AdVoice 02/2015 - Forum Junge Anwaltschaft

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AdVoice 02/2015 - Forum Junge Anwaltschaft
Anwalt der Anwälte
G 48742
02/15
FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein
Thema:
Liebe
Foto-Love-Story
Ja-Wort in Love Vegas
Liebe im Büro
Klick, klick, klick – geschieden
Skurrile Urteile
FORUM Junge Anwaltschaft
w w w . d a v f o r u m . d e
Save the Date!
20 Jahre FORUM Junge Anwaltschaft – Die Jubiläumsveranstaltung.
Am 18. und 19. September 2015 im Quality Hotel Plaza Dresden.
Weitere Informationen unter www.davforum.de oder
[email protected] | 030 / 726 153 182
Starthilfe | Fachvorträge | Netzwerk
Editorial
Die schönste Sache der Welt
Liebe AdVoice-Leserinnen und -Leser,
wenn Ihr dieses Heft in den Händen haltet, ist er
hoffentlich schon da: der langersehnte Frühling
und mit ihm die Schmetterlinge im Bauch. Nicht
nur im Tierreich ist der Frühling bekanntlich die Zeit
der Liebe. Auch wir Zweibeiner flirten, daten und
heiraten, was das Zeug hält. Gesegnet seien diejenigen, die bei all diesen großen Gefühlen die ungeliebten und wenig romantischen Rechtsfolgen ausblenden können. Uns dürfte dies auf Grund unserer
chronischen Berufskrankheit nur in Fällen akuter
schwerwiegender Verliebtheit gelingen.
Vielleicht nur auf den ersten Blick ein Nachteil, denn
tatsächlich birgt die Kombination Liebe und Recht
ordentlich Zündstoff. Was mit Knebelverträgen
beim Online-Dating oder einer bei Ausnüchterung
bereuten Blitzheirat in Las Vegas beginnt, endet
vielleicht schon wenige Monate später in einer Online-Scheidung oder gar einem gruseligen Stalking-Drama, dem erst eine Deeskalationshaft Abhilfe schaffen kann.
Nun aber genug der Schwarzmalerei. Liebe ist auch
für uns Juristen die schönste Sache der Welt. Punkt.
Wer sich von diesem Heft allerdings auch heiße
Infos über die andere schönste Sache der Welt erhofft, wird leider enttäuscht werden. Wir vertrösten
dich mit unserem Archiv und der Ausgabe 2/2011,
in der es ausschließlich um „das Eine“ ging.
In unserer Foto-Love-Story geht es dann doch noch
unglaublich romantisch zu, versprochen. Jetzt
gleich als erstes hinblättern und von süßen Boys
und Girls in Robe träumen! Genießt beim Schmökern in dieser Ausgabe den Blick durch die rosarote
Brille, denn in der nächsten Ausgabe wenden wir
uns dem erhabenen,wwww aber nicht weniger
spannenden Thema „Europa“ zu. Das ist euer
Thema? Auf diesem Gebiet seid ihr Experten? Dann
schreibt uns! Gerne drucken wir eure Anregungen
oder Beiträge ab. Die AdVoice lebt von eurer Mitgestaltung.
Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir mit
dieser herzigen Ausgabe ganz viel Freude. Ihr
werdet sie LIEBEN.
Wer auf Nummer sicher gehen will, verliebt sich
vielleicht lieber gar nicht in ein menschliches Wesen
sondern in seinen Job, den Eiffelturm oder die Berliner Mauer. Die gute alte Ehe ist doch ohnehin
überbewertet. Lohnt sich heiraten überhaupt noch?
Auch finanziell? Es lebe die nichteheliche Lebensgemeinschaft!
AdVoice
Redaktionsteam
Stefanie Salzmann
Eschwege
Journalistin
Zentralredaktion
Eure RAin Lea Hogrefe-Weichhan
Tobias Sommer
Berlin
Rechtsanwalt
Chefredakteur
Andreas Hansmeier
Karlsruhe
Rechtsanwalt
Redakteur und Autor
Nadine Passenheim
Hannover
Rechtsanwältin
Redakteurin und Autorin
Lea Hogrefe-Weichhan
Mönkeberg
Rechtsanwältin
Redakteurin und Autorin
Jens Jenau
Schloß Holte-Stukenbrock
Rechtsanwalt
Bücherforum
Andrea Vollmer
Berlin
Fotografin und
Bildredakteurin
AdVoice 02/15
1
Thema
Thema: Liebe
20
Verheiratet mit der Berliner Mauer
Die Liebe zum Objekt ist
juristisch noch unerschlossen
24
Noch ’n Gedicht
Skurrile Geschichten aus
dem Alltag der Justitia
Zusammen und zusammen
Ehe vs. nichteheliche
Lebensgemeinschaft
22
Liebe in Zahlen
Zahlen, Daten Fakten über
die schönste Sache der Welt
27
Gedicht des Monats
Von Christian Hofmann
von Hofmannswaldau
I love my job
Der Anwaltsberuf – vom
Mythos zur wahren Liebe
23
Ansichtssache
Wie Kinder das
Thema Liebe sehen
28
Ich komme nie mehr zurück
Ausgezeichnete Menschenrechtsfilme
32
Gericht des Monats
Gerichtshof der Europäischen Union
34
Justitias Geldgeschenke
Wie Richter und Staatsanwälte
tricksen können
38
Serienweise Anwalt
Juristisches Binge Watching
auf der Berlinale 2015
42
Haft für Klausuren-Richter
Aberkennung von
Abschlüssen droht
44
Zöllner mit Recht
Auszeichnung von Thomas
Peterkas Zollkanzlei
45
Die Schlagzeile im Kopf
Worauf es im Umgang
mit Journalisten ankommt
4
Freiwillig Lebenslänglich
Foto-Love-Story
8
11
12
Auch die Absage ist Kontakt
Liebe per Online-Dating ist
in erster Line ein Geschäft
14
Liebe im Büro
Dürfen Beziehungen unter
Kollegen verboten werden?
15
Ja-Wort in Love Vegas
Heiraten im Ausland hat Tücken –
Tipps, die man beachten sollte
16
Klick, klick, klick – geschieden
Online-Scheidung: schnell,
bequem und günstig
18
Liebe im Verfolgungswahn
Stalking hat schwerwiegende
Folgen für die Opfer
2
Magazin
AdVoice 02/15
Fotos v. l. n. r.: Andrea Vollmer / Martin Berk_pixelio.de / Hiero_pixelio.de (2) / Andrea Vollmer
Thema
JuraInfos
46
Erfolgreich als Anwalt
Ein Überblick über
Controlling und Finanzplanung
Bücherforum
!
56
FamFG-Kommentar
Info + Service
63
Autorenverzeichnis
64
Das letzte Wort
64
Impressum
64
Vorschau
Münchener Anwaltshandbuch
Straßenverkehrsrecht
AnwaltFormulare Mandanteninformationen
48
49
50
Aus der Schlichtungsstelle
Trunkenheitsfahrt, Diebstahl,
und Strafbefehl
57
Münchener Kommentar
Bürgerliches Gesetzbuch
Band 10: Internationales Privatrecht I
Prämie Teil des Gehalts?
Über die Versteuerung der
Beiträge zur Berufshaftpflicht
JuraNews
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht
Handbuch des Fachanwalts
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
58
Musteranträge für Pfändung und Überweisung
Handkommentar Arbeitsgerichtsgesetz
Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht
Euer FORUM
59
Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht
Strafgesetzbuch
60
53
AG Syndikusanwälte
Vorteile für FORUMsmitglieder:
Arbeitsgemeinschaften des DAV
53
Termine
54
Streitkultur im Wandel
66. Deutscher Anwaltstag, Hamburg
55
FORUM regional
Regionalbeauftragte stellen sich vor
57
Regionalbeauftragte gesucht
Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht
Grundgesetz
Paket Kündigungsschutzrecht
KrWG – Kommentar
61
Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht
Pflichtteilsprozess
Beschäftigtendatenschutz und Compliance
62
Bundesdatenschutzgesetz
RVG – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
WEG: Wohnungseigentumsgesetz
♥
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3
Thema
FOTO-LOVE-STORY
Was bisher geschah: ....
Mara hat in einer Zivilrechtskanzlei gelernt. Sie hat erstmal die Kosten niedrig gehalten und eine Wohnzimmerkanzlei betrieben, die ersten Fälle kamen aus dem Bekanntenkreis. Daneben hat sie als freie Mitarbeiterin in
ihrer Referendarkanzlei gejobbt. Vor Gericht kämpft sie
mit allen Mitteln und Methoden. Mit den ersten Fällen
kamen auch die ersten Honorare. Ihre Bank gab ihr ein
Gründerdarlehen über 30.000 Euro. Damit hat Mara den
Sprung ins kalte Wasser gewagt und eigene Räume gemietet. Das Sekretariat erledigt sie noch selbst. Sie feilt
an ihrem Werbekonzept als Familienrechtlerin und Spezialistin für Online-Eheverträge. Jetzt will sie erstmal in
Werbung investieren.
Bert hat sein Referendariat bei einer Familienrechtskanzlei absolviert. Er träumt bereits seit dem Studium von
seinen anwaltlichen Erfolgen vor Gericht, am besten im
Familienrecht. So kann er auch seinen Eltern mal helfen,
wenn sie sich streiten. Nach dem 2. Examen haben seine
Eltern ihm angeboten, dass sie seinen Weg in die Selbständigkeit unterstützen und wollen ihm eine Kanzlei
mindestens zwei Jahre lang finanzieren. Er hat gerade
seinen ersten Fall vor Gericht und wartet auf seinen ersten Termin. Für die Entwicklung seiner Kanzlei fehlt ihm
noch die zündende Werbeidee, vielleicht auch die Muse.
RAin MARA GRAF
RA BERT GUSTAV BUCH
1. Examen: 2010, Note ausreichend
im Freischuss
2. Examen: 2013, Note vollbefriedigend
zugelassen als RAin seit 1,5 Jahren
ledig, keine Kinder, arbeitet viel zu viel //
Mara besucht gerade einen Kurs zum FA
für Familienrecht // Mara ist kostenbewusst,
hat in Wohnzimmerkanzlei angefangen
und erst vor drei Monaten eigene Räume
ge­mietet // Mara hat mehrere Verehrer, will
sich aber noch nicht entscheiden // Hobbys:
Skateboard fahren, Schlagzeug spielen
Initialen B.G.B.
1. Examen: 2011, Note befriedigend
2. Examen: 2014, Note befriedigend
zugelassen seit zwei Monaten
ledig, keine Kinder, arbeitet viel zu viel //
hat ein voll ausgestattetes Büro mit
Teilzeitangestellter, die Eltern bezahlen
das alles // Bert hatte bisher noch keinen
Fall vor Gericht // Sollte auf dem Golfplatz
mit der Tochter der Nachbarn seiner Eltern
verkuppelt werden. // Hobbys: Fußball
gucken, Cembalo spielen
Ah. Da sitzt bestimmt der Kollege
im Fall Lieblich. Ein Bärchen-Typ.
Den wickel ich um den
kleinen Finger.
Rechtsanwältin Graf,
den Namen kenn ich doch,
woher nur ...
V
FREIWILLIG LEBENSLÄNGLICH
Guten Tag. Herr Kollege?
Sind Sie auch da zur
Verhandlung in Sachen Lieblich,
die Scheidung?
Die gefällt mir,
lass Dich nicht verwirren.
War das nicht der Typ, der schon
damals die Düsseldorfer Tabelle auswendig
kannte und unbedingt Anwalt werden wollte?
Immerhin, einer der weiß, was er will.
Ähmm, ja. Korrekt.
Oha!
Ah. Jetzt fällt es mir
wieder ein. Graf, Mara
Graf, richtig? Wir haben
zusammen in der Vertiefung Scheidungsrecht
gesessen. Damals, an
der Uni in Passau.
Wir haben noch zehn Minuten
bis zu unserer Verhandlung.
Darf ich mich zu Dir setzen?
Wir Duzen uns doch noch?
Flirtet die mit mir? Die will mir doch
nur das Hirn vernebeln, damit sie heute
vor Gericht gut dasteht.
Na ja. Ich hab wohl eher keine Zeit für eine
Freundin. Du weißt ja, wie das ist mit einer
eigenen Kanzlei am Anfang.
Zweimal ja.
Gern.
?!
Sie unterhalten sich über die alten
und neuen Zeiten, das Examen, das Anwaltsdasein, ihre Kanzleien ...
WAAAS?
Du bist mit Deiner Kanzlei
verheiratet? Wo bleibt denn da die Liebe?
Und, was macht die Liebe?
4
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Er hat also keine Freundin.
Interessant.
Thema
FOTO-LOVE-STORY
O.k., die Scheidungsfolgenvereinbarung
für meine Mandantin ist nicht schlecht,
aber Du musst doch nicht gleich vor
mir davonrennen!
Mit Fachfragen kannst Du mich zu jeder Tages- und Nachtzeit
anrufen. Ich geb Dir am besten gleich meine Mobilnummer.
Kollegen und Mandanten bekommen die sonst nicht.
Eine Frage hätte
ich gleich.
Und, was möchtest Du wissen?
Wollen wir
zusammen
Mittag essen?
Mmmh, naja, ich wollte Dich nach Deiner
Telefonnummer fragen. Falls ich mal
eine Fachfrage habe ... oder so.
Und wo? Ich hab ein
Bärenhunger.
Was ist denn noch?
j
3 Monate später ...
j
j
j
1 Jahr später ...
RAin Graf hat gerade einen großen Fall gewonnen.
j
j
j
Hoffentlich
sagt sie ja.
Willst Du meine
Frau werden?
Mit oder ohne Ehevertrag?
Ok, er liebt
mich wirklich.
Ist mir egal.
x
Text: Tobias Sommer / Fotos: Andrea Vollmer
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5
Thema
FOTO-LOVE-STORY
3 Jahre später ...
STECK
BRIEFE
RAin Graf ist inzwischen Fachanwältin für
Familienrecht. Ihr Online-Portal läuft gut. Sie
hat bereits zwei Anwälte als freie Mitarbeiter
eingestellt und das Sekretariat verstärkt.
Über das Portal kommen viele Fälle, sodass
sie auch Fälle ablehnen kann. Dennoch
arbeitet Sie 70 bis 80 Stunden die Woche
einschließlich ihrer langen Mittagspause
beim Lieblingsitaliener. Das Gründungsdarlehen wird sie in 15 Monaten zurückgezahlt
haben. Sie ist bestens organisiert.
Die Kanzlei läuft. Die Eltern haben sich in­
zwischen aus der Finanzierung der Kanzlei
zurück gezogen. Die Nachbarstochter hat
einen BWLer mit BMW geheiratet. Er tele­
foniert zu viel ohne dafür Rechnungen zu
stellen. Die Mandanten finden das gut und
empfehlen ihn fleißig weiter. Er denkt über
ein Kanzleicoaching nach. Buch ist inzwi­
schen auf dem Weg zum stadtbekannten
Scheidungsanwalt. Schriftsätze diktiert
er nur noch. Das geht schneller und führt
zu besseren Arbeitsergebnissen, da er in
der gleichen Zeit zweimal über den Fall
nachdenkt. Er arbeitet 70 bis 80 Stunden
die Woche, ist aber leicht chaotisch.
Mmmmh.
Naja. Schon irgendwie ...
Ich hab da allein rumgesessen.
Stundenlang. Allein. Nicht mal
eine Nachricht hast Du mir
geschickt! Kannst Du Dir vorstellen, wie peinlich das ist? Ich
geh dort ständig Mittag essen.
l
DP
s
Kanzlei oder Liebe,
was ist wichtiger?
Das ist eine ganz blöde Idee
in der aktuellen Situation. Dann streiten
wir uns ja auch noch über das Geld,
wie alle Kanzleipartner.
Ich hab darüber nachgedacht, was Du gesagt hast.
Wollen wir nicht auch eine
Kanzleihochzeit feiern,
jetzt wo wir schon zwei
Jahre verheiratet sind?
Dann würden wir uns auch
häufiger sehen.
Ich kann ja mal darüber
nachdenken.
6
AdVoice 02/15
Thema
FOTO-LOVE-STORY
Mara und Bert wollen sich jeweils von ihren Ausbildern im Scheidungsprozess vertreten lassen. Doch die beiden Ausbilderkanzleien haben
inzwischen fusioniert. Mara und Bert treffen sich zufällig im Wartezimmer.
Na klar.
Für meine
Scheidung geh ich zum Besten,
meinem Ausbilder.
Er kennt alle Tricks.
Du hier?
sD
Meine Ausbilderin ist aber die
Beste. Ich werde mich von ihr
vertreten lassen.
INTERESSENKOLLISION!
Das wird schwierig. Plan B?
Lass mal nachdenken.
Aber jetzt haben sie fusioniert.
Er hat sich wenigstens um
Schadensbegrenzung bemüht und
eine Lösung gesucht mit unserer
Kanzleihochzeit.
... und was so eine Scheidung kostet.
Die 95-Prozent-fremdfinanzierte
Eigentums­wohnung und alle gezahlten
Raten sind dann auch futsch und wir haben
nur noch die Schulden am Hals.
Irgendwie ist sie
ja schon clever.
... und erfolgreich.
... und ein Knuddelbärchen ist er
ja irgendwie immer noch. Vielleicht
schaff ich es ja doch noch, ihn zu
erziehen, so wie ich es will.
Haben Sie schon mal darüber
nachgedacht, weniger zu streiten?
Lass es uns nochmal
versuchen, ich würde sogar eine
Paartherapie mitmachen.
Und weshalb haben Sie sich
damals ineinander verliebt?
Hier wird es doch heute
sowieso nix. Lass uns das Geld
sparen. Mein Ausbilder hat
immer gesagt: Waren Sie schon
bei einer Paartherapie?
Sie ist da,
wenn ich jemanden brauche.
Er hat mich auf Händen getragen,
verwöhnt ...
Sie war meine Muse, so hatte
ich genug Energie für die Kanzlei.
Er hat mir einen Heiratsantrag
im Gericht gemacht!
Sie hat die schwierigen Zeiten
mit mir durchgestanden ...
Er versteht mich
ohne große Worte.
Sie hat Paragrafen-Ritter
zu mir gesagt.
Und darauf wollen Sie verzichten?
Das hat meine
Ausbilderin auch
immer gesagt.
Wir können zusammen lachen.
Text: Tobias Sommer / Fotos: Andrea Vollmer
Er hört mir zu,
wenn ich jemanden brauche.
Bleiben Bert und Mara zusammen? Wird es noch was mit der
Kanzleihochzeit? Und was ist in den Ausbilderkanzleien los? Wenn
Ihr wissen wollt, wie es weitergeht, schreibt uns Eure Fanpost an
[email protected]. Falls Ihr bereits wisst, wie die Geschichte
weitergeht, schreibt uns ebenfalls – wir veröffentlichen das gerne.
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Thema
Zusammen und zusammen
Ehe vs. nichteheliche Lebensgemeinschaft – Ein Vergleich
Liebe im Anflug: Im Tierreich ist alles von der Natur bestens geregelt. Wir Menschen brauchen dafür Gesetze.
Im Gegensatz zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist die Ehe verfassungsrechtlich geschützt
und steht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz
unter dem besonderen Schutz der staatlichen
Ordnung. Der größte Unterschied zwischen einer
Ehe und einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist der, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft von heute auf morgen eingegangen
und auch wieder beendet werden kann. Dagegen
wird die Ehe erst durch Erklärung der Eheschließenden vor dem Standesbeamten wirksam geschlossen (§ 1310 BGB) und kann nur durch
rechtskräftige richterliche Entscheidung aufgehoben werden (§ 1313 BGB).
Beiden, der Ehe und der nichtehelichen Lebensgemeinschaft immanent ist, dass diese Beziehungen auf Dauer eingegangen werden, wobei
die Ehe besonderen gesetzlichen Regelungen
unterliegt und auf Lebenszeit geschlossen wird
(§ 1353 Absatz 1 Satz 1 BGB).
8
AdVoice 02/15
SCHEIDUNG
Soll eine Ehe beendet werden, so geht dies nur
durch rechtskräftigen richterlichen Beschluss –
der Scheidung – vor dem Familiengericht. Voraussetzung ist, dass die Ehe gescheitert ist. Dies ist
dann der Fall, wenn die Lebensgemeinschaft der
Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet
werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen (§ 1565 Absatz 1 BGB).
TRENNUNGSJAHR MUSS ABGEWARTET
WERDEN
Bevor die Scheidung ausgesprochen werden kann,
muss das Trennungsjahr abgewartet werden. Die
Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen
keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er oder
sie die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die
Trennung kann auch innerhalb der gemeinsamen
Foto: ilona brigitta martin_pixelio.de
Wohnung gelebt werden (§ 1567 Absatz 1 Satz 2
BGB) In diesem Fall muss die Trennung über „Tisch
und Bett“ hinausgehen. Das bedeutet, dass jeder
Ehegatte seinen Haushalt komplett allein führt –
jeder also für sich selbst einkauft und auch die
Mahlzeiten getrennt eingenommen werden. Es ist
ein Irrglaube, dass bei kurzer Ehedauer das Trennungsjahr entfällt. Mit Ablauf des Trennungsjahres
kann die Ehe geschieden werden, wenn entweder
beide dies beantragen oder einer den Antrag auf
Ehescheidung stellt und der andere Ehegatte der
Scheidung zustimmt. Der Scheidungsantrag kann
frühestens zehn Monate nach Beginn des Trennungsjahres gestellt werden. Wird der Antrag auf
Ehescheidung zu früh gestellt, besteht die Gefahr,
dass dieser abgewiesen wird. Nach Ablauf von drei
Jahren wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe
gescheitert ist und geschieden werden kann.
Damit es über den Trennungszeitpunkt keinen
Streit gibt, sollte dieser unbedingt von den Ehegatten schriftlich festgehalten werden.
Thema
SCHEITERN DER NICHTEHELICHEN
LEBENSGEMEINSCHAFT
von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der
Geburt eines Kindes Unterhalt zu gewähren.
Im Gegensatz zur Ehe kann die nichteheliche Lebensgemeinschaft durch die Partner von heute auf morgen von einem der Partner oder einvernehmlich beendet werden. Eines Trennungsjahres bedarf es nicht.
UNTERHALT WEGEN KINDESBETREUUNG
UNTERHALT
Ist die Ehe gescheitert, kann grundsätzlich Unterhalt von dem anderen Ehegatten verlangt werden.
Es wird differenziert zwischen Trennungsunterhalt
und dem nachehelichen Unterhalt.
TRENNUNGSUNTERHALT
Der Trennungsunterhalt ist der Unterhalt nach der
Trennung bis zur Rechtskraft der Scheidung. Beim
Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) kann ein Ehegatte von dem anderen angemessenen Unterhalt
verlangen. Voraussetzung ist, dass der Unterhaltsberechtigte bedürftig und der Unterhaltsleistende
leistungsfähig ist. Der Bedarf bemisst sich nach
den ehelichen Lebensverhältnissen. Für die Höhe
sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Ehegatten unter Berücksichtigung der unterhaltsrechtlich relevanten Verbindlichkeiten maßgeblich. Der Bedarf ergibt sich aus der Hälfte der
zusammengerechneten beiderseitigen bereinigten
Einkünfte abzüglich der eigenen bereinigten Einkünfte des Unterhaltsberechtigten (sogenannter
Halbteilungssatz).
Der sogenannte Betreuungsunterhalt, also der Unterhalt wegen Kindesbetreuung, gilt sowohl für
eheliche als auch für nichteheliche Kinder. Der betreuende Elternteil hat grundsätzlich Anspruch auf
Unterhalt, bis das Kind drei Jahre alt ist (§ 1570 Abs.
1 BGB). Während der ersten drei Jahre besteht keine
Erwerbsobliegenheit. Der Unterhaltsanspruch verlängert sich über die drei Jahre hinaus, solange und
soweit dies Billigkeitsgesichtspunkten entspricht.
Etwaige Fremdbetreuungsmöglichkeiten, beispielsweise durch Kindergarten oder Tagesmutter, sind
dabei zu berücksichtigen.
KINDESUNTERHALT
Beim Kindesunterhalt wird nicht zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschieden.
Wohl aber zwischen minderjährigen und volljährigen Kindern. Oftmals unterliegen Eltern der Ansicht,
dass die Unterhaltspflicht mit dem 18. Geburtstag
des Kindes endet. Vielmehr haben die Eltern dem
Kind Unterhalt bis zu einem berufsqualifizierenden
Abschluss zu zahlen (§ 1610 Abs. 2 BGB).
Bei minderjährigen Kindern leistet der Elternteil,
bei dem das Kind lebt, den sogenannten Betreuungsunterhalt. Der andere Elternteil, in dessen
täglicher Obhut sich das Kind nicht befinden, hat
den finanziellen Bedarf abzudecken und muss den
Barunterhalt erbringen. Der allgemeine Unterhaltsbedarf wird der Düsseldorfer Tabelle abgeleitet unter Heranziehung der jeweiligen OLG-Leitlinien. Die Düsseldorfer Tabelle stellt auf das Alter
des Kindes und das Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen ab. Beim Bedarf wird unterschieden zwischen dem allgemeinen Bedarf, der
den allgemeinen Lebensbedarf abdeckt, dem
Mehrbedarf und dem Sonderbedarf. Beim Mehrbedarf handelt es sich um zusätzliche Aufwendungen, die regelmäßig anfallen und voraussehbar
sind, wie beispielsweise Kindergartenkosten (aber
exklusiv der Verpflegungspauschale). Die Verpflegungspauschale ist wiederum in den Sätzen der
Düsseldorfer Tabelle enthalten. Beim Sonderbedarf
handelt es sich um unregelmäßigen, außergewöhnlichen Bedarf. Sonderbedarf sind beispielsweise die Kosten für die Klassenfahrt, wobei es
auch Rechtsprechung gibt, die dies ablehnt.
ELTERLICHE SORGE
Beide Elternteile haben grundsätzlich die Pflicht und
das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen.
ELTERLICHE SORGE NICHT
VERHEIRATETER PARTNER
Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, steht
die elterliche Sorge grundsätzlich der Mutter allein
zu. Nicht miteinander verheiratete Eltern erlangen
die gemeinsame elterliche Sorge entweder durch
Heirat oder wenn sie vor dem Jugendamt oder
Notar erklären, die Sorge gemeinsam übernehmen
NACHEHELICHER UNTERHALT
Der nacheheliche Unterhalt ist der Ehegattenunterhalt nach Rechtskraft der Scheidung. § 1569
BGB sagt dazu, dass es nach der Scheidung jedem
Ehegatten obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu
sorgen. Ist er dazu außerstande, hat er gegen den
anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt
allerdings nur in den folgenden Fällen, nämlich
Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (dieser
Anspruch gilt sowohl für eheliche als auch nichteheliche Kinder), Altersunterhalt, Unterhalt wegen
Krankheit, Unterhalt wegen Erwerbsobliegenheit,
den Aufstockungsunterhalt und den Ausbildungsunterhalt sowie den Unterhalt aus Billigkeitsgründen. Der Bedarf richtet sich nach den ehelichen
Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB).
Oft bleibt von einer Ehe nur ein Scherbenhaufen zurück.
Foto: Anna Zerenyi_pixelio.de
UNTERHALT BEI DER NICHTEHELICHEN
LEBENSGEMEINSCHAFT
Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind
die Partner nach einer Trennung nicht zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet. Eine Ausnahme bildet die nichteheliche Mutter, und zwar unabhängig
davon, ob es sich hier um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft handelt oder nicht. Nach § 1615l BGB
hat der Vater der bedürftigen Mutter für die Dauer
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9
Thema
Fortsetzung
Zusammen und zusammen
zu wollen (Sorgerechterklärung). Mit Inkrafttreten
des Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge
nicht miteinander verheirateter Eltern am 19. Mai
2013 wurden die Rechte der Väter im Hinblick auf
die gemeinsame elterliche Sorge gestärkt. Nunmehr hat der Vater die Möglichkeit, beim Familiengericht einen Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge zu stellen. Das Familiengericht überträgt die gemeinsame Sorge dann, wenn dies dem
Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt die Mutter
keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen und
sind solche Gründe auch nicht ersichtlich, wird
vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge
dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Die elterliche Sorge umfasst die Personensorge
und die Vermögenssorge (§ 1626 Abs. 1 BGB). Bei
einer Trennung bleibt es grundsätzlich bei der gemeinsamen elterlichen Sorge – sowohl bei den mit
einander verheirateten als auch bei den nicht miteinander verheirateten Eltern.
AUFENTHALTSBESTIMMUNGSRECHT
Zu Streitigkeiten zwischen den Eltern führt immer
wieder das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das
Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst die Befugnis, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, also
unter anderem den Wohnort. Haben die Eltern das
gemeinsame Sorgerecht, haben diese auch das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die Eltern müssen dann beispielsweise bei einem Wohnortwechsel gegenseitig einverstanden sein. Können
sich die Eltern nicht einigen, so kann jeder für sich
Ob Ehe oder Lebensgemeinschaft – Standfestigkeit ist gefragt.
das Aufenthaltsbestimmungsrecht für sich beantragen. Somit besteht grundsätzlich die Möglichkeit trotz gemeinsamer Sorge das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Elternteil zu übertragen.
UMGANGSRECHT
Das Umgangsrecht gilt für eheliche und für nichteheliche Kinder gleichermaßen und ist unabhängig
von der elterlichen Sorge. Die Umgangsregelung
ist dabei individuell und nach den Bedürfnissen des
Kindes und dem Kindeswohl auszurichten.
HAUSRAT / HAUSHALTSGEGENSTÄNDE
Die Verteilung der Haushaltsgegenstände ist in §
1568b BGB geregelt. Unter Haushaltsgegenstände
sind alle beweglichen Sachen zu fassen, die nach
den Lebens- und Vermögensverhältnissen der
Eheleute für die Wohnung, die Hauswirtschaft und
das Zusammenleben der Familie einschließlich der
Kinder bestimmt sind. Gegenstände des persönlichen Gebrauchs, wie beispielsweise Kleidung, persönliche Unterlagen fallen ebensowenig hierunter
wie Werte, die ausschließlich der Kapitalanlage
dienen. Probleme treten häufig bei Haustieren,
Pkw und Einbauküchen auf. Bei den Haustieren
werden die Grundsätze der Haushaltsteilung entsprechend angewandt. Beim Pkw ist die Zweckbestimmung maßgeblich, und bei den Einbaumöbeln
muss geprüft werden, ob diese wesentlicher Bestandteil oder Zubehör sind und dann kein Haushaltsgegenstand sein können. Nach der Trennung
angeschaffte Haushaltsgegenstände unterliegen
nicht der Verteilung.
Foto: sten fischer_pixelio.de
HAUSRAT BEI DER NICHTEHELICHEN
LEBENSGEMEINSCHAFT
Bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bleiben die Partner Alleineigentümer der von ihnen in
die Beziehung eingebrachten Gegenstände.
ZUGEWINN
Ein Zugewinnausgleich kommt nur dann in Betracht, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Gemäß §
1373 BGB ist Zugewinn der Betrag, um den das
Endvermögen (§ 1375 BGB) das Anfangsvermögen
(§ 1374 BGB) übersteigt. Stichtag für das Anfangsvermögen ist der Tag der Eheschließung (§§ 1363,
1374 BGB. Stichtag für das Endvermögen ist der
Tag der Zustellung des Scheidungsantrages (§
1376 Abs. 2, 1384 BGB). Das Endvermögen ist das
Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der
Verbindlichkeiten bei der Beendigung des Güterstandes gehört (§ 1375 BGB). Anfangsvermögen
ist gemäß § 1371 BGB das Vermögen, das einem
Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim
Eintritt des Güterstandes gehört.
KEIN ZUGEWINNAUSGLEICH BEI DER
NICHTEHELICHEN LEBENSGEMEINSCHAFT
Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft findet
kein Zugewinnausgleich statt. Vielmehr bleibt das
Vermögen während und nach der Partnerschaft
getrennt. Ein Ausgleich für gegenseitig erbrachte
Leistungen und Zuwendungen findet nicht statt
(z. B. Urlaubsreisen). Ebenfalls können Geschenke
grundsätzlich nicht zurückverlangt werden.
VERSORGUNGSAUSGLEICH
Der Versorgungsausgleich richtet sich nach dem
Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG). Danach
sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Die Ehezeit im Sinne des
VersAusglG beginnt mit dem ersten Tag des Monats,
in dem die Ehe geschlossen wurde, und endet am
letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrages. Bei einer Ehezeit von bis zu drei
Jahren findet kein Versorgungsausgleich statt, es sei
denn ein Ehegatte beantragt dies (§ 3 Abs. 3 VersAusglG). Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft findet kein Versorgungsausgleich statt.
RAin Nadine Passenheim, Hannover
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AdVoice 02/15
Thema
I love my job
Aus dem Mythos wurde wahre Liebe zum Anwaltsberuf
♥
Begriffe wie 35-Stunden-Woche, Überstunden
abbummeln oder gar berufliche Auszeit bringen
die meisten von uns zum neidvollen Schmunzeln. Oft werde ich von tiefenentspannten Arbeitnehmerfreunden, die mit diesen Begriffen
nur allzu vertraut sind, gefragt, wofür ich die
Energie für die unzähligen Überstunden und
Wochenenden in meiner Kanzlei nehme. Auch
wenn ich ehrlich gesagt meistens antworte,
dass Mehrarbeit schließlich auch ein Mehr an
Zahlungseingängen bedeutet, gibt es noch eine
weitere Erklärung. Es ist Liebe.
Als Kind der 90er bin ich mit dem von US-Kinofilmen geprägten Anwaltsmythos aufgewachsen.
Mit unglaublich dicken Schulterpolstern lamentierten sie stundenlang vor den Geschworenen.
Damals war mir das eigentlich viel zu langweilig,
vermutlich, da ich mit meinen 13 Jahren Story und
Aussage von „Die Jury“, „Zwielicht“ und „Sleepers“
noch nicht vollständig begriff. Dennoch wurde
auch mir einiges klar: Anwälte sind Helden, und sie
sind Topverdiener mit schicken Büros.
Zur Jahrtausendwende war mein Horizont dann
schon etwas weiter. Mit 16 verschwendete ich bereits die ersten Gedanken an die Berufswahl und
fand „Erin Brockovich“ super. Besonders gefiel mir
zu diesem Zeitpunkt ein weiterer Aspekt des Anwaltsmythos: der Soziale – Anwälte erreichen
etwas für andere, und sie kämpfen erfolgreich für
eine gute Sache.
Als bekennende Blondie gefiel mir (shame on me)
auch „Natürlich Blond“ irgendwie: Hübsche junge
Anwältinnen beweisen mit Wissen und unkonventionellen Ideen, dass man sie niemals unterschätzen darf. Wäre das nicht was für mich? Also ging
es 2003 zwar nicht nach Harvard, aber an die Universität Hamburg zum Studium der ehrenwerten
Rechtswissenschaften. Gleich im zweiten Semester ergab sich aus dem Anwaltspraktikum – mein
erster Nebenjob in einer jungen, modernen Kanzlei. Das mit den schicken Büros stimmte – check!
Das mit der dicken Knete leider nicht. Meine neuen
Arbeitgeber stellten schnell fest, dass sie mich gar
nicht bezahlen konnten.
Da mir dieser Aspekt des Anwaltsmythos ohnehin
nicht so wichtig war, verfolgte ich meinen Weg
auch im Referendariat fröhlich weiter. Kurz, aber
nur ganz kurz, gelang es dem Mythos Staatsanwalt,
mich für sich zu gewinnen. Doch nach der Anwaltsstation wechselte ich ganz schnell wieder die Seite.
Rechtsanwältin Lea Hogrefe-Weichhan vor dem Kieler Landgericht.
Meine Ausbilder dort bestätigten einfach alles, was
den Mythos Anwalt für mich ausmachte, und es
stellte sich heraus, dass dafür letzten Endes weder
Schulterpolster noch ein Riesenumweltskandal oder
ein pinkes Chanel-Kostüm notwendig waren.
Seit 2012 bin ich selbst Anwältin und stelle mir die
Frage, ob der Mythos Anwalt vielleicht gar kein
Mythos ist. Vielleicht haben wir wirklich den tollsten Job der Welt? Wir werden kurzfristig Experten
für jedes nur erdenkliche Sachgebiet. Sei es die
Eindringtiefe einer Maisdrillmaschine oder die
Funktionsweise verschiedener Herzschrittmacheraggregate. Jeder unserer Arbeitstage schaut
anders aus. Wir betreiben umfangreiche Aktenstudien, führen Mandantengespräche, nehmen Ge-
Foto: Gisela Hogrefe
richtstermine wahr, vertiefen uns in Klageschriften, Abrechnungen und Forderungsschreiben. Wir
streiten, argumentieren, verhandeln, vermitteln,
besänftigen und trösten. Wir sind kühle Taktiker,
spezialisiert darauf, uns in unser Gegenüber hineinzudenken, in Mandanten, Kollegen, Sachbearbeiter, Zeugen, Richter. Wir unterstützen unsere
Mandanten in für sie oft aussichtslosen Situationen, helfen aus Lebenskrisen und schlichten jahrelang schwelende Streitigkeiten.
Klingt wie ein spannender Spagat zwischen den verschiedensten Tätigkeiten, und das ist unser Job
auch. Wie wir diesen meistern? We love what we do!
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
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Thema
Auch die Absage ist ein Kontakt
Liebe per Online-Dating ist in erster Linie eines: Geschäft
Der spannende Moment: Das erste echte Treffen nach dem Online-Dating kann sehr emotional werden.
Online-Dating ist populärer denn je. In nahezu
jeder Werbepause verkünden überaus attraktive
Singles, dass sie jetzt „parshipen“. Parship ist
ebenso wie die übrigen populären Online-Dating-Portale kostenpflichtig. Das Abenteuer Online-Dating beginnt also ganz schnöde mit dem
Abschluss eines Dienstleistungsvertrages. Da
überrascht es nicht, dass sich auch die Mandate
häufen, in denen netzaffine Singles zwar keine
Probleme mit dem neuen Partner, aber sehr wohl
mit dem neuen Vertragspartner haben.
Etappensieg für den Verbraucherschutz
Beispielhaft für die vertragsrechtlich zweifelhaften
Praktiken beim lukrativen Geschäft mit der Liebe ist
die von der Parship GmbH praktizierte Abrechnung
eines Wertersatzes von Dreiviertel des Abopreises bei
Ausübung des Widerrufsrechts. Im Juli vergangenen
Jahres erzielte der Verbraucherzentrale Hamburg e.
V. vor dem LG Hamburg (Kammer für Handelssachen) einen Etappensieg – Parship legte Berufung
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ein – für widerrufswillige Kunden (LG Hamburg, Urteil vom 22.7.2014, Aktenzeichen 406 HK O 66/14).
Der Beispielfall
In dem diesen Urteil zugrunde liegenden Fall hatte
ein Kunde einen Vertrag über eine zum Preis von
269,40 Euro angebotene sechsmonatige Mitgliedschaft innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Parship
hatte dem Kunden für die im Rahmen der Nutzung
getätigten Online-Kontakte 202,41 Euro, also rund
75 Prozent des Abopreises in Rechnung gestellt.
Nach den jetzt ausgeurteilten Grundsätzen des
Gerichts schuldet der Kunde aber nur einen Wertersatz von rund 20 Euro.
Das Geschäftsmodell
Die beklagte Parship GmbH betreibt eine der größten Online-Partnervermittlungen in Europa. Neben
den kostenlosen Mitgliedschaften ohne Kontaktmöglichkeit bietet sie ernsthaft interessierten Nut-
Foto: Andrea Vollmer
zern sogenannte Premium-Mitgliedschaften mit
Kontaktmöglichkeit zu anderen Nutzern für sechs,
zwölf oder 24 Monate an. Die Parship GmbH berechnet ihren Nutzern bei monatlicher Zahlungsweise 329,40 Euro bei sechsmonatiger Laufzeit,
478,80 Euro bei zwölfmonatiger Laufzeit und
717,60 Euro bei einer Laufzeit von 24 Monaten.
Zum Leistungsumfang einer Premium-Mitgliedschaft gehört auch eine Kontaktgarantie, mit der
dem Nutzer eine bestimmte Anzahl von Kontakten
zu anderen Mitgliedern garantiert wird: bei einer
Laufzeit von zwölf Monaten sieben Kontakte. Als
Kontakt zählt dabei jede von dem betreffenden
Nutzer gelesene Freitextantwort auf eine von ihm
verschickte Nachricht. Also auch Absagen. Premium-Mitglieder haben bereits vor Ablauf der fernabsatzrechtlichen Widerrufsfrist die Möglichkeit
zur Kontaktaufnahme zu anderen Nutzern.
Macht der Nutzer von seinem fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht Gebrauch, so berechnet die
Beklagte dem Nutzer eine Wertersatzforderung in
Thema
♥
Höhe von bis zu 75 Prozent des für die gesamte
Laufzeit vereinbarten Entgeltes, wenn der Nutzer
über die Online-Partnervermittlung der Beklagten
bereits Kontakte hatte.
Aus Sicht der Parteien
Dies hielt der Kläger für rechtswidrig und irreführend und nahm die Beklagte nach vorangegangener erfolgloser Abmahnung auf Unterlassung und
Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
Die Beklagte wandte ein, sie sei vor allem nach Neugestaltung des Widerrufsrechts berechtigt, den
Wertersatz nach der Anzahl der im Nutzungszeitraum tatsächlich zustande gekommenen Kontakte
zu berechnen. Kern des Leistungsversprechens der
Beklagten sei bei der Premium-Mitgliedschaft nämlich nicht das Zugriffsrecht auf die Mitgliederdatenbank, sondern – wie bei der klassischen Partnervermittlung auch – die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu einer bestimmten Anzahl möglichst
genau passender potenzieller Lebenspartner.
anhand von Partnervorschlägen der Beklagten
oder auch unabhängig von diesen andere Nutzer
des Online-Angebotes der Beklagten zu kontaktieren und unter diesen nach einem Partner zu suchen. Die von Beklagtenseite garantierte Mindestanzahl an Kontakten macht dabei ersichtlich
nicht den Kern des Leistungsversprechens der Beklagten aus. Kein Nutzer würde für die Garantie
von fünf oder sieben Kontakten, die auch in einer
Absage bestehen können, mehrere hundert Euro
investieren. Kern des Leistungsversprechens der
Beklagten ist es vielmehr, über den vereinbarten
Zeitraum mit Unterstützung der Beklagten unter
den anderen Nutzern des Online-Angebotes der
Beklagten nach einem Partner suchen zu können.
Dieses zeitbezogene Element ergibt sich eindeutig
aus der zeitbezogenen Nutzungsmöglichkeit des
Angebotes der Beklagten über den jeweils vereinbarten Zeitraum. Auch die vereinbarten Entgelte
spiegeln dies wider, da sie mit der Dauer der vereinbarten Nutzung steigen. Daher ist auch der vom
Verbraucher im Falle des Widerrufs zu leistende
Wertersatz zeitbezogen zu berechnen, wie dies zutreffend im Rahmen des Klagantrages erfolgt.“
Überhöhter Wertersatz unzulässig
Dies beurteilte das erkennende Gericht jedoch anders. In den streitgegenständlichen Wertersatzforderungen sah die Kammer einen Verstoß gegen die
gesetzliche Regelung über die Höhe des Wertersatzes für Dienstleistungen im Falle der Ausübung
des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts – und
zwar sowohl gegen die alte als auch gegen die
neue Regelung. Zudem enthalte die Forderung
eines derart überhöhten Wertersatzes nach Auffassung des Gerichts eine Irreführung des Verbrauchers über die ihm im Falle des Widerrufs
zustehenden Rechte, nämlich sich ohne überhöhten Wertersatz vom Vertrag lösen zu können, § 5
Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG.
„Kein Nutzer würde für die Garantie
von fünf oder sieben Kontakten,
die auch in einer Absage bestehen
können, mehrere hundert Euro
investieren.“
Zu der Frage, was tatsächlich Gegenstand des
Dienstleistungsvertrages sei, führt das Gericht folgendes aus:
„Dieser besteht vorliegend darin, dem Nutzer im
Rahmen der Premium-Mitgliedschaft für den vereinbarten Zeitraum die Möglichkeit zu eröffnen,
„Gesetzeswidrige Entwertung
des Widerrufsrechts“
Die von Beklagtenseite gewählte Berechnungsart
kritisiert die Kammer demgegenüber als gesetzwidrige Entwertung des Widerrufsrechtes und
verweist auf das Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 15. April 2010, Aktenzeichen III ZR 218/09,
BGH Z 185, 192-205.
Zu den Einwänden der Beklagten wird angeführt,
die Möglichkeit des Missbrauches des Widerrufsrechtes durch den Verbraucher rechtfertige die von
Beklagtenseite berechnete gesetzwidrige Höhe des
Wertersatzes nicht. Abgesehen davon, dass es hierfür von vornherein an einer Rechtsgrundlage fehle,
könne die Beklagte derartigen Missbräuchen dadurch begegnen, dass sie dem Kunden die Nutzung
ihres Angebotes erst nach Ablauf der Widerrufsfrist
ermögliche.
Deutliche Worte, die Parship GmbH trotzdem nicht
daran hinderten, in die Berufung zu gehen. Da bis
dato auch die Abrechnungspraxis aufrechterhalten
bleibt, ist zu erwarten, dass auch weiterhin zahlreiche Mandatsanfragen schnell enttäuschter Par­
ship-Kunden eingehen werden.
STUDIE ONLINE-DATING
Für eine Studie im Auftrag des amerikanischen Partnervermittlungsportals eHarmony,
die im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht
wurde, wurden 19.000 Paare befragt, die
zwischen 2005 und 2012 geheiratet haben.
• Erstaunliche 35 Prozent dieser Paare lernten sich über das Internet kennen.
• Unter den Internet-Bekanntschaften stammen wiederum 45 Prozent von Dating-Seiten,
20 Prozent von Social Networks, zehn Prozent
von Chatrooms. Immerhin 3,6 Prozent der
Paare mit Online-Beginn lernten sich über
Spiele kennen. Bekanntschaften über E-Mail,
Blogs oder Instant-Messenger machen weniger als fünf Prozent aus.
• Männer und Menschen mit lateinamerikanischer Herkunft lernen laut der Studie am ehesten einen Partner über das Internet kennen.
• Die größte Heiratswahrscheinlichkeit besteht im Alter zwischen 30 und 50 Jahren.
• Das wohl erstaunlichste Ergebnis der
neuen Studie ist wohl die verhältnismäßig
geringe Scheidungsrate unter Online-Ehepaaren. Diese beträgt sechs Prozent, während der Durchschnitt aller verheirateten
Paare (inklusive Paaren mit Offline-Vergangenheit) bei 7,5 Prozent liegt.
• Aber auch innerhalb der Online-Welten
gibt es Unterschiede. Bei Paaren, die sich in
Chatrooms oder in virtuellen Welten kennen gelernt haben, ist die Zufriedenheit mit
der Beziehung geringer.
• Im Offline-Leben lernen sich Menschen
zu 20 Prozent über gemeinsame Freunde,
zu 20 Prozent in der Arbeit, zu zehn Prozent
bei sozialen Anlässen und zu zehn Prozent
in der Schule kennen, beschreibt die Studie.
Quelle: http://futurezone.at/digital-life/ 35-prozentheiraten-online-bekanntschaften/24.597.790
RAin Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
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Thema
Liebe im Büro
♥
Dürfen Beziehungen unter Kollegen verboten werden?
Liebe am Arbeitsplatz? Nicht bei uns! Die amerikanische Supermarktkette, die seinerzeit per
Ethikrichtlinie Liebesbeziehungen zwischen den
Mitarbeitern in Deutschland verbieten lassen
wollte, ist zu diesem Thema der wohl bekannteste Fall. Die deutschen Mitarbeiter zogen vor
den Kadi und bekamen Recht. Gestritten wurde
vor allem um Mitbestimmungsrechte. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 14. November 2005 - 10 TaBV 46/05 entschied auch,
dass die Richtlinie in das Persönlichkeitsrecht der
Mitarbeiter eingreift und somit unzulässig ist.
Absichtlich missverstehen könnte man hingegen
folgenden Leitsatz: „Wird eine sexuelle Belästigung von einem Mitarbeiter nicht erkennbar abgelehnt, hat der Gesamtbetriebsrat jedenfalls bei
den vorbeugenden Maßnahmen nach § 2 Abs. 1
BeschSchG ein Mitbestimmungsrecht.“
dürfen nicht von vornherein von Arbeitgeberseite
verboten werden. Für Paare am Arbeitsplatz gelten
die gleichen Pflichten wie für die restliche Belegschaft. Die Liebe zu einem Arbeitskollegen gibt keinen Freifahrtschein zum Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Wer in der Phase des
Verliebtseins häufig zu spät kommt, verschläft oder
seine Arbeit schleifen lässt, riskiert eine Abmahnung
oder gar eine Kündigung.
Wir verbringen tagtäglich den Großteil unserer Zeit
am Arbeitsplatz. Da ist es nicht zu verdenken, im
Büro seinen Partner kennenzulernen. Glaubt man
verschiedenen Studien, so beginnt inzwischen jede
vierte bis zehnte Beziehung am Arbeitsplatz. Wie
sollte man sich aber verhalten, wenn einen Amors
Pfeil im Büro getroffen hat? Sind Händchenhalten,
Küssen und das Zuwerfen verstohlener Blicke auch
am Arbeitsplatz zulässig? Und wie sollte man sich
besser nicht verhalten? Beziehungen unter Kollegen
sind durch das Persönlichkeitsrecht geschützt und
Abmahnung
Herzig: Ein Signal, das nicht übersehen werden kann.
Mitarbeitergespräch
Treten Probleme auf, ist der Vorgesetzte gut beraten, zunächst erst einmal ein Mitarbeitergespräch
zu führen. Vielleicht genügt bereits ein Gespräch,
um den Mitarbeiter wieder von Wolke Sieben runterzuholen und an seine arbeitsvertraglichen
Pflichten zu erinnern.
Wer aber wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen
Pflichten verstößt, muss mit einer Abmahnung rechnen. Dieser muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein erheblicher Vertragsverstoß vorliegen und nicht nur eine Bagatelle. Häufiges Zuspätkommen genügt allerdings. Die Abmahnung kann
mündlich, sollte aber wegen der Beweisfunktion
schriftlich erfolgen. Sie bedarf weder der vorherigen
Anhörung des Arbeitnehmers noch des Betriebsrates.
Foto: Andrea Vollmer
Versetzung
Sollte das Mitarbeitergespräch nicht zu einer Besserung führen, kann eine Versetzung angezeigt sein,
sofern der Arbeitsvertrag dies überhaupt zulässt.
Eine Versetzung darf nur auf eine gleichwertige Position mit gleicher Tätigkeit erfolgen. Möglichkeiten
wären hier, dass das Paar in verschiedene Räume
oder verschiedene Teams versetzt wird, sofern dies
überhaupt ist. Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss
dieser informiert werden.
Kündigung
Eine Kündigung sollte immer das letzte Mittel sein.
Ist arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich nichts
anderes geregelt, gelten die Kündigungsfristen des
§ 622 BGB. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das
Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden,
wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem
Kündigenden unter Berücksichtigung alle Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der
Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Liebeskiller Büro
Die Liebe unter Arbeitskollegen hat Vorteile, aber
auch Nachteile. Man hat täglich den gleichen Weg
zur Arbeit, hat dieselben Arbeitskollegen und hat
jemanden, mit dem man sich über die Probleme im
Job austauschen kann. Dies alles kann aber auch
schnell zum Liebeskiller werden. Für das amerikanische Unternehmen überwogen wohl die Nachteile.
Die Düsseldorfer Richter schrieben den amerika­
nischen Liebesverhinderern ins Stammbuch: „Eine
Ethikrichtlinie, die bestimmt, dass Mitarbeiter nicht
mit jemandem ausgehen oder in eine Liebesbeziehung eingehen dürfen, der Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen kann oder deren Arbeitsbedingungen von der anderen Person beeinflusst
werden können, verstößt gegen das Grundgesetz
(Artikel 1 und 2 GG); sie ist unwirksam.“
Bei Trennung professionell damit umgehen
Zerbricht die Beziehung, ist wohl spätestens dann ein
Wechsel des einen oder anderen Partners angebracht. Letztlich muss jeder selbst entscheiden, ob er
mit seinem (Ex-)Partner auch das Büro teilen möchte.
RAin Nadine Passenheim, Hannover
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Thema
Ja-Wort in Love Vegas
Heiraten im Ausland hat Tücken – Tipps, die man beachten sollte
Welche Frau träumt nicht davon, barfuß am
Strand unter Palmen in einem schönen Kleid bei
strahlendem Sonnenschein und Meeresrauschen,
ihrem Liebsten das Ja-Wort zu geben? Und welcher Mann wünscht sich keine stressfreie Hochzeit, am besten schnell und unkompliziert? Ist die
Frage der Fragen endlich gestellt, geht es weiter
mit „wo“ und „wie“ soll geheiratet werden. Für
alle diejenigen, die nicht in Deutschland heiraten möchten, hat das Bundesverwaltungsamt in
diversen Broschüren mit dem Titel „Heiraten in …“
die wichtigsten Informationen zum Heiraten im
Ausland zusammengestellt.
Heiraten in Dänemark
In Dänemark kann man unkompliziert und unbürokratisch heiraten. Voraussetzung ist, dass man volljährig und ledig ist. Vor der Eheschließung sollte
unbedingt bei der jeweiligen Kommune nachgefragt
werden, wie viele Tage man sich in Dänemark vor der
Eheschließung aufgehalten haben muss. Manche
Standesämter verlangen zwei bis drei Tage, ­andere
verlangen keinen Mindestaufenthalt. Eine rechtliche
Eheschließung ist in Dänemark sowohl in der dänischen Landeskirche als auch vor dem Standesamt
möglich. Eine Frist zur Erstellung des Aufgebotes
gibt es nicht. Man benötigt aber zwei Trauzeugen.
Hier ist es auch möglich, dass das Standesamt die
Trauzeugen zur Verfügung stellt. Wer dies in Anspruch nehmen möchte, sollte dem Standesamt
frühzeitig Bescheid geben. An Unterlagen benötigt
man den Personalausweis oder Reisepass, Geburtsurkunde sowie eine Meldebescheinigung. Geschiedene und Verwitwete müssen das Scheidungsurteil
beziehungsweise die Sterbeurkunde vorlegen. Eine in
Dänemark geschlossene Ehe ist auch in Deutschland
gültig, wenn die Eheschließenden die Voraussetzungen ihres jeweiligen Heimatlandes erfüllen und die
Ehe formgültig nach dänischem Recht geschlossen
wurde. Eine Legalisation der Heiratsurkunde ist in
der Regel nicht erforderlich.
Heiraten in Las Vegas
In Las Vegas (Bundesstaat Nevada) kann eine rechtlich verbindliche Eheschließung entweder von einem
Standesbeamten oder einer staatlich befugten Person vorgenommen werden. Es gibt keine zeitliche
Vorgabe, nach der man sich vor der Eheschließung
in Las Vegas aufgehalten haben muss. Ebenso gibt es
keine Frist zur Erstellung des Aufgebotes. Allerdings
muss mindestens ein volljähriger Trauzeuge bei der
Zeremonie anwesend sein. Vor der Eheschließung
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muss man lediglich gemeinsam mit dem jeweils gültigen Reisepass im Büro für Heiratsgenehmigungen
vorsprechen und die Erteilung der Heiratserlaubnis
beantragen. Die Heiratserlaubnis ist ein Jahr gültig
und berechtigt, überall in Nevada zu heiraten. Wer in
Las Vegas heiratet, muss innerhalb von zehn Tagen
im Clark Country Government Center, Recorders Office, die Hochzeit registrieren lassen. Grundsätzlich
ist eine förmliche Anerkennung in Deutschland nicht
erforderlich. Die Eheschließung ist daher auch ohne
Nachbeurkundung in Deutschland wirksam. Aufpassen muss man aber bei weiteren Amtshandlungen
wie beispielsweise Namensänderungen. Hier erkennen deutsche Behörden die einfache Heiratsurkunde
aus Nevada nicht an.
Heiraten auf Mallorca
In Spanien kann man kirchlich oder standesamtlich
heiraten. Voraussetzung ist, dass einer der Partner
Spanier ist oder zumindest einen Wohnsitz in Spanien hat und dort gemeldet ist. Ansonsten ist eine
Heirat in Spanien nicht möglich. Zuständig ist das
Standesamt des spanischen Wohnsitzes beziehungsweise des Aufenthaltsortes. Die Aufgebotsfrist beträgt vier Wochen. Die Trauung kann nach
Ablauf der vier Wochen bis spätestens sechs Monate nach Anmeldung vorgenommen werden. Man
benötigt zwei volljährige Trauzeugen. Wer keinen
Wohnsitz in Spanien hat und dort auch nicht für
eine bestimmte Zeit gemeldet ist, kann nicht rechtsgültig in Spanien heiraten. Nicht gemeldete Ausländer können jedoch eine Zeremonie mit einem sogenannten freien Redner abhalten. Hier handelt es
sich aber um keine rechtswirksame Eheschließung.
Das bedeutet, dass man in Deutschland noch einmal heiraten muss.
Heiraten auf den Seychellen
Auf den Seychellen kann rechtlich verbindlich nur
standesamtlich geheiratet werden. Eine anschließende kirchliche Trauung ist möglich. Man
muss sich mindestens drei Tage auf den Seychellen
aufgehalten haben, die Aufgebotsfrist beträgt elf
Tage. Es besteht aber die Möglichkeit, diese Frist in
Absprache mit dem Standesbeamten vor Ort zu verkürzen. Erst mit Ablauf der Aufgebotsfrist kann die
Trauung vollzogen werden. Um auf den Seychellen
rechtswirksam zu heiraten, benötigt man die jeweils
gültigen Reisepässe und Geburtsurkunden sowie ein
Ehefähigkeitszeugnis mit englischer oder französischer Übersetzung. Zwei Trauzeugen müssen bei der
Trauung dabei sein. Eine auf den Seychellen ge-
Beliebt: Heiraten in Las Vegas.
Foto: Hiero_pixelio.de
schlossene Ehe ist auch in Deutschland gültig, wenn
die Eheschließungsvoraussetzungen nach deutschem
Recht erfüllt sind und die Ehe formwirksam nach
dem Recht der Seychellen geschlossen wurde. Die
Heiratsurkunde muss, damit sie in Deutschland gültig ist, mit einer Apostille versehen sein, die man
beim Supreme Court im Palais du Justice in der
Hauptstadt Victoria auf der Insel Mahé erhält.
Bei allen Trauungen im Ausland gilt: Die jeweils
anfallenden Gebühren müssen stets vor Ort nachgefragt werden.
RAin Nadine Passenheim, Hannover
Die Broschüren „Heiraten in …“ findet Ihr
unter http://www.bva.bund.de/DE/
Organisation/Abteilungen/Abteilung_II/
InfostelleAuswanderungundAuslandstaetigkeit/Publikation/Deutscheheiratenin/
deutscheheiratenin_node.html
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Thema
Klick, klick, klick – geschieden
Geschäftsmodell Online-Scheidung: schnell, bequem und günstig
♥
greift also nur dann, wenn der Antragsgegner nicht
anwaltlich vertreten ist. In diesem Falle können die
Parteien eine Kostenvereinbarung treffen, wonach
die Ehegatten vereinbaren, dass die Anwaltskosten
jeweils hälftig getragen werden.
Ist der Antragsgegner auch anwaltlich vertreten,
geht das natürlich nicht. Dann greift die Kostenaufhebung mit der Folge, dass die Gerichtskosten hälftig geteilt werden und jede Partei die ihr entstandenen Kosten zu tragen hat.
Ehescheidungskosten steuerlich absetzbar
Scheiden tut weh – auch per Mausklick.
Foto: Michael Kuchinke-Hofer
In diesem Zusammenhang hat sich das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit der Frage auseinandergesetzt, ob Scheidungskosten als außergewöhnliche
Belastung steuermindernd geltend gemacht werden
können. Im Ergebnis können die Prozesskosten für
die Ehescheidung in der Steuererklärung berücksichtigt werden, da die Scheidung nur durch ein fami­
liengerichtliches Verfahren herbeigeführt werden
können und somit zwangsläufig entstünden. Das gilt
jedoch nicht für die Scheidungsfolgekosten betreffend Unterhalt, Sorgerecht, Umgangsrecht etc., da
diese nicht zwangs­läufig entstehen (FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 16.10.2014, 4 K 1976/14).
Achtung – Online-Scheidung
Im Jahr 2013 wurden laut Statistischem Bundesamt 373.655 Ehen geschlossen und 169.833
Ehen geschieden. Viele Kanzleien haben die sogenannte Online-Scheidung als gutes Geschäft
entdeckt. Es gibt Kanzleien, die ausschließlich
Online-Scheidung anbieten, aber auch solche,
die diese als „On-Top-Leistung“ offerieren.
Wie funktioniert die Online-Scheidung?
Gemeinsam haben alle Kanzleien, dass sie mit Slogans wie „schnelle Scheidung“, „kostengünstig“ oder
„einfach“ bundesweit werben. Der Clou ist, dass das
Antragsformular bequem von zu Hause aus am PC
oder Laptop ausgefüllt werden kann, ohne lange auf
einen Besprechungstermin beim Anwalt warten zu
müssen. Der Antragsteller füllt ein Formular, welches
auf der Homepage der Kanzlei hinterlegt ist, aus, bei
dem unter anderem die Angaben zur Person des Antragstellers und des Antragsgegners, die Daten der
Eheschließung, Trennungszeitpunkt, ob Kinder vorhanden sind und ob der Versorgungsausgleich
durchgeführt werden soll, abgefragt werden. Die
Heiratsurkunde oder andere relevanten Urkunden
können entweder – je nach Website – eingescannt
und geschickt werden oder diese Unterlagen werden
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dann von der Kanzlei separat angefragt. Nach Eingabe der Daten wird der Scheidungsantrag durch die
Kanzlei gefertigt und, sobald alle Unterlagen vollständig vorhanden sind, an das zuständige Gericht
geschickt. Der Antragsgegner braucht, wenn die
Scheidung einvernehmlich durchgeführt werden
soll, nicht mal einen eigenen Anwalt – und spart sich
somit seine Anwaltskosten. Bei der einvernehmlichen Scheidung beraumt das Familiengericht relativ
schnell einen Termin an, sodass die Scheidung rasch
ausgesprochen werden kann.
Ist Online wirklich billiger?
Der Streitwert berechnet sich nach dem dreifachen
monatlichen Nettoeinkommen der Beteiligten (§ 43
FamGKG) zuzüglich eines eventuellen Erhöhungsbetrages bei nennenswerten Vermögen. Bei der einvernehmlichen Scheidung mit einem Scheidungstermin
vor dem Familiengericht entstehen demnach eine
Verfahrens- und eine Terminsgebühr nach Nummern 3100 und 3104 VV RVG. Dazu kommt eine 2,0
Gerichtsgebühr nach dem FamGKG. Diese Kosten
fallen für einen Anwalt an. Die antragstellende Partei
muss zwingend anwaltlich vertreten sein. Der Antragsgegner dagegen nicht. Das Argument „billig“
Aber aufgepasst: So einfach und schnell geht es dann
doch nicht. Auch bei der Online-Scheidung schwebt
die Haftung über dem Anwalt. Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass allein das Ausfüllen eines
„Online-Scheidungsformulars“ Rechtsanwälte nicht
von ihrer Beratungspflicht entbindet, wenn die vertretene Partei Beratungsbedarf erkennen lässt (LG
Berlin, Urteil vom 5.6.2014, 14 O 395/13). Hintergrund des Verfahrens ist, dass die Klägerin dass auf
der Homepage der beklagten Kanzlei online gestellte
Formular nutzte, dieses ausfüllte und angab, dass
wechselseitig auf Ehegattenunterhalt und den Versorgungsausgleich verzichtet werde. Aufgrund dieser
Angaben wurde auch der Vergleich geschlossen. Später dann begehrte die aus Russland stammende Klägerin Schadenersatz mit der Begründung, ihr sei die
Bedeutung und Tragweite des Vergleiches zum Zeitpunkt der Scheidung nicht bewusst gewesen. Das
Landgericht Berlin gab der Klägerin Recht. Der beklagte Anwalt habe eine Beratungspflicht gehabt, der
er nicht nachgekommen sei. Der Beklagte wurde
daher zum Ersatz jeglicher Schäden verurteilt, die aus
dem fehlerhaften Vergleich hervorgehen.
RAin Nadine Passenheim, Hannover
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Thema
Liebe im Verfolgungswahn
Stalking – Schwerwiegende körperliche, psychische, soziale Folgen für die Opfer
DAS DROHT DEM OPFER
Körperliche Folgen
Nach einer Analyse der Technischen Universität
Darmstadt in Zusammenarbeit mit der Opfervereinigung Weißer Ring kommt es in jedem fünften Stalking-Fall zu einer körperlichen Attacke oder einer
anderweitigen Ausübung von Gewalt gegen das
Opfer. Extremste Folge ist die Tötung des Opfers.
Doch nicht jeder Mörder, der zuvor Kontakt mit seinem Opfer aufgenommen hat, erfüllt zugleich den
Tatbestand des Stalking. Die Ausübung körperlicher
Gewalt ist in den meisten Fällen die Spitze eines
langsam wachsenden Eisbergs.
Psychische und soziale Folgen
Gerade dem beziehungssuchenden Stalker geht es in
erster Linie darum, sein Opfer tatsächlich zum Eingehen einer Liebesbeziehung zu bewegen. Daher
sind es in den meisten Fällen weniger spektakulären
Stalking-Handlungen wie etwa das Anrufen, Aufsuchen, Anschreiben oder Beschenken des Opfers, die
jedoch je nach Dauer und Intensität ebenfalls negative physische und vor allem psychische Reaktionen
bei den Opfern auslösen können.
„So, wie der Täter auf sein Opfer
fixiert ist, ist durch die als lästig
und als unberechenbare Bedrohung
empfundene Situation auch das Opfer
auf den Stalker fixiert.“
Stalking ist eine bizarre Form der Liebe – oft mit schlimmen Folgen für das Opfer.
Rose weiß immer ganz genau, wo sich Charlie H.
gerade aufhält. Heimliche Stippvisiten in seinem
Haus sind ihre Spezialität. Mittlerweile beherrscht sie es perfekt, sich über die Veranda des
Strandhauses hinein- und auch wieder hinauszuschleichen. Oft wünscht sich Rose, dass Charlie H. ein bettlägeriger Pflegefall wäre. Dann
würde er ganz ihr gehören, jede Sekunde und
mit Haut und Haaren. // Greg B. weiß schon
lange, dass es nur eine Frau in seinem Leben
gibt. In unzähligen Briefen hat er Halle B. bereits
seine Liebe gestanden. Er weiß, dass er den
nächsten Schritt gehen muss, ganz wie es ihm
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Foto: Michael Kuchinke-Hofer
Gott in seinen Träumen befohlen hat. Gestern
hat er seiner Angebeteten im fernen Hollywood
einen Verlobungsring geschickt. // Dieses ungute
Gefühl, wenn ihr Ronny mal wieder mit seinen
Jungs unterwegs ist, quält Jenny K. schon lange.
Letzte Nacht hat sie mit zitternden Fingern seine
SMS- und WhatsApp-Nachrichten durchforstet.
Seinen Facebook-Account checkt sie ebenso
­regelmäßig wie sein E-Mail-Postfach. Der Gedanke, dass Ronny eine andere haben könnte,
treibt sie schier in den Wahnsinn. Die Liebe ist
ein extremes Gefühl. Wenn sie zum Wahn wird,
kann es für Opfer und Täter brenzlig werden.
Ein Großteil der Opfer bemerkt zunächst Auswirkungen auf das Nervensystem, wie etwa Unruhe und
Schreckhaftigkeit. Hieraus entwickeln sich oft Kopfschmerzen, Angstsymptomen, Schlafstörungen und
Magenbeschwerden sowie eine daraus resultierende
geistige und körperliche Erschöpfung. Viele sind
schnell gereizt und reagieren dann situationsbedingt unbegründet aggressiv. Ein nicht geringer Teil
der Opfer leidet unter depressiven Verstimmungen,
einige auch unter Depressionen. Vor allem bei Opfern, denen aufgelauert wird oder die körperlich
verfolgt werden, zeigen sich rasch tendenziell reaktive Verhaltensmuster wie etwa Vermeidungsverhalten, Abkapselung, Vereinsamung oder Kontrollverhalten. So, wie der Täter auf sein Opfer fixiert ist, ist
durch die als lästig und als unberechenbare Bedrohung empfundene Situation auch das Opfer auf den
Stalker fixiert. Nach langer und intensiver Verfolgung kann in seltenen Fällen eine posttraumatische
Belastungsstörung auftreten.
Quellen: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Browschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Materialie-Gleichstellung-Nr._20104.pdf;
Thema
DAS DROHT DEM TÄTER
PRÄVENTION
Strafrechtliche Sanktionen
Erst 2007 wurde der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) in das deutsche Strafgesetzbuch
eingeführt. Nach Auffassung des Gesetzgebers bestand Regelungsbedarf, obwohl viele der typischen
Stalking-Handlungen bereits von den §§ 123, 177,
185, 201 ff., 223, 229, 240, 241, 303 StGB und § 4
GewaltschutzG abgedeckt sind. Mit dem neu geschaffenen Tatbestand wollte man einen noch effektiveren Opferschutz gewährleisten. § 238 I StGB ist
– in Hinblick auf die Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes – als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Abs. II
enthält Qualifikationen, Abs. III eine Erfolgsqualifikation. Eine einfache Nachstellung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Sie ist im Übrigen ein Antragsdelikt. Bei Verwirklichung der Qualifikation ist auf eine Freiheitsstrafe
von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen, dem Opfer nahestehenden Person, so droht
Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Polizeiliches Einschreiten
Erste Anlaufstelle für ein Opfer des gefährlichen Liebeswahns dürfte zunächst die Polizei sein. Diese
kann sich sodann aus dem Repertoire der Polizeiund ordnungsrechtlichen Generalklausel bedienen
und den Störer der Wohnung verweisen sowie Platzverweise erteilen oder Kontaktverbote aussprechen.
Zivil- , Arbeits- und sozialrechtliche Sanktionen
Der Stalker sieht sich zudem mit zivilrechtlichen Ansprüchen seines Opfers konfrontiert. Haben die Angriffe zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts
geführt, kommen Unterlassungs-, Auskunfts- und
Schadensersatzansprüche nach § 823, § 1004 BGB,
Art. 1 und Art. 2 GG in Betracht. Je nach Intensität
der Nachstellung gewähren die Gerichte auch erhebliche Schmerzensgeldbeträge. Dennoch schreitet
die angemessene Berücksichtigung psychischer Beeinträchtigungen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nur langsam voran. Immerhin: Schwerwiegende Folgen wie Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen werden in der aktuellen Rechtsprechung erhöhend berücksichtigt.
Sucht sich der Täter sein Opfer in seinem Arbeitsumfeld, kann das belästigende Verhalten eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Nicht in allen Fällen
bedarf es zuvor einer Abmahnung. Hierbei kommt es
vor allem auf die Intensität der Stalking-Handlungen
an (BAG, Urteil vom 19.4.2012, Az. 2 AZR 258/11).
Gegebenenfalls muss der Täter zudem eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)
leisten. Doch nicht jede ausgeurteilte Nachstellung
begründet automatisch einen Anspruch auf die Entschädigung. Das OEG setzt für einen Entschädigungsanspruch einen tätlichen Angriff voraus. Gewaltlose, insbesondere psychische Einwirkungen auf
das Opfer sind regelmäßig nicht als solche zu werten. Das Bundessozialgericht hat im April 2011 entschieden, dass eine Opferentschädigung grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn es im Rahmen der Nachstellungen zu einer direkt auf den
Körper des Opfers gerichteten Gewalttat gekommen
ist (BSG, Urteil vom 7.4.2011, Az. B 9 VG 2/10 R).
Gewaltschutz
In einem nächsten Schritt sollte beim zuständigen
Amtsgericht ein Antrag auf „Erlass einer Schutz­
anordnung“ nach dem Gewaltschutzgesetz gestellt werden.
Achtung: Wohnen Täter und Opfer erst seit weniger als sechs Monaten in getrennten Wohnungen,
ist das Familiengericht zuständig!
Ist eine Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz ergangen und dem Stalker bekannt
gegeben worden, so ist jeder Verstoß gegen die in
diesem Beschluss festgelegten Verbote, zum Beispiel die Annäherung auf eine Distanz unterhalb
einer bestimmten Grenze (Bannmeile), der Verstoß
gegen ein Kontaktverbot oder ähnliche Regelungen, eine Straftat gemäß § 4 Gewaltschutzgesetz.
Achtung: Wird in der mündlichen Verhandlung
ein Vergleich als Lösung erörtert, ist es wichtig zu
registrieren, dass ein Verstoß gegen den geschlossenen Vergleich nicht nach § 4 Gewaltschutzgesetz strafbar, das Opfer also in dieser Weise nicht
mehr strafrechtlich geschützt ist.
Deeskalationshaft und Gefährderansprache
Liegen die Voraussetzungen des § 112a StPO (Haftgrund meist Wiederholungsgefahr) vor, kommt auch
eine Untersuchungshaft als sogenannte Deeskala­
tionshaft in Betracht.
Nach derzeitigem Erkenntnisstand der Polizeiarbeit
scheint sich die Gefährderansprache gegenüber dem
mutmaßlichen Täter zu bewähren. Nach Auswertung mehrerer Studien, unter anderen der Darmstädter Studie, hinterlässt eine staatliche Reaktion
innerhalb der ersten 48 Stunden eine nachhaltige
und zu 80 Prozent beendende Wirkung beim Täter,
da er mit seinem Handeln aus der Anonymität herausgeholt wird und ihm die rechtlichen und tatsächlichen Grenzen seines Handelns aufgezeigt und angedroht werden. Diese sind dem Täter, der sich in
vielen Fällen selbst in der Opferrolle sieht, oft nicht
oder nicht in diesem Ausmaß bekannt.
Schon gewusst?
Der Begriff „nachstellen“ stammt – sehr
passend – aus der Jägersprache vgl. auch
den Wortlaut des § 292 StGB Jagdwilderei.
http://www.gegenstalking.de/; http://de.wikipedia.org/wiki/Stalking#cite_note-18
§ 238 StGB Nachstellung
(1) Wer einem Menschen unbefugt nachstellt,
indem er beharrlich
1. seine räumliche Nähe aufsucht,
2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen
versucht,
3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von
Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt
oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen,
4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher
Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner
selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder
5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt
und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis
zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu
fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter das
Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine
andere dem Opfer nahe stehende Person durch
die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod
des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder
einer anderen dem Opfer nahe stehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem
Jahr bis zu zehn Jahren.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur
auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein
Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
FAZIT
Es wird deutlich, dass an die anwaltliche Beratung
und Vertretung beider Seiten hohe Anforderungen
gestellt sind. Neben allen rechtlichen Eventualitäten
gilt es insbesondere auch, psychotherapeutische Ansätze einzubeziehen und auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen. Ein ganz neues Feld eröffnet
das Cyberstalking. Als Cyberstalking werden alle
Stalkingtätigkeiten bezeichnet, die mithilfe von
technischen Kommunikationsmitteln wie über das
Handy, das Internet, per E-Mail usw. durchgeführt
werden. Diese Art des Stalking ermöglicht es dem
Stalker, weitgehend unerkannt seine Tätigkeiten
durchzuführen oder dient dazu, seine Identität zu
verschleiern. Die psychischen Folgen für das Opfer
dürften ebenfalls gravierend sein, die Ermittlung,
Verfolgung und Sanktion dieser Taten werden jedoch
deutlich erschwert sein.
RAin Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
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Thema
Verheiratet mit der Berliner Mauer
Die Liebe zum Objekt ist juristisch noch unerschlossen
Nicht alle sind froh, dass sie weg ist: Der Mauerfall machte Eija-Riitta Eklöf zur Witwe.
Seit Mitte der 1950er Jahre hat sich in punkto
Liebe und Recht so einiges getan. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft mauserte sich von
einem praktischen Parameter bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe zu einer gängigen
Form des partnerschaftlichen Zusammenlebens,
die vor allem auch aus rechtlicher Hinsicht für
alle Eventualitäten gewappnet ist. „Manche
Männer lieben Männer, manche Frauen eben
Frauen, da gibt’s nichts nix zu bedauern und
nichts zu staunen.“ Treffender als in Farin Urlaubs (Die Ärzte) Songtext (M&F) lässt es sich
nicht ausdrücken. Seit Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahre 2001 ist
inzwischen auch die gleichgeschlechtliche Heirat mit allen ihren ehegleichen Rechtsfolgen
„genauso normal wie Kaugummikauen“ (Die
Ärzte, M&F). Doch ist diese positive Entwicklung im Zeichen der Toleranz und Gleichberechtigung hiermit bereits abgeschlossen?
Nein. Die Schwedin Eija-Riitta Eklöf ging nach
eigenen Angaben am 17. Juni 1979 eine Ehe
mit der Berliner Mauer ein und erfand den Begriff der Objektsexualität.
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Verheiratet mit der Berliner Mauer Eija-Riitta Eklöf-Berliner Mauer
Bereits als Siebenjährige erblickte die Modellbauerin die Liebe ihres Lebens zum allerersten Mal. Sie
sah im Fernsehen einen Bericht über den Bau der
Berliner Mauer. Hatte sie sich zuvor noch sehr für
die chinesische Mauer interessiert, konnte sie seit
diesem Zeitpunkt an nichts anderes mehr denken
als an die geschichtsträchtige Trennmauer zwischen
West- und Ost-Berlin. Sie sammelte von da an jedes
Bild ihres Lieblingsobjekts. Dass es Liebe ist, merkte
Eklöf-Berliner Mauer jedoch erst als Teenager.
Zur ersten Begegnung zwischen ihr und „ihm“, wie
sie stets von der Mauer spricht, kam es 1977. Wie bei
einem ersten Date sei sie nach eigenen Angaben sehr
schüchtern gewesen, habe sich nur zögerlich zu
„ihm“ hinbewegt und „ihn“ schüchtern berührt. Bereits bei der zweiten Begegnung am 17. Juni 1979
fand die Beziehung zwischen Frau und Objekt ihren
Höhepunkt. Eija-Riitta Eklöf gab der Berliner Mauer
das Ja-Wort. Für die Zeremonie engagierte sie einen
Animisten, welcher mit der Mauer kommunizierte
Foto: Andrea Vollmer
und für diese das Ja-Wort erwiderte. Seit dieser
„Eheschließung“ führt Eklöf offiziell den Namen Eklöf-Berliner-Mauer (auf Englisch bzw. Schwedisch
auch Eklöf-Berlin Wall oder Eklöf-Berlinmuren). Dieser Name steht auf ihrem Briefkasten, ihrer EC-Karte
und ihrem Klingelschild. Zwischenzeitlich konnte die
Schwedin sogar ihren Personalausweis entsprechend ändern lassen. In Schweden erlaubt das Gesetz Menschen, die 30 Jahre lang einen bestimmten
Namen tragen, diesen auch offiziell zu führen.
Der 9. November 1989 sollte für die bis dato glückliche
Ehefrau, die allerdings wieder in Schweden lebte, ein
tragischer Tag werden. Seit diesem Tag sieht sich Eklöf-Berliner-Mauer als Witwe an. Der norwegische
Künstler Lars Laumann widmete ihr den Film Berlinmuren, der im Rahmen der 5. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst in einem eigens zu diesem Zweck
errichteten Pavillon gezeigt wurde. In einem Interview
2013 gab die heute 60-Jährige auf die Frage, was sie
zu dieser ungewöhnlichen Eheschließung bewogen
habe, an, ihre Intention sei die Gleichberechtigung von
Menschen, die Objekte lieben, gewesen. Mit der Eheschließung habe sie hierfür ein Zeichen setzen wollen.
Thema
♥
Diese von ihr erstmals in der Öffentlichkeit postulierte extrem seltene sexuelle Orientierung der Objektophilie richtet sich auf unbelebte Gegenstände,
etwa Maschinen, Autos oder Bauwerke, unterscheidet sich aber vom Fetischismus dadurch, dass das
Objekt nicht nur als Stimulanz dient, sondern als
eigenständiges, quasi-personelles Gegenüber wahrgenommen und als anziehend empfunden wird.
als „she“ also „sie“ bezeichnet. Am 8. April 2007
schloss auch LaBrie mit ihrer großen Freundin aus
Stahl den Bund fürs Leben. Bei der privaten Zeremonie waren ihre engsten Freunde dabei. Die Behörden haben die Eheschließung zwar nicht anerkannt, sie gewährten jedoch eine Namensänderung.
Aus Erika LaBrie wurde ganz offiziell Erika Eiffel. Ein
Abbild ihrer „Ehefrau“ hat sich die Amerikanerin
vom Dekolletee abwärts tätowieren lassen.
teresse an der Berliner Mauer, als sie an der Seite
von Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer in „Berlinmuren“ auftrat. Basierend auf Erika Eiffels Liebesbeziehungen zum Eiffelturm und zur Berliner Mauer
entstand 2010 das Musical „Erika’s Wall“, das 2010
von der Music Theatre Company in Highland Park,
Illinois, uraufgeführt wurde.
Die Kommunikation mit den geliebten Objekten beschreibt Eiffel als einen deutlich spürbaren Energietransfer. Die Kälte des Stahls des Eiffelturms würde
sich mit ihrer Körperwärme austauschen, dadurch
entstünde eine enge Verbindung. Ihre Beziehung zum
Eiffelturm sei von „tiefen spirituellen und hohen
emotionalen Gefühlen“ geprägt.
Ob Lokomotive, Achterbahn, TwinTowers oder gar
Videospielcharakter – immer mehr Menschen bekennen sich öffentlich zu ihrer Liebe zum Objekt
bzw. sogar zum virtuellen Objekt. Dieses Phänomen
mit einer stärker werdenden Angst vor zwischenmenschlichen Beziehungen zu erklären, wäre sicher
kein pauschal anwendbarer Ansatz. Insbesondere
die oben vorgestellten engagierten Objektliebhaberinnen vermitteln sehr eindrucksvoll, welche Tragweite und Bedeutung die Beziehung zu einem Objekt haben kann. Rechtlich anerkannt sind solche
Ehen, zumindest in unserem Kulturkreis, bisher bekanntlich nicht. Aber mit der Popularität dieser speziellen sexuellen Orientierung wird auch der Wunsch
nach Gleichberechtigung wachsen. „Doch die meisten werden sich das niemals trauen“ (Die Ärzte,
M&F)? Da bin ich mir nicht so sicher und könnte mir
vorstellen, dass in punkto Recht und Liebe auch
diesbezüglich ein Novellierungsbedarf auf uns zukommt.
Fazit
Verheiratet mit dem Eiffelturm - Erika Eiffel
Dank der Pionierarbeit der Schwedin begriff auch
Erika Eiffel schnell, dass sie keine Laune der Natur
ist, sondern dass es mehrere von ihrer Sorte gibt.
Ebenfalls bereits als Kind fühlte sich Erika LaBrie, die
in Maryland geboren wurde aber bei einer Pflegefamilie in Maine aufwuchs, zu verschiedenen Gegenständen hingezogen. Ihre erste Liebesbeziehung
hatte sie zu einer Brücke in ihrer Heimatstadt. Es
folgten weitere Gegenstände, zu denen die Amerikanerin eine intensive Beziehung aufbaute. Neben
dem japanischen Schwert, das sie während ihrer
Zeit an der United States Air Force Academy besaß,
und dem ersten Sportbogen der international erfolgreichen Bogenschützin, schenkte sie ihr Herz
zwischenzeitlich auch an ein F-15-Kampfflugzeug.
Die Liebe ihres Lebens traf die ausgebildete Meteorologin und Kampfsportlerin im Januar 2004.
Erika LaBrie besichtigte zum ersten Mal den Eiffelturm in Paris und entwickelte eine innige Beziehung zu dem Bauwerk, das sie interessanterweise
Erika Eiffel engagiert sich für Gleichgesinnte. Im
Februar 2008 gründete sie mit dem Deutschen Oliver Arndt die Webseite Objectum Sexuality Internationale (OS Internationale), die als ein weltweites Forum für Objektophile und als Informationsplattform über Objektsexualität dient.
Zwischenzeitlich ist ein weiteres Objekt in den
Mittelpunkt von Eiffels Leben gerückt. 2009 zog
sie von Kalifornien nach Berlin. Die Berliner Mauer
scheint auf Objektophile eine ganz besondere Faszination auszuüben. Eine Faszination, die sich die
US-Amerikanerin erst später eingestehen konnte.
2008 sprach Eiffel erstmals öffentlich über ihr In-
Ob Mauer in Berlin oder Eiffelturm in Paris – Manche Menschen fühlen sich nicht von Menschen, sondern durch Objekte angezogen.
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
Fotos: Andrea Vollmer
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Thema
Meistens will die Frau nicht mehr
♥
Liebe in Zahlen, Daten und Fakten
Zahl der Eheschließungen in Deutschland 2013:
373.655 ♥
davon Wiederverheiratungen, also beide Ehepartner waren vor der Eheschließung verwitwet oder geschieden:
Ausländer:
Männer
18.934 ♥
♥
58.852 ♥ davon Frau Deutsche, Mann
___ Durchschnittliches
Heiratsalter Lediger:
33,6 Jahre /// Frauen: 30,9 Jahre ___ Zahl der Scheidungen in Deutschland
2013: 169.833
///
davon Mann Deutscher, Frau Ausländerin: 24.793
davon Erst-Ehen: 245.429
///
davon vor Ablauf des ersten Ehejahres: 1.900
davon mit minderjährigen Kindern: 49,9 Prozent
Durchschnittliche
Dauer eine Ehe
Ehe aus dem Jahr 2013: 14,8 Jahre
///
///
///
davon nach einjähriger Trennung: 141.200 Ehen
Zahl der Scheidungen in Deutschland 2003: 213.975
aus dem Jahr 1993: 11,7 Jahre
///
///
Prognostizierte Dauer einer
Geschätzte Anzahl der Ehen aus 2013, die in den kommenden 25 Jahren
geschieden werden werden: 36 Prozent /// Scheidungsanträge durch die Frau: 52 Prozent /// Scheidungsanträge durch den
Mann: 40 Prozent /// Gemeinsame Scheidungsanträge: acht Prozent ___ Anteil, der an
glaubt:
LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK
76 Prozent Frauen, 73 Prozent Männer ___ Anteil der Fernbeziehungen in Deutschland: zehn Prozent
Anteil der Deutschen, die an die
die meisten Paare zusammenfinden:
LIEBE FÜRS LEBEN glauben: 72 Prozent ___ Monate, in denen
August, Mai, April, September
Januar, Dezember, Juni, März ___ Anzahl der aktiven
///
Monate, in denen die wenigsten Paare zusammenfinden:
Nutzer auf Online-Dating-Börsen: 7,3
Millionen ___ Zahl der Fachanwälte für Familienrecht 2014: 9.181 /// Zahl der Fachanwälte für Familienrecht
2004: 5.648 ___ Zahl der
Prostituierten in Deutschland: Schätzungen zwischen 150.000 und 700.000
///
davon männlich: ca. sieben Prozent /// davon transsexuell: ca. drei Prozent /// davon nichtdeutsch: 73 Prozent
aus Bulgarien: 16 Prozent /// aus Rumänien: zwölf Prozent /// Regelmäßige
in der männlichen Bevölkerung: ca.
Prostitutionskunden
18 Prozent /// Kosten eines nächtlichen Steuertickets für die Prostitutionssteuer am SEXSTEUER-
PARKSCHEINAUTOMATEN in Bonn: sechs Euro
Quellen: Statistisches Bundsamt, Wikipedia, statista, Robert-Koch-Institut
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zusammengestellt von RA Tobias Sommer, Berlin
Thema
Den Text findet Ihr auch auf S. 63
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Magazin
Noch ’n Gedicht
Skurrile Geschichten aus dem Alltag von Justitia
Ein Urteil in Gedichtform, unharmonischer
Beischlaf als Reisemangel oder der wahrscheinlich längste Satz in der deutschen Justizgeschichte – man kann nicht sagen, dass es vor
deutschen Gerichten nichts zu lachen gibt. Zwar
gibt es zu diesem Tatbestand noch keine einschlägigen Urteile. Aber nach herrschender Meinung soll es auch Juristen mit Humor geben.
Darum stellen wir Euch jetzt regelmäßig Skurriles und Lustiges aus der Justiz vor. Dazu brauchen wir Eure Hilfe. Wir freuen uns über alle
Mitteilungen zu lustigen Sachverhalten, Stilblüten oder einfach zu allem, was irgendwie zum
Schmunzeln anregt. Schickt Eure Beiträge einfach an [email protected].
Zur Domestizierung von „Stehpinklern“
Fast die gesamte juristische Fachpresse, einschließlich Bild und Express, hat davon berichtet:
Das Amtsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 20.
Januar 2015 – Az. 42 c 10583/14 – (durch einen
männlichen Einzelrichter), entschieden, dass Mieter
– freilich nicht in jedem Zimmer – grundsätzlich im
Stehen urinieren dürfen. Das Amtsgericht gab damit
einem Mieter Recht, der auf Auszahlung seiner Mietkaution geklagt hatte. Der Vermieter wollte einen Teil
der Kaution einbehalten, weil der Marmorboden des
Badezimmers durch Urinspritzer abgestumpft war.
Das Amtsgericht hat einen Schadensersatzanspruch
des Vermieters mit der Begründung abgelehnt, dass
der Vermieter den Mieter auf die Empfindlichkeit des
Bodens hätte hinweisen müssen, da das Urinieren im
Stehen noch weit verbreitet, die daraus resultierenden Gefahren für Böden aber kaum bekannt seien.
Im Urteil heißt es dazu wörtlich: „Trotz der in diesem Zusammenhang zunehmenden Domestizierung des Mannes ist das Urinieren im Stehen
durchaus noch weit verbreitet. Jemand, der diesen
früher herrschenden Brauch noch ausübt, muss
zwar regelmäßig mit bisweilen erheblichen Auseinandersetzungen mit – insbesondere weiblichen –
Mitbewohnern, nicht aber mit einer Verätzung des
im Badezimmer oder Gäste-WC verlegten Marmorbodens rechnen.”
Es bleibt abzuwarten, ob sich infolge dieser Rechtsprechung weitere Domestizierungsbemühungen
Ob Urteil in Gedichtform oder über Stehpinkler – immer wieder gibt es vor Gericht auch was zu lachen.
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oder eher widerstandsfähigere Bodenbeläge durchsetzen werden. Denkbar sind auch das Stehpinkeln
untersagende Klauseln in Mietverträgen, wobei die
Kontrolle, ob entsprechende Anordnungen auch
eingehalten werden, auf diverse technische und
rechtliche Schwierigkeiten stoßen könnte.
Den Begriff „Domestizierung“ definiert Wikipedia
übrigens als einen innerartlichen Veränderungsprozess von Wildtieren und Wildpflanzen, bei dem
diese durch den Menschen über Generationen hinweg von der Wildform genetisch isoliert werden,
damit ein Zusammenleben mit dem Menschen oder
eine Nutzung durch diesen anschaulich „in dessen
Haus“ (lateinisch domus), ermöglicht wird.
Die Entscheidung ist auch für eventuelle Mitmieter
des undomestizierten Wildlings interessant. Denn
das Landgericht Berlin hat bereits mit Urteil vom 20.
April 2009 – Az. 67 S 335/08 – entschieden, dass
eine Mietminderung von zehn Prozent gerechtfertigt ist, wenn im gesamten Wohnbereich die
Urinstrahlgeräusche eines „Stehpinklers“ aus der
Nachbarwohnung akustisch deutlich und auffällig
hörbar sind.
Fotos: wandersmann_pixelio.de / Andrea Vollmer
Magazin
b
Von Mahnungen und Urteilen in Versform
Gelegentlich, da kommt es vor,
dass eine Kammer mit Humor,
ganz untypisch für ein Gericht,
ein Urteil ganz in Reimen spricht.
Das LG Frankfurt hatte zu entscheiden,
ob Mahnungen ohne Folgen bleiben,
wenn diese nicht, ganz sachlich schlicht,
gefasst sind, sondern als Gedicht.
Das LG hat es so gesehen:
Man muss beim Lesen nur verstehen,
dass bestimmte Folgen treten ein,
wenn man die Zahlungen lässt sein.
Macht ein Gedicht dies klar genug,
so begründet es dann auch Verzug.
Aus der Mahnung ging dies klar hervor,
weshalb der Beklagte hier verlor.
Das Urteil kann man – drum werd‘ ich’s lassen –
nicht viel weiter zusammenfassen.
Man lässt es besser mal so stehen,
denn es spricht für sich, Ihr werdet sehen:
Ein getrenntes Bett muss kein Reisemangel sein.
Aus den Gründen:
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Maklerlohn begehrt der Kläger
mit der Begründung, dass nach reger
Tätigkeit er dem Beklagten
Räume nachgewiesen, die behagten.
Nach Abschluss eines Mietvertrages
habe er seine Rechnung eines Tages
dem Beklagten übersandt;
der habe darauf nichts eingewandt.
Bezahlt jedoch habe der Beklagte nicht.
Deshalb habe er an ihn ein Schreiben gericht‘.
Darin heißt es unter anderem wörtlich
(und das ist für die Entscheidung erheblich):
„Das Mahnen, Herr, ist eine schwere Kunst!
Sie werden‘s oft am eigenen Leib verspüren.
Man will das Geld, doch will man auch die Gunst
des werten Kunden nicht verlieren.
Allein der Stand der Kasse zwingt uns doch,
ein kurz‘ Gesuch bei Ihnen einzureichen:
Sie möchten uns, wenn möglich heute noch,
die unten aufgeführte Schuld begleichen.”
Da der Beklagte nicht zur Sitzung erschien,
wurde auf Antrag des Klägers gegen ihn
dieses Versäumnisurteil erlassen.
Foto: Petra Bork_pixelio.de
Fraglich war nur, wie der Tenor zu fassen.
Der Zinsen wegen! Ist zum Eintritt des Verzug‘
der Wortlaut obigen Schreibens deutlich genug?
Oder kommt eine Mahnung nicht in Betracht,
wenn ein Gläubiger den Anspruch in Versen
geltend macht?
Die Kammer jedenfalls stört sich nicht dran
und meint, nicht auf die Form, den Inhalt kommt's an.
Eine Mahnung bedarf nach ständiger Rechtsprechung
weder bestimmter Androhung noch Fristsetzung.
Doch muss der Gläubiger dem Schuldner sagen,
das Ausbleiben der Leistung werde Folgen haben.
Das geschah hier! Trotz vordergründiger Heiterkeit
fehlt dem Schreiben nicht die nötige Ernstlichkeit.
Denn der Beklagte konnte dem Schreiben entnehmen,
er müsse sich endlich zur Zahlung bequemen,
der Kläger sei – nach so langer Zeit –
zu weiterem Warten nicht mehr bereit.
Folglich kann der Kläger Zinsen verlangen,
die mit dem Zugang des Briefs zu laufen anfangen.
Der Zinsausspruch im Tenor ist also richtig.
Dies darzulegen erschien der Kammer wichtig.
Wegen der Entscheidung über die Zinsen
wird auf § § 284, 286, 288 BGB verwiesen.
Vollstreckbarkeit, Kosten beruhen auf ZPO –
Paragraphen 91, 708 Nummer Zwo.
LG Frankfurt, Urteil vom 17. Februar 1982
Az. 2/22 O 495/81
Von unharmonischem Intimverkehr als
Reisemangel
Den vielleicht bekanntesten „Klassiker“ skurriler Entscheidung stellt eine Entscheidung des Amtsgerichts
Mönchengladbach vom 25. April 1991 – Az. 5a C
106/91 (NJW 1995, 884 f.) – dar.
Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine
Lebensgefährtin eine Urlaubsreise nach Menorca
gebucht. Geschuldet war die Unterbringung in
einem Doppelzimmer mit Doppelbett. Der Kläger hat
geltend gemacht, er habe nach der Ankunft feststellen müssen, dass es in dem ihm zugewiesenen Zimmer kein Doppelbett gegeben habe, sondern zwei
separate Einzelbetten, die nicht miteinander verbunden waren. Bereits in der ersten Nacht habe dies
dazu geführt, dass er hierdurch in seinen Schlafund Beischlafgewohnheiten empfindlich beeinträchtigt wurde. Ein „friedliches und harmonisches
Einschlaf- und Beischlaferlebnis“ sei während der
gesamten 14-tägigen Urlaubszeit nicht zustande
ge­kommen, weil die Einzelbetten, die zudem noch
auf rutschigen Fliesen gestanden hätten, bei jeder
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Magazin
b
Fortsetzung
Noch ’n Gedicht
kleinsten Bewegung mittig auseinander gegangen
seien. Ein harmonischer Intimverkehr sei deshalb
nahezu völlig verhindert worden.
Der Kläger verlangte Schadensersatz wegen nutzlos
aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 20 Prozent
des Reisepreises. Der erhoffte Erholungswert, die Entspannung und die ersehnte Harmonie mit seiner Lebensgefährtin sei erheblich beeinträchtigt worden.
Dies habe bei ihm und seiner Lebensgefährtin zu Verdrossenheit, Unzufriedenheit und auch Ärger geführt.
Das Amtsgericht Mönchengladbach hat die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt,
dass der Kläger nicht näher dargelegt habe, welche
besonderen Beischlafgewohnheiten er hat, die fest
verbundenen Doppelbetten voraussetzen. Dieser
Punkt musste nach Ansicht des Amtsgerichts allerdings nicht aufgeklärt werden, denn es komme nicht
auf spezielle Gewohnheiten des Klägers an, sondern
darauf, ob die Betten für einen durchschnittlichen
Reisenden ungeeignet waren. Dies sei nicht der Fall,
denn (O-Ton aus den Entscheidungsgründen):
„Dem Gericht sind mehrere allgemein bekannte und
übliche Variationen der Ausführung des Beischlafs
bekannt, die auf einem einzelnen Bett ausgeübt
werden können, und zwar durchaus zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Es ist also ganz und gar nicht
so, dass der Kläger seinen Urlaub ganz ohne das von
ihm besonders angestrebte Intimleben hatte verbringen müssen.“
Da man das freilich auch anders sehen und insbesondere darüber streiten kann, was denn nun allgemein bekannte und übliche Variationen der Ausführung des Beischlafs sind, hat das Amtsgericht die
Entscheidung sicherheitshalber auf eine alternative
Begründung gestützt (gewiefte Paragrafenreiter
haben halt immer noch was in der Hinterhand):
„Aber selbst wenn man dem Kläger seine bestimmten Beischlafpraktiken zugesteht, die ein fest verbundenes Doppelbett voraussetzen, liegt kein Reisemangel vor, denn der Mangel wäre mit wenigen
Handgriffen selbst zu beseitigen gewesen. Wenn ein
Mangel nämlich leicht abgestellt werden kann, dann
ist dies auch dem Reisenden selbst zuzumuten mit
der Folge, dass sich der Reisepreis nicht mindert und
dass auch Schadensersatzansprüche nicht bestehen.
Der Kläger hat ein Foto der Betten vorgelegt. Auf
diesem Foto ist zu erkennen, dass die Matratzen auf
einem stabilen Rahmen liegen, der offensichtlich aus
Metall ist. Es hätte nur weniger Handgriffe bedurft
und wäre in wenigen Minuten zu erledigen gewesen,
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AdVoice 02/15
die beiden Metallrahmen durch eine feste Schnur
miteinander zu verbinden.“
Ob man die Probleme des Klägers auch mit anderen
einfachen Handgriffen hätte lösen können, hat das
Gericht hingegen nicht in Erwägung gezogen. Nun
kann man gegen die Argumentation des Amtsgerichts natürlich einwenden, dass der Kläger eine feste
Schnur im entscheidenden Moment womöglich nicht
zur Hand hatte, was jedenfalls in der ersten Nacht
einem wilden und leidenschaftlichen – oder in den
Worten des Klägers: einem friedlichen und harmonischen – Beischlaferlebnis entgegen stand.
Auch dieses Problem hat das Amtsgericht aber gesehen und gelöst: „Es mag nun sein, dass der Kläger
etwas Derartiges nicht dabei hatte. Eine Schnur ist
aber für wenig Geld schnell zu besorgen. Bis zur Beschaffung dieser Schnur hätte sich der Kläger beispielsweise seines Hosengürtels bedienen können,
denn dieser wurde in seiner ursprünglichen Funktion
in dem Augenblick sicher nicht benötigt.“
Für die einen ist es ein Urteil, für die anderen
der vielleicht längste Satz der Welt
Mit Urteil vom 6. April 1993 – Az. 1 Sa 10/91 – hat
das LAG Chemnitz, wohl den Sinn und Zweck des –
nach § 46 ArbGG auch in Verfahren vor den Arbeitsgerichten geltenden – § 313 ZPO verkennend, der
darin liegen dürfte, dass ein Urteil nicht nur, wie der
Wortlaut der Vorschrift es bereits vorgibt, hinsichtlich des Tatbestandes knapp und hinsichtlich der
Entscheidungsgründe kurz, sondern darüber hinaus,
nicht zuletzt, um das Vertrauen der Beteiligten in die
Justiz zu stärken, auch sprachlich derart verständlich
sein soll, dass auch nicht juristisch oder sprachwissenschaftlich vorgebildete Leser es zu verstehen in
der Lage sind, ein gesamtes Urteil, mit Ausnahme
des Rubrums und der Tenöre, mithin sowohl den
Tatbestand als auch die Entscheidungsgründe, in nur
einem einzigen, nämlich dem nachfolgend abgedruckten und aus insgesamt 368 Wörtern beziehungsweise, wenn man die Leerstellen einberechnet,
2633 Zeichen umfassenden Satz, der an Unverständlichkeit kaum zu übertreffen ist, abgefasst:
„In Anbetracht dessen, dass die am 25.10.1939 geborene, geschiedene Klägerin seit Oktober 1966 bei der
Beklagten als Hortnerin tätig war, ihr am 31.3.1992
zum 30.9.1992 mit Wirkung ab 1.10.1992 eine Änderungskündigung mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung mit 30 Wochenstunden ausgesprochen
wurde, sie dies nur unter Vorbehalt annahm, und am
14.4.1992 hiergegen Klage erhob, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß gehört sei sowie die Sozialauswahl falsch sei, sie demgemäß beantragt hat,
die Änderungskündigung für ungerechtfertigt zu
erklären und Abweisung der Klage von der Beklagten
beantragt worden ist, weil die Zahl der zu betreuenden Kinder von 35 auf 20 gesunken sei und entweder
eine Hortnerin hätte entlassen werden oder beide auf
30 Stunden hätten herabgesetzt werden müssen und
das im Einverständnis des Personalrats geschehen
sei, die Beklagte am 12.1.1993 Berufung gegen das
am 23.12.1992 zugestellte, der Klage wegen unzureichenden Vortrags zur Anhörung des Personalrats
stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt und
am 11.2.1993 – nach Verlängerung der Frist bis zum
12.3.1993 – begründet hat unter Wiederholung ihres
Vorbringens nunmehr beantragt, unter Abänderung
des angefochtenen Urteils, die Klage abzuweisen und
Zurückweisung der Berufung von der Klägerin beantragt wird, weil die Sozialauswahl falsch sei, da sie
ältere Rechte als die erst seit 13 Jahren beschäftigte
32 Jahre alte Kollegin habe, war nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Personalrätin Zeugin B
zu entscheiden, dass die Klage unbegründet ist,
nachdem auf Grund der Beweisaufnahme feststeht,
dass die Personalratsanhörung rechtzeitig, vollständig und deshalb ordnungsgemäß war, der starke
Rückgang der Kinderzahl eine Herabsetzung der Betreuungskräfte auch aus Kostengründen erforderlich
machte und nach der Bedarfskündigungsregelung
des Einigungsvertrages Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 2 bis zum
31.12.1993 eine Herabsetzung der Arbeitskräfte im
öffentlichen Dienst erleichtert möglich ist, diese Regelung auch für die Änderungskündigung gilt und §
1 KSchG ersetzt sowie eine gleichmäßige Herabsetzung der Arbeitszeit für beide Hortnerinnen einer
vernünftigen Auswahl und Regelung entspricht,
zumal die Klägerin zwar älter und länger beschäftigt,
die Kollegin aber verheiratet ist und zwei Kinder hat,
so daß unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
die Klage mit der Kostenfolge des 91 ZPO abzuweisen
und die Revision nicht zuzulassen war, da es sich um
einen besonders gelagerten Einzelfall handelt, und
folglich nur auf die Nichtzulassungsbeschwerde des
§ 72 a ArbGG hinzuweisen ist.“ Noch Fragen?
Zusammengestellt v. RA Andreas Hansmeier
Kennt Ihr weitere skurrile Urteile?
Schreibt uns an [email protected]
Foto: Lupo_pixelio.de
Magazin
Das Schlechte
macht' ich krumm,
Das Krumme
macht' ich schlecht,
Drei Sachen nährten mich:
Verwirrung, Zank und Recht.
GEDICHT DES MONATS
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
(1617-1679)
deutscher Barock- und Epigrammdichter
Quelle: Grabinschrift
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Magazin
Ich komme nie mehr hierher zurück
Ausgezeichnete Menschrechtsfilme
Im Film „Camp 14“, der das Grauen in einem nordkoreanischen Lager zeigt, werden besonders grausame Szenen nur in Form eines Comics dargestellt.
Wozu Menschen fähig sind, wissen wir spätestens
seit den Bildern aus den deutschen Konzentrationslagern, die als Beweise in den Nürnberger Prozessen der Welt die Augen geöffnet haben. Doch
immer noch geschieht derartiges Unrecht tagtäglich in den verschiedensten Ecken dieser Welt.
Derzeit sind weltweit so viele Menschen auf der
Flucht wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs
nicht mehr. Nach Berechnungen der UNO waren
es im Jahr 2013 mehr als 51 Millionen. 16,7 Millionen von ihnen gelten nach völkerrechtlicher
Definition als Flüchtlinge. Neun von zehn Flüchtlingen (86 Prozent) leben in Entwicklungsländern, da die meisten Flüchtlinge lediglich in ein
angrenzendes Nachbarland fliehen. Den weit größeren Teil – 33,3 Millionen – bilden sogenannte
Binnenvertriebene. Sie fliehen innerhalb ihres
eigenen Landes, ohne dabei internationale Landesgrenzen zu überschreiten.
Nicht nur aus dem Blickwinkel der Menschrechte
passieren auf diesen Fluchten die ungeheuerlichsten Geschichten. Flüchtlinge werden nicht nur ausgenutzt und gedemütigt, sondern auch gefangen
genommen, verkauft, gefoltert und auf unvorstellbare Art erniedrigt. All dies führen die Preisträger
des deutschen Menschenrechtsfilmpreises 2014 nur
allzu deutlich vor Augen.
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416 Einreichungen, davon allein 146 für neu geschaffene Kategorie Langfilme, gab es im Jahr
2014 für die insgesamt sechs Preiskategorien. Allein diese große Zahl zeigt den Bedarf und das
große Interesse an diesen Preisen, die auch der
deutsche Anwaltverein unterstützt. Bei der Vorführung der Preisträgerfilme in Berlin wurde sogar
diskutiert, ob bei diesem überwältigenden Interesse der Preis auch jährlich vergeben werden könnte.
Derzeit werden die Filme im Zweijahresrhythmus
ausgezeichnet, wir berichteten (AdVoice 2/2013, S.
32ff und 1/2011, S. 30ff).
Die gemeinsame Klammer, das übergeordnete
Thema bei den Preisträgern im Jahr 2014 waren
Fluchtgeschichten. Zwei Filme tragen das Wort
Flucht bereits im Titel. Erniedrigungen sind auf den
gezeigten Fluchten an der Tagesordnung, das Bangen um die Schicksale drückt die Zuschauer in die
Kinosessel. Die gezeigten Menschenrechtsverletzungen sind so vielfältig und zahlreich, dass man
schreiend davonlaufen möchte. Und das, obwohl
die Grausamkeiten häufig nur beschrieben oder
mit filmischen Tricks wie Comics nachinszeniert
werden. Dennoch berühren die Geschichten, rütteln wach und ermöglichen aus unserer behüteten
Perspektive einen Einblick in fremde Welten und
ihre täglichen Gefahren.
CAMP 14 - TOTAL CONTROL ZONE
Jeden Tag gab es in Camp 14 für ihn das gleiche
Essen. Maisklösschen mit Kohlsuppe. Dreimal am
Tag. Jahrelang. Immer war es zu wenig. Shin hatte
ständig Hunger. Wer in den Augen der Aufseher
einen Fehler begangen hatte, bekam nur eine halbe
Portion. Als Shin von den Fluchtplänen seines Bruders erfährt, verrät er Bruder und Mutter an seinen
Lehrer in der Hoffnung, sich dafür wenigstens einmal satt essen zu dürfen. Mutter und Bruder werden hingerichtet, Shin muss zusehen. Satt essen
darf er sich nicht.
Den Preis in der Kategorie Langfilm hat der Dokumentarfilm „Camp 14 – Total Control Zone“ gewonnen. Zu Recht. Die Lebensgeschichte des 1983 geborenen Nordkoreaners Shin Dong Huyk ist atemberaubend und an Grausamkeit kaum zu überbieten. Er
wird in einem nordkoreanischen Straflager geboren
und ist deshalb seit seinem sechsten Lebensjahr zur
Zwangsarbeit in einem Bergwerk verpflichtet – als
politischer Häftling. Er ist das Kind einer Zwangsprostituierten. Seine Mutter wurde einem anderen Häftling zur Belohnung überlassen, weil dieser besonders
gut gearbeitet hatte. Er hat einen Bruder, aber keine
richtige Familie. Familienleben, Emotionen, Gefühle,
Denken – alles wird in den Lagern unterdrückt. Nach
Fotos: Deutscher Menschenrechts-Filmpreis
Magazin
Y
Schätzungen sollen etwa 200.000 Nordkoreaner in
solchen Lagern leben. Reale Bilder aus den Lagern
gibt es in dem Film nicht, doch die Filmemacher
haben das Dilemma mit Animationen in blaugrau
aufgelöst. An einer Stelle erzählt Shin einem Zeichner vom Lager, das Bild des Lagers entsteht dabei auf
der Leinwand per Zeichenstift und durch die Erzählung auch direkt im Kopf der Zuschauer.
schrien sie an: Als Schweine wäret ihr wenigstens
zu etwas Nutze. Kurzum, im Lager gilt das Leben der
Häftlinge unwichtiger als das Leben eines Wurmes.
Sie können sich sowieso nicht wehren, auch wenn
sie geschlagen werden. Mit den Gefangenen konnte
ich alles machen, wonach mir zumute war. Die Entscheidung, ob ich sie umbringe oder am Leben lasse,
war allein mir überlassen.“
Der Film entwickelt einen eigenen Sog und bleibt
lange im Gedächtnis. Dem Protagonisten Hyuk ist
die Flucht aus dem Lager zwar gelungen, inzwischen lebt er in Südkorea und erzählt seine Geschichte auf internationalen Konferenzen. Doch die
Vergangenheit holt ihn immer wieder ein, eine innere Freiheit hat er aufgrund seiner Erlebnisse nicht
und wird sie vermutlich auch nie finden. An einer
Stelle im Film zählt Hyuk die zahlreichen Regeln und
Verbote im Lager auf. Immer wieder wiederholt sich
die Strafe: „... wird erschossen.“ Sie gilt für Flucht,
Fluchthilfe oder ungemeldete Mitwisserschaft. Aber
auch banale Verstöße werden radikal geahndet. Besonders perfide: „Wer sich gegenüber seiner Schuld
eine eigene Meinung bildet, wird erschossen.“
Ebenfalls zu Wort kommt Oberkommandant OhYoung-Nam: „Wenn wir unsere Hände nicht schmutzig machen wollten, wählten wir eine Gruppe von
Häftlingen aus. Ich sagte: Ihr tötet einen von euch,
oder ich töte euch alle. Warum sollte man sich selbst
beschmutzen und an seinen eigenen Händen Blut
kleben sehen? Es gab ja einfache Wege. Ich hatte nie
das geringste Schuldgefühl, auch wenn ich dort so
viel getötet habe. Nach der Hinrichtung eines normalen Verbrechers wurde uns eine Sonderration
gewährt: ein bisschen Fleisch und zwei Flaschen
Alkohol. In Straflagern für politische Gefangene gibt
es so ein System der Belohnung nicht. Wenn wir
jemanden erschossen hatten, dachten wir, dass es
das Richtige war, um die Nation zu schützen. Deshalb hielt ich es für selbstverständlich.“
„Kurzum, im Lager gilt das Leben der
Häftlinge unwichtiger als das Leben
eines Wurmes.“
Auch der Lagerkommandant Kwon Hyuk erzählt vor
der Kamera freimütig über das Lagerleben und bestätigt damit die Geschichten: „Nach der Deportation ins Camp werden sie nicht mehr als Menschen,
sondern wie Tiere behandelt. Wir, die Wärter,
Doch Shin ist innerlich zerrissen. Er wirkt mehr als
nur leicht depressiv, am Ende des Films wird deutlich, dass das Lager trotz aller Grausamkeiten auch
seine Heimat ist. Hier kennt er sich aus, hierhin will
er irgendwann zurück. Zugleich hat Shin aufgrund
seiner Geschichte einen unverstellten Blick auf die
westliche Welt und ihre Werte und erlaubt uns
eine Reflektion genau dieser Werte. So erzählt er
davon, wie seltsam es ihm vorkommt, dass alle
CAMP 14
„Wir lebten dort lediglich, um die Regeln des Arbeitslagers zu befolgen und am Ende unseres Lebens
den Tod zu empfangen. Solch einen Ort bezeichnen die Wärter als „Total Control Zone“. Wir wussten
nichts von der Außenwelt. Wir wussten nur, dass unsere Eltern und Vorfahren sich schuldig gemacht
hatten und wir deswegen fleißig arbeiten müssen, um diese Schuld zu bereinigen. Nie sah ich, dass
jemandem die Strafe erlassen wurde und er das Arbeitslager verließ. Daher dachte keiner von uns,
dass wir diesen Ort je verlassen werden. Es gab manchmal Menschen, die aus Angst vor Schlägen
und aus Hunger Fluchtversuche unternahmen, aber sie wurden zum Hassobjekt der Hinterbliebenen
und empfingen auf einem öffentlichen Hinrichtungsplatz den Tod.“
Shin Dong Huyk in dem Film Camp 14
Roma-Ghetto in Bulgarien aus dem Film „Nadesha“.
Leute in Südkorea dem Geld hinterherrennen.
Wenn man zu wenig davon habe, gehe es einem
schlecht. Im Lager war das nicht so. Dort gab es
kein Geld. Schlecht ging es den Insassen, wenn sie
zu wenig Essen hatten. Und das war eigentlich
immer der Fall.
Doch ob die Geschichte stimmt oder nicht und wie
viel Wahrheit am Ende darin steckt, wissen derzeit
wohl nur die Geheimdienste. Der Buchautor der Dokumentation Blaine Harden, der vorher die Autobiographie „Escape from Camp 14: One Man’s Remarkable Odyssey from North Korea to Freedom in the
West“ erklärte Anfang des Jahres 2015 auf seiner
Website, dass er von dem angeblich aus der Demokratischen Volksrepublik Korea entflohenen und
misshandelten Gefangenen Shin Dong-hyuk betrogen wurde. Er habe erfahren, dass Shin ihm einige
Details vermutlich falsch geschildert hat. In einem
Telefonat soll Shin mitgeteilt haben, dass er die Termine, Orte und Umstände nicht für so signifikant
gehalten habe. Die New York Times berichtete im
Januar 2015 über den Poster Boy gegen nordkoreanische Menschenrechtsverletzungen und seine
Geschichte, dass er nach eigener Aussage wohl die
meiste Zeit im weniger brutalen Camp 18 gelebt
habe und seine Verletzungen später und aus anderen Gründen davongetragen habe.
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Magazin
Fortsetzung
Ich komme nie hierher zurück
Die abenteuerliche Flucht aus Sicht eines Kindes schildert der Kurzfilm „Mohammed“.
MOHAMMED AUF DER FLUCHT
Der Kurzfilm „Mohammed auf der Flucht“ erzählt
aus der Sicht von Kindern für Kinder die erschütternden Zustände einer syrischen Familie auf der
Flucht. Plastikplanen flattern im Wind einer Notbehausung neben einem überfüllten Flüchtlingscamp
an der syrischen Grenze in der Türkei. Unter den
Planen leben ganze Familien. Die Kinder spielen und
erobern sich trotzdem die Welt, holen Wasser und
werden von Hilfsorganisationen zum Arzt gebracht
– immerhin. Es wird kalt. Wird der Umzug in ein
richtiges Flüchtlingsheim gelingen? Ein letzter Rest
Hoffnung besteht, die Kinderaugen strahlen noch.
Spirale schrauben sich die Erlebnisse ineinander –
nichts scheint ausgelassen.
„Wie eine Spirale schrauben sich die
Erlebnisse ineinander – nichts scheint
ausgelassen.“
YUSSUF – DIE GESCHICHTE EINER FLUCHT
Der Freund stirbt, Fluchthelfer erpressen die hilfund wehrlosen Flüchtlinge und geben ihnen nur
benzinverseuchtes Wasser, mehrfach muss Yussuf
Todesängste ausstehen, er fährt mit einem überfüllten Boote über das Mittelmeer, treibt tagelang hilflos herum ohne Treibstoff, kommt in ein libysches
Gefangenenlager, flüchtet, der Bootsführer wird vor
seinen Augen erschossen, weil er sich weigert, mit
dem überfüllten Boot abzulegen usw.
Der kurze Magazinbeitrag „Yussuf – Die Geschichte
einer Flucht“ erzählt wiederum die unglaubliche,
abenteuerliche und unmenschliche Fluchtgeschichte des Somaliers Yussuf. Die Autoren des Beitrags haben ihren Protagonisten, der eigentlich nur
Fußball spielen will, während ihrer Recherche, bei
der sie einem Monat in einem deutschen Asylheim
lebten, kennengelernt. Ein Unglück, ausgelöst durch
unmenschliches Verhalten, jagt in dem kurzen Beitrag das nächste. Um all die Schicksalsschläge
nachzuerzählen, benötigt man mehr Zeit, als die
knapp acht Minuten, die der Film lang ist. Wie eine
Es grenzt an ein Wunder, dass ein Mensch all das
überleben kann und immer noch Fußball spielt.
Doch Yussuf ist in zwischen in Deutschland angekommen und trainiert bei dem Verein Darmstadt 98
mit. Der Trainer äußert sich positiv, doch jetzt droht
die Abschiebung nach Italien als sicheres Herkunftsland. Der Magazinbeitrag öffnet einmal mehr
die Augen. Es gibt Fälle, da gibt es kein Zurück in die
Heimat. Die Flüchtlinge sind den Schleppern ausgeliefert. Diese nutzen das System und die Flüchtlinge
auf grausame Art aus. Wer nicht noch mehr zahlt,
muss sterben oder wird verkauft.
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Fotos: Deutscher Menschenrechts-Filmpreis
NADESHDA
Auch in dem Film Nadeshda kommen vor allem die
Kinder zu Wort. Es fällt die Frage:
„Wo sind unsere Gesetze?“
Die Antwort: „Hier gibt es keine.“
Nadeshda heißt Hoffnung. Das wiederum ist pure
Ironie. Denn die meisten Bewohner des bulgarischen Ghettos, das diesen Namen trägt, scheinen
gar nicht mehr auf ein besseres Leben zu hoffen,
sondern haben sich in dieser europäischen und
doch so fremden Welt eingerichtet. Der Film ist eine
Bestandsaufnahme eines Roma-Ghettos, in dem
auf 400 x 550 Metern rund 20.000 Menschen leben.
Das ist eine viermal höhere Einwohnerdichte als in
Deutschlands am dichtesten besiedelter Großstadt
München, nur sind die Häuser gerade zwei bis drei
Stockwerke hoch und teilweise verfallen.
Pferdewagen sind hier noch ein ganz normales
Transportmittel. Kinder werden entführt, entjungfert und sind dann zur Heirat gezwungen. Davor
will ein Vater seine Tochter bewahren. Ein leicht
verwahrlostes Mädchen, wie sie auch bettelnd in
Deutschland am Straßenrand sitzen, wird mit den
Füßen von anderen Kindern achtlos weggetreten
und trollt sich, weil diese dort spielen wollen. Inner-
Magazin
Y
Finde den Fehler: Zwei Paare machen exakt dasselbe – und doch gibt es einen Unterschied (links). Rechts eine Szene aus dem Film „Bahar im Wunderland“.
halb des Ghettos gibt es eine Unterschicht, eine
Mittelschicht und auch eine Oberschicht. Offensichtlich sehnen sich viele Roma nach einem „normalen“ Leben. Von den Bulgaren wiederum, die an
der Grenze zum Ghetto leben, werden sie unterschiedslos ausgegrenzt. Hoffnung wiederum gibt
das Projekt „Musik statt Straße“, wo Musiklehrer
den Kindern eine andere Welt zeigen und auch,
wozu sie fähig sind, wenn sie üben, lernen und
einen Willen hierzu entwickeln.
Zuletzt wird er gezeigt: Ein Porzellanpferd auf dem
Wohnzimmertisch schaut in unterschiedliche
Richtungen. Filmemacher Gerhard Prügger und
sein Verein „all inclusive“ werben mit dem Film für
die Gleichbehandlung homosexueller Paare. Verein
und Regisseur wurden für den trickreichen Kurzfilm mit dem Menschenrechts-Filmpreis in der
Kategorie Amateure ausgezeichnet.
BAHAR IM WUNDERLAND
Ein kleiner Junge, der in einem Auto spielt wird interviewt. Auf die Frage, wohin er gerade fährt, antwortet er: „Nach Spanien.“ „Und, was machst Du
da?“, fragen die Filmemacher. Die verblüffend einfache Antwort aus dem Kindermund bringt das
Leben in dem Ghetto auf den Punkt: „Ich komme nie
mehr hierher zurück.“
FINDE DEN FEHLER
Amateurfilme sind mittlerweile längst keine „Amateur“filme mehr. Der Bilderrätsel-Film „Finde den
Fehler“ ist der beste Beweis dafür. In dem lediglich
zwei Minuten dauernden Streifen laufen zwei
identische Szenen parallel: Links ein homosexuelles, rechts ein heterosexuelles Paar. Der Zuschauer
soll während der zwei Minuten Filmdauer herausfinden, was nicht stimmt, den „Fehler“ suchen.
Der Kurzfilm „Bahar im Wunderland“ ist eine Familiengeschichte und ein Märchen zugleich. Inspiriert
von dem Buch „Alice im Wunderland“ wirft er, poetisch erzählt, Fragen auf zu den Themen Flucht,
Familie und Einsamkeit. In der Jurybegründung zu
dem Film heißt es zutreffend: „Ein anderer Blick auf
das Thema Flucht, der auf Stereotype verzichtet:
Das reale Leid und die Entwurzelung, mit denen
Flüchtlinge tagtäglich und weltweit konfrontiert
sind, werden angedeutet, bilden aber mehr den Hintergrund der Geschichte. Im fremden Blick des Kindes wird die Wirklichkeit verdoppelt und für kurze
Zeit zum Verschwinden gebracht – um am Schluss
wieder mit dem grellen Neonlicht der Zelle konfrontiert zu werden. Ein modernes Märchen? Die Augen
schließen – und alles wird gut? Sind die Kraft der
Imagination und der Fantasie stärker als die Realität? Oder nur eskapistische Flucht? Der Film gibt
keine Antworten, sondern lässt diese und viele weitere Fragen bewusst offen. Er endet mit einem Bild
der Ungewissheit, in dem vieles angedeutet und
doch nichts vereindeutigt wird. Durch diese Offenheit bietet der Film in den verschiedensten pädagogischen Feldern Ansatzpunkte, um zentrale Menschenrechtsthemen wie Flucht, Asyl und Menschenwürde anzusprechen. „Bahar im Wunderland“
bringt uns zum Nachdenken, Innehalten, Zweifeln.
Aus diesem Grund zeichnen wir den Film mit dem
Deutschen Menschenrechts-Filmpreis in der Kategorie Bildung aus.“
Der Film schafft es in kurzer Zeit, die universellen
Themen zu verdichten. Das könnte auch daran liegen, dass der iranische Regisseur selbst eine abenteuerliche Flucht erlebt hat und einst aus dem Iran
über die Sowjetunion in die DDR und dann weiter
nach Westberlin geflohen ist. „Die Kraft des Kinos
liegt in den Bildern“, sagt der Regisseur Behrooz
Karamizade, der es mit seinen Bildern schafft, in den
knappen Minuten eines Kurzfilms eine suggestive
Kraft zu entwickeln und den Zuschauer in eine Situation hinzuziehen, in der man dem Kind sofort zu
Hilfe kommen möchte. So viel sei verraten: Für das
Asylproblem von Vater und Tochter gibt es zwar
keine Lösung, innerhalb der Filmebene gibt es aber
ein Happy End. Nadeshda.
RA Tobias Sommer, Berlin
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Magazin
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Magazin
Unser Gericht
des Monats
Der Gerichtshof der
Europäischen Union
Die zwei goldenen Türme glänzen majestätisch in der Abendsonne.
Ihr 27. Geschoss bildet den höchsten Punkt des ehrwürdigen Luxemburger Kirchberges, wo auch der Rechnungshof, das Messezentrum, die Philharmonie und das Musée d’Art Moderne GrandDuc Jean angesiedelt sind. Ein ehrwürdiger Platz für das Herz der
europäischen Justiz - den Gerichtshof der Europäischen Union.
Erst 1972 erhielt der Gerichtshof mit dem Palais de Justice ein eigenes Gebäude. Errichtet im Jahre 1952 war er zuvor in zwei angemieteten Gebäuden untergebracht. Mit Europa wuchs jedoch
auch der Gerichtshof, und es wurde eine umfangreiche bauliche
Erweiterung notwendig. Die Planung übernahm der französische
Architekt Dominique Perrault. Er gliederte seinen Entwurf in vier
Bereiche: Sanierung und Neugestaltung des Palais de Justice sowie
Neubau eines Ringgebäudes und zweier Türme. Die Fertigstellung
des imposanten Gebäudekomplexes erfolgte 2008. Besonders beeindruckend sind die zwei schmalen goldenen Türme. Die rundum
golden schimmernde Hülle der scharfkantigen Türme besteht aus
einem Aluminiumgewebe, dessen Paneele speziell für diese Anwendung entwickelt wurden.
Der Gerichtshof der Europäischen Union beherbergt das gesamte
Gerichtssystem der Europäischen Union. Dieses besteht aus drei
eigenständigen Gerichten: dem Europäischen Gerichtshof (EuGH),
dem Gericht der Europäischen Union (EuG) und dem Gericht für
den öffentlichen Dienst.
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
Foto: pixabay/Marc Schneider
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Magazin
Justitias Geldgeschenke - Millionen frei verteilt
Wie Richter und Staatsanwälte tricksen können, wenn sie wollen
Justitia ist und bleibt blind. Sie sieht nicht, welches Geld in welche Taschen wandert.
Jedes Jahr werden in Deutschland tausende
Strafverfahren eingestellt, weil der Beschuldigte eine Geldauflage zahlt. Ein Prozess ohne
Urteil. Keine Akte. Es bleibt nur ein Dokument,
in dem erfasst wird, wohin der Angeklagte das
Geld überweisen soll. Der Richter kann die
Staatskasse oder eine gemeinnützige Einrichtung auswählen. Sein Beschluss wird nirgends
veröffentlicht. Über hundert Millionen Euro
wurden so im vergangenen Jahr fast ohne Kontrolle verteilt. Unter denen, die das Geld bekommen, finden sich auch Schützen- und Karnevalsvereine, der ADAC oder Clubs, in denen
Justizangestellte im Vorstand sitzen.
Hunderte Millionen Euro haben Beschuldigte auf
diesem Weg in den vergangenen Jahren gezahlt,
damit Strafverfahren in Deutschland eingestellt
werden. Das Geld der Richter und Staatsanwälte soll
vor allem in Projekte fließen, die der Vorbeugung
von Verbrechen dienen, den Opfern soll geholfen
werden oder auch entlassenen Straftätern. Aber
passiert das wirklich? Wohin geht das ganze Geld? 34
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Tatsächlich ist undurchsichtig, wie die Millionen
verteilt werden. Es gibt keine zentrale Sammelstelle für die Zahlungen, die Daten werden lückenhaft erfasst, eine Kontrolle findet so gut wie nicht
statt. Richter, Staatsanwälte und hunderte Millionen Euro bleiben sich selbst überlassen. Nur selten
fällt auf das System ein Schlaglicht wie im Fall von
Bernie Ecclestone, der sich gegen Zahlung von 100
Millionen US-Dollar vor dem Gericht München
freikaufen konnte. Die Süddeutsche Zeitung
schrieb dazu: „Zahlt ein Täter genug Geld, ist die
Sache aus der Welt.“
Foto: ivo_mayr
den vergangenen Monaten in ganz Deutschland
bei mehr als 50 Ministerien und Gerichte recherchiert und als Ergebnis alle verfügbaren Fakten
über die verteilten Millionen aus den deutschen
Gerichten zusammengeführt. Es ist eine Datenbank entstanden, in die jeder Interessierte reinschauen kann. Darin finden sich Tausende
Vereine, die Geld bekommen haben. Etliche Vereine
haben wenig bis gar nichts mit dem Täter-Opfer-­
Ausgleich oder der Strafvorbeugung zu tun.
Ausgrabungen in Ägypten - Der Fall Memnon „Etliche Vereine haben wenig bis gar
nichts mit dem Täter-Opfer-Ausgleich
oder der Strafvorbeugung zu tun.“
Schon in der Vergangenheit wollten Leute zusammentragen, wohin die Justiz das Geld verteilt. Bis
jetzt sind alle gescheitert. Zu groß war der Widerstand aus den Behörden. Nur für einige wenige
Gerichte waren die Zahlungen öffentlich. Das unabhängige Investigativ-Büro CORRECT!V hat in
Allein der Verein Memnon hat in den vergangenen
drei Jahren 62.000 Euro erhalten. Damit bezahlt er
eine Ausgrabung in Ägypten. An die lukrative Förderung kam der Verein ausgerechnet über eine
Richterin, über Ursula Lewenton. Sie fährt im Jahr 2002 nach Ägypten, ins Deutsche
Haus in Luxor. Dort graben Archäologen die größte
Tempelanlage des Landes aus, die Gedenkstätte für
Magazin
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Pharao Amenophis III. Die Münchner Richterin
lernt dort die Grabungsleiterin Hourig Sourouzian
kennen. Die beiden Frauen verstehen sich. Sourouzian braucht Geld für ihre Arbeit, Lewenton weiß,
wo Geld zu holen ist: Sie arbeitet am Oberlandesgericht München, und dort werden immer wieder
Schätze verteilt.
Zurück in der bayrischen Landeshauptstadt macht
sich die Richterin ans Werk. Sie gründet den Verein
Memnon. Er soll Geld aus der Justiz einstreichen
und in die Grabungen in Ägypten stecken. Diese
Art der Geldgabe ist nicht strafbar. Aber es bleibt
fragwürdig, wenn Richter den Verein einer
Ex-Richterin finanzieren. Wenige Monate nachdem Lewenton in Rente geht, spricht sie ihre ehemaligen Kollegen an Gerichten und in den Staatsanwaltschaften an. Sie verteilt Flyer und selbstgedrehte Videos, die sie von ihren Besuchen in Ägypten mitbringt. Die Strategie geht auf. Immer wieder, wenn ein
Verfahren gegen die Zahlung einer Geldauflage
eingestellt wird, entscheiden Richter und Staatsanwälte: Memnon soll das Geld bekommen. Der
Club der Kollegin. Woher das Geld kommt?
„Staatsanwaltschaft München 1, Staatsanwaltschaft München 2, Ingolstadt”, sagt Lewenton.
Alles Gerichte und Staatsanwaltschaften, in denen
die Memnon-Gründerin gut bekannt ist.
Zwischen 2007 und 2013 bekommt Memnon
89.335 Euro aus der Justiz. Das belegen Unterlagen des Oberlandesgerichtes München, in denen
Zahlungen an gemeinnützige Vereine erfasst sind.
In den Jahren davor floss noch mehr Geld von den
Gerichten an den Verein der Ex-Richterin. Wie viel
genau, das will Lewenton aus Datenschutzgründen nicht sagen. Und die Gerichte wissen es nicht,
weil die entsprechenden Unterlagen vernichtet
wurden. „Daten, die älter als zwei Jahren sind,
werden gelöscht“, sagt eine Sprecherin des bayerischen Justizministeriums. Niemand sagt, wie viel
Geld Memnon wirklich bekam.
Zu den acht Gründungsmitgliedern des Vereins
zählen zwei weitere Richterinnen, beide sind noch
aktiv. Eva Spangler arbeitet als Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht München. Sibylle
Dworazik führt seit einigen Jahren als Präsidentin
das Landgericht Ingolstadt. Lewenton sagt, dass
die beiden Richterinnen nicht selbst Memnon Geld
zugewiesen hätten. Es soll „kein falscher Eindruck“
entstehen. Auch Spangler und Dworazik betonen
gegenüber CORRECT!V, dass sie selbst Memnon nie
Geld aus Verfahren gegeben hätten.
Der Vorsitzende des bayerischen Rechtsausschusses, Franz Schindler (SPD) findet dieses Vorgehen
anrüchig. „Da lässt sich eine ehemalige Richterin
für ihren Ruhestand quasi ihr Hobby finanziell
ausstatten.” Richterin Lewenton sagt, sie habe
keine „privaten“ Verbindungen ausgenutzt, sondern nur die „kollegialen“. Sie habe immer direkt
den Behördenleiter angesprochen, „ganz offiziell“.
Sie sagt: „Ich habe den Vorteil, dass ich den Kontakt habe.“
Auf Nachfrage von CORRECT!V hat das bayerische
Justizministerium den Vorgang geprüft. Die
oberste Landesbehörde ermittelte dabei nicht, welche Justizangestellten Geld an Memnon verteilt
haben. Stattdessen sprach das Ministerium mit der
Vereinsgründerin Lewenton. Die Ex-Richterin wiederholte ihre Aussage: Kein Richter, der gleichzeitig Mitglied ihres Vereins sei, habe Geldauflagen
an den eigenen Verein überweisen lassen. Das
reichte den ministerialen Ermittler als Untersuchung im eigenen Haus. Ihr Ergebnis: Es liegt kein
„Fehlverhalten von Justizbediensteten“ vor.
Die unabhängigen und intransparenten Richter
Richter und Staatsanwälte können die Geldbuße
an einen gemeinnützigen Verein weiterreichen,
trotzdem gilt für das Verfahren in den meisten
Bundesländern die Richtlinie: Das Geld soll an
Opfer oder in die Prävention gehen. Richter jedoch
können selbstständig entscheiden, wer das Geld
bekommt. Allein im vergangenen Jahr verteilten
deutsche Richter und Staatsanwälte mindestens
80 Millionen Euro, die Dunkelziffer ist groß.
Wie kommt es zu solch hohen Summen? Martin
Wenning-Morgenthaler, Sprecher des Bundesvorstands der Neuen Richtervereinigung, glaubt
nicht, dass Richter ihre Verfahren betriebswirtschaftlich angehen. Bei den Angeklagten – gerade
bei Prominenten – erkenne er aber das Interesse
„möglichst schnell wieder aus den Medien raus“ zu
sein. Wenn eine Freiheitsstrafe drohe, zahle man
lieber Geld, sagt Wenning-Morgenthaler.
Nach den Recherchen von CORRECT!V werden etliche Zuweisungen nicht erfasst. In Bayern müssen
Vereine zum Beispiel an die Justiz melden, wie viel
Geld sie bekommen haben. Ob die Summe stimmt,
wird aber nicht kontrolliert. Wenn eine Meldung
vergessen wird, erfährt davon niemand. Und wählt
ein Richter eine Einrichtung aus, die das Gericht
nicht zuvor auf einer zentralen Liste erfasst hat,
gibt es nicht einmal eine Stelle, an der die Zahlungen gesammelt werden. Theoretisch könnten
Richter alle Geldauflagen an ihre privaten Kegelvereine geben und niemand würde es merken.
„Lücke in der Datenerfassung macht
das System korruptionsanfällig.“
Diese Lücke in der Datenerfassung „macht das
System korruptionsanfällig“, sagt ein Sprecher der
Hamburger Justizbehörde. Am Ende gehe es um
die Frage der Selbstkontrolle. Kann man davon
ausgehen, dass alle Richter vernünftig handeln,
nur weil es zum Berufsethos gehört? Und profitieren am Ende die Personen, denen das System besonders gut vertraut ist?
Richter sollten schriftlich begründen, warum sie
einer Einrichtung Geld geben. Das würde die „richterliche Unabhängigkeit“ stärken und Möglichkeiten beschränken, korrupt zu handeln. Das schrieb
der Landesrechnungshof Niedersachsen schon
2009 nach einer Routineprüfung. Die Landesregierung veranstaltete daraufhin Kurse mit Fortbildungen zur Korruptionsvorbeugung.
Auch 2014 musste in Deutschland kein Richter begründen, wie er Bußgelder verteilt. Der Bundesrechnungshof verweist auf Anfrage von CORRECT!V an
die Länder. Doch dort sammeln die meisten Oberlandesgerichte und Justizministerien lediglich
Daten – und prüfen nichts. Die zuständigen Landesrechnungshöfe geben – wenn überhaupt – nur Vorschläge. Die Millionen bleiben ohne Aufsicht.
Kontrolle in Bayern nicht möglich
CORRECT!V veröffentlichte seine Datenbank Mitte
September. Seitdem ist am Beispiel München noch
deutlicher geworden, wie unkontrolliert das Geld
in Bayern wirklich verteilt wird – und warum das
ein Problem ist. Sieben Vereine haben sich bei uns
und dem Oberlandesgericht München gemeldet.
Die dort protokollierte Spendensumme sei falsch.
Besonders groß soll der Fehler bei der Organisation
Atemreich GmbH gewesen sein. Das OLG München
speicherte im Jahr 2013 eine Summe von 152.375
Euro. Atemreich gibt an, nur 2.750 Euro bekommen zu haben.
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Fortsetzung
Justitias Geldgeschenke - Millionen frei verteilt
Ein weiteres Beispiel fand der Münchner Merkur
als er die Zahlen der Justizgelder-Datenbank von
CORRECT!V auswertete. Für 2013 weist die Statistik des Oberlandesgerichts München eine Summe
von 66.950 Euro für die Stiftung Aktion Knochenmarkspende aus. Tatsächlich seien weniger als
zehntausend Euro geflossen, gab die Stiftung gegenüber dem Münchner Merkur an.
Das Problem: Das Oberlandesgericht München
kann nicht prüfen, wie viel die Atemreich GmbH
wirklich bekommen hat. Es muss sich auf die Meldungen der begünstigten Einrichtung verlassen.
Ein Sprecher des Oberlandesgerichtes schrieb uns,
die Mitarbeiter des OLG nähmen die schriftlichen
Meldungen der Institutionen entgegen, „prüfen sie
aber nicht.“ Das Gericht passt seine Zahl jetzt den
Rückmeldungen der Empfänger an. Theoretisch könnten sich nun also alle Vereine aus
Bayern beim Oberlandesgericht München beschweren und melden, sie hätten überhaupt kein
Geld bekommen. Bayerns Datenbank wäre ganz
schnell leer. Die Dunkelziffer – Um wie viele Millionen
geht es wirklich?
Kann man davon ausgehen, dass alle Richter vernünftig handeln, nur weil es zum Berufsethos gehört? Und profitieren am Ende die Personen,
denen das System besonders gut vertraut ist?
Wer in Deutschland Bußgelder bekommen möchte,
kann sich auf offizielle Listen bei Gerichten eintragen lassen. Diese Listen sollen den Richtern und
Staatsanwälten helfen, eine Auswahl zu treffen.
Doch sie sind lang, und die Auswahl scheint willkürlich. Am Oberlandesgericht Karlsruhe zum Beispiel werden knapp 600 Einrichtungen geführt,
auch die Taxistiftung Deutschland steht drauf. In
den meisten Bundesländern gibt es Tausende Vereine auf den Listen, viele erhalten nichts.
„Wer Geld kriegt und wer nicht,
wird in Deutschland nicht einheitlich
erfasst.“
Wer Geld kriegt und wer nicht, wird in Deutschland nicht einheitlich erfasst. Während in Bayern
nur die Vereine selbst die guten Gaben zurückmelden müssen, hat Hamburg ein engmaschigeres
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System. Dort haben die Verantwortlichen gelernt,
dass blindes Vertrauen und Intransparenz auch bei
Rechtspflegern in die Korruption führen kann. Anfang der 70er Jahre wurde ein regelrechtes Bußgeldermelksystem aufgedeckt. Im Zentrum stand
damals der Bund gegen Alkohol und Drogen im
Straßenverkehr, kurz BADS. Der Verdacht: Staatsanwälte und Richter stellten Verfahren gegen die
Zahlung an den BADS ein, hielten später Vorträge
für genau diesen Verein und ließen sich dafür entlohnen. Die unrühmliche Vergangenheit hat dem
BADS nicht geschadet. Heute ist er laut Datenbank
der sechstgrößte Empfänger von Bußgeldern in
ganz Deutschland. Der BADS erhielt 1,6 Millionen
Euro in den vergangenen drei Jahren.
Als der Fall damals in den 70er Jahren öffentlich
wurde, stellten die Hamburger ihr System um. Nun
sollen Richter nur noch allgemeine Fördergebiete
benennen. Ein Gremium aus Richtern, Staatsanwälten und den Sozialbehörden verteilt dann das Geld
auf die einzelnen Einrichtungen. Wenn ein Verein
an diesen Zahlungen beteiligt werden möchte, muss
er jedes Jahr einen Antrag mit der gewünschten
Summe und dem Zweck stellen. All das kostet aber
Zeit und Geld. Zwei Personen sind hauptsächlich
damit beschäftigt, diesen Fonds zu verwalten. Trotzdem muss auch Hamburg immer noch mit einer
Dunkelziffer kämpfen, denn Richter sind unabhängig. „Wir können nur dafür werben, dass es ein sinnvolles System ist“, sagt Holger Schatz, Leiter des
Hamburger Strafvollzugsamtes. Wie viele Richter
dieses System umgehen, wird nicht erfasst.
Was sich ändern soll
Werden Richter und Staatsanwälte in Zukunft
weiter Millionen Euro freihändig und fast ohne
Kontrolle verteilen können? Nachdem wir die Justizgelder-Datenbank veröffentlicht haben, gibt es
erste Anzeichen, dass sich Transparenz und Kontrolle der Millionenzahlungen verschärfen. Baden-Württemberg ist bislang das einzige Bundesland, das die Geldströme aus der Justiz nicht
erfasst. Weder die zuständigen Richter und Staatsanwälte, noch die Öffentlichkeit hatten einen Überblick, welche Vereine profitieren. Das soll sich ändern. Am Justizministerium in Stuttgart soll in Zukunft gespeichert werden, wer profitiert, berichteten die Stuttgarter Nachrichten im September 2014.
Das Justizminsterium in Stuttgart möchte künftig
den Richtern und Staatsanwälten halbjährlich eine
Liste schicken, welche Einrichtungen in ihrem Bezirk
Geld bekommen haben. Die verteilten Millionen der
Staatsanwälte sollen ab sofort gespeichert werden.
Die Richtern dürfen noch mindestens ein Jahr weiter ohne Kontrolle das Geld verteilen. „Schätzungsweise im Jahr 2016“ sollen die verteilten Millionen
in Baden-Württemberg komplett erfasst werden,
schreiben die Stuttgarter Nachrichten. Und in Schleswig-Holstein arbeitet die Piratenpartei gerade an einem Vorschlag für ein neues Gesetz. Der Abgeordnete Patrick Breyer (Piraten)
möchte, dass keine Einrichtungen Geld bekommen
können, in denen zuständige Richter oder Staatsanwälte sowie deren Angehörige Mitglied sind.
Aus seiner Sicht sollte begründet werden, wenn
nichtstaatliche Einrichtung ohne Bezug zur Justiz
Geld bekommen. Außerdem will Breyer Sammelfonds einrichten.
Erste kleine Schritte. Doch bis sich wirklich etwas
ändert, zum Beispiel mit einer Gesetzesänderung
auf Bundesebene, bleibt das Problem: Fast nie lässt
sich nachvollziehen, welches Gericht oder welche
Staatsanwaltschaft an einen bestimmten Verein
gezahlt hat. Die Namen der Richter und Staatsanwälte bleiben immer geheim. Es gibt mehr als
genug Grauzonen, in denen getrickst werden kann. Im Beitrag der Stuttgarter Nachrichten meldete
sich auch der deutsche Richterbund zu Wort. Dort
sieht man unsere Justizgelder-Datenbank kritisch.
Zum ersten Mal kann jeder Interessierte sehen,
wohin die Justiz in den vergangenen drei Jahren
170 Millionen Euro verteilt hat. Aus Sicht des
Richterbundes wird dadurch einen „Generalverdacht gegenüber den Richtern” aufgebaut. Wenn
Menschen über Jahre hunderte Millionen Euro
freihändig verteilen, sollte das nicht kontrolliert
werden?
Jonathan Sachse und Daniel Drepper
Link zur Justizgelder-Datenbank:
> https://apps.correctiv.org/justizgelder/
Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser.
66. Deutscher Anwaltstag
11.– 13. Juni 2015 in Hamburg
STREITKULTUR
IM WANDEL
WENIGER RECHT ?
DAT FÜR EINSTEIGER
am 10. Juni 2015 von 14.30 – 18.00 Uhr
Der Deutsche Anwaltstag bietet ein besonderes
Programm für junge Juristen und Berufseinsteiger.
Am Vortag des 66. Deutschen Anwaltstages in Hamburg
erwartet Sie der DAT für Einsteiger (Teilnahme: 34 €).
Daneben eignen sich zahlreiche weitere Veranstaltungen
des Deutschen Anwaltstages für junge Juristen, Berufseinsteiger, Referendare und Studierende (im Programm mit
einem E gekennzeichnet). Programm und Anmeldung unter:
www.anwaltstag.de
Anwalt der Anwälte
Magazin
Serienweise Anwalt
Juristisches Binge Watching auf der Berlinale 2015
Juristische Stoffe sind für Serien hochinteressant. Anders als in Kino- oder Fernsehfilmen
können die Figuren viel differenzierter gezeigt
werden. Und auch für Gerichtsverhandlungen
bleibt oft mehr Sendezeit. Während in Kinofilmen viele formale und prozessuale Anforderungen oft weggelassen oder stark verkürzt werden,
wird in Serien häufiger das ganze Drumherum
aus dem Gerichtssaal gezeigt.
Filmwissenschaftler stellen sich angesichts der in
den letzten Jahren mit immer höheren Budgets
gedrehten Serien die Frage, ob diese den Kinofilmen sogar den Rang ablaufen könnten. Als Grund
wird auch das geänderte Nutzerverhalten angeführt, das sogenannte Binge Wat­ching. Dabei
werden mehreren Folgen oder Staffeln einer Serie
am Stück geschaut, das liegt im Trend.
Auch die diesjährige Berlinale hat auf diesen
Trend reagiert, erstmals acht hochwertige Serien in das Programm aufgenommen und damit
einen neuen Serienschwerpunkt gesetzt, der
viel Beachtung fand. Mit dabei: Die Premiere
der ersten beiden Folgen der neuen Anwaltsserie
„Better call Saul“. Bereits kurz nach der Premiere
wurden die ersten Folgen bei Netflix über Video-­
on-Demand gezeigt.
Saul Goodman, in seiner Zwielichtigkeit grandios
verkörpert von Bob Odenkirk, ist ein windiger Anwalt, der geneigten Zuschauern bereits als Nebenfiguraus „Breaking Bead“, der der laut Spiegel-Online
„spektakulärsten und verstörendsten der vielen
guten amerikanischen Fernsehserien“ Breaking Bad
bekannt ist. Schon „Hero“ die erste Better call SaulFolge schlägt den Bogen zu der Vorgängerserie über
den Chemielehrer, der zum Drogenkoch wird. Dort
musste sich Saul bei seinem ersten Auftritt von
Betsy Kettleman, gespielt von Julie Ann Emery, anhören: „Sie sind ein Anwalt, der von Schuldigen
angeheuert wird.“ Eingeführt wird er dort von dem
Protagonisten Jesse Pinkman, gespielt von Aaron
Paul, mit den Worten: „Du brauchst keinen Strafverteidiger, du brauchst einen kriminellen Anwalt.“
Anwalt als Krimineller?
In der Serie „Better call Saul“ heißt Saul Goodman
noch Jimmy McGill. Serienstoff ist hier das Leben
des Anwalts und Pflichtverteidigers, der im Hinterzimmer eines Nagelstudios praktiziert, nach lukrativen Fällen giert und sich immer wieder in bedrohliche Situationen bringt. Den Verlockungen
einer anwaltlich-kriminellen Karriere will er widerstehen. Jimmy McGill fährt eine Schrottkiste und
sagt Sätze wie: „Ich wollte sie gar nicht abzocken,
ich wollte sie nur als Mandanten gewinnen.“ Den
Satz „Hören Sie, ich bin Anwalt, nicht Krimineller“,
quittiert sein Gesprächspartner mit einem wissenden Lächeln. In einem Werbevideo für seine
Dienstleistungen verspricht er: „Ich übernehme
das Kämpfen für Sie. Keine Anklage ist mir zu groß.
Wenn die Justiz Sie in die Ecke drängt, beauftragen
Sie Saul. Ich erreiche, dass Ihr Verfahren eingestellt
wird. Von mir bekommen Sie die Verteidigung, die
Sie verdienen, und warum? Weil ich Saul Goodman bin. Rechtsanwalt. Ich ermittle, verteidige,
überzeuge und am wichtigsten ... gewinne!“
„Hören Sie, ich bin Anwalt, nicht
Krimineller.“
Wie fast alle Justizfilme werden auch in dieser Serie
Anspielungen und Symbole benutzt. Der „Künstler“-Name „Saul Goodman“ wird beispielsweise in
einem Flashback kurz erklärt. Der Satz „It's all good,
man.“ („Es ist alles gut, Mann.“) wurde lautmalerisch
verkürzt auf Saul Goodman. Das immer wieder gern
genutzte Symbol der Waage findet sich bereits im
Logo der Serie. Die erste Gerichtsverhandlung in der
ersten Folge beginnt mit einem Schwenk vom Emblem des State of New Mexico Second Judicial District
1912 und zeigt neben dem Wort Aequitas ebenfalls
das Symbol der Waage. Aequitas bedeutet auf latei-
Bob Odenkirk spielt den windigen Advokaten Saul Goodman in der US-Serie „Better call Saul“.
QUIZ-TIPP
Die Berliner Zeitung hat einen Quiz online
gestellt mit der Ankündigung:
Manche Serien-Fans mögen den zwielichtigen, aber scharfzüngigen Anwalt
http://mobil.berliner-zeitung.de/medien/spin-off-serie-mit-bob-odenkirkmit--better-call-saul--lebt--breakingbad--weiter,23785222,29801626.html
Saul Goodman aus „Better call Saul“, andere stehen auf die hübsche und chaotische Ally McBeal oder lachen über Lionel
Hutz aus den „Simpsons“. Hier könnt Ihr
Euch testen: mobil.berliner-zeitung.de/
recht/saul-goodman--ally-mcbealwelcher-tv-anwalt-typ-sindsie-,24165264,30053378.htmle
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Magazin
H
nisch Gleichheit, Gleichmaß, Gelassenheit, Gleichmut
und bezeichnete im alten Rom das wichtige Prinzip
der ausgleichenden Gerechtigkeit und Billigkeit.
Probleme wegzaubern?
In der dritten Folge der neuen Serie landet der Anwalt selbst im Knast. Zu seinem eigenen Anwalt
sagt er: „Reden wir über die Strategie, denn du
musst einen Zauber anwenden, damit die ganze
Sache hier so macht: Puff!“ Einen guten Teil ihrer
Spannung zieht die Serie aus der Figur des bekanntermaßen kriminellen Anwalts Saul Goodman und
seinem Vorgänger Jimmy McGill, der sich noch
gegen die kriminellen Machenschaften zu wehren
versucht, in die er immer wieder herein gezogen
wird oder hineingerät. Zwecks Mandantenakquise
verletzt er selbst die Gesetze und fingiert mit Komplizen einen Unfall, um sich dann als Retter aufspielen zu können und dadurch an einen lukrativen
Folgeauftrag zu kommen. Doch den Verlockungen
des ganz großen Geldes, die das Anwaltsleben
immer mal wieder sich bringt, will er noch widerstehen. Damit thematisieren die beiden Serien zwei
anwaltliche Prototypen in einer Filmfigur, den kriminellen Anwalt sowie den Anwalt, der sich immer
wieder mit den Verlockungen der Kriminalität auseinandersetzen muss.
Auch im Berlinale-Jahr 2015 gab es jedoch nicht
nur Serien, sondern auch wieder auffallend viele
Filme in einem Setting, den das Recht vorgibt. Es
sind meist keine Rechts- oder Justizfilme im engeren Sinn und erst recht keine Filme, die dem Genre
der Courtroom Dramen zugeschrieben werden
können. Jedoch gibt es immer wieder interessante
Aussagen zu den Themen Recht und Gerechtigkeit
oder Bilder von justitiellen Vorgängen. Wie im Jahr
2014 gilt, vgl. AdVoice 1/2014, S. 18: Jede Berlinale
ist auch eine juristische Weltreise. Ein Schaufenster in andere Welten – in andere Filmwelten und in
andere Realitäten. Auch in juristische Realitäten.
Im Jahr 2015 konnte man beispielsweise die Details aus der Arbeit einer iranischen Menschenrechtsanwältin, von rumänischen sowie polnischen Untersuchungsrichtern sehen, aber auch
einen italienischen Urheberrechtsanwalt, der geschickt im Rahmen eines Making-Off in die Filmhandlung eingebaut wurde, um etwaigen Urheberrechtsverletzungen vorzubeugen. Zu sehen ist
letzters in dem Film „Viaggio nella dopo-storia“
(Journey into Post-History) von Vincent Dieutres.
Der Film ist teilweise ein Remake Roberto Rossellinis Schlüsselwerk „Viaggio in Italia“ aus dem Jahr
1954. Mit dem Anwalt bespricht der Regisseur
ausführlich die juristischen Möglichkeiten und die
Gestaltungsräume eines filmischen Remakes.
Wurde für seinen Film „Taxi“ auf der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet: der iranische Regisseur Jafar Panahi.
Damit werden die Argumente für den Fair Use
bzw. das Zitatrecht im Film gleich mitgeliefert.
Urheberanwalt erklärt fair use
Der rumänische Film „Ce de eu“ (Why Me?) von
Tudor Giurgius ist ein Justizthriller nach wahren
Begebenheiten. Angesiedelt im postsozialistischen
Rumänien des Jahres 2002 bekommt der noch
junge, aber ambitionierter Untersuchungsrichter
Cristian Panduru den Auftrag, in viel zu kurzer Zeit
Beweise für die Anklage eines anderen Staatsanwalts wegen Amtsmissbrauchs und Korruption zu
sichten und zusammenzutragen. Doch es stellt
sich heraus, dass er nur ein Rädchen in einem ganz
großen Spiel ist, und dass er nur geopfert werden
soll. Zu spät bemerkt Panduru, dass er der ideale
Kandidat für eine Intrige war. Vermutlich wurde er
nur deshalb auf seinen Kollegen angesetzt, um zu
verhindern, dass er den weitaus größeren Skandal
aufdeckt. Im Nachspann erfahren die Zuschauer,
dass mittlerweile die Korruption in Rumänien besiegt worden sei. Dabei geht es unter anderem um
Adrian Nastase, den sozialdemokratischen rumänischen Ministerpräsidenten in den Jahren 2000
bis 2004, der noch bis 2006 rumänischer Parlamentspräsident war, und der laut Wikipedia im Januar 2012 wegen illegaler Parteienfinanzierung zu
Fotos: action press, Weltkino Filmverleih
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Magazin
Fortsetzung
Serienweise Anwalt
einer zweijährigen Haftstrafe und im März 2012
wegen Erpressung eines ehemaligen rumänischen
Konsuls zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde.
Die Filmfigur Panduru, sehr glaubwürdig verkörpert von Emilian Oprea, zitiert auch in unübersichtlichen Situationen immer noch Paragrafen
aus dem Kopf und erinnert damit an das Klischee
eines gesetzestreuen Paragrafenreiters, der ein
wenig überfordert und teilweise lebensfremd
wirkt. Mit seiner Freundin, einer Journalistin, die
ihm mit ihren Recherchen helfen will, streitet er
sich darüber, ob sie das darf oder nicht.
Der junge Untersuchungsrichter ist ein Moralist,
der in einem Machtkampf benutzt und später geopfert wird. Sein karg eingerichtetes, wenig anheimelndes Büro ist mit Aktenstapeln gefüllt und
kann gut als das Klischee einer armseligen osteuropäischen Beamtenstube herhalten, obwohl es
sich einem als klassischer Justizbau erkennbaren
Gebäude befindet. Das Büro muss er mit einem
Kollegen teilen, die Vorgesetzten kommandieren
ihn herum. Sein Widerstand führt zur Zwangsbeurlaubung und zu einem dramatischen Ende, in
dem er sich vom Dach stürzt.
Szene aus dem Film „Beyond Punishment“.
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Im Bild: polnischer und rumänischer
Ermittlungsrichter
Wesentlich abgeklärter wirkt dagegen die Figur des
Ermittlungsrichters, der die Zeit bis zur Pensionierung schon an zwei Händen abzählen kann, in dem
polnischen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Body“
von Malgorzata Szumowska. Der Richter lebt in
einem ständigen Konflikt mit seiner Tochter, die ihm
den Tod ihrer Mutter nicht verzeiht. Er ist überarbeitet und abgestumpft und liest seine Akten zu Hause
am Küchentisch. Am Tatort wiederum ist er der
wichtigste Mann.
„Zu Beginn wird ein Selbstmörder vom
Baum geschnitten, für tot erklärt und
steht wenig später auf und geht davon.“
In dem teilweise urkomischen und teilweise mystischen-übersinnlichen Film werden Kriminalität
und menschliche Tragödien durch die Augen dieses Richters gezeigt. Gemeinsam mit dem Beamten können hier Tatorte betreten werden. Realitätsnäher kann ein Spielfilm kaum sein. Zu Beginn
wird ein Selbstmörder vom Baum geschnitten, für
tot erklärt und steht wenig später auf und geht
davon. Eine gelungene Parabel für den Blick auf
die Wirklichkeit in der staatsanwaltliche Ermittlungen oft stattfinden.
Im Wettbewerb mit dem Goldenen Bären prämiert
wurde der Film „Taxi“ des iranischen Regisseurs
Jafar Panahi. Trotz Berufsverbots hat Panahi diesen Film, in dem er selbst als Taxifahrer durch Teheran fährt und seine Geschichten über die Begegnungen mit seinen Passagieren erzählt, gedreht. Der Film ist im Iran indiziert. Der Hauptpreis
für diesen Film ist damit auch ein klares politisches
Statement des Festivals.
Die Blumendame ist eine iranische
Menschenrechtsanwältin
Eine der Geschichten erzählt die Anwältin, die er
kennt und ein kurzes Stück mitnimmt. Sie ist auf
dem Weg ins Gefängnis, um Frauen zu helfen und
wird von der Nichte Panahis, die auch im Taxi mitfährt, poetisch als „Blumendame“ bezeichnet. Sie
hat einen großen Blumenstrauß dabei, ihr Markenzeichen. Ihr selbst droht auch ein Berufsverbot.
Damit dient sie als Spiegel für die eigene Situation
des Regisseurs. Die Blumendame bringt Panahi im
Taxi auf den neuesten Stand zu einem Thema, das
Foto: W. Mathias Bothor
Magazin
H
er selbst bereits verfilmt hat. Seit 108 Tagen sitze
eine Frau bereits im Gefängnis, weil sie ein Volleyballspiel besuchen wollte. In seinem Film „Offside“
aus dem Jahr 2006 ging es um einige Frauen und
Mädchen, die als Jungen verkleidet ein Fußballspiel
der iranischen Nationalmannschaft live im Stadion
verfolgen wollen, aber entdeckt werden. Das iranische System erläutert die Anwältin mit den knappen Worten: „Erst legen sie eine Akte an, dann werfen sie dir moralische Verfehlungen vor und sperren
dich ein. Wenn du rauskommst, steckst du in einem
noch größeren Gefängnis. Dann gehen deine
Freunde auf Abstand.“
machst, was dir angetan wurde.“ interessant. In
dem Film geht es um drei Verbrechen, drei Länder,
drei Strafen. Dreimal begegnen sich Täter und Opfer
vor der Kamera. Versprochen wird ein Film, „der unsere Vorstellung von Schuld und Strafe verändert“.
Untersucht wird dabei auch das Konzept der Restorative Justice, das davon ausgeht, dass es hilfreich
sei, die andere Seite zu verstehen, also zu erfahren,
was den anderen bewogen hat, die Tat zu begehen.
Oft wird behauptet, dass eine tatsächliche Begegnung zwischen den beteiligten Menschen machbar
und hilfreich sei. Doch ist das wirklich so?
Täter-Opfer-Ausgleich im Film?
Thematisiert wird in dem Film auch die immer wiederkehrende Forderung nach härteren Gesetzen.
Ausgerechnet ein Straßenräuber fordert härtere
Gesetze und mehr Hinrichtungen, vermutlich um
sich Konkurrenten vom Hals zu schaffen. Eine Lehrerin hält mit dem Argument dagegen, dass trotz
der letzten Hinrichtungen die Kriminalität nicht
zurück gegangen sei. Ein Anstoß, um über Sinn
und Zweck der Todesstrafe nachzudenken.
Aus deutscher Perspektive ist der Dokumentarfilm
„Beyond Punishment“ von Hubertus Siegert, der mit
dem Satz wirbt: „Freiheit ist, was du aus dem
Der Filmregisseur selbst reflektiert seine Arbeit wie
folgt: „Ich habe viele Gefängnisfilme gesehen. Entweder steht das Gefängnis als etwas Destruktives
im Mittelpunkt, ohne Hoffnung, seinem Ziel näher
zu kommen, die Delinquenten für die Zukunft gesetzestreu zu machen. Oder das Gefängnis wird als
reformierbare ‚Besserungsanstalt‘ gezeigt, durch
bessere Therapie, bessere Erziehung, bessere Ausbildung oder härtere Disziplin – im Sinne der Prävention vor neuen Straftaten. In der Perspektive
auf das neuzeitliche Gefängnis, den modernen
Strafvollzug interessiert mich jedoch etwas ande-
res, mich beschäftigt der Umgang mit der emotionalen Seite, mit jenem tief sitzendem Schmerz und
Hass, mit all dem Leid, das ich unter der Oberfläche
spüre und beobachte, wenn ich ein Gefängnis besuche oder ein Strafurteil lese; wenn ich den Versuch unternehme, mit den Delinquenten oder mit
der Seite der Beschädigten und Verletzen in Kontakt zu kommen. In ‚Beyond Punishment‘ interessieren mich all jene Gefühle und Bedürfnisse, die
im modernen Justizapparat und Strafvollzug keinen ausreichenden Raum haben.“
Einen Rückblick auf die Nürnberger Prozesse bot
schließlich der monumentale Dokumentarfilm „The
Memory of Justice“ von Marcel Ophüls aus dem
Jahr 1978. Er wurde damals im Rahmen der Berlinale präsentiert und galt danach lange als verschollen. Jetzt ist der Film, der sich mit den Fragen „Wie
ist es möglich, das Verhalten einer Nation oder eines
Individuums zu beurteilen?“, „Ist das Urteil einer
siegreichen Nation über eine besiegte notwendigerweise heuchlerisch?“ und „Hat Amerikas Grausamkeit in Vietnam nicht seine bei den Nürnberger Prozessen erworbene moralische Integrität beschädigt?“ in einer restaurierten Fassung zu sehen.
RA Tobias Sommer, Berlin
BEYOND PUNISHMENT
Der Dokumentarfilm Beyond Punishment
kommt am 4. Juni 2015 in die deutschen
Kinos.
Weitere Infos:
www.beyondpunishment.de
BETTER CALL SAUL
Die Serie Better call Saul gibt es auf
Netflix. Weitere Infos im Stil einer
absichtlich schlecht gemachten
Anwaltswebsite mit dem Schlagwort
„Welcome Lawbreakers“ unter:
www.bettercallsaul.com.
Sehenswert: Die satirischen Werbevideos.
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Magazin
Haft für Celler Klausuren-Richter
Urteil mit Folgen: Aberkennung von Prüfungsabschlüssen droht
Nach dem umfassenden Geständnis, welches Jörg
L. bereits im Januar abgelegt hatte, ist die Verurteilung selbst ist keine Überraschung. Ein psychiatrischer Gutachter hatte ihn darüber hinaus Mitte
Februar für voll schuldfähig erklärt. Das Gutachten
wurde allerdings nur nach Aktenlage und auf der
Basis von Zeugenaussagen erstellt. Der 48-jährige
Familienvater hatte ein persönliches Gespräch mit
dem Gutachter verweigert.
Der Gutachter sah keine Anhaltspunkte für eine
Schizophrenie oder ähnlich schwere psychische Erkrankungen. Eine schwere Intelligenzminderung sei
mit dem beruflichen Lebenslauf des Angeklagten
ebenso nicht vereinbar, so der Experte. Auch die
zweideutigen Annäherungsversuche gegenüber Referendarinnen seien nach Auffassung des Gutachters nicht auffällig. Zu ähnlichen Konstellationen
käme es in Deutschland häufig. Für eine schwere
Depression gebe es ebenfalls keine Anzeichen.
Das Landgericht folgte mit dem ausgeurteilten
Strafmaß weitgehend der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte eine Freiheitsstrafe von
fünf Jahren und drei Monaten für angemessen
erachtet. Die Verteidigung hatte ein besonderes
Augenmerk auf die bereits absolvierte Untersuchungshaft ihres Mandanten gelegt und auf eine
Haftstrafe von höchstens elf Monaten plädiert.
Klausuren verkauft: Jetzt müssen ehemalige Absolventen zittern.
In den vergangenen Ausgaben hatten wir euch
über den Stand des Verfahrens gegen den ehemaligen Referatsleiter im niedersächsischen
Landesjustizprüfungsamt, Jörg L., auf dem Laufenden gehalten. Jetzt verurteilte das Landgericht Lüneburg den Ex-Richter und Repetitor zu
fünf Jahren Haft (Urteil vom 26.2.2015, Aktenzeichen 33 KLs 20/14). Das Gericht sah es
als erwiesen an, dass Jörg L. Examenslösungen
an verkauft hatte.
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Foto: Helene Souza_pixelio.de
Bestechlichkeit, Nötigung und Verrat von Dienstgeheimnissen, so lauteten die Tatbestände in der
Anklage, die sich in einigen Passagen wie ein Krimi
las. Nachdem eine Referendarin im Januar 2014
gemeldet hatte, dass ihre Examensklausuren zum
Kauf angeboten worden waren, nahmen die Ermittlungen ihren Lauf. Am 31. März 2014 wurde
Jörg L. in einem Mailänder Hotel festgenommen,
bei ihm eine Prostituierte, 30.000 Euro in bar sowie
eine geladene Schusswaffe samt Munition.
Während Jörg L. den Konsequenzen seines Handelns nun unmittelbar gegenübersteht, müssen
fünfzehn Absolventen weiter zittern. Sie stehen seit
Abschluss der monatelangen Prüfungen der niedersächsischen Justiz im Verdacht, beim Verfassen der
Klausuren mit Hilfe der gekauften Klausurlösungen
betrogen zu haben. Das Justizministerium hat bereits Verfahren zur Aberkennung eingeleitet. Unklar
ist nach wie vor, ob hiervon auch solche Absolventen betroffen sind, die inzwischen selbst im Staatsdienst tätig sind. In diesem Fall könnte eine Flut von
Wiederaufnahmeverfahren drohen.
Der Celler Klausuren-Skandal ein Einzelfall? Wir alle
wissen, dass gerade beim zweiten Staatsexamen ein
Versagen das endgültige Aus für die Karriere bedeuten kann. Eine Situation, die das Zeug hat, so manchen vom rechten Weg abzubringen. Eine Situation,
die Insider leicht auf ähnliche „Geschäftsideen“
bringen kann. Schwer vorstellbar, dass in der Geschichte der deutschen Juristenausbildung nur Jörg
L. und seine Kunden schwach wurden.
RAin Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
Magazin
Kopf frei für die wichtigen Fälle
Ihr Partner im Kanzleialltag
Kümmern Sie sich um Ihren Fall, wir kümmern uns um den Rest.
Ob Kanzleibedarf, Kanzleiservices oder Fachliteratur, mit Soldan
ist Ihre Kanzlei perfekt organisiert.
In jedem Fall die beste Wahl.
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Magazin
Zöllner mit Recht
Ausgezeichnet: Thomas Peterka mit Zollkanzlei auf internationalem Parkett
Der Kanzlei-Gründerpreis wurde von der Hans
Soldan GmbH zusammen mit dem Deutschen Anwaltverein / FORUM Junge Anwaltschaft, der
Bundesrechtsanwaltskammer und der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung ausgelobt. Im vergangenen
Jahr errang die Hamburger Zollkanzlei von
Rechtsanwalt Thomas Peterka den dritten Platz.
Die Zollkanzlei berät Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen in allen Fragen rund
um das Zollrecht und das Außenwirtschaftsrecht
sowie das Einfuhrumsatzsteuerrecht und das Verbrauchersteuerrecht. Speziell bietet die Zollkanzlei auch die Beratung rund um das türkische Zollund Außenwirtschaftsrecht für den Warenverkehr
zwischen der Türkei und der EU an.
AdVoice: Herr Peterka, Sie haben den dritten Platz
beim Soldan-Kanzlei-Gründerpreis 2014 gewonnen.
Hat der Preis etwas verändert?
Thomas Peterka: Ja. Mandanten und Kollegen sprechen Anerkennung aus, die ohne den Preis vielleicht
gar nicht ausgesprochen worden wäre. Es ist eine
schöne Bestätigung des Erreichten und spornt an.
A: Sie sind ja nicht den geraden Weg gegangen. Sie
haben erst eine klassische Ausbildung gemacht und
dann noch Jura studiert plus Referendarzeit. Ein
Vorteil für die jetzige Selbständigkeit als Anwalt?
P: Auf jeden Fall. Von der klassischen Ausbildung
zehre ich immer noch. Ich habe die „Zöllnerei“ von
der Pike auf gelernt. Das hilft mir vor allem in der
Beurteilung von praktischen Abfertigungssituationen beim Zoll: Was hat der Beamte gemacht? Was
kommt als nächstes? Mit dem Jurastudium habe ich
mir dann das Rüstzeug für eine erfolgreiche Rechtsverfolgung erworben. Diese Kombination, dass ich
beide Seiten kenne, schätzen die Mandanten sehr.
A: Vom sicheren Beamtenjob zur Selbständigkeit?
P: Ist sicher keine Selbstverständlichkeit und war
auch eher ein vager Traum als immer ein im Kopf
verfolgtes Ziel. Das Beamtentum bietet zwar Sicherheit, lässt indes kaum Raum für freie Entwicklung
abseits fester Strukturen. Letztendlich haben die
vielen beruflichen Stationen als (angehender) Jurist
und die dabei erworbenen Fähigkeiten den Entschluss in mir reifen lassen, die Selbständigkeit als
Anwalt zu suchen.
A: Wie kam es zur Idee der Zollkanzlei?
P: Meine Spezialisierung auf das Zollrecht und die
angrenzenden Rechtsgebiete ließ eigentlich gar keine
andere Idee mehr als die der Zollkanzlei zu – zumal ich
noch immer Spaß an dieser Beratung habe. Der Name
Zollkanzlei ist meine Erfindung und bringt diese Fokussierung in der Beratung klar zum Ausdruck.
A: Der Standort könnte für eine Zollkanzlei nicht
besser gewählt sein. Haben Sie Hamburg gezielt gewählt oder eher zufällig?
P: Ein Stückweit beides. Ich war zuletzt bei PwC in
Hamburg angestellt, sodass ich also schon in der
ZUR PERSON
Thomas Peterka
ist Diplom-Finanzwirt und Rechtsanwalt. 2011
gründete er die Zollkanzlei, die sich auf Zollrecht
spezialisiert hat. Den Beruf des Zollinspektors
lernte er von der Pike auf. In Braunschweig
wurde er zum Zöllner ausgebildet und studierte
dann von 1996 bis 1999 Finanzwesen an der
Fachhochschule des Bundes in Münster. Neben
seiner Tätigkeit in der Zollverwaltung studierte er
Rechtswissenschaften in Göttingen. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Zollrecht, Verbrauchssteuerrecht, Einfuhrumsatzsteuerrecht
und im Außenwirtschaftsrecht (Exportkontrolle).
Stadt war und gern hier bleiben wollte. Hamburg
bringt durch seinen Hafen der deutschen Zollverwaltung rund die Hälfte ihrer gesamten Zolleinnahmen von rund vier Milliarden Euro im Jahr. Für viele
meiner Mandanten, die selbst zwar nicht in Hamburg
ansässig sind, aber über diese Stadt ihre Ein- oder
Ausfuhren abwickeln, steht Hamburg somit zugleich
für den Zoll. So werde ich als Zollberater in Hamburg
auch viel schneller und leichter wahrgenommen.
A: Vom Einzelkämpfer zum Team – die Zollkanzlei
hat sich vergrößert.
P: Ja. Zunächst wollte ich bewusst als Selbständiger
all meine Entscheidungen selbst treffen, ohne wie
ein Angestellter auf einen Chef oder eine Chefetage
Rücksicht nehmen zu müssen. Mit dem Erfolg der
Zollkanzlei wuchs auch die Bekanntheit und folglich
kommen mehr Aufträge. Jetzt unterstützen mich
ein weiterer Ex-Zöllner und ein Rechtsanwalt. Das
Team wird auch weiter wachsen.
A: Was verbirgt sich hinter „Türkei-Desk“?
P: Eine spezielle Beratungseinheit in der Zollkanzlei, die sich explizit um den zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Warenverkehr zwischen der EU
und der Türkei kümmert. Mein Teamkollege, Abdulkerim Kuzucu, ist türkischer Abstammung und verfügt als ehemaliger Zollinspektor der deutschen
Zollverwaltung über profunde Kenntnisse in diesen
Gebieten. Er ist Ansprechpartner für das Türkei-Desk und berät Unternehmen, die Waren aus
der EU in die Türkei importieren oder umgekehrt
und hierbei ein Zollthema haben.
A: Sie haben mit dem Zollrecht eine Nische besetzt.
P: Auf jeden Fall. Der Kreis der Kollegen, die in diesen
Gebieten beraten, ist überschaubar. Ich biete aufgrund meiner eigenen Zöllner-Erfahrung zudem
auch eine Beratung an, die weit vor einem Einspruchs- oder Klageverfahren beginnt. Beispielsweise
die Optimierung oder Gestaltung von innerbetrieblichen Prozessen, die Zollangelegenheiten betreffen,
oder die Minimierung von Risiken in diesen Bereichen.
A: Welche Mandantenstruktur hat Ihre Kanzlei?
P: Vom erfolgreichen Einzelunternehmer bis zu
multinationalen Konzernen unterschiedlicher Branchen ist alles dabei. Das macht die Beratung sehr
spannend, weil ich Einblick in völlig unterschiedliche Unternehmen und Persönlichkeiten – auch aus
verschiedenen Nationalitäten – erhalte. Das Gespräch führte
RAin Nadine Passenheim, Hannover
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AdVoice 02/15
Foto: Zollkanzlei
Magazin
Die Schlagzeile im Kopf
Pressearbeit: Worauf es im Umgang mit Journalisten ankommt
Längst haben Kanzleien die Öffentlichkeitsarbeit
für sich entdeckt. Doch Medienpräsenz ist kein
Selbstläufer. Aufmerksame Anwälte wissen, wie
Journalisten „ticken“ und arbeiten partnerschaftlich mit Pressevertretern zusammen. Und
das zahlt sich aus. Tipps für die Praxis.
rektur zu lesen. Die Abmachung ist: Sie bieten Themen an und unterstützen die Recherche. Alles andere ist Hoheitsgebiet der schreibenden Zunft. Harte
Kost für Kontrollfreaks: Die müssen umdenken.
Pressearbeit ist Beziehungsmanagement
Sie können Journalisten nicht kaufen; Sie müssen sie
mit richtig guten oder gar exklusiven Informationen
überzeugen. Fragen Sie sich: Ist das, was ich mitzuteilen habe, wirklich relevant und aktuell? Alles, was
nur der Selbstdarstellung dient, streichen Sie besser
ersatzlos. Bieten Sie Themen mit Nachrichtenwert.
Das funktioniert, wenn Sie in Schlagzeilen denken.
Dann erkennen Sie schnell, ob Ihre Meldung tatsächlich zündet. Fragen Sie sich: Was ist neu daran?
Oder was ist der Teilaspekt aus einem größeren Zusammenhang, der bereits gemeldet wurde? Offerieren Sie Themen mit Mehrwert für Verbraucher. Auch
Rechtsfälle mit einem hohen Sensationswert, Kurioses oder Dramatisches kommen gut an. Ergreifen Sie
Initiative und schaffen Sie Anlässe, über die es sich
zu berichten lohnt. Loben Sie einen Wettbewerb aus,
kooperieren Sie mit einer Hochschule oder überraschen Sie mit Aktionen, die einfach anders und deshalb bemerkenswert sind. Seien Sie kreativ, denken
Sie quer und planen Sie Ihre Themen und PR-Maßnahmen gleichmäßig über das Jahr.
Gute Beziehungen zu Journalisten sind unverzichtbar. Seien Sie nahbar und dialogbereit, und äußern
Sie sich verlässlich und kompetent. So entsteht Vertrauen. Und das geschieht keineswegs so nebenbei.
Pressearbeit ist Aufbauarbeit. Pflegen Sie Ihre Kontakte, versenden Sie regelmäßig Pressemitteilungen
und laden Sie Medienvertreter zu Ihren Veranstaltungen ein. Reagieren Sie zeitnah auf Anfragen und antworten Sie freundlich und sachlich, ganz gleich, für
welches Blatt ein Journalist schreibt. Wenn Sie ein
Anruf überrumpelt: Kündigen Sie einen Rückruf an,
sammeln Sie sich und antworten Sie telefonisch oder
per E-Mail mit Ihrer zitierfähigen Aussage innerhalb
einer Stunde. Damit etablieren Sie sich als gefragter
Experte. Erfolgsentscheidend ist: Begegnen Sie Pressevertretern immer wohlwollend und wertschätzend.
Journalisten sind keine Bittsteller, sondern Partner.
Professionalität greift
Versetzen Sie sich in die Perspektive des anderen
hinein. Journalisten arbeiten unter hohem Zeitdruck
und sind immer auf der Suche nach einer guten Geschichte. Hinzu kommt, dass viele Verlage Personal
abbauen. Sie erleichtern Redakteuren die Arbeit,
wenn Sie Nachrichten journalistisch aufbereiten und
so klar wie verständlich schreiben. Spammen Sie Ihre
Empfänger nicht mit Unwichtigem zu und erschlagen Sie Laien nicht mit Juristendeutsch. Portionieren
Sie Informationen leicht verdaulich. Dazu gehört
auch, dass Sie nur eine Nachricht in eine Pressemitteilung packen. Sonst verwässern Ihre Botschaften.
Bedenken Sie überdies: Redakteure – die meisten
jedenfalls - berichten objektiv und unabhängig und
lassen sich nicht als Werbetrommel instrumentalisieren. Avancen wie: „Ich möchte bei Ihnen einen
Artikel veröffentlichen“ sind genauso tabu wie die
Ansagen „Sie müssen unbedingt darüber schreiben,
wie toll wir sind oder was wir Unglaubliches leisten.“
Damit erreichen Sie Ihr Ziel in keinem Fall. Als unprofessionell outen Sie sich übrigens auch, wenn Sie
nachfragen, wann Ihr Pressetext endlich erscheint.
Ganz wichtig: Autorisieren Sie unbedingt Ihre Aussagen in Interviews. Doch verabschieden Sie sich von
dem Gedanken, Artikel grundsätzlich komplett Kor-
Denken Sie in Schlagzeilen
Wahren Sie die Form einer Pressemitteilung
und liefern Sie Qualität
Verwenden Sie eine Vorlage mit Ihrem Kanzlei-Logo
für Ihre Pressemitteilung. Schriftgröße 12, Zeilenabstand 1,5 und verwenden Sie eine einfache Schrift
wie Arial. Schnörkel und Serifen sind hier fehl am
Platz. Schreiben Sie maximal zwölf Wörter pro Satz
und strukturieren Sie Ihre Nachricht entlang der
W-Fragen: Wer? Was? Wann? Wie? Warum? Wo?
Welche Quelle? Zwischenüberschriften erleichtern
die Lesbarkeit. Klare Sprache ist ein Muss: Ein Satz,
eine Aussage. Aktiv statt passiv formulieren. Laientaugliche Begriffe statt Juristenkauderwelsch. Und:
Legen Sie den Protagonisten Worte in den Mund.
Zitate machen Texte lebendiger. Mit wertenden Aussagen spitzen Sie Botschaften geschickt zu. Verwenden Sie druckfähige Pressefotos vom Profi und geben
Sie die Bildrechte an. Fügen Sie die Kontaktdaten des
Ansprechpartners für Anfragen bei. Ganz wichtig:
Stellen Sie unbedingt sicher, dass diese Person am
Tag der Aussendung erreichbar ist. Pressemitteilungen werden übrigens als offene Word-Datei und
niemals im PDF-Format verschickt. Damit tun Sie
Journalisten einen Gefallen, denn sie können Text-
bausteine im Nu kopieren oder bearbeiten. Und: Es
versteht sich von selbst, Pressemitteilungen in Blind
Copy an einen großen Verteiler zu schicken. Noch
besser ist natürlich, wenn Sie individuell versenden
und Ihre Empfänger persönlich ansprechen. Wichtig
dabei ist: Pressemitteilungen gehören tagesaktuell
auf Ihre Website in die Rubrik. „Presse“. Dort publizieren Sie Ihre Presseinformationen chronologisch und
bieten Pressefotos zum Download an. Wer recherchiert, findet dort auch Telefonnummern des Pressesprechers oder Ansprechpartners, ein Kontaktformular mit Rückrufbitte oder die Registrierung für den
Presseverteiler. Verlinken Sie von Ihren sozialen Netzwerken auf diese Meldungen und posten Sie anregende Teasertexte, die neugierig machen.
Erstellen Sie einen Verteiler und kontaktieren
Sie Verlage mit Köpfchen
Analysieren Sie, welche Medien Ihre Zielgruppen und
Ihre (potenziellen) Mandanten regelmäßig nutzen,
und legen Sie einen Verteiler oder mehrere spezifische für Ihre Pressekontakte an. Für Arbeitsrechtler
ist etwa ein bundesweit erscheinendes Personalmagazin relevant, das Arbeitgeber und Personalchefs
erreicht. Filtern Sie die Daten nach Publikums- und
Fachpresse, lokalen Medien, Tages- und Wochenzeitungen sowie Fernseh- und Radiosendungen. Wenn
Sie einen Tag der offenen Tür veranstalten, ist das
eher für die Lokalpresse interessant, während Ihr
Vortrag auf einem Kongress die Fachpresse interessiert. Recherchieren Sie Rubriken, Formate und Themenbeilagen der Fachmedien, zu denen Sie wertvolle
Beiträge beisteuern können. Die Themenpläne finden
Sie online bei den Mediadaten der Verlage. Oder Sie
fragen telefonisch nach. Listen Sie Themen für Statements, Kommentare oder Gastbeiträge mit knackigen Headlines auf, und gehen Sie damit auf die Redakteure zu. Erkundigen Sie sich über Umfang der
Artikel, erfragen Sie den Redaktionsschluss und klären Sie, welcher Redakteur für welches Ressort zuständig ist. Extra Pluspunkte verbuchen Sie, wenn Sie
Themen vorwegnehmen und neue Impulse setzen.
Bleiben Sie dran und halten Sie durch
Lassen Sie sich nicht entmutigen, auch wenn Ihre
Pressemitteilung scheinbar versandet. Die Information liegt in der Redaktion. Wenn das Thema aus
welchem Grund auch immer später wieder interessant wird, wird man Sie anrufen. Steter Tropfen
höhlt den Stein.
Christiane Legler / Susanne Kleiner, München
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JuraInfos
Erfolgreich selbstständig als Anwalt
Ein Überblick über Controlling und Finanzplanung
rend im Blick zu haben, und ermöglicht ihm damit,
Fehlentwicklungen, Schräglagen, Risiken und Bedrohungen (möglichst frühzeitig) zu erkennen und
zu lokalisieren. Mithilfe der erlangten Erkenntnisse
können dann entsprechende Gegenmaßnahmen
entworfen werden. In der Praxis bedeutet dies für
den Kanzleiinhaber, regelmäßig verschiedene
Daten seiner Praxis zu kontrollieren sowie aktuelle
und zurückliegende Zahlen miteinander zu vergleichen. Diese Daten finden sich vor allem in der
Buchführung, die – strukturiert geführt – das
Kernstück für das Controlling darstellt. Im Folgenden sollen nun kurz einige Controlling-Instrumente beschrieben werden, mit denen wichtige
Zahlen und Daten erhoben werden können.
Kostenrechnung
Die Rechnung muss am Ende stimmen.
Rechtsanwälte, insbesondere selbstständig tätige, müssen sich im Rahmen ihrer Berufsausübung auch mit betriebswirtschaftlichem Handeln befassen. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind für die unternehmerische Tätigkeit
als Anwalt erforderlich. Ein Teilbereich der
kaufmännischen Unternehmenssteuerung ist
das sogenannte Controlling. Auch finanzielle
Kompetenzen gehören zu den unternehmerischen Fähigkeiten. Vor allem mit diesen Themenbereichen beschäftigt sich vorliegender
Artikel. Es soll auf Grundlage verschiedener
Quellen, die sich mit diesen Themen befassen,
ein erster Einblick vermittelt werden, wie und
warum Controlling im Kanzleibetrieb und eine
bedachte Finanzplanung zum Erfolg einer Anwaltskanzlei beitragen können.
Es handelt sich dabei um einige wesentliche Inhalte des Ratgebers des Instituts für Freie Berufe
Nürnberg (IFB), der in Zusammenarbeit mit der
Selbsthilfe der Rechtsanwälte e. V. München entstanden ist, „Erfolgreich selbstständig als Anwalt
– Ein Handbuch für Gründer und Fortgeschrittene“. Der Ratgeber geht dabei aber noch näher
auf Controlling und Finanzplanung ein.
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Foto: RainerSturm_pixelio.de
Controlling
Es gibt zahlreiche Definitionen des Begriffs „Controlling“. Eine Definition lautet: „Controlling ist die
Bereitstellung von Methoden (Techniken, Instrumente, Modelle, Denkmuster) und Informationen
für arbeitsteilig ablaufende Planungs- und Kontrollprozesse sowie die funktionsübergreifende
Koordination (Abstimmung) dieser Prozesse.“
Die zentralen Aufgaben von Controlling sind Planung, Steuerung und Kontrolle. Im Zusammenhang mit der Planung beschäftigt sich der Rechtsanwalt damit, welche Ziele er (lang- und kurzfristig) anstrebt, und legt fest, wohin sich seine Kanzlei entwickeln soll. Im Rahmen der Steuerung ist
Controlling zuständig für den Weg, den eine Kanzlei einschlägt, sowie für eine fortgesetzte Verbesserung in der Kanzlei bzw. im Kanzleibetrieb. Kontrolle bedeutet schließlich zu ermitteln, ob die
gesteckten Ziele erreicht worden sind oder nicht,
wo Abweichungen davon festgestellt werden können und welche Ursachen hierfür zugrunde liegen.
Das Controlling dient einem Anwalt dazu, die wirtschaftliche Entwicklung seiner Kanzlei fortwäh-
Damit eine Unternehmung, also auch eine Rechtsanwaltskanzlei, keinen Verlust macht, sondern
Gewinn erwirtschaftet, müssen die Einnahmen
(also der Umsatz) höher sein als die Ausgaben
(Kosten). Aus diesem Grunde sollte ein selbstständiger Rechtsanwalt stets genau darüber Bescheid
wissen, welche Kosten in seiner Kanzlei anfallen.
Diese können durch verschiedene Kostenrechnungen erfasst werden.
Kostenartenrechnung
(Welche Kosten sind entstanden?)
Mit dieser Kostenrechnungsmethode werden die
Kosten, die z. B. in einem Monat, einem Quartal
oder einem Jahr in der Kanzlei entstehen, sortiert.
Dabei sollten die Kostenarten möglichst (zumindest in groben Zügen) den Konten entsprechen,
die in der Buchführung genutzt werden (Personal-, Kfz-, Bürokosten etc.).
Die verschiedenen Ausgabenarten lassen sich weiterhin in fixe und variable Kosten unterscheiden:
„Kosten, die von der Leistungsmenge unabhängig
sind (…), sind demgemäß als fix (…) einzuordnen.“
Zu den Fixkosten zählen etwa die Büromiete, Kosten für den Telefon- und Internetanschluss, der
jährliche Kammerbeitrag, Beiträge der Berufshaftpflichtversicherung oder Personalkosten. Diese
Kosten können – zumindest kurzfristig – kaum
ver­ringert werden.
Variable Kosten hingegen sind von der Leistungsmenge abhängig. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Kosten für Büromaterial oder für Fortund Weiterbildung.
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JuraInfos
Vorher zum Anwalt
und als Anwalt
vor Abschluss
einer Versicherung
Kostenstellenrechnung
(Wo sind die Kosten entstanden?)
Bei dieser Kostenrechnungsmethode werden die
Kosten nach dem Verursacherprinzip geordnet,
d. h. sie werden nach dem Leistungsbereich, in dem
sie anfallen (z. B. Marketing) sortiert.
Kostenträgerrechnung
(Wofür sind die Kosten entstanden?)
Diese Methode ist zu empfehlen, wenn eine Kanzlei
viele verschiedene Leistungen erbringt. So können
die Kosten den einzelnen Leistungen zugeordnet
und damit deren Preise einfacher festgelegt werden.
Deckungsbeitragsrechnung
Der Deckungsbeitrag wird durch Abzug der variablen Kosten von den erzielten Erlösen (Umsatz) ermittelt. „Es handelt sich somit um den Betrag, der
zur Deckung der Fixkosten zur Verfügung steht.“
Der Deckungsbeitrag kann sich sowohl auf einzelne
Mandate beziehen als auch auf den Gesamterlös aus
allen Mandaten erstrecken. Er wird angewendet, um
deren Wirtschaftlichkeit festzustellen und miteinander zu vergleichen. Hierdurch kann beispielsweise
ermittelt werden, ob ein Mandat, das einen recht
hohen Umsatz abwirft, verglichen mit anderen,
umsatzschwächeren Mandaten einen geringeren
Gewinn oder sogar Verlust erbringt.
Liquiditätsplanung
Eine aussagekräftige Kostenrechnung ist zudem
Voraussetzung für eine funktionierende Liquiditätsplanung, in der jeden Monat die Einnahmen
den Ausgaben gegenübergestellt werden. Aus der
Differenz von Erträgen und Aufwendungen ergibt
sich der monatliche Saldo, d. h. die flüssigen (liquiden) Mittel, die zur Verfügung stehen, um den
anstehenden finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Eine besonders wichtige Rolle spielt
dabei der Faktor Zeit (Zeitpunkt des Zahlungseingangs, Fälligkeiten von Zahlungsverpflichtungen
usw.). Wenn aktuell fällige Zahlungsverpflichtungen (z. B. Löhne oder Steuern) nicht bezahlt werden können, selbst wenn nur vier Wochen später
durch entsprechend hohe Zahlungseingänge wieder ausreichend liquide Mittel vorhanden sind,
kann es zu schwerwiegenden Problemen kommen,
wie z. B. zu Zahlungsunfähigkeit oder gar zum
Kanzlei-Aus. Daher sollten Fristen und Fälligkeiten
stets im Auge behalten werden.
Break-Even-Analysen
Mit der Break-Even-Analyse wird untersucht,
wann ein Verlust in Gewinn umschlägt. „BreakEven-Punkte sind diejenigen Mengenpunkte (…),
bei denen Gesamterlöse und Gesamtkosten übereinstimmen.“ Break-Even-Punkte können somit als
Gewinnschwellen oder Erfolgsschwellen aufgefasst werden. Mit dieser Analyse kann also überprüft werden, ob mit dem erzielten Umsatz nach
Abzug aller Kosten Gewinn oder Verlust generiert
wird, bzw. ab welchem Zeitpunkt schließlich Gewinn erwirtschaftet wird.
Soll-Ist-Vergleiche
Das Standardinstrument des Controllings ist der
Soll-Ist-Vergleich. Dabei werden im weiteren Sinne
die Ist-Werte den angestrebten Soll-Werten gegenüber gestellt. Hierdurch kann festgestellt werden, ob es Abweichungen von den Planzahlen gibt,
oder ob diese eingehalten werden bzw. ob die gesetzten Ziele erreicht wurden oder nicht.
Stundensätze
bei uns nachfragen. Wir sind eine freie
Wirtschaftsvereinigung von Kollegen
für Kollegen, hauptsächlich der
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, aber auch schon der Rechtsreferendare und Assessoren, auch der
Notare und Patentanwälte sowie der
Rechtsbeistände die Mitglied einer
Rechtsanwaltskammer
sind.
Der
Verein besteht seit fast 50 Jahren und
hat derzeit etwa 5.000 Mitglieder bundesweit.
Durch Gruppenversicherungsverträge
bieten wir unter anderem kostengünstigen Versicherungsschutz für die
● Krankenversicherung
● Krankentagegeldversicherung
● Krankenhaustagegeldversicherung
● Unfallversicherung
● Lebensversicherung
● Altersrentenversicherung
● Sterbegeldversicherung
● Vermögensschadenhaftpflichtvers.
die Pflichtversicherung nach § 51 BRAO
Eine weitere wichtige Kennzahl bei der Beurteilung
von Wirtschaftlichkeit ist der (durchschnittliche)
Stundensatz, der wiederkehrend ermittelt werden
sollte. Der errechnete Stundenlohn sollte den
Rechtsanwalt in die Lage versetzen, jede juristische
Tätigkeit mit einem dementsprechenden (Mindest)-Lohn zu beziffern. In die jeweiligen Berechnungen des durchschnittlichen Stundensatzes
gehen zum einen der Umsatz ein, der in einem
Monat, Quartal oder Jahr generiert wurde, sowie
auch die entsprechenden Arbeitsstunden beziehungsweise die Arbeitstage, die im entsprechenden
Zeitraum geleistet wurden.
Eine Anforderung an den Stundensatz ist, dass er
alle anfallenden Kosten in ausreichendem Maße
deckt. Dabei sollten nicht nur die Kosten, die im
Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit
entstehen, berücksichtigt werden, sondern zum
Beispiel auch Kosten der eigenen Lebensführung
oder für zukünftige Projekte, die eine schrittweise
Anhäufung von Kapital notwendig machen. Auch
sollte der Stundensatz möglichst transparent konstruiert sein, sodass er von den Mandanten nachvollzogen werden kann.
Ottheinz Kääb, München und
Kerstin Eggert, Nürnberg
● Kraftfahrzeughaftpflicht- und
Kaskoversicherung
● Berufsunfähigkeitsversicherung
Unsere Gruppenversicherungspartner
sind die Versicherungsunternehmen
der ERGO-Gruppe (insbesondere die
DKV) sowie die HDI-Versicherung AG
und das Rheinische Versicherungskontor.
Wir gewähren Hinterbliebenen unserer
Mitglieder eine Sterbefallbeihilfe von
derzeit Euro 1.500,-- und unterhalten
einen eigenen Hilfsfonds. Wir erteilen
Ratschläge in Fragen der Sozialhilfe
und zur Vorsorge für den Todesfall. Der
Jahresbeitrag beträgt Euro 60,--. Für
das Kalenderjahr, in dem der Beitritt
erfolgt, besteht Beitragsfreiheit.
Selbsthilfe der
Rechtsanwälte e.V.
Barer Str. 3, 80333 München
Telefon: (089) 59 34 37
Telefax: (089) 59 34 38
E-Mail: [email protected]
www.selbsthilfe-ra.de
ww
AdVoice 02/15
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JuraInfos
Aus der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft
Diebstahl, Trunkenheitsfahrt und Strafbefehl – Zur Mittelgebühr im Strafrecht
In der AdVoice 2/2014 haben wir über die Arbeit
der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft
berichtet. Aber auch die inhaltliche Arbeit ist für
Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Haftungsfragen und Gebührenstreitigkeiten befassen, interessant und lehrreich. In loser Folge berichten
wir daher aus der Arbeit der Schlichtungsstelle.
und setzte die Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV RVG
und die Verfahrensgebühr gem. Nr. 4104 VV RVG
jeweils mit der Mittelgebühr an. Die von dem Antragsteller bereits als Vorschuss gezahlten 300,00
Euro hat er in Abzug gebracht, so dass er noch einen
Restbetrag in Höhe von 158,15 Euro von dem Antragsteller fordert.
Bei dem nachfolgend anonymisiert abgedruckten
Schlichtungsvorschlag handelt es sich um einen
Streit über die Abrechnung der Grund- und der Verfahrensgebühr in zwei strafrechtlichen Angelegenheiten. Nach dem Schlichtungsvorschlag sollte der
Anwalt seine beiden Kostenrechnungen geringfügig
ändern und unterhalb der Mittelgebühr abrechnen.
Die von dem Anwalt in den beiden Angelegenheiten
abgerechneten Grund- und Verfahrensgebühren
seien zwar entstanden. Die abgerechnete Höhe, hier
die Mittelgebühr, erscheine jedoch unangemessen.
In der zweiten Sache ging es um den Vorwurf einer
Trunkenheitsfahrt. Auch hier hatte der Antragsgegner die Verteidigung angezeigt und Akteneinsicht
beantragt. Hier wurde ihm Akteneinsicht gewährt
und ein Strafbefehl vom 27.12.2013 übersandt. Einspruch hat der Antragsgegner nicht gegen den
Strafbefehl eingelegt. Der Antragsgegner teilte der
Schlichtungsstelle jedoch mit, dass er den Strafbefehl überprüft habe. Der Anwalt hat für die „Trunkenheitsfahrt“ seine Endrechnung erstellt und auch
hier Grundgebühr und Verfahrensgebühr mit der
jeweiligen Mittelgebühr abgerechnet sowie 16 Fotokopien. Der gezahlte Vorschuss wurde abgezogen.
Der Schlichtungsvorschlag sah wie folgt aus:
1. Der Antragsgegner ändert seine Kostenrechnungen Nr. 1400116 vom 9.4.2014 und Nr. 1400045
vom 9.4.2014 dahingehend, dass er jeweils die
Grundgebühr und die Verfahrensgebühr 50,00 Euro
unterhalb der Mittelgebühr abrechnet.
2. Der Antragsteller zahlt auf die Kostenrechnung
Nr. 1400116 noch 39,15 Euro und auf die Nr.
1400045 noch 48,67 Euro.
3. Mit der Zahlung sind sämtliche gegenseitigen
Ansprüche erledigt.
In der ersten Sache ging es um den Vorwurf des
Diebstahls von Zigaretten. Der Antragsgegner hatte
die Verteidigung des Antragstellers angezeigt und
Akteneinsicht bei dem Polizeipräsidenten beantragt.
Aus der Akteneinsicht ergab sich, dass das Verfahren
von der Amtsanwaltschaft eingestellt worden ist.
Der Antragsgegner rechnete seine Tätigkeit in der
Sache „Diebstahl“ gegenüber seinem Mandanten ab
Der Antragsteller hält jedoch die Rechnungen des
Antragsgegners für überhöht. Die Schlichtungsstelle stellte fest: Die von dem Antragsgegner in den
beiden Angelegenheiten abgerechneten Grundund Verfahrensgebühren sind entstanden. Die abgerechnete Höhe der jeweiligen Gebühren erscheint
jedoch unangemessen.
Der Antragsgegner darf die Grundgebühr gemäß
Nr. 4100 VV RVG abrechnen. Die Grundgebühr steht
dem Rechtsanwalt für die (erstmalige) Einarbeitung
in den Rechtsfall zu. Voraussetzung für das Entstehen der Grundgebühr ist ausschließlich die Annahme des Mandats (Gerold / Schmidt, RVG-Kommentar, 21. Aufl., 2013, Nr. 4100 VV RVG, Rn. 1).
Dies ist in beiden Angelegenheiten unzweifelhaft
geschehen. Die Grundgebühr ist eine Rahmengebühr; die Mittelgebühr beträgt 200,00 Euro. Die
Diese Kostenrechnung schlug die Schlichtungsstelle für die Trunkenheitsfahrt vor:
Grundgebühr für Verteidiger § 14, Nr. 4100 VV RVG
€Verfahrensgebühr für Ermittlungsverfahren § 14, Nr. 4104 VV RVG
Zwischensumme der Gebührenpositionen
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG
Ablichtungen (16 Seiten zu 0,50 Euro )
Zwischensumme netto
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG
Zwischensumme brutto
Gebührenguthaben Aktenkonto
zu zahlender Betrag
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AdVoice 02/15
150,00 Euro
115,00 Euro
265,00 Euro
20,00 Euro
8,00 Euro
293,00 Euro
55,67 Euro
348,67 Euro
– 300,00 Euro
48,67 Euro
Grundgebühr entsteht immer neben der jeweiligen
Verfahrensgebühr (Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 21. Aufl., 2013, Nr. 4100 VV RVG, Rn. 9).
Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich
der Information, d. h. sie gilt für die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im sogenannten vorbereitenden Verfahren (Gerold / Schmidt, RVG-Kommentar, 21. Aufl., 2013, Nr. 4104, 4105 VV RVG, Rn. 6).
Die Verfahrensgebühr ist eine Rahmengebühr, deren
Mittelgebühr 165,00 Euro beträgt.
Auch wenn der Antragsgegner lediglich die Verteidigung angezeigt und Akteneinsicht beantragt hat,
sind beide Gebühren angefallen. Für den hier von
beiden am Schlichtungsverfahren beteiligten Personen geschilderten Aufwand in den zwei strafrechtlichen Angelegenheiten erscheint das Ansetzen der
Mittelgebühr jedoch überhöht. Daher schlug die
Schlichtungsstelle vor, die Rechnungen zu ändern
(siehe Infokasten). Dabei wurde die jeweilige Grundund Verfahrensgebühr um 50,00 Euro, ausgehend
von der Mittelgebühr, gesenkt, da die Angelegenheiten nicht so arbeitsintensiv waren, dass das Abrechnen der Mittelgebühr gerechtfertigt sei. Die Tätigkeit
habe sich auf die die Auswertung beschränkt.
Die Schlichtungsstelle gibt folgende Hinweise:
Die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG entsteht für
die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall, unabhängig zu welchem Zeitpunkt / in welchem Verfahrensabschnitt diese erfolgt. Die Grundgebühr fällt
grundsätzlich nicht allein, sondern neben der Verfahrensgebühr an (Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG). Die
Grundgebühr für den Wahlanwalt ist eine Betragsrahmengebühr. Sie beläuft sich auf 40,00 bis 360,00
Euro. Die Mittelgebühr beträgt 200,00 Euro. Die
Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG erhält der
Verteidiger für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Damit sind grundsätzlich alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts außerhalb der
Hauptverhandlung abgegolten, z. B. vorbereitende
Schriftsätze im gerichtlichen Verfahren. Die Verfahrensgebühr fällt aber auch an, wenn der Rechtsanwalt nicht nach außen tätig wird, sondern z. B. mit
dem Mandanten die Hauptverhandlung vorbereitet.
Die Verfahrensgebühr für den Wahlanwalt ist eine
Betragsrahmengebühr. Sie beläuft sich von 40,00 bis
290,00 Euro. Die Mittelgebühr beträgt 165,00 Euro.
Schlichterin Dr. h.c. Renate Jaeger,
Geschäftsführerin RAin Dr. Sylvia Ruge,
Berlin
JuraInfos
Prämie Teil des Gehalts?
Über die Versteuerung der Beiträge zur Berufshaftpflicht angestellter Anwälte
Bisweilen fragen sich Rechtsanwälte, ob und wie
sich eine Versteuerung übernommener Beiträge
zur Berufshaftpflichtversicherung angestellter
Rechtsanwälte vermeiden lässt. Arbeitgeber von
Anwaltskanzleien übernehmen oft auch die Prämie, die angestellte Anwälte gemäß § 51 BRAO
für ihre eigene Berufshaftpflichtversicherung
aufbringen müssen.
Auf der Behördenseite war die Berliner Finanzverwaltung Vorreiter für ein entsprechendes Vorgehen auf der Basis des Urteils. Dem haben sich nach
und nach auch die anderen Finanzbehörden angeschlossen (s. SenFin Berlin, Erlass III b – S-2332 –
3/2008 vom 26. Juli 2010 mit Verweis auf einen
einheitlichen Beschluss der obersten Finanzbehörden der Länder).
Dabei ist die sogenannte Titeldeckung von der Versicherung der Kanzlei zu unterscheiden. Die Berufshaftpflichtversicherung der Kanzlei bietet dem
angestellten Rechtsanwalt Versicherungsschutz für
die Tätigkeit im Anstellungsverhältnis. Der Auftritt
in eigenem Namen und auf eigene Rechnung unterfällt der Titeldeckung, die gemäß § 51 BRAO für
die Zulassung vorzuhalten ist, unabhängig davon,
ob eine eigene Tätigkeit überhaupt ausgeübt wird
oder laut Arbeitsvertrag ausgeübt werden darf.
Neue Entwicklung und Kritik an der
Entscheidung
Obwohl die steuerliche Bewertung der Beurteilung
des Einzelfalls durch einen Steuerberater oder eine
sonstige versierte Fachperson vorbehalten bleibt,
sollen mit diesem Aufsatz die Grundzüge der Versteuerung des geldwerten Vorteils für angestellte
Rechtsanwälte, wenn der Arbeitgeber die Prämie
der eigenen Berufshaftpflichtversicherung übernommen hat, dargestellt werden.
Ausgangsbasis
Bereits mit Urteil vom 26. Juli 2007, Az. VI R 64/06
hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass
die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten Rechtsanwalts
durch den Arbeitgeber Arbeitslohn darstelle. Der
BFH nahm das Vorliegen lohnsteuerpflichtiger Zuwendungen an. Nur solche dem Arbeitnehmer zugewendeten Vorteile seien kein Arbeitslohn, die sich
bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als
Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung
darstellen, also aus „ganz überwiegend“ eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt
werden. Eine Steuerbarkeit sei schon dann zu bejahen, wenn ein „nicht unerhebliches Eigeninteresse“
des Arbeitnehmers gegeben sei (BFH, a. a. O.).
Dieses BFH-Urteil hat sich zusammen mit weiteren
Entscheidungen – BFH mit Beschluss vom 6. Mai 2009
VI B 4/09, Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil
vom 18. Dezember 2008, 13 K 2508/08; BFH, Beschluss vom 28. März 2011, VI B 31/11; BFH/NV 2011,
1322 zu einer gefestigten Rechtsprechung entwickelt.
Foto: Lupo_pixelio.de
Mit Blick auf die sich ändernden Strukturen in Gesellschaftsrecht, Berufsrecht und Versicherungsmarkt wird die Frage gestellt, ob die Ausgangslage
nicht neu zu bewerten sei. Auch wird darauf hingewiesen, dass im Ausgangsfall die angestellten
Rechtsanwälte als „Scheinpartner“ nach außen hin
auftraten, mithin also ein großes Eigeninteresse an
einer ausreichenden Versicherung bestand.
Finanzen muss man immer fest im Griff haben.
Die Entscheidung erging zu einer Zeit, in der
Rechtsanwälte überwiegend in einer Sozietät organisiert waren. Die unmittelbar persönliche Haftung stand im Vordergrund. Dies galt auch für
angestellte Rechtsanwälte, wenn diese als Scheinpartner nach außen hin auftraten. Die Haftungsstrukturen haben sich mittlerweile geändert.
Größere Kanzleien sind heute als Partnerschaft,
GmbH, AG oder LLP organisiert. Die unmittelbare
Haftung richtet sich gegen die Gesellschaft. Abhängig von der Rechtsform haften nur noch partiell etwaig mit der Sache befasste Partner.
wie bereits oben gesagt, der individuellen Bewertung durch den Steuerberater vorbehalten. Sie
sind mit großen Unsicherheiten belastet und kritisch zu bewerten.
Dem angestellten Rechtsanwalt kann es vor diesem Hintergrund egal sein, wie hoch die Kanzlei
versichert ist, die Versicherungsdeckung ist für ihn
wertlos (Diller, Anwbl 2010, 269, 270).
Das Finanzgericht hat – zu Recht – die Anteile der
Versicherung für die Kanzlei, die auf die angestellten Rechtsanwälte entfielen, nicht als Entlohnung,
sondern als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung angesehen. Die Prämienberechnung der Kanzlei setzte sich aus mehreren Faktoren zusammen, u. a. der Anzahl angestellter Rechtsanwälte. Daneben unterhielten die
angestellten Anwälte noch eine eigene persönliche
Berufshaftpflicht, was aber nicht Gegenstand des
Verfahrens war.
Dem stehen allerdings die Ausführungen des BFH
in der Grundlagenentscheidung entgegen, dass
§ 51 BRAO den Abschluss einer eigenen Berufshaftpflichtversicherung (auch) als angestellter
Rechtsanwalt verlange.
Diese Ausführungen haben, auch wenn der eine
oder andere Ausgangspunkt aufgrund sich weiter
entwickelnder Strukturen neu bewertet werden
muss, immer noch Bestand, sodass eine Änderung
der Rechtsprechung nicht zu erwarten ist.
Steuervermeidungsvorschläge, wie die Titeldeckung im Rahmen der Berufshaftpflicht für die
Kanzlei prämienfrei mit einzuschließen, bleiben,
In diesem Kontext erging erst kürzlich unter dem
4. November 2014 ein Urteil des Finanzgerichts
Hamburg, Az. 2 K 95/14. Das Gericht hatte sich mit
einem Sachverhalt auseinandergesetzt, in dem es
um die Versteuerung von Prämienanteilen angestellter Rechtsanwälte ging, die allerdings Berechnungsteil der Prämie des Hauptvertrags waren.
Steffen Eube, HDI Versicherung AG
f
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JuraNews
JuraNews
zusammengestellt von RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe
Anforderungen an die Verwendung der
Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
sich mit Urteil vom 24. Juli 2014 – Az. I ZR 53/13
– mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsanwalt auf seinem Briefkopf die
Bezeichnung „Spezialist“ – in diesem Fall für Familienrecht – verwenden darf.
Die Rechtsanwaltskammer Freiburg hatte einen
Rechtsanwalt auf Unterlassung in Anspruch genommen, der mit zwei weiteren Rechtsanwälten in
einer Kanzlei tätig war. Im Jahr 2011 verwendete er
einen Briefkopf, in welchem in einer Spalte die drei
Rechtsanwälte genannt waren. Unter dem an erster Stelle angeführten Beklagten befand sich die
Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“. Bei den
beiden weiteren mit dem Beklagten tätigen Rechtsanwälten fanden sich die Angaben „auch Fachanwältin für Familienrecht“ und „auch Fachanwalt für
Miet- und Wohnungseigentumsrecht“.
Die Vorinstanzen gaben der Klägerin Recht. Das OLG
Karlsruhe hatte entschieden, dass ein Rechtsanwalt,
der im Rechtsverkehr mit der Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“ wirbt, gegen § 43b BRAO i. V.
m. § 7 Abs. 2 BORA verstößt und nach §§ 3, 4 Nr. 11,
5 Abs. 1 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig handelt.
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen, er hat dabei folgende Leitsätze aufgestellt:
Anforderung an das Abstellen auf
„eigene Sachkunde“ des Gerichts
1. Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu
stellenden Anforderungen, besteht keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung einer
entsprechenden Bezeichnung zu untersagen,
selbst wenn beim rechtsuchenden Publikum die
Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung
„Fachanwalt für Familienrecht“ besteht.
2. Der sich selbst als Spezialist bezeichnende
Rechtsanwalt trägt für die Richtigkeit seiner
Selbsteinschätzung die Darlegungs- und Beweislast.
Der Rechtsanwalt muss dementsprechend nachweisen, ob er über hinreichende theoretische
Kenntnisse und praktische Erfahrungen verfügt,
um sich zu Recht als Spezialist für Familienrecht
zu bezeichnen.
Ausdrücklich offengelassen hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob an den Nachweis der Richtigkeit einer Selbsteinschätzung als Spezialist höhere Anforderungen zu stellen sind, wenn sie für
Rechtsgebiete in Anspruch genommen wird, die
nicht mit Fachanwaltschaften vollständig identisch sind oder für die gar keine Fachanwaltschaft
existiert. Wer also beispielsweise in den Bereichen
Pferderecht, Jagdrecht, Reiserecht oder Weinrecht
tätig ist, sollte bis zu einer Klärung dieser Frage auf
die Bezeichnung „Spezialist“ verzichten.
Mit Beschluss vom 13. Januar 2015 – Az. VI ZR
204/14 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs klargestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Gericht auf eine eigene besondere
Sachkunde abstellen darf.
Die Klägerin führte am 7. April 2009 ihr Dressurund Reitpferd auf der rechten Seite eines nur für
land- und forstwirtschaftlichen Verkehr freigegebenen Weges, wobei sie selbst auf dem Asphalt
ging, während sich das Pferd auf dem Grünstreifen rechts neben dem Weg befand. Der Beklagte
zu 2 befuhr den Weg mit seinem bei der Beklagten
zu 1 haftpflichtversicherten Pkw. Er näherte sich
der Klägerin von hinten und bog nach links auf ein
Feld ab, um zu einem dort befindlichen Misthaufen
zu gelangen. Ob er die Klägerin zuvor überholt
hatte, war streitig. Das Pferd brach aus und fügte
der Klägerin schwere Verletzungen zu. Die Klägerin
begehrte Ersatz materiellen und immateriellen
Schadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
In dem Berufungsurteil heißt es unter anderem wörtlich (OLG Celle, Urteil vom 26. März 2014 – 14 U
128/13 –, juris Tz. 61):
„Aufgrund eigener Sachkunde jedenfalls der Senatsvorsitzenden ist dem Senat bekannt, dass
auch an den Straßenverkehr grundsätzlich gewöhnte Pferde durch unverhofftes Zurseitespringen, plötzliches Rückwärtsgehen oder fluchtartiges
Vorwärtsstürmen auf eine subjektiv wahrgenommene Gefahr reagieren können, wodurch sich ein
unberechenbares und oftmals schwer bis gar nicht
zu beherrschendes Verhalten begründet, mit dem
ein Reiter bzw. – wie im hiesigen Fall – ein Pferdeführer zu rechnen hat.“
Nähe Angaben zur angeblichen Sachkunde der Senatsvorsitzenden enthält der Urteil nicht. Die Klägerin hatte hinsichtlich eines unfallursächlichen
Fehlverhaltens die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, welches das Gericht –
wegen der eigenen Sachkunde – aber nicht eingeholt hat.
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JuraNews
Fristenkontrolle bei jeder Aktenvorlage
erforderlich
Der Bundesgerichtshof hat darin einen Verstoß
gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches
Gehör gesehen und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen; der Senat hat dabei folgenden Leitsatz aufgestellt:
Wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen
voraussetzenden Frage geht, darf der Tatrichter
auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende
eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss das Gericht, wenn es bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen
entsprechenden Hinweis erteilen.
Kostenlose Datenbank des Deutschen Instituts
für Menschenrechte
Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat eine
Online-Rechtsprechungsdatenbank „ius menschenrechte“ eingerichtet. Diese kostenlose Datenbank
findet sich unter folgendem Link:
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/
rechtsprechungsdatenbank-ius-menschenrechte.
html
In der Datenbank werden ausgewählte Entscheidungen internationaler Spruchkörper, wie der
UN-Fachausschüsse, des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte (EGMR) und des Gerichtshofs
der Europäischen Union (EuGH) eingestellt.
Alle Entscheidungen sind auf Deutsch zusammengefasst und können im Volltext als PDF (vorwiegend auf Englisch) heruntergeladen werden. Die
Datenbank enthält derzeit im Schwerpunkt Entscheidungen zu den Themen Diskriminierungsschutz, geschlechtsspezifische Gewalt, Menschenhandel und Behinderung. Sie wird durch das Institut kontinuierlich ausgebaut. Es ist beabsichtigt,
sie um die Themen Rassismus, Folterverbot oder
Migration/Flucht zu ergänzen.
Mit Beschluss vom 13. Januar 2015 – Az. VI ZB
46/14 – hat sich der Bundesgerichtshof mit der
Frage befasst, wann die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO im
Falle des Verstreichens der Berufungsfrist zu laufen beginnt.
Der Kläger hat den Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten
des Klägers am 1. April 2014 zugestellt worden.
Hiergegen hat der Kläger mit Telefax vom 5. Mai
2014 Berufung eingelegt und diese begründet. Der
Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15. Mai 2014 darauf hingewiesen, dass die Berufung verspätet
eingelegt worden sei. Der Kläger hat daraufhin mit
Telefax vom 26. Mai 2014 beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, hilfsweise auch
gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist
zu gewähren.
Der Kläger hat geltend gemacht, sein Prozessbevollmächtigter habe den Entwurf der Berufungsschrift am 22. April 2014 diktiert und eine Abschrift an ihn, die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung sowie die
Wiedervorlage zur Einlegung der Berufung für den
2. Mai 2014 verfügt. Die zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte habe die Wiedervorlagefrist
weisungswidrig nicht notiert. Die Deckungszusage
sei am 2. Mai 2014 eingegangen und dem Prozessbevollmächtigten am 5. Mai 2014 gemeinsam mit
der Handakte und einer Ausfertigung der Berufungsschrift vorgelegt worden. Dieser habe die
Berufungsschrift umgehend unterzeichnet und
den Versand per Telefax an das Berufungsgericht
veranlasst. Kenntnis von der Fristversäumnis habe
er erst am 20. Mai 2014 erlangt, als ihm der
Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 15. Mai 2014 zugegangen sei.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung und den
Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu bewilligen, als unzulässig verworfen,
weil der Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb
der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist gestellt
worden sei.
Der Bundesgerichtshof hat die Ansicht des Oberlandesgerichts bestätigt.
Nach § 234 BGB ist die Wiedereinsetzung innerhalb einer zweiwöchigen Frist zu beantragen.
Diese Frist beginnt, sobald das der Fristwahrung
entgegenstehende Hindernis behoben ist, mithin
sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder das Weiterbestehen des Hindernisses
nicht mehr unverschuldet ist.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs bestand das
Hindernis hier darin, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei Einlegung der Berufung den
Ablauf der Berufungsfrist nicht bemerkt hatte. Dieses Hindernis entfiel nicht erst mit dem Eingang
des Hinweises des Beklagten auf den Fristablauf
am 20. Mai 2014, sondern schon in dem Moment,
in dem der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei
Anwendung der erforderlichen Sorgfalt die Versäumung der Berufungsfrist hätte bemerken müssen.
Der Bundesgerichtshof stellt diesbezüglich auf den
5. Mai 2014 ab, als dem Prozessbevollmächtigten
die Sache zur Unterzeichnung der Berufungsschrift vorgelegt wurde, da dieser spätestens ab
diesem Zeitpunkt die Fristversäumung hätte bemerken müssen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung
mit Telefax vom 26. Mai 2014 war erfolgte somit
verspätet. Der VI. Zivilsenat hat folgenden Leitsatz
aufgestellt:
Der Rechtsanwalt hat selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob ein Fristende richtig ermittelt und eingetragen wurde, wenn ihm
die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu
deren Bearbeitung, vorgelegt wird. Dies gilt
auch dann, wenn ihm die Akte nach vorangegangener Fertigung eines Entwurfs der Berufungsschrift nur zum Zwecke der Unterschrift
vorgelegt wird.
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JuraNews
JuraNews
zusammengestellt von RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe
Offensichtlich wahrheitswidrige Angaben
in PKH-Anträgen
Mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 – Az. VI ZA
15/14 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs konkretisiert, welche Anforderungen an eine
unverschuldete Fristversäumung im Rahmen eines
Prozesskostenhilfeverfahrens zu stellen sind.
Die Klägerin hatte vor Ablauf der Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde die ausgefüllte „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe“ nebst einer Reihe von Belegen
vorgelegt. In ihrem Prozesskostenhilfeantrag hatte
sie angegeben, über keine Bank-, Giro- oder Sparkonten zu verfügen. Tatsächlich verfügte sie aber
über jedenfalls drei Girokonten, über die ihr Zahlungsverkehr abgewickelt wurde.
Der Bundesgerichtshof hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen
und den Antrag auf Wiedereinsetzung abgelehnt.
Dabei hat er dahinstehen lassen, ob die Falschangabe zu den Konten vorsätzlich erfolgt ist oder lediglich auf einer Nachlässigkeit der Klägerin selbst
oder/und ihres Prozessbevollmächtigten beruht
hat. Es genüge, dass die Klägerin „auch für sie
selbst offensichtlich“ wahrheitswidrige Angaben
gemacht hat. Der BGH hat mit der Entscheidung
folgende Leitsätze aufgestellt:
– Die Versäumung einer Frist ist unverschuldet
und einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn die rechtzeitige
Vornahme einer fristwahrenden Handlung
wegen des wirtschaftlichen Unvermögens einer
Partei unterbleibt.
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AdVoice 02/15
Ordnungsgeld wegen Nichterheben beim
Eintritt des Gerichts
– Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Partei bis zum Ablauf der Frist einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Antrag
auf Prozesskostenhilfe eingereicht und alles in
ihren Kräften Stehende getan hat, damit über
den Antrag ohne Verzögerung sachlich entschieden werden kann, und sie deshalb vernünftigerweise nicht mit einer Verweigerung
der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit
rechnen musste.
– Daran fehlt es, wenn die Partei im Prozesskostenhilfeantrag - für sie selbst offensichtlich
- wahrheitswidrig angegeben hat, über keine
Bankkonten zu verfügen.
Für die anwaltliche Praxis gilt daher, dass Anträge auf Prozesskostenhilfe des Mandanten,
jedenfalls auf offensichtlich bedenkliche Angaben hin, überprüft werden sollten, da bei einer
Nachlässigkeit des Anwalts Regressansprüche
in Betracht kommen.
Selbst wenn bereits Prozesskostenhilfe – in erster
Instanz – gewährt worden ist, darf man sich darauf in der Folgeinstanz nicht blind verlassen.
Mit Beschluss vom 13. Januar 2015 – Az. VI ZB
91/14 – hat der derselbe Senat entschieden, dass
eine Partei, der in erster Instanz Prozesskostenhilfe
bewilligt worden ist, zwar grundsätzlich davon
ausgehen darf, dass bei unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen auch in der zweiten Instanz
ihre Bedürftigkeit bejaht wird. Diese Voraussetzung ist aber dann nicht gegeben, wenn die Partei
oder ihr anwaltlicher Vertreter erkennen kann,
dass die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gegeben sind. Das gilt insbesondere
dann, wenn im Hinblick darauf, dass der Partei
vom Gericht ein entsprechender Hinweis erteilt
worden ist, vernünftigerweise mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit
zu rechnen ist.
Nach § 178 Abs. 1 GVG kann gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der
Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in
der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein
Ordnungsgeld bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Der zweite Strafsenat des
Oberlandesgerichts Karlsruhe hat mit Beschluss
vom 5. Januar 2015 - 2 Ws 448/14 - entschieden,
dass es in der Regel keine Ungebühr im Sinne des §
178 Abs. 1 GVG darstellt, wenn sich der Angeklagte
nach einer Sitzungspause beim Wiedereintritt des
Gerichtes nicht erhebt.
Der Angeklagte hatte sich zunächst trotzt Aufforderung nicht erhoben, als die Richterin zu Beginn der
Hauptverhandlung den Gerichtssaal betrat. Ihm
wurde darauf die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 200 Euro, ersatzweise zwei Tage
Ordnungshaft, angedroht. Dennoch hat sich der
Angeklagte nach einer kurzen Sitzungspause wieder
nicht erhoben. Das Amtsgericht hat darauf die angedrohten Ordnungsmittel verhängt.
Das OLG Karlsruhe hat den Ordnungsgeldbeschluss
aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt,
dass zwar das Sitzenbleiben eines Angeklagten
grundsätzlich eine Ungebühr im Sinne des § 178
GVG Abs. 1 darstellen kann. Dies gelte jedoch nicht
uneingeschränkt. Wie bereits der Wertentscheidung
des Richtliniengebers zu entnehmen sei, hätten sich
sämtliche Anwesenden (lediglich) beim Eintritt des
Gerichts zu Beginn der Sitzung, bei der Vereidigung
von Zeugen und Sachverständigen und bei der Verkündung der Urteilsformel von ihren Plätzen zu
erheben (Nr. 124 Abs. 2 Satz 2 RiStBV). Demgegenüber stelle das bloße Sitzenbleiben beim Eintreten
des Gerichts nach einer Sitzungspause nur dann
eine Ungebühr im Sinne des § 178 Abs. 1 GVG dar,
wenn weitere objektive Umstände hinzutreten, was
vorliegend nicht der Fall gewesen wäre. Ungebührlich sei ein solches Verhalten auch nicht dadurch
geworden, dass die Vorsitzende den Angeklagten
aufgefordert hatte, sich von seinem Platz zu erheben. Denn hierzu sei er nicht verpflichtet gewesen.
Anders als zu Beginn der Sitzung stelle deren Fortsetzung nach einer Pause nämlich keinen besonderen Verfahrensabschnitt dar, der einer Verdeutlichung durch die äußere Form des Aufstehens der
im Sitzungssaal Anwesenden bedarf.
Euer FORUM
AG Syndikusanwälte
Vorteile für FORUMsmitglieder: Die Arbeitsgemeinschaften des DAV
Die Mitgliedschaft im FORUM Junge Anwaltschaft im
DAV bringt viele Vorteile. Günstige Haftpflichtversicherung oder ein bundesweites und internationales
Netzwerk einschließlich des fachlichen Austauschs
mit Kolleginnen und Kollegen sind nur zwei Beispiele.
Wer sich spezialisieren will, kann die Chance nutzen
und über das FORUM in die meisten Arbeitsgemeinschaften des DAV hineinschnuppern. Viele Arbeitsgemeinschaften (AG) bieten günstige Juniormitgliedschaften an. Veranstaltungen und Sonderkonditionen der AGs können besucht und genutzt werden.
Mit einer Serie wollen wir die Arbeitsgemeinschaften
im DAV nach und nach vorstellen. Eine Übersicht zu
allen Arbeitsgemeinschaften gibt es hier: http://anwaltverein.de/ueber-uns/arbeitsgemeinschaften
ARBEITSGEMEINSCHAFT SYNDIKUSANWÄLTE
Gegründet: 1978
Mitglieder: ca. 480 (Stand: 03/2012)
Zielgruppe: Syndikusanwälte
Was bietet die AG? In der Arbeitsgemeinschaft
Syndikusanwälte haben sich Rechtsanwältinnen
und Rechtsanwälte zusammengeschlossen, die als
Syndikusanwälte tätig sind. Die Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte fördert die ideellen, berufspolitischen und wirtschaftlichen Interessen
der Syndikusanwälte innerhalb der Anwaltschaft.
Als Schnittstelle zu gleich gerichteten Interessen
im Ausland ist die Arbeitsgemeinschaft auch Mitglied der European Company Lawyers Association
(ECLA, www.ecla.org) mit Sitz in Brüssel.
Vorteile: Wichtigste Fortbildungsveranstaltung
für die Mitglieder ist der jedes Jahr stattfindende
Syndikusanwaltstag in Berlin. Außerdem gibt es in
unregelmäßigen Abständen Fachveranstaltungen
im ganzen Bundesgebiet, die der Fortbildung der
Mitglieder und dem Erfahrungsaustausch dienen.
In regelmäßig erscheinenden Newslettern werden
die Mitglieder über alle berufspolitischen Entwicklungen informiert. Dazu gehören auch Entwicklungen des anwaltlichen Berufsrechts und des
Wirtschaftsrechts.
Ziele: Die Arbeitsgemeinschaft setzt sich engagiert dafür ein, die anwaltliche Qualität im Unternehmen, die in der öffentlichen Wahrnehmung im
Vergleich zum Berufsbild eines zugelassenen
„klassischen“ Rechtsanwalts zuweilen ins Hintertreffen gerät, weiter in den Vordergrund zu stellen
und lancieren entsprechende Werbekampagnen.
Aktuelles Thema ist derzeit die Stellung der Syndikusanwälte im System der Anwaltschaft. Die Arbeitsgemeinschaft begrüßt ausdrücklich das vom
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz herausgebrachte Eckpunktepapier zur
Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte.
Jahresbeitrag: 50 Euro
> www.syndikusanwaelte.de
Termine
Mi., 10. Juni / Hamburg
Do., 10. Juni / Hamburg
18./19. September / Dresden
DAT für Einsteiger
CCH, Saal A-2 (1. OG)
14.30-14.45 Uhr: Begrüßung
(im Rahmen des DAT)
CCH, Saal 8 (1. OG)
16 bis 18 Uhr: Anwaltsnotariat /
Junge Anwaltschaft / Anwältinnen Ort:
Nachwuchsgewinnung für das Anwaltsnotariat – Perspektiven für junge
Anwältinnen und Anwälte
Jahrestagung des FORUMs 2015
Quality Hotel Plaza Dresden,
Königsbrücker Straße 121a
01099 Dresden
Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann,
Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Allgemeinanwalt, Bremen,und Rechtsanwalt Dr. Christoph Triltsch,
Vorsitzender des FORUM Junge Anwaltschaft, Lübeck,
sowie Rechtsanwalt Manfred Aranowski, DAV
Geschäftsführer, Berlin
14.45-16.15 Uhr: „Vergiften ist unpassend“ –
bessere Verhandlungsergebnisse durch
Kreativität
Rechtsanwältin und Notarin Dörte Zimmermann, LL.M,
Berlin, Rechtsanwältin und Notarin Monika Hähn,
Lübbecke, Rechtsanwältin Dr. Eva Leinemann, Berlin,
Rechtsanwalt Ulf Schönenberg-Wessel, Kiel
Weitere Termine,
Rechtsanwalt Dr. Ivo Greiter, Innsbruck
16.30-18 Uhr: Anwaltliches Querdenken –
rechtliche Schnittstellen im Mandat
Rechtsanwältin Dr. Gudrun Doering-Striening, Essen
Infos unter: www.davforum.de
Infos unter: www.davforum.de
auch für alle Stammtische des FORUMs
vor Ort findet Ihr auf der Website:
www.davforum.de > Termine >
Stammtische
Änderungen vorbehalten!
AdVoice 02/15
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Euer FORUM
Streitkultur im Wandel
66. Deutscher Anwaltstag vom 11. bis 13. Juni 2015 in Hamburg
Der Deutsche Anwaltstag (DAT) ist die bundesweite jährliche Tagung der Anwaltschaft, die
sich beruflichen und rechtspolitischen Themen
widmet. Der 66. Deutsche Anwaltstag findet
dieses Jahr in Hamburg statt und steht unter
dem Motto „Streitkultur im Wandel – weniger
Recht?“. Der DAT führt jährlich Anwaltschaft,
Justiz, Politik, Wissenschaft und Presse zu einem
gesellschaftlichen und rechts- und berufspolitischen Austausch zusammen und ist darüber hinaus eine der größten anwaltlichen Fortbildungsveranstaltungen überhaupt.
Am Donnerstag, dem 11. Juni 2015, um 9.30 Uhr
beginnt der DAT mit einer zentralen Eröffnungsveranstaltung. Es erwartet Euch eine Vielzahl von
Fortbildungsveranstaltungen in den wichtigsten
FAO-relevanten Rechtsgebieten, informative Querschnittsveranstaltungen und wichtige rechtspolitische Diskussionen. Die im Programm gesondert
bezeichneten Veranstaltungen sind für die Pflichtfortbildung gemäß § 15 FAO geeignet – wobei
letztlich die Entscheidung über die FAO-Anerkennung den jeweiligen Rechtsanwaltskammern überlassen bleibt.
Die Streitkultur steht im Mittelpunk des 66. Deutschen Anwaltstags in Hamburg.
Foto: Andrea Vollmer
Für junge Juristen, Berufseinsteiger, Referendare
und Studenten findet am 10. Juni 2015 von 14.30
bis 18 Uhr der „DAT für Einsteiger“ mit den Vorträgen „Vergiften ist unpassend – bessere Verhandlungsergebnisse durch Kreativität“ und „Anwaltliches Querdenken – rechtliche Schnittstellen im
Mandat“ statt. Der DAT für Einsteiger richtet sich
gerade an die jungen und neuen Kolleginnen und
Kollegen. Hier könnt ihr Eure Regionalbeauftragten
kennenlernen sowie viele andere junge Kolleginnen
und Kollegen (wieder-)treffen, Euch austauschen
und Kontakte knüpfen.
Als weitere Forumsveranstaltung findet am Donnerstag, den 11. Juni 2015 von 16 bis 18 Uhr eine
Veranstaltung zur „Nachwuchsgewinnung für das
Anwaltsnotariat – Perspektiven für junge Anwältinnen und Anwälte“ statt.
INFORMATIONEN
Veranstaltungsort:
CCH – Congress Center Hamburg
Tiergartenstraße 2, 20355 Hamburg
Teilnahmegebühren FORUMs-Mitglieder:
Dauerkarte 104 Euro
Tageskarte 34 Euro am 10. Juni 2015
jeweils 64 Euro am 11. und 12. Juni 2015
Studenten / Referendare:
Dauerkarte 25 Euro
Tageskarte 15 Euro (nur bei Vorlage des
Studentenausweises bzw. Ernennungsurkunde)
Zusätzliche Kosten fallen an für das
Get-together des Hamburger Anwaltsvereins
am 10. Juni 2015 ab 19 Uhr in Höhe von 15 Euro
pro Person und den
Begrüßungsabend des Hamburger Anwaltsvereins am 11. Juni 2015 ab 19 Uhr in Höhe von
25 Euro pro Person.
Darüber hinaus gibt es ein umfangreiches Ausflugsprogramm, ein Kinderprogramm, einen Musicalabend sowie den DAV-Cup 2015.
Alle Infos zum Programm, Anmeldung und
zum DAT für Einsteiger findet ihr unter
> http://anwaltverein.de/dat
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AdVoice 02/15
Euer FORUM
Regionalbeauftragte
stellen sich vor
Regionalbeauftragte für den
Landgerichtsbezirk Kempten
Mein Name ist Jennifer Trapp. Mein Studium habe
ich in Konstanz absolviert. Das Referendariat führte
mich nach Heidelberg. Höhepunkt dieser Zeit war die
dreimonatige Wahlstation in den Rechtsanwaltskanzleien LeClairRyan und Akerman in New York.
Seit Herbst 2014 bin ich als Rechtsanwältin in der
Kanzlei Dr. Botzenhardt & Kollegen in Kempten tätig.
Foto: ostheimer_pixelio.de
Die Stammtisch-Treffen werden rechtzeitig auf der
Homepage des FORUMs veröffentlicht. Die Mitglieder im Landgerichtsbezirk Kempten werde ich auch
per E-Mail informieren.
[email protected]
Schon als Referendarin wurde ich Mitglied im
FORUM und besuchte regelmäßig den Stammtisch
in Heidelberg. Es hat mir viel Freude bereitet, Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen.
Deshalb ist es mein Ziel, den Stammtisch auch in
Kempten wieder einzuführen. Ich setze mich dafür
ein, den Kontakt untereinander sowie zum Anwaltsverein Kempten und zu Stammtischen anderer Regionen zu stärken und gemeinsame Veranstaltungen
zu ermöglichen.
Regionalbeauftragte gesucht!
Regionalbeauftragte gesucht! An alle FORUMs-Kolleginnen und -Kollegen in den LG-Bezirken
Aachen, Amberg, Baden-Baden, Bamberg, Bückeburg,
Coburg, Frankfurt/Oder, Hanau, Heilbronn, Limburg,
Neubrandenburg, Neuruppin, Rottweil, Schweinfurt,
Stendal, Waldshut-Tiengen, Weiden, Zwickau.
In diesen Bezirken ist die interessante Position des Regionalbeauftragten nicht oder nur kommissarisch besetzt. Als engagierte FORUMs-Mitglieder könnt Ihr
diese Lücken schließen. Der Regionalbeauftragte ist der Ansprechpartner des FORUMs Junge Anwaltschaft vor Ort und organisiert in erster Linie den monat­
lichen Stammtisch zur Vernetzung der Mitglieder im eigenen Landgerichtsbezirk. Als RB bist Du auch die Schnittstelle zwischen dem Geschäftsführenden
Ausschuss und den Mitgliedern vor Ort und stehst in Kontakt mit den anderen RBs im Bundesgebiet.
Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder, und der Regionalbeauftragte ist ein wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht Spaß und
bringt jede Menge Kontakte mit sich.
Eine Übersicht aller Regionalbeauftragten findet Ihr im Internet unter: > www.davforum.de/ueber-uns/regionalbeauftragte/
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Bücher-FORUM
FamFG-Kommentar
Bork/Jacoby/Schwab (Hrsg.),
2. Aufl. 2013, 2.036 S. mit Beiheft (28 S.), 118 Euro,
Gieseking Verlag
Der FamFG-Kommentar von Bork/Jacoby/Schwab ist 2013 in der
2. Auflage erschienen. Inhaltlich werden alle neun Bücher des
FamFG kommentiert, darüber hinaus gibt es einen Anhang, in welchem sich Erläuterungen zu Art. 111 FGG-RG, dem internationalen
Familienrechtsverfahrensgesetz (IntFamRVG), dem Auslandsunterhaltsgesetz (AUG) und dem Erwachsenenschutz-Übereinkommens-Ausführungsgesetz (ErwSÜAG) finden.
Gegenüber der Vorauflage hat der Umfang der Kommentierung
noch einmal beachtlich, um etwa ein Drittel, zugenommen, die bestehenden Kommentierungen wurden vertieft. Neu sind insbesondere die Darstellungen zur Reform der elterlichen Sorge von nicht
miteinander verheirateten Eltern und zur Stärkung der Rechte des
leiblichen, aber nicht rechtlichen Vaters. Das 28 Seiten starke Beiheft beseitigt Fehler in den Gesetzestexten des Kommentars und
bringt die Gesetzgebung auf den Stand August 2013.
Praxisgerecht – dieses Attribut hat sich der Kommentar auf die
Fahne geschrieben. Und bereits ein kurzer Blick in das Inhaltsverzeichnis verrät, dass seitens der Herausgeber damit nicht zu viel
versprochen wurde. Jede einzelne Norm ist mit ihrer amtlichen
Überschrift und den jeweiligen Vorgängernormen oder korrespondierenden Vorschriften aufgeführt. Im Kommentarteil findet
sich vor längeren Ausführungen ein eigenes Inhaltsverzeichnis.
Innerhalb der Erläuterungen sind Schlagworte im Fettdruck dargestellt, sodass der Leser zügig den für ihn relevanten Teil der Darstellung auffinden kann. In zahlreichen Fußnoten sind zusätzliche
Literatur- und Rechtsprechungsnachweise gelistet.
Die einzelnen Kommentierungen sind von überdurchschnittlicher
Qualität. Sprachlich akkurat werden die Vorschriften des FamFG
erläutert. Die Autoren haben ihre Darstellungen für die tägliche
Arbeit in der Praxis optimiert. Dort, wo umfassende Erläuterungen notwendig sind, gibt die Kommentierung genügend Platz,
um in die Tiefe zu gehen. Nachdem das FamFG nicht unbedingt
die beste Arbeitsprobe der Legislative gewesen ist, wurde eine die
Rechtsprechung berücksichtigende, lösungsorientierte und klar
strukturierte Kommentierung dringend notwendig. Hier zeigt das
Werk seine Stärken.
Fazit: Kompakt, aber trotzdem umfassend und praxistauglich, eine Kombination, die den FamFG-Kommentar von Bork/
Jacoby/Schwab zu einer wertvollen Ergänzung der eigenen
Bibliothek macht.
RA Tim Wegmann, LL.M., Velbert
Münchener Anwaltshandbuch
Straßenverkehrsrecht
AnwaltFormulare
Mandanteninformationen
Hans Buschbell (Hrsg.),
4. Aufl. 2015, 1.333 S., 149 Euro,
Verlag C.H. Beck
Michael Sattler (Hrsg.),
1. Aufl. 2015, 320 S., mit CD-ROM, 49 Euro,
Deutscher Anwalt-Verlag
Das Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht ist zu
Beginn des neuen Jahres in der mittlerweile vierten Auflage
erschienen. Die aktuelle Rechtsprechung und die Gesetzesänderungen seit der dritten Auflage 2009 wurden aktualisiert, Erläuterungen zum neuen Fahreignungsregister eingefügt.
Betriebsblindheit trifft auch Anwälte. Effektiver ist es, alle Mandanten mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Dieses
Ziel verfolgt der neue Band aus der Reihe AnwaltFormulare.
Inhaltlich behandelt der Buschbell nach wie vor sämtliche Bereiche des Straßenverkehrsrechts. Angefangen beim Verwaltungsverfahren (Fahrerlaubnis), über Straf- und OWi-Verfahren, bis hin
zum Schadensrecht und dem Recht der Kraftfahrtversicherung
deckt die Darstellung alle Teile dieses Rechtsgebiets ab. Ein Kapitel zur Mandatsannahme und -organisation ist ebenso enthalten
wie Hinweise zum Umgang mit Rechtsschutzversicherungen.
Das Handbuch beinhaltet an zahllosen Stellen Formulierungshilfen, Mustertexte und Checklisten als Arbeitshilfen, die für die
tägliche Mandatsbearbeitung eine erhebliche Erleichterung darstellen. Leider sind die Arbeitshilfen nicht auf einem Datenträger
oder im Internet, sondern nur in gedruckter Form verfügbar.
Die Tauglichkeit eines Buches lässt sich am besten im Rahmen
der täglichen Arbeit beurteilen – passenderweise landeten während der Rezensionszeit einige straßenverkehrsrechtliche Mandate auf meinem Schreibtisch.
Die Regulierung eines Verkehrsunfalls war mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Muster problemlos möglich, in einer anderen
Angelegenheit mit Auslandsbezug konnte auf die übersichtliche
Darstellung zum Deutschen Büro Grüne Karte e. V. zurückgegriffen werden; neben der erläuterten Darstellung gibt es im
Anhang ein separates Merkblatt zu Unfällen mit Auslandsbezug.
Schön, dass auch hier noch mal auf Details hingewiesen wird, die
gerne übersehen werden und haftungsträchtig werden können,
beispielsweise die Passivlegitimation des Büros Grüne Karte und,
damit einhergehend, die fehlende Passivlegitimation des mit der
Regulierung beauftragten Versicherungsunternehmens. Auch
dem „Kürzungswahn“ der gegnerischen Versicherung konnte ich
erfolgreich entgegentreten.
Wer eine vollständige Darstellung des Straßenverkehrsrechts
sucht, die die für die Erlangung des Fachanwaltstitels gem. § 14d
FAO erforderlichen Sachgebiete behandelt, dem sei dieses Handbuch wärmstens empfohlen.
Fazit: Praxistest mit Auszeichnung bestanden!
RA Tim Wegmann, LL.M., Velbert
Das Buch Mandanteninformationen enthält mit rund 120 ausformulierten Mustern praktische Informationen für die Mandanten. Die Themenpalette reicht von allgemeinen Informationen bis
zu Kosten der Beratung und Vertretung, Beratungs- und Prozesskostenhilfe, den Gang des Zivilverfahrens mit Besonderheiten
der Berufung, die Streitverkündung und Mediation. In weiteren
Kapiteln werden die Rechtsgebiete Zwangsvollstreckung und
Insolvenz, Mietrecht und WEG-Recht, Baurecht, Verkehrsrecht,
Familienrecht, Erbrecht, Arbeitsrecht, Verwaltungsrecht, Sozialrecht und Strafrecht mit weiteren Mustern bereichert.
Die Muster sind vorformulierte Briefe an die Mandanten. Es werden Standardsituationen für Mandanten verständlich erklärt.
Umfassend informiert, können die Mandanten eigene Entscheidungen im weiteren Verlauf treffen. Nur informierte Mandanten
sind zufriedene Mandanten, und im Vorfeld informierte Mandanten sind glückliche Mandanten. Alle Muster sind auf der beiliegenden CD-ROM im Textformat gespeichert.
Abgerundet wird jedes Muster mit Erläuterungen für die Anwälte. Es finden sich Querverweise zu weiterführender Literatur
und Rechtsprechung. Die Erläuterungen können kein Fachbuch
ersetzen. Sie bieten aber denjenigen, die nicht täglich mit Spezialgebieten beschäftigt sind, einen ersten Überblick über wichtige
Aufklärungsarbeit. Auch zum Schutz vor Betriebsblindheit kann
dies schützen.
Der Herausgeber Dr. Michael Sattler LL.M. ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und für Verwaltungsrecht in Bochum. An
der FH Dortmund ist er Lehrbeauftragter für Privates Bau- und
Architektenrecht. Die Autoren sind Anwältinnen und Anwälte,
die langjährige einschlägige Erfahrungen in den Rechtsgebieten
aufweisen können. Die Muster stammen aus ihrer Praxis.
Fazit: Muster im Anwaltsgeschäft zu verwenden hat Vor- und
Nachteile. Die Gefahr besteht, die Mandanten mit vielen Informationen und Konjunktiven zu verunsichern. Ein Vorteil
ist, dass effektiv gearbeitet werden kann, ohne die Gefahr,
wichtige Details bei der Beratung vergessen zu haben. Für
Mandanten stellen Merkblätter einen besonderen Service dar.
Daher ist das Buch nicht nur für Einsteiger im Anwaltsberuf
sinnvoll, sondern auch für eingesessene Berater zum Abgleich
ihrer Informationspolitik.
RA Stefan Zeidler, Kassel
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AdVoice 02/15
Bücher-FORUM
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht
Müller-Glöge/Preis/Schmidt (Hrsg.),
15. Aufl. 2015, 2.976 S., 169 Euro,
Verlag C.H. Beck
Die 2015er Auflage des Erfurter Kommentars zum Arbeitsrecht
(Stand 1. September 2014) zeigt, dass es im Arbeitsrecht nie Stillstand gibt. Die Autoren – BAG-Richter, Anwälte und Rechtswissenschaftler – ein jeder Spezialist in dem von ihm bearbeiteten
Gebiet, zielen darauf ab, der Praxis einen strukturierten und klaren
Überblick zum aktuellen Meinungsstand zu geben, um fundierte
und belastbare Entscheidungen im Prozess oder in der Beratung
treffen zu können. Dazu sind über 40 der wichtigsten arbeitsrechtlichen Gesetze erläutert: Beginnend mit den relevanten GG-Normen, folgen das AEntG, EFZG, KSchG, MiLoG, PflegezeitG, die
relevanten Normen der Sozialgesetzbücher bis zum WZVG.
Gleichwohl übersieht der „Erfurter“ nicht die Schnittstellen zum
Steuer- und Sozialversicherungsrecht. Neben der intensiven
Auswertung der neuen Rechtsprechung von BAG, BSG, EuGH,
der LAGe und der Literatur finden neueste Gesetzesänderungen
Eingang in die Bearbeitung. Es wundert nicht, dass das Tarifautonomiestärkungsgesetz neben dem am 1. Juli 2014 in Kraft
getretenen RV-Leistungsverbesserungsgesetz ein Kernpunkt
der Erläuterungen ist. Als einer der Ersten erläutert Frenzen das
MiLoG mit seinen Anspruchsvoraussetzungen, Regelungen zur
Fälligkeit und Unabdingbarkeit. Weitere Auswirkungen, etwa
die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, die Ausweitung des AEntG auf alle Branchen, die
Änderungen im ArbGG, NachwG oder AGG, die Folgen für das
BetrAVG oder das SGB VI durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz mit Einführung der Rente mit 63 oder die Mütterrente
sind bearbeitet.
Neueste Entscheidungen zum AGG, AGB-Recht, Befristungsund Kündigungsschutzrecht sind ausgewertet. Die Autoren
beleuchten die Bollacke-Entscheidung des EuGH mit ihren urlaubsrechtlichen Auswirkungen oder die BSG-Rechtsprechung
zu Syndikusanwälten. Daneben verblassen die Erläuterungen von
Kania zu § 87 BetrVG, von Oetker zur Sozialen Auswahl iRd. § 1
KSchG und Änderungskündigung (§ 2 KSchG) und von Preis zum
AGB-Recht im Arbeitsrecht (§§ 305-310 BGB) nicht.
Trotz der Informationsflut erhält der Leser einen sehr guten
Zugang in die arbeitsrechtlichen Problematiken und Rechtsprechung – teils auch kritisch gewürdigt – sowie neue Argumentationen, um offene Fragen zu lösen.
Fazit: Jeder Arbeitsrechtler – Fachanwalt oder Junganwalt –
ist mit der Nutzung dieser aktuellen Arbeitsrechtbibliothek
in einem Band bestens gerüstet, um arbeitsrechtliche Fragen
interessengerecht zu lösen. Der Mandant wird es ihm danken.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
Münchener Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch Band 10: Internationales Privatrecht I
Handbuch des Fachanwalts
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.),
6. Aufl. 2015, 2.795 S., 279 Euro
Verlag C.H. Beck
Harz/Riecke/Schmid (Hrsg.),
5. Aufl. 2015, 2.772 S., 159 Euro,
Luchterhand-Verlag
Fünf Jahre nach Erscheinen der fünften Auflage liegt nun die
sechste Auflage des zehnten Bandes des Großkommentars vor, der
ausschließlich von Wissenschaftlern verantwortet wird. Gegenüber
der Vorauflage haben sich der Bearbeiterkreis sowie Struktur und
Inhalt des Werkes wesentlich geändert. So findet etwa die voranschreitende Europäisierung des internationalen Privatrechts
darin Ausdruck, dass nunmehr die einschlägigen europäischen
Rechtsakte vor dem deutschen EGBGB kommentiert sind. Diese
Umstellung ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig.
Das von Harz, Riecke und Schmid herausgegebene und von
einem Team von 28 Autoren bearbeitete Werk liegt in der nunmehr 5. Auflage vor. Diese berücksichtigt das ab dem 1. Mai 2013
in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz und insbesondere
auch schon die jüngsten Entwicklungen zur sogenannten Mietpreisbremse.
Als für den Band verantwortlicher Redakteur fungiert erstmalig
Jan von Hein, der an der Universität Freiburg ausländisches und internationales Privatrecht lehrt und für diesen Band die sehr schöne
Einleitung zum internationalen Privatrecht geschrieben hat.
Das Werk enthält eine Kommentierung des autonomen europäischen Kollisionsrechts, hauptsächlich der Rom-I-Verordnung
über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende
Recht, der Rom-II-Verordnung über das auf außervertragliche
Schulverhältnisse anzuwendende Recht, der Rom-III-Verordnung über das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht und
die in ihren wesentlichen Teilen noch nicht in Kraft getretene
EU-Erbrechtsverordnung. Den Abschluss bildet die umfangreiche
Kommentierung der Art. 1 bis 24 des EGBGB (Allgemeines, Personenrecht, Rechtsgeschäfte und Familienrecht).
Der Band muss im Zusammenhang mit Band 11 gesehen werden, der mit „Internationales Privatrecht II“ untertitelt ist und
das übrige internationale Privatrecht behandelt. Dabei ist leider
die Aufteilung der Materie auf die beiden Bände etwas unglücklich geraten. So wäre es überzeugender gewesen, die deutschen
Durchführungsvorschriften der Rom-Verordnungen gemeinsam
mit diesen zu behandeln und etwa das internationale Erbrecht
nicht „auseinanderzureißen“.
Im Ergebnis wird der Kommentar den an ihn zu stellenden Erwartungen gerecht; er bietet die bekannte, überzeugende innere
Systematik sowie beeindruckende Tiefe der Kommentierung und
damit einen hohen Praxisnutzen für den im internationalen Privatrecht tätigen Rechtsanwalt.
Fazit: Ein verlässliches Werkzeug für den ambitionierten Kollisionsrechtler mit wissenschaftlichem Anspruch.
RA Stephan Korte, Frankfurt am Main
Entsprechend der Konzeption der bewährten Reihe „Handbuch
des Fachanwalts“ will das Werk sowohl Lehrbuch für den (angehenden) Fachanwalt als auch Nachschlagewerk für jeden mit
dem Thema Immobilien befassten Rechtsanwalt sein.
Diese Zielsetzung kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck,
dass der gesamte Fächerkanon der Fachanwaltsprüfung abgehandelt wird. Das Werk befasst sich demgemäß mit dem Mietrecht, dem Wohnungseigentumsrecht, dem Immobilienrecht, den
Bezügen zum öffentlichen Recht und zum Steuerrecht sowie mit
spezifischen Verfahrens-, Vollstreckungs- und Gebührenfragen.
Die in sechs Teilen und 40 Kapiteln auf über 2.700 Seiten dargebotene Stofffülle ist mithin enorm. Wenn man bedenkt, dass
zu jedem einzelnen Teil und zu den jeweiligen Unterkapiteln
(Wohnraummiete/Gewerbemiete) umfangreiche Einzeldarstellungen existieren, leuchtet ein, dass sich die Aufbereitung all
dieser Gebiete in einem einzigen Band teilweise auf die Basics
beschränken muss. Insbesondere die beiden großen Teile Mietund WEG-Recht sind dabei jedoch gleichwohl so umfassend,
dass sie den Vergleich zur Einzeldarstellung nicht zu scheuen
brauchen.
Das Werk auf diese Hauptgebiete zu reduzieren, wäre indessen
ein großer Fehler, denn die zahlreichen weitere Themen rund um
Immobilien – u. a. Maklerrecht, Immobilien-Kaufrecht, Nachbarrecht, Versicherungsrecht, Steuerrecht, Verwaltungsrecht, dort
etwa: öffentlich rechtliche Nutzungsbeschränkungen und mehr
– werden nicht nur en passant, sondern in einzelnen Kapiteln
systematisch und durchaus umfassend dargestellt. Gerade das
ist die große Stärke und zugleich wohl auch ein Alleinstellungsmerkmal dieses Buches.
Die Darstellung ist prägnant und einleuchtend gegliedert, das
Layout ist übersichtlich. Die Übersichten vor jedem Kapitel und
das ausführliche Stichwortverzeichnis erleichtern den Zugriff.
Auf zusätzliche Checklisten, Tabellen, Grafiken und Mustertexte
wird dagegen – wohl auch aus Platzgründen – leider fast komplett verzichtet.
Fazit: Ein sehr gelungenes Werk – nicht nur für den (angehenden) Fachanwalt!
RA Henry Naeve, Hamburg
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Bücher-FORUM
Musteranträge für Pfändung und Überweisung
Handkommentar Arbeitsgerichtsgesetz
Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht
Diepold/Hintzen (Hrsg.),
10. Aufl. 2015, 671 S., 94,80 Euro,
Verlag Dr. Otto Schmidt
Natter/Gross (Hrsg.),
2. Auflage 2013, 1.228 S., 98 Euro,
Nomos Verlag
Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.),
1. Aufl. 2015, 248 S., 79,95 Euro,
De Gruyter Verlag
Das Formularbuch von Diepold/Hintzen behandelt den in der
Praxis besonders wichtigen Bereich der Zwangsvollstreckung
wegen Geldforderungen.
Der Handkommentar von Natter/Gross erläutert im handlichen
DIN-A5-Format die einzelnen Paragraphen des Arbeitsgerichtsgesetzes entsprechend der Reihenfolge im Gesetz.
Nach einer rund 45 Seiten langen Einleitung zu den Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung und dem Abdruck eines
Pfüb-Antrags werden auf weiteren 45 Seiten allgemeine Anträge und Erklärungen im Vollstreckungsverfahren wie ein
Vollstreckungsauftrag, ein Vorläufiges Zahlungsverbot und eine
Drittschuldnererklärung entsprechend der zeitlichen Reihenfolge dargestellt und erläutert. Daran schließt sich der Hauptteil
mit über 200 Musteranträgen in alphabetischer Reihenfolge zu
sämtlichen pfändbaren Forderungen und Rechten mit zahlreichen Erklärungen und Hinweisen an. Die Muster reichen von
gängigen Forderungen wie Arbeitseinkommen, Sparguthaben
und Lebensversicherungen bis hin zu Haftentschädigungsansprüchen, Internet-Domains und Wechseln. Schließlich sind in
einem Anhang Auszüge der Abgabenordnung, der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher und der ZPO abgedruckt.
Die Kommentierung ist für Praktiker geschrieben und berücksichtigt sowohl die Sichtweise von Rechtsanwälten als auch von
Richtern. Daher enthält das Werk – für einen Kommentar sehr
ungewöhnlich – zahlreiche Beispiele, Antragsformulierungen
und Muster, wobei diese nicht in einem separaten Teil stehen,
sondern bei der jeweiligen Vorschrift. So werden zulässige und
unzulässige Anträge bzw. Tenorierungen gegenübergestellt,
mögliche Verfahrensabläufe aufgezeigt und theoretische Ausführungen anhand von kleinen Beispielsfällen veranschaulicht.
Es gibt Hinweise, aus welchen Gründen bestimmte Anträge zurückgewiesen werden können und Muster für PKH-Beschlüsse
und Beweisbeschlüsse. Auch werden Regelungen aus gängigen
Tarifverträgen in die Überlegungen einbezogen. Sehr nützlich ist
die 25 Seiten umfassende Streitwerttabelle am Ende der Kommentierung zu § 12 ArbGG. Gleiches gilt für die sehr umfangreichen Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast im Rahmen
von § 58 ArbGG mit zahlreichen Beispielen wie Abmahnung,
Annahmeverzug, Arbeitnehmerhaftung, Nettolohnvereinbarung,
Ausschlussfristen und Befristung. Auch auf die arbeitsrechtlichen Besonderheiten in der Zwangsvollstreckung wird bei § 62
ArbGG sehr ausführlich eingegangen, etwa bei der Vollstreckung
von Urteilen auf Zahlung von Bruttolohn, Gewährung von Urlaub
oder Erteilung eines Zeugnisses.
Die Publikation ist Teil der Reihe „Institute for Law and Finance
Series“, welche vom Institute for Law and Finance (ILF) der Goethe Universität Frankfurt am Main veröffentlicht wird. Das ILF
wurde im Jahr 2002 im Zusammenwirken mit Aufsichtsbehörden, Banken und Anwaltssozietäten gegründet, um Lehre und
Forschung im Bereich Law and Finance zu betreiben. Im Rahmen
des Projekts „Economy, Criminal Law, Ethics“ (ECLE) werden die
Themen Unternehmensstrafbarkeit, Gemeinwohl im Wirtschaftsstrafrecht und der Begriff Unternehmenskultur zusammengeführt und weiterentwickelt.
Alle Muster sind auch über die beiliegende CD-ROM als
Word-Dokument abrufbar. Einen Schnellzugriff auf die Muster
erlaubt eine kurze Inhaltsübersicht im Einband vorne und hinten,
in der den alphabetisch sortierten Schlagworten die Nummer des
Musters zugeordnet ist.
An vielen Stellen werden unter dem Stichwort „Beachte“ wichtige
Hinweise gegeben, etwa wer die Zustellung veranlassen muss,
welche Fristen zu beachten sind oder wo Fehlerquellen lauern.
Auch werden Tipps gegeben für Fälle, in denen die vorgegebenen
Formulare unvollständig, fehlerhaft oder missverständlich sind.
Für die Praxis sehr nützlich ist auch die ausführliche Lohnpfändungstabelle im Anhang nach § 850f ZPO.
Aufgrund der im Jahr 2012 eingeführten neuen Formulare bietet
das Formularbuch einen guten Leitfaden, um die neuen Formulare richtig anzuwenden und die erweiterten Möglichkeiten der
Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung zu nutzen. In der
Neuauflage mit Stand Juni 2014 wurde außerdem bereits die
Einführung der Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess berücksichtigt.
Bearbeiter ist mit Udo Hintzen ein Rechtspfleger und damit ein
Praktiker, der sich mit der Materie bestens auskennt.
Fazit: Das Formularbuch von Diepold/Hintzen erleichtert Rechts­
anwälten den Umstieg auf die neuen Formulare und die
Nutzung der neuen Möglichkeiten. Es bietet damit eine
wichtige Unterstützung für die erfolgreiche Durchsetzung
von Forderungen.
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
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Sofern die Handhabung in der Praxis von der Vorstellung des
Gesetzgebers abweicht, etwa beim direkten Übergang von der
Güteverhandlung in den Kammertermin, wird auch darauf eingegangen.
Die Neuauflage war vier Jahre nach der Erstauflage dringend geboten. Sie befindet sich auf dem Stand März 2013 und berücksichtigt bereits das Güterichterverfahren und die Änderungen
beim Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren. In Bezug
auf die Änderungen beim Kostenrecht und bei der Prozesskosten- und Beratungshilfe konnten aber nur die damaligen Gesetzentwürfe berücksichtigt werden.
Herausgegeben wird der Kommentar von Dr. Natter, LAG-Präsident, und Dr. Gross, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Auch das Autorenteam besteht aus Richtern und Rechtsanwälten.
Fazit: Mit dem noch recht jungen Kommentar von Natter/
Gross erhält man ein kompaktes und praxisorientiertes Werk,
das eine echte Alternative zum deutlich umfangreicheren,
aber auch teureren Schwab/Weth darstellt.
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
Das Werk stellt sich als Dokumentation eines Symposiums dar und
enthält dort referierte Vorträge von Teilnehmern wie Lüderssen,
Hamm und Günther. Diese wurden ergänzt durch nachträgliche
Einbeziehung der Beiträge u. a. von Fischer und Mansdörfer.
Die Gliederung lässt mehrere Teile erkennen. Die ersten Beiträge
befassen sich mit grundsätzlichen Erörterungen zur Unternehmenskultur. Darauf folgen im zweiten Teil Exemplifizierungen
von Trennbankengesetz und Insider-Strafrecht. Hinzu treten
Konkretisierungen zu internen Untersuchungen in Unternehmen
und ausgewählten Korruptionskonstellationen. Hieran schließt
sich ein kurzer Diskussionsbericht an.
Insgesamt lässt sich bei den Autoren ein eher wissenschaftlich
geprägter Ansatz erkennen. Die generellen Ausführungen zur
Unternehmenskultur im ersten Abschnitt zeigen sich deswegen
eher weniger nützlich für den Berufsalltag des Strafverteidigers,
vermitteln jedoch anregende Denkanstöße. Hervorzuheben ist
hier der rechtsökonomische Ansatz von Trautmann, der seinen
Beitrag auch mit aktuellen Beispielen ergänzt. Die Ausführungen
im darauf folgenden (Haupt-)Teil sind hinsichtlich der behandelten Problemstellungen sehr speziell, aber definitiv weiterführend
und spannend, vor allem für denjenigen, der sich tatsächlich mit
diesen Themen, sei es wissenschaftlich oder in der täglichen Praxis, auseinander setzt. An einigen Stellen werden zudem konkrete
prozessuale Probleme behandelt. So setzt sich Hamm beispielsweise mit Beweisfragen im Rahmen des Trennbankengesetzes
auseinander. Positiv ist insgesamt auch der Fußnotenapparat
hervorzuheben. Dieser zitiert umfangreich aktuelle und weiterführende Literatur. Ein Blick hinein lohnt sich auf jeden Fall.
Fazit: Das Werk bietet interessante Denkanstöße und eine
detailreiche, bisweilen kritische Aufbereitung der brandaktuellen Themen im Bereich Wirtschaftsstrafrecht.
RAin Jennifer Pia Gehrke, Frankfurt am Main
Bücher-FORUM
Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht
Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht
Strafgesetzbuch
Pewestorf/Söllner/Tölle,
1. Aufl. 2013, 707 S., 85,00 Euro,
Carl Heymanns Verlag
Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier (Hrsg.),
2. Aufl. 2014, 2.916 S., inkl. jBook, 179 Euro,
Luchterhand Verlag
Thomas Fischer,
62. Aufl. 2015, 2.727 S., 89 Euro,
Verlag C.H. Beck
Polizei- und Ordnungsrecht ist Ländersache. Hierfür nun eine
Kommentierung zu schaffen, welche die Gesetze aller 16 Länder
und des Bundes unter einen Hut bekommt, ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, welche die Autoren jedoch mit Bravour
bewältigt haben. In Teil A werden die Polizeigesetze, das BKAG
und das BPolG dargestellt. Teil B umfasst die (noch) bundes- bzw.
landesrechtlichen Regelungen des Versammlungsrechts, das
Vollstreckungs- und das Wirtschaftsverwaltungsrecht (GastG
und GewO). Teil C beleuchtet das Waffen- und Ausländerrecht.
Teil D stellt schließlich die Rechtsschutzmöglichkeiten auf der
Primär- und der Sekundärebene dar.
Über zahlreiche Schnittstellen hat das Insolvenzrecht Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete wie das Arbeits-, Steuer-, Sozial-,
Gesellschafts- oder Strafrecht. Folglich ist der aktuelle Kenntnisstand darüber nicht nur für den Fachanwalt von Bedeutung.
Es ist mindestens genauso wichtig für Anwälte, die grundsätzlichen Berührungen zum Insolvenzrecht zu kennen, die primär in
den genannten Schnittstellerechtsgebieten beraten. Besonders
zu diesen gesetzesübergreifenden insolvenzrechtlichen Problemstellungen will der Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht
praxisgerechte Antworten und verlässliche Erläuterungen bieten.
Der Beck´sche Kurzkommentar Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen von Prof. Dr. Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am BGH
und Honorarprofessor an der Universität Würzburg, hat den Gesetzesstand 1. November 2014.
Da nahezu jedes der Polizeigesetze die Befugnisse und weitere
Vorgaben (z. B. Adressat) unterschiedlich verortet hat, ist das
Konzept des Handbuchs daher nicht, einen Paragraphen zu kommentieren. Vielmehr wird die dahinterstehende Befugnis bzw.
Maßnahme erläutert, z. B. IDF, edM, Nichtstörer. Zu Beginn der
Darstellung werden die jeweiligen Paragraphen genannt, welche
die nun folgende, zu kommentierende Maßnahme beinhalten.
Die Darstellung folgt dem geläufigen Prüfungsschema, was die
Arbeit mit dem Buch vereinfacht.
Im Rahmen der besprochenen Maßnahme werden die – sofern
vorhanden – jeweiligen landestypischen Unterschiede hervorgehoben und entsprechend erläutert, z. B. Dauer der Wohnungswegweisung oder Zuständigkeit. Schlagwörter werden durch
Fettdruck hervorgehoben. Eine „Checkliste“ rundet die Darstellungen ab. Die Fußnoten, Verweisungen und Beispiele aus der
Rechtsprechung sind ausgewählt gesetzt. Eventuell bestehende
Gegenauffassungen werden kenntlich gemacht. Prozessuale Fragestellungen werden eingehend dargestellt (z. B. bei Erstattungsund Ersatzansprüchen).
Die Autoren sind ausgewiesene Praktiker. Sie wissen daher, worauf es ankommt: Prägnant und zugleich klar erläutern sie die
jeweilige Materie, ohne dabei allzu wissenschaftlich zu werden.
Dennoch lässt die Tiefe der Darstellung nichts zu wünschen
übrig. Daher wird das Werk seinem Titel „Praxishandbuch“ völlig
gerecht und ist den Preis mehr als wert.
Fazit: Wer sich mit Polizeirecht befassen möchte oder muss,
kommt an diesem Werk nicht vorbei. Klar, übersichtlich und
verständlich wird dem Nutzer die Materie des Polizei- und
Ordnungsrechts dargestellt. Es bereitet viel Freude, mit diesem Werk zu arbeiten.
RA Dirk Hofrichter, Strausberg
Neben den Herausgebern besteht das Autorenteam aus weiteren
22 anerkannten wie erfahrenen Rechtsanwälten, Richtern, Hochschullehrern sowie aus einem Ministerialbeamten und einem
Rechtspfleger. Dem Anspruch der Aktualität verpflichtet, gelingt
es ihnen, in der Neuauflage bereits das zum 1. Juli 2014 in Kraft
getretene Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte zu beachten.
Neben der umfassenden Kommentierung der Insolvenzordnung
sind die Europäische Insolvenzordnung (EUInsVO) mit Art. 102110 EGInsO, die Insolvenzrechtliche Vergütungsordnung (InsVV),
die Gesellschaftsrechtliche Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer in der GmbH-Insolvenz, das Anfechtungsgesetz
(AnfG), das Genossenschaftsgesetz (GenG), das Insolvenzstrafrecht des StGB, die Vorschriften über das Insolvenzgeld des SGB
III, das Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorG) und das Insolvenzstatistikgesetz (InsStatG) kommentiert.
Insgesamt ist das komplette Werk aktualisiert und überarbeitet
worden. Vielfältige Neuerungen und Rechtsentwicklungen, bedingt durch das ESUG, sind neben anderen gesetzgeberischen
Initiativen berücksichtigt. Einen Bearbeitungsschwerpunkt mit
aufschlussreichen Ausführungen von Fischer und Weinland
erfährt das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli
2013. Ebenso ist die neueste höchstrichterliche Rechtsprechung
integriert.
Fazit: Der Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht ist der
insol­venzrechtlichen Praxis wie Wissenschaft zu empfehlen.
Der Nutzer findet verlässliche Hilfestellungen, auch zu noch
höchstrichterlich ungeklärten Fragen. Das einbändige Werk
vereinfacht die Arbeit, indem es die Insolvenzordnung und
entscheidende weitere Vorschriften mit insolvenzrechtlichem
Bezug aus anderen Gesetzen aktuell und aufschlussreich
kommentiert.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
Seit 2013 sind vier Vorschriften, §§ 5, 108d, 108e und 261, geändert worden. Gleichzeitig sind wichtige Gesetzesinitiativen
angestoßen worden, etwa die Vorhaben der Neuregelung der
Tötungsdelikte sowie der Sterbehilfe (vor § 211), des Korruptionsrechts (2. KorruptionsbekämpfungsG, Rn.1 zu § 331) und
des Prostitutionsrechts (Rn.1 § 232). Bis zum Redaktionsschluss
berücksichtigte Fischer die Initiativen und skizziert neue Entwicklungen. Die Entwürfe für die Änderungen des Sexualstrafrechts
arbeitete er im Anhang nach § 358 ein. Mehrere Erläuterungen
z. B. zur Rechtsbeugung (§ 339) oder vor § 38 (zur lebenslangen
Freiheitsstrafe) fasste Fischer neu oder überarbeitete sie.
Nahezu 450 neue Entscheidungen des BGH, des BverfG und der
OLGe sind integriert, darunter zahlreiche Leitsatz- und Grundsatzentscheidungen z. B. in der Folge der Entscheidung des BVerfG
zu Absprachen im Strafprozess – eingängig in den Rn. 109 ff zu §
46 aufbereitet – oder zum Vermögensschaden bei der Untreue, zur
Kinderpornographie oder zur Rechtsbeugung. Seinen Schwerpunkt
legt der Autor auf die Meinung der Rechtsprechung. Literatur wertete er bis September 2014 aus, ohne die Stoßrichtung seines mit
fundierter wissenschaftlicher Aufbereitung untermauerten Kurzkommentars für die Praxis aus dem Auge zu verlieren.
In bewährter Manier folgt die Systematik der Kommentierung
dem Normaufbau. Bei Streitfragen stellt Fischer die gegensätzlichen Ansichten in Rechtsprechung und Literatur dar, bevor er
argumentativ die herrschende Meinung entwickelt. Er scheut
sich aber nicht, diese, wenn nötig, zu kritisieren. Weiterführende
Literaturangaben sind vor den Kommentierungen zu finden. Die
Ausführungen konzentrieren sich auf das Wesentliche. Die vorangestellten Gliederungen und die im Fließtext hervorgehobenen
Stichworte vereinfachen die Suche. Der weitgehende Verzicht auf
Abkürzungen sowie Fischers schnörkelloser Stil erhöhen die Lesbarkeit und das Verständnis für Zusammenhänge. Der Anhang
umfasst Auszüge mehrerer Nebengesetze.
Fazit: Der topaktuelle „Fischer“ ist das Handwerkszeug aller
Prozessbeteiligten und Strafrechtspraktiker. Aufs Neue überzeugt er mit guter Struktur, die eine umfassende Auswertung
von Rechtsprechung und Literatur vermittelt. Prädikat: In
Praxis und Ausbildung unverzichtbar!
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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Bücher-FORUM
Grundgesetz
Paket Kündigungsschutzrecht
KrWG – Kommentar
Michael Sachs (Hrsg.),
7. Aufl. 2014, 2.721 S., 189 Euro,
Verlag C.H. Beck
Handkommentar + Kommentiertes Prozessformularbuch,
2015, mit CD-ROM, 2.743 S., 198 Euro,
Nomos Verlag
Stefan Kopp-Assenmacher (Hrsg.),
1. Aufl. 2015, 1.053 S., 154 Euro,
Erich Schmidt Verlag
Mit Stand vom 1. Januar 2014 ist die Neuauflage des Grundgesetzkommentars, herausgegeben von Michael Sachs, erhältlich.
Alle Autoren sind erfahrene Experten auf dem Gebiet des Verfassungsrechts aus Wissenschaft und Praxis. Sie bündeln ihr Fachwissen zu einer homogenen Darstellung für eine umfassende
Kommentierung des Grundgesetzes.
Das Paket Kündigungsschutzrecht bietet den HaKo-KSchG,
herausgegeben von Gallner/Mestwerdt/Nägele, 5. Auflage 2015
und das Kommentierte Prozessformularbuch Kündigungsschutzrecht, herausgegeben von Mestwerdt/Spengler/Dubon,
1. Auflage 2015.
Mit dem neuen KrWG-Kommentar hat die Reihe der Berliner Kommentare des Erich Schmidt Verlags weiteren Zuwachs bekommen.
Der Herausgeber Stefan Kopp-Assenmacher, Rechtsanwalt in
Berlin, hat hier eine Reihe erfahrener Praktiker überwiegend aus
der Anwaltschaft gewinnen können, das novellierte Abfallrecht zu
kommentieren.
Die den Erläuterungen der Grundrechte zugrundeliegende Dogmatik ist in den Vorbemerkungen zu Art. 1 GG verortet. Die Kommentierungen orientieren sich zumeist im Aufbau an der vom
Verfassungstext vorgegeben Gliederung. Mit dem Fokus auf die
Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch ihrer wissenschaftlichen Diskussion, beleuchten die Autoren praktische
und aktuelle Fragen dezidiert und teils auch kritisch. Wichtige
Fragen des deutschen Verfassungsrechts sind übersichtlich und
verständlich aufgearbeitet. Der Bezug zum Europarecht wird regelmäßig hergestellt.
Die Änderung des Art. 93 GG ist integriert. Er regelt das BverfG
und seine Zuständigkeiten. Vereinigungen wird ein Beschwerderecht gegen die Nichtanerkennung als Partei für die Wahl
zum Bundestag eingeräumt. Darüber hinaus sind die wichtigen
Entscheidungen des BVerfG seit der Vorauflage berücksichtigt.
Genannt seien die Entscheidungen zur Grundrechtsfähigkeit
ausländischer Personen, zur Vergabe von Sitzplätzen an Medienvertreter im Strafprozess, zur Verfassungsmäßigkeit der Antiterrordatei und zur Beobachtung von Abgeordneten durch den
Verfassungsschutz. Ferner sind die Entscheidungen des EGMR,
etwa zur Auslieferung eines Terrorverdächtigen an die USA
oder des EuGH, zum Beispiel zur Klagebefugnis Einzelner gegen
EU-Rechtssetzungsakte eingearbeitet. In den Erläuterungen ra­gen
Art. 3, 5, 9, 12 und 20 GG heraus. Der Leser findet ausführliche
Grundlagen der Verfassungsbestimmungen, Kontroversen oder
abweichende Standpunkte der Bearbeiter.
Ungeachtet der Fülle von Rechtsprechung und Literatur erläutern
die Autoren verfassungsrechtliche Problematiken kompetent und
praxisnah. Die präzisen Ausführungen geben einen guten Überblick. Man verzichtet bewusst auf eine zu detailreiche Auseinandersetzung mit allen Meinungen, bereitet die Rechtsprechung
und wichtigsten Auffassungen knapp, aber mit angemessener
Gründlichkeit auf.
Fazit: Kaum eine verfassungsrechtliche Frage bleibt offen.
Der Sachs bietet eine praxisorientierte Erläuterung der Verfassung mit ansprechender wissenschaftlicher Tiefe. Sein klarer
Aufbau hilft, die Strukturen und Systematik der Grundgesetzauslegung zu durchdringen.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
Der HaKo-KSchG will für die Praxis ein zuverlässiger Problemlöser sein. Seine Systematik fördert den schnellen Zugriff auf
relevante Fragen. In ihren Ausführungen bringen die Autoren
dem Nutzer gezielt Fragen der Prozesstaktik, der Beweislast und
der abgestuften Vortragslast, besonders bei Prognoseentscheidungen, näher.
Da auch in den letzten Jahren das BAG, die Instanzgerichte und
der EuGH viele Entscheidungen zum KSchG erließen, sind neben
dem KSchG die relevanten Normen des AGG, BGB, UmwG, BetrVG,
BPersVG, MuSchG, PflegeZG, BEEG, SGB IX und TzBfG erläutert.
Der Aktualität verpflichtet, ist die neueste Rechtsprechung intensiv analysiert, etwa die Entscheidung in der Sache Ring zur
personenbedingten Kündigung und SGB IX, die Sache Dosa zur
Erkundigungspflicht des Arbeitgebers nach einer Schwangerschaft, die wichtige Entscheidung zum Streitgegenstandsbegriff
des BAG oder die vom EuGH angestoßene und vom BAG entwickelte Missbrauchskontrolle bei Sachgrundbefristungen.
Das Konzept des neuen Prozessformularbuchs zum Kündigungsschutzrecht vereinfacht den Einstieg in diffizile Verfahrenssituationen sowie -abläufe und unterstützt die Arbeit direkt am
Gesetzestext, indem es Kündigungsschutzverfahren an den
einschlägigen Normen für alle Klageverfahren strukturiert. Dazu
sind den erläuterten, kündigungsrechtlich relevanten Vorschriften kommentierte Musterformulierungen mit fallbedingten Varianten, Praxis- und Taktiktipps sowie (zum Nutzen des Anwalts)
Hinweise zum Kosten- und Gebührenrecht angefügt.
Unabhängig davon, ob sich der Nutzer über die Kommentierung
oder den Gesetzeswortlaut einem Problem nähert, stößt er auf
den taktisch treffenden Formulierungsvorschlag. Somit ist er in
jeder (Prozess-)Situation in der Lage, auf systematisch geordnete Musterformulare zuzugreifen, um schnell zu (re-)agieren.
Die Autoren kanalisieren die scheinbar uferlose Kasuistik zum
Kündigungsschutz und machen sie in 260 Mustern nutzbar. Der
Formularfundus gefällt, insbesondere mit seinen auf das Wesentliche beschränkten Erläuterungen.
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Umfasste das erste deutsche Abfallbeseitigungsgesetz von 1972
noch überschaubare dreißig Paragraphen, ist dieses Rechtsgebiet mittlerweile gekennzeichnet durch eine hohe Komplexität
und Dynamik, den bestimmenden Einfluss des europäischen
Gesetzgebers und eine sich stetig weiterentwickelnde Differenzierung in verschiedene Gebiete eines „besonderen Abfallrechts“.
Auch hat die größere Bedeutung von Abfall als wirtschaftlicher
Ressource zu einem gewissen Funktionswandel des Abfallrechts
geführt. Dieses ist heute nicht mehr nur als Umweltschutzrecht,
sondern auch als Materie des Wirtschaftsverwaltungsrechts zu
verstehen.
Kenntnisreich und mit prägnanten Formulierungen lotsen die
Autoren den Leser sicher durch die Untiefen dieses durchaus
nicht einfach zu beherrschenden Gebietes. Insbesondere die
Aufarbeitung der diversen Neuerungen, etwa zur Definition des
Nebenprodukts, dem Ende der Abfalleigenschaft und den Regelungen der gewerblichen Sammlung von Haushaltsabfällen
ist durchweg gelungen. Nicht zuletzt ist auch das angenehme
Schriftbild des Werkes zu loben.
In zukünftigen Auflagen könnte eine Berücksichtigung der Vorschriften zur grenzüberschreitenden Abfallverbringung als Teil
des „allgemeinen Abfallrechts“ als schöne Abrundung fungieren.
Fazit: Ein überzeugendes, in seiner Aktualität derzeit konkurrenzloses Werk. Wer als Anwalt Unternehmen der Entsorgungswirtschaft beraten will, findet im Kopp-Assenmacher
einen verlässlichen Begleiter.
RA Stephan Korte, Frankfurt am Main
Fazit: Inhaltlich und systematisch ergänzen sich die Werke
gut. Während der HaKo-KSchG in der Praxis ein Garant für
hohe Beratungsqualität ist, überzeugt das Prozessformularbuch mit seinen strukturierten Mustern. Jeder Arbeitsrechtler wird künftig das Paket gern zu Rate ziehen.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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Preislich und vom Umfang her positioniert sich das Werk vor
allem in Konkurrenz zum Jarass/Petersen – und braucht den
Vergleich keineswegs zu scheuen. Während letzterer Kommentar mehr auf wissenschaftliche Vertiefung ausgelegt ist, besticht
der Kopp-Assenmacher durch Aktualität, Anschaulichkeit und
konsequente Ausrichtung auf die Praxis.
Bücher-FORUM
Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht
Pflichtteilsprozess
Beschäftigtendatenschutz und Compliance
Andreas Schmidt (Hrsg.),
5. Aufl. 2014, 2.752 S., 179 Euro,
Carl-Heymanns-Verlag
Walter Krug (Hrsg.),
1. Aufl. 2014, 888 S., 118 Euro,
Nomos Verlag
Gregor Thüsing,
2. Aufl. 2014, 424 S., 89 Euro,
Verlag C.H. Beck
Der renommierte Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht,
der mittlerweile im Carl-Heymanns-Verlag erscheint, wird auch
in der nun vorliegenden 5. Auflage herausgegeben von dem
Hamburger Insolvenzrichter Andreas Schmidt. Bei den weiteren
dreißig Autoren handelt es sich vorwiegend um Rechtsanwälte
und Insolvenzverwalter.
Das Handbuch Pflichtteilsprozess behandelt das Pflichtteilsrecht
mit Schwerpunkt auf den Prozess. Neben Ausführungen zu Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen des Pflichtteilsberechtigten und ihrer gerichtlichen Durchsetzung enthält das Werk
auch Ausführungen zu Schnittstellen im Familien- und Pflichtteilsrecht sowie zur Unternehmensbewertung. Weitere Kapitel
beschäftigen sich mit dem Pflichtteilsberechtigten, landwirtschaftlichen Betrieben im Pflichtteilsrecht, lebzeitigen Vorempfängen des Pflichtteilsberechtigten, dem Pflichtteilsanspruch,
Vermächtniskürzung, Pflichtteilsergänzung, -verzicht, -unwürdigkeit, -entziehung und -beschränkung und dem selbständigen
Beweisverfahren im Pflichtteilsprozess. Das Werk enthält auch
das internationale Pflichtteilsrecht, das Pflichtteilsrecht bei der
Unternehmensnachfolge und im Schiedsverfahren. Abgerundet
wird das Werk durch Ausführungen zu Grundzügen des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts, zu Gebühren im Mandat
sowie durch Checklisten und einem Kompendium für das Klageund Zwangsvollstreckungsverfahren.
Die neue Auflage des Buches von Gregor Thüsing zu Beschäftigtendatenschutz und Compliance ist gegenüber der 1. Auflage
deutlich erweitert worden. Während bislang die Compliance eher
den Schwerpunkt bildete, liegt nunmehr ein kompaktes Kompendium zum Beschäftigtendatenschutz vor, das die Compliance an
den relevanten Situationen einbezieht. Das Buch ist freilich kein
BDSG-Kommentar oder ein umfassendes Handbuch – stattdessen eine übersichtliche Darstellung der wichtigsten Probleme im
Beschäftigtendatenschutz.
Das Werk wird seinem Anspruch, das Insolvenzrecht in seiner Gesamtheit darzustellen, mit Bravour gerecht. Das Kernstück bildet
eine umfassende Kommentierung der Insolvenzordnung selbst,
wobei in einem umfangreichen Anhang zu § 35 InsO das gesamte
gesellschaftsrechtliche Haftungsrecht, soweit insolvenzrechtlich
relevant, systematisch dargestellt ist. Daneben finden sich auch
Kommentierungen der Europäischen Verordnung über Insolvenzverfahren, der für das internationale Insolvenzrecht relevanten
Vorschriften des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung, der
Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung, der Verbraucherinsolvenzformularverordnung und der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet.
Den Abschluss bildet eine besonders gelungene Kommentierung
der insolvenzstrafrechtlichen Regelungen, wobei nicht nur das
Insolvenzstrafrecht im engeren Sinne, sondern auch die insolvenzrechtlich bedeutsamen Straftatbestände des Betruges, der
Untreue sowie des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt behandelt werden.
Die Kommentierung berücksichtigt bereits die jüngst mit dem
Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und
zur Stärkung der Gläubigerrechte in Kraft getretene Reform
des Privatinsolvenzrechts, ohne das auf Altverfahren auch in
Zukunft anwendbare alte Recht zu vernachlässigen. Nicht zuletzt überzeugt der Hamburger Kommentar durch seine klare
Gliederung und sein angenehmes Schriftbild. Zu bemängeln
ist lediglich, dass die Aufbereitung des Stoffes mit Beispielen,
Prüflisten, Schaubildern und Hinweisen in ihrer Intensität recht
uneinheitlich erfolgt. Hier wäre für die nächste Auflage noch eine
Verbesserung zu wünschen.
Fazit: Insgesamt ein sehr gutes Arbeitsmittel zu einem noch
annehmbaren Preis, das sich für den Einstieg in insolvenzrechtliche Fragen ebenso eignet wie für die vertiefte Recherche.
RA Stephan Korte, Frankfurt am Main
Die Autoren führen aus, dass der Pflichtteilsrechtverzicht als
solches auch Pflichtteilsergänzungsansprüche, den Pflichtteilsrestanspruch etc. umfasst. Eine Formulierung wie „verzichtet auf
sein Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsergänzungsansprüche“ kann
irritieren. Die Aufzählung könnte als abschließend angesehen
werden, womit etwa der Ausgleichspflichtteil als nicht umfasst
angesehen werden könnte. Eine ausdrücklich beispielhafte Aufzählung sei aber sinnvoll.
Bei einer Klage auf Pflichtteilsergänzung sollte der Wertermittlungsantrag nur gestellt werden, wenn der fragliche Gegenstand
auch tatsächlich zum fiktiven Nachlass gehört. Andernfalls riskiert der Anspruchssteller ein klageabweisendes (Teil-)Urteil.
Fazit: Das Werk dient mit seinen Beispielen, Mustern und
Tipps dem auf dem Gebiet des Erbrechts tätigen Rechtsanwalt als ausführliches Handbuch im Pflichtteilsrecht mit
Augenmerk auf den Prozess. Seine erste Auflage gewinnt
an Aktualität, indem neueste Gesetze und Rechtsprechung
eingearbeitet wurden, so beispielsweise der neu eingeführte
deutsch-französische Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft mit seinen pflichtteilsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Autoren des Buches sind dreizehn auf dem
Gebiet des Erbrechts tätige Rechtsanwälte, Notare, Richter
und Wissenschaftler.
RAin Inés Kraus, Mainz-Kostheim
Das Buch behandelt einerseits konkrete Rechtsfragen wie die
Einwilligung von Arbeitnehmern, Whistleblowing, Speicherung
und Auswertung von E-Mails, Überwachung mobiler Arbeitnehmer, Social Media, betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit
einer Datenverarbeitung und viele mehr. Andererseits werden
auch allgemeine Fragen behandelt wie Compliance als Aufgabe
der Unternehmensleitung, die Stellung des § 32 BDSG im Datenschutz inklusive der Abgrenzung zu den Tatbeständen der §§
28 ff. BGB und die Regelbarkeit durch Kollektivvereinbarungen.
Ergänzend zu den rechtlichen Untersuchungen bietet das Buch
auch Muster für Betriebsvereinbarungen oder Richtlinien. Diese
sind sehr allgemein gehalten und mit nur kurzen Anmerkungen
versehen. Sie bieten damit zwar einen Ausgangspunkt für den
praktischen Einsatz im Unternehmen, jedoch sollte der Praktiker
besser zu einem Formularhandbuch greifen. Daneben sind auch
Übersichten und Schaubilder enthalten, die die Grundlagen sehr
übersichtlich und klar darstellen.
Datentransfers im Konzern werden auf das Wichtigste konzentriert und die aus dem fehlenden Konzernprivileg resultierenden
Probleme knapp dargestellt. Nicht angesprochen wird zwar die
praxisrelevante Frage, ob eine Konzerntochter ihre Mutter beauftragen kann, jedoch scheint dies angesichts des Schwerpunkts
der Darstellung auf der Auftragsdatenverarbeitung vorausgesetzt zu werden.
Überzeugen kann auch das Kapitel zur Videoüberwachung,
dessen rechtmäßige Durchführung aufgrund des Beweisverwertungsverbots bei rechtswidriger Datenerhebung besonders
praxisrelevant ist. Besonders zu loben ist auch das Kapitel zum
Betriebsverfassungsgesetz, das die relevanten Normen tiefgreifend darstellt.
Fazit: Das Buch enthält fundierte wissenschaftliche Darstellungen der Probleme, sodass es für Rechtsanwälte und
Datenschutzbeauftragte mit juristischem Hintergrund sehr
gut geeignet ist. Es ist vorbehaltlos jedem im Beschäftigtendatenschutz Tätigen zu empfehlen.
RA Matthias Lachenmann, Paderborn
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Bücher-FORUM
Bundesdatenschutzgesetz
RVG – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
WEG: Wohnungseigentumsgesetz
Auernhammer/Eßer/Kramer/von Lewinski (Hrsg.),
4. Aufl. 2014, 1.972 S., 109 Euro
Carl Heymanns Verlag
Rehberg/Schons/Vogt (u. a.),
6. Aufl. 2015, 1.408 S., 169,00 EUR,
Luchterhand-Verlag
Michael Timme (Hrsg.),
2. Aufl. 2014, 1.395 S., 119 Euro,
Verlag C.H. Beck
Jüngere Anwälte werden, wenn sie den Auernhammer im Regal stehen sehen, annehmen, es gäbe einen weiteren neuen BDSG-Kommentar auf dem Markt. Aber weit gefehlt, das vorliegende Werk ist
ein „Klassiker“, der nach Inkrafttreten des BDSG einer der maßgeblichen Kommentare war. Die letzte Auflage ist allerdings vor inzwischen 21 Jahren erschienen, sodass ein neues Herausgeber-Team
eine vollständige Neubearbeitung vorantwortet hat.
Kommentare gibt es viele: dicke, dünne, alte, neue, für Wissenschaftler, Praktiker und Studenten, gebunden, online oder als
Loseblattsammlung. Eines ist jedoch stets gleich: Der Aufbau.
Ein Paragraf wird im Wortlaut wiedergegeben und anschließend
kommentiert. Es folgen der nächste Paragraf und darauf dessen
Kommentierung und so weiter. Den Kommentar als Literaturgattung zeichnet es also aus, dass er sich strikt an der Folge der
Normen im Gesetz orientiert.
Die 2. Auflage bringt das 2010 erstmals erschienene Werk auf
den Stand von 2014. Der Kommentar erläutert die Rechtsfragen
des Wohnungseigentumsrechts mit einem eindeutigen Fokus auf
die Bedürfnisse der Praxis. Dies gelingt dem aus zehn Autoren
bestehenden Team aus Richtern, Fachanwälten und Notaren ganz
hervorragend: Die Breite und Tiefe der Kommentierung ist enorm
und greift nahezu alle denkbaren praktischen Anwendungsfälle
auf. Anstatt sich dabei in theoretischen Ausführungen zu verlieren, zeigen die Autoren stets Möglichkeiten zur praktischen
– gerade im Wohnungseigentumsrecht oft nicht unkomplizierten – Durchsetzung von Ansprüchen auf. Beispielhaft sei hier
die Durchsetzung von Wohngeldansprüchen in der zerstrittenen
Zweiergemeinschaft ohne Verwalter genannt (§ 16, Rn. 13).
Der Kommentar ist denn auch weit davon entfernt, verstaubt zu
sein. Wer nur einen ersten Blick in das Buch wirft, wird positiv
bemerken, dass einerseits neben dem BDSG auch die datenschutzrechtlichen Normen nicht nur von TMG und TKG (wie es
inzwischen fast Branchenstandard ist) kommentiert sind, sondern auch die zunehmend an Bedeutung erlangenden Normen
des IFG und des EnWG. Andererseits sind nach jeder Norm auch
die relevanten Normen der Datenschutzrichtlinie abgedruckt
und auf die geplante Grundverordnung wird regelmäßig Bezug
genommen.
Welch hoher Stellenwert der DSRL zuzumessen ist, zeigt die
Einleitung des Kommentars anschaulich: Überzeugend wird die
Rechtsprechung des EuGH zur Vollharmonisierung dargelegt.
Diese wird bei der Kommentierung der Normen regelmäßig
berücksichtigt (und daher zu Recht darauf hingewiesen, dass
entgegen der herrschenden Meinung eine Auftragsdatenverarbeitung auch in Drittländern vorgenommen werden kann).
Auch die historische und grundrechtliche Einordnung erfolgen
überzeugend.
Vom Äußeren lässt sich schnell erkennen, dass das Werk nicht
den Umfang (und Preis) anderer BDSG-Kommentare hat. Stattdessen zeichnet es sich durch Kürze und Prägnanz aus, auch
wenn es dabei manche interessante Problemstellungen offen-­
lässt oder konkrete Fragestellungen nicht beantwortet. So hätte
man sich zum Beispiel nähere Ausführungen dazu gewünscht,
wann Datenschutzerklärungen einer AGB-Kontrolle unterliegen
und wie deren Abrufbarkeit erfolgen muss; wie eine Pseudonymisierung erfolgen kann (§ 3a) oder ob Videokameras, die öffentlich zugängliche Bereiche erfassen, dem BDSG unterliegen.
Besonders überzeugen kann beispielsweise die Darstellung des
§ 9, die die Einführung von Datenschutz-/Informationsmanagementsystemen kompetent beschreibt und die Praxisnähe der
Autoren eindrücklich aufzeigt. Auch Normen wie §§ 10, 11 oder
4b f. werden kompakt und übersichtlich beschrieben.
Fazit: Die Neuauflage des Auernhammer bietet eine kompakte
und klare Darstellung des BDSG und seiner Nebengesetze. Er
kann den Praktiker gut bei seiner Arbeit unterstützen.
RA Matthias Lachenmann, Paderborn
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Dies tut das vorliegende Werk nicht. Stattdessen werden gebührenrechtliche Themen von A wie „Abänderungsantrag“ bis Z
wie „Zwischenvergleich“ in alphabetischer Folge ohne Wiedergabe des Gesetzeswortlauts dargestellt. Es handelt sich daher in
Wahrheit nicht um einen Kommentar, sondern um ein Lexikon.
Das RVG ist immerhin als Anhang abgedruckt, was mich an den
alten Witz erinnert: Fragt der Kellner den Gast: Wie fanden Sie
das Steak? Antwort: Ganz zum Schluss doch noch unter den
Kartoffeln!
Warum der Verlag das Kind nicht beim Namen nennt, ist mir
unverständlich, denn auch ein RVG-Lexikon hat durchaus seine
Berechtigung. Zwar fehlt die unmittelbare Verkoppelung von Gesetzestext und Erläuterung, dafür eröffnet sich aber eine andere
Zugriffsmöglichkeit, die hilft, wenn man (noch) gar nicht weiß,
unter welchem Paragrafen das gesuchte Problem geregelt ist.
Zudem werden bestimmte Themen übergreifend bzw. im Zusammenhang dargestellt.
Die Erläuterung der einzelnen Stichwörter ist überwiegend gut.
Beispielhaft zu nennen sind die umfassenden, prägnant geschriebenen und zielführenden Ausführungen, unter anderem
zu folgenden Stichworten: Abmahnung, Mahnverfahren, Unfallschadenregulierung, Umsatzsteuer, Versicherungsgesellschaften.
Einzelne Bearbeitungen überzeugen mich dagegen nicht. Hierzu
zwei Beispiele: Zum Stichwort Prüfungsrecht (unter Verwaltungsrecht) werden nur einige wenige aus Gerichtsentscheidungen entnommene Gegenstandswerte aufgeführt, obwohl der
Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hierzu eine
umfangreiche und differenzierte Aufstellung bietet. Zur Erstberatung (unter „Rat“) finden sich überwiegend Ausführungen zur
alten Beratungsgebühr; auf die Rechtslage ab 2006 (§ 34 RVG)
wird nur knapp eingegangen.
Fazit: Als Lexikon kann das vorliegende Werk gute Dienste
leisten. Einen echten Kommentar ersetzt er jedoch meines
Erachtens nicht.
RA Henry Naeve, Hamburg
Die Kommentierung folgt einem konsequent durchgehaltenen
systematischen Aufbau: Nach dem Gesetzestext folgt eine kurze
grundlegende Einführung in die Bedeutung, den Sinn und Zweck
und den Regelungsgehalt der Norm. Der Übersichtsebene folgt
eine detaillierte Gliederungsübersicht. Hierdurch wird das Auffinden der gesuchten Aspekte deutlich erleichtert. Die eigentliche
Kommentierung ist in eine Standard- und eine Detailebene unterteilt. In der Standardebene werden die Tatbestandsmerkmale
im Einzelnen ausführlich abgehandelt. In der Detailebene werden
Einzelfalllisten (etwa: Gemeinschaftseigentum /Sondereigentum)
geboten und Bezüge zu benachbarten Rechtsgebieten hergestellt
(Gesellschafts-, Grundbuch-, Miet-, Bau- und Zivilprozessrecht).
Die bereits genannten Gliederungsübersichten, aber auch das
außergewöhnlich umfangreiche Sachverzeichnis und die sinnvoll eingesetzten Querverweise erleichtern den Zugriff auf die
gesuchten Informationen. Die in die Kommentierung eingearbei­
teten übersichtlichen Aufzählungen (Beispiele, Einzelfälle, ABCListen, Checklisten) und Musterformulierungen, aber auch der
große Fundus an nachgewiesener Rechtsprechung und weiterführender Literatur erhöhen den Nutzwert noch zusätzlich.
Die Kommentierung ist prägnant und sehr gut verständlich geschrieben. Die angenehme Schriftgröße, ausreichend Absätze
und das Fehlen ungewöhnlicher Abkürzungen sind der Lesbarkeit zuträglich.
Fazit: Der „Timme“ kann in jeder Hinsicht und insbesondere
aufgrund seiner sehr konsequenten Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Praxis uneingeschränkt empfohlen werden.
RA Henry Naeve, Hamburg
,
Autorenverzeichnis
Ottheinz Kääb, LL.M.,
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Verkehrsrecht sowie Vorsitzender der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e. V.
in München.
Auflösung von Seite 23
Diplom-Sozialwirtin Kerstin Eggert
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Freie Berufe (IFB) an
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Dr. h.c. Renate Jaeger
ist Schlichterin an der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Sie
war Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und
Richterin am Bundesverfassungsgericht. Weitere Stationen ihrer Laufbahn waren alle Instanzen der deutschen Sozialgerichtsbarkeit.
[email protected]
Dr. Sylvia Ruge
ist Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft.
Sie ist seit 2003 als Rechtsanwältin tätig. Seit August 2011 arbeitet sie
zusätzlich für die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft und ist seit
Januar 2014 deren Geschäftsführerin.
[email protected]
Steffen Eube
ist angestellter Jurist bei der HDI Firmen und Privat Versicherung AG
und dort im Zentralen Underwriting Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung tätig.
[email protected]
Christiane Legler
ist seit 2011 Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der
Kanzlei Redeker Sellner Dahs. Zuvor hat sie in führender Position in
verschiedenen PR-Agenturen für DAX 30-Unternehmen strategische
sowie projektbezogene Kommunikationskonzepte verantwortet.
Susanne Kleiner
ist freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin sowie Mediatorin in München
und kooperiert mit Rechtsanwälten als Expertin für Litigation-PR. Sie berät
zu Kanzlei-PR und Markenstrategie. Als Dozentin und zertifizierte Trainerin
vermittelt sie persönliche und mediale Kommunikationskompetenz.
www.susanne-kleiner.de
Es war einmal eine Familie.
Die hatte sich ganz doll lieb.
Der Vater war Rechtsanwalt.
Die Mama war Ärztin.
Der Papa hat alle Probleme gelöst.
Einmal kam jemand zu ihm.
Er verklagte jemand, weil er nicht genug an der Kasse gezahlt hatte.
Er musste eigentlich ganz viel bezahlen.
Er hatte aber nur die Hälfte bezahlt.
Der Papa gewann den Termin und bekam 2.000€Euro.
Die Familie machte einen schönen Familienausflug.
Text und Bild S. 23: Cecilia S. (8 Jahre), Mitwirkung Magdalena S. (11 Jahre)
b
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Welten auszuleuchten. Wir sind auf Eure Ideen und Anre­gungen
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Daniel Drepper
ist Mitgründer des Recherche-Büros CORRECT!V. Er arbeitete unter anderem für das Recherche-Ressort der heutigen Funke-Mediengruppe. Dort
gewann er u. a. einen Wächterpreis und wurde als Journalist des Jahres in
der Kategorie Newcomer ausgezeichnet. Er arbeitete als freier Journalist
z. B. für den Deutschlandfunk, den WDR, ZEIT-ONLINE und die FAZ.
Jonathan Sachse
arbeitet als Reporter für CORRECT!V. Dort arbeitet er im Team „New
Journalism“. Derzeit bastelt er mit seinen Kollegen an einer virtuellen
Redaktion, in der Bürger zu Journalisten ausgebildet werden. Er leitet
die Plattform crowdfunding.correctiv.org, über die journalistische Projekte finanziert werden können.
Tobias Sommer
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
sowie Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei 24 IP
Law Group. Er war als freier Journalist tätig und ist seit 2006 Chefredakteur der AdVoice.
[email protected]
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Das letzte Wort
Wie beliebt sind wir Anwälte?
Fotos Titelseite:
1 Sascha Böhnke_pixelio.de
2 Andrea Vollmer
RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe
Es gibt wohl kaum einen Beruf, für den es so viele
„schmeichelnde“ Bezeichnungen gibt, wie für den
des Rechtsanwalts. Winkeladvokat, Rechtsverdreher oder Paragrafenreiter sind da noch eher
freundliche Beispiele. Auch sonst hat man den
Eindruck, dass wir in der Bevölkerung nicht gerade zu den absoluten Lieblingen gehören.
Schließlich gehören wir auch zu den wenigen Berufsgruppen, mit denen man drohen kann. „Ich
gehe zum Anwalt“, klingt in aller Regel wesentlich bedrohlicher als „ich gehe zum Bäcker“.
Das wirft Fragen auf: Hat uns denn wirklich keiner
lieb? Blicken wirklich alle nur verächtlich von oben
auf uns herab? Oder sieht vielleicht alles gar nicht so
schlimm aus? Die Antwort auf diese Fragen ist jeweils
– wie könnte es auch anders sein – ein glasklares
„Es-kommt-darauf-an!“. Das Institut für Demoskopie
Allensbach nimmt regelmäßig eine Erhebung zum
Ansehen bestimmter Berufe in der Bevölkerung vor.
Die „Allensbacher Berufsprestige-Skala 2013“ ist für
uns leider sehr ernüchternd. Nur 24 Prozent der
Deutschen zählen Rechtsanwalt zu einem besonders
angesehenen Beruf. Damit liegen wir ungefähr im
Mittelfeld; die Spitzenplätze nehmen Ärzte (76 Prozent), Krankenschwestern (63 Prozent) und Polizisten
(49 Prozent) ein. Die letzten Plätze belegen Fernsehmoderatoren und Banker/Bankangestellte (jeweils
drei Prozent). Besonders bedenklich ist, dass wir zu
3 Thorben Wengert_pixelio.de
Beginn der 1990er Jahre immerhin noch 38 Prozent
erreicht hatten. Unser Prestige hat also in den letzten
Jahrzehnten erheblich gelitten.
Aber was bedeutet schon Prestige? In Sachen „Vertrauen“ sieht die Welt gleich ganz anders aus; und
das ist für die Liebe und das Liebhaben ja eindeutig
wichtiger als Prestige. Laut einer Studie von Anfang
2014* haben immerhin 69,7 Prozent der Deutschen
Vertrauen in uns Rechtsanwälte. Damit liegen wir nur
ganz knapp hinter den Richtern, denen 73,9 Prozent
vertrauen. Die ebenfalls stark juristisch geprägte
Gruppe der Taxifahrer liegt mit genau 71 Prozent dazwischen. Platz 1 geht hier übrigens mit 96,6 Prozent
an Feuerwehrleute – Hut (oder Helm) ab! Das
Schlusslicht bilden Politiker mit 15,1 Prozent.
Nicht fehlen darf hier auch eine „ElitePartner-Singlestudie“ aus dem Jahr 2011. Danach liegen Anwältinnen und Anwälte bei den zehn (für das andere Geschlecht) attraktivsten Frauen- und Männerberufen
jeweils auf Platz 4 (die Frauen mit 24 und die Männer
sogar mit 28 Prozent). Damit lassen wir sogar Berufe
wie Piloten (9. Platz bei den Männern) oder Models
(9. Platz bei den Frauen) alt aussehen. Uns fehlt es
also an Prestige. Dafür sind wir immerhin vertrauenswürdig und sexy – und das ist auch gut so. Generell
unbeliebt sind wir also nicht. Es liegt an uns, unser
Ranking in den nächsten Jahren in allen Bereichen
noch zu verbessern. Vielleicht gelingt es uns ja sogar,
irgendwann richtig beliebt zu sein. Packen wir’s an.
Impressum:
Redaktion: Stefanie Salzmann, Nadine Passenheim, Lea HogrefeWeichhan, Andreas Hansmeier / Bildredaktion: Andrea Vollmer /
Bücherforum: RA Jens Jenau / V.i.S.d.P.: RA Tobias Sommer
(Chefredakteur) / Anschrift wie Herausgeber
Fotos S. 1: Stephan Eichler, Stefan Höderath
Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss
des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin
Littenstraße 11, 10179 Berlin
Tel. 030/7261520
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vierteljährlich (1./2./3./4. Quartal)
Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2015
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FORUMs Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein
ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten.
ISSN 1437-3084
Layout / Satz: gudman design weimar, www.gudman.de
Lektorat: Nora Döring, BILDART
Druck: Buch- & Kunstdruckerei Keßler GmbH, Weimar
Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren
und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des
Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wider.
Redaktionsschluss Heft 3/2015: 29. Mai 2015
Beliebt oder nicht beliebt - dem erfolgreichen Anwalt wird immer der rote Teppich ausgerollt.
Foto: Lupo_pixelio.de
AdVoice 03/15
Europa
Anwälte können europaweit tätig sein und
sind es auch. Viele Rechtsgebiete sind von
europäischen Normen geprägt. Die Verfahren
vor den EU-Gerichten unterliegen einigen
Besonderheiten. Welche sind das? Der DAV
macht Lobbyarbeit in Brüssel, wie geht das?
Diese und weitere Themen werden wir in der
nächste AdVoice aufgreifen.
Habt Ihr Themenvorschläge oder EU-Erfahrungen und wollt in der kommenden AdVoice
mitmachen? Schreibt uns an:
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AdVoice 02/15
*Quelle: GfK Verein, GfK Trust in Professions Report 2014
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