B3-32/11 und B3-49/12
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B3-32/11 und B3-49/12
Fallbericht 16. April 2013 Verfahrenseinstellung nach Entflechtung der kirchlichen Krankenhausträger Marienhaus und Barmherzige Brüder Trier in der Region Trier Branche: Krankenhäuser Aktenzeichen: B 3 - 32/11, B 3 - 49/12 Datum der Entscheidung: 3. April 2013 Nach Intervention des Bundeskartellamtes haben der Orden der Waldbreitbacher Franziskanerinnen (im Folgenden: WBF) und der Barmherzige Brüder Trier e.V. (im Folgenden: BBT) ihre vor mehreren Jahren ohne Anmeldung vollzogene Verflechtung auf den Krankenhausmärkten in der Region Trier aufgelöst. Das von der zuständigen Beschlussabteilung eingeleitete Entflechtungsverfahren konnte danach eingestellt werden. Zu den wettbewerblich erheblichen Verflechtungen kam es im Zuge der Sanierung der ursprünglich vom Bistum Trier kontrollierten caritas trägergesellschaft e.V. (im Folgenden: ctt-alt). Der vom Bistum Trier kontrollierte ctt-alt geriet 1999 in eine finanzielle Schieflage. Zur Rettung engagierte sich WBF in der ctt-alt. Hierzu traten im Juli 2003 fünf Ordensschwestern des WBF dem damals aus 13 Mitgliedern bestehenden Verein bei. Zu den weiteren Mitgliedern zählte auch ein Vertreter des BBT. Ein Vereinsmitglied trat im Dezember 2003 aus, drei weitere im Juli 2005, wodurch der WBF alleinige Kontrolle über die ctt-alt erhielt. Im Jahr 2008 errichteten die ebenfalls von WBF kontrollierte Marienhaus Kranken- und Pflege GmbH (im Folgenden: Marienhaus) und der BBT die Hildegard-Stiftung in Trier. Nach der Stiftungssatzung verfügte WBF über ein verbindliches Vorschlagsrecht für 3 Mitglieder des fünfköpfigen Stiftungsvorstandes als einzigem Organ der Stiftung, der BBT über ein verbindliches Vorschlagsrecht für 2 Vorstandsmitglieder. Die Stiftung trat nach ihrer Errichtung im September 2008 dem ctt-alt als Mitglied bei, in der Folgezeit schieden alle natürlichen Personen als Vereinsmitglieder aus. Daraufhin wurde 2009 der ctt-alt in eine GmbH umgewandelt und firmiert seitdem als caritas trägergesellschaft trier mbH (ctt-neu). Alleinige Gesellschafterin von ctt-neu ist demnach heute die HildegardStiftung. WBT und BBT haben durch die Zusammenfassung ihrer Aktivitäten auf den Krankenhausmärkten in der Region Trier mehrfach gegen das Vollzugsverbot verstoßen. Weder die Beteiligung von WBF an ctt-alt noch die spätere Einbindung des BBT in die Gruppe aus WBF und ctt-alt 1 sind vor dem Vollzug beim Bundeskartellamt angemeldet worden. Bereits der Erwerb von 5 von 13 Stimmen und damit von 38 % der Stimmrechte in der Mitgliederversammlung des ctt-alt durch WBF im Juli 2003 erfüllte den Zusammenschlusstatbestand des Anteilserwerbs. Mit der Übernahme der Mehrheit der Stimmrechte in der Mitgliederversammlung von ctt-alt ab Juli 2006 erlangte WBF die – erneut anmeldepflichtige – alleinige Kontrolle über den Verein. Die gemeinsame Gründung der Hildegard-Stiftung durch WBF (über Marienhaus) und BBT im Jahr 2008 und die nachfolgende Einbindung von ctt-alt in ctt-neu als Tochtergesellschaft der Stiftung erfüllten die Zusammenschlusstatbestände des Gemeinschaftsunternehmens sowie zumindest des mittelbaren wettbewerblich erheblichen Einflusses von BBT auf ctt-neu. Das Bundeskartellamt erhielt erst 2009 durch Ermittlungen im Fusionskontrollverfahren wegen der geplanten Übernahme des Verbundkrankenhauses Bernkastel-Wittlich durch BBT Kenntnis von den nicht angemeldeten Zusammenschlüssen von WBF, BBT und ctt. Nachdem BBT das Vorhaben, das Verbundkrankenhaus zu erwerben, aufgegeben hatte, leitete das Bundeskartellamt ein Entflechtungsverfahren im Hinblick auf die nicht angemeldeten Zusammenschlüsse ein. WBF betreibt über Marienhaus und die mittlerweile neu gegründete Marienhaus-Stiftung insgesamt 20 Krankenhäuser an 32 Standorten, hauptsächlich in den Bundesländern RheinlandPfalz und Saarland sowie in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus ist Marienhaus Träger weiterer sozialen Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheime, Hospize und Kinder- und Jugendeinrichtungen. BBT ist Träger von insgesamt sieben Krankenhäusern, darunter insbesondere dem Brüderkrankenhaus Trier. Ferner verfügt der Orden über sieben medizinische Versorgungszentren, die überwiegend in Rheinland-Pfalz liegen, sowie über weitere Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens. ctt betreibt u.a. das Verbundkrankenhaus Bernkastel-Wittlich mit den Standorten St. Elisabeth-Krankenhaus in Wittlich und Cusanus-Krankenhaus in Bernkastel sowie zwei Krankenhäuser im nördlichen Saarland. In dem Entflechtungsverfahren wurden insbesondere die Märkte für die stationäre Krankenhausbehandlung in der Region Trier und im nördlichen Saarland untersucht. Marienhaus betreibt in der Region Trier die Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung in Bitburg, Neuerburg, Gerolstein und Hermeskeil. Ferner war Marienhaus auch das aus dem Marienkrankenhaus und dem Evangelischen Elisabethkrankenhaus gebildete Ökumenische Verbundkrankenhaus Trier zuzurechnen. ctt betreibt in der Region das Verbundkrankenhaus Bernkastel-Wittlich als Krankenhaus der Regelversorgung und BBT das Brüderkrankenhaus in Trier. Dieses ist als Krankenhaus der Schwerpunktversorgung Lehrkrankenhaus der Universität Mainz und größtes Krankenhaus in der Region Trier. 2 Die Ermittlungen auf der Grundlage der vom Bundeskartellamt für das Jahr 2008 erhobenen Daten ergaben marktbeherrschende Stellungen von ctt im Markt Bernkastel-Wittlich und von Marienhaus im Gebiet Bitburg. Sie erreichen dort jeweils Marktanteile von über 50% mit deutlichem Abstand vor den nachfolgenden Wettbewerbern. Durch den Zusammenschluss zwischen Marienhaus und ctt wurden die bedeutendsten Wettbewerber mit dem jeweils führenden Anbieter in den einzelnen Gebieten zusammengeschlossen und dessen marktbeherrschende Stellung jeweils verstärkt. Gemeinsam erreichten sie in den Gebieten Bernkastel-Wittlich und Bitburg jeweils Marktanteile von über 55% mit weitem Abstand von über 40%-Punkten vor den nachfolgenden Wettbewerbern. Der spätere Zusammenschluss mit BBT über die Hildegard-Stiftung verschlechterte die Wettbewerbssituation nochmals, mit gemeinsamen Marktanteilen in den Gebieten BernkastelWittlich und Bitburg von über 70% und im Gebiet Trier von über 60%, und jeweils mit außerordentlichem Vorsprung vor den Wettbewerbern, die in der Region Einzelkrankenhäuser betreiben. Mit der Beteiligung von BBT an der Hildegard-Stiftung entfiel der Träger mit dem größten Krankenhaus in Trier als Oberzentrum der Region als größter Wettbewerber von Marienhaus und ctt. Die Marktstellungen auf Grundlage der Daten des Jahres 2008 bestätigten sich auch anhand der Daten für 2009. In Verhandlungen mit den Krankenhausträgern hat das Bundeskartellamt erreicht, dass der BBT die Hildegard-Stiftung endgültig verlassen und die gesellschaftsrechtliche Verbindung zu WBF und ctt beendet hat. Um die fortbestehenden Bedenken gegen die Beteiligung von Marienhaus an ctt zu beseitigen, hat WBF zudem die Kontrolle über das Ökumenische Verbundkrankenhaus Trier an Agaplesion abgegeben und die eigene Beteiligung so weit abgesenkt, dass kein wettbewerblich erheblicher Einfluss mehr damit verbunden ist. Der in Umsetzung der Entflechtungsmaßnahmen beim Bundeskartellamt angemeldete Kontrollerwerb von Agaplesion über das Ökumenische Verbundkrankenhaus Trier wurde freigegeben und mittlerweile vollzogen. Da die wettbewerblichen Bedenken gegen die nicht angemeldeten Zusammenschlüsse hierdurch beseitigt wurden, hat das Bundeskartellamt die deshalb eingeleiteten Verfahren eingestellt. Im Zuge des Verfahrens hat das Bundeskartellamt erstmals auf der Grundlage des Krankenhausentgeltgesetzes das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) als Sachverständigen bestellt und auf der Grundlage der eigenen Auswertungen für 2008 eine Auswertung des InEK für das Jahr 2009 in Auftrag gegeben. Die Zusammenarbeit zeigte, dass die derzeitige Regelung des Krankenhausentgeltgesetzes keinen regelmäßigen Rückgriff des Bundeskartellamts auf die Daten des InEK für die Zwecke der Fusionskontrolle erlaubt. Das Bundeskar3 tellamt kann Auswertungen erst dann bei der InEK in Auftrag geben, wenn ihm die Märkte aus vorangegangenen eigenen Ermittlungen bekannt sind. Ferner benötigen Auswertungen des InEK in Anbetracht der engen Fusionskontrollfristen zu viel Zeit. Gegenwärtig müssen die Daten daher aufwändig von den einzelnen Krankenhäusern mit Auskunftsbeschlüssen angefordert werden, obwohl sie bei der INEK bereits vorliegen. Das bisherige Verfahren bringt einen wesentlichen Zusatzaufwand für die beteiligten Krankenhäuser und für das Bundeskartellamt mit sich, der durch die Datenübermittlung durch die INEK vermeidbar wäre. Es wäre daher sachgerechter, das InEK stellte dem Bundeskartellamt unmittelbar die für eine Auswertung durch das Bundeskartellamt benötigten Daten zur Verfügung. Dies war im Referentenentwurf zur 8. GWBNovelle vorgesehen. 4