbeiten, zeigen sie da Interesse, was Sie da so machen,
schauen sie da gerne zu, oder?
IVP: Ja, schauen sie schon zu, aber, aber, ah, sagen wir so, interessiert
sind sie auf jeden Fall, ga. Es ist nur das, die, mit die Sachen ich arbeite,
interessiert sie eigentlich weniger. (lacht) Das ist es, nicht.
IV: Aha, ja, ja.
IVP: Genau da spießt es sich ein bisschen, aber sonst, nein wohl,
Interesse ist auf jeden Fall, ja, klar, ga. Also wenn ich tät für sie eine
Internetseite machen, wo, wo ich sie vorstelle und das eine, da wären sie
hundertprozentig äh, dabei.
IV: Aha, voll dabei.
IVP: Voll dabei, ja genau so ist es, ja. (Pause)
IV: Ja ein Bub hat mir ja erzählt, dass er selber schon eine
Homepage gemacht hat, ja da hab ich auch geschaut. Ich hab das ja
erst auf der Uni gelernt.
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IVP: Aha, ach so. (Pause) HTML oder, ja es gibt ja da schon so fertige,
wo sie nur mehr brauchen reinstellen und so, ja. (Pause)
IV: Ja und von dem Spiel Zoo haben sie auch oft geredet. Da bauen
sie einen Zoo auf und bestimmen welche Tiere wie versorgt werden.
Hat ihre Tochter auch einmal davon erzählt?
IVP: Zoo, Zoo, nein, glaub ich nicht. Nein glaub ich nicht. (Pause) Was
hat meine Tochter gesagt, wie hat sie gesagt, die Dame die ist echt
„liab“, wirst sehen.
IV: Ja, es war echt voll „liab“, echt, es ist mir wirklich gelungen,
dass die Kinder sich gefreut haben mit mir zusammen zu sitzen.
Dass sie wirklich gesagt haben, ma ich möchte noch die ganze
Stunde so weiterreden. (lacht)
IVP: Ach so.
IV: Ja, ich habe auch von den Kindern Zeichnungen machen lassen,
als Beschäftigung. Das erste Mal, was machen sie gerne in ihrer
Freizeit und das zweite Mal, was machen sie gerne am Computer
oder im Internet.
IVP: Ach so, dürfte ich das von meiner Tochter sehen, oder?
IV: Ja, gerne wir sind ohnedies am Ende des Interviews angelangt,
sie können gerne alle ein bisschen durchschauen. Das sind jetzt halt
nur die vom zweiten Mal, weil die vom ersten Mal habe ich heute
nicht mit.
IVP: Ach, so.
(Schauen gemeinsam kurz die Zeichnungen der Kinder durch)
IV: Also, das ist ein typisches Kriegsspiel, ja, das ist meines
Erachtens bei den Burschen ganz, ganz stark, also da geht es nur
ums Abschießen und (Pause) und ums Töten.
IVP: Boah, Wahnsinn.
IV: Das ist von einem Mädchen, das ist ein fester VSV Fan.
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IVP: Mhm.
IV: Ein Mädchen, das gerne Pferde-Homepages anschaut.
IVP: Das tut unsere eigentlich auch gerne, ja. Aha, das ist ein Landwirt.
IV: Genau, Landmaschinen.at schauen sie gerne an. (Pause)
Spieleseiten, ja und den Media Player, Lieder runter laden tun sie
auch gerne. (Pause) Das ist eben das selber zeichnen mit dem, dem
Paint.
IVP: Power Point, das ist eh von meiner, oder. Das hat sie nämlich selber
gemacht, ga, ma die Striche, jetzt sehe ich sie erst, genau. Da machen sie
Animationen, weißt eh, da geht der Mond weiter, versteckt sich und geht
wieder heraus und verschwindet wieder. Weil die Striche, die sie da
gezeichnet hast, die siehst ja nachher nicht, ga. Also, in dem Sinne geht
der Mond von da unten da herauf da hinunter und da verschwindet er
nachher,
IV: Aha, das habe ich ja noch gar nicht gesehen.
IVP: Wohl, wohl, da hat sie sogar das Detail heraus gezeichnet, sehe ich
da gerade.
IV: Wow, ja, aha, ein Bild mit Animation. Super.
IVP: Was ist das?
IV: Einfach eine komplette Computerstation mit allen Details.
IVP: Aha, und da, eine Straße?
IV: Da haben mehrere Kinder von einem LKW-Spiel gesprochen, da
muss man selber den LKW anstarten, Licht ein, Blinker,
Scheibenwischer und eine bestimmte Route abfahren.
IVP: Aha, ja. (Pause. Die Bilder wurden fertig durchgesehen – ich wollte
sehen, ob sie beim IVP noch etwas auslösen)
IV: Ja, dann hätte ich vielleicht abschließend noch eine Frage, ich
meine wir hatten ja bereits alle Themenbereiche, aber wenn Sie nun
den Umgang Ihrer Töchter mit dem Computer noch einmal
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anschauen, wie würden Sie die Bedeutung, den Stellenwert des
Computer im Leben Ihrer Töchter einordnen? Auf einer Skala von
1 bis 10, 1 ist sehr wichtig, 10 ist gar nicht wichtig, wo würden Sie
das einordnen? Grob geschätzt, aus dem Bauch raus?
IVP: Ja, also ich glaube ich tät das so um 6 einschätzen, ja, glaube ich.
IV: Aha, ja sehr gut. (Pause) Also, es war für mich ein sehr
interessantes Gespräch und jetzt wäre meine Frage noch an Sie, wie
war für Sie das Gespräch?
IVP: Ja, nett, ah, ja, einfach einmal, also ich habe so etwas vorher noch
nie gemacht. Nein, es war echt nett.
IV: Eine neue Erfahrung, also?
IVP: Ja, es war eine neue Erfahrung. (Pause)
IV: Also, Sie haben sich jetzt wohl gefühlt in der InterviewSituation, also?
IVP: Ja, habe ich eigentlich schon den Eindruck gehabt, oder.
IV: Ja, also für mich war es auch sehr eine angenehme Atmosphäre.
Ja.
IVP: Ja, ah, ich sag nur so, das was sie jetzt da ausarbeiten, nicht, im
Prinzip müsste man, ich war ja schon ein paar Mal, ich hab mir ja schon
ein paar Mal gedacht, wenn irgendwo so eine Veranstaltung ist, ga, wo
es so um Mütter, Kinder und Erziehung so geht, ga, und wenn du in der
Politik dann so hörst, da sind wir wieder dort wo wir früher eigentlich
waren, nicht, ga. Was die wollen (Pause) ah, das geht in die komplett in
die falsche Richtung, ga. (Pause).
IV: Mhm, ja. (Pause)
IVP: Also, mir kommt halt vor, da gehört irgendwas getan, ga. Da gehört
irgendetwas gemacht. (Sein Handy läutet) Entschuldigung, ich hab
gedacht, ich hab das ausgeschaltet, Entschuldigung, „i ruaf di glei hinta,
ga, passt, servas“, ist eh gut, dass es nicht öfter geläutet hat, weil normal
28
„tscheppats“ die ganze Zeit, aber ich hab gemeint, ich hab es draußen im
Auto.
IV: Nein, das ist überhaupt kein Problem. Ja, also (Pause).
IVP: Ja, wie gesagt, ich meine halt, irgendwie wäre es an der Zeit, dass
sie da etwas ändern. (Pause) Oder, oder gibt es wenig Leute die so
denken, ich, ich weiß nicht, da komm ich irgendwie nicht mit, ga. Oft
denk ich mir, vielleicht denk ich anders, als wie die Mehrheit, oder, oder
wie die, die Masse der Menschen, oder ich weiß es nicht.
IV: Das ist eine interessante Frage, wie denkt die Masse?
IVP: Mir kommt halt vor, warum gehen sie arbeiten, die Mütter, warum
denn? Weil sie die Kohle brauchen. Wohnung, Auto, Versicherungen,
usw. nicht, was wird er denn mit einem, wenn er nicht viel was verdient,
ist es vorbei, nicht. Nachher fängt schon an das Theater, nicht. Was
heißt, du musst auch gehen, damit wir gescheit leben können. Die Kinder
sind draußen, zack, im Prinzip kostet ja diese Schule oder diese, diese
Horts ja auch Geld, das heißt im anderen Fall, wenn sie sagen wir sparen
uns das, aber wir fördern die Familie an und für sich mehr, dass der
Mann meinetwegen, oder ist ja Wurscht, sollen sie gezielt dort fördern,
wo es halt Kinder in dem Alter gibt, nicht, es wird ja nicht das Problem
sein, dass die Mutter daheim bleibt, wenn sie nicht mit die
Unterhaltskosten und dem Lebenswandel im Prinzip zurechtkommen,
nicht und ich denke darin liegt‟s ja, nicht. Ist ja klar, warum brauchen sie
immer mehr, weil immer weniger Geld und, und weil die Ansprüche
immer größer werden, nicht.
IV: Ja, mhm, die Ansprüche haben sich ja auch sehr verändert, ja.
IVP: Ja, weil man sieht ja ganz eindeutig, ja, ich weiß nicht wie es Ihnen
geht, aber bei mir ist es halt so, ich sehe ganz eindeutig, dass, dass der
tägliche Bedarf , Treibstoffkosten, Versicherungen, das, das geht ja
hinauf, das, das ist ja.
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IV: Ja, mhm, ja auch die Lebensmittel und so.
IVP: Ja, ja die ja sowieso. Das ist ja sowieso irr, das ist ja sowieso irr
und die Entwicklung, so wie sie jetzt ist, das ist ja sowieso ganz, ganz
schlimm, nicht, weil, weil Lebensmittel weiß ich, weil ich hab früher oft
einmal für die Frau eingekauft und da kann ich mich noch ganz gut
erinnern, wie der Emmentalerkäse, das war so ein Beispiel, nicht, da hat
der Kilo einen Schilling siebzig gekostet, und wenn du heute so
umrechnest kostet er 110.
(Pause) Ga? Man muss sich das einmal
vorstellen, nicht, und wenn man so denkt der Landwirt bekommt
trotzdem nicht mehr. Ja und die eine Geschichte ist ja auch noch, wenn
du da jetzt so die Entwicklung anschaust, was ich ja gemeint habe, da
hast jetzt den Spar, der Hofer, der Lidl, und, und Billa mehr oder
weniger die großen, ga. Und Billa ist ja (Pause) also Penny Markt und
Merkur, da gehören sie ja sowieso dazu, nicht und jetzt zur Adeg ja
auch, bei der Adeg haben sie sich ja auch eingekauft. Ist ja klar, wenn
wir zwei lei alle Lebensmittel verkaufen, dann sagen wir, weißt was,
einen Kilo Zucker fahren wir einmal ein paar Cent hinauf, nicht, und
dann verdienen wir uns einen schönen Rubel und dann fahren wir schön
auf die Südsee auf Urlaub, da kannst aber unten bleiben, weil da
brauchst du gar nicht mehr heimfahren vor lauter Geld, ga. Wenn du
allein nur diese kleine Preissteigerung hernimmst, ga, Wenn du jetzt
schaust, wenn sie jetzt mit dem Treibstoffpreis wieder hinauf gehen, also
mit der Steuer, nachher ist die Tendenz die wir beide jetzt geredet haben,
noch mehr. Klar, weil der muss ja Arbeiten gehen, der muss ja fahren
gehen. Ich weiß nicht ob so viele Leute noch spazieren fahren heute.
Spazieren fahren glaube ich gibt es nicht mehr.
IV: Ja, also das hat sich schon reduziert, das empfinde ich auch so.
IVP: Ja, ganz, ganz sicher. Klar. Wer jetzt noch wirklich spazieren fährt,
das sind die Pensionisten, die haben relativ ein schönes Packerl jedes
30
Monat und irgendetwas müssen sie wohl tun damit, nicht, ich meine ich
will nicht „schiach“ sein, ga, aber ich meine, ich sage ja nur, bis wir in
Pension gehen werden, da sind wir wahrscheinlich beide 70, da musst du
selber schauen, dass du es dir herrichtest, weil sonst hast du ein Problem,
ga. Und deswegen sehe ich das einfach so, und deswegen sag ich es noch
einmal, das wäre interessant einmal zu eruieren wie die Leute eigentlich
darüber denken, wie viele Leute so denken und wie viele Leute anders
denken, ga.
IV: Mhm, ja (Pause). Okay. (Pause)
IVP: Haben wir noch was. (Pause)
IV: Hm, nein, also, wir haben echt viele interessante Aspekte
angesprochen, ja, ich danke Ihnen für das tolle Gespräch.
IVP: Ja, ich sage danke für die Möglichkeit, dass ich das einmal nutzen
hab können, dieses Gespräch. Also, ja und Ihnen wünsch ich alles Gute.
IV: Ja, danke vielmals.
1
13.5.7 ANONYMISIERUNGSCODE: IVP L1
InterviewpartnerInnen (IVP): Lehrer/Direktor
Interviewerin (IV): Martina Pucher (geborene Zwantschko)
Termin: 10. Jänner 2007
Ort: Volksschule I; Kärnten; Land
Dauer: 32 Minuten
IVP: So, können‟s gleich anfangen.
IV: Also gut. Ich würde Sie einladen über die Bedeutung vom
Internet, vom PC für Kinder im Volkschulalter zu sprechen, wenn
Ihnen das Recht wäre. Allgemein, was liegt Ihnen da am Herzen,
worin sehen Sie Herausforderungen, worin liegt einfach für Sie
persönlich die Bedeutung?
IVP: Also wichtig finde ich, dass der Computer für die Kinder zum
Lernen automatisch ein Instrument ist, um bestimmte Informationen
herauszuholen. Das bedeutet, dass man in unserer Schule die Kinder
bereits ab dem Alter von sieben Jahren mit dem Computer beschäftigen
lässt. Das bedeutet, dass sie dann keine Angst am Zugang haben. Und
wenn wir bestimmte Projekte im Unterricht durchnehmen, kann man
bestimmte Inhalte gemeinsam mit den Kindern vom Internet herausholen
oder hineinschauen was es da gibt. Wichtig dabei ist, dass die Kinder
lernen, wie man zu bestimmten wichtigen Informationen bekommt. Weil
es gibt im Internet sehr viele Informationen über das Suchprogramm. Die
Kinder müssen aber lernen die richtigen Namen einzugeben im
Suchprogramm, damit man auch dann die richtigen Informationen
herausbekommt.
IV: MHM. (Pause)
IVP: Und äh wenn wir bestimmte Lerninhalte, Mathematik, Deutsch
oder Sachunterricht besprechen, gibt es eben spezielle Lernprogramme
2
auch im Internet oder spezielle Programme, die wir auf einer CD auf
jedem Computer normal den Kindern einfach zur Verfügung stellen.
IV: Also, sie arbeiten jetzt mit den Kindern auch im Internet. Also,
die Kinder sind mit dem Internet bereits vertraut?
IVP: Äh, das Internet wird nicht immer verwendet, sondern es wird eben
je nach Bedarf eben mit Internet gearbeitet, oder es wird mit
Lernprogrammen gearbeitet. Also wenn wir, wie in der momentanen
Situation, physikalisch und chemische Versuche für die dritte Schulstufe
anbieten, können wir mit den Kindern gemeinsam entsprechende
Versuche aus dem Internet herausnehmen, können die ausdrucken und
dann werden die Geräte, die wir dafür benötigen, oder die Materialien
gemeinsam in der Klasse für die einzelnen Gruppen vorbereitet.
IV: Und wie würden Sie jetzt den Umgang der Kinder mit dem PC
beschreiben? Sehen Sie da Schwierigkeiten bei jüngeren Kindern?
Oder wie beschreiben Sie, also, wie Kinder … (wird unterbrochen).
IVP: Es is allgemein so, wenn ma mit den Kindern einige Stunden
gemeinsam etwas erarbeitet. Das is bei uns möglich, weil wir im
Medienraum elf Computer stehen haben. Ein Computer in der Mitte des
Raumes ist, im vorderen Teil, kann man eben über den so genannten
Fernseher, wo eben die Bildschirmseite mit gesehen werden kann. Der
Fernseher ist im oberen Bereich zu sehen, wo eben die Kinder jederzeit
dort hinschauen können. Dann wird eben das einmal vorgezeigt und die
Kinder machen das am eigenen Computer automatisch Schritt für Schritt
nach. (Das Telefon läutet.) Das bedeutet, dass eben nach einiger Zeit die
Probleme nicht mehr bestehen und die Kinder problemlos einsteigen
können. Entschuldigung!
(Kurze Unterbrechung)
3
IVP: Äh, so wie es momentan ist bei den Erstklasslern, die die „Lilli
Lesewelt“ genau genommen durchnehmen und durchmachen, sieht man,
dass diese Kinder problemlos mit dem Computer umgehen können.
IV: Und, ähm, problemlos, wie (Das Telefon läutet erneut.)
IVP: Entschuldigung.
(Kurze Unterbrechung)
IV: Also, wir sind vorhin stehen geblieben, eben, Sie haben gesagt,
Kinder können das problemlos erlernen. Können Sie da vielleicht
aus Ihrer Erfahrung Beispiele nennen, wie Sie, wo Sie sagen, da
merkt man, wie die Kinder, der Lernprozess der Kinder, wie der
abläuft (wird unterbrochen)
IVP: Es steht nur, nur a typisches Beispiel, wenn ich bestimmte
Rechnungen auf der Tafel rechne, sei es addieren, subtrahieren,
multiplizieren oder dividieren oder die Kinder das im Heft absolvieren
müssen, gibt es ab und zu gewisse Probleme. Beim Überschreiten oder
beim Multiplizieren. Wenn sie aber am Computer sitzen dieselbe
Rechnung
mit
denselben
Schritten
beim
Computer,
beim
Budenbergprogramm machen, haben sie keine Probleme und do
funktioniert‟s. Also, es ist ein anderer Zugang, ein anderes Medium, dort
funktioniert‟s, weil man kann bei diesem Lernprogramm die Ergebnisse
der Kinder von einer durchgehenden Übung jederzeit ablesen, das heißt i
kann jetzt hergehen und kann schauen, was hat ein Schüler vor fünf
Jahren auf dem Computer am Budenbergprogramm gemacht. Ich kann
genau sehen welche Übung gemacht worden ist, wie viele Fehler er
gemacht hat, wie viel Zeit er dafür gebraucht hat und wie oft er um Hilfe
gerufen hat, beim Computer. Also es ist alles möglich.
IV: MHM! (Pause) Und, der Umgang mit dem Gerät selbst, mit der
Tastatur, mit der Maus, wie würden’S das beschreiben? Also wie ist
der Lernprozess do? Wie schaut des aus?
4
IVP: (Er räuspert sich.) Also der Einstieg bezüglich des Handlings mit
dem Computer wird eben wie ich schon erwähnt habe, gemeinsam
erarbeitet. Es geht eben auch um die Shift-Taste, es geht um die
Löschtaste, es geht um die Space-Taste. Die Kinder nehmen das sofort
auf. Man sieht, wenn sie in ein Budenbergprogramm einsteigen, das wir
nicht besprochen haben, weil im Budenbergprogramm sind alle
Lehrinhalte drinnen, egal ob das Deutsch ist, Mathematik, Englisch oder
verschiedenste Inhalte vom Sachunterricht, auch Geometrie in
Mathematik ist enthalten, es kommen demnächst auch, aufgrund meines
Vorschlages bei der entsprechenden Evaluationsfirma, kommen auch
noch die Denksportaufgaben mit hinein, weil die in den Schulbüchern
auch fehlen. Und die Kinder gehen damit, mit jedem Programm
selbständig um. Sie haben keine Probleme dann selber dieses Programm
zu bearbeiten. Was dazu kommt, es gibt in dem Programm auch noch
eine Textschreibübung. Das bedeutet, wir können auch Texte schreiben,
die Texte können geladen werden, die Texte können gespeichert werden.
Es gibt auch verschiedene Schriftarten, das bedeutet, dass das
Budenbergprogramm auch eine Hilfe ist, um am Computer dann das
Schreiben zu lernen.
IV: (Pause) Wenn ich Sie richtig verstehe, arbeiten Sie schon lange
mit dem PC und Kindern? Also, wie würden Sie das beschreiben,
was denken Eltern über einen Computer und das Internet in der
Volksschule. Oder wie würden Sie (er unterbricht)
IVP: Das Problem vor ca. 15 Jahren, wie es an meiner Schule begonnen
hat, war eben folgend, dass wir nur mit Lernprogrammen gearbeitet
haben, die Kinder sind nach Hause gekommen, haben gesagt, heute
haben wir mit dem Computer gespielt. Die Eltern haben geglaubt, das
waren Spielprogramme. Bis sie dann nach einigen Jahren, muss ich
sagen, draufgekommen sind, dass das Spielen eigentlich nur der Umgang
5
mit den Lernprogrammen waren, dass die Kinder das als Spiel aufgefasst
haben. Und spielerisch was zu erlernen ist ja bedeutend besser, als
dasselbe in der Klasse an der Tafel vorzuführen. Und des war natürlich
notwendig, dass die Eltern selber dann mit den Programmen gearbeitet
haben, damit sie sehen, was hier geboten wird. Und, nach zwei Jahren
haben wir da keine Probleme mehr gehabt. Also, dann hat es da
genügend positive, also eigentlich nur positive Rückmeldungen gegeben.
IV: Und bekommen Sie eben vonseiten der Eltern oder auch der
Lehrer oder der Gesellschaft auch, dass gewisse Ängste, oder
Risiken im Umgang mit dem Internet oder falscher Umgang, ob des
da im Alter von Volkschulkindern auch schon eine Rolle spielt? Wie
beschreiben Sie diese Situation (wird unterbrochen)?
IVP: Also, das war bei uns nie ein Problem, weil die Kinder genau
wissen, welche Inhalte aus dem Internet zulässig sind. Es ist passiert,
wenn andere Gruppen in der Schule sind, sind bestimmte Seiten
aufgerufen worden, aber es ist das bei uns kein Problem. Ich kann da
nachschauen, welche Seiten bei diesem Computer aufgerufen worden
sind und ich kann kontrollieren, wenn ein Schüler solche Absichten hat,
kommen wir da sofort drauf. Es hat nur einmal ein Problem gegeben,
weil eben ein Schüler vor zehn Jahren eben mit solchen Ideen in die
Schule gekommen ist, warum und wieso weiß ich nicht, wir haben das
sofort erkannt und dann entsprechend abgestellt. Es gibt aber im
Allgemeinen diesbezüglich nicht die geringsten Beschwerden oder
Probleme, über das brauchen wir normalerweise überhaupt nicht reden,
weil es nicht vorkommt.
IV: (Pause) Und, ist chatten in dem Sinne für Kinder im
Volkschulalter noch kein Thema? Oder können Sie (er unterbricht)
Situationen beschreiben, wo das schon vorgekommen ist?
6
IVP: Wir haben es gemacht vor drei Jahren bei einem UNICEF
Chatprogramm, das war an sich mit der UNICEF in Genf äh is des
organisiert worden. Und da war sehr wohl die Möglichkeit, dass wir
einen Chatraum bekommen haben, und zwei Stunden lang mit Kindern
von Europa über Kinderrechte gechattet wurde. Nur der Aufwand dafür
ist entsprechend groß und es ist nicht unbedingt notwendig, das den
Kindern in der Schule zu zeigen, wichtiger ist der allgemeine Umgang.
Chatten ist nur möglich irgendwann einmal am Ende des Schuljahres,
wenn der komplette Lehrstoff abgeschlossen ist, und die Kinder selber
wissen wie das funktioniert, dann kann man das sehr wohl auch in der
Schule durchführen.
IV: Also, auf einer Skala, wenn man eine Skala von eins bis zehn
betrachtet. Wo würden Sie, wenn man sagt eins ist sehr wichtig, 10
ist gar nicht wichtig, wo würden Sie da den PC in der Volksschule,
also den Stellenwert in der Volksschule einordnen wenn es Ihr
Idealbild wäre. Wie würden Sie sich das wünschen?
IVP: Was für an Stellenwert meinen Sie do jetzt? Insgesamt, in was für
an Vergleich?
IV: Insgesamt. Also die Ausstattung an der Schule und eben
inwiefern der Umgang gefördert wird, dass Kinder eben in der
Volkschule schon einen Zugang zum Computer bekommen. Wie die
Situation eben für Sie ausschaut und (wird unterbrochen)
IVP: Ich würde das so sagen, dass der Computer im Unterricht
automatisch schon dazugehören muss. Es bringt aber nichts wenn ich nur
zwei oder drei Computer in der Klasse stehen habe, und nur bestimmte
Schüler zum Computer dürfen, weil dadurch werden einige bevorzugt,
andere benachteiligt. Meine Absicht war immer einen eigenen Raum zu
haben mit ca. zehn Computern damit eben pro Computer zwei Kinder
gemeinsam arbeiten können, weil diese sich gemeinsam unterstützen
7
oder helfen. Und dadurch wird eben kein Kind benachteiligt und jedes
Kind hat dann den gleichen Zugang zum Computer und ist gleich lange
dabei.
IV: (Pause) Und, um eben noch einmal auf die Skalierungsfrage
zurückzukommen, Sie haben gesagt es MUSS, also zeitgemäß kann
man es nicht mehr (er unterbricht)
IVP: Genauso wie bestimmte Unterrichtsinhalte auf alle Fälle
dazugehören, gehört der Computer genauso dazu wie bestimmte Videos,
bestimmte Projekte die man macht, bestimmte Experten in die Schule
kommen, das sind alle Dinge die an sich in der Wertigkeit ganz vorne
stehen.
IV: Mhm, (Pause) und wie war Ihre persönliche Erfahrung, diesen
Raum zu schaffen für die Kinder, mit den PCs. Wie ist es Ihnen
dabei ergangen? Wie ist da die Unterstützung? Oder wie würden Sie
die Situation in, ähm sagen wir
kärntenweit sehen oder
österreichweit? Wissen Sie da was Bescheid, oder?
IVP: Ich war auch vier Jahre lang in einer Expertenkommission beim
Bundesministerium, um die entsprechenden Lernprogramme am
Computer
zu
begutachten
(die
Schulglocke
läutet)
und
auch
weiterzuempfehlen oder nicht zu empfehlen. Das war, wie gesagt, eine
Zeit lang, dann ist das abgesetzt worden, weil es nicht mehr für so
notwendig empfunden wurde. Und dadurch haben wir einmal gewusst,
oder ich habe einmal gewusst, welche Programme wirklich für die
Kinder gut sind. Und, ähm, meine Überlegung war, nachdem ich ja sehr
lange in der Hauptschule unterrichtet habe und meine Gegenstände
Mathematik, Physik, Chemie und Geometrisch Zeichnen sind, war eben
der Computer schon in der Hauptschule ein Instrument zum Arbeiten,
wo sogar eigene Programme entwickelt worden sind. Und wenn man
dann eben dann in die Grundschule kommt und weiß, dass die Kinder
8
vom Berg kommen und eben die Ausbildung nicht entsprechend zu
Hause gemacht werden kann, müssen eben diese Inhalte in der Schule
eingebaut werden. Und dadurch war es kein Problem, eben mit Hilfe von
ehemaligen
Schülern
die
selber
jetzt
entsprechende
gute
Computergeschäfte haben, entsprechende Geräte anzuschaffen, oder
gesponsert zu bekommen. Ich kann mich erinnern, wir waren vor 15
Jahren sogar in Linz, sind do mit dem Bus der Gemeinde
hinausgefahren, und haben damals von einer so genannten Höheren
Technischen Schule zehn alte DOS-Geräte bekommen. Da hat damals
ein Gerät ca. um die 30.000,- Schillinge gekostet, und ich habe da
damals draußen acht Geräte bekommen und diese Geräte wurden eben
damals schon dann bei uns in der Schule in einem Raum installiert und
eingesetzt.
IV: (Pause) Das ist ja sehr gut, ja. (Pause) Also, ich höre da heraus,
dass Sie da schon a Ideal auch verfolgen. Also sehr viel persönliches
Engagement drinnen steckt.
IVP: Es geht nur mit persönlichem Engagement. Ohne dem geht dos
sowieso nit. Es hängt immer vom Schulleiter ab, ob dos jetz
durchgeführt wird oder nicht. In meiner Situation war es beim Beginn so,
dass die Kolleginnen Angst vor dem Computer gehabt haben. Die
Schüler meiner Klasse haben sich ausgekannt. Bei Vertretungen war es
dann notwendig, dass sich meine Kolleginnen sich hätten auch
auskennen müssen. Dann ist die Situation eingetreten, dass meine
Schüler die Kolleginnen unterrichten mussten, wie man mit dem
Computer umgeht und dadurch war eben ein bestimmter Zugzwang da,
dass sich die Kolleginnen sich dann auch sehr stark dafür eingesetzt
haben, sich dabei auszukennen. Haben dann auch entsprechende Kurse
besucht.
9
IV: (Pause) Und, die Kurse im Rahmen jetzt, sind die Kurse
finanziert,
im
Rahmen
von
Fortbildungen
angeboten
(er
unterbricht) worden?
IVP: Diese Kurse sind angeboten worden vom Medienzentrum für die
Lehrerausbildung. Es wird dann eben den Lehrern angeboten den so
genannten Computerführerschein zu machen. Und der ist von einer
Kollegin dann dieser Kurs auch besucht worden.
IV: (Pause) Gibt es jetzt für Sie vielleicht noch etwas, das ich
vergessen habe zu fragen. Oder was Ihnen, was vielleicht noch ein
Punkt wäre, der wichtig wäre zu erwähnen?
IVP: (Pause) Ja wichtig allgemein ist, dass eben die Kinder vor allem
zwischen sechs und zehn von der Entwicklung aus einen sehr großen
Schritt machen, allein im Alter zwischen acht und zehn nimmt das
Wissen, kommt an sich von 40 Prozent, das ist an sich der Stand vom
Gesamtwissen im Alter von acht, da wächst dann bis zum Abschluss des
zehnten Lebensjahres auf ca. 80 Prozent. Das sind 40 Prozent des
Gesamtwissens
innerhalb
von
zwei
Jahren
von
den
Kindern
aufgenommen wird. Und wenn man dann den Kindern eben sehr viel,
richtig motivierend und gut durchdacht anbietet, ist das natürlich dann
die Situation, dass die Kinder dann bereit sind sehr viel aufzunehmen
und zu lernen, und dadurch ist dann eben der Übertritt von der
Grundschule in die weiterführenden Schulen dann kein Problem mehr.
Das heißt also, bei uns steht nicht nur der Computer im Mittelpunkt, es
wird natürlich auch gesungen, es wird im technischen Werken supa
gearbeitet, es werden spielerische Aktivitäten gesetzt. Also es werden
alle Inhalte eingebracht, die für die Kinder notwendig sind.
IV: Auch sehr viele Projekte, wie man in der Aula sieht?
IVP: Projekte nicht sehr viele. Die Projekte die gemacht werden, sind
dann entsprechend gut vorbereitet und werden dann auch mit den
10
Kindern und den Eltern gemeinsam durchgeführt, und werden dann in
weiterer Folge auch noch nachhaltig noch weiter verwendet und
aufgebaut.
IV: Also ich bedanke mich für das interessante und spannende
Gespräch. Also, ich habe alles verstanden und konnte Ihnen immer
folgen. Ich hoffe, ich habe nicht zu viel hinein gequatscht.
IVP: Wenn Sie irgendwelche Informationen noch benötigen genügt ein
Anruf. Wenn Ihnen irgendetwas abgeht, ist das kein Problem.
IV: Vielleicht abschließend noch eine Frage, wenn Sie sich ein Bild
vorstellen, ein Phantasiebild zur Situation Kind, PC und Internet.
Kommt Ihnen da irgendein Bild in den Sinn?
IVP: Na, da ist kein Bild, sondern das gehört in unserer Schuleinrichtung
normal dazu. Also, wenn man in die Schule bei uns hereinkommt, es
müssen eben im vorderen Bereich beim Schuleingang entsprechende
Outdoor-Activities durch die Kinder durchgeführt werden, es gibt
genügend Spiele die die Kinder selber dann im Außenbereich
durchführen können. Es gibt in der Schule entsprechende Arbeiten der
Schüler die vorgestellt werden, also die Kinder sollen sich in der Schule
wohlfühlen. Die Klassen sind entsprechend groß und modernst
eingerichtet. Es ist also ein Gebiet für die Kinder, wo sich die Kinder
wohlfühlen sollen. Und dadurch ist also das Lernen eben entsprechend
leicht uns ist auch entsprechend motivierend.
IV: Ich bedanke mich vielmals, dass sie sich die Zeit genommen
haben für mich. Auch die Beobachtungen an Ihrer Schule waren
sehr interessant für mich. (Pause)
IVP: Etwas wäre da vielleicht noch. Man bekommt von der Gemeinde
genau genommen
wenig Unterstützung. Das einzige was ich
durchgesetzt habe, war die Sanierung des kompletten Schulhauses. Das
hat funktioniert. Aber was alle anderen zusätzlichen Lerninhalte für die
11
Kinder, was da angeboten wird bei uns, geht nicht über die Gemeinde.
Das geht nur, wenn man an bestimmten Projekten teilnimmt, weil dafür
gibt es dann entsprechende finanzielle Unterstützung. Es beginnt bei den
Computern, dass die Computer, nur von die Computer die wir jetzt
momentan haben, wir haben momentan ca. 25 Geräte. Das sind, von
diesen Geräten nur fünf von der Gemeinde angekauft wurden. Diese
Geräte sind momentan aber auch schon wieder sechs Jahre alt, also auch
nicht mehr die neuesten Geräte. Und dadurch dass ich eben bestimmte
geschäftliche Verbindungen habe, habe ich also kein Problem, so ein
oder zweimal im Jahr einige Geräte, die älteren, auszutauschen und die
alten wieder an die Kinder weiterzugeben. Das heißt wir haben das so
gemacht, in alten Zeiten, dass wir das alte DOS-Gerät den Kindern
damals um 200 Schilling verkauft habe, und hob dadurch eben ein
anderes besseres Gerät durch die Sponsoren um 200 Euro bekommen.
Das ist intern dann ausgetauscht worden. Die Gemeinde, die interessiert
sich dafür aber nicht. Also, da krieg ma wenig Unterstützung. (räuspert
sich) Nachdem die Gemeinde ja auch eine kleine Gemeinde ist, haben
sie auch nicht die finanziellen Mittel. Also, ich hab allein jetzt do
Instrumente für Physik und Chemie für Versuche im Wert von rund 4000
Euro. Und wir haben ziemlich alles do, was ma in da Schule benötigt.
Das geht nur durch Zusammenarbeit mit den Eltern. Also, was bei uns
supa funktioniert, dass die Eltern alle Aktionen unterstützen. Wir haben
einen Klassenelternvertreter, in jeder Klasse, die dann das ganze was für
die Klasse notwendig ist mit den Eltern zusammen dann organisiert,
damit das den Schülern wieder zugutekommt. Es geht nur in Teamarbeit.
Also der Schulleiter alleine kann gar nichts machen, es müssen die
Schüler mitarbeiten, es müssen die Eltern mitarbeiten und es müssen alle
Lehrer, entsprechend auch das unterstützen, und was für mi immer
wichtig war, dass eben jeder bestimmte Stärken hat, wenn meine Stärke
12
Mathematik und am Computer ist, hat die andere Kollegin die Stärke in
Musik und im kreativen Bereich, die andere Kollegin ist wieder gut im
technischen Werken. Also jeder kann dann seine entsprechenden
Fähigkeiten mit einbringen. Und nur durch diese Teamarbeit kann man
den Kindern dann entsprechende wichtige Dinge übermitteln.
IV: (Pause) Jetzt ist mir noch eingefallen, hab ich Sie richtig
verstanden, dass im ländlichen Raum der Zugang zum PC in der
Volksschule noch wichtiger ist, da die Kinder zu Hause vielfach
diese Möglichkeiten gar nicht haben?
IVP: Die Kinder kommen bei uns eben direkt vom Berg. Wobei hier
diese Einrichtung ursprünglich gar nicht möglich war. Also vor zehn
Jahren hat es am Berg noch gar keine Internetvorrichtung gegeben. Es
geht aber nicht nur um den Computer, weil bei Kinder die vom Berg
kommen, da haben die Eltern, die Bergbauern sind, keine Zeit mit den
Kindern schwimmen zu gehen, sie haben keine Zeit mit den Kinder Schi
fahren zu gehen, das bedeutet, wir lernen den Kindern das Schwimmen.
Das heißt, wir sind mit den Kindern unterwegs, wir gehen mit den
Kindern Schi fahren. Das sind alles Dinge, die die Kinder erlernen
müssen, weil die Eltern dafür keine Zeit haben.
IV: Ich komm selbst auch von einem Bergbauernhof.
IVP: Ja, dann wissen‟s eh wie das is. (Pause) Und von wo kumman‟s?
1
13.5.8 ANONYMISIERUNGSCODE: IVP L2
InterviewpartnerInnen (IVP): Lehrerin
Interviewerin (IV): Martina Pucher (geborene Zwantschko)
Termin: 26. April 2007 um 15:30 Uhr
Ort: Volksschule I; Kärnten; Land
Dauer: 1 Stunde und 12 Minuten
IV: Also, ich schreibe meine Dissertation ja zum Thema „Das
WWW in der kindlichen Lebenswelt“. Sie sind ja Lehrerin an dieser
Schule und mich würden nun Ihre Erfahrungen zum Thema Kinder
und Computer und das Internet interessieren.
IVP: Also, mir ist das du lieber, ich habe selbst 5 Kinder im Alter von 12
bis 26, ähm, ja der 26 jährige ist eh schon draußen (lacht), nicht, der 21
jährige mehr oder weniger auch und die anderen sind noch zu Hause und
nutzen sehr wohl das Internet und die Computer, sie brauchen das auch
schulisch. Ah, bei mir war das anfänglich so, dass ich zum Beispiel, also
meine Kinder fernsehfrei erzogen habe, also es hat bei uns keinen
Fernseher gegeben, ganz bewusst nicht, weil ich das einfach irgendwo
nicht wollte, dass sie, ja, in gewisser Weise fremdbestimmt sind, dass sie
mit sich selber nichts mehr anfangen können und sie haben wunderbar
gespielt, muss ich sagen, sie haben das einfach können und sie haben
sich auch stundenlang allein beschäftigen können. Und ich war eben ein
absoluter Gegner. Und auch mit dem Computer ist es relativ spät
gekommen, also wobei ich jetzt etwas noch sagen muss, die jüngste
Tochter, äh die ist dem irgendwie entgangen, (lacht) weil da meine
Mutter einen Fernsehapparat da gelassen hat, wie sie einmal Kinder
geschaut hat. (lacht) Also, da war er da, aber ich habe auch, also
zensuriert, es ist nicht alles geschaut worden. Ah, wobei ich sagen muss,
sie ist jetzt 12, also das haben die anderen nicht schauen dürfen, was sie
2
jetzt schauen darf, ga. Da war ich ganz strikt, und ich sehe aber schon
den Vorteil, den die anderen gehabt haben, nur sie, sie ist irgendwie die
Jüngste, also die nimmt sich jetzt alle Rechte. (lacht)
IV: Aha, ja, wenn ein Fernsehgerät erst einmal vorhanden ist, dann
wird's immer schwieriger. Mhm.
IVP: Und es ist eben auch das gleiche mit dem Computer, also
irgendwann hat dann die eine Tochter gesagt, wir brauchen den, wir
müssen Protokolle schreiben und dieses und jenes, des war eigentlich
schon beim, beim zweiten, dass sie das nachher haben müssen abgeben
in der Schule, also du warst irgendwie nicht inn, da ist sie heim
gekommen und hat gesagt, wir haben überhaupt nichts, wir haben weder
einen Computer, wir haben keine Handys, wir haben nichts. Also, das
war der Druck der Gesellschaft eigentlich, dass wir dann haben müssen,
das besorgen, ga. Und dann auch durch die Schule selber, ich habe mich
auch müssen da einarbeiten und in der Schule ist es aber so, dass ich mir
oft denk, wichtiger ist, dass die Kinder diese ganzen Kulturtechniken
können, wie Lesen, Schreiben, Rechnen, ah, das andere ist vertiefend
und zur Übung. Das nehme ich sehr wohl jetzt, ga, aber dass ich jetzt
mein ganzes Programm nur auf den Computer ausrichte, nein, das tu ich
nicht, ga. Deswegen auch ganz bewusst nicht. Ahm (Pause).
IV: Aha, mhm, und ah wie denken Sie, ach, wie denkst du über die
immer früheren Kontakte mit dem Computer und dem Internet,
also ich denke dabei an Projekte wo im Kindergarten ein erster
Zugang zum Computer ermöglicht wird? Kannst du mir da deine
Erfahrungen in deinem Umfeld schildern?
IVP: Also ich kann es konkret sagen, von einem Bekannten (lacht), jetzt
nur einmal von einem. Aber mir ist aufgefallen, dass dieses Kind
unheimlich unruhig ist, zittert direkt und also er kann nicht, jetzt
irgendetwas anderes in Ruhe machen, ga. Also, so wie ein Puzzle bauen,
3
ich meine, vielleicht bin ich echt "altfadrisch", aber ich denk mir, meine
Kinder haben zum Beispiel Puzzle-Teppiche gebaut, die waren ungefähr
von da bis dorten (zeigt von unserer Sitzposition etwa drei Meter zur
Wand), die haben alle Puzzle gebaut und das fünf Stunden durch, ga, ich
meine, das ist vielleicht nicht normal, ga.
IV: Mhm, aha, ja das können Kinder heute wohl weniger?
IVP: Ja, einfach dieses "in-sich-gehen", das ist ja kein "in-sich-gehen",
am Computer, also das was ich bei ihm beobachte, wie der spielt, das
sind ja so, so Ergonomik-Spiele, da musst ja irrsinnig schnell sein, also
da brauchst ja gar nicht viel dazu.
IV: Aha, aha, Ergonomik-Spiele, aha.
IVP: Und das hat der mit 4 Jahre schon gemacht und so gebannt, der hat
ringsum ja gar nichts mitgekriegt, ga. (Pause) Nein, also ich finde das
einfach zu früh, ja und ich meine, in unserer Gesellschaft ist eh so, dass
eigentlich dieses miteinander, dieses soziale, das geht ja immer mehr
verloren, dieses Aufeinander-Schauen, miteinander etwas machen, weil,
ich weiß ja nicht, der Computer ist ja eigentlich nur mehr so ein einzeln
(lacht) ich weiß nicht, wie sagt man, ich glaub, da unterstützt eher das
Egozentrische. Ich meine auch durch die Spiele, die da angeboten
werden. Ich meine Lernspiele, es ist ja auch da jetzt bei der Lilo, die ich
da jetzt mache, du wirst immer belohnt, du wirst immer belohnt, für
alles was du tust, du bekommst die goldene Lilo, dann bekommst du die
zweite goldene Lilo, es ist irgendwie, es gibt nichts mehr ohne, ja ohne
Belohnung und ja ich selber muss gut dastehen, oder so, also ich
verbinde das so, also dieses, dieses Solidarische, dieses Gemeinsame
geht verloren, ah, ich weiß nicht ob ich das jetzt irgendwie falsch sehe.
IV: Mhm, das ist spannend, über das habe ich noch gar nicht
nachgedacht. Aha.
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IVP: Ja ich denke mir, wir erziehen die Kinder eh in die Richtung, so
wie sie die Gesellschaft braucht. Es wird einfach immer egozentrischer.
Ich meine es kommen nur die durch, die sich gut verkaufen können, die
gut dastehen, ja irgendwie dieses, diese Herzensbildung, oder, oder
Menschlichkeit, das ist gar nicht mehr so gefragt, also das Gefühl habe
ich einfach, ga. (Pause)
IV: Mhm, ja, aha.
IVP: Und ich weiß nicht ob die Wirtschaft das einfach so braucht, dass
das irgendwie gelenkt ist. Ich war da jetzt einen ganz interessanten
Vortrag in Spittal, wie hat das geheißen, (Pause) ah, Kinder und
Jugendliche im Neoliberalismus, und wie der da die Kinder beschrieben
hat, ich habe das ich glaube, eh in der Schule einmal erzählt.
IV: Wir haben einmal kurz geredet, ja, mhm.
IVP: Das ist, das ist irgendwie (Pause) ja, ich glaube, dass jede, jede
politische oder wirtschaftliche Richtung, ihre, ihre Kinder und
Jugendlichen in diese Richtung erzieht, ga.
IV: So wie sie sie braucht. Mhm.
IVP: Ja, wie sie sie braucht, wie sie sie dann in der Wirtschaft braucht
und in dem Leben braucht. (Pause)
IV: Ja, mhm. (Pause) Ja, kannst du vielleicht noch ein Beispiel aus
diesem Vortrag bringen.
IVP: Ach ja, aber das, das will ich ja gar nicht forcieren, also ich finde
das gut, dass die Kinder selbstbewusster sind, das, das ist sicher kein
Nachteil, er hat das da, er hat das so erzählt, wie er da in die Unterstufe,
erste Klasse hinein gekommen ist, da sind sie ganz brav drinnen
gesessen, ga und er hat da dann eine nach dem Namen gefragt und die ist
fast unter den Tisch verkrochen, ga. Die hat das Wort nicht einmal sagen
können, die hat nicht einmal ihren Namen sagen können vor lauter
Angst, und 20 Jahre später geht er wieder in so eine Unterstufenklasse
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und da kommt ihm schon auf ihn zu und sagt du hast so einen dicken
Bauch wie mein Papa, ga. Also, dass das irgendwie lockerer und offener
ist.
IV: Mhm, ja.
IVP: Ja, aber ich muss auch sagen, jetzt, als Lehrer gesehen, ah der Herr
G. hat ja so ein Kind drinnen und du hast ich glaube ja den Vater des
Kindes interviewt, ah, das ist ein Kind, das ist unglaublich, also die ist
unglaublich sozial, sie ist unglaublich liebenswert, ga und kann total
ruhig und, und ja konzentriert arbeiten, die stört der Lärm rundherum
nicht, also die ist total mit sich eins, ga, also ich habe selten so ein Kind
gesehen. Und ich meine, ich bin mir auch sicher, dass in der Familie das
nicht forciert wird, ga. Wenn ich, wenn ich richtig der Annahme bin,
wird das nicht gemacht, ja, (Pause) ahm, ja, was wollte ich jetzt
eigentlich sagen, (Pause) die ist eine so eine Ausnahme, die ist echt so
ein Ausnahmekind, ga und es ist einfach leichter zu arbeiten mit
Kindern, die die sich zurücknehmen, als wie wenn die so auf einen zu
preschen, ga. Also ich, ich tu mir da leichter als Lehrerin, ga. Als die, die
immer da stehen, sich immer in den Mittelpunkt stellen, nur glaub ich,
dass die eher den Weg gehen werden. Ich meine, sie wird es durch ihre
Intelligenz wahrscheinlich, aber, aber, (Musik wird lauter im Cafe) so
jetzt ist die Musik wahrscheinlich zu laut, ga.
IV: Nein, das geht schon.
IVP: Aha, ja, darf ich einmal einen Schluck nehmen? (Kaffee)
IV: Also, bitte jederzeit, gerne. (Pause) Also, das hat der Papa auch
ganz lieb gesagt, wenn ich das sagen darf, dass eben, ah er sieht eine
Stärke eben darin, dass die Mama zu Hause ist und und dass die
Mama Zeit hat für die Kinder. Und auch wo ich dann nachgefragt
habe, wie es denn aussieht im Umgang mit dem Computer, ja und
der scheint tatsächlich keine zentrale Rolle zu spielen, aber er
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konnte mir da nicht so viel Auskunft geben. Eine andere Sache die
ihm sehr am Herzen liegt, war, dass seine Töchter wegen der guten
Noten in eine Außenseiterrolle gedrängt werden. Können Sie, ahm
kannst du da vielleicht deine Erfahrungen beschreiben?
IVP: Also, das sind wirklich ganz faszinierende Kinder. Also ich habe
beide gehabt, sie beide zwei Jahre gehabt. Also ich bin wirklich ganz
fasziniert von denen, ga. Das ist unglaublich, ga, also ich meine sie sind
wirklich sehr intelligent und einfach so liebenswürdig, ga. Also wenn du
20 solche drinnen hast, ga, also dann kannst du dir wirklich alle zehn
Finger abschlecken, ga. Ja, aber das wird halt immer weniger, ga.
(Pause) Nein, und einfach auch irgendwie, also, ich bin ja eigentlich kein
typischer Lehrer, ga, ich bin eigentlich mehr ein Mama-Ersatz, ga. Also
zu mir haben heut sicher fünf Kinder Mama gesagt, speziell jetzt nach
Ostern, ga. Und ich meine ich habe auch ein bisschen ein Problem mit
der Disziplin, ga. Ich gebe es ja ganz offen zu, ga, da strudelt es mich oft
ziemlich, ja weil das einfach so eine vertraute, ja familiäre Geschichte
wird, ga. Ich tu mir da einfach schwer, (lacht) ich weiß nicht warum, es
ist einfach so, ga. (Pause) Ja und die Mädchen die haben einfach auch
gespürt, wie weit und wann ist Stopp, ja und irgendwie auch meine
Gefühle respektiert. Wenn ich das jetzt zum Beispiel das sage in der
Klasse, das prallt irgendwie ab, da ist keiner betroffen oder sonst etwas,
also aber die waren immer betroffen. (Pause) Einfach dieses Gespür für
den anderen, ga, ist wurscht, ob der jetzt fremd ist, oder erwachsen ist
oder Kind ist, ah, also dass man sich ein bisschen hineinlebt, ga.
IV: Aha, mhm, dieses gegenseitige Gespür füreinander, mhm.
IVP: Ja, ja. Und wenn wir jetzt da vom Computer reden, ga, ich glaub,
dass das da verloren geht, ga, und auch dieses miteinander sprechen. Ich
meine die chatten da jetzt herum, ga, ich sehe das jetzt bei meiner
zwölfjährigen auch, kommt heim, isst, ist ganz kurz angebunden und ist
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schon am Computer, obwohl sie vorher eh mit ihre Leute zusammen
war, aber dann geht es halt am Computer weiter oder es geht mit Handy
weiter, ga. Und das, das befremdet mich einfach, ga. Ich tät so gerne mit
ihnen reden, weil ich meine, ich schau extra, dass ich zu Hause bin und
für sie koch, dass wir dann wenigstens gemeinsam essen können, und
dann ist sie weg, (Pause) Und deswegen gibt es dann auch oft Streit, ga,
und weil ich das nicht einsehe, ga.
IV: Mhm. Das ist irgendwie interessant, vor allem weil du sagst bei
deinen anderen vier Kindern ist es dir sehr gut gelungen sie von all
dem abzuschirmen, ja und jetzt irgendwie musst du erkennen, dass
das irgendwie nicht mehr möglich ist.
IVP: Es ist nicht mehr möglich! (Energisch) Es ist nicht mehr möglich.
Zum Beispiel sind wir, mein Mann und ich wir haben kein Handy, ganz
bewusst keines, ga, wir haben kein Handy, weil wir uns denken wir
müssen nicht immer zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar sein, ga. Ja
und unsere Kinder haben alle eines (resignierend). Aber sie bekommen
es nicht von uns, sie bekommen es geschenkt, von Verwandte, von
Bekannte äh, oder sie tauschen in der Schule, sie tauschen irgendetwas,
dass sie da ein Handy bekommen von irgendjemand der seines
ausrangiert, ga. Und ich meine, du kannst ihnen das nicht wegnehmen,
ga, weil das ist, das ist jetzt ihres. Da ist irgendwo die Grenze erreicht,
ga. Und du musst du mit dem Strom fließen, du kannst wohl ein bisschen
dagegen steuern, und schauen und reden, dass das nicht das wichtigste
ist, ga, also da arbeite ich jetzt immer noch mit meiner jüngsten, das ist
ein Wahnsinn. Und auch dieses Denken, das ist alles gratis, Internet das
ist alles gratis, das kostet ja alles immens viel. Ich weiß jetzt mein Neffe,
der hat, der hat jetzt einmal den Rahmen gesprengt, die haben jetzt 400,Euro Internetkosten gezahlt, 400,- Euro (betont).
IV: „Boah“, aha.
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IVP: Ich weiß jetzt nicht, 400,- Euro und einem Monat oder für zwei
Monate, aber es ist ja auch für zwei Monat viel, aber in einem Monat ist
das ein Hammer.
IV: Ja, ja (Pause) so praktisch es auch sein kann, so teuer kann es
auch werden.
IVP: Ja, aber sobald deine Kinder in die Schule gehen, also die A.
(Tochter) die wäre jetzt aufgeschmissen ohne Internet. Die müssen sich
die Sachen runterladen, das wird direkt als Hausübung gegeben, also du
kommst dem nicht aus.
IV: Mhm, das wird also vorausgesetzt. In welcher Klasse ist die A.
jetzt.
IVP: Ja, die A. ist in der Achten, und einer ist in der Sechsten und einer
in der zweiten. Und der zweite, der zweite ist eben
ah so ein
Naturwissenschaftliches gegangen, wo sie eben immer haben müssen so
Protokolle schreiben, ga, also der hat das mehr zum Schreiben
verwendet. (Pause) Ja, das ist (Pause)
IV: Man kommt nicht mehr weit ohne Internet? Hm.
IVP: Ja und vor allen Dingen bei der Matura, das kann ich mich nicht
erinnern, dass wir das so ausführlich haben müssen machen, die müssen
so Vertiefungsgebiete ausarbeiten, die müssen sich aus dem Internet
Sachen runterladen, Bücher also über, über, diese Bücher suchen, alles
angeben, ja das ist ja schon fast wie eine Diplomarbeit. Ich war da ganz
erstaunt. Sie hat müssen nur diese Schwerpunktthemen, die zur Matura
zu lernen waren ausarbeiten, also die muss, das sind so sieben Seiten
ausarbeiten, natürlich sind sie darüber hinausgekommen, also so 14, 15
Seiten hat sie für Psychologie müssen ausarbeiten und jetzt dann noch
die anderen Gebiete. Also das verstehe ich nicht ganz, aber sie müssen
einfach so arbeiten, ga. Das ist nicht mehr wegzudenken.
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IV: Wie würdest du denn jetzt die Situation vom Computer an eurer
Schule
beschreiben?
Ich
meine
es
sind
ja
wirklich
überdurchschnittlich viele PCs für die Kinder vorhanden, dass ja
fast jedes Kind an einem eigenen PC arbeiten kann und das in der
Volksschule, wie sind da deine Erfahrungen?
IVP: Ja, also ich sehe das als Stressfaktor, ga, das sage ich jetzt ganz
ehrlich. Ich weiß nicht hast du das mitgekriegt, dass da oft einmal etwas
nicht gegangen ist? Und das ist (Pause)
IV: Ja, mhm, das ist mir bei meinen Beobachtungen des Öfteren
untergekommen, ja.
IVP: Ja, und äh, da rotiere ich dann, ga, und ich denke mir, das könntest
du alles irgendwie vermeiden, das muss nicht sein, ga. Oder jetzt zum
Beispiel nach die Osterferien, weil ich jetzt Gott sei Dank jemanden
bekommen habe für vier Stunden, die mit meiner schwachen Schülerin
arbeitet, und da wollt ich in den Computer eine, und auf einmal war alles
anders, dann ist mir vorgekommen, da ist jemand drin gewesen, und
prompt, da will sie dann ihr Zeichen, ihren Namen anklicken und es ist
nichts mehr gegangen, alles war gelöscht, die ganzen Aufzeichnungen,
im Hintergrund läuft ja die Beurteilung mit, alles weg alles gelöscht, und
ich weiß nicht wie und warum und weshalb, also irgendwie, also ich bin
mir nicht so sicher ob die Daten da wirklich 100 Prozent gesichert sind,
sind sie auch nicht. (Pause) Also, ich habe zum Beispiel totale Bedenken
meine Bankgeschäfte über das Internet abzuwickeln, ich weiß ja nicht,
ich mag das nicht. Also ich bin da skeptisch. Und ich meine immer
wieder wirst ja auch gewarnt darüber. Also andere machen das tagtätlich,
also ich weiß ja nicht. Also ich möchte es nicht, ich gehe gerne noch zur
Bank, ich gehe zum Schalter, da kenne ich meine Frau und fertig. Nein,
ich hab das einfach lieber, du fühlst dich da irgendwie aufgefangen.
IV: Mhm, dieses von Mensch zu Mensch.
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IVP: Ja (Pause) und des ist (Pause) ist das veraltet oder? (lacht)
IV: Nein, ich finde das einen interessanten Aspekt, mhm. Das ist
wichtig einmal darüber nachzudenken, was da eigentlich, wie das
weiter geht, wenn das immer so weiter geht.
IVP: Ja, und ich meine, auf der anderen Seite hörst ja immer wieder, also
jetzt, um auf dieses Menschliche wieder zurückzugehen, ah, die
emotionale Intelligenz bei Kindern lässt halt bei Kindern nach, nicht,
und das muss gefördert werden. Also, jetzt irgendwo kommen sie schon
drauf, dass da etwas nicht passt oder stimmt, ga.
IV: Dass da eigentlich Handlungsbedarf ist, aha.
IVP: Also wenn ich bedenk, was, was ich, ich habe da ja einen Schüler
drinnen, der ist unmöglich, der ist so etwas von kalt und hart und ah,
wenn jemand etwas falsch macht, obwohl er kein Genie ist, also der ist
ja, der kann da "herumpecken", unglaublich, (Pause) ich weiß nicht ob
das mit dem im Zusammenhang steht, aber ich glaube schon vieles, und
auch diese Schnelllebigkeit, aber diese Schnelllebigkeit wird ja auch
durch das forciert. Also, wenn ich bedenke, wie ich Kind war, da hat es
im Fernseher, wann hat das angefangen, zu Mittag oder um zwei Uhr,
hat das Programm angefangen und ist gegangen bis Mitternacht oder bis
elf an Abend. Und dann war immer dieses komische Zeichen.
IV: Ja, genau, mhm. Sendeschluss, also.
IVP: Und jetzt geht das rund um die Uhr, also wenn du willst, ja und
hunderte Sender. Und es geht alles ganz schnell. Und also ich krieg jedes
Mal die Krise, wenn ich sehe, Säuglinge, also das letzte Mal war ich da
irgendwo auf Besuch, da haben sie ein Baby gehabt, einen riesigen
Bildschirm, also ich meine wirklich, fast wie eine Kinoleinwand, und der
ist die ganze Zeit gelaufen und das Kind hat volle Wäsche da hinauf
geschaut, ich meine, das Kind muss ja verrückt werden, das sind ja
abfolgen, ja. Also ich meine das geht ja gar nicht, aber ich kann ja nicht
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als Gast dort etwas sagen, aber ich meine, mir tut das weh, mir blutet das
Herz. Ich habe meine Kinder unter einen Baum geschoben, damit sie die
Blätter oben sehen und so, also so richtig verrückt halt, also ihnen
wirklich Ruhe gegönnt, ga. (Pause) Und Ich habe ja trotzdem viele
Fehler gemacht, das ist ganz normal, eigentlich (lacht, Pause). Aber, aber
ich glaube, dass das einfach, das kann nicht gut sein. Und ich habe auch
in meiner Klasse ein Kind, das, wo auch schon die anderen Kinder
gesagt haben, warum zittert des so. Und das sehe ich immer mehr, das
habe ich früher nie gehabt. Ich habe nie ein Kind gehabt das zittert.
Oder, oder so "fahrig" ist, so mit Bewegungen, also jetzt nicht unbedingt
so, sondern auch so herreißt, so dort und da, also, dass sie so die
Koordination so überhaupt nicht beieinander haben. Also ich weiß nicht.
Ich sage ganz ehrlich, ich glaube am besten ist, gar keinen Fernseher
haben. Also wie ich genieße das immer jetzt, ja 14 Tage sind ja schon
Luxus, wir haben nämlich einen Landwirtschaft zu Hause, wie ich das
genieße, wenn wir auf Urlaub fahren, wenn wir weg sind von daheim,
da gibt es keinen Fernseher, da gibt es nichts und ich meine das ist ein
Traum, das ist ein Traum. Es ist ganz etwas anderes. Ich meine da musst
du dich mehr auseinandersetzen, es bringt, es bringt viel mehr. Es bringt
auf jeden Fall mehr. Ich meine sicher, wenn du jetzt einen Computer
oder einen Fernseher hast, da setzt du sie hin und hast einmal eine Zeit
lang eine Ruhe. Aber, ich weiß nicht, und das ist (Pause) ja ich meine
wir fahren immer in südliche Länder und da gibt es keine Zimmer mit
Fernseher, das gibt es da einfach nicht (lacht), ga. (Pause) Nein, ich, ich
genieße das einfach und ich genieße das auch für mich, ga.
IV: Mhm, aha, am besten ist gar kein Fernseher.
IVP: Und das ist auch noch so ein Punkt, ah, ich hab ja auch müssen
mich jetzt da umstellen und übers Internet Sachen runterholen, und es ist
ja auch interessant, also ich hab ja sehr viele Materialen da herunter, aber
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ein Zeiträuber sondergleichen. Da ist ja eine Stunde, du denkst, du bist
also ganz kurz, du gehst da jetzt ganz kurz hin und du schaust auf die
Uhr und auf einmal sind drei Stunden weg, ga, und das, das befremdet
mich auch irgendwie. Und du hast aber eigentlich, letztendlich, ich
meine ich bin mehr Praktiker, also ich tu mehr praktisch arbeiten, du bist
jetzt eigentlich nur da gesessen und hast mit der Maus geklickt und zack,
zack, zack (Pause) und mehr war da nicht, ga (lacht).
IV: Ja. Genau und die drei Stunden sind vorbei, mhm.
IVP: Ja. Ja, also, ein Zeiträuber für mich. Ein Zeiträuber. Also wenn ich
das mache, verlagere ich das in die Nacht, ga. Aber. Also ich bin ein
(Pause) wenn's nicht wäre. (Pause)
IV: Ja, das ist mir schon bei meinen Beobachtungen, sowohl oben
bei der dritten Klasse, aber auch unten bei ihren Kindern, dass echt
oft etwas nicht funktioniert, sei es die Maus, die Tastatur oder dass
man gar nicht erst einsteigen kann.
IVP: Ja genau, da wird ja auch ein Stress erzeugt, ga. Ja, oder das ganze
Zubehör, oder wenn der Drucker nicht geht. Wir haben ja auch so einen
speziellen Drucker da, also wo so mehrere Farben laufen und wenn nur
eine Farbe ausfällt ist schon alles, also du kannst nicht einmal in einer
anderen Farbe das machen, weil das irgendwie so zusammengemischt
wird, und da brauchst so dringend uns, nicht, die Kinder brauchen so
dringend uns (lacht) und das geht nicht. (Pause) Ja, ich meine, wir, wir
kommen da eh nicht aus, es ist einfach so. Es ist eh alles vernetzt
miteinander, aber es ist eigentlich das was, was wir noch in, in unserer
Schule damals geschrieben haben, diesen George Orwell, ga. Also das,
das bewahrheitet sich einfach, seine Visionen, also mit dem Computer,
nein nicht mit dem Computer in dem Sinn, aber wir sind eigentlich alle
vernetzt und jeder weiß von jedem alles. Ga, und das mit dem
Datenschutz funktioniert sicher nicht so, wie wir das glauben, weil das
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habe ich nämlich jetzt selber einmal gemerkt (lacht) dass, das einfach die
Banken zum Beispiel vernetzt sind, die wissen ganz genau, wo du noch
vielleicht noch ein Konto hast, das ist alles, alles miteinander verbunden
und da, da kommst du überhaupt nicht aus, also es ist Beobachtung rund
um die Uhr. (Pause) Ja und das ist ja auch kostenaufwändig, es ist ja, das
ist ja mit irrsinnig vielen Kosten verbunden, die ganze Wartung, und
nach zwei Jahren kannst du ja eigentlich wieder einen neuen Computer
kaufen, weil dann ist der alte ja nichts mehr wert. (Pause) Ich meine,
aber man, man zieht da mit (Pause) oder man muss da mit ziehen. Also
ich, ich weiß ja nicht, ich bin da (Pause)
IV: Mhm, also auch wenn man nicht will, muss man da mitziehen?
IVP: Ja, ja und wenn du dir jetzt einmal zusammenrechnest wie viel für
Internet und Fernsehen, musst du ja auch zahlen und wenn du dir dann
noch etwas downloadest, also ich meine bei einer Großfamilie, ich hab
mir das jetzt einmal ausgerechnet, da musst du im Jahr ja fast zwei
Monate arbeiten gehen dafür. (Pause) Ich glaube darüber macht sich
keiner so wesentlich Gedanken. (Pause) Für das muss das Geld da sein,
man muss ja irgendwie konkurrenzfähig sein, ga, (Pause) das ist ja auch
schon bei die Kinder so. (Pause)
IV: Mhm, und wie geht es dir jetzt in der Schule? Ich habe ja etwas
das Gefühl, dass der Computer einen hohen Stellenwert für den
Direktor hat, wie geht es dir dabei?
IVP: Ja, also, das ist ja irgendwie immer eine Sache des Lehrers, des
individuellen Unterrichts. Ich praktiziere das ja nicht so. Nein, also ich
mache das nicht so, ga. (Pause) Also, jetzt zum Beispiel, ich habe ja jetzt
länger nichts weiter getan bei der Lilo [Lern- und Leseprogramm für 1.
und 2. Klasse; Anm. d. Verf.], aber morgen werden wir wieder anfangen,
weil jetzt ist das Programm ja wieder angelegt. (Pause) Ich setze den
Computer schon ein, aber mehr halt so zum Wiederholen, ga, oder ab
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und zu einen Text runter schreiben. (Pause) Aber mir ist das, also mehr
zum wiederholen, weil mehr ist für die Grundstufe eins glaube ich nicht
notwendig.
IV: Mhm, und welches Bild haben Sie, hast du von deiner Kollegin
der vierten Schulstufe? Wie ist da dein Eindruck?
IVP: Also, meine Kollegin, ich glaube die praktiziert das auch nicht so.
Also nur, also Hauptsächlich Mathematik, ja, da gibt es ja dieses
Budenberg Programm (Pause) also, ich werde das jetzt schon auch, es
gibt ja auch tolle Gedächtnisaufgaben und oder das 1 x 1 wiederholen,
ich meine es geht da auch immer um Gewinnen, aber das ist schon
wirklich gut aufgebaut, ga, (Pause) wobei der „Mathe Bluster“, der ist
mir schon zu actionreich. Der ist einfach schon zu (Pause).
IV: Aha, ja den haben einige auch Kinder genannt.
IVP: Ja, da geht alles so schnell und nein, das andere ist irgendwie so
dezenter, das gefällt mir gut.
IV: Mhm, ja und wie ist da jetzt dein persönlicher Eindruck, wenn
du jetzt zu einem Kind sagst, es darf oder es soll jetzt zum
Computer? Überwiegt da die Freude, Neugier oder sagen sie einfach
okay?
IVP: Nein, die Kinder gehen ganz gern, die Kinder gehen gerne zum
Computer. Ja, aber zum Beispiel dieses schwache Kind, das hat aber am
Computer auch Probleme, also sie hat so Probleme und am Computer
auch. (Pause) Also, ich habe da jetzt ja einmal bei ihr hineingeschaut,
wie weit sie gekommen ist, was sie gemacht hat, welche Fortschritte,
also da ist nicht viel. Die ist glaube ich mehr davor gesessen. Ich weiß
nicht, das letzte Mal wo du da warst ist sie dort gesessen? Eine ganz eine
kleine mit einer Brille.
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IV: Ja, das Mädchen hat mit der Tastatur gearbeitet, also ich kann
mich da nicht erinnern, dass es gar nicht weiterging. Das Mädchen
dahinter hatte ja so Probleme mit der Maus.
IVP: Ja mittlerweile funktioniert es mit der Maus (zögerndes Lächeln),
ga. (Pause) Ja, es ist einfach alles so ein Verschleiß, das ist einfach so.
(Pause)
IV: Mhm. (Pause)
IVP: Eine Kollegin von mir, ich habe ja auch eine Ausbildung für die
Sonderschule gemacht und da hat eine Kollegin auch über das Thema
eine Diplomarbeit geschrieben. Also, ich könnte die ja mal fragen, wenn
dich das interessiert?
IV: Danke, es gibt eh sehr viel Literatur zu diesem Thema,
ansonsten komme ich einfach darauf zurück. Mhm. (Pause)
Kommen wir wieder zurück zu deinen Erfahrungen. Kannst du
vielleicht noch irgendwelche Erfahrungen oder Beispiele mit dem
Computer in der Schule beschreiben?
IVP: Ja, also ich wollte das ja zum Beispiel so machen mit der Lilo und
mit dem Computer, Freiarbeit, aber in der Klasse kann ich keine
Freiarbeit machen, das geht vom Disziplinären her überhaupt nicht.
IV: Aha, ähm, was heißt jetzt Freiarbeit?
IVP: Das heißt, dass die Kinder nach einem Plan arbeiten, selbständig
arbeiten und das ist unmöglich, weil ich da eben solch eine Querulanten
drinnen hab, die, wenn sie bei irgendjemand vorbei gehen sofort boxen
oder hauen, oder, es geht nicht, ich habe da so ein "ADHS"(?)-Kind
drinnen, wo wenn da ständig Bewegung ist, jeder geht und so, dann wird
die ganz fipprig, ja. (Pause) Und jetzt ist das für mich so schwer, ich
muss genau einteilen, muss wirklich eine totale Struktur haben und jeder
muss sitzen, also wirklich so total, ga. (Pause) Weil sonst funktioniert es
überhaupt nicht, weil, ich meine, man sieht, dass dann die halben nichts
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tun und so ist das dann unheimlich schwierig, also ich kann da dann
nicht zuschauen, weil ich habe da einen doppelten Druck, von der
zweiten weg sollen sie etwas können und die erste soll auch, also ich trau
mir das einfach nicht so zu und ich merke ja auch es geht nicht, so wie
ich sie locker lasse, ist nur mehr "tohuwapohu", und die Klasse, die jetzt
in die dritte geht, da haben wir, da habe ich das echt einmal die Woche
probiert und das war auch echt gut, also mit denen habe ich gerne
gearbeitet, aber war ja, da habe ich ja nur die 13, die 14 gehabt. Das ist ja
auch ein Unterschied, ob das eine homogene Gruppe ist oder ob das eine
Teilung ist. (Pause) Und ob du alleine drinnen bist oder zu zweit. (Pause)
Und jetzt haben wir eh, also ich bin so froh, dass die gekommen ist
(lacht) heute haben wir eh schon beratschlagt, dass wir zu zweit werden,
sie von hinten und ich von vorne (lacht) das ist so. (Pause) Ich meine, die
Kinder sind einfach anderes, ich denke, in X (Ort) ist das angeboren, also
das sind nicht die feinen, die sind irgendwie gröber, ich meine ich als
Zugereiste, ich kann das besser beurteilen. Ja und auch die Erwachsenen
untereinander. Ich habe am Anfang totale Probleme gehabt, also dieser
Umgang, erstens ist jeder einmal mit jedem per du und dann kommen die
auf einen zu, eine Frau, die ich noch nie vorher im Leben gesehen hab,
die begrüßt mich, also ich wäre mit der fast die Stiege runter gekugelt.
Und neugierig sind die, also das war unglaublich. Also, ich muss sagen,
ich könnte mich nicht erinnern, dass ich die Frau schon irgendwo einmal
gesehen habe, ga, aber es ist halt die Mentalität. (Pause) Ja, irgendwie so
ein bisschen so eine Distanzlosigkeit, habe ich halt das Gefühl. Ich
meine und die Kinder sehen dann halt auch nichts anderes, ga. (Pause)
Also, ich glaube die brauchen das noch so traditionsmäßig. (Pause) Also
ich glaube, ich habe ja auch an anderen Schulen hospitiert und so, ich
war einmal ganz weg, wie das funktioniert, ga. (Pause) Also eben durch
die Ausbildung und dann habe ich eben vor 10 Jahren, vor über zehn
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Jahren eine Montessori-Ausbildung gemacht, bin natürlich total
begeistert davon, und dann bin ich an die Schule gekommen, ja und dann
hat der mich natürlich gleich einmal abgebremst, nicht das du glaubst, du
kannst das jetzt da anfangen, ga und so. Und es war mir auch bewusst,
entweder es machen alle, einer alleine das geht nicht, ga. Da müssen alle
an einem Strang ziehen, ga und es muss auch von den Eltern aus gewollt
sein, ga, aber das wäre unmöglich, das geht nicht.
IV: Mhm, aha, die Eltern wollen das nicht?
IVP: Ja. (Pause) Da muss unterm Strich etwas da sein. Ich habe so
(betont) viele Eltern, die kommen und sagen, was hat die für eine Note.
Dann sag ich, was, (Pause) für eine Note, ich meine, ich mache immer,
ich weiß nicht, ich habe da irgendwie ein, ein Gefühl dafür, äh, was das
Kind kann. Ich brauch da, ich bräuchte da eigentlich überhaupt gar keine
Note hinschreiben, (...) (unverständlich) beurteilen (wird unterbrochen)
IV: Aha, in der ersten Klasse gibt es doch eh nur so eine
Gesamtbeurteilung, oder ist das nicht mehr so?
IVP: Ja, aber musst ja trotzdem, Aufzeichnungen musst ja machen, ja.
Genau, was ist das 4 Fehler, wenn ich da drunter schreibe, gut gemacht,
da muss ich genau sagen, was das für eine Note ist, die wollen exakt die
Note wissen.
IV: Das wird von den Eltern eingefordert? Schon in der ersten
Klasse?
IVP: Ja, ich war ganz weg, ja in der ersten. (verhaltenes Lächeln)
IV: Dabei werden die Kinder noch das ganz Leben Notendruck und
und Druck von oben erfahren.
IVP: Ja, anstatt, dass sie froh sind, wenn ich sage, jetzt gibt es diesen
Text zur Ansage, hin und wieder sage ich, den Wochentext den gibt es
jetzt irgendwann einmal, tut's euch den anschauen. Oder auch eine
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Gedächtnisübung, ga. (Pause) (lacht) (Pause) Das ist glaube ich, in der
Stadt anders. (Pause)
IV: Aha, mhm. Kannst du vielleicht deine Erfahrungen, äh
irgendwie die Unterschiede zu anderen Schulen beschreiben?
IVP: Ja in Wien zum Beispiel, da habe ich eine Schule, das war eine
Mehrstufenklasse, da habe ich hospitiert, weil da von meiner Freundin
die Tochter hingegangen ist. Also das war ein Traum. Das war total
harmonisch, total ruhig, (Pause) drei Kinder, ah nein, drei Lehrer und es
waren 24 Kinder, glaube ich, das war schön. Und da war Vorschule und
eben erste, zweite und eben auf Montessori (Pause) ausgerichtet. (Pause)
Also da war überhaupt kein Stress, da war alles so ruhig, ich meine sie
haben auch den Platz gehabt, sie haben diese Materialien gehabt und es
ist gemeinsam, also im Sesselkreis gearbeitet worden. Also, wenn ich bei
mir einen Sesselkreis mache, ich meine manchmal geht es ja, es ist
wirklich schön, aber oft einmal geht es einfach nicht. (Pause) Nicht
bereit auf jemanden anderen zu hören und zuzuhören, geht nicht. und da
kannst du dann nur abbrechen, das ist sinnlos, da weiter zu tun oder so,
oder sich zu denken, das muss ich jetzt so machen, das will ich machen,
sondern da musst einfach das Handtuch werfen. (Pause) Sie sind es
einfach nicht gewohnt.
IV: Mhm, mhm, ah, besuchen die Kinder hier vorher auch schon
einen Kindergarten, weil da ja auch viel mit Sesselkreis gearbeitet
wird?
IVP: Ja, teilweise (Pause) sicher nicht alle. (Pause) Ja, das muss ich auch
sagen, ich habe ja so Bergkinder, und das ist ja ein gewaltiger
Unterschied von den letzten Bauern oben und von der Ortschaft. Also,
die ganz oben sind, die eben mit Computer und, weniger zu tun haben,
weil sie einfach wirklich in der Landwirtschaft mithelfen, die müssen
mithelfen, ga, und die sind viel leichter zum Führen und viel angenehmer
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und auch viel lernwilliger. Die sind richtig gierig auf alles. Die Kinder
die, weiß ich, schon zwei Jahre Kindergarten gegangen sind, die sind
irgendwie so abgestumpft, ga. Das beobachte ich jedes Jahr, ga. Ja, also
die sind so, die wollen gar nicht, ga die wollen was tun, die sagen 'Ma,
nicht schon wieder', ga. Die haben irgendwie mit allem eine Freude und
da musst du auch nicht als da Kasperl da draußen stehen und was weiß
ich was für eine Spielchen machen und bei den anderen hast du immer
das Gefühl, du musst jetzt was weiß ich was noch bieten, damit sie
irgendwie reagieren, ga. (Pause) Das beobachte ich auch von Jahr zu
Jahr mehr, ga. Also die oben sind wirklich noch ursprünglicher (lacht),
ga. Wie wir sicher herunten auch noch ursprünglicher sind als wie drin in
der Stadt, ga. (Pause) Ja, in der Stadt ist das sicher anders.
IV: Ja, ich will ja auch eine Schule in der Stadt beforschen. (Pause)
IVP: Aha, ja, das wird sicher interessant. (Pause) Du spielst ja auch in
Volksschulen dieses pädagogische Stück, wie heißt es noch einmal.
IV: Ja, das Projekt "Mein Körper gehört mir" gegen sexuellen
Missbrauch von Mädchen und Buben, das spielen wir in der 3. und
4. Schulstufe.
IVP: Ja, in ???, ich wollte das haben, aber ich habe nicht gewusst, dass
das nur für 3. und 4. ist. (Pause) Ja, das habe ich vorgeschlagen, am
Elternabend, weil ich mir gedacht habe, dass das wirklich ein Thema ist,
und das war einhellig, also alle (betont) das kommt bei uns nicht vor.
Das kommt bei uns nicht vor und so etwas brauchen wir nicht. Wir tun
unsere Kinder selbst aufklären. Und mit dem war das vom Tisch. Und
dann war traurig, dass das wirklich vorgekommen ist und genau eine
Schülerin aus meiner Klasse ist das passiert, also das (Pause) das war
echt arg. Das ist, bis jetzt auch, ist das totgeschwiegen worden, ga. Ich
meine ich als Lehrerin ich habe es erfahren, und natürlich ist dann
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gemunkelt worden und es ist doch durch die Bevölkerung gegangen,
aber man redet nicht darüber, ga. Das ist da ganz typisch.
IV: Ja, es ist leider immer noch ein Tabu-Thema. Mhm. (Pause) Wir
haben da jetzt ja auch eine neue Szene einstudiert, wo es eben
darum geht, wenn das Kind die Hausaufgaben erledigt hat, darf das
Mädchen für eine Stunde chatten, Mama und Papa haben ihr das
erlaubt, und dort lernt sie einen Jungen von der Nachbarschule
kennen, den sie nach einiger Zeit, sie hat das Gefühl ihn zu kennen,
und will unbedingt seinen neuen kleine Hund sehen, die wollen sich
dann im Park treffen, der liegt ja sowieso auf dem Heimweg.
IVP: Aber sie hat ihn noch nie gesehen?
IV: Ja und dann stellt sich eben heraus, dass das gar kein kleiner
Junge ist, sondern ein erwachsener Mann, der das Mädchen
schnappt und dann wird die Geschichte abgebrochen. Ja, und dann
wird mit den Kindern diskutiert wer Schuld haben könnte, wenn
das Mädchen sexuell missbraucht wird. Ja und dann weisen wir
darauf hin, worauf man aufpassen sollte, wenn man chattet. Da
besteht für mich enormer Handlungsbedarf. (Pause)
IVP: Ja, mhm. Ich weiß nicht einmal ob, ob alle Kinder, ob jedes Kind
einen Computer zu Hause hat.
IV: Nein aus meinen Beobachtungen geht hervor, dass nicht alle
Kinder eine Computer und auch nicht Internet zu Hause haben. Ja,
mir ist es ja wichtig, zu betonen, das nicht das Internet an sich etwas
Schlechtes ist, sondern das, was jemand damit tut. Wie denkst denn
du darüber, dass Kindern mit einem Schlag Zugang zu allen
denkbaren Bereichen ermöglicht wird?
IVP: Ja, das kannst du ja wohl mit einem Code sichern. Also ich habe
auch eine Kollegin die sperrt einfach ab, den Computerraum, ja und auch
den Fernsehraum. Ja, ich meine es ist irgendwie hart, aber es geht nicht
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anders. (Pause) Also wenn ich meine Kinder nicht ab und zu wegjage, so
wie meinen 17jährigen, da muss ich oft sagen, du draußen gibt es etwas
zu tun, gehen wir raus, also der würde fünf, sechs Stunden auch vor dem
Fernseher hocken, aber ich meine du kannst ja nicht fünf Filme
hintereinander anschauen. Also, der hätte da gar keine Skrupel, ich
meine, wenn es nur „fernsehschlafen“ ist. (Pause) Aber das muss ich
auch sagen, ich tu das auch manchmal, einfach nur zur Entspannung. Am
Abend, wenn Ruhe im Haus ist, ja da lasse ich mich auch einfach
berieseln. Aber man muss sich eh selber an der Nase nehmen. (Pause)
Also, jetzt, wir haben ja noch nicht diese Karte (Pause) also, da bin ich
auch froh, wir haben zum Beispiel nur ORF eins und zwei. Wir haben
noch einen zweiten Fernseher, aber da geh ich gar nicht hin, weil da
komm ich schon nicht zu Recht mit der Fernbedienung. Also ich bin da
eher bei dem Altbewährten, ORF 1 und 2 und da suche ich mir etwas
aus.
IV: Mhm, ja super, also, abschließend jetzt noch die Frage, wie war
das Gespräch für dich? Wäre da vielleicht noch ein Punkt, den wir
nicht angesprochen haben, der dir wichtig ist?
IVP: Also, im Auto wird es mir sicher einfallen. Aber das ist immer so
(lacht). Ja, also, zusammenfassend (lacht) positiver Einsatz einfach, aber
es wird halt auch negativ eingesetzt und das passiert halt. (Pause) Auf
jeden Fall nicht mehr wegzudenken, aber ich glaube auch, dass zu früher
Einsatz ist nicht so gut, weil man doch immer mehr, also die Kinder
haben doch immer mehr Probleme trotz dem mit Feinmotorik, auch in
der Grobmotorik. Ja, und als Ersatz gehen sie dann Ergotherapie und
Motopädagogik, es wäre ja gescheiter, das von klein auf mehr zu
fördern. (Pause) Ja, die körperliche Bewegung, Förderung sollte
wichtiger sein. Dass das in Zusammenhang steht, das checkt irgendwie
auch niemand. Ich meine dann wird da, das ist ja sündteuer,
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Motopädagogik, Ergotherapie, das musst du ja alles zahlen, teilweise
kriegst du da ja wohl, wenn es wirklich notwendig ist. (Pause) Es gibt so
viele Kinder, die nicht freihändig über die Stiege gehen können, die sich
festhalten am Geländer, und das wenn sie eingeschult werden, also ich
meine mit sechs Jahren, oder oder über den Balken gehen, balancieren.
Das sind ganz interessante Sachen. Das war früher nie, ich meine, ich bin
jetzt ja schon 20 Jahre in dem Geschäft, ga, früher war das halt ganz
anders. Das war für die Kinder eine Leichtigkeit. Oder Ball spielen,
einen Ball fangen, einen Ball werfen, das ist etwas, was total verloren ist
irgendwie. Und den Körper wahrnehmen, sich selber wahrnehmen und
andere wahrnehmen. (Pause) Und ich glaube das der Körper eins ist,
geistig und körperlich und ich meine da machst halt diese, diese
Übungen. Kinesiologische Übungen. Ich meine, wir haben das abgedeckt
mit dem Zehner werfen, ich weiß nicht, kennst du das?
IV: Nein, das sagt mir jetzt nichts.
IVP: Mit einem Ball und da machst du zehn Durchgänge. Zuerst wirfst
den Ball nur an die Wand, zehn Mal, dann musst du 9 mal
zwischendurch in die Hände klatschen, 8 mal mit dem Ball um den
Körper, dann unter den Fuß, oder mit der linken Hand und so weiter.
(Pause) Das ist irgendwie verloren gegangen, aber das war ja die
Schulung von links und rechts. Oder äh, äh Stricken (Pause) die Eltern
verteufeln das ja oft, dabei ist das auch eine Verstrickung. Also, meine
Buben haben das auch gern gemacht (Pause) aber ich sage halt, ein
gesundes Maß, so wie bei allem.
IV: Mhm, ja. (Pause) Und wie siehst du die Bedeutung von
Alternativen, wenn man sagt, man muss den Kindern Alternativen
bieten? Wie sind da deine Erfahrungen?
IVP: Also, ich muss sagen, nachdem ich ja jetzt schon pubertierende
Kinder drüber gebracht habe, ah kann ich sagen, dass mit 13 oder 14
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einen Sport finden, da bringt man sie viel leichter drüber. Sport und
Musik das sind zwei ganz wichtige Sachen. Also wenn man da
irgendeine Begabung feststellt, das muss man unbedingt fördern. Also,
weil ich das weiß, ich habe auch einen schwerstpubertierenden gehabt,
und die anderen hatten einen Verein und am Wochenende Spiele, da
müssen sie am Wochenende daheim bleiben, weil sie am nächsten Tag
ausgeschlafen sein müssen, da können sie dann auch nicht weggehen, die
waren nicht so schwierig und auch nicht so das Leben hinterfragend, wie
der. (Pause) Das ist für mich ganz faszinierend gewesen. Also meine
Tochter, die jüngste ist auch auf einem Reiterhof dann gewesen, da
verbringen sie irrsinnig viel Zeit, da tun sie alles, also die hat auch die
Pferde gestriegelt und stundenlang ihre Zeit dort verbracht. (Pause) Ja,
aber das Problem bei uns am Land ist halt, dass du sie dann immer
fahren musst, da vergehen einige Stunden. Also bei uns ist so, ich muss
da ja auch immer von X nach Y fahren, also ich bin fast jeden Tag
unterwegs.
IV: So ja gut, dann sage ich danke, dass du dir die Zeit genommen
hast, mit mir über deine Erfahrungen und Gedanken zu sprechen.
IVP: Ja, ich hoffe halt, dass da etwas dabei war und du einen
Gesamteindruck von meiner Denkweise bekommen hast.
IV: Ja danke, auf jeden Fall.
1
13.5.9 ANONYMISIERUNGSCODE: IVP L3
InterviewpartnerInnen (IVP): Lehrerin
Interviewerin (IV): Martina Pucher (geborene Zwantschko)
Termin: 23. April 2007
Ort: Volksschule II; Kärnten; Stadt
Dauer: 24 Minuten
(Die Schulglocke läutet.)
IV: Also ich schreibe meine Dissertation ja zum Thema "Das WWW
in der kindlichen Lebenswelt" und mich würden da jetzt ihre
persönlichen Erfahrungen interessieren, die sie mit Kindern im
Alter von 8 bis 11, also ihren Schülerinnen und Schülern, haben, im
Umgang mit dem Computer, mit dem Internet. Was haben Sie da
für Erfahrungen gemacht oder was für persönliche Eindrücke
haben Sie?
IVP: Ja es hat, es hat sich ja komplett geändert. Ga, wir haben ja vor
zehn Jahren, wir waren ja eine der ersten Volksschulen in ??? die Online
waren und ich habe eigentlich schon bald 10 Jahre in der Klasse einen
Computer, online. Und das war am Anfang so, dass die Kinder ja keine
Ahnung hatten, von überhaupt, von der Tastatur, vom ganzen World
Wide Web und dass wir das ihnen eigentlich beigebracht haben und dass
wir das geübt haben, wir haben zum Beispiel die Tastatur auf, auf Karton
aufgezogen gehabt und und das brauchen, das fällt jetzt alles weg, denn
wenn die kommen zu mir jetzt in der Dritten sind die perfekt, also die die
wissen, die können alles Googeln, also meine sind Meister im Googeln,
also wenn jetzt ein Wort nicht passt oder wir es nicht wissen, wenn wir
das irgendwo raussuchen, dann wird das gegoogelt, ga also es ist der
Umgang mit dem eine Selbstverständlichkeit so wie ich einen CD Player
einschalte oder den Fernseher drücke ich, das hat sich geändert, ga.
2
IV: Aha, mhm.
IVP: Und es wird eben, ich finde es ist so praktisch zum Hinterfragen,
und wir haben Referate heuer alles raus vom Computer, es sind natürlich
die Kinder benachteiligt, die zu Hause, aber da ist der Prozentsatz schon
sehr gering, die keinen Computer, also kein Internet haben, die sind
schon benachteiligt, aber, also ich muss sagen, es, sie lernen sehr schnell,
sie sind da sehr, es geht also flott, sie sind da in der Auffassung viel, also
einem Erwachsenen wesentlich (betont) überlegen. Ga, einem älteren
Menschen, ich meine, der ist da dann ja aufgeschmissen. Dann haben wir
in der Schule den Computerkurs, der ist alle 14tägig Montag, schließt
mit Zertifikat ab und der wird auch von einigen, von fünf oder sechs
Kindern in der Klasse, also es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit,
es ist nichts (betont) mehr Besonderes, so wir haben jetzt diesen Stand
erreicht.
IV: Ja, und schon seit 10 Jahren gibt es die Computer in der
Schulklasse?
IVP: Ja, wir waren eine der ersten Schulen überhaupt, die da online
waren, und es war ja, da war das wirklich ah, der Computer, da war eher
einer hat sich vielleicht ausgekannt und eher so, wenn wir ihm das
Internet erklärt haben, die Frau Direktor X war da sehr federführend im
Bezirk Y Stadt, das war ja fast so wie "ähhh" (verächtlicher Ausdruck)
ga, so "ähh" (betont skeptisch, verächtlich) ja, und auch von den, von
den Kolleginnen her, es ist eher so, dass wir gesagt haben, ja Maria, jetzt
sind wir schon so alt und jetzt kommt das Ding, und das ist ja eine
Selbstverständlichkeit (betont) geworden, dass man mit dem umgeht und
da, es ist jetzt eher wieder so, was ich beobachte, dass man jetzt wieder
weg, ein bisschen weg geht, dass man nicht zu viel Zeit vor dem
Computer sitzt, das eher der Trend so in die Richtung, als Erwachsener
jetzt aber, muss ich sagen, weil ich sage halt, ich schaue nicht zu viel
3
Fernsehen und nicht zu viel vor dem Computer. Das man eher ein
bisschen (Pause)
IV: Ja, mhm, einfach etwas kontrollierter im Umgang?
IVP: Ja, das eher der Weg in diese Richtung und einfach gezielter, was
brauche ich, was hole ich mir.
IV: Ja, mhm, und Sie haben es eh schon erwähnt, dieser Zugang und
Umgang mit dem Computer von Kinder im Vergleich zu den von
Erwachsenen (wird unterbrochen)
IVP:
Selbstverständlich,
komplett
selbstverständlich,
ohne
Schwellenangst und probieren wir's und und ja ja kommen selbst auf
sehr viel drauf, ga. Und ah, was, was mich eben auch immer so erstaunt,
wenn ich jetzt etwas Neues bekomme, wieder so ein neues Teil, und ein
Stecker und ein Kabel und die Kinder gehen da hin und ratsch, ratsch
und ich überlege und hoffentlich mache ich nichts falsch, ga. Und die
Kinder da stecken wir da und ziehen wir dort und das passt, ja.
IV: Also irgendwie intuitiv?
IVP: Ja, ja, die haben das, ich weiß nicht, werden die irgendwie mit dem
Gen jetzt schon geboren, oder so. Also es ist wirklich, ga. Also das ist
etwas, vor allem wo ich ein technisches Wildschwein bin (lacht) und die
Kinder sagen, da tun wir jetzt so und das erstaunt mich immer wieder
aufs Neue, ja.
IV: Aha, ja und wenn Sie jetzt so denken an Chancen und Risiken
vom Internet. Haben Sie da vielleicht spezielle Erfahrungen
gemacht, wo sie vielleicht einmal gedacht haben, das ist ein Bereich
der ist gefährlich oder eben wie von Ihnen erwähnt, das Google,
können sie da Erlebnisse schildern?
IVP: Ja, natürlich schauen die Kinder auch in Seiten rein, die für sie
nicht sind. Sie geben es dann aber auch zu. Also es wird eher, und in der
Schule ist halt die Auflage, ja es gibt, zu Hause kann ich es als Lehrerin,
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es ja nicht kontrollieren, aber in der Schule ist das alles, so etwas darf
man nicht. Und wer das macht, darf dann nicht zum Computer. Weil sie
tun ja auch zwischendurch gern auch spielen. Ich hab das dann so gesagt,
ich kann mich auf dich dann nicht verlassen, du klickst Seiten an, die für
dich nicht passen oder es gibt ja auch Seiten die für Erwachsene strafbar
sind, wenn man draufkommt, wer das gemacht hat. Ihnen das so dann
halt erklärt, ga. Wenn du das machst, dann kann ich dich nicht mehr zum
Computer dazu lassen. Das halten sie aber auch ein. Und wenn einer
einmal wirklich, sollte einer einmal etwas anklicken, dann sagen das eh
die anderen sofort und es ist ihnen dann aber eh, sie dann nur
versehentlich dort hin gerutscht, schauen sie dann nicht und schalten
weiter und ich glaube da sollte das ganze System ein bisschen, also,
gesichert.
IV: Mhm.
IVP: Ja, zumindest dass man als Erwachsener da so, wie beim, wie beim
Fernsehen so zum Beispiel, als ich hab da ja Premiere, ga, und da hab ich
18 Programme und das ist mit diesem Zugangscode und da habe ich vier
Zahlen und da kann zum Beispiel ein Minderjähriger nicht schauen. Das
gehört beim Computer auch, so einfach, da tipp ich ein, hab dann für
mich bestimmte Programme einfach hergenommen, ga, dass das also
jugendfrei und Jugendschutz, ga ein bisschen ah, wie soll ich sagen, ah,
dass das erkenntlich ist. Ga, weil das hab ich mir schon einmal gedacht,
beim Fernsehen ist das so gut, mit dem Pin-Code, das ist, da kommt
keiner rein, auch ein Fremder der da jetzt schauen will, geht nicht, ga
und ähm da [beim Computer] geht alles. Da gehört was gemacht.
IV: Ja, mhm, ähm, und wenn sie jetzt so an die motorischen
Fähigkeiten der Kinder denken, oder wie ich von einer anderen
Kollegin erfahren habe, dass wenn Kinder noch nicht einmal eine
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Schere halten können, dann hat das mit dem Computer keinen Sinn
in der Volksschule. Was denken Sie darüber?
IVP: Das sehe ich nicht so. Nein. Weil, ah, Motorik ist da genauso
vonnöten, finde ich eben, du kannst das nicht alles in einen Topf werfen,
weil die Motorik für den Computer ist eine andere als wie für die Schere,
ja. Und es gibt zum Beispiel, deshalb hat mir das so gefallen, weil ich
hab ja da so ein Nintendo Vi, falls Ihnen das etwas sagt.
IV: Aha, ja.
IVP: Und da kam von der Firma Nintendo jemand mit einem Nintendo
Vi und da wurden wir ausgewählt an diesem Test teilzunehmen. Und das
ist jetzt zum Beispiel genau das, wo ich ein super Sportprogramm hab.
Mit dem Nintendo Vii haben wir gespielt. Da hat es gegeben, also ich
hab zum Beispiel gespielt, Tennis. Ga. Du kannst Tennis, ah auch ein
Doppel spielen und du machst dabei auch die Bewegung. Das heißt du
kommst von der sitzenden Position weg und du stehst wirklich dort,
haltest das in der Hand spielst mit deinem virtuellen Gegner. Und da,
also, da kommt äh, also zumindest einmal eine Bewegung mit rein. Also
das hat mir von dem her also einmal gut gefallen. Ga, und auf der
anderen Seite, also ich meine, dass Kinder Bewegung machen ist Sache
der Eltern! Also, wenn ich selber nur als Couchpotato leb, dann kann ich
von meinem Kind nicht erwarten, dass es Bewegung macht, ga. Also,
weil ich hab ja eine Vorbildwirkung. Also das, ja das glaub ich nicht,
dass man das vergleichen kann.
IV: Mhm. Also der Computer in der Schule ist nicht mit der
Computernutzung zu Hause vergleichbar?
IVP: Ja.
IV: Ja und wenn sie jetzt so an Ihre eigene Kindheit zurück denken.
Wie sind da jetzt so Ihre Gefühle? Wenn Sie da jetzt so die
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Entwicklung vom Computer, den Internetsektor betrachten. Wie
sind da so Ihre Einschätzungen?
IVP: Ja, also es ist viel, es ist der Vorteil, dass man viel leichter zu
Wissen kommt. Das ist einmal, zu Informationen kommt. Wenn es
einem interessiert. Also man kann das ja nicht vergleichen, also wir
haben einen Fernseher gehabt und da war einmal in der Woche ein
Kinderprogramm, am Mittwoch um 17 Uhr der Kasper, ga. An das kann
ich mich noch erinnern. Und Lassi und Furi hat es gegeben. Aber das
war minimal, ga. Da ist vielleicht auch die Straße verkehrt, ga, das ist
einfach so. Ga, also das kann man nicht vergleichen, nicht das früher war
besser oder heute. Nein. Das kannst du nicht vergleichen.
IV: Mhm, gut. Ich hab da jetzt noch so eine Skalierungsfrage
eingebaut. Also wie wichtig ist für die Kinder, also aus der
Perspektive der Kinder, so aus Ihrem Bauchgefühl heraus geschätzt,
wie wichtig ist den Kindern der Computer wenn Sie an eine Skala
von eins bis 10 denken, wobei eins ist gar nicht wichtig und 10 ist
sehr wichtig? Wo würden Sie das ungefähr einordnen?
IVP: Also ich würde das so beim fünf einordnen.
IV: Mhm.
IVP: So in der Mitte. Also, sie lassen sich, wenn irgendetwas Lustiges zu
spielen ist, dann ist das nicht der Computer oder ich will dort hin, ga.
Wenn ich sage, Hofpause, ga, wenn sie unten laufen können oder
Computer-Pause, ga, dann ist ihnen die Hofpause immer noch lieber,
weil sie da draußen miteinander spielen können, ga.
IV: Ja, mhm.
IVP: Wenn ich im Winter oder dass Regenwetter ist und so, dann, wenn
irgendetwas vorgefallen ist, dann wird aber nichts Computer gespielt in
der großen Pause, weil ich teile Kinder ein, die in der Pause zum
Computer dürfen.
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IV: Aha, ja, ich habe gesehen, es sind zwei Computer hinten in der
Klasse, aha.
IVP: Ja, da leiden sie dann schon. Da darf dann aber keiner. Weil in der
großen Pause dürfen sie das sonst schon, ga, wenn wir her oben bleiben.
IV: Mhm.
IVP: Aber so, wenn jetzt die Hofpause ist, dann sagt keiner ma
hoffentlich regnet es wieder, dass wir zum Computer gehen dürfen. Da
tun sie lieber Basketball spielen.
IV: Aha, also den Bewegungsdrang ausleben?
IVP: Ja, genau, das ist ihnen wichtig.
IV: Aha, und bei der Einteilung, wer darf wann zum Computer, gibt
es da Konflikte oder so?
IVP: Nein, also ich gehe da ja nach einer Liste und sie können sich dann
ja schon ausrechnen wann sie drankommen, ga. Da gibt es keinen Streit.
Immer die ersten zwei, die zweiten zwei, und das wird abgehakt, und
dann gibt es keine Streiterei.
IV: Aha, spannend. Und ja, also wenn sie sagen, seit 10 Jahren sind
sie schon online in der Schule, wie ist es jetzt für Sie als Lehrerin
den Computer in den Unterricht einzubauen?
IVP: Ah, eine große Hilfe. Es gibt auch schon ein regelmäßiges Service
jetzt. Es gibt auch ja, also ganz tolle Lesesachen, weil haben ja auch das
Kleine Volk und da lade ich dann jedes Monat die Leseralley runter und
das sind dann ungefähr sechs Blätter, wo sie dann nicht das ganze Heft
lesen müssen, da musst du jetzt nicht Geschichte für Geschichte jetzt in
der Schule, sondern du kannst sagen, okay, 14 Tage habt ihr Zeit, da lest
ihr das und das, das kontrollierst dann und das tun sie auch, weil es gibt
dann immer entweder Punkte oder Sternchen und so.
IV: Sind die direkt am PC oder drucken Sie die aus?
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IVP: Nein, ich drucke die dann aus, ich kopiere es dann, sechs Seiten pro
Kind und das ist dann in der Lesemappe drin, ga.
IV: Aha, mhm.
IVP: Und auch so Arbeitsblätter lade ich mir viel runter. Das gibts auch.
Haben wir, ah, es gibt ein paar gute, ah, für Lehrer wo man sich so
Arbeitsblätter runterladen kann, ga. Das ist auch eine große Hilfe.
IV: Aha, ja.
IVP: Ma, also, es gibt schon sehr viel muss ich sagen.
IV: Aha, also Sie stehen dem Computer und dem Internet positiv
gegenüber?
IVP: Ja, ich stehe dem ganz positiv gegenüber. Ja, ah, gibts Lehrer die
dem nicht so positiv gegenüber stehen?
IV: Ja, also ich hab da einen Forschungspartner, ländlicher Raum
und da ist es für gewisse Lehrer durchaus schwierig.
IVP: Echt? Also ich sag immer, also für mich ist das nicht, also es ist ja
eigentlich eine Bereicherung und nicht. also ich sage immer, du kannst
das nicht vergleichen, weil vor 50 Jahren hat keiner einen Geschirrspüler
gehabt und vor 30 Jahren hat jeder gesagt, ah so ein Blödsinn, die paar
Teller werde ich wohl selbst abwaschen. Aber sobald du einen hast, sagst
du super, zag, hinein damit. Ga, also das ist so. Ich finde du sollst dich
nicht immer so abschrecken lassen. Aber du musst so weit sein als
Konsument, dass du sagst, das bringt mir jetzt etwas, das mache ich, das
macht mir Spaß.
IV: Aha. Und wenn ich jetzt die Floskl in den Raum werfe, der
Computer als Zeiträuber, weil das auch im Zuge meiner Forschung
aufgekommen ist.
IVP: Ah, ja, es ist schon manchmal so, dass du dich vertust von der Zeit.
Aber eben ich glaube, je länger wir den Computer verwenden, um so
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besser können wir mit ihm umgehen, um so schneller werden wir, um so
besser kennen wir uns aus, um so geringer wird die Zeit. Ga.
IV: Mhm.
IVP: Also ja, ich bin am Anfang auch Stunden gesessen, ga, und du
übersiehst die Zeit und du glaubst schnell eine Stunde und dann sind
drei, vier Stunden weg. Weil du einen Fehler suchst oder eben irgendwo
hinaus fällst, ga.
IV: Mhm, und haben die Kinder im Umgang mit der Maus oder der
Tastatur Probleme?
IVP: Nein, also weniger. Was mich nur immer ärgert. Also wir haben
diese Woche wieder Patronen gekauft für den Drucker, und da gibt es,
die eine gibt es nur im Doppelpack die Patrone und die eine brauchst
auch noch und da kosten dann drei Patronen 70 Euro und um das kaufst
dann bald wieder einen neuen Drucker. Da müssten sie irgendetwas im
Preisverhältnis auch bedenken. Ga, also das ist schon viel.
IV: Ja, mhm.
IVP: Ja das sind 1000 Schilling fast für drei Patronen.
IV: Ja, ja.
IVP: Ja, das finde ich schon teuer. Ja. Okay, man kommt dann schon
wieder lange aus, aber trotzdem. (Pause)
IV: Ähm, wenn die Kinder jetzt Zugang zum Computer haben, was
machen sie denn dann am Liebsten, so aus Ihrer Erfahrung heraus?
Sie haben gesagt sie googeln?
IVP: Ja, sie googeln und Spiele. Ja Spiele. Das sind die Favoriten.
IV: Aha, und haben sie da so Seiten?
IVP: Ja und die kennen sich da aus, wo was ist. Also ich habe das bis
heute noch nicht durchschaut, weil ich lasse sie eigentlich selber spielen
am Computer in der Pause. Ich kontrolliere das nicht ständig, aber ich
muss mich auch darauf verlassen können, dass sie keine unerlaubten
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Seiten anklicken. Aber ich gehe da dann nicht hin uns sage, was spielst
du da jetzt genau. Weil meistens erzählen sie es mir, es ist dann so, dass
die anderen zuschauen im Hintergrund, und dass sie mich dann eh
fragen, das ist was ganz tolles, neues, darf ich das jetzt spielen. Sie
sagen, da Frau Lehrerin, das ist ein super Spiel, da musst du auch einmal
rein klicken, dann sage ich, das interessiert mich aber weniger.
IV: Aha, ja, ja.
IVP: Und das sagen sie dann aber auch den anderen. Wo hasst den du
das gefunden und die sagen dann das ist dort und dort.
IV: Mhm, das wird ausgetauscht.
IVP: Ja, also der Austausch funktioniert. Und ja, sie kaufen sich dann
auch Spiele. Sie sparen auf Spiele. Die sie eben nicht vom Internet
haben, sondern wo sie eben eine CD-Rom einlegen und da gibt es ja
ganz gute, aber da kenne ich mich nicht aus, ga.
IV: Mhm, ja.
IVP: Ja, also da soll es ganz tolle geben. Da kennen sie sich ganz gut
aus. Und da wird auch getauscht und eben gespart für Spiele und sich
eben gewünscht, ganz gezielt, ga. Das hätte ich gerne und wenn ich jetzt
ein gutes Zeugnis habe, dann kann ich mir dieses Spiel wünschen. Ja.
IV: Aha.
IVP: Wie viele Stunden sie dann natürlich sitzen, die Kinder, bei den
Lieblingsspielen, das ist dann wahrscheinlich nicht das beste. Also von
dem her.
IV: Ist das dann wahrscheinlich von Kind zu Kind verschieden?
IVP: Ja, also, aber ich glaube schon, je mehr die Eltern das Kind sich
selbst überlassen, um so mehr Zeit haben sie für den Computer, um so
mehr Zeit haben sie für die Spiele, wenn die Eltern den Kindern keine
Alternativprogramm bieten, ga. Das ist es. Das ist es.
IV: Aha, mhm. Das habe ich auch schon öfter gehört.
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IVP: Ja und auch das Wetter, ga. Je schlechter das Wetter ist, wenn am
Wochenende das Wetter schlecht war, sind am Montag die Kinder nicht
zum Aushalten.
IV: Merken Sie das wirklich auch?
IVP: Ja, krass. Das ist krass. Die sind am Montag nicht zum Aushalten.
Also wenn das jetzt so ist, dass sie am Samstag, Sonntag, gemma,
draußen, dann sind sie am Montag fertig wie die Lämmer. Das ist ein
irrsinniger Unterschied. Das glaubt man gar nicht.
IV: Mhm, wie würden sie dieses Montagssyndrom beschreiben, auf
was ist es zurückzuführen? Ist es die Reizüberflutung durch
Computer und Fernsehen? Wie sehen Sie das?
IVP: Also, nein, ich glaube, das wird überbewertet. Das ist meine
Meinung. Ich glaub das wird überbewertet. Also, und ich meine, ich als
Elternteil ich habe immer noch eine Verantwortung. Ich kann nicht alles
auf die Medien schieben und auf die Schule schieben und die sollen das
machen und die sollen das machen. Ich muss das ja selber entscheiden,
auch was gebe ich meinem Kind zu essen. Nicht. Das muss ich schon ein
bisschen selbst wissen und entscheiden, was kaufe ich und welches Spiel
kaufe ich und kann mein Kind, darf es allein zum Computer, darf es
täglich oder nur einmal in der Woche. Also ich habe Kinder drinnen, die
dürfen nur Freitag, Samstag zum Computer. Weil da ist die Schule aus
und da darfst du, Freitag, Samstag darfst du, aber nicht unter der Woche.
IV: Mhm, was ich mir ja auch schwierig vorstelle, das überhaupt zu
kontrollieren, wenn beide Eltern berufstätig sind, und das Kind
alleine zu Hause ist.
IVP: Eben und da meine ich, da gehört so eine Sicherung, also so mit
Pin-Codes.
IV: Ja, mhm, und ah, wie sehen Sie die Thematik der
Gleichberechtigung? Wenn Kinder also zu Hause keinen Computer
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haben, dass dann die Schule die Möglichkeit bieten kann, diese
Ungleichheit ein bisschen auszugleichen. Wie denken Sie da
darüber?
IVP: Ja, ja, auf jeden Fall. Weil die es ja dann von denen lernen, die es
schon können, das geht dann ganz schnell. Die zeigen es ihnen und die
kennen sich dann in der Schule aus, auch wenn sie zu Hause keinen
Computer haben. Die fragen dann eben, ma kann ich mein Referat da
ausdrucken, kann ich mir das Wort da googeln. Das ist, das geht ruck
zuck, das ist gar kein Problem, ga. Ja.
IV: Aha, also sie haben hier die Möglichkeiten.
IVP: Ja, das geht ganz toll. Also wir haben ja auch hier drinnen vier
Computer und die sind alle online, da ist die Computergruppe drinnen,
bei mir in der Klasse hab ich zwei. Und da kann ich auch, wenn ich
hernehme, jetzt habe ich 16 Kinder, dann gehe ich in diesen
Computerraum und sie können zu viert zusammen gehen und ich kann
super arbeiten. Ich sage dann, ihr macht‟s das, und ihr macht‟s das, und
ihr macht‟s das. Ich habe zumindest da an der Schule die Möglichkeit,
jedes Kind, ganz Wurst ob es zu Hause einen Computer oder Internet
hat, sie zum Computer zu führen, die Möglichkeit. Ja, drüben habe ich ja
nur zwei. (unverständlich - Kinder laufen vorbei) Alle Klassen auch die
erste und zweite Schulstufe lernen bei uns schon den Umgang mit dem
Computer. Also und ich muss sagen, wenn ich so wie ich jetzt habe 16
Kinder, zu viert auf einem Computer, zwei tun, zwei schauen zu und wir
tun uns dann abwechseln, also das funktioniert super.
IV: Mhm, ja, sie lernen dann auch voneinander.
(ein Schüler kommt herein)
IVP: Ja, genau. Und die die sich nicht so gut auskennen, die, die M.
(spricht ein Kind an) Meso du hast zu Hause keinen Computer.
M.: Nur einen ganz alten.
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IVP: Nur einen alten, du kennst dich trotzdem am Computer super aus,
ga. Das kann er ja, er schaut da im Internet nach, ja.
M: Ja sicher. (geht wieder)
IVP: Ja, das ist für die ganz selbstverständlich.
IV: Arbeiten sie auch mit Lernprogrammen? Ich habe dieses
Budenberg kennengelernt?
IVP: Nein, das verwende ich eigentlich wenig. Ich habe ah, von unseren
Schulbüchern gibt es teilweise die CD-Roms, und da druck ich oft etwas
aus oder ich lasse sie so arbeiten, aber dass ich so ein Lernprogramm, ah,
das müsst ich vorher so durch kontrollieren und da muss ich ehrlich
sagen, das ist dann für mich wieder so viel Zeitaufwand und irgendetwas
lasse ich sie nicht machen, weil ich muss ja dahinterstehen, was ich in
der Schule mache, ga. Und da muss ich das zumindest, da muss das
passen. Also wenn ich, wenn die Lehrerin sagt, das ist okay, dann, aber
wenn ich nur sage, ich mache das Programm und das mache ich, also ich
muss sagen, ich riskiere, das ist mir dann zu riskant.
IV: Ja, mhm.
IVP: Also wenn ich sage, das mache ich von meinem Arbeitsbuch, dann
passt das auch für mich. Aber wenn ich da irgendetwas, nein, das trau
ich mich nicht.
IV: Aha, also zum Schulbuch dazu?
IVP: Ja, das nehme ich. Aber irgendetwas anderes, das traue ich mich
ehrlich gesagt nicht. Weil da müsste ich selber alles durchschauen und
das ist mir wieder zu viel Aufwand.
IV: Mhm, mhm. Und haben sie da extra eine Schulung gehabt oder
sind sie da einfach mit hineingewachsen in die ganze Entwicklung?
IVP: Reingewachsen. Reingewachsen. Ja, am Anfang, ich habe ja 1986
(betont) den ersten Computer gehabt, ga. Das war ja überhaupt noch
einer der ersten, da hat es ja noch keine Maus und überhaupt noch gar
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nichts gegeben und das war ja eine Katastrophe. Und zwar haben wir das
deshalb gehabt, weil mein Mann ja eine Firma hat und da hat er ins Büro
1986 einen der ersten Computer reingestellt, ga. Und dann hat er zu mir,
und ich sollte auf diesem Computer Rechnungen schreiben, ga.
Schreiben wir die Rechnungen dort und das ist ja, ma das ist jetzt 21
Jahre her. Das ist ja ein Wahnsinn. Und dann hab ich einfach gesagt,
okay und Maschineschreiben habe ich ja immer einigermaßen so
können, ich habe das zwar nicht so richtig, so professionell gelernt, aber
ich habe halt so geschrieben und da habe ich halt so gewisse Sachen
können. Und dann (lacht) ist dieser Computer kommen. Und das war ein
Horror. Der ist abgestürzt, dann war da so ein, ja dass er schwarz weiß
war, das war ja sowieso, und wenn du einen Fehler gemacht hast, du hast
ja nichts korrigieren können. Du hast sozusagen alles neu schreiben
können. Das hast du löschen können nicht und du hast ja nichts gehabt
und so. Und das war so, dass ich zuerst gesagt habe, so ein Blödsinn.
Dieses Gerät. Ja, aber irgendwie ist das alles dann irgendwie immer,
dann aber irgendwie sind wir reingewachsen, ga. Und da sind wir
wirklich teilweise stundenlang, weil das Ding nicht funktioniert hat,
gesessen, also wirklich stundenlang. Aber an das denkt man heute nicht
mehr. Also sagen wir es einmal so, es denkt bei uns heute keiner mehr
darüber nach. Dann sind die Kinder gekommen, die haben schon
Informatik gehabt, vor 15 Jahren, vor 10, 15 Jahren und HTL und da hat
es dann das Skriptum auch gegeben und da hab ich dann nachgeschaut,
das ist ja alles drinnen. Oder wenn die Kinder haben etwas nicht gewusst
oder ich hab etwas nicht gewusst, dann haben sie gesagt, das haben wir
so gelernt, oder das geht jetzt so oder ich habe so blöd herum und mein
Sohn, da brauchst du nur oben markieren und dann ist alles markiert.
Und so lernst, ich finde, so lernst am meisten.
IV: Aha, also sie haben auch von den Kindern gelernt?
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IVP: Ja und von dem Skriptum eben.
IV: Darf ich fragen wie alt ihre Kinder heute sind.
IVP: Ja, 30 und 28. Und die haben alle schon im Gymnasium Informatik
gehabt. Ja, und, und der Bub ist dann überhaupt HTL gegangen, und der
hat dann ja alles, der war ja spitze, der hat dann alles gemacht, der hat
mir dann alles installiert. Und das ist auch noch heute so, wenn etwas
nicht funktioniert dann schreie ich und er kommt und er macht dann ja
alles, ga (lacht). Dann muss ich mich nicht ärgern und so und auch wenn
mit dem Drucker etwas ist, dann macht er das.
IV: (lacht) das ist dann die Rettung, wenn man jemanden hat der
sich auskennt.
IVP: Ja das sind halt die technischen Sachen, aber sonst, sonst kenne ich
mich auch aus.
IV: Also sie sind Neuerungen positiv gegenüber eingestellt.
IVP: Ja, also, alles was neu ist, ich habe immer gerne neue Sachen.
IV: Als einfach offen sein. Ja und irgendwie kann man dem ja nicht
entfliehen.
IVP: Ja, also man kann den ja nicht als Feind betrachten. Ich muss ihn ja
nicht verwenden, wenn ich nicht will.
IV: Es gibt also immer die Option?
IVP: Ja ich muss es ja nicht verwenden. Aber es ist ja praktisch. Es ist ja
für jeden Lehrer praktisch. Ich mache das Arbeitsblatt einmal, dann
speicher ich es ab. Ich habe alles abgespeichert und dann tu ich das halt
um mit den Zahlen und so. Es ist ja für mich auch eine Erleichterung. Ich
kann ja, das ist ja super. Ich habe ja meine Ordner wo ich das angelegt
habe und ich kann das dann umändern. Ob das jetzt Sprachlehre ist,
Maria na, tu ich halt ein bisschen umändern nach einem Jahr, wenn es
wieder kommt, ga. Weil sich was geändert hat. Aber es ist ja, für mich
ist das ja super. Ich meine, wer macht das denn noch irgendwo, auf einer
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Mattitzn oder so irgendwie, ich weiß nicht, das gibt es ja jetzt nicht
mehr, aber ich meine auf der Maschin hat man ja einen Nachteil, weil
man da ja nichts mehr verändern kann, da muss er ja noch einmal alles
ändern. Ga.
IV: Mhm. Ja.
IVP: Ja, das muss man schon sehen.
IV: Ja.
IVP: Ja, ich finde, ich meine ich bin zwar kein Sklave von meinem
Computer. Ich sitze auch einmal ein, zwei Tage nicht dran, aber ich sage,
wenn ich ihn nutze, dann möcht ich ihn auch so nutzen, dass ich sage,
okay das ist optimal.
IV: Mhm.
IVP: Sicher wenn ich mir total schwer tu und ich habe noch nie mit einer
Tastatur gearbeitet, sicher es ist der Einstieg schon auch schwer, wenn
einer nicht einmal gescheit Maschineschreiben hat können. Und ich bin
aber jetzt schon so lange dabei, dass mich, dass er mir Wurst geworden
ist, der Computer. Ga, wissen sie, ich denke nicht darüber nach. So wie
ich ins Auto einsteige, das ist mir auch Wurst. Ga. Weil wenn ich daran
denke, wie ich den Führerschein frisch gemacht habe, da war ja alles
ohohoh (ausrufend), ga. Das ist einfach der Zugang zu dem. Und die
Kinder kommen aber mit dem Zugang, weil es ihnen Wurst ist.
IV: Aha. Unproblematisch?
IVP: Ja, und wir haben ja auch so neue KollegInnen gehabt, die dann
gekommen sind und dann im Umgang mit der Maus, uh die Maus und so
deppert, ga, und wahrscheinlich wird dann nie etwas draus. Also ich
weiß nicht, ja, ga.
IV: Mhm. ja.
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IVP: Nein, es ist, also ich sage, er gehört zu meinem Leben dazu, ich
möchte ihn nicht missen, aber ich will ihn auch nicht überbewerten. So
wie er ist, ist er.
IV: Mhm.
IVP: Ich will meinen Fernseher haben, ich will meine Computer haben,
ich will meine Stereoanalage haben und so. Und ich brauche ein Handy,
und einen CD-Player und (lacht) eine I-Pod.
IV: Ja, mhm.
IVP: Oder dass du heute im Auto einen Radio hast. Vor 20, 30 Jahren
hast du keinen Radio im Auto gehabt. Jetzt muss da alles drinnen sein. Ja
genau und ein Navigationssystem musst du auch schon fast haben. Weil
das ist ja so praktisch. Das ist ja wirklich ideal, wenn du in einer fremden
Stadt bist und so, also wirklich ideal.
IV: Mhm. Ja, für mich ist das auch sehr nützlich, weil ich
geographisch nicht so bewandert bin (lacht).
IVP: Ja, also ich möchte die Neuerungen nicht missen.
IV: Ja, Dankeschön für Ihre Zeit und für das interessante Gespräch.