Entblößung 2.0

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Entblößung 2.0
Entblößung 2.0 Schülernetzwerke müssten die Nutzer vor einer ganz besonderen Gefahr besser schützen - vor sich selbst
Von Mirjam Hauck
ür Paris Hilton war es ein Marketing­
F
Gag. Das Sex-Video, das sie mit ih­
rem Ex-Freund drehte und ins Internet
stellte, brachte der Hotel-Erbin die ge­
wünschte Aufmerksamkeit. Für eine
16-jährige Schülerin aus dem italieni­
schen Ort Adria kam es einer Katastro­
phe gleich, als intime Szenen von ihr im
Netz auftauchten. Ihr ehemaliger
Freund hatte die Aufnahmen nach der
Trennung an seine Freunde verschickt.
Bald daraufhin kursierten die Aufnah­
men im Internet.
Das Mädchen wurde von Mitschülern
und Nachbarn immer wieder auf diese
Aufnahmen im Netz angesprochen. Bloß­
gestellt, gedemütigt und verzweifelt er­
schoss sich die 16-Jährige Anfang Au­
gust in der Wohnung ihrer Eltern mit der
Pistole ihres Vaters.
Für die junge Italienerin hatte alles
wie ein Spiel begonnen, wie ein Spiel, des­
sen Folgen sie nicht überblickte: Ein Han­
dy-Video ist schnell gedreht. Wird es ein­
mal in Online-Netzwerke wie Facebook,
Youtube oder SchülerVZ eingestellt, ver­
breitet es sich auch schnell- und unkon­
trolliert, da der klassische Jugendschutz
im Internet nicht funktioniert. Das Netz
entzieht sich den Kontrollmöglichkeiten
von Eltern und Erziehern.
Und dass die Jugendlichen selbst
nicht kontrolliert werden, gehört ja zu
den Geschäftsprinzipien vieler solcher
Netzwerke. SchülerVZ, mit mehr als 3,4
Millionen Mitgliedern eines der größten
Online-Netzwerke, richtet sich aus­
schließlich nur an Schüler. Erwachsene
haben keinen Zutritt. Eltern können
nicht einmal über Gastzugänge prüfen,
was ihre Kinder im Netzwerk treiben .
Mit technischen Einstellungen zum
Schutz der Privatsphäre will SchülerVZ
zwar dafür sorgen, dass die minderjähri­
gen Nutzer nicht allzu viel von sich
selbst preisgeben. So soll bei Jugendli­
chen unter 16 Jahren eine Standardein­
stellung dafür sorgen, dass nur Freunde
das Nutzerprofil einsehen können. Doch
damit machen es sich die Verantwortli­
chen zu einfach. Denn es ist üblich, auch
völlig Unbekannte in seinen virtuellen
Freundeskreis aufzunehmen. Denn je
mehr "Freunde" das Mitglied im Netz
hat, desto beliebter ist es.
Bei SchülerVZ ist man sich des Pro­
blems durchaus bewusst. Die Geschäfts­
führung des zum Holtzbrinck-Konzern
gehörenden Netzwerks setzt aber vor al­
lem auf die Aufmerksamkeit und das Un­
rechtsbewusstsein der Nutzer. Pro Tag
erhält die Online-Plattform rund 3000
Mails, in denen sich die Mitglieder über
Inhalte beschweren - vor allem über Mob­
bing und pornographische Bilder. BEii
der Hälfte der Klagen ziehen die Betreiber
der Plattform Konsequenzen: "Wenn in
Gruppen einzelne Schüler gemobbt wer­
den, löschen wir das sofort" , sagt Philip­
pe Gröschel, der Jugendschutzbeauftrag­
te bei SchülerVZ. Gibt es einen Verdacht
auf kriminelle Handlungen, schalten.die
Verantwortlichen die Behörden ein.
Bei anderen Netzwerken, die sich im
Unterschied zu SchülerVZ sowohl an Ju­
gendliche als auch an Erwachsene rich­
ten, gibt es dagegen kaum Bemühungen,
Kinder und Jugendliche vor sich selbst
und anderen zu schützen: Auf der Websi­
te von Facebook, dem größten sozialen
Netzwerk mit 100 Millionen Mitgliedern,
heißt es in den Nutzungsbedingungen la­
pidar: "Wir empfehlen, dass Minderjähri­
ge ihre Eltern um Erlaubnis bitten, bevor
sie Informationen über sich im Internet
preisgeben. "