AdVoice 02/2015 - Forum Junge Anwaltschaft
Transcription
AdVoice 02/2015 - Forum Junge Anwaltschaft
Anwalt der Anwälte G 48742 02/15 FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein Thema: Liebe Foto-Love-Story Ja-Wort in Love Vegas Liebe im Büro Klick, klick, klick – geschieden Skurrile Urteile FORUM Junge Anwaltschaft w w w . d a v f o r u m . d e Save the Date! 20 Jahre FORUM Junge Anwaltschaft – Die Jubiläumsveranstaltung. Am 18. und 19. September 2015 im Quality Hotel Plaza Dresden. Weitere Informationen unter www.davforum.de oder [email protected] | 030 / 726 153 182 Starthilfe | Fachvorträge | Netzwerk Editorial Die schönste Sache der Welt Liebe AdVoice-Leserinnen und -Leser, wenn Ihr dieses Heft in den Händen haltet, ist er hoffentlich schon da: der langersehnte Frühling und mit ihm die Schmetterlinge im Bauch. Nicht nur im Tierreich ist der Frühling bekanntlich die Zeit der Liebe. Auch wir Zweibeiner flirten, daten und heiraten, was das Zeug hält. Gesegnet seien diejenigen, die bei all diesen großen Gefühlen die ungeliebten und wenig romantischen Rechtsfolgen ausblenden können. Uns dürfte dies auf Grund unserer chronischen Berufskrankheit nur in Fällen akuter schwerwiegender Verliebtheit gelingen. Vielleicht nur auf den ersten Blick ein Nachteil, denn tatsächlich birgt die Kombination Liebe und Recht ordentlich Zündstoff. Was mit Knebelverträgen beim Online-Dating oder einer bei Ausnüchterung bereuten Blitzheirat in Las Vegas beginnt, endet vielleicht schon wenige Monate später in einer Online-Scheidung oder gar einem gruseligen Stalking-Drama, dem erst eine Deeskalationshaft Abhilfe schaffen kann. Nun aber genug der Schwarzmalerei. Liebe ist auch für uns Juristen die schönste Sache der Welt. Punkt. Wer sich von diesem Heft allerdings auch heiße Infos über die andere schönste Sache der Welt erhofft, wird leider enttäuscht werden. Wir vertrösten dich mit unserem Archiv und der Ausgabe 2/2011, in der es ausschließlich um „das Eine“ ging. In unserer Foto-Love-Story geht es dann doch noch unglaublich romantisch zu, versprochen. Jetzt gleich als erstes hinblättern und von süßen Boys und Girls in Robe träumen! Genießt beim Schmökern in dieser Ausgabe den Blick durch die rosarote Brille, denn in der nächsten Ausgabe wenden wir uns dem erhabenen,wwww aber nicht weniger spannenden Thema „Europa“ zu. Das ist euer Thema? Auf diesem Gebiet seid ihr Experten? Dann schreibt uns! Gerne drucken wir eure Anregungen oder Beiträge ab. Die AdVoice lebt von eurer Mitgestaltung. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir mit dieser herzigen Ausgabe ganz viel Freude. Ihr werdet sie LIEBEN. Wer auf Nummer sicher gehen will, verliebt sich vielleicht lieber gar nicht in ein menschliches Wesen sondern in seinen Job, den Eiffelturm oder die Berliner Mauer. Die gute alte Ehe ist doch ohnehin überbewertet. Lohnt sich heiraten überhaupt noch? Auch finanziell? Es lebe die nichteheliche Lebensgemeinschaft! AdVoice Redaktionsteam Stefanie Salzmann Eschwege Journalistin Zentralredaktion Eure RAin Lea Hogrefe-Weichhan Tobias Sommer Berlin Rechtsanwalt Chefredakteur Andreas Hansmeier Karlsruhe Rechtsanwalt Redakteur und Autor Nadine Passenheim Hannover Rechtsanwältin Redakteurin und Autorin Lea Hogrefe-Weichhan Mönkeberg Rechtsanwältin Redakteurin und Autorin Jens Jenau Schloß Holte-Stukenbrock Rechtsanwalt Bücherforum Andrea Vollmer Berlin Fotografin und Bildredakteurin AdVoice 02/15 1 Thema Thema: Liebe 20 Verheiratet mit der Berliner Mauer Die Liebe zum Objekt ist juristisch noch unerschlossen 24 Noch ’n Gedicht Skurrile Geschichten aus dem Alltag der Justitia Zusammen und zusammen Ehe vs. nichteheliche Lebensgemeinschaft 22 Liebe in Zahlen Zahlen, Daten Fakten über die schönste Sache der Welt 27 Gedicht des Monats Von Christian Hofmann von Hofmannswaldau I love my job Der Anwaltsberuf – vom Mythos zur wahren Liebe 23 Ansichtssache Wie Kinder das Thema Liebe sehen 28 Ich komme nie mehr zurück Ausgezeichnete Menschenrechtsfilme 32 Gericht des Monats Gerichtshof der Europäischen Union 34 Justitias Geldgeschenke Wie Richter und Staatsanwälte tricksen können 38 Serienweise Anwalt Juristisches Binge Watching auf der Berlinale 2015 42 Haft für Klausuren-Richter Aberkennung von Abschlüssen droht 44 Zöllner mit Recht Auszeichnung von Thomas Peterkas Zollkanzlei 45 Die Schlagzeile im Kopf Worauf es im Umgang mit Journalisten ankommt 4 Freiwillig Lebenslänglich Foto-Love-Story 8 11 12 Auch die Absage ist Kontakt Liebe per Online-Dating ist in erster Line ein Geschäft 14 Liebe im Büro Dürfen Beziehungen unter Kollegen verboten werden? 15 Ja-Wort in Love Vegas Heiraten im Ausland hat Tücken – Tipps, die man beachten sollte 16 Klick, klick, klick – geschieden Online-Scheidung: schnell, bequem und günstig 18 Liebe im Verfolgungswahn Stalking hat schwerwiegende Folgen für die Opfer 2 Magazin AdVoice 02/15 Fotos v. l. n. r.: Andrea Vollmer / Martin Berk_pixelio.de / Hiero_pixelio.de (2) / Andrea Vollmer Thema JuraInfos 46 Erfolgreich als Anwalt Ein Überblick über Controlling und Finanzplanung Bücherforum ! 56 FamFG-Kommentar Info + Service 63 Autorenverzeichnis 64 Das letzte Wort 64 Impressum 64 Vorschau Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht AnwaltFormulare Mandanteninformationen 48 49 50 Aus der Schlichtungsstelle Trunkenheitsfahrt, Diebstahl, und Strafbefehl 57 Münchener Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch Band 10: Internationales Privatrecht I Prämie Teil des Gehalts? Über die Versteuerung der Beiträge zur Berufshaftpflicht JuraNews Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht 58 Musteranträge für Pfändung und Überweisung Handkommentar Arbeitsgerichtsgesetz Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht Euer FORUM 59 Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht Strafgesetzbuch 60 53 AG Syndikusanwälte Vorteile für FORUMsmitglieder: Arbeitsgemeinschaften des DAV 53 Termine 54 Streitkultur im Wandel 66. Deutscher Anwaltstag, Hamburg 55 FORUM regional Regionalbeauftragte stellen sich vor 57 Regionalbeauftragte gesucht Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht Grundgesetz Paket Kündigungsschutzrecht KrWG – Kommentar 61 Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht Pflichtteilsprozess Beschäftigtendatenschutz und Compliance 62 Bundesdatenschutzgesetz RVG – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz WEG: Wohnungseigentumsgesetz ♥ AdVoice 02/15 3 Thema FOTO-LOVE-STORY Was bisher geschah: .... Mara hat in einer Zivilrechtskanzlei gelernt. Sie hat erstmal die Kosten niedrig gehalten und eine Wohnzimmerkanzlei betrieben, die ersten Fälle kamen aus dem Bekanntenkreis. Daneben hat sie als freie Mitarbeiterin in ihrer Referendarkanzlei gejobbt. Vor Gericht kämpft sie mit allen Mitteln und Methoden. Mit den ersten Fällen kamen auch die ersten Honorare. Ihre Bank gab ihr ein Gründerdarlehen über 30.000 Euro. Damit hat Mara den Sprung ins kalte Wasser gewagt und eigene Räume gemietet. Das Sekretariat erledigt sie noch selbst. Sie feilt an ihrem Werbekonzept als Familienrechtlerin und Spezialistin für Online-Eheverträge. Jetzt will sie erstmal in Werbung investieren. Bert hat sein Referendariat bei einer Familienrechtskanzlei absolviert. Er träumt bereits seit dem Studium von seinen anwaltlichen Erfolgen vor Gericht, am besten im Familienrecht. So kann er auch seinen Eltern mal helfen, wenn sie sich streiten. Nach dem 2. Examen haben seine Eltern ihm angeboten, dass sie seinen Weg in die Selbständigkeit unterstützen und wollen ihm eine Kanzlei mindestens zwei Jahre lang finanzieren. Er hat gerade seinen ersten Fall vor Gericht und wartet auf seinen ersten Termin. Für die Entwicklung seiner Kanzlei fehlt ihm noch die zündende Werbeidee, vielleicht auch die Muse. RAin MARA GRAF RA BERT GUSTAV BUCH 1. Examen: 2010, Note ausreichend im Freischuss 2. Examen: 2013, Note vollbefriedigend zugelassen als RAin seit 1,5 Jahren ledig, keine Kinder, arbeitet viel zu viel // Mara besucht gerade einen Kurs zum FA für Familienrecht // Mara ist kostenbewusst, hat in Wohnzimmerkanzlei angefangen und erst vor drei Monaten eigene Räume gemietet // Mara hat mehrere Verehrer, will sich aber noch nicht entscheiden // Hobbys: Skateboard fahren, Schlagzeug spielen Initialen B.G.B. 1. Examen: 2011, Note befriedigend 2. Examen: 2014, Note befriedigend zugelassen seit zwei Monaten ledig, keine Kinder, arbeitet viel zu viel // hat ein voll ausgestattetes Büro mit Teilzeitangestellter, die Eltern bezahlen das alles // Bert hatte bisher noch keinen Fall vor Gericht // Sollte auf dem Golfplatz mit der Tochter der Nachbarn seiner Eltern verkuppelt werden. // Hobbys: Fußball gucken, Cembalo spielen Ah. Da sitzt bestimmt der Kollege im Fall Lieblich. Ein Bärchen-Typ. Den wickel ich um den kleinen Finger. Rechtsanwältin Graf, den Namen kenn ich doch, woher nur ... V FREIWILLIG LEBENSLÄNGLICH Guten Tag. Herr Kollege? Sind Sie auch da zur Verhandlung in Sachen Lieblich, die Scheidung? Die gefällt mir, lass Dich nicht verwirren. War das nicht der Typ, der schon damals die Düsseldorfer Tabelle auswendig kannte und unbedingt Anwalt werden wollte? Immerhin, einer der weiß, was er will. Ähmm, ja. Korrekt. Oha! Ah. Jetzt fällt es mir wieder ein. Graf, Mara Graf, richtig? Wir haben zusammen in der Vertiefung Scheidungsrecht gesessen. Damals, an der Uni in Passau. Wir haben noch zehn Minuten bis zu unserer Verhandlung. Darf ich mich zu Dir setzen? Wir Duzen uns doch noch? Flirtet die mit mir? Die will mir doch nur das Hirn vernebeln, damit sie heute vor Gericht gut dasteht. Na ja. Ich hab wohl eher keine Zeit für eine Freundin. Du weißt ja, wie das ist mit einer eigenen Kanzlei am Anfang. Zweimal ja. Gern. ?! Sie unterhalten sich über die alten und neuen Zeiten, das Examen, das Anwaltsdasein, ihre Kanzleien ... WAAAS? Du bist mit Deiner Kanzlei verheiratet? Wo bleibt denn da die Liebe? Und, was macht die Liebe? 4 AdVoice 02/15 Er hat also keine Freundin. Interessant. Thema FOTO-LOVE-STORY O.k., die Scheidungsfolgenvereinbarung für meine Mandantin ist nicht schlecht, aber Du musst doch nicht gleich vor mir davonrennen! Mit Fachfragen kannst Du mich zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen. Ich geb Dir am besten gleich meine Mobilnummer. Kollegen und Mandanten bekommen die sonst nicht. Eine Frage hätte ich gleich. Und, was möchtest Du wissen? Wollen wir zusammen Mittag essen? Mmmh, naja, ich wollte Dich nach Deiner Telefonnummer fragen. Falls ich mal eine Fachfrage habe ... oder so. Und wo? Ich hab ein Bärenhunger. Was ist denn noch? j 3 Monate später ... j j j 1 Jahr später ... RAin Graf hat gerade einen großen Fall gewonnen. j j j Hoffentlich sagt sie ja. Willst Du meine Frau werden? Mit oder ohne Ehevertrag? Ok, er liebt mich wirklich. Ist mir egal. x Text: Tobias Sommer / Fotos: Andrea Vollmer AdVoice 02/15 5 Thema FOTO-LOVE-STORY 3 Jahre später ... STECK BRIEFE RAin Graf ist inzwischen Fachanwältin für Familienrecht. Ihr Online-Portal läuft gut. Sie hat bereits zwei Anwälte als freie Mitarbeiter eingestellt und das Sekretariat verstärkt. Über das Portal kommen viele Fälle, sodass sie auch Fälle ablehnen kann. Dennoch arbeitet Sie 70 bis 80 Stunden die Woche einschließlich ihrer langen Mittagspause beim Lieblingsitaliener. Das Gründungsdarlehen wird sie in 15 Monaten zurückgezahlt haben. Sie ist bestens organisiert. Die Kanzlei läuft. Die Eltern haben sich in zwischen aus der Finanzierung der Kanzlei zurück gezogen. Die Nachbarstochter hat einen BWLer mit BMW geheiratet. Er tele foniert zu viel ohne dafür Rechnungen zu stellen. Die Mandanten finden das gut und empfehlen ihn fleißig weiter. Er denkt über ein Kanzleicoaching nach. Buch ist inzwi schen auf dem Weg zum stadtbekannten Scheidungsanwalt. Schriftsätze diktiert er nur noch. Das geht schneller und führt zu besseren Arbeitsergebnissen, da er in der gleichen Zeit zweimal über den Fall nachdenkt. Er arbeitet 70 bis 80 Stunden die Woche, ist aber leicht chaotisch. Mmmmh. Naja. Schon irgendwie ... Ich hab da allein rumgesessen. Stundenlang. Allein. Nicht mal eine Nachricht hast Du mir geschickt! Kannst Du Dir vorstellen, wie peinlich das ist? Ich geh dort ständig Mittag essen. l DP s Kanzlei oder Liebe, was ist wichtiger? Das ist eine ganz blöde Idee in der aktuellen Situation. Dann streiten wir uns ja auch noch über das Geld, wie alle Kanzleipartner. Ich hab darüber nachgedacht, was Du gesagt hast. Wollen wir nicht auch eine Kanzleihochzeit feiern, jetzt wo wir schon zwei Jahre verheiratet sind? Dann würden wir uns auch häufiger sehen. Ich kann ja mal darüber nachdenken. 6 AdVoice 02/15 Thema FOTO-LOVE-STORY Mara und Bert wollen sich jeweils von ihren Ausbildern im Scheidungsprozess vertreten lassen. Doch die beiden Ausbilderkanzleien haben inzwischen fusioniert. Mara und Bert treffen sich zufällig im Wartezimmer. Na klar. Für meine Scheidung geh ich zum Besten, meinem Ausbilder. Er kennt alle Tricks. Du hier? sD Meine Ausbilderin ist aber die Beste. Ich werde mich von ihr vertreten lassen. INTERESSENKOLLISION! Das wird schwierig. Plan B? Lass mal nachdenken. Aber jetzt haben sie fusioniert. Er hat sich wenigstens um Schadensbegrenzung bemüht und eine Lösung gesucht mit unserer Kanzleihochzeit. ... und was so eine Scheidung kostet. Die 95-Prozent-fremdfinanzierte Eigentumswohnung und alle gezahlten Raten sind dann auch futsch und wir haben nur noch die Schulden am Hals. Irgendwie ist sie ja schon clever. ... und erfolgreich. ... und ein Knuddelbärchen ist er ja irgendwie immer noch. Vielleicht schaff ich es ja doch noch, ihn zu erziehen, so wie ich es will. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, weniger zu streiten? Lass es uns nochmal versuchen, ich würde sogar eine Paartherapie mitmachen. Und weshalb haben Sie sich damals ineinander verliebt? Hier wird es doch heute sowieso nix. Lass uns das Geld sparen. Mein Ausbilder hat immer gesagt: Waren Sie schon bei einer Paartherapie? Sie ist da, wenn ich jemanden brauche. Er hat mich auf Händen getragen, verwöhnt ... Sie war meine Muse, so hatte ich genug Energie für die Kanzlei. Er hat mir einen Heiratsantrag im Gericht gemacht! Sie hat die schwierigen Zeiten mit mir durchgestanden ... Er versteht mich ohne große Worte. Sie hat Paragrafen-Ritter zu mir gesagt. Und darauf wollen Sie verzichten? Das hat meine Ausbilderin auch immer gesagt. Wir können zusammen lachen. Text: Tobias Sommer / Fotos: Andrea Vollmer Er hört mir zu, wenn ich jemanden brauche. Bleiben Bert und Mara zusammen? Wird es noch was mit der Kanzleihochzeit? Und was ist in den Ausbilderkanzleien los? Wenn Ihr wissen wollt, wie es weitergeht, schreibt uns Eure Fanpost an [email protected]. Falls Ihr bereits wisst, wie die Geschichte weitergeht, schreibt uns ebenfalls – wir veröffentlichen das gerne. AdVoice 02/15 7 Thema Zusammen und zusammen Ehe vs. nichteheliche Lebensgemeinschaft – Ein Vergleich Liebe im Anflug: Im Tierreich ist alles von der Natur bestens geregelt. Wir Menschen brauchen dafür Gesetze. Im Gegensatz zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist die Ehe verfassungsrechtlich geschützt und steht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Der größte Unterschied zwischen einer Ehe und einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist der, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft von heute auf morgen eingegangen und auch wieder beendet werden kann. Dagegen wird die Ehe erst durch Erklärung der Eheschließenden vor dem Standesbeamten wirksam geschlossen (§ 1310 BGB) und kann nur durch rechtskräftige richterliche Entscheidung aufgehoben werden (§ 1313 BGB). Beiden, der Ehe und der nichtehelichen Lebensgemeinschaft immanent ist, dass diese Beziehungen auf Dauer eingegangen werden, wobei die Ehe besonderen gesetzlichen Regelungen unterliegt und auf Lebenszeit geschlossen wird (§ 1353 Absatz 1 Satz 1 BGB). 8 AdVoice 02/15 SCHEIDUNG Soll eine Ehe beendet werden, so geht dies nur durch rechtskräftigen richterlichen Beschluss – der Scheidung – vor dem Familiengericht. Voraussetzung ist, dass die Ehe gescheitert ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen (§ 1565 Absatz 1 BGB). TRENNUNGSJAHR MUSS ABGEWARTET WERDEN Bevor die Scheidung ausgesprochen werden kann, muss das Trennungsjahr abgewartet werden. Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er oder sie die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die Trennung kann auch innerhalb der gemeinsamen Foto: ilona brigitta martin_pixelio.de Wohnung gelebt werden (§ 1567 Absatz 1 Satz 2 BGB) In diesem Fall muss die Trennung über „Tisch und Bett“ hinausgehen. Das bedeutet, dass jeder Ehegatte seinen Haushalt komplett allein führt – jeder also für sich selbst einkauft und auch die Mahlzeiten getrennt eingenommen werden. Es ist ein Irrglaube, dass bei kurzer Ehedauer das Trennungsjahr entfällt. Mit Ablauf des Trennungsjahres kann die Ehe geschieden werden, wenn entweder beide dies beantragen oder einer den Antrag auf Ehescheidung stellt und der andere Ehegatte der Scheidung zustimmt. Der Scheidungsantrag kann frühestens zehn Monate nach Beginn des Trennungsjahres gestellt werden. Wird der Antrag auf Ehescheidung zu früh gestellt, besteht die Gefahr, dass dieser abgewiesen wird. Nach Ablauf von drei Jahren wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist und geschieden werden kann. Damit es über den Trennungszeitpunkt keinen Streit gibt, sollte dieser unbedingt von den Ehegatten schriftlich festgehalten werden. Thema SCHEITERN DER NICHTEHELICHEN LEBENSGEMEINSCHAFT von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt eines Kindes Unterhalt zu gewähren. Im Gegensatz zur Ehe kann die nichteheliche Lebensgemeinschaft durch die Partner von heute auf morgen von einem der Partner oder einvernehmlich beendet werden. Eines Trennungsjahres bedarf es nicht. UNTERHALT WEGEN KINDESBETREUUNG UNTERHALT Ist die Ehe gescheitert, kann grundsätzlich Unterhalt von dem anderen Ehegatten verlangt werden. Es wird differenziert zwischen Trennungsunterhalt und dem nachehelichen Unterhalt. TRENNUNGSUNTERHALT Der Trennungsunterhalt ist der Unterhalt nach der Trennung bis zur Rechtskraft der Scheidung. Beim Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) kann ein Ehegatte von dem anderen angemessenen Unterhalt verlangen. Voraussetzung ist, dass der Unterhaltsberechtigte bedürftig und der Unterhaltsleistende leistungsfähig ist. Der Bedarf bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Für die Höhe sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten unter Berücksichtigung der unterhaltsrechtlich relevanten Verbindlichkeiten maßgeblich. Der Bedarf ergibt sich aus der Hälfte der zusammengerechneten beiderseitigen bereinigten Einkünfte abzüglich der eigenen bereinigten Einkünfte des Unterhaltsberechtigten (sogenannter Halbteilungssatz). Der sogenannte Betreuungsunterhalt, also der Unterhalt wegen Kindesbetreuung, gilt sowohl für eheliche als auch für nichteheliche Kinder. Der betreuende Elternteil hat grundsätzlich Anspruch auf Unterhalt, bis das Kind drei Jahre alt ist (§ 1570 Abs. 1 BGB). Während der ersten drei Jahre besteht keine Erwerbsobliegenheit. Der Unterhaltsanspruch verlängert sich über die drei Jahre hinaus, solange und soweit dies Billigkeitsgesichtspunkten entspricht. Etwaige Fremdbetreuungsmöglichkeiten, beispielsweise durch Kindergarten oder Tagesmutter, sind dabei zu berücksichtigen. KINDESUNTERHALT Beim Kindesunterhalt wird nicht zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschieden. Wohl aber zwischen minderjährigen und volljährigen Kindern. Oftmals unterliegen Eltern der Ansicht, dass die Unterhaltspflicht mit dem 18. Geburtstag des Kindes endet. Vielmehr haben die Eltern dem Kind Unterhalt bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss zu zahlen (§ 1610 Abs. 2 BGB). Bei minderjährigen Kindern leistet der Elternteil, bei dem das Kind lebt, den sogenannten Betreuungsunterhalt. Der andere Elternteil, in dessen täglicher Obhut sich das Kind nicht befinden, hat den finanziellen Bedarf abzudecken und muss den Barunterhalt erbringen. Der allgemeine Unterhaltsbedarf wird der Düsseldorfer Tabelle abgeleitet unter Heranziehung der jeweiligen OLG-Leitlinien. Die Düsseldorfer Tabelle stellt auf das Alter des Kindes und das Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen ab. Beim Bedarf wird unterschieden zwischen dem allgemeinen Bedarf, der den allgemeinen Lebensbedarf abdeckt, dem Mehrbedarf und dem Sonderbedarf. Beim Mehrbedarf handelt es sich um zusätzliche Aufwendungen, die regelmäßig anfallen und voraussehbar sind, wie beispielsweise Kindergartenkosten (aber exklusiv der Verpflegungspauschale). Die Verpflegungspauschale ist wiederum in den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle enthalten. Beim Sonderbedarf handelt es sich um unregelmäßigen, außergewöhnlichen Bedarf. Sonderbedarf sind beispielsweise die Kosten für die Klassenfahrt, wobei es auch Rechtsprechung gibt, die dies ablehnt. ELTERLICHE SORGE Beide Elternteile haben grundsätzlich die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen. ELTERLICHE SORGE NICHT VERHEIRATETER PARTNER Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, steht die elterliche Sorge grundsätzlich der Mutter allein zu. Nicht miteinander verheiratete Eltern erlangen die gemeinsame elterliche Sorge entweder durch Heirat oder wenn sie vor dem Jugendamt oder Notar erklären, die Sorge gemeinsam übernehmen NACHEHELICHER UNTERHALT Der nacheheliche Unterhalt ist der Ehegattenunterhalt nach Rechtskraft der Scheidung. § 1569 BGB sagt dazu, dass es nach der Scheidung jedem Ehegatten obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Ist er dazu außerstande, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt allerdings nur in den folgenden Fällen, nämlich Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (dieser Anspruch gilt sowohl für eheliche als auch nichteheliche Kinder), Altersunterhalt, Unterhalt wegen Krankheit, Unterhalt wegen Erwerbsobliegenheit, den Aufstockungsunterhalt und den Ausbildungsunterhalt sowie den Unterhalt aus Billigkeitsgründen. Der Bedarf richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB). Oft bleibt von einer Ehe nur ein Scherbenhaufen zurück. Foto: Anna Zerenyi_pixelio.de UNTERHALT BEI DER NICHTEHELICHEN LEBENSGEMEINSCHAFT Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind die Partner nach einer Trennung nicht zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet. Eine Ausnahme bildet die nichteheliche Mutter, und zwar unabhängig davon, ob es sich hier um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft handelt oder nicht. Nach § 1615l BGB hat der Vater der bedürftigen Mutter für die Dauer AdVoice 02/15 9 Thema Fortsetzung Zusammen und zusammen zu wollen (Sorgerechterklärung). Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern am 19. Mai 2013 wurden die Rechte der Väter im Hinblick auf die gemeinsame elterliche Sorge gestärkt. Nunmehr hat der Vater die Möglichkeit, beim Familiengericht einen Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge zu stellen. Das Familiengericht überträgt die gemeinsame Sorge dann, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt die Mutter keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen und sind solche Gründe auch nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht. Die elterliche Sorge umfasst die Personensorge und die Vermögenssorge (§ 1626 Abs. 1 BGB). Bei einer Trennung bleibt es grundsätzlich bei der gemeinsamen elterlichen Sorge – sowohl bei den mit einander verheirateten als auch bei den nicht miteinander verheirateten Eltern. AUFENTHALTSBESTIMMUNGSRECHT Zu Streitigkeiten zwischen den Eltern führt immer wieder das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst die Befugnis, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, also unter anderem den Wohnort. Haben die Eltern das gemeinsame Sorgerecht, haben diese auch das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die Eltern müssen dann beispielsweise bei einem Wohnortwechsel gegenseitig einverstanden sein. Können sich die Eltern nicht einigen, so kann jeder für sich Ob Ehe oder Lebensgemeinschaft – Standfestigkeit ist gefragt. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für sich beantragen. Somit besteht grundsätzlich die Möglichkeit trotz gemeinsamer Sorge das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Elternteil zu übertragen. UMGANGSRECHT Das Umgangsrecht gilt für eheliche und für nichteheliche Kinder gleichermaßen und ist unabhängig von der elterlichen Sorge. Die Umgangsregelung ist dabei individuell und nach den Bedürfnissen des Kindes und dem Kindeswohl auszurichten. HAUSRAT / HAUSHALTSGEGENSTÄNDE Die Verteilung der Haushaltsgegenstände ist in § 1568b BGB geregelt. Unter Haushaltsgegenstände sind alle beweglichen Sachen zu fassen, die nach den Lebens- und Vermögensverhältnissen der Eheleute für die Wohnung, die Hauswirtschaft und das Zusammenleben der Familie einschließlich der Kinder bestimmt sind. Gegenstände des persönlichen Gebrauchs, wie beispielsweise Kleidung, persönliche Unterlagen fallen ebensowenig hierunter wie Werte, die ausschließlich der Kapitalanlage dienen. Probleme treten häufig bei Haustieren, Pkw und Einbauküchen auf. Bei den Haustieren werden die Grundsätze der Haushaltsteilung entsprechend angewandt. Beim Pkw ist die Zweckbestimmung maßgeblich, und bei den Einbaumöbeln muss geprüft werden, ob diese wesentlicher Bestandteil oder Zubehör sind und dann kein Haushaltsgegenstand sein können. Nach der Trennung angeschaffte Haushaltsgegenstände unterliegen nicht der Verteilung. Foto: sten fischer_pixelio.de HAUSRAT BEI DER NICHTEHELICHEN LEBENSGEMEINSCHAFT Bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bleiben die Partner Alleineigentümer der von ihnen in die Beziehung eingebrachten Gegenstände. ZUGEWINN Ein Zugewinnausgleich kommt nur dann in Betracht, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Gemäß § 1373 BGB ist Zugewinn der Betrag, um den das Endvermögen (§ 1375 BGB) das Anfangsvermögen (§ 1374 BGB) übersteigt. Stichtag für das Anfangsvermögen ist der Tag der Eheschließung (§§ 1363, 1374 BGB. Stichtag für das Endvermögen ist der Tag der Zustellung des Scheidungsantrages (§ 1376 Abs. 2, 1384 BGB). Das Endvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei der Beendigung des Güterstandes gehört (§ 1375 BGB). Anfangsvermögen ist gemäß § 1371 BGB das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstandes gehört. KEIN ZUGEWINNAUSGLEICH BEI DER NICHTEHELICHEN LEBENSGEMEINSCHAFT Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft findet kein Zugewinnausgleich statt. Vielmehr bleibt das Vermögen während und nach der Partnerschaft getrennt. Ein Ausgleich für gegenseitig erbrachte Leistungen und Zuwendungen findet nicht statt (z. B. Urlaubsreisen). Ebenfalls können Geschenke grundsätzlich nicht zurückverlangt werden. VERSORGUNGSAUSGLEICH Der Versorgungsausgleich richtet sich nach dem Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG). Danach sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Die Ehezeit im Sinne des VersAusglG beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde, und endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrages. Bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren findet kein Versorgungsausgleich statt, es sei denn ein Ehegatte beantragt dies (§ 3 Abs. 3 VersAusglG). Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft findet kein Versorgungsausgleich statt. RAin Nadine Passenheim, Hannover 10 AdVoice 02/15 Thema I love my job Aus dem Mythos wurde wahre Liebe zum Anwaltsberuf ♥ Begriffe wie 35-Stunden-Woche, Überstunden abbummeln oder gar berufliche Auszeit bringen die meisten von uns zum neidvollen Schmunzeln. Oft werde ich von tiefenentspannten Arbeitnehmerfreunden, die mit diesen Begriffen nur allzu vertraut sind, gefragt, wofür ich die Energie für die unzähligen Überstunden und Wochenenden in meiner Kanzlei nehme. Auch wenn ich ehrlich gesagt meistens antworte, dass Mehrarbeit schließlich auch ein Mehr an Zahlungseingängen bedeutet, gibt es noch eine weitere Erklärung. Es ist Liebe. Als Kind der 90er bin ich mit dem von US-Kinofilmen geprägten Anwaltsmythos aufgewachsen. Mit unglaublich dicken Schulterpolstern lamentierten sie stundenlang vor den Geschworenen. Damals war mir das eigentlich viel zu langweilig, vermutlich, da ich mit meinen 13 Jahren Story und Aussage von „Die Jury“, „Zwielicht“ und „Sleepers“ noch nicht vollständig begriff. Dennoch wurde auch mir einiges klar: Anwälte sind Helden, und sie sind Topverdiener mit schicken Büros. Zur Jahrtausendwende war mein Horizont dann schon etwas weiter. Mit 16 verschwendete ich bereits die ersten Gedanken an die Berufswahl und fand „Erin Brockovich“ super. Besonders gefiel mir zu diesem Zeitpunkt ein weiterer Aspekt des Anwaltsmythos: der Soziale – Anwälte erreichen etwas für andere, und sie kämpfen erfolgreich für eine gute Sache. Als bekennende Blondie gefiel mir (shame on me) auch „Natürlich Blond“ irgendwie: Hübsche junge Anwältinnen beweisen mit Wissen und unkonventionellen Ideen, dass man sie niemals unterschätzen darf. Wäre das nicht was für mich? Also ging es 2003 zwar nicht nach Harvard, aber an die Universität Hamburg zum Studium der ehrenwerten Rechtswissenschaften. Gleich im zweiten Semester ergab sich aus dem Anwaltspraktikum – mein erster Nebenjob in einer jungen, modernen Kanzlei. Das mit den schicken Büros stimmte – check! Das mit der dicken Knete leider nicht. Meine neuen Arbeitgeber stellten schnell fest, dass sie mich gar nicht bezahlen konnten. Da mir dieser Aspekt des Anwaltsmythos ohnehin nicht so wichtig war, verfolgte ich meinen Weg auch im Referendariat fröhlich weiter. Kurz, aber nur ganz kurz, gelang es dem Mythos Staatsanwalt, mich für sich zu gewinnen. Doch nach der Anwaltsstation wechselte ich ganz schnell wieder die Seite. Rechtsanwältin Lea Hogrefe-Weichhan vor dem Kieler Landgericht. Meine Ausbilder dort bestätigten einfach alles, was den Mythos Anwalt für mich ausmachte, und es stellte sich heraus, dass dafür letzten Endes weder Schulterpolster noch ein Riesenumweltskandal oder ein pinkes Chanel-Kostüm notwendig waren. Seit 2012 bin ich selbst Anwältin und stelle mir die Frage, ob der Mythos Anwalt vielleicht gar kein Mythos ist. Vielleicht haben wir wirklich den tollsten Job der Welt? Wir werden kurzfristig Experten für jedes nur erdenkliche Sachgebiet. Sei es die Eindringtiefe einer Maisdrillmaschine oder die Funktionsweise verschiedener Herzschrittmacheraggregate. Jeder unserer Arbeitstage schaut anders aus. Wir betreiben umfangreiche Aktenstudien, führen Mandantengespräche, nehmen Ge- Foto: Gisela Hogrefe richtstermine wahr, vertiefen uns in Klageschriften, Abrechnungen und Forderungsschreiben. Wir streiten, argumentieren, verhandeln, vermitteln, besänftigen und trösten. Wir sind kühle Taktiker, spezialisiert darauf, uns in unser Gegenüber hineinzudenken, in Mandanten, Kollegen, Sachbearbeiter, Zeugen, Richter. Wir unterstützen unsere Mandanten in für sie oft aussichtslosen Situationen, helfen aus Lebenskrisen und schlichten jahrelang schwelende Streitigkeiten. Klingt wie ein spannender Spagat zwischen den verschiedensten Tätigkeiten, und das ist unser Job auch. Wie wir diesen meistern? We love what we do! RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg AdVoice 02/15 11 Thema Auch die Absage ist ein Kontakt Liebe per Online-Dating ist in erster Linie eines: Geschäft Der spannende Moment: Das erste echte Treffen nach dem Online-Dating kann sehr emotional werden. Online-Dating ist populärer denn je. In nahezu jeder Werbepause verkünden überaus attraktive Singles, dass sie jetzt „parshipen“. Parship ist ebenso wie die übrigen populären Online-Dating-Portale kostenpflichtig. Das Abenteuer Online-Dating beginnt also ganz schnöde mit dem Abschluss eines Dienstleistungsvertrages. Da überrascht es nicht, dass sich auch die Mandate häufen, in denen netzaffine Singles zwar keine Probleme mit dem neuen Partner, aber sehr wohl mit dem neuen Vertragspartner haben. Etappensieg für den Verbraucherschutz Beispielhaft für die vertragsrechtlich zweifelhaften Praktiken beim lukrativen Geschäft mit der Liebe ist die von der Parship GmbH praktizierte Abrechnung eines Wertersatzes von Dreiviertel des Abopreises bei Ausübung des Widerrufsrechts. Im Juli vergangenen Jahres erzielte der Verbraucherzentrale Hamburg e. V. vor dem LG Hamburg (Kammer für Handelssachen) einen Etappensieg – Parship legte Berufung 12 AdVoice 02/15 ein – für widerrufswillige Kunden (LG Hamburg, Urteil vom 22.7.2014, Aktenzeichen 406 HK O 66/14). Der Beispielfall In dem diesen Urteil zugrunde liegenden Fall hatte ein Kunde einen Vertrag über eine zum Preis von 269,40 Euro angebotene sechsmonatige Mitgliedschaft innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Parship hatte dem Kunden für die im Rahmen der Nutzung getätigten Online-Kontakte 202,41 Euro, also rund 75 Prozent des Abopreises in Rechnung gestellt. Nach den jetzt ausgeurteilten Grundsätzen des Gerichts schuldet der Kunde aber nur einen Wertersatz von rund 20 Euro. Das Geschäftsmodell Die beklagte Parship GmbH betreibt eine der größten Online-Partnervermittlungen in Europa. Neben den kostenlosen Mitgliedschaften ohne Kontaktmöglichkeit bietet sie ernsthaft interessierten Nut- Foto: Andrea Vollmer zern sogenannte Premium-Mitgliedschaften mit Kontaktmöglichkeit zu anderen Nutzern für sechs, zwölf oder 24 Monate an. Die Parship GmbH berechnet ihren Nutzern bei monatlicher Zahlungsweise 329,40 Euro bei sechsmonatiger Laufzeit, 478,80 Euro bei zwölfmonatiger Laufzeit und 717,60 Euro bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Zum Leistungsumfang einer Premium-Mitgliedschaft gehört auch eine Kontaktgarantie, mit der dem Nutzer eine bestimmte Anzahl von Kontakten zu anderen Mitgliedern garantiert wird: bei einer Laufzeit von zwölf Monaten sieben Kontakte. Als Kontakt zählt dabei jede von dem betreffenden Nutzer gelesene Freitextantwort auf eine von ihm verschickte Nachricht. Also auch Absagen. Premium-Mitglieder haben bereits vor Ablauf der fernabsatzrechtlichen Widerrufsfrist die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu anderen Nutzern. Macht der Nutzer von seinem fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht Gebrauch, so berechnet die Beklagte dem Nutzer eine Wertersatzforderung in Thema ♥ Höhe von bis zu 75 Prozent des für die gesamte Laufzeit vereinbarten Entgeltes, wenn der Nutzer über die Online-Partnervermittlung der Beklagten bereits Kontakte hatte. Aus Sicht der Parteien Dies hielt der Kläger für rechtswidrig und irreführend und nahm die Beklagte nach vorangegangener erfolgloser Abmahnung auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Die Beklagte wandte ein, sie sei vor allem nach Neugestaltung des Widerrufsrechts berechtigt, den Wertersatz nach der Anzahl der im Nutzungszeitraum tatsächlich zustande gekommenen Kontakte zu berechnen. Kern des Leistungsversprechens der Beklagten sei bei der Premium-Mitgliedschaft nämlich nicht das Zugriffsrecht auf die Mitgliederdatenbank, sondern – wie bei der klassischen Partnervermittlung auch – die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu einer bestimmten Anzahl möglichst genau passender potenzieller Lebenspartner. anhand von Partnervorschlägen der Beklagten oder auch unabhängig von diesen andere Nutzer des Online-Angebotes der Beklagten zu kontaktieren und unter diesen nach einem Partner zu suchen. Die von Beklagtenseite garantierte Mindestanzahl an Kontakten macht dabei ersichtlich nicht den Kern des Leistungsversprechens der Beklagten aus. Kein Nutzer würde für die Garantie von fünf oder sieben Kontakten, die auch in einer Absage bestehen können, mehrere hundert Euro investieren. Kern des Leistungsversprechens der Beklagten ist es vielmehr, über den vereinbarten Zeitraum mit Unterstützung der Beklagten unter den anderen Nutzern des Online-Angebotes der Beklagten nach einem Partner suchen zu können. Dieses zeitbezogene Element ergibt sich eindeutig aus der zeitbezogenen Nutzungsmöglichkeit des Angebotes der Beklagten über den jeweils vereinbarten Zeitraum. Auch die vereinbarten Entgelte spiegeln dies wider, da sie mit der Dauer der vereinbarten Nutzung steigen. Daher ist auch der vom Verbraucher im Falle des Widerrufs zu leistende Wertersatz zeitbezogen zu berechnen, wie dies zutreffend im Rahmen des Klagantrages erfolgt.“ Überhöhter Wertersatz unzulässig Dies beurteilte das erkennende Gericht jedoch anders. In den streitgegenständlichen Wertersatzforderungen sah die Kammer einen Verstoß gegen die gesetzliche Regelung über die Höhe des Wertersatzes für Dienstleistungen im Falle der Ausübung des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts – und zwar sowohl gegen die alte als auch gegen die neue Regelung. Zudem enthalte die Forderung eines derart überhöhten Wertersatzes nach Auffassung des Gerichts eine Irreführung des Verbrauchers über die ihm im Falle des Widerrufs zustehenden Rechte, nämlich sich ohne überhöhten Wertersatz vom Vertrag lösen zu können, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG. „Kein Nutzer würde für die Garantie von fünf oder sieben Kontakten, die auch in einer Absage bestehen können, mehrere hundert Euro investieren.“ Zu der Frage, was tatsächlich Gegenstand des Dienstleistungsvertrages sei, führt das Gericht folgendes aus: „Dieser besteht vorliegend darin, dem Nutzer im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft für den vereinbarten Zeitraum die Möglichkeit zu eröffnen, „Gesetzeswidrige Entwertung des Widerrufsrechts“ Die von Beklagtenseite gewählte Berechnungsart kritisiert die Kammer demgegenüber als gesetzwidrige Entwertung des Widerrufsrechtes und verweist auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15. April 2010, Aktenzeichen III ZR 218/09, BGH Z 185, 192-205. Zu den Einwänden der Beklagten wird angeführt, die Möglichkeit des Missbrauches des Widerrufsrechtes durch den Verbraucher rechtfertige die von Beklagtenseite berechnete gesetzwidrige Höhe des Wertersatzes nicht. Abgesehen davon, dass es hierfür von vornherein an einer Rechtsgrundlage fehle, könne die Beklagte derartigen Missbräuchen dadurch begegnen, dass sie dem Kunden die Nutzung ihres Angebotes erst nach Ablauf der Widerrufsfrist ermögliche. Deutliche Worte, die Parship GmbH trotzdem nicht daran hinderten, in die Berufung zu gehen. Da bis dato auch die Abrechnungspraxis aufrechterhalten bleibt, ist zu erwarten, dass auch weiterhin zahlreiche Mandatsanfragen schnell enttäuschter Par ship-Kunden eingehen werden. STUDIE ONLINE-DATING Für eine Studie im Auftrag des amerikanischen Partnervermittlungsportals eHarmony, die im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde, wurden 19.000 Paare befragt, die zwischen 2005 und 2012 geheiratet haben. • Erstaunliche 35 Prozent dieser Paare lernten sich über das Internet kennen. • Unter den Internet-Bekanntschaften stammen wiederum 45 Prozent von Dating-Seiten, 20 Prozent von Social Networks, zehn Prozent von Chatrooms. Immerhin 3,6 Prozent der Paare mit Online-Beginn lernten sich über Spiele kennen. Bekanntschaften über E-Mail, Blogs oder Instant-Messenger machen weniger als fünf Prozent aus. • Männer und Menschen mit lateinamerikanischer Herkunft lernen laut der Studie am ehesten einen Partner über das Internet kennen. • Die größte Heiratswahrscheinlichkeit besteht im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. • Das wohl erstaunlichste Ergebnis der neuen Studie ist wohl die verhältnismäßig geringe Scheidungsrate unter Online-Ehepaaren. Diese beträgt sechs Prozent, während der Durchschnitt aller verheirateten Paare (inklusive Paaren mit Offline-Vergangenheit) bei 7,5 Prozent liegt. • Aber auch innerhalb der Online-Welten gibt es Unterschiede. Bei Paaren, die sich in Chatrooms oder in virtuellen Welten kennen gelernt haben, ist die Zufriedenheit mit der Beziehung geringer. • Im Offline-Leben lernen sich Menschen zu 20 Prozent über gemeinsame Freunde, zu 20 Prozent in der Arbeit, zu zehn Prozent bei sozialen Anlässen und zu zehn Prozent in der Schule kennen, beschreibt die Studie. Quelle: http://futurezone.at/digital-life/ 35-prozentheiraten-online-bekanntschaften/24.597.790 RAin Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg AdVoice 02/15 13 Thema Liebe im Büro ♥ Dürfen Beziehungen unter Kollegen verboten werden? Liebe am Arbeitsplatz? Nicht bei uns! Die amerikanische Supermarktkette, die seinerzeit per Ethikrichtlinie Liebesbeziehungen zwischen den Mitarbeitern in Deutschland verbieten lassen wollte, ist zu diesem Thema der wohl bekannteste Fall. Die deutschen Mitarbeiter zogen vor den Kadi und bekamen Recht. Gestritten wurde vor allem um Mitbestimmungsrechte. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 14. November 2005 - 10 TaBV 46/05 entschied auch, dass die Richtlinie in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter eingreift und somit unzulässig ist. Absichtlich missverstehen könnte man hingegen folgenden Leitsatz: „Wird eine sexuelle Belästigung von einem Mitarbeiter nicht erkennbar abgelehnt, hat der Gesamtbetriebsrat jedenfalls bei den vorbeugenden Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 BeschSchG ein Mitbestimmungsrecht.“ dürfen nicht von vornherein von Arbeitgeberseite verboten werden. Für Paare am Arbeitsplatz gelten die gleichen Pflichten wie für die restliche Belegschaft. Die Liebe zu einem Arbeitskollegen gibt keinen Freifahrtschein zum Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Wer in der Phase des Verliebtseins häufig zu spät kommt, verschläft oder seine Arbeit schleifen lässt, riskiert eine Abmahnung oder gar eine Kündigung. Wir verbringen tagtäglich den Großteil unserer Zeit am Arbeitsplatz. Da ist es nicht zu verdenken, im Büro seinen Partner kennenzulernen. Glaubt man verschiedenen Studien, so beginnt inzwischen jede vierte bis zehnte Beziehung am Arbeitsplatz. Wie sollte man sich aber verhalten, wenn einen Amors Pfeil im Büro getroffen hat? Sind Händchenhalten, Küssen und das Zuwerfen verstohlener Blicke auch am Arbeitsplatz zulässig? Und wie sollte man sich besser nicht verhalten? Beziehungen unter Kollegen sind durch das Persönlichkeitsrecht geschützt und Abmahnung Herzig: Ein Signal, das nicht übersehen werden kann. Mitarbeitergespräch Treten Probleme auf, ist der Vorgesetzte gut beraten, zunächst erst einmal ein Mitarbeitergespräch zu führen. Vielleicht genügt bereits ein Gespräch, um den Mitarbeiter wieder von Wolke Sieben runterzuholen und an seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erinnern. Wer aber wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt, muss mit einer Abmahnung rechnen. Dieser muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein erheblicher Vertragsverstoß vorliegen und nicht nur eine Bagatelle. Häufiges Zuspätkommen genügt allerdings. Die Abmahnung kann mündlich, sollte aber wegen der Beweisfunktion schriftlich erfolgen. Sie bedarf weder der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers noch des Betriebsrates. Foto: Andrea Vollmer Versetzung Sollte das Mitarbeitergespräch nicht zu einer Besserung führen, kann eine Versetzung angezeigt sein, sofern der Arbeitsvertrag dies überhaupt zulässt. Eine Versetzung darf nur auf eine gleichwertige Position mit gleicher Tätigkeit erfolgen. Möglichkeiten wären hier, dass das Paar in verschiedene Räume oder verschiedene Teams versetzt wird, sofern dies überhaupt ist. Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser informiert werden. Kündigung Eine Kündigung sollte immer das letzte Mittel sein. Ist arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich nichts anderes geregelt, gelten die Kündigungsfristen des § 622 BGB. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung alle Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Liebeskiller Büro Die Liebe unter Arbeitskollegen hat Vorteile, aber auch Nachteile. Man hat täglich den gleichen Weg zur Arbeit, hat dieselben Arbeitskollegen und hat jemanden, mit dem man sich über die Probleme im Job austauschen kann. Dies alles kann aber auch schnell zum Liebeskiller werden. Für das amerikanische Unternehmen überwogen wohl die Nachteile. Die Düsseldorfer Richter schrieben den amerika nischen Liebesverhinderern ins Stammbuch: „Eine Ethikrichtlinie, die bestimmt, dass Mitarbeiter nicht mit jemandem ausgehen oder in eine Liebesbeziehung eingehen dürfen, der Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen kann oder deren Arbeitsbedingungen von der anderen Person beeinflusst werden können, verstößt gegen das Grundgesetz (Artikel 1 und 2 GG); sie ist unwirksam.“ Bei Trennung professionell damit umgehen Zerbricht die Beziehung, ist wohl spätestens dann ein Wechsel des einen oder anderen Partners angebracht. Letztlich muss jeder selbst entscheiden, ob er mit seinem (Ex-)Partner auch das Büro teilen möchte. RAin Nadine Passenheim, Hannover 14 AdVoice 02/15 Thema Ja-Wort in Love Vegas Heiraten im Ausland hat Tücken – Tipps, die man beachten sollte Welche Frau träumt nicht davon, barfuß am Strand unter Palmen in einem schönen Kleid bei strahlendem Sonnenschein und Meeresrauschen, ihrem Liebsten das Ja-Wort zu geben? Und welcher Mann wünscht sich keine stressfreie Hochzeit, am besten schnell und unkompliziert? Ist die Frage der Fragen endlich gestellt, geht es weiter mit „wo“ und „wie“ soll geheiratet werden. Für alle diejenigen, die nicht in Deutschland heiraten möchten, hat das Bundesverwaltungsamt in diversen Broschüren mit dem Titel „Heiraten in …“ die wichtigsten Informationen zum Heiraten im Ausland zusammengestellt. Heiraten in Dänemark In Dänemark kann man unkompliziert und unbürokratisch heiraten. Voraussetzung ist, dass man volljährig und ledig ist. Vor der Eheschließung sollte unbedingt bei der jeweiligen Kommune nachgefragt werden, wie viele Tage man sich in Dänemark vor der Eheschließung aufgehalten haben muss. Manche Standesämter verlangen zwei bis drei Tage, andere verlangen keinen Mindestaufenthalt. Eine rechtliche Eheschließung ist in Dänemark sowohl in der dänischen Landeskirche als auch vor dem Standesamt möglich. Eine Frist zur Erstellung des Aufgebotes gibt es nicht. Man benötigt aber zwei Trauzeugen. Hier ist es auch möglich, dass das Standesamt die Trauzeugen zur Verfügung stellt. Wer dies in Anspruch nehmen möchte, sollte dem Standesamt frühzeitig Bescheid geben. An Unterlagen benötigt man den Personalausweis oder Reisepass, Geburtsurkunde sowie eine Meldebescheinigung. Geschiedene und Verwitwete müssen das Scheidungsurteil beziehungsweise die Sterbeurkunde vorlegen. Eine in Dänemark geschlossene Ehe ist auch in Deutschland gültig, wenn die Eheschließenden die Voraussetzungen ihres jeweiligen Heimatlandes erfüllen und die Ehe formgültig nach dänischem Recht geschlossen wurde. Eine Legalisation der Heiratsurkunde ist in der Regel nicht erforderlich. Heiraten in Las Vegas In Las Vegas (Bundesstaat Nevada) kann eine rechtlich verbindliche Eheschließung entweder von einem Standesbeamten oder einer staatlich befugten Person vorgenommen werden. Es gibt keine zeitliche Vorgabe, nach der man sich vor der Eheschließung in Las Vegas aufgehalten haben muss. Ebenso gibt es keine Frist zur Erstellung des Aufgebotes. Allerdings muss mindestens ein volljähriger Trauzeuge bei der Zeremonie anwesend sein. Vor der Eheschließung ♥♥♥ muss man lediglich gemeinsam mit dem jeweils gültigen Reisepass im Büro für Heiratsgenehmigungen vorsprechen und die Erteilung der Heiratserlaubnis beantragen. Die Heiratserlaubnis ist ein Jahr gültig und berechtigt, überall in Nevada zu heiraten. Wer in Las Vegas heiratet, muss innerhalb von zehn Tagen im Clark Country Government Center, Recorders Office, die Hochzeit registrieren lassen. Grundsätzlich ist eine förmliche Anerkennung in Deutschland nicht erforderlich. Die Eheschließung ist daher auch ohne Nachbeurkundung in Deutschland wirksam. Aufpassen muss man aber bei weiteren Amtshandlungen wie beispielsweise Namensänderungen. Hier erkennen deutsche Behörden die einfache Heiratsurkunde aus Nevada nicht an. Heiraten auf Mallorca In Spanien kann man kirchlich oder standesamtlich heiraten. Voraussetzung ist, dass einer der Partner Spanier ist oder zumindest einen Wohnsitz in Spanien hat und dort gemeldet ist. Ansonsten ist eine Heirat in Spanien nicht möglich. Zuständig ist das Standesamt des spanischen Wohnsitzes beziehungsweise des Aufenthaltsortes. Die Aufgebotsfrist beträgt vier Wochen. Die Trauung kann nach Ablauf der vier Wochen bis spätestens sechs Monate nach Anmeldung vorgenommen werden. Man benötigt zwei volljährige Trauzeugen. Wer keinen Wohnsitz in Spanien hat und dort auch nicht für eine bestimmte Zeit gemeldet ist, kann nicht rechtsgültig in Spanien heiraten. Nicht gemeldete Ausländer können jedoch eine Zeremonie mit einem sogenannten freien Redner abhalten. Hier handelt es sich aber um keine rechtswirksame Eheschließung. Das bedeutet, dass man in Deutschland noch einmal heiraten muss. Heiraten auf den Seychellen Auf den Seychellen kann rechtlich verbindlich nur standesamtlich geheiratet werden. Eine anschließende kirchliche Trauung ist möglich. Man muss sich mindestens drei Tage auf den Seychellen aufgehalten haben, die Aufgebotsfrist beträgt elf Tage. Es besteht aber die Möglichkeit, diese Frist in Absprache mit dem Standesbeamten vor Ort zu verkürzen. Erst mit Ablauf der Aufgebotsfrist kann die Trauung vollzogen werden. Um auf den Seychellen rechtswirksam zu heiraten, benötigt man die jeweils gültigen Reisepässe und Geburtsurkunden sowie ein Ehefähigkeitszeugnis mit englischer oder französischer Übersetzung. Zwei Trauzeugen müssen bei der Trauung dabei sein. Eine auf den Seychellen ge- Beliebt: Heiraten in Las Vegas. Foto: Hiero_pixelio.de schlossene Ehe ist auch in Deutschland gültig, wenn die Eheschließungsvoraussetzungen nach deutschem Recht erfüllt sind und die Ehe formwirksam nach dem Recht der Seychellen geschlossen wurde. Die Heiratsurkunde muss, damit sie in Deutschland gültig ist, mit einer Apostille versehen sein, die man beim Supreme Court im Palais du Justice in der Hauptstadt Victoria auf der Insel Mahé erhält. Bei allen Trauungen im Ausland gilt: Die jeweils anfallenden Gebühren müssen stets vor Ort nachgefragt werden. RAin Nadine Passenheim, Hannover Die Broschüren „Heiraten in …“ findet Ihr unter http://www.bva.bund.de/DE/ Organisation/Abteilungen/Abteilung_II/ InfostelleAuswanderungundAuslandstaetigkeit/Publikation/Deutscheheiratenin/ deutscheheiratenin_node.html AdVoice 02/15 15 Thema Klick, klick, klick – geschieden Geschäftsmodell Online-Scheidung: schnell, bequem und günstig ♥ greift also nur dann, wenn der Antragsgegner nicht anwaltlich vertreten ist. In diesem Falle können die Parteien eine Kostenvereinbarung treffen, wonach die Ehegatten vereinbaren, dass die Anwaltskosten jeweils hälftig getragen werden. Ist der Antragsgegner auch anwaltlich vertreten, geht das natürlich nicht. Dann greift die Kostenaufhebung mit der Folge, dass die Gerichtskosten hälftig geteilt werden und jede Partei die ihr entstandenen Kosten zu tragen hat. Ehescheidungskosten steuerlich absetzbar Scheiden tut weh – auch per Mausklick. Foto: Michael Kuchinke-Hofer In diesem Zusammenhang hat sich das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit der Frage auseinandergesetzt, ob Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung steuermindernd geltend gemacht werden können. Im Ergebnis können die Prozesskosten für die Ehescheidung in der Steuererklärung berücksichtigt werden, da die Scheidung nur durch ein fami liengerichtliches Verfahren herbeigeführt werden können und somit zwangsläufig entstünden. Das gilt jedoch nicht für die Scheidungsfolgekosten betreffend Unterhalt, Sorgerecht, Umgangsrecht etc., da diese nicht zwangsläufig entstehen (FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 16.10.2014, 4 K 1976/14). Achtung – Online-Scheidung Im Jahr 2013 wurden laut Statistischem Bundesamt 373.655 Ehen geschlossen und 169.833 Ehen geschieden. Viele Kanzleien haben die sogenannte Online-Scheidung als gutes Geschäft entdeckt. Es gibt Kanzleien, die ausschließlich Online-Scheidung anbieten, aber auch solche, die diese als „On-Top-Leistung“ offerieren. Wie funktioniert die Online-Scheidung? Gemeinsam haben alle Kanzleien, dass sie mit Slogans wie „schnelle Scheidung“, „kostengünstig“ oder „einfach“ bundesweit werben. Der Clou ist, dass das Antragsformular bequem von zu Hause aus am PC oder Laptop ausgefüllt werden kann, ohne lange auf einen Besprechungstermin beim Anwalt warten zu müssen. Der Antragsteller füllt ein Formular, welches auf der Homepage der Kanzlei hinterlegt ist, aus, bei dem unter anderem die Angaben zur Person des Antragstellers und des Antragsgegners, die Daten der Eheschließung, Trennungszeitpunkt, ob Kinder vorhanden sind und ob der Versorgungsausgleich durchgeführt werden soll, abgefragt werden. Die Heiratsurkunde oder andere relevanten Urkunden können entweder – je nach Website – eingescannt und geschickt werden oder diese Unterlagen werden 16 AdVoice 02/15 dann von der Kanzlei separat angefragt. Nach Eingabe der Daten wird der Scheidungsantrag durch die Kanzlei gefertigt und, sobald alle Unterlagen vollständig vorhanden sind, an das zuständige Gericht geschickt. Der Antragsgegner braucht, wenn die Scheidung einvernehmlich durchgeführt werden soll, nicht mal einen eigenen Anwalt – und spart sich somit seine Anwaltskosten. Bei der einvernehmlichen Scheidung beraumt das Familiengericht relativ schnell einen Termin an, sodass die Scheidung rasch ausgesprochen werden kann. Ist Online wirklich billiger? Der Streitwert berechnet sich nach dem dreifachen monatlichen Nettoeinkommen der Beteiligten (§ 43 FamGKG) zuzüglich eines eventuellen Erhöhungsbetrages bei nennenswerten Vermögen. Bei der einvernehmlichen Scheidung mit einem Scheidungstermin vor dem Familiengericht entstehen demnach eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr nach Nummern 3100 und 3104 VV RVG. Dazu kommt eine 2,0 Gerichtsgebühr nach dem FamGKG. Diese Kosten fallen für einen Anwalt an. Die antragstellende Partei muss zwingend anwaltlich vertreten sein. Der Antragsgegner dagegen nicht. Das Argument „billig“ Aber aufgepasst: So einfach und schnell geht es dann doch nicht. Auch bei der Online-Scheidung schwebt die Haftung über dem Anwalt. Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass allein das Ausfüllen eines „Online-Scheidungsformulars“ Rechtsanwälte nicht von ihrer Beratungspflicht entbindet, wenn die vertretene Partei Beratungsbedarf erkennen lässt (LG Berlin, Urteil vom 5.6.2014, 14 O 395/13). Hintergrund des Verfahrens ist, dass die Klägerin dass auf der Homepage der beklagten Kanzlei online gestellte Formular nutzte, dieses ausfüllte und angab, dass wechselseitig auf Ehegattenunterhalt und den Versorgungsausgleich verzichtet werde. Aufgrund dieser Angaben wurde auch der Vergleich geschlossen. Später dann begehrte die aus Russland stammende Klägerin Schadenersatz mit der Begründung, ihr sei die Bedeutung und Tragweite des Vergleiches zum Zeitpunkt der Scheidung nicht bewusst gewesen. Das Landgericht Berlin gab der Klägerin Recht. Der beklagte Anwalt habe eine Beratungspflicht gehabt, der er nicht nachgekommen sei. Der Beklagte wurde daher zum Ersatz jeglicher Schäden verurteilt, die aus dem fehlerhaften Vergleich hervorgehen. RAin Nadine Passenheim, Hannover ab ue ste kt ue Ia ne on G die ati zt m gi jet nfor .de/ Sie hi di n a c .h se F w Le der ww e sg Au ll! ILFT BEIM BEraTEn GuT BEraTEn zu sEIn. unsere Versicherungs- und Vorsorgeprodukte für rechtsanwälte. 7003031274 Rechtsanwälte benötigen zur Absicherung ihrer beruflichen und privaten Risiken leistungsstarken und umfassenden Vorsorge- und Versicherungsschutz. Als einer der erfahrensten Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer setzt HDI Maßstäbe bei der Entwicklung passender Versicherungslösungen. www.hdi.de/freieberufe Thema Liebe im Verfolgungswahn Stalking – Schwerwiegende körperliche, psychische, soziale Folgen für die Opfer DAS DROHT DEM OPFER Körperliche Folgen Nach einer Analyse der Technischen Universität Darmstadt in Zusammenarbeit mit der Opfervereinigung Weißer Ring kommt es in jedem fünften Stalking-Fall zu einer körperlichen Attacke oder einer anderweitigen Ausübung von Gewalt gegen das Opfer. Extremste Folge ist die Tötung des Opfers. Doch nicht jeder Mörder, der zuvor Kontakt mit seinem Opfer aufgenommen hat, erfüllt zugleich den Tatbestand des Stalking. Die Ausübung körperlicher Gewalt ist in den meisten Fällen die Spitze eines langsam wachsenden Eisbergs. Psychische und soziale Folgen Gerade dem beziehungssuchenden Stalker geht es in erster Linie darum, sein Opfer tatsächlich zum Eingehen einer Liebesbeziehung zu bewegen. Daher sind es in den meisten Fällen weniger spektakulären Stalking-Handlungen wie etwa das Anrufen, Aufsuchen, Anschreiben oder Beschenken des Opfers, die jedoch je nach Dauer und Intensität ebenfalls negative physische und vor allem psychische Reaktionen bei den Opfern auslösen können. „So, wie der Täter auf sein Opfer fixiert ist, ist durch die als lästig und als unberechenbare Bedrohung empfundene Situation auch das Opfer auf den Stalker fixiert.“ Stalking ist eine bizarre Form der Liebe – oft mit schlimmen Folgen für das Opfer. Rose weiß immer ganz genau, wo sich Charlie H. gerade aufhält. Heimliche Stippvisiten in seinem Haus sind ihre Spezialität. Mittlerweile beherrscht sie es perfekt, sich über die Veranda des Strandhauses hinein- und auch wieder hinauszuschleichen. Oft wünscht sich Rose, dass Charlie H. ein bettlägeriger Pflegefall wäre. Dann würde er ganz ihr gehören, jede Sekunde und mit Haut und Haaren. // Greg B. weiß schon lange, dass es nur eine Frau in seinem Leben gibt. In unzähligen Briefen hat er Halle B. bereits seine Liebe gestanden. Er weiß, dass er den nächsten Schritt gehen muss, ganz wie es ihm 18 AdVoice 02/15 Foto: Michael Kuchinke-Hofer Gott in seinen Träumen befohlen hat. Gestern hat er seiner Angebeteten im fernen Hollywood einen Verlobungsring geschickt. // Dieses ungute Gefühl, wenn ihr Ronny mal wieder mit seinen Jungs unterwegs ist, quält Jenny K. schon lange. Letzte Nacht hat sie mit zitternden Fingern seine SMS- und WhatsApp-Nachrichten durchforstet. Seinen Facebook-Account checkt sie ebenso regelmäßig wie sein E-Mail-Postfach. Der Gedanke, dass Ronny eine andere haben könnte, treibt sie schier in den Wahnsinn. Die Liebe ist ein extremes Gefühl. Wenn sie zum Wahn wird, kann es für Opfer und Täter brenzlig werden. Ein Großteil der Opfer bemerkt zunächst Auswirkungen auf das Nervensystem, wie etwa Unruhe und Schreckhaftigkeit. Hieraus entwickeln sich oft Kopfschmerzen, Angstsymptomen, Schlafstörungen und Magenbeschwerden sowie eine daraus resultierende geistige und körperliche Erschöpfung. Viele sind schnell gereizt und reagieren dann situationsbedingt unbegründet aggressiv. Ein nicht geringer Teil der Opfer leidet unter depressiven Verstimmungen, einige auch unter Depressionen. Vor allem bei Opfern, denen aufgelauert wird oder die körperlich verfolgt werden, zeigen sich rasch tendenziell reaktive Verhaltensmuster wie etwa Vermeidungsverhalten, Abkapselung, Vereinsamung oder Kontrollverhalten. So, wie der Täter auf sein Opfer fixiert ist, ist durch die als lästig und als unberechenbare Bedrohung empfundene Situation auch das Opfer auf den Stalker fixiert. Nach langer und intensiver Verfolgung kann in seltenen Fällen eine posttraumatische Belastungsstörung auftreten. Quellen: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Browschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Materialie-Gleichstellung-Nr._20104.pdf; Thema DAS DROHT DEM TÄTER PRÄVENTION Strafrechtliche Sanktionen Erst 2007 wurde der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) in das deutsche Strafgesetzbuch eingeführt. Nach Auffassung des Gesetzgebers bestand Regelungsbedarf, obwohl viele der typischen Stalking-Handlungen bereits von den §§ 123, 177, 185, 201 ff., 223, 229, 240, 241, 303 StGB und § 4 GewaltschutzG abgedeckt sind. Mit dem neu geschaffenen Tatbestand wollte man einen noch effektiveren Opferschutz gewährleisten. § 238 I StGB ist – in Hinblick auf die Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes – als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Abs. II enthält Qualifikationen, Abs. III eine Erfolgsqualifikation. Eine einfache Nachstellung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Sie ist im Übrigen ein Antragsdelikt. Bei Verwirklichung der Qualifikation ist auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen, dem Opfer nahestehenden Person, so droht Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Polizeiliches Einschreiten Erste Anlaufstelle für ein Opfer des gefährlichen Liebeswahns dürfte zunächst die Polizei sein. Diese kann sich sodann aus dem Repertoire der Polizeiund ordnungsrechtlichen Generalklausel bedienen und den Störer der Wohnung verweisen sowie Platzverweise erteilen oder Kontaktverbote aussprechen. Zivil- , Arbeits- und sozialrechtliche Sanktionen Der Stalker sieht sich zudem mit zivilrechtlichen Ansprüchen seines Opfers konfrontiert. Haben die Angriffe zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts geführt, kommen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nach § 823, § 1004 BGB, Art. 1 und Art. 2 GG in Betracht. Je nach Intensität der Nachstellung gewähren die Gerichte auch erhebliche Schmerzensgeldbeträge. Dennoch schreitet die angemessene Berücksichtigung psychischer Beeinträchtigungen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nur langsam voran. Immerhin: Schwerwiegende Folgen wie Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen werden in der aktuellen Rechtsprechung erhöhend berücksichtigt. Sucht sich der Täter sein Opfer in seinem Arbeitsumfeld, kann das belästigende Verhalten eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Nicht in allen Fällen bedarf es zuvor einer Abmahnung. Hierbei kommt es vor allem auf die Intensität der Stalking-Handlungen an (BAG, Urteil vom 19.4.2012, Az. 2 AZR 258/11). Gegebenenfalls muss der Täter zudem eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) leisten. Doch nicht jede ausgeurteilte Nachstellung begründet automatisch einen Anspruch auf die Entschädigung. Das OEG setzt für einen Entschädigungsanspruch einen tätlichen Angriff voraus. Gewaltlose, insbesondere psychische Einwirkungen auf das Opfer sind regelmäßig nicht als solche zu werten. Das Bundessozialgericht hat im April 2011 entschieden, dass eine Opferentschädigung grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn es im Rahmen der Nachstellungen zu einer direkt auf den Körper des Opfers gerichteten Gewalttat gekommen ist (BSG, Urteil vom 7.4.2011, Az. B 9 VG 2/10 R). Gewaltschutz In einem nächsten Schritt sollte beim zuständigen Amtsgericht ein Antrag auf „Erlass einer Schutz anordnung“ nach dem Gewaltschutzgesetz gestellt werden. Achtung: Wohnen Täter und Opfer erst seit weniger als sechs Monaten in getrennten Wohnungen, ist das Familiengericht zuständig! Ist eine Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz ergangen und dem Stalker bekannt gegeben worden, so ist jeder Verstoß gegen die in diesem Beschluss festgelegten Verbote, zum Beispiel die Annäherung auf eine Distanz unterhalb einer bestimmten Grenze (Bannmeile), der Verstoß gegen ein Kontaktverbot oder ähnliche Regelungen, eine Straftat gemäß § 4 Gewaltschutzgesetz. Achtung: Wird in der mündlichen Verhandlung ein Vergleich als Lösung erörtert, ist es wichtig zu registrieren, dass ein Verstoß gegen den geschlossenen Vergleich nicht nach § 4 Gewaltschutzgesetz strafbar, das Opfer also in dieser Weise nicht mehr strafrechtlich geschützt ist. Deeskalationshaft und Gefährderansprache Liegen die Voraussetzungen des § 112a StPO (Haftgrund meist Wiederholungsgefahr) vor, kommt auch eine Untersuchungshaft als sogenannte Deeskala tionshaft in Betracht. Nach derzeitigem Erkenntnisstand der Polizeiarbeit scheint sich die Gefährderansprache gegenüber dem mutmaßlichen Täter zu bewähren. Nach Auswertung mehrerer Studien, unter anderen der Darmstädter Studie, hinterlässt eine staatliche Reaktion innerhalb der ersten 48 Stunden eine nachhaltige und zu 80 Prozent beendende Wirkung beim Täter, da er mit seinem Handeln aus der Anonymität herausgeholt wird und ihm die rechtlichen und tatsächlichen Grenzen seines Handelns aufgezeigt und angedroht werden. Diese sind dem Täter, der sich in vielen Fällen selbst in der Opferrolle sieht, oft nicht oder nicht in diesem Ausmaß bekannt. Schon gewusst? Der Begriff „nachstellen“ stammt – sehr passend – aus der Jägersprache vgl. auch den Wortlaut des § 292 StGB Jagdwilderei. http://www.gegenstalking.de/; http://de.wikipedia.org/wiki/Stalking#cite_note-18 § 238 StGB Nachstellung (1) Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich 1. seine räumliche Nähe aufsucht, 2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht, 3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen, 4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder 5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahe stehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt. (3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahe stehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. (4) In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. FAZIT Es wird deutlich, dass an die anwaltliche Beratung und Vertretung beider Seiten hohe Anforderungen gestellt sind. Neben allen rechtlichen Eventualitäten gilt es insbesondere auch, psychotherapeutische Ansätze einzubeziehen und auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen. Ein ganz neues Feld eröffnet das Cyberstalking. Als Cyberstalking werden alle Stalkingtätigkeiten bezeichnet, die mithilfe von technischen Kommunikationsmitteln wie über das Handy, das Internet, per E-Mail usw. durchgeführt werden. Diese Art des Stalking ermöglicht es dem Stalker, weitgehend unerkannt seine Tätigkeiten durchzuführen oder dient dazu, seine Identität zu verschleiern. Die psychischen Folgen für das Opfer dürften ebenfalls gravierend sein, die Ermittlung, Verfolgung und Sanktion dieser Taten werden jedoch deutlich erschwert sein. RAin Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg AdVoice 02/15 19 Thema Verheiratet mit der Berliner Mauer Die Liebe zum Objekt ist juristisch noch unerschlossen Nicht alle sind froh, dass sie weg ist: Der Mauerfall machte Eija-Riitta Eklöf zur Witwe. Seit Mitte der 1950er Jahre hat sich in punkto Liebe und Recht so einiges getan. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft mauserte sich von einem praktischen Parameter bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe zu einer gängigen Form des partnerschaftlichen Zusammenlebens, die vor allem auch aus rechtlicher Hinsicht für alle Eventualitäten gewappnet ist. „Manche Männer lieben Männer, manche Frauen eben Frauen, da gibt’s nichts nix zu bedauern und nichts zu staunen.“ Treffender als in Farin Urlaubs (Die Ärzte) Songtext (M&F) lässt es sich nicht ausdrücken. Seit Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahre 2001 ist inzwischen auch die gleichgeschlechtliche Heirat mit allen ihren ehegleichen Rechtsfolgen „genauso normal wie Kaugummikauen“ (Die Ärzte, M&F). Doch ist diese positive Entwicklung im Zeichen der Toleranz und Gleichberechtigung hiermit bereits abgeschlossen? Nein. Die Schwedin Eija-Riitta Eklöf ging nach eigenen Angaben am 17. Juni 1979 eine Ehe mit der Berliner Mauer ein und erfand den Begriff der Objektsexualität. 20 AdVoice 02/15 Verheiratet mit der Berliner Mauer Eija-Riitta Eklöf-Berliner Mauer Bereits als Siebenjährige erblickte die Modellbauerin die Liebe ihres Lebens zum allerersten Mal. Sie sah im Fernsehen einen Bericht über den Bau der Berliner Mauer. Hatte sie sich zuvor noch sehr für die chinesische Mauer interessiert, konnte sie seit diesem Zeitpunkt an nichts anderes mehr denken als an die geschichtsträchtige Trennmauer zwischen West- und Ost-Berlin. Sie sammelte von da an jedes Bild ihres Lieblingsobjekts. Dass es Liebe ist, merkte Eklöf-Berliner Mauer jedoch erst als Teenager. Zur ersten Begegnung zwischen ihr und „ihm“, wie sie stets von der Mauer spricht, kam es 1977. Wie bei einem ersten Date sei sie nach eigenen Angaben sehr schüchtern gewesen, habe sich nur zögerlich zu „ihm“ hinbewegt und „ihn“ schüchtern berührt. Bereits bei der zweiten Begegnung am 17. Juni 1979 fand die Beziehung zwischen Frau und Objekt ihren Höhepunkt. Eija-Riitta Eklöf gab der Berliner Mauer das Ja-Wort. Für die Zeremonie engagierte sie einen Animisten, welcher mit der Mauer kommunizierte Foto: Andrea Vollmer und für diese das Ja-Wort erwiderte. Seit dieser „Eheschließung“ führt Eklöf offiziell den Namen Eklöf-Berliner-Mauer (auf Englisch bzw. Schwedisch auch Eklöf-Berlin Wall oder Eklöf-Berlinmuren). Dieser Name steht auf ihrem Briefkasten, ihrer EC-Karte und ihrem Klingelschild. Zwischenzeitlich konnte die Schwedin sogar ihren Personalausweis entsprechend ändern lassen. In Schweden erlaubt das Gesetz Menschen, die 30 Jahre lang einen bestimmten Namen tragen, diesen auch offiziell zu führen. Der 9. November 1989 sollte für die bis dato glückliche Ehefrau, die allerdings wieder in Schweden lebte, ein tragischer Tag werden. Seit diesem Tag sieht sich Eklöf-Berliner-Mauer als Witwe an. Der norwegische Künstler Lars Laumann widmete ihr den Film Berlinmuren, der im Rahmen der 5. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst in einem eigens zu diesem Zweck errichteten Pavillon gezeigt wurde. In einem Interview 2013 gab die heute 60-Jährige auf die Frage, was sie zu dieser ungewöhnlichen Eheschließung bewogen habe, an, ihre Intention sei die Gleichberechtigung von Menschen, die Objekte lieben, gewesen. Mit der Eheschließung habe sie hierfür ein Zeichen setzen wollen. Thema ♥ Diese von ihr erstmals in der Öffentlichkeit postulierte extrem seltene sexuelle Orientierung der Objektophilie richtet sich auf unbelebte Gegenstände, etwa Maschinen, Autos oder Bauwerke, unterscheidet sich aber vom Fetischismus dadurch, dass das Objekt nicht nur als Stimulanz dient, sondern als eigenständiges, quasi-personelles Gegenüber wahrgenommen und als anziehend empfunden wird. als „she“ also „sie“ bezeichnet. Am 8. April 2007 schloss auch LaBrie mit ihrer großen Freundin aus Stahl den Bund fürs Leben. Bei der privaten Zeremonie waren ihre engsten Freunde dabei. Die Behörden haben die Eheschließung zwar nicht anerkannt, sie gewährten jedoch eine Namensänderung. Aus Erika LaBrie wurde ganz offiziell Erika Eiffel. Ein Abbild ihrer „Ehefrau“ hat sich die Amerikanerin vom Dekolletee abwärts tätowieren lassen. teresse an der Berliner Mauer, als sie an der Seite von Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer in „Berlinmuren“ auftrat. Basierend auf Erika Eiffels Liebesbeziehungen zum Eiffelturm und zur Berliner Mauer entstand 2010 das Musical „Erika’s Wall“, das 2010 von der Music Theatre Company in Highland Park, Illinois, uraufgeführt wurde. Die Kommunikation mit den geliebten Objekten beschreibt Eiffel als einen deutlich spürbaren Energietransfer. Die Kälte des Stahls des Eiffelturms würde sich mit ihrer Körperwärme austauschen, dadurch entstünde eine enge Verbindung. Ihre Beziehung zum Eiffelturm sei von „tiefen spirituellen und hohen emotionalen Gefühlen“ geprägt. Ob Lokomotive, Achterbahn, TwinTowers oder gar Videospielcharakter – immer mehr Menschen bekennen sich öffentlich zu ihrer Liebe zum Objekt bzw. sogar zum virtuellen Objekt. Dieses Phänomen mit einer stärker werdenden Angst vor zwischenmenschlichen Beziehungen zu erklären, wäre sicher kein pauschal anwendbarer Ansatz. Insbesondere die oben vorgestellten engagierten Objektliebhaberinnen vermitteln sehr eindrucksvoll, welche Tragweite und Bedeutung die Beziehung zu einem Objekt haben kann. Rechtlich anerkannt sind solche Ehen, zumindest in unserem Kulturkreis, bisher bekanntlich nicht. Aber mit der Popularität dieser speziellen sexuellen Orientierung wird auch der Wunsch nach Gleichberechtigung wachsen. „Doch die meisten werden sich das niemals trauen“ (Die Ärzte, M&F)? Da bin ich mir nicht so sicher und könnte mir vorstellen, dass in punkto Recht und Liebe auch diesbezüglich ein Novellierungsbedarf auf uns zukommt. Fazit Verheiratet mit dem Eiffelturm - Erika Eiffel Dank der Pionierarbeit der Schwedin begriff auch Erika Eiffel schnell, dass sie keine Laune der Natur ist, sondern dass es mehrere von ihrer Sorte gibt. Ebenfalls bereits als Kind fühlte sich Erika LaBrie, die in Maryland geboren wurde aber bei einer Pflegefamilie in Maine aufwuchs, zu verschiedenen Gegenständen hingezogen. Ihre erste Liebesbeziehung hatte sie zu einer Brücke in ihrer Heimatstadt. Es folgten weitere Gegenstände, zu denen die Amerikanerin eine intensive Beziehung aufbaute. Neben dem japanischen Schwert, das sie während ihrer Zeit an der United States Air Force Academy besaß, und dem ersten Sportbogen der international erfolgreichen Bogenschützin, schenkte sie ihr Herz zwischenzeitlich auch an ein F-15-Kampfflugzeug. Die Liebe ihres Lebens traf die ausgebildete Meteorologin und Kampfsportlerin im Januar 2004. Erika LaBrie besichtigte zum ersten Mal den Eiffelturm in Paris und entwickelte eine innige Beziehung zu dem Bauwerk, das sie interessanterweise Erika Eiffel engagiert sich für Gleichgesinnte. Im Februar 2008 gründete sie mit dem Deutschen Oliver Arndt die Webseite Objectum Sexuality Internationale (OS Internationale), die als ein weltweites Forum für Objektophile und als Informationsplattform über Objektsexualität dient. Zwischenzeitlich ist ein weiteres Objekt in den Mittelpunkt von Eiffels Leben gerückt. 2009 zog sie von Kalifornien nach Berlin. Die Berliner Mauer scheint auf Objektophile eine ganz besondere Faszination auszuüben. Eine Faszination, die sich die US-Amerikanerin erst später eingestehen konnte. 2008 sprach Eiffel erstmals öffentlich über ihr In- Ob Mauer in Berlin oder Eiffelturm in Paris – Manche Menschen fühlen sich nicht von Menschen, sondern durch Objekte angezogen. RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg Fotos: Andrea Vollmer AdVoice 02/15 21 Thema Meistens will die Frau nicht mehr ♥ Liebe in Zahlen, Daten und Fakten Zahl der Eheschließungen in Deutschland 2013: 373.655 ♥ davon Wiederverheiratungen, also beide Ehepartner waren vor der Eheschließung verwitwet oder geschieden: Ausländer: Männer 18.934 ♥ ♥ 58.852 ♥ davon Frau Deutsche, Mann ___ Durchschnittliches Heiratsalter Lediger: 33,6 Jahre /// Frauen: 30,9 Jahre ___ Zahl der Scheidungen in Deutschland 2013: 169.833 /// davon Mann Deutscher, Frau Ausländerin: 24.793 davon Erst-Ehen: 245.429 /// davon vor Ablauf des ersten Ehejahres: 1.900 davon mit minderjährigen Kindern: 49,9 Prozent Durchschnittliche Dauer eine Ehe Ehe aus dem Jahr 2013: 14,8 Jahre /// /// /// davon nach einjähriger Trennung: 141.200 Ehen Zahl der Scheidungen in Deutschland 2003: 213.975 aus dem Jahr 1993: 11,7 Jahre /// /// Prognostizierte Dauer einer Geschätzte Anzahl der Ehen aus 2013, die in den kommenden 25 Jahren geschieden werden werden: 36 Prozent /// Scheidungsanträge durch die Frau: 52 Prozent /// Scheidungsanträge durch den Mann: 40 Prozent /// Gemeinsame Scheidungsanträge: acht Prozent ___ Anteil, der an glaubt: LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK 76 Prozent Frauen, 73 Prozent Männer ___ Anteil der Fernbeziehungen in Deutschland: zehn Prozent Anteil der Deutschen, die an die die meisten Paare zusammenfinden: LIEBE FÜRS LEBEN glauben: 72 Prozent ___ Monate, in denen August, Mai, April, September Januar, Dezember, Juni, März ___ Anzahl der aktiven /// Monate, in denen die wenigsten Paare zusammenfinden: Nutzer auf Online-Dating-Börsen: 7,3 Millionen ___ Zahl der Fachanwälte für Familienrecht 2014: 9.181 /// Zahl der Fachanwälte für Familienrecht 2004: 5.648 ___ Zahl der Prostituierten in Deutschland: Schätzungen zwischen 150.000 und 700.000 /// davon männlich: ca. sieben Prozent /// davon transsexuell: ca. drei Prozent /// davon nichtdeutsch: 73 Prozent aus Bulgarien: 16 Prozent /// aus Rumänien: zwölf Prozent /// Regelmäßige in der männlichen Bevölkerung: ca. Prostitutionskunden 18 Prozent /// Kosten eines nächtlichen Steuertickets für die Prostitutionssteuer am SEXSTEUER- PARKSCHEINAUTOMATEN in Bonn: sechs Euro Quellen: Statistisches Bundsamt, Wikipedia, statista, Robert-Koch-Institut 22 AdVoice 02/15 zusammengestellt von RA Tobias Sommer, Berlin Thema Den Text findet Ihr auch auf S. 63 AdVoice 02/15 23 Magazin Noch ’n Gedicht Skurrile Geschichten aus dem Alltag von Justitia Ein Urteil in Gedichtform, unharmonischer Beischlaf als Reisemangel oder der wahrscheinlich längste Satz in der deutschen Justizgeschichte – man kann nicht sagen, dass es vor deutschen Gerichten nichts zu lachen gibt. Zwar gibt es zu diesem Tatbestand noch keine einschlägigen Urteile. Aber nach herrschender Meinung soll es auch Juristen mit Humor geben. Darum stellen wir Euch jetzt regelmäßig Skurriles und Lustiges aus der Justiz vor. Dazu brauchen wir Eure Hilfe. Wir freuen uns über alle Mitteilungen zu lustigen Sachverhalten, Stilblüten oder einfach zu allem, was irgendwie zum Schmunzeln anregt. Schickt Eure Beiträge einfach an [email protected]. Zur Domestizierung von „Stehpinklern“ Fast die gesamte juristische Fachpresse, einschließlich Bild und Express, hat davon berichtet: Das Amtsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 20. Januar 2015 – Az. 42 c 10583/14 – (durch einen männlichen Einzelrichter), entschieden, dass Mieter – freilich nicht in jedem Zimmer – grundsätzlich im Stehen urinieren dürfen. Das Amtsgericht gab damit einem Mieter Recht, der auf Auszahlung seiner Mietkaution geklagt hatte. Der Vermieter wollte einen Teil der Kaution einbehalten, weil der Marmorboden des Badezimmers durch Urinspritzer abgestumpft war. Das Amtsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Vermieters mit der Begründung abgelehnt, dass der Vermieter den Mieter auf die Empfindlichkeit des Bodens hätte hinweisen müssen, da das Urinieren im Stehen noch weit verbreitet, die daraus resultierenden Gefahren für Böden aber kaum bekannt seien. Im Urteil heißt es dazu wörtlich: „Trotz der in diesem Zusammenhang zunehmenden Domestizierung des Mannes ist das Urinieren im Stehen durchaus noch weit verbreitet. Jemand, der diesen früher herrschenden Brauch noch ausübt, muss zwar regelmäßig mit bisweilen erheblichen Auseinandersetzungen mit – insbesondere weiblichen – Mitbewohnern, nicht aber mit einer Verätzung des im Badezimmer oder Gäste-WC verlegten Marmorbodens rechnen.” Es bleibt abzuwarten, ob sich infolge dieser Rechtsprechung weitere Domestizierungsbemühungen Ob Urteil in Gedichtform oder über Stehpinkler – immer wieder gibt es vor Gericht auch was zu lachen. 24 AdVoice 02/15 oder eher widerstandsfähigere Bodenbeläge durchsetzen werden. Denkbar sind auch das Stehpinkeln untersagende Klauseln in Mietverträgen, wobei die Kontrolle, ob entsprechende Anordnungen auch eingehalten werden, auf diverse technische und rechtliche Schwierigkeiten stoßen könnte. Den Begriff „Domestizierung“ definiert Wikipedia übrigens als einen innerartlichen Veränderungsprozess von Wildtieren und Wildpflanzen, bei dem diese durch den Menschen über Generationen hinweg von der Wildform genetisch isoliert werden, damit ein Zusammenleben mit dem Menschen oder eine Nutzung durch diesen anschaulich „in dessen Haus“ (lateinisch domus), ermöglicht wird. Die Entscheidung ist auch für eventuelle Mitmieter des undomestizierten Wildlings interessant. Denn das Landgericht Berlin hat bereits mit Urteil vom 20. April 2009 – Az. 67 S 335/08 – entschieden, dass eine Mietminderung von zehn Prozent gerechtfertigt ist, wenn im gesamten Wohnbereich die Urinstrahlgeräusche eines „Stehpinklers“ aus der Nachbarwohnung akustisch deutlich und auffällig hörbar sind. Fotos: wandersmann_pixelio.de / Andrea Vollmer Magazin b Von Mahnungen und Urteilen in Versform Gelegentlich, da kommt es vor, dass eine Kammer mit Humor, ganz untypisch für ein Gericht, ein Urteil ganz in Reimen spricht. Das LG Frankfurt hatte zu entscheiden, ob Mahnungen ohne Folgen bleiben, wenn diese nicht, ganz sachlich schlicht, gefasst sind, sondern als Gedicht. Das LG hat es so gesehen: Man muss beim Lesen nur verstehen, dass bestimmte Folgen treten ein, wenn man die Zahlungen lässt sein. Macht ein Gedicht dies klar genug, so begründet es dann auch Verzug. Aus der Mahnung ging dies klar hervor, weshalb der Beklagte hier verlor. Das Urteil kann man – drum werd‘ ich’s lassen – nicht viel weiter zusammenfassen. Man lässt es besser mal so stehen, denn es spricht für sich, Ihr werdet sehen: Ein getrenntes Bett muss kein Reisemangel sein. Aus den Gründen: Tatbestand und Entscheidungsgründe: Maklerlohn begehrt der Kläger mit der Begründung, dass nach reger Tätigkeit er dem Beklagten Räume nachgewiesen, die behagten. Nach Abschluss eines Mietvertrages habe er seine Rechnung eines Tages dem Beklagten übersandt; der habe darauf nichts eingewandt. Bezahlt jedoch habe der Beklagte nicht. Deshalb habe er an ihn ein Schreiben gericht‘. Darin heißt es unter anderem wörtlich (und das ist für die Entscheidung erheblich): „Das Mahnen, Herr, ist eine schwere Kunst! Sie werden‘s oft am eigenen Leib verspüren. Man will das Geld, doch will man auch die Gunst des werten Kunden nicht verlieren. Allein der Stand der Kasse zwingt uns doch, ein kurz‘ Gesuch bei Ihnen einzureichen: Sie möchten uns, wenn möglich heute noch, die unten aufgeführte Schuld begleichen.” Da der Beklagte nicht zur Sitzung erschien, wurde auf Antrag des Klägers gegen ihn dieses Versäumnisurteil erlassen. Foto: Petra Bork_pixelio.de Fraglich war nur, wie der Tenor zu fassen. Der Zinsen wegen! Ist zum Eintritt des Verzug‘ der Wortlaut obigen Schreibens deutlich genug? Oder kommt eine Mahnung nicht in Betracht, wenn ein Gläubiger den Anspruch in Versen geltend macht? Die Kammer jedenfalls stört sich nicht dran und meint, nicht auf die Form, den Inhalt kommt's an. Eine Mahnung bedarf nach ständiger Rechtsprechung weder bestimmter Androhung noch Fristsetzung. Doch muss der Gläubiger dem Schuldner sagen, das Ausbleiben der Leistung werde Folgen haben. Das geschah hier! Trotz vordergründiger Heiterkeit fehlt dem Schreiben nicht die nötige Ernstlichkeit. Denn der Beklagte konnte dem Schreiben entnehmen, er müsse sich endlich zur Zahlung bequemen, der Kläger sei – nach so langer Zeit – zu weiterem Warten nicht mehr bereit. Folglich kann der Kläger Zinsen verlangen, die mit dem Zugang des Briefs zu laufen anfangen. Der Zinsausspruch im Tenor ist also richtig. Dies darzulegen erschien der Kammer wichtig. Wegen der Entscheidung über die Zinsen wird auf § § 284, 286, 288 BGB verwiesen. Vollstreckbarkeit, Kosten beruhen auf ZPO – Paragraphen 91, 708 Nummer Zwo. LG Frankfurt, Urteil vom 17. Februar 1982 Az. 2/22 O 495/81 Von unharmonischem Intimverkehr als Reisemangel Den vielleicht bekanntesten „Klassiker“ skurriler Entscheidung stellt eine Entscheidung des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 25. April 1991 – Az. 5a C 106/91 (NJW 1995, 884 f.) – dar. Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Lebensgefährtin eine Urlaubsreise nach Menorca gebucht. Geschuldet war die Unterbringung in einem Doppelzimmer mit Doppelbett. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe nach der Ankunft feststellen müssen, dass es in dem ihm zugewiesenen Zimmer kein Doppelbett gegeben habe, sondern zwei separate Einzelbetten, die nicht miteinander verbunden waren. Bereits in der ersten Nacht habe dies dazu geführt, dass er hierdurch in seinen Schlafund Beischlafgewohnheiten empfindlich beeinträchtigt wurde. Ein „friedliches und harmonisches Einschlaf- und Beischlaferlebnis“ sei während der gesamten 14-tägigen Urlaubszeit nicht zustande gekommen, weil die Einzelbetten, die zudem noch auf rutschigen Fliesen gestanden hätten, bei jeder AdVoice 02/15 25 Magazin b Fortsetzung Noch ’n Gedicht kleinsten Bewegung mittig auseinander gegangen seien. Ein harmonischer Intimverkehr sei deshalb nahezu völlig verhindert worden. Der Kläger verlangte Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 20 Prozent des Reisepreises. Der erhoffte Erholungswert, die Entspannung und die ersehnte Harmonie mit seiner Lebensgefährtin sei erheblich beeinträchtigt worden. Dies habe bei ihm und seiner Lebensgefährtin zu Verdrossenheit, Unzufriedenheit und auch Ärger geführt. Das Amtsgericht Mönchengladbach hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht näher dargelegt habe, welche besonderen Beischlafgewohnheiten er hat, die fest verbundenen Doppelbetten voraussetzen. Dieser Punkt musste nach Ansicht des Amtsgerichts allerdings nicht aufgeklärt werden, denn es komme nicht auf spezielle Gewohnheiten des Klägers an, sondern darauf, ob die Betten für einen durchschnittlichen Reisenden ungeeignet waren. Dies sei nicht der Fall, denn (O-Ton aus den Entscheidungsgründen): „Dem Gericht sind mehrere allgemein bekannte und übliche Variationen der Ausführung des Beischlafs bekannt, die auf einem einzelnen Bett ausgeübt werden können, und zwar durchaus zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Es ist also ganz und gar nicht so, dass der Kläger seinen Urlaub ganz ohne das von ihm besonders angestrebte Intimleben hatte verbringen müssen.“ Da man das freilich auch anders sehen und insbesondere darüber streiten kann, was denn nun allgemein bekannte und übliche Variationen der Ausführung des Beischlafs sind, hat das Amtsgericht die Entscheidung sicherheitshalber auf eine alternative Begründung gestützt (gewiefte Paragrafenreiter haben halt immer noch was in der Hinterhand): „Aber selbst wenn man dem Kläger seine bestimmten Beischlafpraktiken zugesteht, die ein fest verbundenes Doppelbett voraussetzen, liegt kein Reisemangel vor, denn der Mangel wäre mit wenigen Handgriffen selbst zu beseitigen gewesen. Wenn ein Mangel nämlich leicht abgestellt werden kann, dann ist dies auch dem Reisenden selbst zuzumuten mit der Folge, dass sich der Reisepreis nicht mindert und dass auch Schadensersatzansprüche nicht bestehen. Der Kläger hat ein Foto der Betten vorgelegt. Auf diesem Foto ist zu erkennen, dass die Matratzen auf einem stabilen Rahmen liegen, der offensichtlich aus Metall ist. Es hätte nur weniger Handgriffe bedurft und wäre in wenigen Minuten zu erledigen gewesen, 26 AdVoice 02/15 die beiden Metallrahmen durch eine feste Schnur miteinander zu verbinden.“ Ob man die Probleme des Klägers auch mit anderen einfachen Handgriffen hätte lösen können, hat das Gericht hingegen nicht in Erwägung gezogen. Nun kann man gegen die Argumentation des Amtsgerichts natürlich einwenden, dass der Kläger eine feste Schnur im entscheidenden Moment womöglich nicht zur Hand hatte, was jedenfalls in der ersten Nacht einem wilden und leidenschaftlichen – oder in den Worten des Klägers: einem friedlichen und harmonischen – Beischlaferlebnis entgegen stand. Auch dieses Problem hat das Amtsgericht aber gesehen und gelöst: „Es mag nun sein, dass der Kläger etwas Derartiges nicht dabei hatte. Eine Schnur ist aber für wenig Geld schnell zu besorgen. Bis zur Beschaffung dieser Schnur hätte sich der Kläger beispielsweise seines Hosengürtels bedienen können, denn dieser wurde in seiner ursprünglichen Funktion in dem Augenblick sicher nicht benötigt.“ Für die einen ist es ein Urteil, für die anderen der vielleicht längste Satz der Welt Mit Urteil vom 6. April 1993 – Az. 1 Sa 10/91 – hat das LAG Chemnitz, wohl den Sinn und Zweck des – nach § 46 ArbGG auch in Verfahren vor den Arbeitsgerichten geltenden – § 313 ZPO verkennend, der darin liegen dürfte, dass ein Urteil nicht nur, wie der Wortlaut der Vorschrift es bereits vorgibt, hinsichtlich des Tatbestandes knapp und hinsichtlich der Entscheidungsgründe kurz, sondern darüber hinaus, nicht zuletzt, um das Vertrauen der Beteiligten in die Justiz zu stärken, auch sprachlich derart verständlich sein soll, dass auch nicht juristisch oder sprachwissenschaftlich vorgebildete Leser es zu verstehen in der Lage sind, ein gesamtes Urteil, mit Ausnahme des Rubrums und der Tenöre, mithin sowohl den Tatbestand als auch die Entscheidungsgründe, in nur einem einzigen, nämlich dem nachfolgend abgedruckten und aus insgesamt 368 Wörtern beziehungsweise, wenn man die Leerstellen einberechnet, 2633 Zeichen umfassenden Satz, der an Unverständlichkeit kaum zu übertreffen ist, abgefasst: „In Anbetracht dessen, dass die am 25.10.1939 geborene, geschiedene Klägerin seit Oktober 1966 bei der Beklagten als Hortnerin tätig war, ihr am 31.3.1992 zum 30.9.1992 mit Wirkung ab 1.10.1992 eine Änderungskündigung mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung mit 30 Wochenstunden ausgesprochen wurde, sie dies nur unter Vorbehalt annahm, und am 14.4.1992 hiergegen Klage erhob, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß gehört sei sowie die Sozialauswahl falsch sei, sie demgemäß beantragt hat, die Änderungskündigung für ungerechtfertigt zu erklären und Abweisung der Klage von der Beklagten beantragt worden ist, weil die Zahl der zu betreuenden Kinder von 35 auf 20 gesunken sei und entweder eine Hortnerin hätte entlassen werden oder beide auf 30 Stunden hätten herabgesetzt werden müssen und das im Einverständnis des Personalrats geschehen sei, die Beklagte am 12.1.1993 Berufung gegen das am 23.12.1992 zugestellte, der Klage wegen unzureichenden Vortrags zur Anhörung des Personalrats stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt und am 11.2.1993 – nach Verlängerung der Frist bis zum 12.3.1993 – begründet hat unter Wiederholung ihres Vorbringens nunmehr beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Klage abzuweisen und Zurückweisung der Berufung von der Klägerin beantragt wird, weil die Sozialauswahl falsch sei, da sie ältere Rechte als die erst seit 13 Jahren beschäftigte 32 Jahre alte Kollegin habe, war nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Personalrätin Zeugin B zu entscheiden, dass die Klage unbegründet ist, nachdem auf Grund der Beweisaufnahme feststeht, dass die Personalratsanhörung rechtzeitig, vollständig und deshalb ordnungsgemäß war, der starke Rückgang der Kinderzahl eine Herabsetzung der Betreuungskräfte auch aus Kostengründen erforderlich machte und nach der Bedarfskündigungsregelung des Einigungsvertrages Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 2 bis zum 31.12.1993 eine Herabsetzung der Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst erleichtert möglich ist, diese Regelung auch für die Änderungskündigung gilt und § 1 KSchG ersetzt sowie eine gleichmäßige Herabsetzung der Arbeitszeit für beide Hortnerinnen einer vernünftigen Auswahl und Regelung entspricht, zumal die Klägerin zwar älter und länger beschäftigt, die Kollegin aber verheiratet ist und zwei Kinder hat, so daß unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage mit der Kostenfolge des 91 ZPO abzuweisen und die Revision nicht zuzulassen war, da es sich um einen besonders gelagerten Einzelfall handelt, und folglich nur auf die Nichtzulassungsbeschwerde des § 72 a ArbGG hinzuweisen ist.“ Noch Fragen? Zusammengestellt v. RA Andreas Hansmeier Kennt Ihr weitere skurrile Urteile? Schreibt uns an [email protected] Foto: Lupo_pixelio.de Magazin Das Schlechte macht' ich krumm, Das Krumme macht' ich schlecht, Drei Sachen nährten mich: Verwirrung, Zank und Recht. GEDICHT DES MONATS Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1617-1679) deutscher Barock- und Epigrammdichter Quelle: Grabinschrift AdVoice 02/15 27 Magazin Ich komme nie mehr hierher zurück Ausgezeichnete Menschrechtsfilme Im Film „Camp 14“, der das Grauen in einem nordkoreanischen Lager zeigt, werden besonders grausame Szenen nur in Form eines Comics dargestellt. Wozu Menschen fähig sind, wissen wir spätestens seit den Bildern aus den deutschen Konzentrationslagern, die als Beweise in den Nürnberger Prozessen der Welt die Augen geöffnet haben. Doch immer noch geschieht derartiges Unrecht tagtäglich in den verschiedensten Ecken dieser Welt. Derzeit sind weltweit so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Nach Berechnungen der UNO waren es im Jahr 2013 mehr als 51 Millionen. 16,7 Millionen von ihnen gelten nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge. Neun von zehn Flüchtlingen (86 Prozent) leben in Entwicklungsländern, da die meisten Flüchtlinge lediglich in ein angrenzendes Nachbarland fliehen. Den weit größeren Teil – 33,3 Millionen – bilden sogenannte Binnenvertriebene. Sie fliehen innerhalb ihres eigenen Landes, ohne dabei internationale Landesgrenzen zu überschreiten. Nicht nur aus dem Blickwinkel der Menschrechte passieren auf diesen Fluchten die ungeheuerlichsten Geschichten. Flüchtlinge werden nicht nur ausgenutzt und gedemütigt, sondern auch gefangen genommen, verkauft, gefoltert und auf unvorstellbare Art erniedrigt. All dies führen die Preisträger des deutschen Menschenrechtsfilmpreises 2014 nur allzu deutlich vor Augen. 28 AdVoice 02/15 416 Einreichungen, davon allein 146 für neu geschaffene Kategorie Langfilme, gab es im Jahr 2014 für die insgesamt sechs Preiskategorien. Allein diese große Zahl zeigt den Bedarf und das große Interesse an diesen Preisen, die auch der deutsche Anwaltverein unterstützt. Bei der Vorführung der Preisträgerfilme in Berlin wurde sogar diskutiert, ob bei diesem überwältigenden Interesse der Preis auch jährlich vergeben werden könnte. Derzeit werden die Filme im Zweijahresrhythmus ausgezeichnet, wir berichteten (AdVoice 2/2013, S. 32ff und 1/2011, S. 30ff). Die gemeinsame Klammer, das übergeordnete Thema bei den Preisträgern im Jahr 2014 waren Fluchtgeschichten. Zwei Filme tragen das Wort Flucht bereits im Titel. Erniedrigungen sind auf den gezeigten Fluchten an der Tagesordnung, das Bangen um die Schicksale drückt die Zuschauer in die Kinosessel. Die gezeigten Menschenrechtsverletzungen sind so vielfältig und zahlreich, dass man schreiend davonlaufen möchte. Und das, obwohl die Grausamkeiten häufig nur beschrieben oder mit filmischen Tricks wie Comics nachinszeniert werden. Dennoch berühren die Geschichten, rütteln wach und ermöglichen aus unserer behüteten Perspektive einen Einblick in fremde Welten und ihre täglichen Gefahren. CAMP 14 - TOTAL CONTROL ZONE Jeden Tag gab es in Camp 14 für ihn das gleiche Essen. Maisklösschen mit Kohlsuppe. Dreimal am Tag. Jahrelang. Immer war es zu wenig. Shin hatte ständig Hunger. Wer in den Augen der Aufseher einen Fehler begangen hatte, bekam nur eine halbe Portion. Als Shin von den Fluchtplänen seines Bruders erfährt, verrät er Bruder und Mutter an seinen Lehrer in der Hoffnung, sich dafür wenigstens einmal satt essen zu dürfen. Mutter und Bruder werden hingerichtet, Shin muss zusehen. Satt essen darf er sich nicht. Den Preis in der Kategorie Langfilm hat der Dokumentarfilm „Camp 14 – Total Control Zone“ gewonnen. Zu Recht. Die Lebensgeschichte des 1983 geborenen Nordkoreaners Shin Dong Huyk ist atemberaubend und an Grausamkeit kaum zu überbieten. Er wird in einem nordkoreanischen Straflager geboren und ist deshalb seit seinem sechsten Lebensjahr zur Zwangsarbeit in einem Bergwerk verpflichtet – als politischer Häftling. Er ist das Kind einer Zwangsprostituierten. Seine Mutter wurde einem anderen Häftling zur Belohnung überlassen, weil dieser besonders gut gearbeitet hatte. Er hat einen Bruder, aber keine richtige Familie. Familienleben, Emotionen, Gefühle, Denken – alles wird in den Lagern unterdrückt. Nach Fotos: Deutscher Menschenrechts-Filmpreis Magazin Y Schätzungen sollen etwa 200.000 Nordkoreaner in solchen Lagern leben. Reale Bilder aus den Lagern gibt es in dem Film nicht, doch die Filmemacher haben das Dilemma mit Animationen in blaugrau aufgelöst. An einer Stelle erzählt Shin einem Zeichner vom Lager, das Bild des Lagers entsteht dabei auf der Leinwand per Zeichenstift und durch die Erzählung auch direkt im Kopf der Zuschauer. schrien sie an: Als Schweine wäret ihr wenigstens zu etwas Nutze. Kurzum, im Lager gilt das Leben der Häftlinge unwichtiger als das Leben eines Wurmes. Sie können sich sowieso nicht wehren, auch wenn sie geschlagen werden. Mit den Gefangenen konnte ich alles machen, wonach mir zumute war. Die Entscheidung, ob ich sie umbringe oder am Leben lasse, war allein mir überlassen.“ Der Film entwickelt einen eigenen Sog und bleibt lange im Gedächtnis. Dem Protagonisten Hyuk ist die Flucht aus dem Lager zwar gelungen, inzwischen lebt er in Südkorea und erzählt seine Geschichte auf internationalen Konferenzen. Doch die Vergangenheit holt ihn immer wieder ein, eine innere Freiheit hat er aufgrund seiner Erlebnisse nicht und wird sie vermutlich auch nie finden. An einer Stelle im Film zählt Hyuk die zahlreichen Regeln und Verbote im Lager auf. Immer wieder wiederholt sich die Strafe: „... wird erschossen.“ Sie gilt für Flucht, Fluchthilfe oder ungemeldete Mitwisserschaft. Aber auch banale Verstöße werden radikal geahndet. Besonders perfide: „Wer sich gegenüber seiner Schuld eine eigene Meinung bildet, wird erschossen.“ Ebenfalls zu Wort kommt Oberkommandant OhYoung-Nam: „Wenn wir unsere Hände nicht schmutzig machen wollten, wählten wir eine Gruppe von Häftlingen aus. Ich sagte: Ihr tötet einen von euch, oder ich töte euch alle. Warum sollte man sich selbst beschmutzen und an seinen eigenen Händen Blut kleben sehen? Es gab ja einfache Wege. Ich hatte nie das geringste Schuldgefühl, auch wenn ich dort so viel getötet habe. Nach der Hinrichtung eines normalen Verbrechers wurde uns eine Sonderration gewährt: ein bisschen Fleisch und zwei Flaschen Alkohol. In Straflagern für politische Gefangene gibt es so ein System der Belohnung nicht. Wenn wir jemanden erschossen hatten, dachten wir, dass es das Richtige war, um die Nation zu schützen. Deshalb hielt ich es für selbstverständlich.“ „Kurzum, im Lager gilt das Leben der Häftlinge unwichtiger als das Leben eines Wurmes.“ Auch der Lagerkommandant Kwon Hyuk erzählt vor der Kamera freimütig über das Lagerleben und bestätigt damit die Geschichten: „Nach der Deportation ins Camp werden sie nicht mehr als Menschen, sondern wie Tiere behandelt. Wir, die Wärter, Doch Shin ist innerlich zerrissen. Er wirkt mehr als nur leicht depressiv, am Ende des Films wird deutlich, dass das Lager trotz aller Grausamkeiten auch seine Heimat ist. Hier kennt er sich aus, hierhin will er irgendwann zurück. Zugleich hat Shin aufgrund seiner Geschichte einen unverstellten Blick auf die westliche Welt und ihre Werte und erlaubt uns eine Reflektion genau dieser Werte. So erzählt er davon, wie seltsam es ihm vorkommt, dass alle CAMP 14 „Wir lebten dort lediglich, um die Regeln des Arbeitslagers zu befolgen und am Ende unseres Lebens den Tod zu empfangen. Solch einen Ort bezeichnen die Wärter als „Total Control Zone“. Wir wussten nichts von der Außenwelt. Wir wussten nur, dass unsere Eltern und Vorfahren sich schuldig gemacht hatten und wir deswegen fleißig arbeiten müssen, um diese Schuld zu bereinigen. Nie sah ich, dass jemandem die Strafe erlassen wurde und er das Arbeitslager verließ. Daher dachte keiner von uns, dass wir diesen Ort je verlassen werden. Es gab manchmal Menschen, die aus Angst vor Schlägen und aus Hunger Fluchtversuche unternahmen, aber sie wurden zum Hassobjekt der Hinterbliebenen und empfingen auf einem öffentlichen Hinrichtungsplatz den Tod.“ Shin Dong Huyk in dem Film Camp 14 Roma-Ghetto in Bulgarien aus dem Film „Nadesha“. Leute in Südkorea dem Geld hinterherrennen. Wenn man zu wenig davon habe, gehe es einem schlecht. Im Lager war das nicht so. Dort gab es kein Geld. Schlecht ging es den Insassen, wenn sie zu wenig Essen hatten. Und das war eigentlich immer der Fall. Doch ob die Geschichte stimmt oder nicht und wie viel Wahrheit am Ende darin steckt, wissen derzeit wohl nur die Geheimdienste. Der Buchautor der Dokumentation Blaine Harden, der vorher die Autobiographie „Escape from Camp 14: One Man’s Remarkable Odyssey from North Korea to Freedom in the West“ erklärte Anfang des Jahres 2015 auf seiner Website, dass er von dem angeblich aus der Demokratischen Volksrepublik Korea entflohenen und misshandelten Gefangenen Shin Dong-hyuk betrogen wurde. Er habe erfahren, dass Shin ihm einige Details vermutlich falsch geschildert hat. In einem Telefonat soll Shin mitgeteilt haben, dass er die Termine, Orte und Umstände nicht für so signifikant gehalten habe. Die New York Times berichtete im Januar 2015 über den Poster Boy gegen nordkoreanische Menschenrechtsverletzungen und seine Geschichte, dass er nach eigener Aussage wohl die meiste Zeit im weniger brutalen Camp 18 gelebt habe und seine Verletzungen später und aus anderen Gründen davongetragen habe. AdVoice 02/15 29 Magazin Fortsetzung Ich komme nie hierher zurück Die abenteuerliche Flucht aus Sicht eines Kindes schildert der Kurzfilm „Mohammed“. MOHAMMED AUF DER FLUCHT Der Kurzfilm „Mohammed auf der Flucht“ erzählt aus der Sicht von Kindern für Kinder die erschütternden Zustände einer syrischen Familie auf der Flucht. Plastikplanen flattern im Wind einer Notbehausung neben einem überfüllten Flüchtlingscamp an der syrischen Grenze in der Türkei. Unter den Planen leben ganze Familien. Die Kinder spielen und erobern sich trotzdem die Welt, holen Wasser und werden von Hilfsorganisationen zum Arzt gebracht – immerhin. Es wird kalt. Wird der Umzug in ein richtiges Flüchtlingsheim gelingen? Ein letzter Rest Hoffnung besteht, die Kinderaugen strahlen noch. Spirale schrauben sich die Erlebnisse ineinander – nichts scheint ausgelassen. „Wie eine Spirale schrauben sich die Erlebnisse ineinander – nichts scheint ausgelassen.“ YUSSUF – DIE GESCHICHTE EINER FLUCHT Der Freund stirbt, Fluchthelfer erpressen die hilfund wehrlosen Flüchtlinge und geben ihnen nur benzinverseuchtes Wasser, mehrfach muss Yussuf Todesängste ausstehen, er fährt mit einem überfüllten Boote über das Mittelmeer, treibt tagelang hilflos herum ohne Treibstoff, kommt in ein libysches Gefangenenlager, flüchtet, der Bootsführer wird vor seinen Augen erschossen, weil er sich weigert, mit dem überfüllten Boot abzulegen usw. Der kurze Magazinbeitrag „Yussuf – Die Geschichte einer Flucht“ erzählt wiederum die unglaubliche, abenteuerliche und unmenschliche Fluchtgeschichte des Somaliers Yussuf. Die Autoren des Beitrags haben ihren Protagonisten, der eigentlich nur Fußball spielen will, während ihrer Recherche, bei der sie einem Monat in einem deutschen Asylheim lebten, kennengelernt. Ein Unglück, ausgelöst durch unmenschliches Verhalten, jagt in dem kurzen Beitrag das nächste. Um all die Schicksalsschläge nachzuerzählen, benötigt man mehr Zeit, als die knapp acht Minuten, die der Film lang ist. Wie eine Es grenzt an ein Wunder, dass ein Mensch all das überleben kann und immer noch Fußball spielt. Doch Yussuf ist in zwischen in Deutschland angekommen und trainiert bei dem Verein Darmstadt 98 mit. Der Trainer äußert sich positiv, doch jetzt droht die Abschiebung nach Italien als sicheres Herkunftsland. Der Magazinbeitrag öffnet einmal mehr die Augen. Es gibt Fälle, da gibt es kein Zurück in die Heimat. Die Flüchtlinge sind den Schleppern ausgeliefert. Diese nutzen das System und die Flüchtlinge auf grausame Art aus. Wer nicht noch mehr zahlt, muss sterben oder wird verkauft. 30 AdVoice 02/15 Fotos: Deutscher Menschenrechts-Filmpreis NADESHDA Auch in dem Film Nadeshda kommen vor allem die Kinder zu Wort. Es fällt die Frage: „Wo sind unsere Gesetze?“ Die Antwort: „Hier gibt es keine.“ Nadeshda heißt Hoffnung. Das wiederum ist pure Ironie. Denn die meisten Bewohner des bulgarischen Ghettos, das diesen Namen trägt, scheinen gar nicht mehr auf ein besseres Leben zu hoffen, sondern haben sich in dieser europäischen und doch so fremden Welt eingerichtet. Der Film ist eine Bestandsaufnahme eines Roma-Ghettos, in dem auf 400 x 550 Metern rund 20.000 Menschen leben. Das ist eine viermal höhere Einwohnerdichte als in Deutschlands am dichtesten besiedelter Großstadt München, nur sind die Häuser gerade zwei bis drei Stockwerke hoch und teilweise verfallen. Pferdewagen sind hier noch ein ganz normales Transportmittel. Kinder werden entführt, entjungfert und sind dann zur Heirat gezwungen. Davor will ein Vater seine Tochter bewahren. Ein leicht verwahrlostes Mädchen, wie sie auch bettelnd in Deutschland am Straßenrand sitzen, wird mit den Füßen von anderen Kindern achtlos weggetreten und trollt sich, weil diese dort spielen wollen. Inner- Magazin Y Finde den Fehler: Zwei Paare machen exakt dasselbe – und doch gibt es einen Unterschied (links). Rechts eine Szene aus dem Film „Bahar im Wunderland“. halb des Ghettos gibt es eine Unterschicht, eine Mittelschicht und auch eine Oberschicht. Offensichtlich sehnen sich viele Roma nach einem „normalen“ Leben. Von den Bulgaren wiederum, die an der Grenze zum Ghetto leben, werden sie unterschiedslos ausgegrenzt. Hoffnung wiederum gibt das Projekt „Musik statt Straße“, wo Musiklehrer den Kindern eine andere Welt zeigen und auch, wozu sie fähig sind, wenn sie üben, lernen und einen Willen hierzu entwickeln. Zuletzt wird er gezeigt: Ein Porzellanpferd auf dem Wohnzimmertisch schaut in unterschiedliche Richtungen. Filmemacher Gerhard Prügger und sein Verein „all inclusive“ werben mit dem Film für die Gleichbehandlung homosexueller Paare. Verein und Regisseur wurden für den trickreichen Kurzfilm mit dem Menschenrechts-Filmpreis in der Kategorie Amateure ausgezeichnet. BAHAR IM WUNDERLAND Ein kleiner Junge, der in einem Auto spielt wird interviewt. Auf die Frage, wohin er gerade fährt, antwortet er: „Nach Spanien.“ „Und, was machst Du da?“, fragen die Filmemacher. Die verblüffend einfache Antwort aus dem Kindermund bringt das Leben in dem Ghetto auf den Punkt: „Ich komme nie mehr hierher zurück.“ FINDE DEN FEHLER Amateurfilme sind mittlerweile längst keine „Amateur“filme mehr. Der Bilderrätsel-Film „Finde den Fehler“ ist der beste Beweis dafür. In dem lediglich zwei Minuten dauernden Streifen laufen zwei identische Szenen parallel: Links ein homosexuelles, rechts ein heterosexuelles Paar. Der Zuschauer soll während der zwei Minuten Filmdauer herausfinden, was nicht stimmt, den „Fehler“ suchen. Der Kurzfilm „Bahar im Wunderland“ ist eine Familiengeschichte und ein Märchen zugleich. Inspiriert von dem Buch „Alice im Wunderland“ wirft er, poetisch erzählt, Fragen auf zu den Themen Flucht, Familie und Einsamkeit. In der Jurybegründung zu dem Film heißt es zutreffend: „Ein anderer Blick auf das Thema Flucht, der auf Stereotype verzichtet: Das reale Leid und die Entwurzelung, mit denen Flüchtlinge tagtäglich und weltweit konfrontiert sind, werden angedeutet, bilden aber mehr den Hintergrund der Geschichte. Im fremden Blick des Kindes wird die Wirklichkeit verdoppelt und für kurze Zeit zum Verschwinden gebracht – um am Schluss wieder mit dem grellen Neonlicht der Zelle konfrontiert zu werden. Ein modernes Märchen? Die Augen schließen – und alles wird gut? Sind die Kraft der Imagination und der Fantasie stärker als die Realität? Oder nur eskapistische Flucht? Der Film gibt keine Antworten, sondern lässt diese und viele weitere Fragen bewusst offen. Er endet mit einem Bild der Ungewissheit, in dem vieles angedeutet und doch nichts vereindeutigt wird. Durch diese Offenheit bietet der Film in den verschiedensten pädagogischen Feldern Ansatzpunkte, um zentrale Menschenrechtsthemen wie Flucht, Asyl und Menschenwürde anzusprechen. „Bahar im Wunderland“ bringt uns zum Nachdenken, Innehalten, Zweifeln. Aus diesem Grund zeichnen wir den Film mit dem Deutschen Menschenrechts-Filmpreis in der Kategorie Bildung aus.“ Der Film schafft es in kurzer Zeit, die universellen Themen zu verdichten. Das könnte auch daran liegen, dass der iranische Regisseur selbst eine abenteuerliche Flucht erlebt hat und einst aus dem Iran über die Sowjetunion in die DDR und dann weiter nach Westberlin geflohen ist. „Die Kraft des Kinos liegt in den Bildern“, sagt der Regisseur Behrooz Karamizade, der es mit seinen Bildern schafft, in den knappen Minuten eines Kurzfilms eine suggestive Kraft zu entwickeln und den Zuschauer in eine Situation hinzuziehen, in der man dem Kind sofort zu Hilfe kommen möchte. So viel sei verraten: Für das Asylproblem von Vater und Tochter gibt es zwar keine Lösung, innerhalb der Filmebene gibt es aber ein Happy End. Nadeshda. RA Tobias Sommer, Berlin AdVoice 02/15 31 Magazin 32 AdVoice 02/15 Magazin Unser Gericht des Monats Der Gerichtshof der Europäischen Union Die zwei goldenen Türme glänzen majestätisch in der Abendsonne. Ihr 27. Geschoss bildet den höchsten Punkt des ehrwürdigen Luxemburger Kirchberges, wo auch der Rechnungshof, das Messezentrum, die Philharmonie und das Musée d’Art Moderne GrandDuc Jean angesiedelt sind. Ein ehrwürdiger Platz für das Herz der europäischen Justiz - den Gerichtshof der Europäischen Union. Erst 1972 erhielt der Gerichtshof mit dem Palais de Justice ein eigenes Gebäude. Errichtet im Jahre 1952 war er zuvor in zwei angemieteten Gebäuden untergebracht. Mit Europa wuchs jedoch auch der Gerichtshof, und es wurde eine umfangreiche bauliche Erweiterung notwendig. Die Planung übernahm der französische Architekt Dominique Perrault. Er gliederte seinen Entwurf in vier Bereiche: Sanierung und Neugestaltung des Palais de Justice sowie Neubau eines Ringgebäudes und zweier Türme. Die Fertigstellung des imposanten Gebäudekomplexes erfolgte 2008. Besonders beeindruckend sind die zwei schmalen goldenen Türme. Die rundum golden schimmernde Hülle der scharfkantigen Türme besteht aus einem Aluminiumgewebe, dessen Paneele speziell für diese Anwendung entwickelt wurden. Der Gerichtshof der Europäischen Union beherbergt das gesamte Gerichtssystem der Europäischen Union. Dieses besteht aus drei eigenständigen Gerichten: dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), dem Gericht der Europäischen Union (EuG) und dem Gericht für den öffentlichen Dienst. RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg Foto: pixabay/Marc Schneider AdVoice 02/15 33 Magazin Justitias Geldgeschenke - Millionen frei verteilt Wie Richter und Staatsanwälte tricksen können, wenn sie wollen Justitia ist und bleibt blind. Sie sieht nicht, welches Geld in welche Taschen wandert. Jedes Jahr werden in Deutschland tausende Strafverfahren eingestellt, weil der Beschuldigte eine Geldauflage zahlt. Ein Prozess ohne Urteil. Keine Akte. Es bleibt nur ein Dokument, in dem erfasst wird, wohin der Angeklagte das Geld überweisen soll. Der Richter kann die Staatskasse oder eine gemeinnützige Einrichtung auswählen. Sein Beschluss wird nirgends veröffentlicht. Über hundert Millionen Euro wurden so im vergangenen Jahr fast ohne Kontrolle verteilt. Unter denen, die das Geld bekommen, finden sich auch Schützen- und Karnevalsvereine, der ADAC oder Clubs, in denen Justizangestellte im Vorstand sitzen. Hunderte Millionen Euro haben Beschuldigte auf diesem Weg in den vergangenen Jahren gezahlt, damit Strafverfahren in Deutschland eingestellt werden. Das Geld der Richter und Staatsanwälte soll vor allem in Projekte fließen, die der Vorbeugung von Verbrechen dienen, den Opfern soll geholfen werden oder auch entlassenen Straftätern. Aber passiert das wirklich? Wohin geht das ganze Geld? 34 AdVoice 02/15 Tatsächlich ist undurchsichtig, wie die Millionen verteilt werden. Es gibt keine zentrale Sammelstelle für die Zahlungen, die Daten werden lückenhaft erfasst, eine Kontrolle findet so gut wie nicht statt. Richter, Staatsanwälte und hunderte Millionen Euro bleiben sich selbst überlassen. Nur selten fällt auf das System ein Schlaglicht wie im Fall von Bernie Ecclestone, der sich gegen Zahlung von 100 Millionen US-Dollar vor dem Gericht München freikaufen konnte. Die Süddeutsche Zeitung schrieb dazu: „Zahlt ein Täter genug Geld, ist die Sache aus der Welt.“ Foto: ivo_mayr den vergangenen Monaten in ganz Deutschland bei mehr als 50 Ministerien und Gerichte recherchiert und als Ergebnis alle verfügbaren Fakten über die verteilten Millionen aus den deutschen Gerichten zusammengeführt. Es ist eine Datenbank entstanden, in die jeder Interessierte reinschauen kann. Darin finden sich Tausende Vereine, die Geld bekommen haben. Etliche Vereine haben wenig bis gar nichts mit dem Täter-Opfer- Ausgleich oder der Strafvorbeugung zu tun. Ausgrabungen in Ägypten - Der Fall Memnon „Etliche Vereine haben wenig bis gar nichts mit dem Täter-Opfer-Ausgleich oder der Strafvorbeugung zu tun.“ Schon in der Vergangenheit wollten Leute zusammentragen, wohin die Justiz das Geld verteilt. Bis jetzt sind alle gescheitert. Zu groß war der Widerstand aus den Behörden. Nur für einige wenige Gerichte waren die Zahlungen öffentlich. Das unabhängige Investigativ-Büro CORRECT!V hat in Allein der Verein Memnon hat in den vergangenen drei Jahren 62.000 Euro erhalten. Damit bezahlt er eine Ausgrabung in Ägypten. An die lukrative Förderung kam der Verein ausgerechnet über eine Richterin, über Ursula Lewenton. Sie fährt im Jahr 2002 nach Ägypten, ins Deutsche Haus in Luxor. Dort graben Archäologen die größte Tempelanlage des Landes aus, die Gedenkstätte für Magazin $ Pharao Amenophis III. Die Münchner Richterin lernt dort die Grabungsleiterin Hourig Sourouzian kennen. Die beiden Frauen verstehen sich. Sourouzian braucht Geld für ihre Arbeit, Lewenton weiß, wo Geld zu holen ist: Sie arbeitet am Oberlandesgericht München, und dort werden immer wieder Schätze verteilt. Zurück in der bayrischen Landeshauptstadt macht sich die Richterin ans Werk. Sie gründet den Verein Memnon. Er soll Geld aus der Justiz einstreichen und in die Grabungen in Ägypten stecken. Diese Art der Geldgabe ist nicht strafbar. Aber es bleibt fragwürdig, wenn Richter den Verein einer Ex-Richterin finanzieren. Wenige Monate nachdem Lewenton in Rente geht, spricht sie ihre ehemaligen Kollegen an Gerichten und in den Staatsanwaltschaften an. Sie verteilt Flyer und selbstgedrehte Videos, die sie von ihren Besuchen in Ägypten mitbringt. Die Strategie geht auf. Immer wieder, wenn ein Verfahren gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt wird, entscheiden Richter und Staatsanwälte: Memnon soll das Geld bekommen. Der Club der Kollegin. Woher das Geld kommt? „Staatsanwaltschaft München 1, Staatsanwaltschaft München 2, Ingolstadt”, sagt Lewenton. Alles Gerichte und Staatsanwaltschaften, in denen die Memnon-Gründerin gut bekannt ist. Zwischen 2007 und 2013 bekommt Memnon 89.335 Euro aus der Justiz. Das belegen Unterlagen des Oberlandesgerichtes München, in denen Zahlungen an gemeinnützige Vereine erfasst sind. In den Jahren davor floss noch mehr Geld von den Gerichten an den Verein der Ex-Richterin. Wie viel genau, das will Lewenton aus Datenschutzgründen nicht sagen. Und die Gerichte wissen es nicht, weil die entsprechenden Unterlagen vernichtet wurden. „Daten, die älter als zwei Jahren sind, werden gelöscht“, sagt eine Sprecherin des bayerischen Justizministeriums. Niemand sagt, wie viel Geld Memnon wirklich bekam. Zu den acht Gründungsmitgliedern des Vereins zählen zwei weitere Richterinnen, beide sind noch aktiv. Eva Spangler arbeitet als Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht München. Sibylle Dworazik führt seit einigen Jahren als Präsidentin das Landgericht Ingolstadt. Lewenton sagt, dass die beiden Richterinnen nicht selbst Memnon Geld zugewiesen hätten. Es soll „kein falscher Eindruck“ entstehen. Auch Spangler und Dworazik betonen gegenüber CORRECT!V, dass sie selbst Memnon nie Geld aus Verfahren gegeben hätten. Der Vorsitzende des bayerischen Rechtsausschusses, Franz Schindler (SPD) findet dieses Vorgehen anrüchig. „Da lässt sich eine ehemalige Richterin für ihren Ruhestand quasi ihr Hobby finanziell ausstatten.” Richterin Lewenton sagt, sie habe keine „privaten“ Verbindungen ausgenutzt, sondern nur die „kollegialen“. Sie habe immer direkt den Behördenleiter angesprochen, „ganz offiziell“. Sie sagt: „Ich habe den Vorteil, dass ich den Kontakt habe.“ Auf Nachfrage von CORRECT!V hat das bayerische Justizministerium den Vorgang geprüft. Die oberste Landesbehörde ermittelte dabei nicht, welche Justizangestellten Geld an Memnon verteilt haben. Stattdessen sprach das Ministerium mit der Vereinsgründerin Lewenton. Die Ex-Richterin wiederholte ihre Aussage: Kein Richter, der gleichzeitig Mitglied ihres Vereins sei, habe Geldauflagen an den eigenen Verein überweisen lassen. Das reichte den ministerialen Ermittler als Untersuchung im eigenen Haus. Ihr Ergebnis: Es liegt kein „Fehlverhalten von Justizbediensteten“ vor. Die unabhängigen und intransparenten Richter Richter und Staatsanwälte können die Geldbuße an einen gemeinnützigen Verein weiterreichen, trotzdem gilt für das Verfahren in den meisten Bundesländern die Richtlinie: Das Geld soll an Opfer oder in die Prävention gehen. Richter jedoch können selbstständig entscheiden, wer das Geld bekommt. Allein im vergangenen Jahr verteilten deutsche Richter und Staatsanwälte mindestens 80 Millionen Euro, die Dunkelziffer ist groß. Wie kommt es zu solch hohen Summen? Martin Wenning-Morgenthaler, Sprecher des Bundesvorstands der Neuen Richtervereinigung, glaubt nicht, dass Richter ihre Verfahren betriebswirtschaftlich angehen. Bei den Angeklagten – gerade bei Prominenten – erkenne er aber das Interesse „möglichst schnell wieder aus den Medien raus“ zu sein. Wenn eine Freiheitsstrafe drohe, zahle man lieber Geld, sagt Wenning-Morgenthaler. Nach den Recherchen von CORRECT!V werden etliche Zuweisungen nicht erfasst. In Bayern müssen Vereine zum Beispiel an die Justiz melden, wie viel Geld sie bekommen haben. Ob die Summe stimmt, wird aber nicht kontrolliert. Wenn eine Meldung vergessen wird, erfährt davon niemand. Und wählt ein Richter eine Einrichtung aus, die das Gericht nicht zuvor auf einer zentralen Liste erfasst hat, gibt es nicht einmal eine Stelle, an der die Zahlungen gesammelt werden. Theoretisch könnten Richter alle Geldauflagen an ihre privaten Kegelvereine geben und niemand würde es merken. „Lücke in der Datenerfassung macht das System korruptionsanfällig.“ Diese Lücke in der Datenerfassung „macht das System korruptionsanfällig“, sagt ein Sprecher der Hamburger Justizbehörde. Am Ende gehe es um die Frage der Selbstkontrolle. Kann man davon ausgehen, dass alle Richter vernünftig handeln, nur weil es zum Berufsethos gehört? Und profitieren am Ende die Personen, denen das System besonders gut vertraut ist? Richter sollten schriftlich begründen, warum sie einer Einrichtung Geld geben. Das würde die „richterliche Unabhängigkeit“ stärken und Möglichkeiten beschränken, korrupt zu handeln. Das schrieb der Landesrechnungshof Niedersachsen schon 2009 nach einer Routineprüfung. Die Landesregierung veranstaltete daraufhin Kurse mit Fortbildungen zur Korruptionsvorbeugung. Auch 2014 musste in Deutschland kein Richter begründen, wie er Bußgelder verteilt. Der Bundesrechnungshof verweist auf Anfrage von CORRECT!V an die Länder. Doch dort sammeln die meisten Oberlandesgerichte und Justizministerien lediglich Daten – und prüfen nichts. Die zuständigen Landesrechnungshöfe geben – wenn überhaupt – nur Vorschläge. Die Millionen bleiben ohne Aufsicht. Kontrolle in Bayern nicht möglich CORRECT!V veröffentlichte seine Datenbank Mitte September. Seitdem ist am Beispiel München noch deutlicher geworden, wie unkontrolliert das Geld in Bayern wirklich verteilt wird – und warum das ein Problem ist. Sieben Vereine haben sich bei uns und dem Oberlandesgericht München gemeldet. Die dort protokollierte Spendensumme sei falsch. Besonders groß soll der Fehler bei der Organisation Atemreich GmbH gewesen sein. Das OLG München speicherte im Jahr 2013 eine Summe von 152.375 Euro. Atemreich gibt an, nur 2.750 Euro bekommen zu haben. AdVoice 02/15 35 Magazin $ Fortsetzung Justitias Geldgeschenke - Millionen frei verteilt Ein weiteres Beispiel fand der Münchner Merkur als er die Zahlen der Justizgelder-Datenbank von CORRECT!V auswertete. Für 2013 weist die Statistik des Oberlandesgerichts München eine Summe von 66.950 Euro für die Stiftung Aktion Knochenmarkspende aus. Tatsächlich seien weniger als zehntausend Euro geflossen, gab die Stiftung gegenüber dem Münchner Merkur an. Das Problem: Das Oberlandesgericht München kann nicht prüfen, wie viel die Atemreich GmbH wirklich bekommen hat. Es muss sich auf die Meldungen der begünstigten Einrichtung verlassen. Ein Sprecher des Oberlandesgerichtes schrieb uns, die Mitarbeiter des OLG nähmen die schriftlichen Meldungen der Institutionen entgegen, „prüfen sie aber nicht.“ Das Gericht passt seine Zahl jetzt den Rückmeldungen der Empfänger an. Theoretisch könnten sich nun also alle Vereine aus Bayern beim Oberlandesgericht München beschweren und melden, sie hätten überhaupt kein Geld bekommen. Bayerns Datenbank wäre ganz schnell leer. Die Dunkelziffer – Um wie viele Millionen geht es wirklich? Kann man davon ausgehen, dass alle Richter vernünftig handeln, nur weil es zum Berufsethos gehört? Und profitieren am Ende die Personen, denen das System besonders gut vertraut ist? Wer in Deutschland Bußgelder bekommen möchte, kann sich auf offizielle Listen bei Gerichten eintragen lassen. Diese Listen sollen den Richtern und Staatsanwälten helfen, eine Auswahl zu treffen. Doch sie sind lang, und die Auswahl scheint willkürlich. Am Oberlandesgericht Karlsruhe zum Beispiel werden knapp 600 Einrichtungen geführt, auch die Taxistiftung Deutschland steht drauf. In den meisten Bundesländern gibt es Tausende Vereine auf den Listen, viele erhalten nichts. „Wer Geld kriegt und wer nicht, wird in Deutschland nicht einheitlich erfasst.“ Wer Geld kriegt und wer nicht, wird in Deutschland nicht einheitlich erfasst. Während in Bayern nur die Vereine selbst die guten Gaben zurückmelden müssen, hat Hamburg ein engmaschigeres 36 AdVoice 02/15 System. Dort haben die Verantwortlichen gelernt, dass blindes Vertrauen und Intransparenz auch bei Rechtspflegern in die Korruption führen kann. Anfang der 70er Jahre wurde ein regelrechtes Bußgeldermelksystem aufgedeckt. Im Zentrum stand damals der Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr, kurz BADS. Der Verdacht: Staatsanwälte und Richter stellten Verfahren gegen die Zahlung an den BADS ein, hielten später Vorträge für genau diesen Verein und ließen sich dafür entlohnen. Die unrühmliche Vergangenheit hat dem BADS nicht geschadet. Heute ist er laut Datenbank der sechstgrößte Empfänger von Bußgeldern in ganz Deutschland. Der BADS erhielt 1,6 Millionen Euro in den vergangenen drei Jahren. Als der Fall damals in den 70er Jahren öffentlich wurde, stellten die Hamburger ihr System um. Nun sollen Richter nur noch allgemeine Fördergebiete benennen. Ein Gremium aus Richtern, Staatsanwälten und den Sozialbehörden verteilt dann das Geld auf die einzelnen Einrichtungen. Wenn ein Verein an diesen Zahlungen beteiligt werden möchte, muss er jedes Jahr einen Antrag mit der gewünschten Summe und dem Zweck stellen. All das kostet aber Zeit und Geld. Zwei Personen sind hauptsächlich damit beschäftigt, diesen Fonds zu verwalten. Trotzdem muss auch Hamburg immer noch mit einer Dunkelziffer kämpfen, denn Richter sind unabhängig. „Wir können nur dafür werben, dass es ein sinnvolles System ist“, sagt Holger Schatz, Leiter des Hamburger Strafvollzugsamtes. Wie viele Richter dieses System umgehen, wird nicht erfasst. Was sich ändern soll Werden Richter und Staatsanwälte in Zukunft weiter Millionen Euro freihändig und fast ohne Kontrolle verteilen können? Nachdem wir die Justizgelder-Datenbank veröffentlicht haben, gibt es erste Anzeichen, dass sich Transparenz und Kontrolle der Millionenzahlungen verschärfen. Baden-Württemberg ist bislang das einzige Bundesland, das die Geldströme aus der Justiz nicht erfasst. Weder die zuständigen Richter und Staatsanwälte, noch die Öffentlichkeit hatten einen Überblick, welche Vereine profitieren. Das soll sich ändern. Am Justizministerium in Stuttgart soll in Zukunft gespeichert werden, wer profitiert, berichteten die Stuttgarter Nachrichten im September 2014. Das Justizminsterium in Stuttgart möchte künftig den Richtern und Staatsanwälten halbjährlich eine Liste schicken, welche Einrichtungen in ihrem Bezirk Geld bekommen haben. Die verteilten Millionen der Staatsanwälte sollen ab sofort gespeichert werden. Die Richtern dürfen noch mindestens ein Jahr weiter ohne Kontrolle das Geld verteilen. „Schätzungsweise im Jahr 2016“ sollen die verteilten Millionen in Baden-Württemberg komplett erfasst werden, schreiben die Stuttgarter Nachrichten. Und in Schleswig-Holstein arbeitet die Piratenpartei gerade an einem Vorschlag für ein neues Gesetz. Der Abgeordnete Patrick Breyer (Piraten) möchte, dass keine Einrichtungen Geld bekommen können, in denen zuständige Richter oder Staatsanwälte sowie deren Angehörige Mitglied sind. Aus seiner Sicht sollte begründet werden, wenn nichtstaatliche Einrichtung ohne Bezug zur Justiz Geld bekommen. Außerdem will Breyer Sammelfonds einrichten. Erste kleine Schritte. Doch bis sich wirklich etwas ändert, zum Beispiel mit einer Gesetzesänderung auf Bundesebene, bleibt das Problem: Fast nie lässt sich nachvollziehen, welches Gericht oder welche Staatsanwaltschaft an einen bestimmten Verein gezahlt hat. Die Namen der Richter und Staatsanwälte bleiben immer geheim. Es gibt mehr als genug Grauzonen, in denen getrickst werden kann. Im Beitrag der Stuttgarter Nachrichten meldete sich auch der deutsche Richterbund zu Wort. Dort sieht man unsere Justizgelder-Datenbank kritisch. Zum ersten Mal kann jeder Interessierte sehen, wohin die Justiz in den vergangenen drei Jahren 170 Millionen Euro verteilt hat. Aus Sicht des Richterbundes wird dadurch einen „Generalverdacht gegenüber den Richtern” aufgebaut. Wenn Menschen über Jahre hunderte Millionen Euro freihändig verteilen, sollte das nicht kontrolliert werden? Jonathan Sachse und Daniel Drepper Link zur Justizgelder-Datenbank: > https://apps.correctiv.org/justizgelder/ Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser. 66. Deutscher Anwaltstag 11.– 13. Juni 2015 in Hamburg STREITKULTUR IM WANDEL WENIGER RECHT ? DAT FÜR EINSTEIGER am 10. Juni 2015 von 14.30 – 18.00 Uhr Der Deutsche Anwaltstag bietet ein besonderes Programm für junge Juristen und Berufseinsteiger. Am Vortag des 66. Deutschen Anwaltstages in Hamburg erwartet Sie der DAT für Einsteiger (Teilnahme: 34 €). Daneben eignen sich zahlreiche weitere Veranstaltungen des Deutschen Anwaltstages für junge Juristen, Berufseinsteiger, Referendare und Studierende (im Programm mit einem E gekennzeichnet). Programm und Anmeldung unter: www.anwaltstag.de Anwalt der Anwälte Magazin Serienweise Anwalt Juristisches Binge Watching auf der Berlinale 2015 Juristische Stoffe sind für Serien hochinteressant. Anders als in Kino- oder Fernsehfilmen können die Figuren viel differenzierter gezeigt werden. Und auch für Gerichtsverhandlungen bleibt oft mehr Sendezeit. Während in Kinofilmen viele formale und prozessuale Anforderungen oft weggelassen oder stark verkürzt werden, wird in Serien häufiger das ganze Drumherum aus dem Gerichtssaal gezeigt. Filmwissenschaftler stellen sich angesichts der in den letzten Jahren mit immer höheren Budgets gedrehten Serien die Frage, ob diese den Kinofilmen sogar den Rang ablaufen könnten. Als Grund wird auch das geänderte Nutzerverhalten angeführt, das sogenannte Binge Watching. Dabei werden mehreren Folgen oder Staffeln einer Serie am Stück geschaut, das liegt im Trend. Auch die diesjährige Berlinale hat auf diesen Trend reagiert, erstmals acht hochwertige Serien in das Programm aufgenommen und damit einen neuen Serienschwerpunkt gesetzt, der viel Beachtung fand. Mit dabei: Die Premiere der ersten beiden Folgen der neuen Anwaltsserie „Better call Saul“. Bereits kurz nach der Premiere wurden die ersten Folgen bei Netflix über Video- on-Demand gezeigt. Saul Goodman, in seiner Zwielichtigkeit grandios verkörpert von Bob Odenkirk, ist ein windiger Anwalt, der geneigten Zuschauern bereits als Nebenfiguraus „Breaking Bead“, der der laut Spiegel-Online „spektakulärsten und verstörendsten der vielen guten amerikanischen Fernsehserien“ Breaking Bad bekannt ist. Schon „Hero“ die erste Better call SaulFolge schlägt den Bogen zu der Vorgängerserie über den Chemielehrer, der zum Drogenkoch wird. Dort musste sich Saul bei seinem ersten Auftritt von Betsy Kettleman, gespielt von Julie Ann Emery, anhören: „Sie sind ein Anwalt, der von Schuldigen angeheuert wird.“ Eingeführt wird er dort von dem Protagonisten Jesse Pinkman, gespielt von Aaron Paul, mit den Worten: „Du brauchst keinen Strafverteidiger, du brauchst einen kriminellen Anwalt.“ Anwalt als Krimineller? In der Serie „Better call Saul“ heißt Saul Goodman noch Jimmy McGill. Serienstoff ist hier das Leben des Anwalts und Pflichtverteidigers, der im Hinterzimmer eines Nagelstudios praktiziert, nach lukrativen Fällen giert und sich immer wieder in bedrohliche Situationen bringt. Den Verlockungen einer anwaltlich-kriminellen Karriere will er widerstehen. Jimmy McGill fährt eine Schrottkiste und sagt Sätze wie: „Ich wollte sie gar nicht abzocken, ich wollte sie nur als Mandanten gewinnen.“ Den Satz „Hören Sie, ich bin Anwalt, nicht Krimineller“, quittiert sein Gesprächspartner mit einem wissenden Lächeln. In einem Werbevideo für seine Dienstleistungen verspricht er: „Ich übernehme das Kämpfen für Sie. Keine Anklage ist mir zu groß. Wenn die Justiz Sie in die Ecke drängt, beauftragen Sie Saul. Ich erreiche, dass Ihr Verfahren eingestellt wird. Von mir bekommen Sie die Verteidigung, die Sie verdienen, und warum? Weil ich Saul Goodman bin. Rechtsanwalt. Ich ermittle, verteidige, überzeuge und am wichtigsten ... gewinne!“ „Hören Sie, ich bin Anwalt, nicht Krimineller.“ Wie fast alle Justizfilme werden auch in dieser Serie Anspielungen und Symbole benutzt. Der „Künstler“-Name „Saul Goodman“ wird beispielsweise in einem Flashback kurz erklärt. Der Satz „It's all good, man.“ („Es ist alles gut, Mann.“) wurde lautmalerisch verkürzt auf Saul Goodman. Das immer wieder gern genutzte Symbol der Waage findet sich bereits im Logo der Serie. Die erste Gerichtsverhandlung in der ersten Folge beginnt mit einem Schwenk vom Emblem des State of New Mexico Second Judicial District 1912 und zeigt neben dem Wort Aequitas ebenfalls das Symbol der Waage. Aequitas bedeutet auf latei- Bob Odenkirk spielt den windigen Advokaten Saul Goodman in der US-Serie „Better call Saul“. QUIZ-TIPP Die Berliner Zeitung hat einen Quiz online gestellt mit der Ankündigung: Manche Serien-Fans mögen den zwielichtigen, aber scharfzüngigen Anwalt http://mobil.berliner-zeitung.de/medien/spin-off-serie-mit-bob-odenkirkmit--better-call-saul--lebt--breakingbad--weiter,23785222,29801626.html Saul Goodman aus „Better call Saul“, andere stehen auf die hübsche und chaotische Ally McBeal oder lachen über Lionel Hutz aus den „Simpsons“. Hier könnt Ihr Euch testen: mobil.berliner-zeitung.de/ recht/saul-goodman--ally-mcbealwelcher-tv-anwalt-typ-sindsie-,24165264,30053378.htmle 38 AdVoice 02/15 Magazin H nisch Gleichheit, Gleichmaß, Gelassenheit, Gleichmut und bezeichnete im alten Rom das wichtige Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit und Billigkeit. Probleme wegzaubern? In der dritten Folge der neuen Serie landet der Anwalt selbst im Knast. Zu seinem eigenen Anwalt sagt er: „Reden wir über die Strategie, denn du musst einen Zauber anwenden, damit die ganze Sache hier so macht: Puff!“ Einen guten Teil ihrer Spannung zieht die Serie aus der Figur des bekanntermaßen kriminellen Anwalts Saul Goodman und seinem Vorgänger Jimmy McGill, der sich noch gegen die kriminellen Machenschaften zu wehren versucht, in die er immer wieder herein gezogen wird oder hineingerät. Zwecks Mandantenakquise verletzt er selbst die Gesetze und fingiert mit Komplizen einen Unfall, um sich dann als Retter aufspielen zu können und dadurch an einen lukrativen Folgeauftrag zu kommen. Doch den Verlockungen des ganz großen Geldes, die das Anwaltsleben immer mal wieder sich bringt, will er noch widerstehen. Damit thematisieren die beiden Serien zwei anwaltliche Prototypen in einer Filmfigur, den kriminellen Anwalt sowie den Anwalt, der sich immer wieder mit den Verlockungen der Kriminalität auseinandersetzen muss. Auch im Berlinale-Jahr 2015 gab es jedoch nicht nur Serien, sondern auch wieder auffallend viele Filme in einem Setting, den das Recht vorgibt. Es sind meist keine Rechts- oder Justizfilme im engeren Sinn und erst recht keine Filme, die dem Genre der Courtroom Dramen zugeschrieben werden können. Jedoch gibt es immer wieder interessante Aussagen zu den Themen Recht und Gerechtigkeit oder Bilder von justitiellen Vorgängen. Wie im Jahr 2014 gilt, vgl. AdVoice 1/2014, S. 18: Jede Berlinale ist auch eine juristische Weltreise. Ein Schaufenster in andere Welten – in andere Filmwelten und in andere Realitäten. Auch in juristische Realitäten. Im Jahr 2015 konnte man beispielsweise die Details aus der Arbeit einer iranischen Menschenrechtsanwältin, von rumänischen sowie polnischen Untersuchungsrichtern sehen, aber auch einen italienischen Urheberrechtsanwalt, der geschickt im Rahmen eines Making-Off in die Filmhandlung eingebaut wurde, um etwaigen Urheberrechtsverletzungen vorzubeugen. Zu sehen ist letzters in dem Film „Viaggio nella dopo-storia“ (Journey into Post-History) von Vincent Dieutres. Der Film ist teilweise ein Remake Roberto Rossellinis Schlüsselwerk „Viaggio in Italia“ aus dem Jahr 1954. Mit dem Anwalt bespricht der Regisseur ausführlich die juristischen Möglichkeiten und die Gestaltungsräume eines filmischen Remakes. Wurde für seinen Film „Taxi“ auf der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet: der iranische Regisseur Jafar Panahi. Damit werden die Argumente für den Fair Use bzw. das Zitatrecht im Film gleich mitgeliefert. Urheberanwalt erklärt fair use Der rumänische Film „Ce de eu“ (Why Me?) von Tudor Giurgius ist ein Justizthriller nach wahren Begebenheiten. Angesiedelt im postsozialistischen Rumänien des Jahres 2002 bekommt der noch junge, aber ambitionierter Untersuchungsrichter Cristian Panduru den Auftrag, in viel zu kurzer Zeit Beweise für die Anklage eines anderen Staatsanwalts wegen Amtsmissbrauchs und Korruption zu sichten und zusammenzutragen. Doch es stellt sich heraus, dass er nur ein Rädchen in einem ganz großen Spiel ist, und dass er nur geopfert werden soll. Zu spät bemerkt Panduru, dass er der ideale Kandidat für eine Intrige war. Vermutlich wurde er nur deshalb auf seinen Kollegen angesetzt, um zu verhindern, dass er den weitaus größeren Skandal aufdeckt. Im Nachspann erfahren die Zuschauer, dass mittlerweile die Korruption in Rumänien besiegt worden sei. Dabei geht es unter anderem um Adrian Nastase, den sozialdemokratischen rumänischen Ministerpräsidenten in den Jahren 2000 bis 2004, der noch bis 2006 rumänischer Parlamentspräsident war, und der laut Wikipedia im Januar 2012 wegen illegaler Parteienfinanzierung zu Fotos: action press, Weltkino Filmverleih AdVoice 02/15 39 Magazin Fortsetzung Serienweise Anwalt einer zweijährigen Haftstrafe und im März 2012 wegen Erpressung eines ehemaligen rumänischen Konsuls zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Die Filmfigur Panduru, sehr glaubwürdig verkörpert von Emilian Oprea, zitiert auch in unübersichtlichen Situationen immer noch Paragrafen aus dem Kopf und erinnert damit an das Klischee eines gesetzestreuen Paragrafenreiters, der ein wenig überfordert und teilweise lebensfremd wirkt. Mit seiner Freundin, einer Journalistin, die ihm mit ihren Recherchen helfen will, streitet er sich darüber, ob sie das darf oder nicht. Der junge Untersuchungsrichter ist ein Moralist, der in einem Machtkampf benutzt und später geopfert wird. Sein karg eingerichtetes, wenig anheimelndes Büro ist mit Aktenstapeln gefüllt und kann gut als das Klischee einer armseligen osteuropäischen Beamtenstube herhalten, obwohl es sich einem als klassischer Justizbau erkennbaren Gebäude befindet. Das Büro muss er mit einem Kollegen teilen, die Vorgesetzten kommandieren ihn herum. Sein Widerstand führt zur Zwangsbeurlaubung und zu einem dramatischen Ende, in dem er sich vom Dach stürzt. Szene aus dem Film „Beyond Punishment“. 40 AdVoice 02/15 Im Bild: polnischer und rumänischer Ermittlungsrichter Wesentlich abgeklärter wirkt dagegen die Figur des Ermittlungsrichters, der die Zeit bis zur Pensionierung schon an zwei Händen abzählen kann, in dem polnischen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Body“ von Malgorzata Szumowska. Der Richter lebt in einem ständigen Konflikt mit seiner Tochter, die ihm den Tod ihrer Mutter nicht verzeiht. Er ist überarbeitet und abgestumpft und liest seine Akten zu Hause am Küchentisch. Am Tatort wiederum ist er der wichtigste Mann. „Zu Beginn wird ein Selbstmörder vom Baum geschnitten, für tot erklärt und steht wenig später auf und geht davon.“ In dem teilweise urkomischen und teilweise mystischen-übersinnlichen Film werden Kriminalität und menschliche Tragödien durch die Augen dieses Richters gezeigt. Gemeinsam mit dem Beamten können hier Tatorte betreten werden. Realitätsnäher kann ein Spielfilm kaum sein. Zu Beginn wird ein Selbstmörder vom Baum geschnitten, für tot erklärt und steht wenig später auf und geht davon. Eine gelungene Parabel für den Blick auf die Wirklichkeit in der staatsanwaltliche Ermittlungen oft stattfinden. Im Wettbewerb mit dem Goldenen Bären prämiert wurde der Film „Taxi“ des iranischen Regisseurs Jafar Panahi. Trotz Berufsverbots hat Panahi diesen Film, in dem er selbst als Taxifahrer durch Teheran fährt und seine Geschichten über die Begegnungen mit seinen Passagieren erzählt, gedreht. Der Film ist im Iran indiziert. Der Hauptpreis für diesen Film ist damit auch ein klares politisches Statement des Festivals. Die Blumendame ist eine iranische Menschenrechtsanwältin Eine der Geschichten erzählt die Anwältin, die er kennt und ein kurzes Stück mitnimmt. Sie ist auf dem Weg ins Gefängnis, um Frauen zu helfen und wird von der Nichte Panahis, die auch im Taxi mitfährt, poetisch als „Blumendame“ bezeichnet. Sie hat einen großen Blumenstrauß dabei, ihr Markenzeichen. Ihr selbst droht auch ein Berufsverbot. Damit dient sie als Spiegel für die eigene Situation des Regisseurs. Die Blumendame bringt Panahi im Taxi auf den neuesten Stand zu einem Thema, das Foto: W. Mathias Bothor Magazin H er selbst bereits verfilmt hat. Seit 108 Tagen sitze eine Frau bereits im Gefängnis, weil sie ein Volleyballspiel besuchen wollte. In seinem Film „Offside“ aus dem Jahr 2006 ging es um einige Frauen und Mädchen, die als Jungen verkleidet ein Fußballspiel der iranischen Nationalmannschaft live im Stadion verfolgen wollen, aber entdeckt werden. Das iranische System erläutert die Anwältin mit den knappen Worten: „Erst legen sie eine Akte an, dann werfen sie dir moralische Verfehlungen vor und sperren dich ein. Wenn du rauskommst, steckst du in einem noch größeren Gefängnis. Dann gehen deine Freunde auf Abstand.“ machst, was dir angetan wurde.“ interessant. In dem Film geht es um drei Verbrechen, drei Länder, drei Strafen. Dreimal begegnen sich Täter und Opfer vor der Kamera. Versprochen wird ein Film, „der unsere Vorstellung von Schuld und Strafe verändert“. Untersucht wird dabei auch das Konzept der Restorative Justice, das davon ausgeht, dass es hilfreich sei, die andere Seite zu verstehen, also zu erfahren, was den anderen bewogen hat, die Tat zu begehen. Oft wird behauptet, dass eine tatsächliche Begegnung zwischen den beteiligten Menschen machbar und hilfreich sei. Doch ist das wirklich so? Täter-Opfer-Ausgleich im Film? Thematisiert wird in dem Film auch die immer wiederkehrende Forderung nach härteren Gesetzen. Ausgerechnet ein Straßenräuber fordert härtere Gesetze und mehr Hinrichtungen, vermutlich um sich Konkurrenten vom Hals zu schaffen. Eine Lehrerin hält mit dem Argument dagegen, dass trotz der letzten Hinrichtungen die Kriminalität nicht zurück gegangen sei. Ein Anstoß, um über Sinn und Zweck der Todesstrafe nachzudenken. Aus deutscher Perspektive ist der Dokumentarfilm „Beyond Punishment“ von Hubertus Siegert, der mit dem Satz wirbt: „Freiheit ist, was du aus dem Der Filmregisseur selbst reflektiert seine Arbeit wie folgt: „Ich habe viele Gefängnisfilme gesehen. Entweder steht das Gefängnis als etwas Destruktives im Mittelpunkt, ohne Hoffnung, seinem Ziel näher zu kommen, die Delinquenten für die Zukunft gesetzestreu zu machen. Oder das Gefängnis wird als reformierbare ‚Besserungsanstalt‘ gezeigt, durch bessere Therapie, bessere Erziehung, bessere Ausbildung oder härtere Disziplin – im Sinne der Prävention vor neuen Straftaten. In der Perspektive auf das neuzeitliche Gefängnis, den modernen Strafvollzug interessiert mich jedoch etwas ande- res, mich beschäftigt der Umgang mit der emotionalen Seite, mit jenem tief sitzendem Schmerz und Hass, mit all dem Leid, das ich unter der Oberfläche spüre und beobachte, wenn ich ein Gefängnis besuche oder ein Strafurteil lese; wenn ich den Versuch unternehme, mit den Delinquenten oder mit der Seite der Beschädigten und Verletzen in Kontakt zu kommen. In ‚Beyond Punishment‘ interessieren mich all jene Gefühle und Bedürfnisse, die im modernen Justizapparat und Strafvollzug keinen ausreichenden Raum haben.“ Einen Rückblick auf die Nürnberger Prozesse bot schließlich der monumentale Dokumentarfilm „The Memory of Justice“ von Marcel Ophüls aus dem Jahr 1978. Er wurde damals im Rahmen der Berlinale präsentiert und galt danach lange als verschollen. Jetzt ist der Film, der sich mit den Fragen „Wie ist es möglich, das Verhalten einer Nation oder eines Individuums zu beurteilen?“, „Ist das Urteil einer siegreichen Nation über eine besiegte notwendigerweise heuchlerisch?“ und „Hat Amerikas Grausamkeit in Vietnam nicht seine bei den Nürnberger Prozessen erworbene moralische Integrität beschädigt?“ in einer restaurierten Fassung zu sehen. RA Tobias Sommer, Berlin BEYOND PUNISHMENT Der Dokumentarfilm Beyond Punishment kommt am 4. Juni 2015 in die deutschen Kinos. Weitere Infos: www.beyondpunishment.de BETTER CALL SAUL Die Serie Better call Saul gibt es auf Netflix. Weitere Infos im Stil einer absichtlich schlecht gemachten Anwaltswebsite mit dem Schlagwort „Welcome Lawbreakers“ unter: www.bettercallsaul.com. Sehenswert: Die satirischen Werbevideos. AdVoice 02/15 41 Magazin Haft für Celler Klausuren-Richter Urteil mit Folgen: Aberkennung von Prüfungsabschlüssen droht Nach dem umfassenden Geständnis, welches Jörg L. bereits im Januar abgelegt hatte, ist die Verurteilung selbst ist keine Überraschung. Ein psychiatrischer Gutachter hatte ihn darüber hinaus Mitte Februar für voll schuldfähig erklärt. Das Gutachten wurde allerdings nur nach Aktenlage und auf der Basis von Zeugenaussagen erstellt. Der 48-jährige Familienvater hatte ein persönliches Gespräch mit dem Gutachter verweigert. Der Gutachter sah keine Anhaltspunkte für eine Schizophrenie oder ähnlich schwere psychische Erkrankungen. Eine schwere Intelligenzminderung sei mit dem beruflichen Lebenslauf des Angeklagten ebenso nicht vereinbar, so der Experte. Auch die zweideutigen Annäherungsversuche gegenüber Referendarinnen seien nach Auffassung des Gutachters nicht auffällig. Zu ähnlichen Konstellationen käme es in Deutschland häufig. Für eine schwere Depression gebe es ebenfalls keine Anzeichen. Das Landgericht folgte mit dem ausgeurteilten Strafmaß weitgehend der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten für angemessen erachtet. Die Verteidigung hatte ein besonderes Augenmerk auf die bereits absolvierte Untersuchungshaft ihres Mandanten gelegt und auf eine Haftstrafe von höchstens elf Monaten plädiert. Klausuren verkauft: Jetzt müssen ehemalige Absolventen zittern. In den vergangenen Ausgaben hatten wir euch über den Stand des Verfahrens gegen den ehemaligen Referatsleiter im niedersächsischen Landesjustizprüfungsamt, Jörg L., auf dem Laufenden gehalten. Jetzt verurteilte das Landgericht Lüneburg den Ex-Richter und Repetitor zu fünf Jahren Haft (Urteil vom 26.2.2015, Aktenzeichen 33 KLs 20/14). Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Jörg L. Examenslösungen an verkauft hatte. 42 AdVoice 02/15 Foto: Helene Souza_pixelio.de Bestechlichkeit, Nötigung und Verrat von Dienstgeheimnissen, so lauteten die Tatbestände in der Anklage, die sich in einigen Passagen wie ein Krimi las. Nachdem eine Referendarin im Januar 2014 gemeldet hatte, dass ihre Examensklausuren zum Kauf angeboten worden waren, nahmen die Ermittlungen ihren Lauf. Am 31. März 2014 wurde Jörg L. in einem Mailänder Hotel festgenommen, bei ihm eine Prostituierte, 30.000 Euro in bar sowie eine geladene Schusswaffe samt Munition. Während Jörg L. den Konsequenzen seines Handelns nun unmittelbar gegenübersteht, müssen fünfzehn Absolventen weiter zittern. Sie stehen seit Abschluss der monatelangen Prüfungen der niedersächsischen Justiz im Verdacht, beim Verfassen der Klausuren mit Hilfe der gekauften Klausurlösungen betrogen zu haben. Das Justizministerium hat bereits Verfahren zur Aberkennung eingeleitet. Unklar ist nach wie vor, ob hiervon auch solche Absolventen betroffen sind, die inzwischen selbst im Staatsdienst tätig sind. In diesem Fall könnte eine Flut von Wiederaufnahmeverfahren drohen. Der Celler Klausuren-Skandal ein Einzelfall? Wir alle wissen, dass gerade beim zweiten Staatsexamen ein Versagen das endgültige Aus für die Karriere bedeuten kann. Eine Situation, die das Zeug hat, so manchen vom rechten Weg abzubringen. Eine Situation, die Insider leicht auf ähnliche „Geschäftsideen“ bringen kann. Schwer vorstellbar, dass in der Geschichte der deutschen Juristenausbildung nur Jörg L. und seine Kunden schwach wurden. RAin Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg Magazin Kopf frei für die wichtigen Fälle Ihr Partner im Kanzleialltag Kümmern Sie sich um Ihren Fall, wir kümmern uns um den Rest. Ob Kanzleibedarf, Kanzleiservices oder Fachliteratur, mit Soldan ist Ihre Kanzlei perfekt organisiert. In jedem Fall die beste Wahl. AdVoice 01/15 43 Magazin Zöllner mit Recht Ausgezeichnet: Thomas Peterka mit Zollkanzlei auf internationalem Parkett Der Kanzlei-Gründerpreis wurde von der Hans Soldan GmbH zusammen mit dem Deutschen Anwaltverein / FORUM Junge Anwaltschaft, der Bundesrechtsanwaltskammer und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausgelobt. Im vergangenen Jahr errang die Hamburger Zollkanzlei von Rechtsanwalt Thomas Peterka den dritten Platz. Die Zollkanzlei berät Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen in allen Fragen rund um das Zollrecht und das Außenwirtschaftsrecht sowie das Einfuhrumsatzsteuerrecht und das Verbrauchersteuerrecht. Speziell bietet die Zollkanzlei auch die Beratung rund um das türkische Zollund Außenwirtschaftsrecht für den Warenverkehr zwischen der Türkei und der EU an. AdVoice: Herr Peterka, Sie haben den dritten Platz beim Soldan-Kanzlei-Gründerpreis 2014 gewonnen. Hat der Preis etwas verändert? Thomas Peterka: Ja. Mandanten und Kollegen sprechen Anerkennung aus, die ohne den Preis vielleicht gar nicht ausgesprochen worden wäre. Es ist eine schöne Bestätigung des Erreichten und spornt an. A: Sie sind ja nicht den geraden Weg gegangen. Sie haben erst eine klassische Ausbildung gemacht und dann noch Jura studiert plus Referendarzeit. Ein Vorteil für die jetzige Selbständigkeit als Anwalt? P: Auf jeden Fall. Von der klassischen Ausbildung zehre ich immer noch. Ich habe die „Zöllnerei“ von der Pike auf gelernt. Das hilft mir vor allem in der Beurteilung von praktischen Abfertigungssituationen beim Zoll: Was hat der Beamte gemacht? Was kommt als nächstes? Mit dem Jurastudium habe ich mir dann das Rüstzeug für eine erfolgreiche Rechtsverfolgung erworben. Diese Kombination, dass ich beide Seiten kenne, schätzen die Mandanten sehr. A: Vom sicheren Beamtenjob zur Selbständigkeit? P: Ist sicher keine Selbstverständlichkeit und war auch eher ein vager Traum als immer ein im Kopf verfolgtes Ziel. Das Beamtentum bietet zwar Sicherheit, lässt indes kaum Raum für freie Entwicklung abseits fester Strukturen. Letztendlich haben die vielen beruflichen Stationen als (angehender) Jurist und die dabei erworbenen Fähigkeiten den Entschluss in mir reifen lassen, die Selbständigkeit als Anwalt zu suchen. A: Wie kam es zur Idee der Zollkanzlei? P: Meine Spezialisierung auf das Zollrecht und die angrenzenden Rechtsgebiete ließ eigentlich gar keine andere Idee mehr als die der Zollkanzlei zu – zumal ich noch immer Spaß an dieser Beratung habe. Der Name Zollkanzlei ist meine Erfindung und bringt diese Fokussierung in der Beratung klar zum Ausdruck. A: Der Standort könnte für eine Zollkanzlei nicht besser gewählt sein. Haben Sie Hamburg gezielt gewählt oder eher zufällig? P: Ein Stückweit beides. Ich war zuletzt bei PwC in Hamburg angestellt, sodass ich also schon in der ZUR PERSON Thomas Peterka ist Diplom-Finanzwirt und Rechtsanwalt. 2011 gründete er die Zollkanzlei, die sich auf Zollrecht spezialisiert hat. Den Beruf des Zollinspektors lernte er von der Pike auf. In Braunschweig wurde er zum Zöllner ausgebildet und studierte dann von 1996 bis 1999 Finanzwesen an der Fachhochschule des Bundes in Münster. Neben seiner Tätigkeit in der Zollverwaltung studierte er Rechtswissenschaften in Göttingen. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Zollrecht, Verbrauchssteuerrecht, Einfuhrumsatzsteuerrecht und im Außenwirtschaftsrecht (Exportkontrolle). Stadt war und gern hier bleiben wollte. Hamburg bringt durch seinen Hafen der deutschen Zollverwaltung rund die Hälfte ihrer gesamten Zolleinnahmen von rund vier Milliarden Euro im Jahr. Für viele meiner Mandanten, die selbst zwar nicht in Hamburg ansässig sind, aber über diese Stadt ihre Ein- oder Ausfuhren abwickeln, steht Hamburg somit zugleich für den Zoll. So werde ich als Zollberater in Hamburg auch viel schneller und leichter wahrgenommen. A: Vom Einzelkämpfer zum Team – die Zollkanzlei hat sich vergrößert. P: Ja. Zunächst wollte ich bewusst als Selbständiger all meine Entscheidungen selbst treffen, ohne wie ein Angestellter auf einen Chef oder eine Chefetage Rücksicht nehmen zu müssen. Mit dem Erfolg der Zollkanzlei wuchs auch die Bekanntheit und folglich kommen mehr Aufträge. Jetzt unterstützen mich ein weiterer Ex-Zöllner und ein Rechtsanwalt. Das Team wird auch weiter wachsen. A: Was verbirgt sich hinter „Türkei-Desk“? P: Eine spezielle Beratungseinheit in der Zollkanzlei, die sich explizit um den zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Warenverkehr zwischen der EU und der Türkei kümmert. Mein Teamkollege, Abdulkerim Kuzucu, ist türkischer Abstammung und verfügt als ehemaliger Zollinspektor der deutschen Zollverwaltung über profunde Kenntnisse in diesen Gebieten. Er ist Ansprechpartner für das Türkei-Desk und berät Unternehmen, die Waren aus der EU in die Türkei importieren oder umgekehrt und hierbei ein Zollthema haben. A: Sie haben mit dem Zollrecht eine Nische besetzt. P: Auf jeden Fall. Der Kreis der Kollegen, die in diesen Gebieten beraten, ist überschaubar. Ich biete aufgrund meiner eigenen Zöllner-Erfahrung zudem auch eine Beratung an, die weit vor einem Einspruchs- oder Klageverfahren beginnt. Beispielsweise die Optimierung oder Gestaltung von innerbetrieblichen Prozessen, die Zollangelegenheiten betreffen, oder die Minimierung von Risiken in diesen Bereichen. A: Welche Mandantenstruktur hat Ihre Kanzlei? P: Vom erfolgreichen Einzelunternehmer bis zu multinationalen Konzernen unterschiedlicher Branchen ist alles dabei. Das macht die Beratung sehr spannend, weil ich Einblick in völlig unterschiedliche Unternehmen und Persönlichkeiten – auch aus verschiedenen Nationalitäten – erhalte. Das Gespräch führte RAin Nadine Passenheim, Hannover 44 AdVoice 02/15 Foto: Zollkanzlei Magazin Die Schlagzeile im Kopf Pressearbeit: Worauf es im Umgang mit Journalisten ankommt Längst haben Kanzleien die Öffentlichkeitsarbeit für sich entdeckt. Doch Medienpräsenz ist kein Selbstläufer. Aufmerksame Anwälte wissen, wie Journalisten „ticken“ und arbeiten partnerschaftlich mit Pressevertretern zusammen. Und das zahlt sich aus. Tipps für die Praxis. rektur zu lesen. Die Abmachung ist: Sie bieten Themen an und unterstützen die Recherche. Alles andere ist Hoheitsgebiet der schreibenden Zunft. Harte Kost für Kontrollfreaks: Die müssen umdenken. Pressearbeit ist Beziehungsmanagement Sie können Journalisten nicht kaufen; Sie müssen sie mit richtig guten oder gar exklusiven Informationen überzeugen. Fragen Sie sich: Ist das, was ich mitzuteilen habe, wirklich relevant und aktuell? Alles, was nur der Selbstdarstellung dient, streichen Sie besser ersatzlos. Bieten Sie Themen mit Nachrichtenwert. Das funktioniert, wenn Sie in Schlagzeilen denken. Dann erkennen Sie schnell, ob Ihre Meldung tatsächlich zündet. Fragen Sie sich: Was ist neu daran? Oder was ist der Teilaspekt aus einem größeren Zusammenhang, der bereits gemeldet wurde? Offerieren Sie Themen mit Mehrwert für Verbraucher. Auch Rechtsfälle mit einem hohen Sensationswert, Kurioses oder Dramatisches kommen gut an. Ergreifen Sie Initiative und schaffen Sie Anlässe, über die es sich zu berichten lohnt. Loben Sie einen Wettbewerb aus, kooperieren Sie mit einer Hochschule oder überraschen Sie mit Aktionen, die einfach anders und deshalb bemerkenswert sind. Seien Sie kreativ, denken Sie quer und planen Sie Ihre Themen und PR-Maßnahmen gleichmäßig über das Jahr. Gute Beziehungen zu Journalisten sind unverzichtbar. Seien Sie nahbar und dialogbereit, und äußern Sie sich verlässlich und kompetent. So entsteht Vertrauen. Und das geschieht keineswegs so nebenbei. Pressearbeit ist Aufbauarbeit. Pflegen Sie Ihre Kontakte, versenden Sie regelmäßig Pressemitteilungen und laden Sie Medienvertreter zu Ihren Veranstaltungen ein. Reagieren Sie zeitnah auf Anfragen und antworten Sie freundlich und sachlich, ganz gleich, für welches Blatt ein Journalist schreibt. Wenn Sie ein Anruf überrumpelt: Kündigen Sie einen Rückruf an, sammeln Sie sich und antworten Sie telefonisch oder per E-Mail mit Ihrer zitierfähigen Aussage innerhalb einer Stunde. Damit etablieren Sie sich als gefragter Experte. Erfolgsentscheidend ist: Begegnen Sie Pressevertretern immer wohlwollend und wertschätzend. Journalisten sind keine Bittsteller, sondern Partner. Professionalität greift Versetzen Sie sich in die Perspektive des anderen hinein. Journalisten arbeiten unter hohem Zeitdruck und sind immer auf der Suche nach einer guten Geschichte. Hinzu kommt, dass viele Verlage Personal abbauen. Sie erleichtern Redakteuren die Arbeit, wenn Sie Nachrichten journalistisch aufbereiten und so klar wie verständlich schreiben. Spammen Sie Ihre Empfänger nicht mit Unwichtigem zu und erschlagen Sie Laien nicht mit Juristendeutsch. Portionieren Sie Informationen leicht verdaulich. Dazu gehört auch, dass Sie nur eine Nachricht in eine Pressemitteilung packen. Sonst verwässern Ihre Botschaften. Bedenken Sie überdies: Redakteure – die meisten jedenfalls - berichten objektiv und unabhängig und lassen sich nicht als Werbetrommel instrumentalisieren. Avancen wie: „Ich möchte bei Ihnen einen Artikel veröffentlichen“ sind genauso tabu wie die Ansagen „Sie müssen unbedingt darüber schreiben, wie toll wir sind oder was wir Unglaubliches leisten.“ Damit erreichen Sie Ihr Ziel in keinem Fall. Als unprofessionell outen Sie sich übrigens auch, wenn Sie nachfragen, wann Ihr Pressetext endlich erscheint. Ganz wichtig: Autorisieren Sie unbedingt Ihre Aussagen in Interviews. Doch verabschieden Sie sich von dem Gedanken, Artikel grundsätzlich komplett Kor- Denken Sie in Schlagzeilen Wahren Sie die Form einer Pressemitteilung und liefern Sie Qualität Verwenden Sie eine Vorlage mit Ihrem Kanzlei-Logo für Ihre Pressemitteilung. Schriftgröße 12, Zeilenabstand 1,5 und verwenden Sie eine einfache Schrift wie Arial. Schnörkel und Serifen sind hier fehl am Platz. Schreiben Sie maximal zwölf Wörter pro Satz und strukturieren Sie Ihre Nachricht entlang der W-Fragen: Wer? Was? Wann? Wie? Warum? Wo? Welche Quelle? Zwischenüberschriften erleichtern die Lesbarkeit. Klare Sprache ist ein Muss: Ein Satz, eine Aussage. Aktiv statt passiv formulieren. Laientaugliche Begriffe statt Juristenkauderwelsch. Und: Legen Sie den Protagonisten Worte in den Mund. Zitate machen Texte lebendiger. Mit wertenden Aussagen spitzen Sie Botschaften geschickt zu. Verwenden Sie druckfähige Pressefotos vom Profi und geben Sie die Bildrechte an. Fügen Sie die Kontaktdaten des Ansprechpartners für Anfragen bei. Ganz wichtig: Stellen Sie unbedingt sicher, dass diese Person am Tag der Aussendung erreichbar ist. Pressemitteilungen werden übrigens als offene Word-Datei und niemals im PDF-Format verschickt. Damit tun Sie Journalisten einen Gefallen, denn sie können Text- bausteine im Nu kopieren oder bearbeiten. Und: Es versteht sich von selbst, Pressemitteilungen in Blind Copy an einen großen Verteiler zu schicken. Noch besser ist natürlich, wenn Sie individuell versenden und Ihre Empfänger persönlich ansprechen. Wichtig dabei ist: Pressemitteilungen gehören tagesaktuell auf Ihre Website in die Rubrik. „Presse“. Dort publizieren Sie Ihre Presseinformationen chronologisch und bieten Pressefotos zum Download an. Wer recherchiert, findet dort auch Telefonnummern des Pressesprechers oder Ansprechpartners, ein Kontaktformular mit Rückrufbitte oder die Registrierung für den Presseverteiler. Verlinken Sie von Ihren sozialen Netzwerken auf diese Meldungen und posten Sie anregende Teasertexte, die neugierig machen. Erstellen Sie einen Verteiler und kontaktieren Sie Verlage mit Köpfchen Analysieren Sie, welche Medien Ihre Zielgruppen und Ihre (potenziellen) Mandanten regelmäßig nutzen, und legen Sie einen Verteiler oder mehrere spezifische für Ihre Pressekontakte an. Für Arbeitsrechtler ist etwa ein bundesweit erscheinendes Personalmagazin relevant, das Arbeitgeber und Personalchefs erreicht. Filtern Sie die Daten nach Publikums- und Fachpresse, lokalen Medien, Tages- und Wochenzeitungen sowie Fernseh- und Radiosendungen. Wenn Sie einen Tag der offenen Tür veranstalten, ist das eher für die Lokalpresse interessant, während Ihr Vortrag auf einem Kongress die Fachpresse interessiert. Recherchieren Sie Rubriken, Formate und Themenbeilagen der Fachmedien, zu denen Sie wertvolle Beiträge beisteuern können. Die Themenpläne finden Sie online bei den Mediadaten der Verlage. Oder Sie fragen telefonisch nach. Listen Sie Themen für Statements, Kommentare oder Gastbeiträge mit knackigen Headlines auf, und gehen Sie damit auf die Redakteure zu. Erkundigen Sie sich über Umfang der Artikel, erfragen Sie den Redaktionsschluss und klären Sie, welcher Redakteur für welches Ressort zuständig ist. Extra Pluspunkte verbuchen Sie, wenn Sie Themen vorwegnehmen und neue Impulse setzen. Bleiben Sie dran und halten Sie durch Lassen Sie sich nicht entmutigen, auch wenn Ihre Pressemitteilung scheinbar versandet. Die Information liegt in der Redaktion. Wenn das Thema aus welchem Grund auch immer später wieder interessant wird, wird man Sie anrufen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Christiane Legler / Susanne Kleiner, München AdVoice 02/15 45 JuraInfos Erfolgreich selbstständig als Anwalt Ein Überblick über Controlling und Finanzplanung rend im Blick zu haben, und ermöglicht ihm damit, Fehlentwicklungen, Schräglagen, Risiken und Bedrohungen (möglichst frühzeitig) zu erkennen und zu lokalisieren. Mithilfe der erlangten Erkenntnisse können dann entsprechende Gegenmaßnahmen entworfen werden. In der Praxis bedeutet dies für den Kanzleiinhaber, regelmäßig verschiedene Daten seiner Praxis zu kontrollieren sowie aktuelle und zurückliegende Zahlen miteinander zu vergleichen. Diese Daten finden sich vor allem in der Buchführung, die – strukturiert geführt – das Kernstück für das Controlling darstellt. Im Folgenden sollen nun kurz einige Controlling-Instrumente beschrieben werden, mit denen wichtige Zahlen und Daten erhoben werden können. Kostenrechnung Die Rechnung muss am Ende stimmen. Rechtsanwälte, insbesondere selbstständig tätige, müssen sich im Rahmen ihrer Berufsausübung auch mit betriebswirtschaftlichem Handeln befassen. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind für die unternehmerische Tätigkeit als Anwalt erforderlich. Ein Teilbereich der kaufmännischen Unternehmenssteuerung ist das sogenannte Controlling. Auch finanzielle Kompetenzen gehören zu den unternehmerischen Fähigkeiten. Vor allem mit diesen Themenbereichen beschäftigt sich vorliegender Artikel. Es soll auf Grundlage verschiedener Quellen, die sich mit diesen Themen befassen, ein erster Einblick vermittelt werden, wie und warum Controlling im Kanzleibetrieb und eine bedachte Finanzplanung zum Erfolg einer Anwaltskanzlei beitragen können. Es handelt sich dabei um einige wesentliche Inhalte des Ratgebers des Instituts für Freie Berufe Nürnberg (IFB), der in Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e. V. München entstanden ist, „Erfolgreich selbstständig als Anwalt – Ein Handbuch für Gründer und Fortgeschrittene“. Der Ratgeber geht dabei aber noch näher auf Controlling und Finanzplanung ein. 46 AdVoice 02/15 Foto: RainerSturm_pixelio.de Controlling Es gibt zahlreiche Definitionen des Begriffs „Controlling“. Eine Definition lautet: „Controlling ist die Bereitstellung von Methoden (Techniken, Instrumente, Modelle, Denkmuster) und Informationen für arbeitsteilig ablaufende Planungs- und Kontrollprozesse sowie die funktionsübergreifende Koordination (Abstimmung) dieser Prozesse.“ Die zentralen Aufgaben von Controlling sind Planung, Steuerung und Kontrolle. Im Zusammenhang mit der Planung beschäftigt sich der Rechtsanwalt damit, welche Ziele er (lang- und kurzfristig) anstrebt, und legt fest, wohin sich seine Kanzlei entwickeln soll. Im Rahmen der Steuerung ist Controlling zuständig für den Weg, den eine Kanzlei einschlägt, sowie für eine fortgesetzte Verbesserung in der Kanzlei bzw. im Kanzleibetrieb. Kontrolle bedeutet schließlich zu ermitteln, ob die gesteckten Ziele erreicht worden sind oder nicht, wo Abweichungen davon festgestellt werden können und welche Ursachen hierfür zugrunde liegen. Das Controlling dient einem Anwalt dazu, die wirtschaftliche Entwicklung seiner Kanzlei fortwäh- Damit eine Unternehmung, also auch eine Rechtsanwaltskanzlei, keinen Verlust macht, sondern Gewinn erwirtschaftet, müssen die Einnahmen (also der Umsatz) höher sein als die Ausgaben (Kosten). Aus diesem Grunde sollte ein selbstständiger Rechtsanwalt stets genau darüber Bescheid wissen, welche Kosten in seiner Kanzlei anfallen. Diese können durch verschiedene Kostenrechnungen erfasst werden. Kostenartenrechnung (Welche Kosten sind entstanden?) Mit dieser Kostenrechnungsmethode werden die Kosten, die z. B. in einem Monat, einem Quartal oder einem Jahr in der Kanzlei entstehen, sortiert. Dabei sollten die Kostenarten möglichst (zumindest in groben Zügen) den Konten entsprechen, die in der Buchführung genutzt werden (Personal-, Kfz-, Bürokosten etc.). Die verschiedenen Ausgabenarten lassen sich weiterhin in fixe und variable Kosten unterscheiden: „Kosten, die von der Leistungsmenge unabhängig sind (…), sind demgemäß als fix (…) einzuordnen.“ Zu den Fixkosten zählen etwa die Büromiete, Kosten für den Telefon- und Internetanschluss, der jährliche Kammerbeitrag, Beiträge der Berufshaftpflichtversicherung oder Personalkosten. Diese Kosten können – zumindest kurzfristig – kaum verringert werden. Variable Kosten hingegen sind von der Leistungsmenge abhängig. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Kosten für Büromaterial oder für Fortund Weiterbildung. ANZEIGE JuraInfos Vorher zum Anwalt und als Anwalt vor Abschluss einer Versicherung Kostenstellenrechnung (Wo sind die Kosten entstanden?) Bei dieser Kostenrechnungsmethode werden die Kosten nach dem Verursacherprinzip geordnet, d. h. sie werden nach dem Leistungsbereich, in dem sie anfallen (z. B. Marketing) sortiert. Kostenträgerrechnung (Wofür sind die Kosten entstanden?) Diese Methode ist zu empfehlen, wenn eine Kanzlei viele verschiedene Leistungen erbringt. So können die Kosten den einzelnen Leistungen zugeordnet und damit deren Preise einfacher festgelegt werden. Deckungsbeitragsrechnung Der Deckungsbeitrag wird durch Abzug der variablen Kosten von den erzielten Erlösen (Umsatz) ermittelt. „Es handelt sich somit um den Betrag, der zur Deckung der Fixkosten zur Verfügung steht.“ Der Deckungsbeitrag kann sich sowohl auf einzelne Mandate beziehen als auch auf den Gesamterlös aus allen Mandaten erstrecken. Er wird angewendet, um deren Wirtschaftlichkeit festzustellen und miteinander zu vergleichen. Hierdurch kann beispielsweise ermittelt werden, ob ein Mandat, das einen recht hohen Umsatz abwirft, verglichen mit anderen, umsatzschwächeren Mandaten einen geringeren Gewinn oder sogar Verlust erbringt. Liquiditätsplanung Eine aussagekräftige Kostenrechnung ist zudem Voraussetzung für eine funktionierende Liquiditätsplanung, in der jeden Monat die Einnahmen den Ausgaben gegenübergestellt werden. Aus der Differenz von Erträgen und Aufwendungen ergibt sich der monatliche Saldo, d. h. die flüssigen (liquiden) Mittel, die zur Verfügung stehen, um den anstehenden finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei der Faktor Zeit (Zeitpunkt des Zahlungseingangs, Fälligkeiten von Zahlungsverpflichtungen usw.). Wenn aktuell fällige Zahlungsverpflichtungen (z. B. Löhne oder Steuern) nicht bezahlt werden können, selbst wenn nur vier Wochen später durch entsprechend hohe Zahlungseingänge wieder ausreichend liquide Mittel vorhanden sind, kann es zu schwerwiegenden Problemen kommen, wie z. B. zu Zahlungsunfähigkeit oder gar zum Kanzlei-Aus. Daher sollten Fristen und Fälligkeiten stets im Auge behalten werden. Break-Even-Analysen Mit der Break-Even-Analyse wird untersucht, wann ein Verlust in Gewinn umschlägt. „BreakEven-Punkte sind diejenigen Mengenpunkte (…), bei denen Gesamterlöse und Gesamtkosten übereinstimmen.“ Break-Even-Punkte können somit als Gewinnschwellen oder Erfolgsschwellen aufgefasst werden. Mit dieser Analyse kann also überprüft werden, ob mit dem erzielten Umsatz nach Abzug aller Kosten Gewinn oder Verlust generiert wird, bzw. ab welchem Zeitpunkt schließlich Gewinn erwirtschaftet wird. Soll-Ist-Vergleiche Das Standardinstrument des Controllings ist der Soll-Ist-Vergleich. Dabei werden im weiteren Sinne die Ist-Werte den angestrebten Soll-Werten gegenüber gestellt. Hierdurch kann festgestellt werden, ob es Abweichungen von den Planzahlen gibt, oder ob diese eingehalten werden bzw. ob die gesetzten Ziele erreicht wurden oder nicht. Stundensätze bei uns nachfragen. Wir sind eine freie Wirtschaftsvereinigung von Kollegen für Kollegen, hauptsächlich der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, aber auch schon der Rechtsreferendare und Assessoren, auch der Notare und Patentanwälte sowie der Rechtsbeistände die Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sind. Der Verein besteht seit fast 50 Jahren und hat derzeit etwa 5.000 Mitglieder bundesweit. Durch Gruppenversicherungsverträge bieten wir unter anderem kostengünstigen Versicherungsschutz für die ● Krankenversicherung ● Krankentagegeldversicherung ● Krankenhaustagegeldversicherung ● Unfallversicherung ● Lebensversicherung ● Altersrentenversicherung ● Sterbegeldversicherung ● Vermögensschadenhaftpflichtvers. die Pflichtversicherung nach § 51 BRAO Eine weitere wichtige Kennzahl bei der Beurteilung von Wirtschaftlichkeit ist der (durchschnittliche) Stundensatz, der wiederkehrend ermittelt werden sollte. Der errechnete Stundenlohn sollte den Rechtsanwalt in die Lage versetzen, jede juristische Tätigkeit mit einem dementsprechenden (Mindest)-Lohn zu beziffern. In die jeweiligen Berechnungen des durchschnittlichen Stundensatzes gehen zum einen der Umsatz ein, der in einem Monat, Quartal oder Jahr generiert wurde, sowie auch die entsprechenden Arbeitsstunden beziehungsweise die Arbeitstage, die im entsprechenden Zeitraum geleistet wurden. Eine Anforderung an den Stundensatz ist, dass er alle anfallenden Kosten in ausreichendem Maße deckt. Dabei sollten nicht nur die Kosten, die im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit entstehen, berücksichtigt werden, sondern zum Beispiel auch Kosten der eigenen Lebensführung oder für zukünftige Projekte, die eine schrittweise Anhäufung von Kapital notwendig machen. Auch sollte der Stundensatz möglichst transparent konstruiert sein, sodass er von den Mandanten nachvollzogen werden kann. Ottheinz Kääb, München und Kerstin Eggert, Nürnberg ● Kraftfahrzeughaftpflicht- und Kaskoversicherung ● Berufsunfähigkeitsversicherung Unsere Gruppenversicherungspartner sind die Versicherungsunternehmen der ERGO-Gruppe (insbesondere die DKV) sowie die HDI-Versicherung AG und das Rheinische Versicherungskontor. Wir gewähren Hinterbliebenen unserer Mitglieder eine Sterbefallbeihilfe von derzeit Euro 1.500,-- und unterhalten einen eigenen Hilfsfonds. Wir erteilen Ratschläge in Fragen der Sozialhilfe und zur Vorsorge für den Todesfall. Der Jahresbeitrag beträgt Euro 60,--. Für das Kalenderjahr, in dem der Beitritt erfolgt, besteht Beitragsfreiheit. Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V. Barer Str. 3, 80333 München Telefon: (089) 59 34 37 Telefax: (089) 59 34 38 E-Mail: [email protected] www.selbsthilfe-ra.de ww AdVoice 02/15 47 JuraInfos Aus der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft Diebstahl, Trunkenheitsfahrt und Strafbefehl – Zur Mittelgebühr im Strafrecht In der AdVoice 2/2014 haben wir über die Arbeit der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft berichtet. Aber auch die inhaltliche Arbeit ist für Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Haftungsfragen und Gebührenstreitigkeiten befassen, interessant und lehrreich. In loser Folge berichten wir daher aus der Arbeit der Schlichtungsstelle. und setzte die Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV RVG und die Verfahrensgebühr gem. Nr. 4104 VV RVG jeweils mit der Mittelgebühr an. Die von dem Antragsteller bereits als Vorschuss gezahlten 300,00 Euro hat er in Abzug gebracht, so dass er noch einen Restbetrag in Höhe von 158,15 Euro von dem Antragsteller fordert. Bei dem nachfolgend anonymisiert abgedruckten Schlichtungsvorschlag handelt es sich um einen Streit über die Abrechnung der Grund- und der Verfahrensgebühr in zwei strafrechtlichen Angelegenheiten. Nach dem Schlichtungsvorschlag sollte der Anwalt seine beiden Kostenrechnungen geringfügig ändern und unterhalb der Mittelgebühr abrechnen. Die von dem Anwalt in den beiden Angelegenheiten abgerechneten Grund- und Verfahrensgebühren seien zwar entstanden. Die abgerechnete Höhe, hier die Mittelgebühr, erscheine jedoch unangemessen. In der zweiten Sache ging es um den Vorwurf einer Trunkenheitsfahrt. Auch hier hatte der Antragsgegner die Verteidigung angezeigt und Akteneinsicht beantragt. Hier wurde ihm Akteneinsicht gewährt und ein Strafbefehl vom 27.12.2013 übersandt. Einspruch hat der Antragsgegner nicht gegen den Strafbefehl eingelegt. Der Antragsgegner teilte der Schlichtungsstelle jedoch mit, dass er den Strafbefehl überprüft habe. Der Anwalt hat für die „Trunkenheitsfahrt“ seine Endrechnung erstellt und auch hier Grundgebühr und Verfahrensgebühr mit der jeweiligen Mittelgebühr abgerechnet sowie 16 Fotokopien. Der gezahlte Vorschuss wurde abgezogen. Der Schlichtungsvorschlag sah wie folgt aus: 1. Der Antragsgegner ändert seine Kostenrechnungen Nr. 1400116 vom 9.4.2014 und Nr. 1400045 vom 9.4.2014 dahingehend, dass er jeweils die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr 50,00 Euro unterhalb der Mittelgebühr abrechnet. 2. Der Antragsteller zahlt auf die Kostenrechnung Nr. 1400116 noch 39,15 Euro und auf die Nr. 1400045 noch 48,67 Euro. 3. Mit der Zahlung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche erledigt. In der ersten Sache ging es um den Vorwurf des Diebstahls von Zigaretten. Der Antragsgegner hatte die Verteidigung des Antragstellers angezeigt und Akteneinsicht bei dem Polizeipräsidenten beantragt. Aus der Akteneinsicht ergab sich, dass das Verfahren von der Amtsanwaltschaft eingestellt worden ist. Der Antragsgegner rechnete seine Tätigkeit in der Sache „Diebstahl“ gegenüber seinem Mandanten ab Der Antragsteller hält jedoch die Rechnungen des Antragsgegners für überhöht. Die Schlichtungsstelle stellte fest: Die von dem Antragsgegner in den beiden Angelegenheiten abgerechneten Grundund Verfahrensgebühren sind entstanden. Die abgerechnete Höhe der jeweiligen Gebühren erscheint jedoch unangemessen. Der Antragsgegner darf die Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG abrechnen. Die Grundgebühr steht dem Rechtsanwalt für die (erstmalige) Einarbeitung in den Rechtsfall zu. Voraussetzung für das Entstehen der Grundgebühr ist ausschließlich die Annahme des Mandats (Gerold / Schmidt, RVG-Kommentar, 21. Aufl., 2013, Nr. 4100 VV RVG, Rn. 1). Dies ist in beiden Angelegenheiten unzweifelhaft geschehen. Die Grundgebühr ist eine Rahmengebühr; die Mittelgebühr beträgt 200,00 Euro. Die Diese Kostenrechnung schlug die Schlichtungsstelle für die Trunkenheitsfahrt vor: Grundgebühr für Verteidiger § 14, Nr. 4100 VV RVG €Verfahrensgebühr für Ermittlungsverfahren § 14, Nr. 4104 VV RVG Zwischensumme der Gebührenpositionen Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG Ablichtungen (16 Seiten zu 0,50 Euro ) Zwischensumme netto 19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG Zwischensumme brutto Gebührenguthaben Aktenkonto zu zahlender Betrag 48 AdVoice 02/15 150,00 Euro 115,00 Euro 265,00 Euro 20,00 Euro 8,00 Euro 293,00 Euro 55,67 Euro 348,67 Euro – 300,00 Euro 48,67 Euro Grundgebühr entsteht immer neben der jeweiligen Verfahrensgebühr (Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 21. Aufl., 2013, Nr. 4100 VV RVG, Rn. 9). Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, d. h. sie gilt für die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im sogenannten vorbereitenden Verfahren (Gerold / Schmidt, RVG-Kommentar, 21. Aufl., 2013, Nr. 4104, 4105 VV RVG, Rn. 6). Die Verfahrensgebühr ist eine Rahmengebühr, deren Mittelgebühr 165,00 Euro beträgt. Auch wenn der Antragsgegner lediglich die Verteidigung angezeigt und Akteneinsicht beantragt hat, sind beide Gebühren angefallen. Für den hier von beiden am Schlichtungsverfahren beteiligten Personen geschilderten Aufwand in den zwei strafrechtlichen Angelegenheiten erscheint das Ansetzen der Mittelgebühr jedoch überhöht. Daher schlug die Schlichtungsstelle vor, die Rechnungen zu ändern (siehe Infokasten). Dabei wurde die jeweilige Grundund Verfahrensgebühr um 50,00 Euro, ausgehend von der Mittelgebühr, gesenkt, da die Angelegenheiten nicht so arbeitsintensiv waren, dass das Abrechnen der Mittelgebühr gerechtfertigt sei. Die Tätigkeit habe sich auf die die Auswertung beschränkt. Die Schlichtungsstelle gibt folgende Hinweise: Die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG entsteht für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall, unabhängig zu welchem Zeitpunkt / in welchem Verfahrensabschnitt diese erfolgt. Die Grundgebühr fällt grundsätzlich nicht allein, sondern neben der Verfahrensgebühr an (Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG). Die Grundgebühr für den Wahlanwalt ist eine Betragsrahmengebühr. Sie beläuft sich auf 40,00 bis 360,00 Euro. Die Mittelgebühr beträgt 200,00 Euro. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG erhält der Verteidiger für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Damit sind grundsätzlich alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts außerhalb der Hauptverhandlung abgegolten, z. B. vorbereitende Schriftsätze im gerichtlichen Verfahren. Die Verfahrensgebühr fällt aber auch an, wenn der Rechtsanwalt nicht nach außen tätig wird, sondern z. B. mit dem Mandanten die Hauptverhandlung vorbereitet. Die Verfahrensgebühr für den Wahlanwalt ist eine Betragsrahmengebühr. Sie beläuft sich von 40,00 bis 290,00 Euro. Die Mittelgebühr beträgt 165,00 Euro. Schlichterin Dr. h.c. Renate Jaeger, Geschäftsführerin RAin Dr. Sylvia Ruge, Berlin JuraInfos Prämie Teil des Gehalts? Über die Versteuerung der Beiträge zur Berufshaftpflicht angestellter Anwälte Bisweilen fragen sich Rechtsanwälte, ob und wie sich eine Versteuerung übernommener Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung angestellter Rechtsanwälte vermeiden lässt. Arbeitgeber von Anwaltskanzleien übernehmen oft auch die Prämie, die angestellte Anwälte gemäß § 51 BRAO für ihre eigene Berufshaftpflichtversicherung aufbringen müssen. Auf der Behördenseite war die Berliner Finanzverwaltung Vorreiter für ein entsprechendes Vorgehen auf der Basis des Urteils. Dem haben sich nach und nach auch die anderen Finanzbehörden angeschlossen (s. SenFin Berlin, Erlass III b – S-2332 – 3/2008 vom 26. Juli 2010 mit Verweis auf einen einheitlichen Beschluss der obersten Finanzbehörden der Länder). Dabei ist die sogenannte Titeldeckung von der Versicherung der Kanzlei zu unterscheiden. Die Berufshaftpflichtversicherung der Kanzlei bietet dem angestellten Rechtsanwalt Versicherungsschutz für die Tätigkeit im Anstellungsverhältnis. Der Auftritt in eigenem Namen und auf eigene Rechnung unterfällt der Titeldeckung, die gemäß § 51 BRAO für die Zulassung vorzuhalten ist, unabhängig davon, ob eine eigene Tätigkeit überhaupt ausgeübt wird oder laut Arbeitsvertrag ausgeübt werden darf. Neue Entwicklung und Kritik an der Entscheidung Obwohl die steuerliche Bewertung der Beurteilung des Einzelfalls durch einen Steuerberater oder eine sonstige versierte Fachperson vorbehalten bleibt, sollen mit diesem Aufsatz die Grundzüge der Versteuerung des geldwerten Vorteils für angestellte Rechtsanwälte, wenn der Arbeitgeber die Prämie der eigenen Berufshaftpflichtversicherung übernommen hat, dargestellt werden. Ausgangsbasis Bereits mit Urteil vom 26. Juli 2007, Az. VI R 64/06 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten Rechtsanwalts durch den Arbeitgeber Arbeitslohn darstelle. Der BFH nahm das Vorliegen lohnsteuerpflichtiger Zuwendungen an. Nur solche dem Arbeitnehmer zugewendeten Vorteile seien kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung darstellen, also aus „ganz überwiegend“ eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Eine Steuerbarkeit sei schon dann zu bejahen, wenn ein „nicht unerhebliches Eigeninteresse“ des Arbeitnehmers gegeben sei (BFH, a. a. O.). Dieses BFH-Urteil hat sich zusammen mit weiteren Entscheidungen – BFH mit Beschluss vom 6. Mai 2009 VI B 4/09, Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Dezember 2008, 13 K 2508/08; BFH, Beschluss vom 28. März 2011, VI B 31/11; BFH/NV 2011, 1322 zu einer gefestigten Rechtsprechung entwickelt. Foto: Lupo_pixelio.de Mit Blick auf die sich ändernden Strukturen in Gesellschaftsrecht, Berufsrecht und Versicherungsmarkt wird die Frage gestellt, ob die Ausgangslage nicht neu zu bewerten sei. Auch wird darauf hingewiesen, dass im Ausgangsfall die angestellten Rechtsanwälte als „Scheinpartner“ nach außen hin auftraten, mithin also ein großes Eigeninteresse an einer ausreichenden Versicherung bestand. Finanzen muss man immer fest im Griff haben. Die Entscheidung erging zu einer Zeit, in der Rechtsanwälte überwiegend in einer Sozietät organisiert waren. Die unmittelbar persönliche Haftung stand im Vordergrund. Dies galt auch für angestellte Rechtsanwälte, wenn diese als Scheinpartner nach außen hin auftraten. Die Haftungsstrukturen haben sich mittlerweile geändert. Größere Kanzleien sind heute als Partnerschaft, GmbH, AG oder LLP organisiert. Die unmittelbare Haftung richtet sich gegen die Gesellschaft. Abhängig von der Rechtsform haften nur noch partiell etwaig mit der Sache befasste Partner. wie bereits oben gesagt, der individuellen Bewertung durch den Steuerberater vorbehalten. Sie sind mit großen Unsicherheiten belastet und kritisch zu bewerten. Dem angestellten Rechtsanwalt kann es vor diesem Hintergrund egal sein, wie hoch die Kanzlei versichert ist, die Versicherungsdeckung ist für ihn wertlos (Diller, Anwbl 2010, 269, 270). Das Finanzgericht hat – zu Recht – die Anteile der Versicherung für die Kanzlei, die auf die angestellten Rechtsanwälte entfielen, nicht als Entlohnung, sondern als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung angesehen. Die Prämienberechnung der Kanzlei setzte sich aus mehreren Faktoren zusammen, u. a. der Anzahl angestellter Rechtsanwälte. Daneben unterhielten die angestellten Anwälte noch eine eigene persönliche Berufshaftpflicht, was aber nicht Gegenstand des Verfahrens war. Dem stehen allerdings die Ausführungen des BFH in der Grundlagenentscheidung entgegen, dass § 51 BRAO den Abschluss einer eigenen Berufshaftpflichtversicherung (auch) als angestellter Rechtsanwalt verlange. Diese Ausführungen haben, auch wenn der eine oder andere Ausgangspunkt aufgrund sich weiter entwickelnder Strukturen neu bewertet werden muss, immer noch Bestand, sodass eine Änderung der Rechtsprechung nicht zu erwarten ist. Steuervermeidungsvorschläge, wie die Titeldeckung im Rahmen der Berufshaftpflicht für die Kanzlei prämienfrei mit einzuschließen, bleiben, In diesem Kontext erging erst kürzlich unter dem 4. November 2014 ein Urteil des Finanzgerichts Hamburg, Az. 2 K 95/14. Das Gericht hatte sich mit einem Sachverhalt auseinandergesetzt, in dem es um die Versteuerung von Prämienanteilen angestellter Rechtsanwälte ging, die allerdings Berechnungsteil der Prämie des Hauptvertrags waren. Steffen Eube, HDI Versicherung AG f AdVoice 02/15 49 JuraNews JuraNews zusammengestellt von RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe Anforderungen an die Verwendung der Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“ Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich mit Urteil vom 24. Juli 2014 – Az. I ZR 53/13 – mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsanwalt auf seinem Briefkopf die Bezeichnung „Spezialist“ – in diesem Fall für Familienrecht – verwenden darf. Die Rechtsanwaltskammer Freiburg hatte einen Rechtsanwalt auf Unterlassung in Anspruch genommen, der mit zwei weiteren Rechtsanwälten in einer Kanzlei tätig war. Im Jahr 2011 verwendete er einen Briefkopf, in welchem in einer Spalte die drei Rechtsanwälte genannt waren. Unter dem an erster Stelle angeführten Beklagten befand sich die Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“. Bei den beiden weiteren mit dem Beklagten tätigen Rechtsanwälten fanden sich die Angaben „auch Fachanwältin für Familienrecht“ und „auch Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht“. Die Vorinstanzen gaben der Klägerin Recht. Das OLG Karlsruhe hatte entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der im Rechtsverkehr mit der Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“ wirbt, gegen § 43b BRAO i. V. m. § 7 Abs. 2 BORA verstößt und nach §§ 3, 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig handelt. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen, er hat dabei folgende Leitsätze aufgestellt: Anforderung an das Abstellen auf „eigene Sachkunde“ des Gerichts 1. Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, besteht keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung einer entsprechenden Bezeichnung zu untersagen, selbst wenn beim rechtsuchenden Publikum die Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung „Fachanwalt für Familienrecht“ besteht. 2. Der sich selbst als Spezialist bezeichnende Rechtsanwalt trägt für die Richtigkeit seiner Selbsteinschätzung die Darlegungs- und Beweislast. Der Rechtsanwalt muss dementsprechend nachweisen, ob er über hinreichende theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen verfügt, um sich zu Recht als Spezialist für Familienrecht zu bezeichnen. Ausdrücklich offengelassen hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob an den Nachweis der Richtigkeit einer Selbsteinschätzung als Spezialist höhere Anforderungen zu stellen sind, wenn sie für Rechtsgebiete in Anspruch genommen wird, die nicht mit Fachanwaltschaften vollständig identisch sind oder für die gar keine Fachanwaltschaft existiert. Wer also beispielsweise in den Bereichen Pferderecht, Jagdrecht, Reiserecht oder Weinrecht tätig ist, sollte bis zu einer Klärung dieser Frage auf die Bezeichnung „Spezialist“ verzichten. Mit Beschluss vom 13. Januar 2015 – Az. VI ZR 204/14 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs klargestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Gericht auf eine eigene besondere Sachkunde abstellen darf. Die Klägerin führte am 7. April 2009 ihr Dressurund Reitpferd auf der rechten Seite eines nur für land- und forstwirtschaftlichen Verkehr freigegebenen Weges, wobei sie selbst auf dem Asphalt ging, während sich das Pferd auf dem Grünstreifen rechts neben dem Weg befand. Der Beklagte zu 2 befuhr den Weg mit seinem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Pkw. Er näherte sich der Klägerin von hinten und bog nach links auf ein Feld ab, um zu einem dort befindlichen Misthaufen zu gelangen. Ob er die Klägerin zuvor überholt hatte, war streitig. Das Pferd brach aus und fügte der Klägerin schwere Verletzungen zu. Die Klägerin begehrte Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. In dem Berufungsurteil heißt es unter anderem wörtlich (OLG Celle, Urteil vom 26. März 2014 – 14 U 128/13 –, juris Tz. 61): „Aufgrund eigener Sachkunde jedenfalls der Senatsvorsitzenden ist dem Senat bekannt, dass auch an den Straßenverkehr grundsätzlich gewöhnte Pferde durch unverhofftes Zurseitespringen, plötzliches Rückwärtsgehen oder fluchtartiges Vorwärtsstürmen auf eine subjektiv wahrgenommene Gefahr reagieren können, wodurch sich ein unberechenbares und oftmals schwer bis gar nicht zu beherrschendes Verhalten begründet, mit dem ein Reiter bzw. – wie im hiesigen Fall – ein Pferdeführer zu rechnen hat.“ Nähe Angaben zur angeblichen Sachkunde der Senatsvorsitzenden enthält der Urteil nicht. Die Klägerin hatte hinsichtlich eines unfallursächlichen Fehlverhaltens die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, welches das Gericht – wegen der eigenen Sachkunde – aber nicht eingeholt hat. 50 AdVoice 02/15 JuraNews Fristenkontrolle bei jeder Aktenvorlage erforderlich Der Bundesgerichtshof hat darin einen Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör gesehen und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen; der Senat hat dabei folgenden Leitsatz aufgestellt: Wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, darf der Tatrichter auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss das Gericht, wenn es bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen. Kostenlose Datenbank des Deutschen Instituts für Menschenrechte Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat eine Online-Rechtsprechungsdatenbank „ius menschenrechte“ eingerichtet. Diese kostenlose Datenbank findet sich unter folgendem Link: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/ rechtsprechungsdatenbank-ius-menschenrechte. html In der Datenbank werden ausgewählte Entscheidungen internationaler Spruchkörper, wie der UN-Fachausschüsse, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) eingestellt. Alle Entscheidungen sind auf Deutsch zusammengefasst und können im Volltext als PDF (vorwiegend auf Englisch) heruntergeladen werden. Die Datenbank enthält derzeit im Schwerpunkt Entscheidungen zu den Themen Diskriminierungsschutz, geschlechtsspezifische Gewalt, Menschenhandel und Behinderung. Sie wird durch das Institut kontinuierlich ausgebaut. Es ist beabsichtigt, sie um die Themen Rassismus, Folterverbot oder Migration/Flucht zu ergänzen. Mit Beschluss vom 13. Januar 2015 – Az. VI ZB 46/14 – hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst, wann die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Falle des Verstreichens der Berufungsfrist zu laufen beginnt. Der Kläger hat den Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 1. April 2014 zugestellt worden. Hiergegen hat der Kläger mit Telefax vom 5. Mai 2014 Berufung eingelegt und diese begründet. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15. Mai 2014 darauf hingewiesen, dass die Berufung verspätet eingelegt worden sei. Der Kläger hat daraufhin mit Telefax vom 26. Mai 2014 beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, hilfsweise auch gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren. Der Kläger hat geltend gemacht, sein Prozessbevollmächtigter habe den Entwurf der Berufungsschrift am 22. April 2014 diktiert und eine Abschrift an ihn, die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung sowie die Wiedervorlage zur Einlegung der Berufung für den 2. Mai 2014 verfügt. Die zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte habe die Wiedervorlagefrist weisungswidrig nicht notiert. Die Deckungszusage sei am 2. Mai 2014 eingegangen und dem Prozessbevollmächtigten am 5. Mai 2014 gemeinsam mit der Handakte und einer Ausfertigung der Berufungsschrift vorgelegt worden. Dieser habe die Berufungsschrift umgehend unterzeichnet und den Versand per Telefax an das Berufungsgericht veranlasst. Kenntnis von der Fristversäumnis habe er erst am 20. Mai 2014 erlangt, als ihm der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 15. Mai 2014 zugegangen sei. Das Oberlandesgericht hat die Berufung und den Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu bewilligen, als unzulässig verworfen, weil der Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist gestellt worden sei. Der Bundesgerichtshof hat die Ansicht des Oberlandesgerichts bestätigt. Nach § 234 BGB ist die Wiedereinsetzung innerhalb einer zweiwöchigen Frist zu beantragen. Diese Frist beginnt, sobald das der Fristwahrung entgegenstehende Hindernis behoben ist, mithin sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr unverschuldet ist. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs bestand das Hindernis hier darin, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei Einlegung der Berufung den Ablauf der Berufungsfrist nicht bemerkt hatte. Dieses Hindernis entfiel nicht erst mit dem Eingang des Hinweises des Beklagten auf den Fristablauf am 20. Mai 2014, sondern schon in dem Moment, in dem der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt die Versäumung der Berufungsfrist hätte bemerken müssen. Der Bundesgerichtshof stellt diesbezüglich auf den 5. Mai 2014 ab, als dem Prozessbevollmächtigten die Sache zur Unterzeichnung der Berufungsschrift vorgelegt wurde, da dieser spätestens ab diesem Zeitpunkt die Fristversäumung hätte bemerken müssen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung mit Telefax vom 26. Mai 2014 war erfolgte somit verspätet. Der VI. Zivilsenat hat folgenden Leitsatz aufgestellt: Der Rechtsanwalt hat selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob ein Fristende richtig ermittelt und eingetragen wurde, wenn ihm die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt wird. Dies gilt auch dann, wenn ihm die Akte nach vorangegangener Fertigung eines Entwurfs der Berufungsschrift nur zum Zwecke der Unterschrift vorgelegt wird. f AdVoice 02/15 51 JuraNews JuraNews zusammengestellt von RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe Offensichtlich wahrheitswidrige Angaben in PKH-Anträgen Mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 – Az. VI ZA 15/14 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs konkretisiert, welche Anforderungen an eine unverschuldete Fristversäumung im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens zu stellen sind. Die Klägerin hatte vor Ablauf der Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde die ausgefüllte „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe“ nebst einer Reihe von Belegen vorgelegt. In ihrem Prozesskostenhilfeantrag hatte sie angegeben, über keine Bank-, Giro- oder Sparkonten zu verfügen. Tatsächlich verfügte sie aber über jedenfalls drei Girokonten, über die ihr Zahlungsverkehr abgewickelt wurde. Der Bundesgerichtshof hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und den Antrag auf Wiedereinsetzung abgelehnt. Dabei hat er dahinstehen lassen, ob die Falschangabe zu den Konten vorsätzlich erfolgt ist oder lediglich auf einer Nachlässigkeit der Klägerin selbst oder/und ihres Prozessbevollmächtigten beruht hat. Es genüge, dass die Klägerin „auch für sie selbst offensichtlich“ wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Der BGH hat mit der Entscheidung folgende Leitsätze aufgestellt: – Die Versäumung einer Frist ist unverschuldet und einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung wegen des wirtschaftlichen Unvermögens einer Partei unterbleibt. 52 AdVoice 02/15 Ordnungsgeld wegen Nichterheben beim Eintritt des Gerichts – Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Partei bis zum Ablauf der Frist einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Antrag auf Prozesskostenhilfe eingereicht und alles in ihren Kräften Stehende getan hat, damit über den Antrag ohne Verzögerung sachlich entschieden werden kann, und sie deshalb vernünftigerweise nicht mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit rechnen musste. – Daran fehlt es, wenn die Partei im Prozesskostenhilfeantrag - für sie selbst offensichtlich - wahrheitswidrig angegeben hat, über keine Bankkonten zu verfügen. Für die anwaltliche Praxis gilt daher, dass Anträge auf Prozesskostenhilfe des Mandanten, jedenfalls auf offensichtlich bedenkliche Angaben hin, überprüft werden sollten, da bei einer Nachlässigkeit des Anwalts Regressansprüche in Betracht kommen. Selbst wenn bereits Prozesskostenhilfe – in erster Instanz – gewährt worden ist, darf man sich darauf in der Folgeinstanz nicht blind verlassen. Mit Beschluss vom 13. Januar 2015 – Az. VI ZB 91/14 – hat der derselbe Senat entschieden, dass eine Partei, der in erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, zwar grundsätzlich davon ausgehen darf, dass bei unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen auch in der zweiten Instanz ihre Bedürftigkeit bejaht wird. Diese Voraussetzung ist aber dann nicht gegeben, wenn die Partei oder ihr anwaltlicher Vertreter erkennen kann, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gegeben sind. Das gilt insbesondere dann, wenn im Hinblick darauf, dass der Partei vom Gericht ein entsprechender Hinweis erteilt worden ist, vernünftigerweise mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit zu rechnen ist. Nach § 178 Abs. 1 GVG kann gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Der zweite Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat mit Beschluss vom 5. Januar 2015 - 2 Ws 448/14 - entschieden, dass es in der Regel keine Ungebühr im Sinne des § 178 Abs. 1 GVG darstellt, wenn sich der Angeklagte nach einer Sitzungspause beim Wiedereintritt des Gerichtes nicht erhebt. Der Angeklagte hatte sich zunächst trotzt Aufforderung nicht erhoben, als die Richterin zu Beginn der Hauptverhandlung den Gerichtssaal betrat. Ihm wurde darauf die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 200 Euro, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft, angedroht. Dennoch hat sich der Angeklagte nach einer kurzen Sitzungspause wieder nicht erhoben. Das Amtsgericht hat darauf die angedrohten Ordnungsmittel verhängt. Das OLG Karlsruhe hat den Ordnungsgeldbeschluss aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar das Sitzenbleiben eines Angeklagten grundsätzlich eine Ungebühr im Sinne des § 178 GVG Abs. 1 darstellen kann. Dies gelte jedoch nicht uneingeschränkt. Wie bereits der Wertentscheidung des Richtliniengebers zu entnehmen sei, hätten sich sämtliche Anwesenden (lediglich) beim Eintritt des Gerichts zu Beginn der Sitzung, bei der Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen und bei der Verkündung der Urteilsformel von ihren Plätzen zu erheben (Nr. 124 Abs. 2 Satz 2 RiStBV). Demgegenüber stelle das bloße Sitzenbleiben beim Eintreten des Gerichts nach einer Sitzungspause nur dann eine Ungebühr im Sinne des § 178 Abs. 1 GVG dar, wenn weitere objektive Umstände hinzutreten, was vorliegend nicht der Fall gewesen wäre. Ungebührlich sei ein solches Verhalten auch nicht dadurch geworden, dass die Vorsitzende den Angeklagten aufgefordert hatte, sich von seinem Platz zu erheben. Denn hierzu sei er nicht verpflichtet gewesen. Anders als zu Beginn der Sitzung stelle deren Fortsetzung nach einer Pause nämlich keinen besonderen Verfahrensabschnitt dar, der einer Verdeutlichung durch die äußere Form des Aufstehens der im Sitzungssaal Anwesenden bedarf. Euer FORUM AG Syndikusanwälte Vorteile für FORUMsmitglieder: Die Arbeitsgemeinschaften des DAV Die Mitgliedschaft im FORUM Junge Anwaltschaft im DAV bringt viele Vorteile. Günstige Haftpflichtversicherung oder ein bundesweites und internationales Netzwerk einschließlich des fachlichen Austauschs mit Kolleginnen und Kollegen sind nur zwei Beispiele. Wer sich spezialisieren will, kann die Chance nutzen und über das FORUM in die meisten Arbeitsgemeinschaften des DAV hineinschnuppern. Viele Arbeitsgemeinschaften (AG) bieten günstige Juniormitgliedschaften an. Veranstaltungen und Sonderkonditionen der AGs können besucht und genutzt werden. Mit einer Serie wollen wir die Arbeitsgemeinschaften im DAV nach und nach vorstellen. Eine Übersicht zu allen Arbeitsgemeinschaften gibt es hier: http://anwaltverein.de/ueber-uns/arbeitsgemeinschaften ARBEITSGEMEINSCHAFT SYNDIKUSANWÄLTE Gegründet: 1978 Mitglieder: ca. 480 (Stand: 03/2012) Zielgruppe: Syndikusanwälte Was bietet die AG? In der Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte haben sich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zusammengeschlossen, die als Syndikusanwälte tätig sind. Die Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte fördert die ideellen, berufspolitischen und wirtschaftlichen Interessen der Syndikusanwälte innerhalb der Anwaltschaft. Als Schnittstelle zu gleich gerichteten Interessen im Ausland ist die Arbeitsgemeinschaft auch Mitglied der European Company Lawyers Association (ECLA, www.ecla.org) mit Sitz in Brüssel. Vorteile: Wichtigste Fortbildungsveranstaltung für die Mitglieder ist der jedes Jahr stattfindende Syndikusanwaltstag in Berlin. Außerdem gibt es in unregelmäßigen Abständen Fachveranstaltungen im ganzen Bundesgebiet, die der Fortbildung der Mitglieder und dem Erfahrungsaustausch dienen. In regelmäßig erscheinenden Newslettern werden die Mitglieder über alle berufspolitischen Entwicklungen informiert. Dazu gehören auch Entwicklungen des anwaltlichen Berufsrechts und des Wirtschaftsrechts. Ziele: Die Arbeitsgemeinschaft setzt sich engagiert dafür ein, die anwaltliche Qualität im Unternehmen, die in der öffentlichen Wahrnehmung im Vergleich zum Berufsbild eines zugelassenen „klassischen“ Rechtsanwalts zuweilen ins Hintertreffen gerät, weiter in den Vordergrund zu stellen und lancieren entsprechende Werbekampagnen. Aktuelles Thema ist derzeit die Stellung der Syndikusanwälte im System der Anwaltschaft. Die Arbeitsgemeinschaft begrüßt ausdrücklich das vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz herausgebrachte Eckpunktepapier zur Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte. Jahresbeitrag: 50 Euro > www.syndikusanwaelte.de Termine Mi., 10. Juni / Hamburg Do., 10. Juni / Hamburg 18./19. September / Dresden DAT für Einsteiger CCH, Saal A-2 (1. OG) 14.30-14.45 Uhr: Begrüßung (im Rahmen des DAT) CCH, Saal 8 (1. OG) 16 bis 18 Uhr: Anwaltsnotariat / Junge Anwaltschaft / Anwältinnen Ort: Nachwuchsgewinnung für das Anwaltsnotariat – Perspektiven für junge Anwältinnen und Anwälte Jahrestagung des FORUMs 2015 Quality Hotel Plaza Dresden, Königsbrücker Straße 121a 01099 Dresden Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Allgemeinanwalt, Bremen,und Rechtsanwalt Dr. Christoph Triltsch, Vorsitzender des FORUM Junge Anwaltschaft, Lübeck, sowie Rechtsanwalt Manfred Aranowski, DAV Geschäftsführer, Berlin 14.45-16.15 Uhr: „Vergiften ist unpassend“ – bessere Verhandlungsergebnisse durch Kreativität Rechtsanwältin und Notarin Dörte Zimmermann, LL.M, Berlin, Rechtsanwältin und Notarin Monika Hähn, Lübbecke, Rechtsanwältin Dr. Eva Leinemann, Berlin, Rechtsanwalt Ulf Schönenberg-Wessel, Kiel Weitere Termine, Rechtsanwalt Dr. Ivo Greiter, Innsbruck 16.30-18 Uhr: Anwaltliches Querdenken – rechtliche Schnittstellen im Mandat Rechtsanwältin Dr. Gudrun Doering-Striening, Essen Infos unter: www.davforum.de Infos unter: www.davforum.de auch für alle Stammtische des FORUMs vor Ort findet Ihr auf der Website: www.davforum.de > Termine > Stammtische Änderungen vorbehalten! AdVoice 02/15 53 Euer FORUM Streitkultur im Wandel 66. Deutscher Anwaltstag vom 11. bis 13. Juni 2015 in Hamburg Der Deutsche Anwaltstag (DAT) ist die bundesweite jährliche Tagung der Anwaltschaft, die sich beruflichen und rechtspolitischen Themen widmet. Der 66. Deutsche Anwaltstag findet dieses Jahr in Hamburg statt und steht unter dem Motto „Streitkultur im Wandel – weniger Recht?“. Der DAT führt jährlich Anwaltschaft, Justiz, Politik, Wissenschaft und Presse zu einem gesellschaftlichen und rechts- und berufspolitischen Austausch zusammen und ist darüber hinaus eine der größten anwaltlichen Fortbildungsveranstaltungen überhaupt. Am Donnerstag, dem 11. Juni 2015, um 9.30 Uhr beginnt der DAT mit einer zentralen Eröffnungsveranstaltung. Es erwartet Euch eine Vielzahl von Fortbildungsveranstaltungen in den wichtigsten FAO-relevanten Rechtsgebieten, informative Querschnittsveranstaltungen und wichtige rechtspolitische Diskussionen. Die im Programm gesondert bezeichneten Veranstaltungen sind für die Pflichtfortbildung gemäß § 15 FAO geeignet – wobei letztlich die Entscheidung über die FAO-Anerkennung den jeweiligen Rechtsanwaltskammern überlassen bleibt. Die Streitkultur steht im Mittelpunk des 66. Deutschen Anwaltstags in Hamburg. Foto: Andrea Vollmer Für junge Juristen, Berufseinsteiger, Referendare und Studenten findet am 10. Juni 2015 von 14.30 bis 18 Uhr der „DAT für Einsteiger“ mit den Vorträgen „Vergiften ist unpassend – bessere Verhandlungsergebnisse durch Kreativität“ und „Anwaltliches Querdenken – rechtliche Schnittstellen im Mandat“ statt. Der DAT für Einsteiger richtet sich gerade an die jungen und neuen Kolleginnen und Kollegen. Hier könnt ihr Eure Regionalbeauftragten kennenlernen sowie viele andere junge Kolleginnen und Kollegen (wieder-)treffen, Euch austauschen und Kontakte knüpfen. Als weitere Forumsveranstaltung findet am Donnerstag, den 11. Juni 2015 von 16 bis 18 Uhr eine Veranstaltung zur „Nachwuchsgewinnung für das Anwaltsnotariat – Perspektiven für junge Anwältinnen und Anwälte“ statt. INFORMATIONEN Veranstaltungsort: CCH – Congress Center Hamburg Tiergartenstraße 2, 20355 Hamburg Teilnahmegebühren FORUMs-Mitglieder: Dauerkarte 104 Euro Tageskarte 34 Euro am 10. Juni 2015 jeweils 64 Euro am 11. und 12. Juni 2015 Studenten / Referendare: Dauerkarte 25 Euro Tageskarte 15 Euro (nur bei Vorlage des Studentenausweises bzw. Ernennungsurkunde) Zusätzliche Kosten fallen an für das Get-together des Hamburger Anwaltsvereins am 10. Juni 2015 ab 19 Uhr in Höhe von 15 Euro pro Person und den Begrüßungsabend des Hamburger Anwaltsvereins am 11. Juni 2015 ab 19 Uhr in Höhe von 25 Euro pro Person. Darüber hinaus gibt es ein umfangreiches Ausflugsprogramm, ein Kinderprogramm, einen Musicalabend sowie den DAV-Cup 2015. Alle Infos zum Programm, Anmeldung und zum DAT für Einsteiger findet ihr unter > http://anwaltverein.de/dat 54 AdVoice 02/15 Euer FORUM Regionalbeauftragte stellen sich vor Regionalbeauftragte für den Landgerichtsbezirk Kempten Mein Name ist Jennifer Trapp. Mein Studium habe ich in Konstanz absolviert. Das Referendariat führte mich nach Heidelberg. Höhepunkt dieser Zeit war die dreimonatige Wahlstation in den Rechtsanwaltskanzleien LeClairRyan und Akerman in New York. Seit Herbst 2014 bin ich als Rechtsanwältin in der Kanzlei Dr. Botzenhardt & Kollegen in Kempten tätig. Foto: ostheimer_pixelio.de Die Stammtisch-Treffen werden rechtzeitig auf der Homepage des FORUMs veröffentlicht. Die Mitglieder im Landgerichtsbezirk Kempten werde ich auch per E-Mail informieren. [email protected] Schon als Referendarin wurde ich Mitglied im FORUM und besuchte regelmäßig den Stammtisch in Heidelberg. Es hat mir viel Freude bereitet, Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen. Deshalb ist es mein Ziel, den Stammtisch auch in Kempten wieder einzuführen. Ich setze mich dafür ein, den Kontakt untereinander sowie zum Anwaltsverein Kempten und zu Stammtischen anderer Regionen zu stärken und gemeinsame Veranstaltungen zu ermöglichen. Regionalbeauftragte gesucht! Regionalbeauftragte gesucht! An alle FORUMs-Kolleginnen und -Kollegen in den LG-Bezirken Aachen, Amberg, Baden-Baden, Bamberg, Bückeburg, Coburg, Frankfurt/Oder, Hanau, Heilbronn, Limburg, Neubrandenburg, Neuruppin, Rottweil, Schweinfurt, Stendal, Waldshut-Tiengen, Weiden, Zwickau. In diesen Bezirken ist die interessante Position des Regionalbeauftragten nicht oder nur kommissarisch besetzt. Als engagierte FORUMs-Mitglieder könnt Ihr diese Lücken schließen. Der Regionalbeauftragte ist der Ansprechpartner des FORUMs Junge Anwaltschaft vor Ort und organisiert in erster Linie den monat lichen Stammtisch zur Vernetzung der Mitglieder im eigenen Landgerichtsbezirk. Als RB bist Du auch die Schnittstelle zwischen dem Geschäftsführenden Ausschuss und den Mitgliedern vor Ort und stehst in Kontakt mit den anderen RBs im Bundesgebiet. Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder, und der Regionalbeauftragte ist ein wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht Spaß und bringt jede Menge Kontakte mit sich. Eine Übersicht aller Regionalbeauftragten findet Ihr im Internet unter: > www.davforum.de/ueber-uns/regionalbeauftragte/ AdVoice 02/15 55 Bücher-FORUM FamFG-Kommentar Bork/Jacoby/Schwab (Hrsg.), 2. Aufl. 2013, 2.036 S. mit Beiheft (28 S.), 118 Euro, Gieseking Verlag Der FamFG-Kommentar von Bork/Jacoby/Schwab ist 2013 in der 2. Auflage erschienen. Inhaltlich werden alle neun Bücher des FamFG kommentiert, darüber hinaus gibt es einen Anhang, in welchem sich Erläuterungen zu Art. 111 FGG-RG, dem internationalen Familienrechtsverfahrensgesetz (IntFamRVG), dem Auslandsunterhaltsgesetz (AUG) und dem Erwachsenenschutz-Übereinkommens-Ausführungsgesetz (ErwSÜAG) finden. Gegenüber der Vorauflage hat der Umfang der Kommentierung noch einmal beachtlich, um etwa ein Drittel, zugenommen, die bestehenden Kommentierungen wurden vertieft. Neu sind insbesondere die Darstellungen zur Reform der elterlichen Sorge von nicht miteinander verheirateten Eltern und zur Stärkung der Rechte des leiblichen, aber nicht rechtlichen Vaters. Das 28 Seiten starke Beiheft beseitigt Fehler in den Gesetzestexten des Kommentars und bringt die Gesetzgebung auf den Stand August 2013. Praxisgerecht – dieses Attribut hat sich der Kommentar auf die Fahne geschrieben. Und bereits ein kurzer Blick in das Inhaltsverzeichnis verrät, dass seitens der Herausgeber damit nicht zu viel versprochen wurde. Jede einzelne Norm ist mit ihrer amtlichen Überschrift und den jeweiligen Vorgängernormen oder korrespondierenden Vorschriften aufgeführt. Im Kommentarteil findet sich vor längeren Ausführungen ein eigenes Inhaltsverzeichnis. Innerhalb der Erläuterungen sind Schlagworte im Fettdruck dargestellt, sodass der Leser zügig den für ihn relevanten Teil der Darstellung auffinden kann. In zahlreichen Fußnoten sind zusätzliche Literatur- und Rechtsprechungsnachweise gelistet. Die einzelnen Kommentierungen sind von überdurchschnittlicher Qualität. Sprachlich akkurat werden die Vorschriften des FamFG erläutert. Die Autoren haben ihre Darstellungen für die tägliche Arbeit in der Praxis optimiert. Dort, wo umfassende Erläuterungen notwendig sind, gibt die Kommentierung genügend Platz, um in die Tiefe zu gehen. Nachdem das FamFG nicht unbedingt die beste Arbeitsprobe der Legislative gewesen ist, wurde eine die Rechtsprechung berücksichtigende, lösungsorientierte und klar strukturierte Kommentierung dringend notwendig. Hier zeigt das Werk seine Stärken. Fazit: Kompakt, aber trotzdem umfassend und praxistauglich, eine Kombination, die den FamFG-Kommentar von Bork/ Jacoby/Schwab zu einer wertvollen Ergänzung der eigenen Bibliothek macht. RA Tim Wegmann, LL.M., Velbert Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht AnwaltFormulare Mandanteninformationen Hans Buschbell (Hrsg.), 4. Aufl. 2015, 1.333 S., 149 Euro, Verlag C.H. Beck Michael Sattler (Hrsg.), 1. Aufl. 2015, 320 S., mit CD-ROM, 49 Euro, Deutscher Anwalt-Verlag Das Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht ist zu Beginn des neuen Jahres in der mittlerweile vierten Auflage erschienen. Die aktuelle Rechtsprechung und die Gesetzesänderungen seit der dritten Auflage 2009 wurden aktualisiert, Erläuterungen zum neuen Fahreignungsregister eingefügt. Betriebsblindheit trifft auch Anwälte. Effektiver ist es, alle Mandanten mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Dieses Ziel verfolgt der neue Band aus der Reihe AnwaltFormulare. Inhaltlich behandelt der Buschbell nach wie vor sämtliche Bereiche des Straßenverkehrsrechts. Angefangen beim Verwaltungsverfahren (Fahrerlaubnis), über Straf- und OWi-Verfahren, bis hin zum Schadensrecht und dem Recht der Kraftfahrtversicherung deckt die Darstellung alle Teile dieses Rechtsgebiets ab. Ein Kapitel zur Mandatsannahme und -organisation ist ebenso enthalten wie Hinweise zum Umgang mit Rechtsschutzversicherungen. Das Handbuch beinhaltet an zahllosen Stellen Formulierungshilfen, Mustertexte und Checklisten als Arbeitshilfen, die für die tägliche Mandatsbearbeitung eine erhebliche Erleichterung darstellen. Leider sind die Arbeitshilfen nicht auf einem Datenträger oder im Internet, sondern nur in gedruckter Form verfügbar. Die Tauglichkeit eines Buches lässt sich am besten im Rahmen der täglichen Arbeit beurteilen – passenderweise landeten während der Rezensionszeit einige straßenverkehrsrechtliche Mandate auf meinem Schreibtisch. Die Regulierung eines Verkehrsunfalls war mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Muster problemlos möglich, in einer anderen Angelegenheit mit Auslandsbezug konnte auf die übersichtliche Darstellung zum Deutschen Büro Grüne Karte e. V. zurückgegriffen werden; neben der erläuterten Darstellung gibt es im Anhang ein separates Merkblatt zu Unfällen mit Auslandsbezug. Schön, dass auch hier noch mal auf Details hingewiesen wird, die gerne übersehen werden und haftungsträchtig werden können, beispielsweise die Passivlegitimation des Büros Grüne Karte und, damit einhergehend, die fehlende Passivlegitimation des mit der Regulierung beauftragten Versicherungsunternehmens. Auch dem „Kürzungswahn“ der gegnerischen Versicherung konnte ich erfolgreich entgegentreten. Wer eine vollständige Darstellung des Straßenverkehrsrechts sucht, die die für die Erlangung des Fachanwaltstitels gem. § 14d FAO erforderlichen Sachgebiete behandelt, dem sei dieses Handbuch wärmstens empfohlen. Fazit: Praxistest mit Auszeichnung bestanden! RA Tim Wegmann, LL.M., Velbert Das Buch Mandanteninformationen enthält mit rund 120 ausformulierten Mustern praktische Informationen für die Mandanten. Die Themenpalette reicht von allgemeinen Informationen bis zu Kosten der Beratung und Vertretung, Beratungs- und Prozesskostenhilfe, den Gang des Zivilverfahrens mit Besonderheiten der Berufung, die Streitverkündung und Mediation. In weiteren Kapiteln werden die Rechtsgebiete Zwangsvollstreckung und Insolvenz, Mietrecht und WEG-Recht, Baurecht, Verkehrsrecht, Familienrecht, Erbrecht, Arbeitsrecht, Verwaltungsrecht, Sozialrecht und Strafrecht mit weiteren Mustern bereichert. Die Muster sind vorformulierte Briefe an die Mandanten. Es werden Standardsituationen für Mandanten verständlich erklärt. Umfassend informiert, können die Mandanten eigene Entscheidungen im weiteren Verlauf treffen. Nur informierte Mandanten sind zufriedene Mandanten, und im Vorfeld informierte Mandanten sind glückliche Mandanten. Alle Muster sind auf der beiliegenden CD-ROM im Textformat gespeichert. Abgerundet wird jedes Muster mit Erläuterungen für die Anwälte. Es finden sich Querverweise zu weiterführender Literatur und Rechtsprechung. Die Erläuterungen können kein Fachbuch ersetzen. Sie bieten aber denjenigen, die nicht täglich mit Spezialgebieten beschäftigt sind, einen ersten Überblick über wichtige Aufklärungsarbeit. Auch zum Schutz vor Betriebsblindheit kann dies schützen. Der Herausgeber Dr. Michael Sattler LL.M. ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und für Verwaltungsrecht in Bochum. An der FH Dortmund ist er Lehrbeauftragter für Privates Bau- und Architektenrecht. Die Autoren sind Anwältinnen und Anwälte, die langjährige einschlägige Erfahrungen in den Rechtsgebieten aufweisen können. Die Muster stammen aus ihrer Praxis. Fazit: Muster im Anwaltsgeschäft zu verwenden hat Vor- und Nachteile. Die Gefahr besteht, die Mandanten mit vielen Informationen und Konjunktiven zu verunsichern. Ein Vorteil ist, dass effektiv gearbeitet werden kann, ohne die Gefahr, wichtige Details bei der Beratung vergessen zu haben. Für Mandanten stellen Merkblätter einen besonderen Service dar. Daher ist das Buch nicht nur für Einsteiger im Anwaltsberuf sinnvoll, sondern auch für eingesessene Berater zum Abgleich ihrer Informationspolitik. RA Stefan Zeidler, Kassel 56 AdVoice 02/15 Bücher-FORUM Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Müller-Glöge/Preis/Schmidt (Hrsg.), 15. Aufl. 2015, 2.976 S., 169 Euro, Verlag C.H. Beck Die 2015er Auflage des Erfurter Kommentars zum Arbeitsrecht (Stand 1. September 2014) zeigt, dass es im Arbeitsrecht nie Stillstand gibt. Die Autoren – BAG-Richter, Anwälte und Rechtswissenschaftler – ein jeder Spezialist in dem von ihm bearbeiteten Gebiet, zielen darauf ab, der Praxis einen strukturierten und klaren Überblick zum aktuellen Meinungsstand zu geben, um fundierte und belastbare Entscheidungen im Prozess oder in der Beratung treffen zu können. Dazu sind über 40 der wichtigsten arbeitsrechtlichen Gesetze erläutert: Beginnend mit den relevanten GG-Normen, folgen das AEntG, EFZG, KSchG, MiLoG, PflegezeitG, die relevanten Normen der Sozialgesetzbücher bis zum WZVG. Gleichwohl übersieht der „Erfurter“ nicht die Schnittstellen zum Steuer- und Sozialversicherungsrecht. Neben der intensiven Auswertung der neuen Rechtsprechung von BAG, BSG, EuGH, der LAGe und der Literatur finden neueste Gesetzesänderungen Eingang in die Bearbeitung. Es wundert nicht, dass das Tarifautonomiestärkungsgesetz neben dem am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen RV-Leistungsverbesserungsgesetz ein Kernpunkt der Erläuterungen ist. Als einer der Ersten erläutert Frenzen das MiLoG mit seinen Anspruchsvoraussetzungen, Regelungen zur Fälligkeit und Unabdingbarkeit. Weitere Auswirkungen, etwa die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, die Ausweitung des AEntG auf alle Branchen, die Änderungen im ArbGG, NachwG oder AGG, die Folgen für das BetrAVG oder das SGB VI durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz mit Einführung der Rente mit 63 oder die Mütterrente sind bearbeitet. Neueste Entscheidungen zum AGG, AGB-Recht, Befristungsund Kündigungsschutzrecht sind ausgewertet. Die Autoren beleuchten die Bollacke-Entscheidung des EuGH mit ihren urlaubsrechtlichen Auswirkungen oder die BSG-Rechtsprechung zu Syndikusanwälten. Daneben verblassen die Erläuterungen von Kania zu § 87 BetrVG, von Oetker zur Sozialen Auswahl iRd. § 1 KSchG und Änderungskündigung (§ 2 KSchG) und von Preis zum AGB-Recht im Arbeitsrecht (§§ 305-310 BGB) nicht. Trotz der Informationsflut erhält der Leser einen sehr guten Zugang in die arbeitsrechtlichen Problematiken und Rechtsprechung – teils auch kritisch gewürdigt – sowie neue Argumentationen, um offene Fragen zu lösen. Fazit: Jeder Arbeitsrechtler – Fachanwalt oder Junganwalt – ist mit der Nutzung dieser aktuellen Arbeitsrechtbibliothek in einem Band bestens gerüstet, um arbeitsrechtliche Fragen interessengerecht zu lösen. Der Mandant wird es ihm danken. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock Münchener Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch Band 10: Internationales Privatrecht I Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), 6. Aufl. 2015, 2.795 S., 279 Euro Verlag C.H. Beck Harz/Riecke/Schmid (Hrsg.), 5. Aufl. 2015, 2.772 S., 159 Euro, Luchterhand-Verlag Fünf Jahre nach Erscheinen der fünften Auflage liegt nun die sechste Auflage des zehnten Bandes des Großkommentars vor, der ausschließlich von Wissenschaftlern verantwortet wird. Gegenüber der Vorauflage haben sich der Bearbeiterkreis sowie Struktur und Inhalt des Werkes wesentlich geändert. So findet etwa die voranschreitende Europäisierung des internationalen Privatrechts darin Ausdruck, dass nunmehr die einschlägigen europäischen Rechtsakte vor dem deutschen EGBGB kommentiert sind. Diese Umstellung ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Das von Harz, Riecke und Schmid herausgegebene und von einem Team von 28 Autoren bearbeitete Werk liegt in der nunmehr 5. Auflage vor. Diese berücksichtigt das ab dem 1. Mai 2013 in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz und insbesondere auch schon die jüngsten Entwicklungen zur sogenannten Mietpreisbremse. Als für den Band verantwortlicher Redakteur fungiert erstmalig Jan von Hein, der an der Universität Freiburg ausländisches und internationales Privatrecht lehrt und für diesen Band die sehr schöne Einleitung zum internationalen Privatrecht geschrieben hat. Das Werk enthält eine Kommentierung des autonomen europäischen Kollisionsrechts, hauptsächlich der Rom-I-Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, der Rom-II-Verordnung über das auf außervertragliche Schulverhältnisse anzuwendende Recht, der Rom-III-Verordnung über das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht und die in ihren wesentlichen Teilen noch nicht in Kraft getretene EU-Erbrechtsverordnung. Den Abschluss bildet die umfangreiche Kommentierung der Art. 1 bis 24 des EGBGB (Allgemeines, Personenrecht, Rechtsgeschäfte und Familienrecht). Der Band muss im Zusammenhang mit Band 11 gesehen werden, der mit „Internationales Privatrecht II“ untertitelt ist und das übrige internationale Privatrecht behandelt. Dabei ist leider die Aufteilung der Materie auf die beiden Bände etwas unglücklich geraten. So wäre es überzeugender gewesen, die deutschen Durchführungsvorschriften der Rom-Verordnungen gemeinsam mit diesen zu behandeln und etwa das internationale Erbrecht nicht „auseinanderzureißen“. Im Ergebnis wird der Kommentar den an ihn zu stellenden Erwartungen gerecht; er bietet die bekannte, überzeugende innere Systematik sowie beeindruckende Tiefe der Kommentierung und damit einen hohen Praxisnutzen für den im internationalen Privatrecht tätigen Rechtsanwalt. Fazit: Ein verlässliches Werkzeug für den ambitionierten Kollisionsrechtler mit wissenschaftlichem Anspruch. RA Stephan Korte, Frankfurt am Main Entsprechend der Konzeption der bewährten Reihe „Handbuch des Fachanwalts“ will das Werk sowohl Lehrbuch für den (angehenden) Fachanwalt als auch Nachschlagewerk für jeden mit dem Thema Immobilien befassten Rechtsanwalt sein. Diese Zielsetzung kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass der gesamte Fächerkanon der Fachanwaltsprüfung abgehandelt wird. Das Werk befasst sich demgemäß mit dem Mietrecht, dem Wohnungseigentumsrecht, dem Immobilienrecht, den Bezügen zum öffentlichen Recht und zum Steuerrecht sowie mit spezifischen Verfahrens-, Vollstreckungs- und Gebührenfragen. Die in sechs Teilen und 40 Kapiteln auf über 2.700 Seiten dargebotene Stofffülle ist mithin enorm. Wenn man bedenkt, dass zu jedem einzelnen Teil und zu den jeweiligen Unterkapiteln (Wohnraummiete/Gewerbemiete) umfangreiche Einzeldarstellungen existieren, leuchtet ein, dass sich die Aufbereitung all dieser Gebiete in einem einzigen Band teilweise auf die Basics beschränken muss. Insbesondere die beiden großen Teile Mietund WEG-Recht sind dabei jedoch gleichwohl so umfassend, dass sie den Vergleich zur Einzeldarstellung nicht zu scheuen brauchen. Das Werk auf diese Hauptgebiete zu reduzieren, wäre indessen ein großer Fehler, denn die zahlreichen weitere Themen rund um Immobilien – u. a. Maklerrecht, Immobilien-Kaufrecht, Nachbarrecht, Versicherungsrecht, Steuerrecht, Verwaltungsrecht, dort etwa: öffentlich rechtliche Nutzungsbeschränkungen und mehr – werden nicht nur en passant, sondern in einzelnen Kapiteln systematisch und durchaus umfassend dargestellt. Gerade das ist die große Stärke und zugleich wohl auch ein Alleinstellungsmerkmal dieses Buches. Die Darstellung ist prägnant und einleuchtend gegliedert, das Layout ist übersichtlich. Die Übersichten vor jedem Kapitel und das ausführliche Stichwortverzeichnis erleichtern den Zugriff. Auf zusätzliche Checklisten, Tabellen, Grafiken und Mustertexte wird dagegen – wohl auch aus Platzgründen – leider fast komplett verzichtet. Fazit: Ein sehr gelungenes Werk – nicht nur für den (angehenden) Fachanwalt! RA Henry Naeve, Hamburg AdVoice 02/15 57 Bücher-FORUM Musteranträge für Pfändung und Überweisung Handkommentar Arbeitsgerichtsgesetz Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht Diepold/Hintzen (Hrsg.), 10. Aufl. 2015, 671 S., 94,80 Euro, Verlag Dr. Otto Schmidt Natter/Gross (Hrsg.), 2. Auflage 2013, 1.228 S., 98 Euro, Nomos Verlag Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), 1. Aufl. 2015, 248 S., 79,95 Euro, De Gruyter Verlag Das Formularbuch von Diepold/Hintzen behandelt den in der Praxis besonders wichtigen Bereich der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen. Der Handkommentar von Natter/Gross erläutert im handlichen DIN-A5-Format die einzelnen Paragraphen des Arbeitsgerichtsgesetzes entsprechend der Reihenfolge im Gesetz. Nach einer rund 45 Seiten langen Einleitung zu den Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung und dem Abdruck eines Pfüb-Antrags werden auf weiteren 45 Seiten allgemeine Anträge und Erklärungen im Vollstreckungsverfahren wie ein Vollstreckungsauftrag, ein Vorläufiges Zahlungsverbot und eine Drittschuldnererklärung entsprechend der zeitlichen Reihenfolge dargestellt und erläutert. Daran schließt sich der Hauptteil mit über 200 Musteranträgen in alphabetischer Reihenfolge zu sämtlichen pfändbaren Forderungen und Rechten mit zahlreichen Erklärungen und Hinweisen an. Die Muster reichen von gängigen Forderungen wie Arbeitseinkommen, Sparguthaben und Lebensversicherungen bis hin zu Haftentschädigungsansprüchen, Internet-Domains und Wechseln. Schließlich sind in einem Anhang Auszüge der Abgabenordnung, der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher und der ZPO abgedruckt. Die Kommentierung ist für Praktiker geschrieben und berücksichtigt sowohl die Sichtweise von Rechtsanwälten als auch von Richtern. Daher enthält das Werk – für einen Kommentar sehr ungewöhnlich – zahlreiche Beispiele, Antragsformulierungen und Muster, wobei diese nicht in einem separaten Teil stehen, sondern bei der jeweiligen Vorschrift. So werden zulässige und unzulässige Anträge bzw. Tenorierungen gegenübergestellt, mögliche Verfahrensabläufe aufgezeigt und theoretische Ausführungen anhand von kleinen Beispielsfällen veranschaulicht. Es gibt Hinweise, aus welchen Gründen bestimmte Anträge zurückgewiesen werden können und Muster für PKH-Beschlüsse und Beweisbeschlüsse. Auch werden Regelungen aus gängigen Tarifverträgen in die Überlegungen einbezogen. Sehr nützlich ist die 25 Seiten umfassende Streitwerttabelle am Ende der Kommentierung zu § 12 ArbGG. Gleiches gilt für die sehr umfangreichen Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von § 58 ArbGG mit zahlreichen Beispielen wie Abmahnung, Annahmeverzug, Arbeitnehmerhaftung, Nettolohnvereinbarung, Ausschlussfristen und Befristung. Auch auf die arbeitsrechtlichen Besonderheiten in der Zwangsvollstreckung wird bei § 62 ArbGG sehr ausführlich eingegangen, etwa bei der Vollstreckung von Urteilen auf Zahlung von Bruttolohn, Gewährung von Urlaub oder Erteilung eines Zeugnisses. Die Publikation ist Teil der Reihe „Institute for Law and Finance Series“, welche vom Institute for Law and Finance (ILF) der Goethe Universität Frankfurt am Main veröffentlicht wird. Das ILF wurde im Jahr 2002 im Zusammenwirken mit Aufsichtsbehörden, Banken und Anwaltssozietäten gegründet, um Lehre und Forschung im Bereich Law and Finance zu betreiben. Im Rahmen des Projekts „Economy, Criminal Law, Ethics“ (ECLE) werden die Themen Unternehmensstrafbarkeit, Gemeinwohl im Wirtschaftsstrafrecht und der Begriff Unternehmenskultur zusammengeführt und weiterentwickelt. Alle Muster sind auch über die beiliegende CD-ROM als Word-Dokument abrufbar. Einen Schnellzugriff auf die Muster erlaubt eine kurze Inhaltsübersicht im Einband vorne und hinten, in der den alphabetisch sortierten Schlagworten die Nummer des Musters zugeordnet ist. An vielen Stellen werden unter dem Stichwort „Beachte“ wichtige Hinweise gegeben, etwa wer die Zustellung veranlassen muss, welche Fristen zu beachten sind oder wo Fehlerquellen lauern. Auch werden Tipps gegeben für Fälle, in denen die vorgegebenen Formulare unvollständig, fehlerhaft oder missverständlich sind. Für die Praxis sehr nützlich ist auch die ausführliche Lohnpfändungstabelle im Anhang nach § 850f ZPO. Aufgrund der im Jahr 2012 eingeführten neuen Formulare bietet das Formularbuch einen guten Leitfaden, um die neuen Formulare richtig anzuwenden und die erweiterten Möglichkeiten der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung zu nutzen. In der Neuauflage mit Stand Juni 2014 wurde außerdem bereits die Einführung der Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess berücksichtigt. Bearbeiter ist mit Udo Hintzen ein Rechtspfleger und damit ein Praktiker, der sich mit der Materie bestens auskennt. Fazit: Das Formularbuch von Diepold/Hintzen erleichtert Rechts anwälten den Umstieg auf die neuen Formulare und die Nutzung der neuen Möglichkeiten. Es bietet damit eine wichtige Unterstützung für die erfolgreiche Durchsetzung von Forderungen. RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart 58 AdVoice 02/15 Sofern die Handhabung in der Praxis von der Vorstellung des Gesetzgebers abweicht, etwa beim direkten Übergang von der Güteverhandlung in den Kammertermin, wird auch darauf eingegangen. Die Neuauflage war vier Jahre nach der Erstauflage dringend geboten. Sie befindet sich auf dem Stand März 2013 und berücksichtigt bereits das Güterichterverfahren und die Änderungen beim Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren. In Bezug auf die Änderungen beim Kostenrecht und bei der Prozesskosten- und Beratungshilfe konnten aber nur die damaligen Gesetzentwürfe berücksichtigt werden. Herausgegeben wird der Kommentar von Dr. Natter, LAG-Präsident, und Dr. Gross, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Auch das Autorenteam besteht aus Richtern und Rechtsanwälten. Fazit: Mit dem noch recht jungen Kommentar von Natter/ Gross erhält man ein kompaktes und praxisorientiertes Werk, das eine echte Alternative zum deutlich umfangreicheren, aber auch teureren Schwab/Weth darstellt. RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart Das Werk stellt sich als Dokumentation eines Symposiums dar und enthält dort referierte Vorträge von Teilnehmern wie Lüderssen, Hamm und Günther. Diese wurden ergänzt durch nachträgliche Einbeziehung der Beiträge u. a. von Fischer und Mansdörfer. Die Gliederung lässt mehrere Teile erkennen. Die ersten Beiträge befassen sich mit grundsätzlichen Erörterungen zur Unternehmenskultur. Darauf folgen im zweiten Teil Exemplifizierungen von Trennbankengesetz und Insider-Strafrecht. Hinzu treten Konkretisierungen zu internen Untersuchungen in Unternehmen und ausgewählten Korruptionskonstellationen. Hieran schließt sich ein kurzer Diskussionsbericht an. Insgesamt lässt sich bei den Autoren ein eher wissenschaftlich geprägter Ansatz erkennen. Die generellen Ausführungen zur Unternehmenskultur im ersten Abschnitt zeigen sich deswegen eher weniger nützlich für den Berufsalltag des Strafverteidigers, vermitteln jedoch anregende Denkanstöße. Hervorzuheben ist hier der rechtsökonomische Ansatz von Trautmann, der seinen Beitrag auch mit aktuellen Beispielen ergänzt. Die Ausführungen im darauf folgenden (Haupt-)Teil sind hinsichtlich der behandelten Problemstellungen sehr speziell, aber definitiv weiterführend und spannend, vor allem für denjenigen, der sich tatsächlich mit diesen Themen, sei es wissenschaftlich oder in der täglichen Praxis, auseinander setzt. An einigen Stellen werden zudem konkrete prozessuale Probleme behandelt. So setzt sich Hamm beispielsweise mit Beweisfragen im Rahmen des Trennbankengesetzes auseinander. Positiv ist insgesamt auch der Fußnotenapparat hervorzuheben. Dieser zitiert umfangreich aktuelle und weiterführende Literatur. Ein Blick hinein lohnt sich auf jeden Fall. Fazit: Das Werk bietet interessante Denkanstöße und eine detailreiche, bisweilen kritische Aufbereitung der brandaktuellen Themen im Bereich Wirtschaftsstrafrecht. RAin Jennifer Pia Gehrke, Frankfurt am Main Bücher-FORUM Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht Strafgesetzbuch Pewestorf/Söllner/Tölle, 1. Aufl. 2013, 707 S., 85,00 Euro, Carl Heymanns Verlag Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier (Hrsg.), 2. Aufl. 2014, 2.916 S., inkl. jBook, 179 Euro, Luchterhand Verlag Thomas Fischer, 62. Aufl. 2015, 2.727 S., 89 Euro, Verlag C.H. Beck Polizei- und Ordnungsrecht ist Ländersache. Hierfür nun eine Kommentierung zu schaffen, welche die Gesetze aller 16 Länder und des Bundes unter einen Hut bekommt, ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, welche die Autoren jedoch mit Bravour bewältigt haben. In Teil A werden die Polizeigesetze, das BKAG und das BPolG dargestellt. Teil B umfasst die (noch) bundes- bzw. landesrechtlichen Regelungen des Versammlungsrechts, das Vollstreckungs- und das Wirtschaftsverwaltungsrecht (GastG und GewO). Teil C beleuchtet das Waffen- und Ausländerrecht. Teil D stellt schließlich die Rechtsschutzmöglichkeiten auf der Primär- und der Sekundärebene dar. Über zahlreiche Schnittstellen hat das Insolvenzrecht Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete wie das Arbeits-, Steuer-, Sozial-, Gesellschafts- oder Strafrecht. Folglich ist der aktuelle Kenntnisstand darüber nicht nur für den Fachanwalt von Bedeutung. Es ist mindestens genauso wichtig für Anwälte, die grundsätzlichen Berührungen zum Insolvenzrecht zu kennen, die primär in den genannten Schnittstellerechtsgebieten beraten. Besonders zu diesen gesetzesübergreifenden insolvenzrechtlichen Problemstellungen will der Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht praxisgerechte Antworten und verlässliche Erläuterungen bieten. Der Beck´sche Kurzkommentar Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen von Prof. Dr. Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am BGH und Honorarprofessor an der Universität Würzburg, hat den Gesetzesstand 1. November 2014. Da nahezu jedes der Polizeigesetze die Befugnisse und weitere Vorgaben (z. B. Adressat) unterschiedlich verortet hat, ist das Konzept des Handbuchs daher nicht, einen Paragraphen zu kommentieren. Vielmehr wird die dahinterstehende Befugnis bzw. Maßnahme erläutert, z. B. IDF, edM, Nichtstörer. Zu Beginn der Darstellung werden die jeweiligen Paragraphen genannt, welche die nun folgende, zu kommentierende Maßnahme beinhalten. Die Darstellung folgt dem geläufigen Prüfungsschema, was die Arbeit mit dem Buch vereinfacht. Im Rahmen der besprochenen Maßnahme werden die – sofern vorhanden – jeweiligen landestypischen Unterschiede hervorgehoben und entsprechend erläutert, z. B. Dauer der Wohnungswegweisung oder Zuständigkeit. Schlagwörter werden durch Fettdruck hervorgehoben. Eine „Checkliste“ rundet die Darstellungen ab. Die Fußnoten, Verweisungen und Beispiele aus der Rechtsprechung sind ausgewählt gesetzt. Eventuell bestehende Gegenauffassungen werden kenntlich gemacht. Prozessuale Fragestellungen werden eingehend dargestellt (z. B. bei Erstattungsund Ersatzansprüchen). Die Autoren sind ausgewiesene Praktiker. Sie wissen daher, worauf es ankommt: Prägnant und zugleich klar erläutern sie die jeweilige Materie, ohne dabei allzu wissenschaftlich zu werden. Dennoch lässt die Tiefe der Darstellung nichts zu wünschen übrig. Daher wird das Werk seinem Titel „Praxishandbuch“ völlig gerecht und ist den Preis mehr als wert. Fazit: Wer sich mit Polizeirecht befassen möchte oder muss, kommt an diesem Werk nicht vorbei. Klar, übersichtlich und verständlich wird dem Nutzer die Materie des Polizei- und Ordnungsrechts dargestellt. Es bereitet viel Freude, mit diesem Werk zu arbeiten. RA Dirk Hofrichter, Strausberg Neben den Herausgebern besteht das Autorenteam aus weiteren 22 anerkannten wie erfahrenen Rechtsanwälten, Richtern, Hochschullehrern sowie aus einem Ministerialbeamten und einem Rechtspfleger. Dem Anspruch der Aktualität verpflichtet, gelingt es ihnen, in der Neuauflage bereits das zum 1. Juli 2014 in Kraft getretene Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte zu beachten. Neben der umfassenden Kommentierung der Insolvenzordnung sind die Europäische Insolvenzordnung (EUInsVO) mit Art. 102110 EGInsO, die Insolvenzrechtliche Vergütungsordnung (InsVV), die Gesellschaftsrechtliche Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer in der GmbH-Insolvenz, das Anfechtungsgesetz (AnfG), das Genossenschaftsgesetz (GenG), das Insolvenzstrafrecht des StGB, die Vorschriften über das Insolvenzgeld des SGB III, das Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorG) und das Insolvenzstatistikgesetz (InsStatG) kommentiert. Insgesamt ist das komplette Werk aktualisiert und überarbeitet worden. Vielfältige Neuerungen und Rechtsentwicklungen, bedingt durch das ESUG, sind neben anderen gesetzgeberischen Initiativen berücksichtigt. Einen Bearbeitungsschwerpunkt mit aufschlussreichen Ausführungen von Fischer und Weinland erfährt das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013. Ebenso ist die neueste höchstrichterliche Rechtsprechung integriert. Fazit: Der Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht ist der insolvenzrechtlichen Praxis wie Wissenschaft zu empfehlen. Der Nutzer findet verlässliche Hilfestellungen, auch zu noch höchstrichterlich ungeklärten Fragen. Das einbändige Werk vereinfacht die Arbeit, indem es die Insolvenzordnung und entscheidende weitere Vorschriften mit insolvenzrechtlichem Bezug aus anderen Gesetzen aktuell und aufschlussreich kommentiert. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock Seit 2013 sind vier Vorschriften, §§ 5, 108d, 108e und 261, geändert worden. Gleichzeitig sind wichtige Gesetzesinitiativen angestoßen worden, etwa die Vorhaben der Neuregelung der Tötungsdelikte sowie der Sterbehilfe (vor § 211), des Korruptionsrechts (2. KorruptionsbekämpfungsG, Rn.1 zu § 331) und des Prostitutionsrechts (Rn.1 § 232). Bis zum Redaktionsschluss berücksichtigte Fischer die Initiativen und skizziert neue Entwicklungen. Die Entwürfe für die Änderungen des Sexualstrafrechts arbeitete er im Anhang nach § 358 ein. Mehrere Erläuterungen z. B. zur Rechtsbeugung (§ 339) oder vor § 38 (zur lebenslangen Freiheitsstrafe) fasste Fischer neu oder überarbeitete sie. Nahezu 450 neue Entscheidungen des BGH, des BverfG und der OLGe sind integriert, darunter zahlreiche Leitsatz- und Grundsatzentscheidungen z. B. in der Folge der Entscheidung des BVerfG zu Absprachen im Strafprozess – eingängig in den Rn. 109 ff zu § 46 aufbereitet – oder zum Vermögensschaden bei der Untreue, zur Kinderpornographie oder zur Rechtsbeugung. Seinen Schwerpunkt legt der Autor auf die Meinung der Rechtsprechung. Literatur wertete er bis September 2014 aus, ohne die Stoßrichtung seines mit fundierter wissenschaftlicher Aufbereitung untermauerten Kurzkommentars für die Praxis aus dem Auge zu verlieren. In bewährter Manier folgt die Systematik der Kommentierung dem Normaufbau. Bei Streitfragen stellt Fischer die gegensätzlichen Ansichten in Rechtsprechung und Literatur dar, bevor er argumentativ die herrschende Meinung entwickelt. Er scheut sich aber nicht, diese, wenn nötig, zu kritisieren. Weiterführende Literaturangaben sind vor den Kommentierungen zu finden. Die Ausführungen konzentrieren sich auf das Wesentliche. Die vorangestellten Gliederungen und die im Fließtext hervorgehobenen Stichworte vereinfachen die Suche. Der weitgehende Verzicht auf Abkürzungen sowie Fischers schnörkelloser Stil erhöhen die Lesbarkeit und das Verständnis für Zusammenhänge. Der Anhang umfasst Auszüge mehrerer Nebengesetze. Fazit: Der topaktuelle „Fischer“ ist das Handwerkszeug aller Prozessbeteiligten und Strafrechtspraktiker. Aufs Neue überzeugt er mit guter Struktur, die eine umfassende Auswertung von Rechtsprechung und Literatur vermittelt. Prädikat: In Praxis und Ausbildung unverzichtbar! RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock AdVoice 02/15 59 Bücher-FORUM Grundgesetz Paket Kündigungsschutzrecht KrWG – Kommentar Michael Sachs (Hrsg.), 7. Aufl. 2014, 2.721 S., 189 Euro, Verlag C.H. Beck Handkommentar + Kommentiertes Prozessformularbuch, 2015, mit CD-ROM, 2.743 S., 198 Euro, Nomos Verlag Stefan Kopp-Assenmacher (Hrsg.), 1. Aufl. 2015, 1.053 S., 154 Euro, Erich Schmidt Verlag Mit Stand vom 1. Januar 2014 ist die Neuauflage des Grundgesetzkommentars, herausgegeben von Michael Sachs, erhältlich. Alle Autoren sind erfahrene Experten auf dem Gebiet des Verfassungsrechts aus Wissenschaft und Praxis. Sie bündeln ihr Fachwissen zu einer homogenen Darstellung für eine umfassende Kommentierung des Grundgesetzes. Das Paket Kündigungsschutzrecht bietet den HaKo-KSchG, herausgegeben von Gallner/Mestwerdt/Nägele, 5. Auflage 2015 und das Kommentierte Prozessformularbuch Kündigungsschutzrecht, herausgegeben von Mestwerdt/Spengler/Dubon, 1. Auflage 2015. Mit dem neuen KrWG-Kommentar hat die Reihe der Berliner Kommentare des Erich Schmidt Verlags weiteren Zuwachs bekommen. Der Herausgeber Stefan Kopp-Assenmacher, Rechtsanwalt in Berlin, hat hier eine Reihe erfahrener Praktiker überwiegend aus der Anwaltschaft gewinnen können, das novellierte Abfallrecht zu kommentieren. Die den Erläuterungen der Grundrechte zugrundeliegende Dogmatik ist in den Vorbemerkungen zu Art. 1 GG verortet. Die Kommentierungen orientieren sich zumeist im Aufbau an der vom Verfassungstext vorgegeben Gliederung. Mit dem Fokus auf die Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch ihrer wissenschaftlichen Diskussion, beleuchten die Autoren praktische und aktuelle Fragen dezidiert und teils auch kritisch. Wichtige Fragen des deutschen Verfassungsrechts sind übersichtlich und verständlich aufgearbeitet. Der Bezug zum Europarecht wird regelmäßig hergestellt. Die Änderung des Art. 93 GG ist integriert. Er regelt das BverfG und seine Zuständigkeiten. Vereinigungen wird ein Beschwerderecht gegen die Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag eingeräumt. Darüber hinaus sind die wichtigen Entscheidungen des BVerfG seit der Vorauflage berücksichtigt. Genannt seien die Entscheidungen zur Grundrechtsfähigkeit ausländischer Personen, zur Vergabe von Sitzplätzen an Medienvertreter im Strafprozess, zur Verfassungsmäßigkeit der Antiterrordatei und zur Beobachtung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz. Ferner sind die Entscheidungen des EGMR, etwa zur Auslieferung eines Terrorverdächtigen an die USA oder des EuGH, zum Beispiel zur Klagebefugnis Einzelner gegen EU-Rechtssetzungsakte eingearbeitet. In den Erläuterungen ragen Art. 3, 5, 9, 12 und 20 GG heraus. Der Leser findet ausführliche Grundlagen der Verfassungsbestimmungen, Kontroversen oder abweichende Standpunkte der Bearbeiter. Ungeachtet der Fülle von Rechtsprechung und Literatur erläutern die Autoren verfassungsrechtliche Problematiken kompetent und praxisnah. Die präzisen Ausführungen geben einen guten Überblick. Man verzichtet bewusst auf eine zu detailreiche Auseinandersetzung mit allen Meinungen, bereitet die Rechtsprechung und wichtigsten Auffassungen knapp, aber mit angemessener Gründlichkeit auf. Fazit: Kaum eine verfassungsrechtliche Frage bleibt offen. Der Sachs bietet eine praxisorientierte Erläuterung der Verfassung mit ansprechender wissenschaftlicher Tiefe. Sein klarer Aufbau hilft, die Strukturen und Systematik der Grundgesetzauslegung zu durchdringen. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock Der HaKo-KSchG will für die Praxis ein zuverlässiger Problemlöser sein. Seine Systematik fördert den schnellen Zugriff auf relevante Fragen. In ihren Ausführungen bringen die Autoren dem Nutzer gezielt Fragen der Prozesstaktik, der Beweislast und der abgestuften Vortragslast, besonders bei Prognoseentscheidungen, näher. Da auch in den letzten Jahren das BAG, die Instanzgerichte und der EuGH viele Entscheidungen zum KSchG erließen, sind neben dem KSchG die relevanten Normen des AGG, BGB, UmwG, BetrVG, BPersVG, MuSchG, PflegeZG, BEEG, SGB IX und TzBfG erläutert. Der Aktualität verpflichtet, ist die neueste Rechtsprechung intensiv analysiert, etwa die Entscheidung in der Sache Ring zur personenbedingten Kündigung und SGB IX, die Sache Dosa zur Erkundigungspflicht des Arbeitgebers nach einer Schwangerschaft, die wichtige Entscheidung zum Streitgegenstandsbegriff des BAG oder die vom EuGH angestoßene und vom BAG entwickelte Missbrauchskontrolle bei Sachgrundbefristungen. Das Konzept des neuen Prozessformularbuchs zum Kündigungsschutzrecht vereinfacht den Einstieg in diffizile Verfahrenssituationen sowie -abläufe und unterstützt die Arbeit direkt am Gesetzestext, indem es Kündigungsschutzverfahren an den einschlägigen Normen für alle Klageverfahren strukturiert. Dazu sind den erläuterten, kündigungsrechtlich relevanten Vorschriften kommentierte Musterformulierungen mit fallbedingten Varianten, Praxis- und Taktiktipps sowie (zum Nutzen des Anwalts) Hinweise zum Kosten- und Gebührenrecht angefügt. Unabhängig davon, ob sich der Nutzer über die Kommentierung oder den Gesetzeswortlaut einem Problem nähert, stößt er auf den taktisch treffenden Formulierungsvorschlag. Somit ist er in jeder (Prozess-)Situation in der Lage, auf systematisch geordnete Musterformulare zuzugreifen, um schnell zu (re-)agieren. Die Autoren kanalisieren die scheinbar uferlose Kasuistik zum Kündigungsschutz und machen sie in 260 Mustern nutzbar. Der Formularfundus gefällt, insbesondere mit seinen auf das Wesentliche beschränkten Erläuterungen. AdVoice 02/15 Umfasste das erste deutsche Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 noch überschaubare dreißig Paragraphen, ist dieses Rechtsgebiet mittlerweile gekennzeichnet durch eine hohe Komplexität und Dynamik, den bestimmenden Einfluss des europäischen Gesetzgebers und eine sich stetig weiterentwickelnde Differenzierung in verschiedene Gebiete eines „besonderen Abfallrechts“. Auch hat die größere Bedeutung von Abfall als wirtschaftlicher Ressource zu einem gewissen Funktionswandel des Abfallrechts geführt. Dieses ist heute nicht mehr nur als Umweltschutzrecht, sondern auch als Materie des Wirtschaftsverwaltungsrechts zu verstehen. Kenntnisreich und mit prägnanten Formulierungen lotsen die Autoren den Leser sicher durch die Untiefen dieses durchaus nicht einfach zu beherrschenden Gebietes. Insbesondere die Aufarbeitung der diversen Neuerungen, etwa zur Definition des Nebenprodukts, dem Ende der Abfalleigenschaft und den Regelungen der gewerblichen Sammlung von Haushaltsabfällen ist durchweg gelungen. Nicht zuletzt ist auch das angenehme Schriftbild des Werkes zu loben. In zukünftigen Auflagen könnte eine Berücksichtigung der Vorschriften zur grenzüberschreitenden Abfallverbringung als Teil des „allgemeinen Abfallrechts“ als schöne Abrundung fungieren. Fazit: Ein überzeugendes, in seiner Aktualität derzeit konkurrenzloses Werk. Wer als Anwalt Unternehmen der Entsorgungswirtschaft beraten will, findet im Kopp-Assenmacher einen verlässlichen Begleiter. RA Stephan Korte, Frankfurt am Main Fazit: Inhaltlich und systematisch ergänzen sich die Werke gut. Während der HaKo-KSchG in der Praxis ein Garant für hohe Beratungsqualität ist, überzeugt das Prozessformularbuch mit seinen strukturierten Mustern. Jeder Arbeitsrechtler wird künftig das Paket gern zu Rate ziehen. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock 60 Preislich und vom Umfang her positioniert sich das Werk vor allem in Konkurrenz zum Jarass/Petersen – und braucht den Vergleich keineswegs zu scheuen. Während letzterer Kommentar mehr auf wissenschaftliche Vertiefung ausgelegt ist, besticht der Kopp-Assenmacher durch Aktualität, Anschaulichkeit und konsequente Ausrichtung auf die Praxis. Bücher-FORUM Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht Pflichtteilsprozess Beschäftigtendatenschutz und Compliance Andreas Schmidt (Hrsg.), 5. Aufl. 2014, 2.752 S., 179 Euro, Carl-Heymanns-Verlag Walter Krug (Hrsg.), 1. Aufl. 2014, 888 S., 118 Euro, Nomos Verlag Gregor Thüsing, 2. Aufl. 2014, 424 S., 89 Euro, Verlag C.H. Beck Der renommierte Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, der mittlerweile im Carl-Heymanns-Verlag erscheint, wird auch in der nun vorliegenden 5. Auflage herausgegeben von dem Hamburger Insolvenzrichter Andreas Schmidt. Bei den weiteren dreißig Autoren handelt es sich vorwiegend um Rechtsanwälte und Insolvenzverwalter. Das Handbuch Pflichtteilsprozess behandelt das Pflichtteilsrecht mit Schwerpunkt auf den Prozess. Neben Ausführungen zu Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen des Pflichtteilsberechtigten und ihrer gerichtlichen Durchsetzung enthält das Werk auch Ausführungen zu Schnittstellen im Familien- und Pflichtteilsrecht sowie zur Unternehmensbewertung. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit dem Pflichtteilsberechtigten, landwirtschaftlichen Betrieben im Pflichtteilsrecht, lebzeitigen Vorempfängen des Pflichtteilsberechtigten, dem Pflichtteilsanspruch, Vermächtniskürzung, Pflichtteilsergänzung, -verzicht, -unwürdigkeit, -entziehung und -beschränkung und dem selbständigen Beweisverfahren im Pflichtteilsprozess. Das Werk enthält auch das internationale Pflichtteilsrecht, das Pflichtteilsrecht bei der Unternehmensnachfolge und im Schiedsverfahren. Abgerundet wird das Werk durch Ausführungen zu Grundzügen des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts, zu Gebühren im Mandat sowie durch Checklisten und einem Kompendium für das Klageund Zwangsvollstreckungsverfahren. Die neue Auflage des Buches von Gregor Thüsing zu Beschäftigtendatenschutz und Compliance ist gegenüber der 1. Auflage deutlich erweitert worden. Während bislang die Compliance eher den Schwerpunkt bildete, liegt nunmehr ein kompaktes Kompendium zum Beschäftigtendatenschutz vor, das die Compliance an den relevanten Situationen einbezieht. Das Buch ist freilich kein BDSG-Kommentar oder ein umfassendes Handbuch – stattdessen eine übersichtliche Darstellung der wichtigsten Probleme im Beschäftigtendatenschutz. Das Werk wird seinem Anspruch, das Insolvenzrecht in seiner Gesamtheit darzustellen, mit Bravour gerecht. Das Kernstück bildet eine umfassende Kommentierung der Insolvenzordnung selbst, wobei in einem umfangreichen Anhang zu § 35 InsO das gesamte gesellschaftsrechtliche Haftungsrecht, soweit insolvenzrechtlich relevant, systematisch dargestellt ist. Daneben finden sich auch Kommentierungen der Europäischen Verordnung über Insolvenzverfahren, der für das internationale Insolvenzrecht relevanten Vorschriften des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung, der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung, der Verbraucherinsolvenzformularverordnung und der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet. Den Abschluss bildet eine besonders gelungene Kommentierung der insolvenzstrafrechtlichen Regelungen, wobei nicht nur das Insolvenzstrafrecht im engeren Sinne, sondern auch die insolvenzrechtlich bedeutsamen Straftatbestände des Betruges, der Untreue sowie des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt behandelt werden. Die Kommentierung berücksichtigt bereits die jüngst mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte in Kraft getretene Reform des Privatinsolvenzrechts, ohne das auf Altverfahren auch in Zukunft anwendbare alte Recht zu vernachlässigen. Nicht zuletzt überzeugt der Hamburger Kommentar durch seine klare Gliederung und sein angenehmes Schriftbild. Zu bemängeln ist lediglich, dass die Aufbereitung des Stoffes mit Beispielen, Prüflisten, Schaubildern und Hinweisen in ihrer Intensität recht uneinheitlich erfolgt. Hier wäre für die nächste Auflage noch eine Verbesserung zu wünschen. Fazit: Insgesamt ein sehr gutes Arbeitsmittel zu einem noch annehmbaren Preis, das sich für den Einstieg in insolvenzrechtliche Fragen ebenso eignet wie für die vertiefte Recherche. RA Stephan Korte, Frankfurt am Main Die Autoren führen aus, dass der Pflichtteilsrechtverzicht als solches auch Pflichtteilsergänzungsansprüche, den Pflichtteilsrestanspruch etc. umfasst. Eine Formulierung wie „verzichtet auf sein Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsergänzungsansprüche“ kann irritieren. Die Aufzählung könnte als abschließend angesehen werden, womit etwa der Ausgleichspflichtteil als nicht umfasst angesehen werden könnte. Eine ausdrücklich beispielhafte Aufzählung sei aber sinnvoll. Bei einer Klage auf Pflichtteilsergänzung sollte der Wertermittlungsantrag nur gestellt werden, wenn der fragliche Gegenstand auch tatsächlich zum fiktiven Nachlass gehört. Andernfalls riskiert der Anspruchssteller ein klageabweisendes (Teil-)Urteil. Fazit: Das Werk dient mit seinen Beispielen, Mustern und Tipps dem auf dem Gebiet des Erbrechts tätigen Rechtsanwalt als ausführliches Handbuch im Pflichtteilsrecht mit Augenmerk auf den Prozess. Seine erste Auflage gewinnt an Aktualität, indem neueste Gesetze und Rechtsprechung eingearbeitet wurden, so beispielsweise der neu eingeführte deutsch-französische Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft mit seinen pflichtteilsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Autoren des Buches sind dreizehn auf dem Gebiet des Erbrechts tätige Rechtsanwälte, Notare, Richter und Wissenschaftler. RAin Inés Kraus, Mainz-Kostheim Das Buch behandelt einerseits konkrete Rechtsfragen wie die Einwilligung von Arbeitnehmern, Whistleblowing, Speicherung und Auswertung von E-Mails, Überwachung mobiler Arbeitnehmer, Social Media, betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Datenverarbeitung und viele mehr. Andererseits werden auch allgemeine Fragen behandelt wie Compliance als Aufgabe der Unternehmensleitung, die Stellung des § 32 BDSG im Datenschutz inklusive der Abgrenzung zu den Tatbeständen der §§ 28 ff. BGB und die Regelbarkeit durch Kollektivvereinbarungen. Ergänzend zu den rechtlichen Untersuchungen bietet das Buch auch Muster für Betriebsvereinbarungen oder Richtlinien. Diese sind sehr allgemein gehalten und mit nur kurzen Anmerkungen versehen. Sie bieten damit zwar einen Ausgangspunkt für den praktischen Einsatz im Unternehmen, jedoch sollte der Praktiker besser zu einem Formularhandbuch greifen. Daneben sind auch Übersichten und Schaubilder enthalten, die die Grundlagen sehr übersichtlich und klar darstellen. Datentransfers im Konzern werden auf das Wichtigste konzentriert und die aus dem fehlenden Konzernprivileg resultierenden Probleme knapp dargestellt. Nicht angesprochen wird zwar die praxisrelevante Frage, ob eine Konzerntochter ihre Mutter beauftragen kann, jedoch scheint dies angesichts des Schwerpunkts der Darstellung auf der Auftragsdatenverarbeitung vorausgesetzt zu werden. Überzeugen kann auch das Kapitel zur Videoüberwachung, dessen rechtmäßige Durchführung aufgrund des Beweisverwertungsverbots bei rechtswidriger Datenerhebung besonders praxisrelevant ist. Besonders zu loben ist auch das Kapitel zum Betriebsverfassungsgesetz, das die relevanten Normen tiefgreifend darstellt. Fazit: Das Buch enthält fundierte wissenschaftliche Darstellungen der Probleme, sodass es für Rechtsanwälte und Datenschutzbeauftragte mit juristischem Hintergrund sehr gut geeignet ist. Es ist vorbehaltlos jedem im Beschäftigtendatenschutz Tätigen zu empfehlen. RA Matthias Lachenmann, Paderborn AdVoice 02/15 61 Bücher-FORUM Bundesdatenschutzgesetz RVG – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz WEG: Wohnungseigentumsgesetz Auernhammer/Eßer/Kramer/von Lewinski (Hrsg.), 4. Aufl. 2014, 1.972 S., 109 Euro Carl Heymanns Verlag Rehberg/Schons/Vogt (u. a.), 6. Aufl. 2015, 1.408 S., 169,00 EUR, Luchterhand-Verlag Michael Timme (Hrsg.), 2. Aufl. 2014, 1.395 S., 119 Euro, Verlag C.H. Beck Jüngere Anwälte werden, wenn sie den Auernhammer im Regal stehen sehen, annehmen, es gäbe einen weiteren neuen BDSG-Kommentar auf dem Markt. Aber weit gefehlt, das vorliegende Werk ist ein „Klassiker“, der nach Inkrafttreten des BDSG einer der maßgeblichen Kommentare war. Die letzte Auflage ist allerdings vor inzwischen 21 Jahren erschienen, sodass ein neues Herausgeber-Team eine vollständige Neubearbeitung vorantwortet hat. Kommentare gibt es viele: dicke, dünne, alte, neue, für Wissenschaftler, Praktiker und Studenten, gebunden, online oder als Loseblattsammlung. Eines ist jedoch stets gleich: Der Aufbau. Ein Paragraf wird im Wortlaut wiedergegeben und anschließend kommentiert. Es folgen der nächste Paragraf und darauf dessen Kommentierung und so weiter. Den Kommentar als Literaturgattung zeichnet es also aus, dass er sich strikt an der Folge der Normen im Gesetz orientiert. Die 2. Auflage bringt das 2010 erstmals erschienene Werk auf den Stand von 2014. Der Kommentar erläutert die Rechtsfragen des Wohnungseigentumsrechts mit einem eindeutigen Fokus auf die Bedürfnisse der Praxis. Dies gelingt dem aus zehn Autoren bestehenden Team aus Richtern, Fachanwälten und Notaren ganz hervorragend: Die Breite und Tiefe der Kommentierung ist enorm und greift nahezu alle denkbaren praktischen Anwendungsfälle auf. Anstatt sich dabei in theoretischen Ausführungen zu verlieren, zeigen die Autoren stets Möglichkeiten zur praktischen – gerade im Wohnungseigentumsrecht oft nicht unkomplizierten – Durchsetzung von Ansprüchen auf. Beispielhaft sei hier die Durchsetzung von Wohngeldansprüchen in der zerstrittenen Zweiergemeinschaft ohne Verwalter genannt (§ 16, Rn. 13). Der Kommentar ist denn auch weit davon entfernt, verstaubt zu sein. Wer nur einen ersten Blick in das Buch wirft, wird positiv bemerken, dass einerseits neben dem BDSG auch die datenschutzrechtlichen Normen nicht nur von TMG und TKG (wie es inzwischen fast Branchenstandard ist) kommentiert sind, sondern auch die zunehmend an Bedeutung erlangenden Normen des IFG und des EnWG. Andererseits sind nach jeder Norm auch die relevanten Normen der Datenschutzrichtlinie abgedruckt und auf die geplante Grundverordnung wird regelmäßig Bezug genommen. Welch hoher Stellenwert der DSRL zuzumessen ist, zeigt die Einleitung des Kommentars anschaulich: Überzeugend wird die Rechtsprechung des EuGH zur Vollharmonisierung dargelegt. Diese wird bei der Kommentierung der Normen regelmäßig berücksichtigt (und daher zu Recht darauf hingewiesen, dass entgegen der herrschenden Meinung eine Auftragsdatenverarbeitung auch in Drittländern vorgenommen werden kann). Auch die historische und grundrechtliche Einordnung erfolgen überzeugend. Vom Äußeren lässt sich schnell erkennen, dass das Werk nicht den Umfang (und Preis) anderer BDSG-Kommentare hat. Stattdessen zeichnet es sich durch Kürze und Prägnanz aus, auch wenn es dabei manche interessante Problemstellungen offen- lässt oder konkrete Fragestellungen nicht beantwortet. So hätte man sich zum Beispiel nähere Ausführungen dazu gewünscht, wann Datenschutzerklärungen einer AGB-Kontrolle unterliegen und wie deren Abrufbarkeit erfolgen muss; wie eine Pseudonymisierung erfolgen kann (§ 3a) oder ob Videokameras, die öffentlich zugängliche Bereiche erfassen, dem BDSG unterliegen. Besonders überzeugen kann beispielsweise die Darstellung des § 9, die die Einführung von Datenschutz-/Informationsmanagementsystemen kompetent beschreibt und die Praxisnähe der Autoren eindrücklich aufzeigt. Auch Normen wie §§ 10, 11 oder 4b f. werden kompakt und übersichtlich beschrieben. Fazit: Die Neuauflage des Auernhammer bietet eine kompakte und klare Darstellung des BDSG und seiner Nebengesetze. Er kann den Praktiker gut bei seiner Arbeit unterstützen. RA Matthias Lachenmann, Paderborn 62 AdVoice 02/15 Dies tut das vorliegende Werk nicht. Stattdessen werden gebührenrechtliche Themen von A wie „Abänderungsantrag“ bis Z wie „Zwischenvergleich“ in alphabetischer Folge ohne Wiedergabe des Gesetzeswortlauts dargestellt. Es handelt sich daher in Wahrheit nicht um einen Kommentar, sondern um ein Lexikon. Das RVG ist immerhin als Anhang abgedruckt, was mich an den alten Witz erinnert: Fragt der Kellner den Gast: Wie fanden Sie das Steak? Antwort: Ganz zum Schluss doch noch unter den Kartoffeln! Warum der Verlag das Kind nicht beim Namen nennt, ist mir unverständlich, denn auch ein RVG-Lexikon hat durchaus seine Berechtigung. Zwar fehlt die unmittelbare Verkoppelung von Gesetzestext und Erläuterung, dafür eröffnet sich aber eine andere Zugriffsmöglichkeit, die hilft, wenn man (noch) gar nicht weiß, unter welchem Paragrafen das gesuchte Problem geregelt ist. Zudem werden bestimmte Themen übergreifend bzw. im Zusammenhang dargestellt. Die Erläuterung der einzelnen Stichwörter ist überwiegend gut. Beispielhaft zu nennen sind die umfassenden, prägnant geschriebenen und zielführenden Ausführungen, unter anderem zu folgenden Stichworten: Abmahnung, Mahnverfahren, Unfallschadenregulierung, Umsatzsteuer, Versicherungsgesellschaften. Einzelne Bearbeitungen überzeugen mich dagegen nicht. Hierzu zwei Beispiele: Zum Stichwort Prüfungsrecht (unter Verwaltungsrecht) werden nur einige wenige aus Gerichtsentscheidungen entnommene Gegenstandswerte aufgeführt, obwohl der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hierzu eine umfangreiche und differenzierte Aufstellung bietet. Zur Erstberatung (unter „Rat“) finden sich überwiegend Ausführungen zur alten Beratungsgebühr; auf die Rechtslage ab 2006 (§ 34 RVG) wird nur knapp eingegangen. Fazit: Als Lexikon kann das vorliegende Werk gute Dienste leisten. Einen echten Kommentar ersetzt er jedoch meines Erachtens nicht. RA Henry Naeve, Hamburg Die Kommentierung folgt einem konsequent durchgehaltenen systematischen Aufbau: Nach dem Gesetzestext folgt eine kurze grundlegende Einführung in die Bedeutung, den Sinn und Zweck und den Regelungsgehalt der Norm. Der Übersichtsebene folgt eine detaillierte Gliederungsübersicht. Hierdurch wird das Auffinden der gesuchten Aspekte deutlich erleichtert. Die eigentliche Kommentierung ist in eine Standard- und eine Detailebene unterteilt. In der Standardebene werden die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen ausführlich abgehandelt. In der Detailebene werden Einzelfalllisten (etwa: Gemeinschaftseigentum /Sondereigentum) geboten und Bezüge zu benachbarten Rechtsgebieten hergestellt (Gesellschafts-, Grundbuch-, Miet-, Bau- und Zivilprozessrecht). Die bereits genannten Gliederungsübersichten, aber auch das außergewöhnlich umfangreiche Sachverzeichnis und die sinnvoll eingesetzten Querverweise erleichtern den Zugriff auf die gesuchten Informationen. Die in die Kommentierung eingearbei teten übersichtlichen Aufzählungen (Beispiele, Einzelfälle, ABCListen, Checklisten) und Musterformulierungen, aber auch der große Fundus an nachgewiesener Rechtsprechung und weiterführender Literatur erhöhen den Nutzwert noch zusätzlich. Die Kommentierung ist prägnant und sehr gut verständlich geschrieben. Die angenehme Schriftgröße, ausreichend Absätze und das Fehlen ungewöhnlicher Abkürzungen sind der Lesbarkeit zuträglich. Fazit: Der „Timme“ kann in jeder Hinsicht und insbesondere aufgrund seiner sehr konsequenten Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Praxis uneingeschränkt empfohlen werden. RA Henry Naeve, Hamburg , Autorenverzeichnis Ottheinz Kääb, LL.M., ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Verkehrsrecht sowie Vorsitzender der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e. V. in München. Auflösung von Seite 23 Diplom-Sozialwirtin Kerstin Eggert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Freie Berufe (IFB) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Dr. h.c. Renate Jaeger ist Schlichterin an der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Sie war Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Richterin am Bundesverfassungsgericht. Weitere Stationen ihrer Laufbahn waren alle Instanzen der deutschen Sozialgerichtsbarkeit. [email protected] Dr. Sylvia Ruge ist Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Sie ist seit 2003 als Rechtsanwältin tätig. Seit August 2011 arbeitet sie zusätzlich für die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft und ist seit Januar 2014 deren Geschäftsführerin. [email protected] Steffen Eube ist angestellter Jurist bei der HDI Firmen und Privat Versicherung AG und dort im Zentralen Underwriting Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung tätig. [email protected] Christiane Legler ist seit 2011 Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Kanzlei Redeker Sellner Dahs. Zuvor hat sie in führender Position in verschiedenen PR-Agenturen für DAX 30-Unternehmen strategische sowie projektbezogene Kommunikationskonzepte verantwortet. Susanne Kleiner ist freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin sowie Mediatorin in München und kooperiert mit Rechtsanwälten als Expertin für Litigation-PR. Sie berät zu Kanzlei-PR und Markenstrategie. Als Dozentin und zertifizierte Trainerin vermittelt sie persönliche und mediale Kommunikationskompetenz. www.susanne-kleiner.de Es war einmal eine Familie. Die hatte sich ganz doll lieb. Der Vater war Rechtsanwalt. Die Mama war Ärztin. Der Papa hat alle Probleme gelöst. Einmal kam jemand zu ihm. Er verklagte jemand, weil er nicht genug an der Kasse gezahlt hatte. Er musste eigentlich ganz viel bezahlen. Er hatte aber nur die Hälfte bezahlt. Der Papa gewann den Termin und bekam 2.000€Euro. Die Familie machte einen schönen Familienausflug. Text und Bild S. 23: Cecilia S. (8 Jahre), Mitwirkung Magdalena S. (11 Jahre) b Werdet AdVoice-Autoren! Wir suchen Autoren, die Lust haben, mit uns zusammen juristische Welten auszuleuchten. Wir sind auf Eure Ideen und Anregungen gespannt und freuen uns auf Eurer Beiträge. Meldet Euch per Mail bei der Redaktion. Schickt Eure Vorschläge und Texte an [email protected] Daniel Drepper ist Mitgründer des Recherche-Büros CORRECT!V. Er arbeitete unter anderem für das Recherche-Ressort der heutigen Funke-Mediengruppe. Dort gewann er u. a. einen Wächterpreis und wurde als Journalist des Jahres in der Kategorie Newcomer ausgezeichnet. Er arbeitete als freier Journalist z. B. für den Deutschlandfunk, den WDR, ZEIT-ONLINE und die FAZ. Jonathan Sachse arbeitet als Reporter für CORRECT!V. Dort arbeitet er im Team „New Journalism“. Derzeit bastelt er mit seinen Kollegen an einer virtuellen Redaktion, in der Bürger zu Journalisten ausgebildet werden. Er leitet die Plattform crowdfunding.correctiv.org, über die journalistische Projekte finanziert werden können. Tobias Sommer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei 24 IP Law Group. Er war als freier Journalist tätig und ist seit 2006 Chefredakteur der AdVoice. [email protected] AdVoice 02/15 63 Das letzte Wort Wie beliebt sind wir Anwälte? Fotos Titelseite: 1 Sascha Böhnke_pixelio.de 2 Andrea Vollmer RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe Es gibt wohl kaum einen Beruf, für den es so viele „schmeichelnde“ Bezeichnungen gibt, wie für den des Rechtsanwalts. Winkeladvokat, Rechtsverdreher oder Paragrafenreiter sind da noch eher freundliche Beispiele. Auch sonst hat man den Eindruck, dass wir in der Bevölkerung nicht gerade zu den absoluten Lieblingen gehören. Schließlich gehören wir auch zu den wenigen Berufsgruppen, mit denen man drohen kann. „Ich gehe zum Anwalt“, klingt in aller Regel wesentlich bedrohlicher als „ich gehe zum Bäcker“. Das wirft Fragen auf: Hat uns denn wirklich keiner lieb? Blicken wirklich alle nur verächtlich von oben auf uns herab? Oder sieht vielleicht alles gar nicht so schlimm aus? Die Antwort auf diese Fragen ist jeweils – wie könnte es auch anders sein – ein glasklares „Es-kommt-darauf-an!“. Das Institut für Demoskopie Allensbach nimmt regelmäßig eine Erhebung zum Ansehen bestimmter Berufe in der Bevölkerung vor. Die „Allensbacher Berufsprestige-Skala 2013“ ist für uns leider sehr ernüchternd. Nur 24 Prozent der Deutschen zählen Rechtsanwalt zu einem besonders angesehenen Beruf. Damit liegen wir ungefähr im Mittelfeld; die Spitzenplätze nehmen Ärzte (76 Prozent), Krankenschwestern (63 Prozent) und Polizisten (49 Prozent) ein. Die letzten Plätze belegen Fernsehmoderatoren und Banker/Bankangestellte (jeweils drei Prozent). Besonders bedenklich ist, dass wir zu 3 Thorben Wengert_pixelio.de Beginn der 1990er Jahre immerhin noch 38 Prozent erreicht hatten. Unser Prestige hat also in den letzten Jahrzehnten erheblich gelitten. Aber was bedeutet schon Prestige? In Sachen „Vertrauen“ sieht die Welt gleich ganz anders aus; und das ist für die Liebe und das Liebhaben ja eindeutig wichtiger als Prestige. Laut einer Studie von Anfang 2014* haben immerhin 69,7 Prozent der Deutschen Vertrauen in uns Rechtsanwälte. Damit liegen wir nur ganz knapp hinter den Richtern, denen 73,9 Prozent vertrauen. Die ebenfalls stark juristisch geprägte Gruppe der Taxifahrer liegt mit genau 71 Prozent dazwischen. Platz 1 geht hier übrigens mit 96,6 Prozent an Feuerwehrleute – Hut (oder Helm) ab! Das Schlusslicht bilden Politiker mit 15,1 Prozent. Nicht fehlen darf hier auch eine „ElitePartner-Singlestudie“ aus dem Jahr 2011. Danach liegen Anwältinnen und Anwälte bei den zehn (für das andere Geschlecht) attraktivsten Frauen- und Männerberufen jeweils auf Platz 4 (die Frauen mit 24 und die Männer sogar mit 28 Prozent). Damit lassen wir sogar Berufe wie Piloten (9. Platz bei den Männern) oder Models (9. Platz bei den Frauen) alt aussehen. Uns fehlt es also an Prestige. Dafür sind wir immerhin vertrauenswürdig und sexy – und das ist auch gut so. Generell unbeliebt sind wir also nicht. Es liegt an uns, unser Ranking in den nächsten Jahren in allen Bereichen noch zu verbessern. Vielleicht gelingt es uns ja sogar, irgendwann richtig beliebt zu sein. Packen wir’s an. Impressum: Redaktion: Stefanie Salzmann, Nadine Passenheim, Lea HogrefeWeichhan, Andreas Hansmeier / Bildredaktion: Andrea Vollmer / Bücherforum: RA Jens Jenau / V.i.S.d.P.: RA Tobias Sommer (Chefredakteur) / Anschrift wie Herausgeber Fotos S. 1: Stephan Eichler, Stefan Höderath Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin Littenstraße 11, 10179 Berlin Tel. 030/7261520 Erscheinungsweise: vierteljährlich (1./2./3./4. Quartal) Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2015 Anzeigen: sales friendly Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos Siegburger Str. 123, 53229 Bonn Tel. 0228/97898-10, Fax: 0228/97898-20 E-Mail: [email protected] Bezugspreis: 48,00 Euro (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten für 4 Ausgaben / Einzelheft: 14,50 Euro / Für Mitglieder des FORUMs Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. ISSN 1437-3084 Layout / Satz: gudman design weimar, www.gudman.de Lektorat: Nora Döring, BILDART Druck: Buch- & Kunstdruckerei Keßler GmbH, Weimar Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wider. Redaktionsschluss Heft 3/2015: 29. Mai 2015 Beliebt oder nicht beliebt - dem erfolgreichen Anwalt wird immer der rote Teppich ausgerollt. Foto: Lupo_pixelio.de AdVoice 03/15 Europa Anwälte können europaweit tätig sein und sind es auch. Viele Rechtsgebiete sind von europäischen Normen geprägt. Die Verfahren vor den EU-Gerichten unterliegen einigen Besonderheiten. Welche sind das? Der DAV macht Lobbyarbeit in Brüssel, wie geht das? Diese und weitere Themen werden wir in der nächste AdVoice aufgreifen. Habt Ihr Themenvorschläge oder EU-Erfahrungen und wollt in der kommenden AdVoice mitmachen? Schreibt uns an: [email protected] 64 AdVoice 02/15 *Quelle: GfK Verein, GfK Trust in Professions Report 2014 Sekretariatsservice ist unser Fall COUPON Telefonservice Wir unterstützen Ihr Sekretariat Wir nehmen Anrufe in Ihrem Namen entgegen Wir schreiben Ihre Diktate Für Neukunden: Eine Woche kostenfrei testen. 0201 8612-133 Wir übersetzen Ihre Auslandskorrespondenz In jedem Fall die beste Wahl. „Auch in RA-MICRO kostet mich die Suche nach einer Akte Zeit. Aber nicht mehr als 5 Sekunden. “ Anne Bläsing, Rechtsanwaltsfachangestellte, KOMNING Rechtsanwälte, Neubrandenburg Für elektronische Aktenführung statt Papierstau: RA-MICRO – Die Nr. 1 in Deutschlands Kanzleien. Mehr unter www.ra-micro.de Infoline 0800 726 42 76